- Chronisch rezidivierendes Erysipel
Das Erysipel ist eine scharf begrenzte flächenhafte Rötung, auf Epidermis und Dermis beschränkt, einhergehend mit Fieber, Lymphangitis und Schmerzen. Diverse Risikofaktoren, insbesondere das Lymphödem können zu chronisch rezidivierenden Erysipelen führen. Durch die konsequente Behandlung der Risikofaktoren kann das Risiko eines Rezidivs minimiert werden. Das Erkennen potenzieller Differenzialdiagnosen ist hierfür notwendig. Die Behandlung umfasst eine Therapie im Akutstadium und möglicherweise eine langzeitige Prophylaxe.
Etwa 10% der Patienten mit einem akuten Erysipel weisen ein Rezidiv innerhalb von 6 Monaten und 30% innerhalb von 3 Jahren auf (1). Überwiegend sind ältere Menschen, betroffen. Genaue Zahlen zu Geschlechterverteilung gibt es nicht. Es kann eine saisonale Verteilung mit Häufung im Sommer festgestellt werden (2). Je nach vorliegenden Risikofaktoren sind prädisponierte Körperregionen Unterschenkel, insbesondere Füsse und die Arme. Jedes Hautareal kann betroffen sein. Im Gesicht und Kopf fehlen meist zugrundeliegende Risikofaktoren. Beim erstmaligen Auftreten eines Erysipels ist häufig die Tibiaregion betroffen, im Fall eines Rezidivs die Füsse (2). Hier bleibt die aktuelle Datenlage jedoch lückenhaft.
Ätiopathogenese
Risikofaktoren
Eine gestörte Hautbarriere wie beim Stauungsekzem, Zehenmykose und Dermatomyositis können Eintrittspforte für Erysipel-Rezidive sein. Die Läsionen erleichtern eine bakterielle Invasion des Gewebes (3). Der wichtigste Prädiktor für das Rezidivrisiko eines Erysipels ist das Vorliegen eines chronischen Lymphödems (1). Wiederholte Erysipele führen zur zunehmenden irreversiblen Schädigung der Lymphgefässe. Das resultierende serumreiche Ödem ist so weiteres Risiko für erneute Rezidive. Ursächlich für Lymphabflussstörungen sind Schädigungen der Lymphgefässe durch Infektionen, Radiotherapien und operative Eingriffe. Zur letzteren gehören beispielsweise eine Lymphadenektomie beim Tumorleiden und die Saphenektomie in der Bypasschirurgie. Des Weiteren zählen die Neuropathie beim Diabetiker, die chronisch venöse Insuffizienz und Adipositas zu Risikofaktoren. Insbesondere gilt Diabetes mellitus als begünstigender Faktor für eine nekrotisierende Fasziitis (4). Sehr selten können primäre Immundefekte zur Pathogenese der rezidivierenden Erysipele beitragen. Letztlich ausschlaggebend für die Entstehung eines Erysipelrezidivs bleiben Lymphödeme (Abb. 1).
Protektive Faktoren
Interessanterweise weisen COPD Patienten weniger häufig rezidivierende Erysipele auf (6). Eine mögliche Erklärung könnten häuige Antibiotikatherapien zur Behandlung pulmonaler Infektionen sein.
Erreger
Häufigster pathogener Erreger beim Erysipel sind beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A (Streptococcus pyogenes). Auch Streptokokken der Gruppe C, G oder B gehören zum Erregerspektrum. Letztere kommen vor allem bei Patienten mit Diabetes mellitus, in der Tumorchirurgie und nach Bestrahlung vor. Bei immunsupprimierten Patienten spielen auch gramnegative Keime wie Pseudomonas aeruginosa und Escherichia Coli eine Rolle. Staphylococcus aureus kann häufig ein ähnliches klinisches Bild auslösen und ist der häufigste Erreger bei Zellulitis, zudem häufig nachgewiesen bei Phlegmonen (6).
Diagnose
Klinische Präsentation und Diagnostik
Die Diagnosestellung erfolgt klinisch. Typische Trias des Erysipels sind ein Erythem, Fieber und Lymphadenitis. Beim wiederholt auftretenden Rezidiv zeigt sich ein weniger ausgeprägtes klinisches Bild mit diskreter Rötung und Überwärmung, zudem geringen Blutbildveränderungen. Hierzu tragen insbesondere die vorbestehenden Hautveränderungen wie bei der chronisch venösen Insuffizienz, beim Lymphödem und Dermatosen wie Intertrigo und Tinea pedis bei. Blutkulturen sind routinemässig empfohlen. Die Gewinnung von Biopsien oder Aspirate der Läsionen ergeben häufig keinen kulturellen Erregernachweis. Nutzen erbringt die Resistenzprüfung beim Vorliegen eines Staphylococcus aureus und differenzialdiagnostisch dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (4). Biopsie- oder Aspiratgewinnung sollten vor allem bei Immunsupprimierten, Tierbissverletzungen oder möglichen Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus erfolgen (5).
Komplikationen
Die unzureichende oder fehlende Behandlung eines Erysipels, sowie zugrundeliegende Risikofaktoren führen zum Erysipel-Rezidiv. Bei etwa 25%-31% (6) der Patienten treten Komplikationen auf. Durch das zunehmende Auftreten eines Rezidivs resultiert die irreversible Lymphgefässschädigung, welche gleichzeitig als wichtigster Prädiktor eines erneuten Rezidivs gilt. Dermatologische Komplikationen sind die Sklerose, Pigmentverschiebungen und Pachydermie. Weitere Folgen können eine Elephantiasis inflammatoria, venöse Insuffizienz, Abszedierungen und ausbreitende Infektionen (Sepsis, Osteomyelitis, Arthritis, septische Tendinitis) sein.
Differentialdiagnosen
Die korrekte Diagnosestellung setzt das Erkennen ähnlicher Krankheitsbilder voraus. Zu den häufigsten Fehldiagnosen gehören die akute Stauungsdermatitis und ausgeprägte Insektenstiche (7).
Das Erysipel ist eine oberflächliche Hautinfektion beschränkt auf Epidermis und Dermis. Die Zellulitis hingegen betrifft auch das subkutane Gewebe. Klinisch ist vor allem in Anfangsstadion häufig nicht zu unterscheiden, ob es sich um ein Erysipel oder Zellulitis handelt. Demzufolge werden in der Regel Antibiotika eingesetzt, die auch gegen Staphylococcus aureus wirken (4).
- Akute Stauungsdermatitis: Eine weniger glänzende erythematöse Fläche, die meist beide Beine betrifft. Begleitend ist ein tiefer eindrückbares Ödem und tastbare Dermatoliposklerose. Bei vorliegenden Lymphödemen sind akute rezidivierende Stauungsödeme eine häufige Ursache. Die Abgrenzung vom Erysipel ist schwierig, jedoch wichtig, um unnötige Antibiotika Gaben zu vermeiden.
- Insektenstichreaktion: Innerhalb von Stunden, schneller als beim Erysipel treten nach bestimmten Mückenstichen helle Erytheme mit zungenförmigen Ausläufern auf. Eine einhergehende Allgemeinsymptomatik ist gering ausgeprägt.
- Periodisches Mittelmeerfieber: Das rezidivierende Erythem kann dem Bild eines Erysipels sehr ähneln. Begleitende Symptome sind Fieber, arthritische, peritonitische und pleuritische Beschwerden.
- Erythema migrans: Das schmerzlose, scharf abgegrenzte blasse Erythem mit zentrifugaler Ausbreitung hat keine Ausläufer und verläuft weniger akut als das Erysipel.
- Kontaktdermatitis: Nach einem Kontaktgeschehen tritt innert Stunden ein juckendes scharf begrenztes Erythem auf. Eine Allgemeinsymptomatik besteht nicht.
- Herpes Zoster: Im initialen Stadium sind Schmerzen vordergründig. Im Verlauf treten Vesikel auf und die Ausbreitung ist anders als bei Erysipel Dermatom-gebunden.
- Erysipeloid: Lokalisationen sind häufig Hände und Finger nach dem Kontakt mit Geflügel, Schweinen und Meerestieren. Initial zeigt sich ein flach-rotlivider Plaque und im Verlauf eine zentrale Aufhellung mit scharf begrenztem, livid-erhabenem Rand. Die Diagnose wird mikrobiologisch oder histologisch gestellt.
- Thrombophlebitis: Die schmerzhafte, strangartige Verhärtung kann Ursache für ein Erysipel sein.
Erysipelas carcinomatosum: Das klinische Bild der harten Infiltration tritt nicht akut auf. - Lymphangitis acuta: Dies charakterisiert sich durch eine lineare Rötung entlang einer Lymphbahn, die in der Regel ohne ausgeprägte Allgemeinsymptomatik einhergeht.
Therapie
Patienten benötigen eine interdisziplinäre Therapie. Vordergründig steht die Behandlung der auslösenden Faktoren um eine intakte Haut- und Weichteilbarriere zu gewährleisten. Dies ermöglicht einen zielgerichteten Einsatz von Antibiotika und die Erhaltung eines intakten Mikrobioms. Nicht medikamentöse Massnahmen haben bei der Therapie von rezidivierenden Erysipelen einen zentralen Stellenwert.
Nicht medikamentöse Therapie
Die wichtigste Massnahme ist die Behandlung der Eintrittspforte wie Tinea pedis und eine gute Hautpflege. Es bedarf die Therapie von Lymphabflussstörungen. Kompressionsbehandlung mit elastischen Binden, manuellen oder apparative Lymphdrainagen sind wichtig. Aufgrund der Gefahr einer Infektausbreitung sind Lymphdrainagen im Fall einer aktiven Entzündung nur unter antibiotischer Therapie durchzuführen.
Akutbehandlung
Im Akutstadium ist die antibiotische Therapie mittels Amoxicillin/Clavulansäure 3x 625 mg/Tag indiziert. Der Entscheid für eine per orale oder intravenöse Therapie hängt vom Schweregrad der Infektion und bestehenden Komorbiditäten ab. Bei vorliegender Penicillin-Allergie wird Clindamycin 3x 300 mg/Tag per oral oder 3x 600 mg/Tag intravenös verwendet (4).
Therapiedauer
Die empfohlene Therapiedauer im Akutstadium beträgt 5-7 Tage.
Prophylaxe
Die Sanierung der Eintrittspforte und Behandlung von prädisponierenden Faktoren sind das wichtigste Element.
Erneutes Rezidiv
Nach Risikoabwägung wird der Patient ausnahmsweise für einen raschen und selbständigen Antibiotikabeginn instruiert.
Risikoabwägung einer antibiotischen Prophylaxe
Eine Antibiotikaprophylaxe sollte nur nach Rücksprache mit einem Infektiologen erfolgen und bedarf in Anbetracht der widersprüchlichen Datenlage eines sorgfältigen Abwägens von Nutzen und Risiko. Studien zeigen, dass der Nutzen einer antibiotischen Langzeittherapie nach dem ersten Rezidiv besteht, andere Studien beschreiben einen Nutzen nach 3-4 Rezidiven (5, 8).
Eine Langzeitprophylaxe kann mit Penicillin V (Phenoxymethyl-penicillin) 250 mg 2x/Tag per os erfolgen (5, 9, 10). Als Prophylaxe ist die perorale Gabe indiziert und besser belegt als eine parenterale Therapie (11). Bei fehlender Compliance ist eine 2-3x wöchentliche intramuskuläre Therapie mit Benzylpenicillin-Benzathin (Tardocillinc®) empfehlenswert. Wenn nach 6 Monaten kein Rezidiv aufgetreten ist, kann das Intervall verlängert werden (11, 12). In der Schweiz steht kein Depotpenicillin Benzylpenicillin-Benzathin zur Verfügung, so dass die Substanz aus dem Ausland importiert werden muss. Ein mögliches Präparat ist Tardocillin®, welches in Deutschland hergestellt wird. Für die Anwendung von Präparaten mit EU Zulassung in der Schweiz ist keine Sonderbewilligung notwendig. Die Bestellung von Benzathin-Penicillin G kann über die Spitalapotheken oder internationale Apotheken erfolgen. Bei vorliegender Penicillin-Allergie wird Clarithromycin 250 mg/d peroral für 12 Monate angewendet. Für die empfohlene Dosis liegt jedoch keine Evidenz vor. Erythromycin wird aufgrund der unerwünschten Wirkungen und ungünstigen Resorptionsrate nicht mehr empfohlen (11). Die intermittierende antibiotische Behandlung senkt die Anzahl von Rezidiven. Bei einer Rezidivprophylaxe mit Penicillin über einen Zeitraum von nur 6 Monaten kann das Rezidivrisiko um etwa 50% reduziert werden (13).
Weitere medikamentöse Therapie
Die Kombination von Kortikosteroiden und Antibiotika bei der Behandlung eines Erysipels sollte insbesondere bei schweren Fällen und hohem Rezidivrisiko in Betracht gezogen werden (14). Eine begleitende Kortisontherapie kann zur raschen Besserung von Schmerzen, Fieber und des lokalen Befundes führen. Die Datenlage und Empfehlungen für Kortikosteroiden beim chronischen Erysipel sind jedoch spärlich.
Rezidiv trotz antibiotischer Prophylaxe
Häufiger und alltäglich ursächlicher Grund für ein Rezidiv ist die Malcompliance des Patienten. Erkennen von möglichen unerwünschten Nebenwirkungen, inkorrekter oder fehlender Einnahme der antibiotischen Prophylaxe gehört zu den häufigsten Gründen des wiederkehrenden Erysipels (Tab. 1).
Zum Erkennen der korrekten Diagnose ist das Beherrschen möglicher Differenzialdiagnosen Voraussetzung. Für die Wahl des Antibiotikums kann eine Kultur zwecks Differenzierung zwischen Streptokokken und Staphylokokken hilfreich sein. (15).
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Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel zu deklarieren.
◆ Wichtigste Elemente für eine Prophylaxe des rezidivierenden Erysipels sind die Sanierung einer gestörten Hautbarriere und die Behandlung anderer prädisponierender Faktoren wie das Lymphödem.
◆ Eine mögliche antibiotische Langzeittherapie sollte sehr sorgfältig abgewogen werden und in Rücksprache mit einem Infektiologen
erfolgen.
◆ Eine begleitende Therapie mit Kortikosteroiden ist bei wiederholt auftretendem Erysipel in Erwägung zu ziehen.
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- Vol. 11
- Ausgabe 5
- Mai 2021