Mini-Review

Nahrungsmittelintoleranzen: häufiger vermutet als bestätigt

  • Nahrungsmittelintoleranzen: häufiger vermutet als bestätigt


Einleitung

Weit über 30 % der Bevölkerung glauben, unter einer Nahrungsmittelallergie oder -intoleranz zu leiden. Während die Nahrungsmittelallergie in der Regel einer IgE-vermittelten Soforttypallergie entspricht, damit immunologisch vermittelt und potenziell gefährlich ist, ist die Nahrungsmittelintoleranz als nicht immunologische Unverträglich­keitsreaktion auf Nahrungsmittel definiert. Die Unterscheidung zwischen Allergie und Intoleranzreaktion ist für die Beratung und Abklärung Betroffener essenziell. Tab. 1 fasst die klassischen Beschwerden bei einer Nahrungsmittelallergie vom Soforttyp zusammen. Ein Sonderfall stellt die Zöliakie dar, fälschlicherweise auch Glutenintoleranz genannt, eine gluteninduzierte (Auto-)Immunerkrankung mit hoher HLA-Assoziation (1).

Nahrungsmittelintoleranzen werden von Betroffenen viel häufiger vermutet, als dass sie effektiv vorliegen, und führen oft zu nicht indizierten Diäten. Für viele, insbesondere auch in den Medien kolportierten Intoleranzen, besteht keine klinische Evidenz. Sie stellen häufig einen Erklärungsversuch für chronische Beschwerden dar und werden von Patienten als Krankheitsmodell verwendet. Von Patienten geschilderte Beschwerden umschliessen meistens gastrointestinale Symptome sowie unspezifische Allgemeinsymptome wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, innere Unruhe und Hitzegefühl, also Beschwerden, die bereits anamnestisch von einer Allergie vom Soforttyp abgegrenzt werden können (siehe auch Tab. 1). 60 % der Patienten mit einem Reizdarmsyndrom ändern ihre Diät, aber leider nicht immer hinsichtlich einer für dieses Krankheitsbild indizierten Form.

Im folgenden Artikel sollen Mythen und Fakten zu verschiedenen Intoleranzreaktionen beleuchtet werden.

Histaminintoleranz

Histamin entsteht durch Decarboxylierung aus der Aminosäure Histidin und wird mithilfe der beiden Enzyme Diaminoxidase (DAO) und Histamin-N-Methyltransferase abgebaut (Abb. 1). Da beim Metabolismus von Alkohol gleiche Enzyme zum Einsatz kommen wie beim His­taminmetabolismus, kann die Einnahme von Alkohol mit dem Histaminabbau interferieren und allfällige histamininduzierte Beschwerden exazerbieren. Endogen synthetisiertes Histamin ist an vielen physiologischen Abläufen im Körper mitbeteiligt. In Mastzellen und Basophilen gespeichert, fungiert Histamin als wichtiger Mediator bei der IgE-vermittelten Allergie vom Soforttyp (siehe assoziierte Beschwerden in Tab. 1). Exogen in grossen Mengen zugeführtes Histamin kann ab 1000 mg zu schweren Intoxikationen führen, z.B. im Rahmen einer Fischvergiftung, auch Scombroid-Vergiftung genannt. Die Fischvergiftung kann mit hoher Wahrscheinlichkeit aber nicht nur auf Histamin zurückgeführt werden. Ob physiologischerweise vorkommendes und in kleineren Mengen oral aufgenommenes Histamin in Lebensmitteln tatsächlich zu ähnlichen Symptomen führen kann wie endogen freigesetztes Histamin, ist bis heute nicht geklärt (2). Beschwerden, die in Zusammenhang mit der Histaminintoleranz hauptsächlich erwähnt werden, sind Flush, Juckreiz, gastrointestinale Beschwerden (Nausea, Krämpfe, Diarrhö und Emesis), seltener auch Beschwerden vonseiten des Respirationstraktes oder kardiovaskuläre Symptome, also zum Teil ähnliche Beschwerden wie im Rahmen einer Soforttypallergie.

Als histaminreich gelten insbesondere mikrobiell verarbeitete resp. fermentierte Nahrungsmittel (Sauerkraut, Rotwein, Hartkäse, fermentiertes Fleisch, Büchsenfisch etc.). Der Histamingehalt in Lebensmitteln hängt u.a. ab von deren Prozessierung, Lagerung und Reifung. So kann z.B. ein Emmentalerkäse zwischen < 0.1 bis 2000 mg Histamin/kg enthalten (2). Patienten mit Verdacht auf Histaminintoleranz eine Liste mit möglicherweise histaminreichen Lebensmitteln abzugeben, ist entsprechend ohne begleitende Ernährungsberatung nicht sinnvoll und fehlleitend.

Eine Abbaustörung des oral aufgenommenen Histamins insbesondere auf Ebene der DAO wird als Hypothese für die Entstehung der Histaminintoleranz postuliert. DAO, aus Schweinenieren gewonnen, ist als Nahrungsergänzungsprodukt verfügbar. Im Rahmen einer doppelblinden placebokontrollierten Studie konnte aber keine signifikante Wirksamkeit der DAO-Supplementation vor oraler Einnahme von Histamin gezeigt werden, zumal die Symptome der Histaminintoleranz in dieser Studie nicht reproduzierbar waren (3). Ähnliche Resultate zeigten sich in einer 2023 publizierten Studie. 59 Patienten mit einer vermuteten Histaminintoleranz wurden verblindet und placebokontrolliert mit Histamin provoziert. In 85 % der Fälle konnte eine His­taminintoleranz ausgeschlossen werden. 63 % der Probanden reagierten auf Placebo. Nur gerade bei vier Patienten (7 %) konnte eine mögliche Histaminintoleranz attestiert werden (4). Bis heute gibt es keine verlässlichen diagnostischen Methoden, die eine Histaminintoleranz sicher belegen können. Die Messung der DAO-Aktivität im Serum wird von einigen Labors angeboten, konnte gemäss früheren Studien jedoch nicht zwischen Histaminintoleranten und Gesunden diskriminieren (5–6). Auch in der Studie aus dem Jahre 2023 ergab sich lediglich ein Trend zu tieferen Werten bei Patienten mit möglicher Histaminintoleranz. Die Spezifität des Testes reichte aber nicht aus, um die Diagnose zu bestätigen (4). Auch die zum Teil praktizierte Hauttestung mit Histamin (Histamin-50-Pricktest) zeigte keinen Unterschied zwischen Histaminintoleranten und Toleranten und wird entsprechend gemäss dieser Studie als nicht tauglich beurteilt. Die Bestimmung des Histamins im Stuhl, ebenfalls von gewissen Labors angeboten, wird als diagnostischer Marker für einen kompromittierten Histaminabbau infrage gestellt, zumal Darmbakterien selbst grössere Mengen von Histamin sezernieren können (2).

Zusammenfassend konnten in der Vergangenheit Beschwerden, die von Patienten mit Verdacht auf Histaminintoleranz geäussert wurden, in der Mehrzahl der Fälle mittels placebokontrollierter Provokationen nicht reproduziert werden. Eine entsprechende Verdachtsdiagnose soll nur mit grosser Vorsicht, nach Ausschluss wichtiger Differenzialdiagnosen, gestellt werden. Bei dringendem Verdacht empfiehlt sich zwingend eine Betreuung durch eine bezüglich diesem Krankheitsbild kompetente Ernährungsberatung. Diese umschliesst das Führen eines Ernährungstagebuches, gefolgt von einer kontrollierten diagnostischen Diät und bei Diätansprechen einer nachfolgend gezielten Diätlockerung. In diesem Rahmen kann auch der Einsatz einer DAO-Substitution (Daosin®, Selbstzahlerleistung) unter Beachtung der oben erwähnten Einschränkungen versucht werden.

Intoleranzreaktionen auf Additiva und Farbstoffe

Im Rahmen der industriellen Prozessierung werden Nahrungsmitteln sogenannte Additiva oder Lebensmittelzusatzstoffe in kleinen Mengen zugesetzt, um z.B. Haltbarkeit, Konsistenz, Geruch, Emulgierbarkeit oder Farbe des Nahrungsmittels zu beeinflussen. Der Einsatz dieser Additiva in der Lebensmittelindustrie ist gesetzlich geregelt (schweizerische Zusatzstoffverordnung). Sie müssen in der Zutatenliste genannt werden, u.a. mit der sogenannten ­E-Nummer (siehe Beispiele in Tab. 2). Diesen E-Nummern werden immer wieder krankheitsmachende Wirkungen zugeschrieben sowie die Auslösung oder Exazerbation von chronischen Erkrankungen wie dem atopischen Ekzem, der chronisch spontanen Urtikaria oder von unspezifischen Krankheitssymptomen wie Müdigkeit, Hitzeschübe, Abgeschlagenheit. Verschiedene, meist alte Studien zeigen diskrepante Ergebnisse bezüglich dem Vorliegen einer möglichen Additivaintoleranz (7).

Eine frühere Studie zeigte z.B., dass bei Kindern mit atopischem Ekzem in 75 % häufig nicht indizierte Diäten durchgeführt wurden und dass in 20 % des untersuchten Kollektivs eine Additivaeliminationsdiät durchgeführt wurde, 17 % mieden sämtliche «roten» Lebensmittel aufgrund der fälschlichen Annahme, dass «rote» Lebensmittel zu Hautrötung führen würde (8).

Allergien vom Soforttyp sind v.a. wenn auch selten auf natürliche Additiva beschrieben, wie z.B. auf das echte Karmin E120, aus Cochenilleläusen gewonnen, aber auch auf Pektin E440, aus Äpfeln und Zitrusfrüchten hergestellt, oder Johannisbrotkernmehl E410. Patienten mit einer entsprechenden Allergie berichten über typische Allergiebeschwerden (Tab. 1) unmittelbar nach Einnahme des additivahaltigen Lebensmittels.

Sulfite werden z.B. als Antioxidantien in Lebensmitteln verwendet und führten in den 1980er-Jahren u.a. zu schweren Asthmaexazerbationen. In der Folge wurde der Sulfitgehalt in Lebensmitteln reguliert. Bei einem Gehalt von über 10 mg/kg (10 ppm) muss Sulfit gekennzeichnet werden. Weisswein, Apfelwein und getrocknete Früchte sind besonders sulfitreich. Aufgrund Studien aus den 1980er-Jahren entwickelten ca 4 % der Patienten mit einem Asthma bronchiale unter Provokation mit Sulfiten eine Exazerbation (7). In einer weiteren Studie kam es jedoch bei Patienten mit positiver doppelblinder placebokontrollierter Provokation mit reinem Sulfit nur bei der Hälfte der Patienten zu Beschwerden, wenn sie mit sulfitreichen Lebensmitteln exponiert wurden (9).

Bis heute gibt es keine klare Evidenz, dass Benzoate zu Exa­zerbationen von Urtikaria, atopischem Ekzem oder Asthma bronchiale führen würden (7). Patienten mit dermatologischen Erkrankungen (n=54), u.a. mit atopischem Ekzem und chronischer Urtikaria, wurden in einer Studie mit einer Mischung aus sieben Additiva inkl. Farbstoffe, Sulfite und Benzoate provoziert. Fünf Patienten reagierten auf das Verum und nicht auf das Placebo, drei auf das Placebo und nicht auf das Verum sowie zwei sowohl auf Verum und Placebo. Die Autoren konnten damit keinen signifikanten Einfluss der Additiva auf den Krankheitsverlauf feststellen (10). Eine andere Studie exponierte 100 Patienten mit chronischer Urtikaria einfachblind mit einer Mischung aus 11 verschiedenen Additiva. Zwei Patienten erfuhren eine Exazerbation der Urtikaria. Unter doppelblinder Provokation konnte aber keine Reaktion reproduziert werden (11). In einer neueren Arbeit aus dem Jahre 2022 wurden 286 Patienten mit hohem Verdacht auf Additivaintoleranz doppelblind placebokon­trolliert mit multiplen Additiva in Kapseln provoziert. 15 % reagierten auf die Mischung sämtlicher Additiva mit Flush oder Diarrhö, entwickelten aber keine schwerwiegenderen Beschwerden. In über 80 % konnte eine Additivaintoleranz ausgeschlossen werden (12).

Zusammenfassend ist es möglich, dass einige wenige Patienten auf Additiva mit einer Intoleranzreaktion reagieren. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle konnte in den begrenzt vorliegenden Studien die Diagnose aber nicht bestätigt werden.

Additiva können jedoch das Mikrobiom verändern und damit Einfluss nehmen auf die Entstehung oder Reaktivierung einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung. In Studien wurde gezeigt, dass Emulgatoren (z.B. Carboxymethylcellulose, Polysorbat) und Verdickungsmittel (z.B. Maltodextrin) die Mukosabarriere schädigen (13) und in keimfreien Mäusen zu einer niedriggradigen intestinalen Entzündung führen können (14). In der Literatur wird ebenfalls beschrieben, dass Carragene (E407), z.B. als Verdickungsmittel in Konfitüren, Babynahrung, Milchprodukten und Desserts eingesetzt, die Darmpermeabilität erhöhen, die Gesamtbakteriendichte reduzieren als auch die Bakterienzusammensetzung beeinflussen können (15–19).

Salicylatintoleranz

Salicylsäure ist eine natürlich vorkommende Substanz, währenddem Acetylsalicylsäure (Aspirin) eine chemische Verbindung ist, die in der Natur nicht vorkommt. Salicylate kommen natürlicherweise in Nahrungsmitteln vor ­(Alkohol, Obst, Rosinen, Gemüse, Kräuter und Gewürze). Die durchschnittliche tägliche Einnahme bei einer ausgewogenen Diät beträgt 3–5 mg, bei einer beschränkten Bioverfügbarkeit (20). Acetylsalicylsäure ist ein potenter Hemmer der Cyclooxigenase (COX)-1, während Salicylsäure die COX-2-Genexpression hemmt (7). Eine Intoleranz auf Acetylsalicylsäure (und andere NSAID) ist ein bekanntes Krankheitsbild und kann assoziiert sein mit nasalen Polypen, einer chronischen Rhinosinusitis und einem Asthma bronchiale (AERD, aspirin exacerbated disease, früher M. Widal). Bis heute gibt es keine Evidenz, dass die Einnahme von Salicylsäure in Lebensmitteln einen negativen Effekt hat für Patienten mit einer Aspirinintoleranz. Von einer salicylsäurereduzierten Diät ist dringend abzuraten (20).

FODMAP-Intoleranz

FODMAP ist ein Akronym und steht für fermentierbare Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide und (And) Polyole. Damit sind Fruktane/Galaktane, Laktose, Fruktose und Polyole gemeint. Dies alles sind kurz- bis mittelkettige Kohlenhydrate, die intestinal eingeschränkt resorbiert und so als osmotisch aktive Teilchen Flüssigkeit in den Dünndarm ziehen und vom Mikrobiom des Kolons fermentiert werden (21). Dies führt zu Meteorismus und Veränderung der Darmtätigkeit, meist Diarrhö. Die viszerale Hypersensitivität, wie sie bei Patienten mit einem Reizdarmsyndrom (irritable bowel syndrome, IBS) vorkommt, kann die Beschwerden erklären, welche diese Patientengruppe nach Konsum von gasproduzierenden Nahrungsmitteln erfährt (22).

Wenn bei Patienten die Diagnose eines Reizdarmsyndroms definitiv bestätigt wurde und Symptome wie Borborygmus, Abdominalgien, Meteorismus, imperativem Stuhldrang sowie Veränderung der Stuhlkonsistenz durch FODMAP-reiche Lebensmittel typischerweise exazerbieren, soll in der Hausarztpraxis keine serologische Bestimmung von Immunglobulinen gegen Nahrungsmittel veranlasst werden.

Falls generelle Lifestyle-Massnahmen und Ernährungsempfehlungen (siehe nebenan) ungenügend wirken, empfehlen wir – entsprechend den internationalen Guidelines – eine FODMAP-arme Ernährung. Diese Ernährungsweise wurde in verschiedenen Studien weltweit geprüft und hat auch gemäss verschiedenen Metaanalysen eine sehr gute Wirksamkeit gezeigt (23). Die Therapie ist am effizientesten, wenn sie durch eine persönliche Ernährungsberatung instruiert, anstatt durch Selbststudium umgesetzt wird (24). Wichtig anzufügen ist, dass nach einer Eliminationsphase von 4–6 Wochen (abhängig vom klinischen Ansprechen) die einzelnen FODMAP-Komponenten schrittweise wieder eingeführt werden und so die individuelle Toleranzschwelle bestimmt wird (25). FODMAPs dienen nämlich dem intestinalen Mikrobiom als Nahrungsquelle. Eine zu rigorose Elimination kann einen negativen Effekt auf das Mikrobiom haben und u.a. zu einer Reduktion an für das Mikrobiom wichtigen Bifidobakterien führen (26). Im Folgenden wird auf die einzelnen FODMAP-Komponenten eingegangen:

Fruktane/Galaktane

Bei einer FODMAP-Intoleranz sind es hauptsächlich die Oligosaccharide Fruktan und Galaktan (Tab. 3), welche das Hauptproblem darstellen, da es im Dünndarm keine Enzyme gibt, welche Oligosaccharide spalten. Somit wandern diese Stoffe unverändert ins Kolon, wo sie bakteriell fermentiert werden und zu den bekannten Symptomen führen. Als pragmatisches Herangehen bei einem vermuteten FODMAP-induzierten IBS können primär diese Oligosaccharide reduziert und nur bei einem Nichtansprechen auch weitere FODMAP-Komponenten ausgeschlossen werden («Step-up»-Herangehensweise). Nebst den bekannten fruktanhaltigen Gemüsen Zwiebel und Knoblauch kommt auch in Weizen sehr viel Fruktan vor, und eine Reduktion des Brotkonsums kann manchmal die Symptomatik bereits deutlich verbessern.

Laktose

Bei einem Laktasemangel liegt ein Enzymmangel zur Spaltung des Disaccharides vor. Durch eine Mutation des Laktasegens sinkt die Laktaseaktivität. Dies ist bei bis zu 15 % der europäischen Bevölkerung der Fall. Die Restaktivität der Laktase in den Dünndarmzotten ist dann unfähig, sämtliche laktosehaltigen Produkte zu spalten. Die Symptome sind mengenabhängig und dienen somit der Diagnostik. Bei Unklarheit oder auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten kann ein H2-Atemtest oder ein Laktase-Biopsie-Schnelltest während einer Gastroskopie zur Diagnosesicherung durchgeführt werden. Therapeutisch gilt es, die Laktosemenge zu reduzieren, die eigene Toleranzschwelle auszutesten und im Bedarfsfall das Enzym zu supplementieren.

Falls kein Laktasemangel und keine Milchallergie vom Soforttyp vorliegen, aber die Patienten trotzdem Beschwerden nach Milchkonsum erfahren, kann z.B. eine Unverträglichkeit aufgrund einer hohen Fettkomponente (3.5 % Vollmilch) oder aufgrund des hohen LCT-Anteils (LCT = long chain triglycerides) der Kuhmilch vorliegen. Bei erhaltener Laktaseaktivität und Symptomen kann es also hilfreich sein, auf eine Drink-/Magermilch (1.5–2.5 resp. 0.1–0.5 % Fettanteil) zu wechseln oder auf Ziegen-/Schafsmilch (niedrigerer LCT- und höherer MCT-Fettgehalt; MCT = medium chain triglycerides) resp. Sojadrink umzusteigen (27).

Fruktose

Fruktose (Tab. 4) wird intestinal über zwei Mechanismen resorbiert: einerseits via den fakultativen GLUT-5-Transporter oder, wenn mit Glukose zusammen resorbiert, effizienter via den GLUT-2-Transporter. Die Fruktosemalabsorption stellt grundsätzlich ein Mengenproblem dar. Die Resorption über den selektiven GLUT-5-Fruktosetransporter ist limitiert. Wie viel Fruktose vertragen wird, ist von Person zu Person verschieden. Die gleichzeitige Aufnahme von Glukose stimuliert die Aktivität des GLUT-5-Transporters, sodass Saccharose (Glukose-Fruktose-Disaccharid) relativ gut resorbiert wird, Zuckeralkohole (Polyole) wirken hingegen hemmend. Die Diagnose einer stark eingeschränkten Fruktoseabsorption kann durch einen H2-Atemtest (Belastung mit 25 g Fruktose; dies entspricht der Menge von ca. 4 dl Apfelsaft) gestellt werden (28).

Die nicht-zöliakiebedingte ­Weizen­sensitivität

Eine spezifische Gruppe der Nahrungsmittelintoleranz wird von Betroffenen mit der Aufnahme von Weizen assoziiert. Patienten berichten über intestinale und extraintestinale Symptome nach Konsum von Weizen, aber sie weisen keine zöliakiespezifischen oder IgE-Antikörper auf (29). Die Prävalenz liegt zwischen 0.6 %–10 % und kommt mehrheitlich bei Frauen vor (30). Da es keinen Biomarker für diese Entität gibt, ist es schwierig, eine affirmative Diagnose zu stellen. Das Krankheitsbild wird aufgrund mangelnder Evidenz kontrovers diskutiert. Die beschriebenen Symptome sind mannigfach. Als Ursache der weizeninduzierten Beschwerden könnte auch ein IBS vorliegen mit Exa­zerbation der Beschwerden aufgrund einer Fruktanintoleranz (siehe oben) oder eine Unverträglichkeit auf andere Weizenproteine (z. B. Amylase-Trypsin-Inhibitoren, ATI). Eine Metaanalyse zeigte z. B., dass nur 16 % der «nichtzöliakiebedingten Weizensensitivität»-Patienten gluten- spezifische Symptome zeigten (31). Zudem zeigte sich in einer doppelblinden placebokontrollierten Crossover-Studie, die Gluten und Fruktan verglich, dass die Mehrheit der Studienpopulation auf Fruktan- und nicht Glutenkonsum den ausgeprägtesten Meteorismus entwickelte (32).

Therapeutisch empfehlen wir primär eine FODMAP-arme Ernährung, da bei dieser Intervention sowohl der Fruktan- als auch der Glutenkonsum reduziert wird.

Historie
Manuskript eingegangen: 28.10.2024
Angenommen nach Revision: 20.01.2025

Prof. Dr. med. Barbara Ballmer-Weber

Chefärztin Allergologie
Klinik für Dermatologie und Allergologie
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St.Gallen

Dermatologische Klinik, Universitätsspital Zürich

barbara.ballmer-weber@kssg.ch

Dr. med. Claudia Krieger-Grübel 

Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie
HOCH Health Ostschweiz
Kantonsspital St. Gallen

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

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