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Erkenntnisgewinne vom European Lung Cancer Congress 2025 (ELCC) auf dem Gebiet der Medizinischen Onkologie

  • Erkenntnisgewinne vom European Lung Cancer Congress 2025 (ELCC) auf dem Gebiet der Medizinischen Onkologie

Dr. Noemi Requart, Barcelona, referierte auf dem European Lung Cancer Congress 2025 in Paris über den aktuellen Wissensstand, zukünftige Entwicklungen und das zukünftige Potenzial zur Deckung bislang ungedeckter medizinischer Bedürfnisse in der medizinischen Onkologie, insbesondere im Bereich der Therapie des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC).



Gegenwart und Zukunft – Was erwartet die klinische Praxis von morgen?

Im Hinblick auf die Erstlinien-EGFR-Therapie wurden die Studien MARIPOSA (Amivantamab + Lazertinib) sowie COCOON (prophylaktische Intervention gegen Nebenwirkungen) hervorgehoben.

Für die Erstlinientherapie von NSCLC ohne nachweisbare treibende genetische Alterationen (Non-AGAs, Actionable Oncogenic Alterations) nannte die Referentin die Studie MK-3475A-D77.

MARIPOSA

MARIPOSA war eine dreiarmige, randomisierte Phase-3-Studie, in der Amivantamab + Osimertinib (offen) mit Osimertinib (verblindet) und Lazertinib (verblindet) bei therapienaiven Patienten mit EGFR-mutiertem NSCLC verglichen wurde. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS), bewertet durch ein verblindetes, unabhängiges zentrales Review (BICR). Ein sekundärer Endpunkt war das protokollspezifische finale Gesamtüberleben (OS).

Nach einem medianen Follow-up von 31 Monaten zeigte die Kombination Amivantamab + Lazertinib im Vergleich zu Osimertinib einen günstigen Trend im Gesamtüberleben (OS) in der Erstlinie. In MARIPOSA war das OS unter Amivantamab + Lazertinib signifikant verlängert (Hazard Ratio [HR] 0,75). Die Überlebenskurven begannen sich nach etwa einem Jahr zu trennen und divergierten im weiteren Verlauf zunehmend.

Bezüglich des intrakraniellen progressionsfreien Überlebens (icPFS) wurde eine klinisch relevante Verbesserung dokumentiert: Nach drei Jahren betrug das icPFS 36 % unter Amivantamab + Lazertinib im Vergleich zu 18 % unter Osimertinib, was auf ein anhaltendes Ansprechen hinweist.

COCOON

Die COCOON-1-Studie evaluierte die Auswirkungen eines erweiterten gegenüber einem Standard-Management dermatologischer Nebenwirkungen bei Patienten, die mit Amivantamab und Lazertinib bei NSCLC behandelt wurden. Die Studie zeigte frühzeitig Erfolg: Durch präventive Massnahmen konnten moderate bis schwere dermatologische Nebenwirkungen in der Erstlinientherapie mit Amivantamab plus Lazertinib bei Patienten mit EGFR-mutiertem fortgeschrittenem NSCLC signifikant reduziert werden.

Erstlinientherapie bei Non-AGAs

Non-AGAs bezeichnen onkogene Veränderungen, die nicht durch gezielte Therapien adressiert werden können, insbesondere bei NSCLC.

MK-3475A-D77-Studie

Die MK-3475A-D77 war eine randomisierte Phase-3-Studie, in der eine subkutane Co-Formulierung von Pembrolizumab mit Berahyaluronidase alfa untersucht wurde. Ziel war es, die subkutane Applikation von Pembrolizumab als Alternative zur intravenösen Verabreichung von Keytruda® (Pembrolizumab) bei Patienten mit metastasiertem NSCLC zu evaluieren.

Das PFS unter der subkutanen Pembrolizumab-Formulierung in Kombination mit Chemotherapie war gegenüber der intravenösen Pembrolizumab-Verabreichung plus Chemotherapie nicht signifikant überlegen (8,1 Monate vs. 7,8 Monate; HR 1,05).

Was kommt als Nächstes? Zukünftige Versprechen für ungedeckte Bedürfnisse

EGFR nach Progression

Im Bereich der Therapiestrategien nach Progression bei EGFR-mutiertem NSCLC wurden zwei Studien hervorgehoben: die biomarkergesteuerte SAVANNAH-Studie (Savolitinib + Osimertinib) sowie die biomarkeragnostische ORCHARD-Studie (Datopotamab-Deruxtecan [Dato-Dxd] + Osimertinib).

Neue HER2-Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKIs)

Unter den neuen HER2-TKIs wurde die Studie SOHO-1 zur Sicherheit und Wirksamkeit von BAY 2927088 vorgestellt.

RAS-Inhibitoren

– Erstlinientherapie RAS(OFF)-COMBOS KRYSTAL-7: Adagrasib plus Pembrolizumab versus Pembrolizumab allein bei NSCLC mit KRASG12C-Mutation und KROCUS: Fulzerasib in Kombination mit Cetuximab bei unbehandeltem, fortgeschrittenem KRASG12C-mutiertem NSCLC.
– Therapien in der zweiten und dritten Linie (RAS(ON)): RASolve 301 (Daraxonrasib): Daraxonrasib demonstrierte signifikante Tumoraktivität und Sicherheit bei Patienten mit RAS-mutiertem duktalem Pankreaskarzinom (PDAC) mit bemerkenswerten Ergebnissen bezüglich PFS und objektiver Ansprechrate (ORR).

SAVANNAH

Diese Phase-2-Studie evaluierte Savolitinib in Kombination mit Osimertinib bei Patienten mit EGFR-mutiertem NSCLC und MET-Überexpression und/oder MET-Amplifikation nach Progression unter Osimertinib.

Die bestätigte objektive Ansprechrate (ORR) lag bei 56 % (bestimmt durch den Untersucher) bzw. 55 % (bestimmt durch BICR). Das mediane PFS betrug 7,4 Monate (Untersucherbewertung) bzw. 7,5 Monate (BICR). Häufige therapieassoziierte Nebenwirkungen ≥ Grad 3 waren periphere Ödeme (11 %), Anstieg der Alanin-Aminotransferase (6 %) und Pneumonien (5 %).

ORCHARD

In dieser Phase-2-Studie wurden Patienten mit EGFR-mutiertem NSCLC, deren Erkrankung unter Osimertinib progredierte, mit einer Kombination aus Osimertinib und Datopotamab-Deruxtecan behandelt.

Die ORR betrug in beiden Dosisgruppen vergleichbare Werte: 43 % bei 4 mg/kg (n = 35) und 36 % bei 6 mg/kg. Das mediane PFS betrug 9,5 Monate (4 mg/kg) bzw. 11,7 Monate (6 mg/kg), bei 28 versus 19 dokumentierten PFS-Ereignissen. Der Anteil schwerer Nebenwirkungen (Grad ≥ 3) lag bei 12 % in der 4-mg/kg- und 19 % in der 6-mg/kg-Kohorte.

Neudefinition der Behandlungsstandards bei ALK-positivem fortgeschrittenem NSCLC

Prof. Solange Peters (CHUV Lausanne) präsentierte die aktuelle klinische Situation und therapeutische Weiterentwicklungen bei ALK-positivem fortgeschrittenem NSCLC (ALK+ aNSCLC).

Trotz signifikanter Fortschritte besteht weiterhin ein ungedeckter medizinischer Bedarf. Betroffene Patienten sind meist jünger, Nichtraucher oder leichte Raucher, und weisen zum Diagnosezeitpunkt häufig eine weit fortgeschrittene Erkrankung (Stadium III–V) auf.

Friktionen zwischen Erst- und Zweitlinientherapie

Ein Drittel der Patienten mit ALK+ aNSCLC erreicht keine Zweitlinientherapie. Trotz Einsatz von Zweitgenerations-ALK-TKIs kommt es bei 53–63 % der Patienten innerhalb von drei bis fünf Jahren zu einer Progression, häufig verbunden mit einer hohen Inzidenz und Belastung durch Hirnmetastasen.

Bereits bei Diagnose zeigen 35 % der Patienten Hirnmetastasen; zudem entwickeln 20 % der Patienten ohne initiale Hirnmetastasen innerhalb von fünf Jahren neue zerebrale Metastasen. Diese sind mit einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität und hohen gesundheitlichen sowie sozioökonomischen Belastungen verbunden.

Entwicklung der ALK-TKI-Therapie

In den letzten 15 Jahren hat sich die Landschaft der 1L-Therapien für ALK+ aNSCLC erheblich weiterentwickelt. Im Jahr 2007 wurde erstmals die EML4-ALK-Translokation beschrieben. Dabei handelt es sich um eine genetische Fusion, die eine der Hauptursachen für NSCLC ist und ein Behandlungsziel für spezifische ALK-Inhibitoren wie Crizotinib darstellt, das 2014 erstmals eingesetzt wurde. Im Laufe der Jahre hat sich die Behandlung weiterentwickelt, von Crizotinib über Ceritinib und Alectinib (2017) bis hin zu Brigantinib (2020) und Lorlatinib (Lorviqua®) (2022), dem neuesten ALK-TKI der dritten Generation. Mit jeder neuen Generation von ALK-TKI verbesserte sich die Wirksamkeit, d.h. die Affinität zu ALK, die Durchdringung der Blut-Hirn-Schranke und die Abdeckung von ALK-Resistenzmutationen.

Drei vergleichbare Studien mit ALK+ NSCLC-Patienten: ALEX, ALTA-1L und CROWN

Alle drei Studien waren Phase-III-Studien. Die ALEX-Studie verglich Alectinib mit Crizotinib, einem 2nd-Generation-TKI mit einem 1st-Generation-TKI. ALTA-1L verglich Brigantinib mit Crizotinib, ebenfalls ein 2nd-Generation-TKI mit einem 1st-Generation-TKI und CROWN schließlich verglich den 3rd-Generation-TKI Lorlatinib mit dem 1st-Generation-TKI Crizotinib. In allen drei Studien war der primäre Endpunkt das progressionsfreie Überleben (PFS), das in einer verblindeten Studie definiert wurde.

Alle 3 Studien hatten praktisch die gleiche Anzahl an Teilnehmern. Die Teilnehmer waren TKI-naiv. In ALTA 1L erhielten sie zunächst eine Chemotherapie, aber keinen TKI. Die 3 Studien hatten also praktisch das gleiche Design und sind sehr gut vergleichbar.

Die ersten beiden Studien, ALEX und ALTA-1L, zeigten eine sehr günstige Hazard Ratio für das PFS zugunsten des 2. Generations-TKI Alectinib (HR 0,47) und Brigantinib mit einer Hazard Ratio von 0,43, also ein sehr vergleichbares PFS. In der dritten Studie, CROWN, zeigte Lorlatinib vs. Crizotinib eine noch günstigere Hazard Ratio von 0,19 und damit einen signifikanten Vorteil für den Einsatz des 3. Da das PFS nach 3 Jahren nicht erreicht wurde, wurde das PFS nach 5 Jahren durch den Prüfarzt in einem kontinuierlichen Effort bestimmt. Die Ergebnisse zeigten, dass das mediane PFS unter Lorlatinib auch nach 5 Jahren nicht erreicht wurde. Lorlatinib reduzierte zudem das Risiko für Progression oder Tod im Vergleich zu Crizotinib um 81% (Hazard Ratio [HR] = 0,19; 95% Konfidenzintervall [95% CI]: 0,13-0,27).

Es gab noch keine Überlebenskurven, da das OS noch nicht reif war. Das 5-Jahres-OS betrug in CROWN mit Lorlatinib 76% gegenüber 66% mit Brigantinib in ALTA 1L und 62% mit Crizotinib in ALEX.

Fazit zur Neudefinition der Behandlungsstandards für ALK+ aNSCLC in der Erstlinie

Nach einer Nachbeobachtungszeit von 5 Jahren war das mediane PFS bei Patienten mit ALK+aNSCLC, die mit dem ALK-TKI der dritten Generation, Lorlatinib (Lorviqua®), behandelt wurden, noch nicht erreicht. Dies ist die längste Zeit, die jemals mit einer zielgerichteten molekularen Therapie bei fortgeschrittenem NSCLC und metastasierten soliden Tumoren beobachtet wurde.

Zusammen mit der verlängerten intrakraniellen Wirksamkeit und dem Fehlen neuer Sicherheitsbedenken stellen diese Ergebnisse einen einzigartigen Erfolg in der Behandlung dieser Patientengruppe dar und setzen neue Maßstäbe für zielgerichtete Krebstherapien.

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

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  • Vol. 15
  • Ausgabe 2-3
  • Mai 2025