- DGK Hybridkongress, WorldCCBonn
Ende September/Anfang Oktober fand der alljährliche ausgezeichnete 3-tägige Hybrid-Kongress der Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie statt. Es wurde live aus 14 Sälen übertragen: Über 1 000 Vorträge aus 165 wissenschaftlichen Sitzungen, Posterpräsentationen und Industriesymposien. Mitglieder können einen Grossteil der Sitzungen im Nachhinein «on demand» über www. kardiologie.org besuchen. Hier sind einige der vielen Highlights dieser Herztage für die Praxis zusammengefasst.
Zum Thema CCS (chronisches Koronarsyndrom) fanden mehrere sehr gute Sessions statt. In der Session «Ergometrie bei CHK – Wann sinnvoll?» wurden von Dr. Th. Klingenheben aus Bonn folgende wichtigen Aussagen gemacht: Die ESC Guidelines 2019 zum Thema CCS haben im Gegensatz zu 2013 der Ergometrie als Tool der Ischämiediagnostik bei Verdacht auf eine obstruktive CHK bei stabiler koronarer Herzkrankheit ihre bisherige Bedeutung abgewertet. Eine Klasse IC Indikation besteht nur in der Beurteilung der Belastungstoleranz, zur Beurteilung von Symptomen, Arrhythmien, BD-Verhalten und einer Risikobeurteilung bei selektionierten Patienten. Stehen keine anderen Bildgebungsverfahren zur Verfügung, so besteht noch eine Klasse IIb Indikation. Ebenso zur Symptom- und Ischämie-Kontrolle (vgl. Abbildung 1; ESC-Guidelines CCS).
Obwohl die diagnostische Wertigkeit einer Ergometrie limitiert ist, bedeutet eine ST-Senkung bei tiefer Belastungsstufe bei zusätzlichen Symptomen wie Angina pectoris oder Dyspnoe, eine schlechte Belastungsfähigkeit, komplexe VES, weitere Arrhythmien, ein fehlender sign. Herzfrequenzanstieg und ein abnormales BD-Verhalten ein erhöhtes Risiko bezüglich kardialer Mortalität. Eine post hoc Analyse der SCOT-Heart Study hat bei 3 283 Patienten mit stabiler Angina pectoris die Bedeutung der Ergometrie im klinischen Alltag mituntersucht. Dabei war der primäre Endpunkt nach 5 Jahren Tod wegen KHK resp. nicht tödlicher Myokardinfarkt. Eine pathologische Ergometrie hat betreffend obstruktiver KHK eine Sensitivität von 39% und eine Spezifität von 91%. Bei einer Hauptstamm-Stenose von > 50%, einer koronaren 3-Gefässerkrankung oder einer 2-Gefässerkrankung mit proximaler RIVA Stenose besteht eine Sensitivität von 77% bei einer Spezifität von 86% bei einem NPV von 96%. Diese Zahlen erinnern an die Studien aus den 70-er und 80-er Jahren, wo die Ergometrie einen signifikant höheren Stellenwert bei ähnlichen PatientInnen-Kollektiven hatte. Aus klinischer Sicht bedeutet dies, dass ein Belastungs-EKG vor allem dann hilfreich ist, wenn es pathologisch ausfällt bei hoher Vortestwahrscheinlichkeit! Bei einem normalen oder nicht eindeutigen Befund sollte der Arzt bei Verdacht auf eine mögliche CHK eine weitere Abklärung einleiten. Die Koronar-CT ist hier eine sehr zielführende Untersuchung, insbesondere bei der heutigen deutlich tieferen Vortestwahrscheinlichkeit. Heute qualifizieren mehr Patienten für ein Koro-CT, welches eine KHK sehr gut anatomisch ausschliessen kann. Auch die funktionellen bildgebenden Verfahren zum Nachweis resp. Ausschluss einer Ischämie wie Stressecho, Szintigraphie, MRI und PET-Untersuchung sind bei der richtigen Fragestellung im kardiologischen Praxisalltag nicht mehr zu missen. Das korrekte Belastungs-EKG bleibt somit als erste Stufe mit der richtigen individuellen klinischen Einschätzung und Erfahrung sehr hilfreich. Es wird daher im Praxisalltag weiterhin gezielt eingesetzt.
Der «Stellenwert der Koronar-CT-Untersuchung» bei der koronaren Herzkrankheit wurde in einem sehr informativen Vortrag beleuchtet. Bei Patienten mit Angina pectoris und oder Dyspnoe und Verdacht auf eine CHK ist eine nicht invasive Bildgebung zum Ausschluss einer Ischämie oder ein Koronar-CT bei eher tiefer VTW eine Klasse IB Indikation als initialer Test (Abb. 2). Bei einer bekannten CHK sollte kein CT der Koronarien durchgeführt werden! Starke Verkalkungen an den Koronarien schränken die Aussage deutlich ein; es bedarf dann eines Stresstests. Die Koronar-CT-Untersuchung ist das ideale Testverfahren wegen der hohen diagnostischen Genauigkeit (Sens. 97%, Spez. bei 90%, NPV bei 96%) und der hohen prognostischen Aussagekraft. Auch ist die Untersuchung kosteneffizient. Anhand der Plaquelast kann auch das jährliche Risiko für Myokardinfarkt resp. Tod abgeschätzt werden (Abb. 3). Die Prognose kann bei nicht obstruktiven Plaques mit einer Statintherapie mit einer sign. LDL-Senkung nach Zielwerten verbessert werden.
In einem weiteren sehr guten Vortrag bezüglich «Therapie des Postinfarktpatienten» wurde auf die verschiedenen Veränderungen des LV eingegangen. Die Routinebehandlung ist die Gabe eines Betablockers (IIaB) und die Gabe eines ACE-Hemmers (IIaA), sofern keine KI vorliegt. Bei hochgradig reduzierter EF und manifester HI bei konservativ oder spät interventionell behandeltem STEMI oder einem grossen VW-Infarkt, einer Mehrgefässerkrankung oder einem Diabetes bedarf es ebenfalls obiger Kombinationstherapie (IA). Bei einer ACE-H.-Unverträglichkeit könnte Valsartan eingesetzt werden. Bei einer EF ≤40% zusätzliche Gabe eines MRA. Entresto® zeigt in der PARADISE-MI Studie nur tendenzielle Vorteile (HR 0,90), man kann daher beim ACE-H. bleiben. Bei diesen Patienten ist auch ein SGLT2-H. erfolgreich. Bei den Patienten mit einem nachteiligen (adversen) Remodeling bringt diese Therapie eine deutliche Verbesserung und verhindert eine manifeste Herzinsuffizienz (Abb. 4 und 5).
Weiter möchte ich über ein anderes praktisches Thema, die «somatische Belastungsstörung», berichten. Diese kann sich z.B. als subjektiv stark störende harmlose Extrasystolen äussern. 1/5 der Praxispatienten leidet an somatoformen Störungen. Diese Patienten haben ein 2-fach erhöhtes Risiko einer frühzeitigen Ischämie, eine erhöhte Sterberate (sterben 5-10 Jahre früher) und eine hohe Komorbidität mit Depressionen, Angst oder Persönlichkeitsstörungen. Durch den hohen Leidensdruck ist die Lebensqualität beeinträchtigt. Oft wird der Patient arbeitsunfähig und muss in Frührente gehen. Das Gesundheitssystem wird häufig mit vielen und wiederholten Abklärungen belastet. Die Ursache liegt gemäss Abbildung 6 in einer durch Stress bedingten Aktivierung der Amygdala und dadurch einer Aktivierung des Sympathikus und des Entzündungssystems mit vorzeitiger Atherosklerose.
Diese somatische Belastungsstörung sollte vom Kardiologen nach sorgfältiger Abklärung zum Ausschluss einer organischen Genese z.B. mit dem einfachen PHQ-9-Fragebogen rasch erkannt und der/die Patient/-in einer Psychosomatischen Praxis oder einem Zentrum via HAz überwiesen werden. Dadurch kann das erhöhte kardiovaskuläre Risiko frühzeitig gesenkt werden. Auch ist die Depression eine häufige und klinisch relevante Komorbidität bei der chronisch koronaren Herzkrankheit und bei der Herzinsuffizienz (Prävalenz 21%). Sie hat ein erhöhtes Mortalitätsrisiko.
Mehrere sehr gute Vorträge zum Thema «Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz» wurden an den Herbsttagen präsentiert. Rund 30-50% der Patienten mit einer HFrEF oder einer HFpEF entwickeln ein VHFli. Bei VHFLi besteht ein 3-fach erhöhtes Risiko für eine HI. Bis zu 42% der VHFli-Patienten entwickeln über die Zeit Symptome der HI. Dadurch kommt es zu einer erhöhten Gesamtmortalität. Eine frühe Rhythmuskontrolle ist auch bei einer Herzinsuffizienz mit VHFli wichtig. Durch eine Ablation kann die Sterblichkeit, die Re-Hospitalisations- und Strokerate der HFrEF-Patienten deutlich reduziert und die Herzinsuffizienz signifikant verbessert werden (CASTLE AF + CABANA-HF letztere bei vorwiegend HFpEF Patienten). Am wenigsten von einer Ablation profitieren >80 Jahre alte + multi-morbide Patienten, Patienten mit persistierendem langanhaltendem VHFLIi mit grossen Vorhöfen und Patienten mit einer LV-EF <20%. Prinzipiell sollte man aber bei einer Herzinsuffizienz die Ablation anbieten; der SR ist am besten!! Der positive Effekt ist von einer erfolgreichen Ablation mit wenig AF-Burden abhängig; auch Kombination mit einem Antiarrhythmika. «Geben Sie alles» I. Deisenhofer TUM München. Bei alten und multimorbiden Patienten ist ein biventrikuläres Pacing und eine Ablation des AV-Knotens eine sehr gute Option.
Nach der EAST-AFNET4 Studie von P. Kirchhof et al. sollte bei einem VHFLi ≤1 Jahr auch bei einer HI eine moderne Rhythmus erhaltende Therapie (Antiarrhythmika u./od. PVI) mit der oralen Antikoagulation eingeleitet werden. Dies bei symptomatischen-, asymptomatischen-, aber auch Herz-insuffizienten Patienten. Diese Massnahmen verbessern die Chance eines SR, welcher möglichst erhalten werden sollte! Nur 10-15% der Patienten erhielten in dieser Studie eine PVI. Als modernes AAR wurden (je nach Zentrum) Amiodaron, Dronedaron, Klasse I-AAR unter Beachtung der KI erfolgreich eingesetzt. ¾ der Patienten waren ohne Ablation mit AAR auch nach 2 Jahren noch im SR mit deutlich besserer Prognose! Mit einer Rhythmus erhaltenden Therapie konnte die Mortalität (HR 0,72) und die Strokerate (HR 0,65) signifikant gesenkt werden. Nach der ATTEST Studie bei paroxysmalem VHFLi entwickelten nach 2 Jahren 20% der mit einem AAR behandelten Patienten und nur 2% der mit einer PVI behandelten Patienten ein persistierendes VHFLi. Wichtig ist somit, die Progression der Erkrankung zu bremsen. Je früher und offensiver desto besser das Outcome!
Wichtig ist auch die frühe Diagnose einer Tachykardiomyopathie, eine Arrhythmie (meist persist. tachykardes VHFli) bedingte systolische Dysfunktion. Die Symptome, die eingeschränkte LV-Funktion, die leicht vergrösserten Kammern, das erhöhte BNP und die Lebensqualität verbessern sich signifikant durch die Therapie des tachykarden VHFli. Es bedarf einer medikamentösen Herzinsuffizienztherapie nach den aktuellen ESC-Guidelines 2021, einer Frequenzreduktion auf <100-110/min (61-81/min) mit Betablocker, eines EKV-Versuchs, der Gabe von Amiodaron und der Diskussion einer Pulmonalvenenisolation. Nach Prof. R. Tilz, UKSH Lübeck, ist die Ablationstherapie die effektivste Therapie, sie reduziert die Mortalität und ist die Therapie der Wahl bei VHFli mit einer HI (Kl. I) – «hit hard and early»!
In einem sehr guten Referat von PD Dr. M. Martinek zum Thema «Reduziert die Katheterablation das Demenzrisiko?» zeigte sich: VHFli ist mit einem Langzeitrisiko für kognitiven Abbau und Demenz assoziiert. Die orale Antikoagulation ist wirksam gegen die Demenz bei VHFli, aber Vorhofflimmern ist ein unabhängiger Risikofaktor für Demenz. Eine erfolgreiche Pulmonalvenenisolation verringert das Risiko der Entstehung einer Demenz über 10 Jahre (Kohortenstudien).
In einem sehr instruktiven Vortrag von Prof. Dr. D. Thomas aus Heidelberg zum Thema «Vorhofflimmern und metabolisches Syndrom» wurde dargestellt, dass eine Senkung des BMI (>10%) und eine konsequente Behandlung der kardiovaskulären Risikofaktoren zur Rhythmuskontrolle nach einer Katheterablation beitragen – dies zeigen mehrere Beobachtungsstudien. Auch nach den ESC-Guidelines ist dies eine IB Indikation. Bei deutlichem Übergewicht (BMI ≥40) gibt es auch mehr periprozedurale Komplikationen. Die Patienten sollten daher diesbezüglich aufgeklärt und motiviert werden! Das Übergewicht führt neben erhöhten BD-Werten zu einem Remodeling des LA. Eine alleinige Gewichtsreduktion bei einem BMI >27 wirkt antiarrhythmisch!
Es empfiehlt sich, die verschiedenen sehr informativen Vorträge «on demand» unter www.dgk.org zu besuchen.
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