- Akuter und episodischer Schwindel – Diagnostik und Therapie
Einleitung
Schwank- oder Drehschwindel ist eines der häufigsten Leitsymptome auf dem Notfall wie auch in der Praxis überhaupt und nimmt ca. 2–4 % aller Notfallkonsultationen ein (1–4). Die Differenzialdiagnose von akutem oder episodischem Schwindel ist äusserst breit und erstreckt sich über zahlreiche Fachgebiete, einschliesslich neurologischer, psychiatrischer, internistischer und orthopädischer Krankheitsbilder. Als Folge davon sind Kliniker unterschiedlichster Fachrichtungen mit diesem Symptom konfrontiert. Erkrankungen des Gleichgewichtsorganes («peripher-vestibulärer Schwindel») stellen dabei nur ca. einen Drittel aller Ursachen von Schwindel dar. Eine klare Zuordnung der Schwindelbeschwerden ist dadurch erschwert, dass keine einzelne Ursache mehr als 5–10 % aller Schwindeldiagnosen ausmacht (1). Bei circa 10 bis 15 % der Patienten mit dem Leitsymptom Schwindel besteht eine ernsthafte zugrunde liegende Erkrankung – dies schliesst auch jüngere Patienten mit ein, nimmt aber mit zunehmendem Alter zu (1). Die Erstbeurteilung von Patienten mit dem Leitsymptom Schwindel muss dementsprechend prioritär darauf ausgerichtet sein, diejenigen Patienten zu identifizieren, welche dringlich weitere diagnostische und therapeutische Massnahmen (z. B. Schlaganfallabklärung auf einer Stroke Unit oder kardiologische Abklärung bei Herzrhythmusstörungen) benötigen.
Schwindel – Begrifflichkeit und Präsentation
Während Drehschwindel («vertigo») eine illusionäre Eigenbewegung des Körpers beschreibt, ist unter Schwankschwindel («dizziness») ein ungerichteter Schwindel zu verstehen (5). Eine Unterscheidung zwischen «gefährlichem» und «gutartigem» Schwindel basierend auf der Art des Schwindels – Drehschwindel vs. Schwankschwindel vs. Präsynkope vs. Benommenheit – ist jedoch nicht zuverlässig möglich. Dies einerseits, weil die Patienten ihre Schwindelbeschwerden häufig nicht präzise beschreiben (6), und andererseits, weil alle Formen von Schwindel (Schwankschwindel, Drehschwindel, Benommenheitsgefühl, Präsynkope) gefährliche Ursachen haben können. Aufgrund dieser Beobachtung rücken andere Elemente in der klinischen Präsentation in den Vordergrund wie das Vorliegen von Triggern und die Dauer sowie Häufigkeit der Symptome (sog. Timing-and-Triggers-Herangehensweise [7]). Darauf basierend lässt sich Schwindel in sechs verschiedene Kategorien einteilen (Tab. 1) und die Differenzialdiagnose eingrenzen.
Die klinische Beurteilung des Patienten mit Schwindel
Anamneseerhebung
Anhand einer strukturierten Anamnese sollte gezielt nach Merkmalen des Schwindels gefragt werden, welche eine nähere Zuordnung der zugrunde liegenden Erkrankung erlauben. Im Mittelpunkt stehen dabei Fragen nach der Dauer/Häufigkeit der Attacken, ihres Beginns (langsam vs. abrupt), Begleitsymptomen, Provokationsfaktoren und Traumata sowie der aktuellen Medikation. Die Dauer der Schwindelbeschwerden ist bei der ätiologischen Einordnung essenziell, da viele zugrunde liegende Ursachen eine charakteristische Beschwerdedauer aufweisen (Abb. 1).
Immer erfragt werden sollte, ob die Schwindelattacken spontan auftreten oder durch bestimmte Positionen/Positionsänderungen/Massnahmen oder Situationen ausgelöst werden können. Ein attackenhaftes Auftreten nach Positionsänderungen des Kopfes (z. B. Drehen im Bett, Aufstehen/Hinlegen, Blickwendung nach oben/unten) spricht für einen benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel (BPLS), während isoliertes Auftreten nach raschem Aufstehen auf einen orthostatisch bedingten Schwindel hinweist. Eine Provokation des Schwindels durch ein Valsalva-Manöver (d. h. eine intraabdominelle Drucksteigerung, z. B. beim Spielen eines Blasinstrumentes oder bei der Defäkation) deutet auf eine Perilymphfistel hin, während ein situatives Auftreten an belebten Orten (z. B. Warenhaus, öffentliche Plätze) für einen somatoformen Schwindel (früher «phobischer Schwindel» genannt) typisch ist. Ist das Auftreten des Schwindels auf das Gehen/Stehen beschränkt, so ist an eine zugrunde liegende Polyneuropathie oder eine bilaterale Vestibulopathie zu denken. Bei vielen Ursachen ist aber gerade das Fehlen von Provokationsfaktoren charakteristisch, wie z. B. beim Schlaganfall, beim M. Menière oder bei vestibulärer Migräne. Gezielt erfragt werden sollten zurückliegende Kopf- oder Nackenverletzungen sowie Manipulationen (z. B. im Rahmen einer chiropraktischen Behandlung), da diese sowohl zu einer Gefässdissektion als auch zu einem meist chronischen Subduralhämatom führen können. Bei jedem Patienten mit Schwindel sollte die bestehende Medikation erfragt und gezielt nach Medikamenten, welche Schwindel begünstigen können, gesucht werden. Auch Dosisänderungen bestehender Medikamente können Schwindel provozieren.
Klinische Untersuchung
Der Fokus der klinischen Untersuchung richtet sich massgeblich nach den vorliegenden Beschwerden, sollte aber in jedem Fall eine gezielte neurologische sowie neurootologische und internistische Untersuchung beinhalten. Die wichtigsten Befunde und ihre Einordnung sind in Tab. 2 aufgeführt.
Liegen fokal-neurologische Defizite vor, so ist die Zuordnung einfach. Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass Schwindel auch bei Vorliegen einer zentralen Ursache (meist eines Schlaganfalles) in bis zu 2/3 der Fälle isoliert, d. h. ohne offensichtliche fokal-neurologische Defizite, auftreten kann (8). Hierbei hat sich die gezielte Suche nach subtilen okulomotorischen Zeichen als sehr hilfreich erwiesen. Diese Testung beinhaltet 4 Komponenten, dauert ca. 5 Minuten und kann am Patientenbett/auf der Notfallstation zuverlässig durchgeführt werden. Es erfolgt die Prüfung des vestibulo-okulären Reflexes mittels Kopfimpulstest («Head Impulse»), der horizontalen exzentrischen Blickhaltefunktion («Nystagmus») und der vertikalen Blickstabilität («Test of Skew»), was abgekürzt das Akronym HINTS ergibt (9) und durch die Prüfung des Gehörs (10) (ggf. mittels einer entsprechenden Smartphone-App) erweitert werden kann (HINTS-plus). Diese Testbatterie kann beim Patienten mit akutem prolongiertem Schwindel im Vergleich zum frühen (d. h. innerhalb von 24–48h erhobenen) MRI inkl. diffusionsgewichteten Sequenzen einen Schlaganfall mit höherer Sensitivität (95 % vs. 80 %) nachweisen (8) und ist in Tab. 3 detailliert beschrieben.
Jede neurootologische Untersuchung sollte zumindest die Prüfung der HINTS-plus, eines Spontan- und Kopfschüttelnystagmus sowie die Gang- und Lagerungsproben (Hallpike-Dix-Provokationsmanöver) als auch eine Ohrinspektion mittels Otoskop umfassen, da damit die häufigsten peripher- und zentral-vestibulären Ursachen (Schlaganfall, vestibuläre Neuritis, BPLS) erfasst werden. Liegt beim Patienten mit akutem prolongiertem Schwindel kein Spontan- oder Blickrichtungsnystagmus vor, so ist die Aussagekraft der HINTS(-plus) geringer, und es sollte unbedingt auch eine graduierte Prüfung der Stand- und Gangfunktion erfolgen (11). Dabei lassen sich verschiedene Schweregrade einer Stand- und Gangstörung unterscheiden (Grad 0–3). Kann ein Patient mit akutem Schwindel/Gangunsicherheit nicht mehr selbständig stehen oder sitzen, so entspricht dies einer schweren (Grad 3-)Stand- und Gangataxie und ist suggestiv für eine zentrale Ursache (Spezifität 99 %, [12]). Eine weiterführende bildgebende Abklärung ist dringlich empfohlen. Kann der Patient nicht mehr selbständig gehen, so entspricht dies einer Grad-2-Stand- und Gangataxie, was sowohl peripher als auch zentral bedingt sein kann. Das Vorliegen eines Spontannystagmus kann ebenfalls diagnostisch hilfreich sein. Während ein horizontaler oder horizontal-torsioneller Spontannystagmus bei peripher- wie auch zentral-vestibulären Ursachen auftreten kann, so spricht das Vorliegen eines rein vertikalen, rein torsionellen oder vertikal-torsionellen Spontannystagmus für eine zentrale Ursache (13).
Ist die neurologische und neurootologische Untersuchung unergiebig, so sind gezielt nicht neurologische Ursachen der Schwindelsymptomatik zu suchen. Zu den häufigsten internistischen Ursachen von akutem Schwindel auf dem Notfall überhaupt zählen Störungen des Elektrolyt- oder Wasserhaushaltes (5.6 %), vasovagale Synkopen (6.6 %), kardiale Arrhythmien (3.2 %), Anämien (1.6 %) und Hypoglykämien (1.4 %) (1).
Apparative Diagnostik bei Schwindel
Die Indikation zu allfälligen Zusatzuntersuchungen sollte immer unter Berücksichtigung der erhobenen klinischen Befunde und der postulierten Differenzialdiagnose erfolgen. Dadurch sollen Untersuchungen von geringem/fehlendem diagnostischem Nutzen vermieden werden, wie z. B. die Anordnung einer CT-Untersuchung beim Patienten mit benignem paroxysmalem Lagerungsschwindel.
Zerebrale Bildgebung
Das Schädel-MRI mit Diffusionswichtung (DWI) ist die Bildgebung der Wahl bei Verdacht auf eine vertebrobasiläre (transiente) Ischämie, währenddessen die CT-Schädel (inkl. CT-Angiographie) in dieser Konstellation aufgrund seiner deutlich geringeren Sensitivität (ca. 30 % vs. 80 %) unterlegen ist. Zwecks Darstellung einer intrazerebralen Blutung oder eines Gefässverschlusses ist es jedoch weiterhin eine zuverlässige Methode. Beim MRI gilt es zudem zu berücksichtigen, dass bei bis zu 20 % der frühen (d. h. in den ersten 24–48 h erhobenen) MRI-Untersuchungen (inkl. DWI) ein falsch-negativer Befund vorliegen kann (8). Dementsprechend sollte bei klinisch hohem Verdacht auf eine vertebrobasiläre Ischämie der Patient einer Schlaganfallabklärung zugeführt und die Bildgebung nach 3–10 Tagen wiederholt werden.
Peripher-vestibuläre Diagnostik
In den letzten 20 Jahren wurden bedeutende Fortschritte in der Quantifizierung peripher-vestibulärer Defizite erzielt. So ist es heute möglich, sowohl die Funktion der Bogengänge als auch der Otolithenorgane detailliert zu messen. Hierbei erfreut sich v. a. der Video-Kopfimpulstest zunehmender Beliebtheit bei Neurootolog/-innen in der spezialärztlichen Abklärung von Schwindel (14), da er eine separate quantitative Beurteilung aller Bogengänge innerhalb von ca. 10 Min. erlaubt. Zunehmend hält der Video-Kopfimpulstest auch im Notfallsetting Einzug zwecks Unterscheidung zwischen akuten peripher-vestibulären und zentral-vestibulären Störungen (15). Im Gegensatz zum bisherigen Goldstandard der peripher-vestibulären Testung, der kalorischen Warm- und Kaltwasserreizung ist der Video-Kopfimpulstest für Patient/-innen deutlich weniger belastend, weniger zeitaufwendig und erlaubt die Identifikation isolierter Ausfälle einzelner Bogengänge.
Die vestibulär-evozierten myogenen Potentiale (VEMPs) erlauben eine gesonderte Prüfung der Otolithenorgane. Hierbei wird mittels kurzer akustischer Stimuli oder Vibrationen gereizt und dann eine reflektorische Muskelkontraktion des M. Sternocleidomastoideus (sog. cervikale VEMPs zwecks Testung der Sakkulusfunktion) respektive des M. obliquus inferior (sog. okuläre VEMPs zwecks Testung der Utriculusfunktion) abgeleitet. Die VEMPs erlauben einen relativen Vergleich der beidseitigen Funktion der Otolithenorgane und sind in ihrer Durchführung deutlich aufwendiger. Die subjektive visuelle Vertikale (SVV) ermöglicht ebenfalls eine Beurteilung der Otolithenfunktion. Dabei ist der Patient/die Patientin aufgefordert, eine Linie entlang der wahrgenommenen Erdsenkrechten einzustellen, was mit wenig Aufwand auch am Patientenbett erfolgen kann (sog. Eimertest [16]). Zur neurootologischen Testung gehört auch immer ein Reintonaudiogramm zur Beurteilung der cochleären Funktion.
Differenzialdiagnostik und Therapie
Erstmaliger akuter Schwindel
Tritt akuter Schwindel erstmals auf, so kann dies sowohl ein einmaliges Ereignis (z. B. ein Schlaganfall) darstellen als auch die erste Episode eines wiederkehrenden Schwindels (z. B. einer vestibulären Migräne) sein. Bei akutem Schwindel gilt es primär, gefährliche, potenziell lebensbedrohliche Erkrankungen von benignen, selbstlimitierenden Ursachen zu unterscheiden. Liegt die Konstellation eines AVS vor, d. h. besteht nebst Dreh- oder Schwankschwindel für > 24 Stunden auch ein Spontannystagmus, Übelkeit/Erbrechen, eine Gangunsicherheit sowie eine Bewegungsüberempfindlichkeit (17), so sind v. a. neurootologische Ursachen intensiviert zu suchen. Hierbei spielen nebst den klinisch-neurologischen Untersuchungen v. a. die Suche nach subtilen okulomotorischen Zeichen (HINTS-plus, siehe oben) sowie die Bildgebung mittels MRI-DWI eine wichtige Rolle. Weitaus häufigste zentrale Ursache eines zentralen AVS stellt eine vertebrobasiläre Ischämie (ca. 80 %) dar. Während Ischämien im Versorgungsgebiet der inferioren posterioren zerebellären Arterie (PICA) der vestibulo-okuläre Reflex intakt bleibt (Kopfimpulstest negativ, entsprechend einem gefährlichen HINTS), so sind bei (viel selteneren) Ischämien im Versorgungsgebiet der anterioren inferioren zerebellären Arterie (AICA) meist auch die Vestibulariskerne mitbetroffen und somit der Kopfimpulstest abnorm, was isoliert für sich für eine benigne, periphere Ursache sprechen würde. Werden aber zusätzlich (wie bei den HINTS-plus vorgesehen) auch nach einem Blickrichtungsnystagmus sowie einer Skew Deviation und einer Hörminderung gesucht, wird die zugrunde liegende zentrale Genese kaum verpasst.
Im Gegensatz zur häufigsten peripheren Ursache eines AVS – der akuten unilateralen Vestibulopathie – ist der Beginn beim zentralen AVS häufig abrupt und kann von wiederholten prodromalen Schwindelepisoden begleitet sein. Kopf- oder Nackenschmerzen sind per se unspezifisch und können sowohl bei einer vestibulären Migräne als auch einer zerebellären Blutung mit raumforderndem Effekt auftreten. Sind sie jedoch mit einem Kopf- oder Nackentrauma verbunden, so ist an eine vertebrobasiläre Dissektion mit entsprechender Ischämie als Ursache eines AVS zu denken. Während das Vorliegen von vaskulären Risikofaktoren eher für eine zerebrovaskulär-ischämische Ursache spricht, schliesst deren Fehlen eine solche nicht aus. Dies gilt insbesondere für Patient/-innen unter 50 Jahren, bei welchen die Rate an verpassten zentralen AVS deutlich höher ist, mitunter aufgrund von Dissektionen und zerebellären Ischämien, welche im Schnitt in jüngerem Alter auftreten.
Die Akutbehandlung des zentralen AVS aufgrund einer vertebrobasilären Ischämie richtet sich primär nach den Richtlinien der Schlaganfalltherapie. Die Indikationsstellung einer akuten Revaskularisationstherapie bei AVS soll sich an der klinischen Relevanz der Symptomatik (z. B. invalidisierender Schwindel, Gehunfähigkeit, ausgeprägte Oszillopsien) sowie am Fehlen von Kontraindikationen orientieren (18).
Bei der akuten unilateralen Vestibulopathie kann eine Steroidgabe unter Berücksichtigung von Begleiterkrankungen erwogen werden gemäss S2k-Leitlinie «Vestibuläre Funktionsstörungen» (DGHNO/DGN) (19). Tendenziell für eine Steroidgabe (entweder initial Methylprednisolon 250 mg pro Tag als Kurzinfusion über 3 Tage und dann Oralisierung [Prednisolon 1 mg pro KG Körpergewicht und Tag] für 4 weitere Tage oder von Beginn weg Prednisolon 1 mg pro KG Körpergewicht und Tag für 7 Tage) sprechen eine kurze Symptomdauer, ausgeprägte Beschwerden und fehlende Komorbiditäten wie ein Diabetes mellitus oder eine bekannte psychiatrische Erkrankung (Gefahr einer Steroidpsychose). Bei ausgeprägter Nausea/Vomitus können Antiemetika (Domperidon, Metoclopramid, Ondansetron) und bei intensivem Schwindel Antivertiginosa (Cinnarizin ± Dimenhydrinat) für max. 2–3 Tage verwendet werden. Ebenso sollte auch konsequent ambulante vestibuläre Physiotherapie verordnet werden. Eine stationäre Behandlung ist in schweren Fällen und bei intravenöser Steroidgabe erforderlich, selten bedarf es anschliessend einer stationären Rehabilitation.
Transienter erstmaliger Schwindel sollte v. a. an eine transient-ischämische Attacke (TIA) denken lassen und bei Verdachtsmomenten eine entsprechende Abklärung nach sich ziehen (Suche nach einer Emboliequelle, Monitoring). Diese gefährliche Ursache ist insbesondere vom viel häufigeren, benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel (BPLS) abzugrenzen, um unnötige Diagnostik zu vermeiden. Wichtigste Elemente hierzu bilden die Anamnese (Trigger?) und die klinische Untersuchung (Provokationsmanöver), falls erforderlich auch auf einem spezialisierten Drehstuhl.
Episodischer Schwindel
Die häufigsten Ursachen wiederkehrender Schwindelattacken stellen der BPLS, die vestibuläre Migräne und der M. Menière dar. Daneben sind Panikattacken und orthostatischer Schwindel relativ häufige Krankheitsbilder, welche sich mit episodischem Schwindel präsentieren können. Der BPLS ist zweifelsohne der wichtigste Vertreter des getriggerten episodischen vestibulären Syndroms (t-EVS), während Attacken eines M. Menière oder einer vestibulären Migräne spontan auftreten (spontanes EVS, s-EVS). Weitaus seltener, aber aufgrund der potenziell lebensbedrohlichen Folgen sind auch an rezidivierende TIAs, kardiale Arrhythmien und Hypoglykämien zu denken. Während Erstere in der Regel abrupt beginnen und transiente fokal-neurologische Defizite aufweisen, welche sich einzelnen Gefässterritorien zuordnen lassen, sind kardiale Arrhythmien meist mit einer kardialen Vorgeschichte und/oder kardialen Symptomen (Palpitationen, Präsynkopen) verbunden, welche gezielt erfragt und ggf. spezialärztlich weiter abgeklärt werden müssen.
Die akute Behandlung des BPLS erfordert die korrekte Identifikation des betroffenen Bogenganges mittels der verschiedenen Provokationsmanöver (Hallpike-Dix-Manöver für die posterioren [und anterioren] Bogengänge; Supine- Roll-Manöver für die lateralen Bogengänge), wie dies in entsprechenden Guideline-Publikationen detailliert beschrieben wurde (20). Zur Behandlung des BPLS des posterioren Bogenganges stehen verschiedene Repositionsmanöver zur Verfügung (Epley-Manöver, Semont-plus-Manöver), ebenso haben sich mehrere Manöver zur Behandlung des BPLS des lateralen Bogenganges etabliert (Gufoni-Manöver, 360°-Barbecue-Manöver) (20).
Sowohl die Behandlung des M. Menière als auch der vestibulären Migräne sollte in Rücksprache mit Fachspezialist/-innen erfolgen. Während bei M. Menière die Evidenz für die Verwendung von Betahistin oder Salzrestriktion gering ist, kann eine intratympanale Injektion von Cortison oder (bei vorbestehender Hörminderung) auch von Gentamicin erwogen werden. Bei der vestibulären Migräne sollte bei gehäuftem Auftreten von Schwindelattacken (mehr als 1–2 Episoden pro Monat) eine medikamentöse Basistherapie evaluiert werden. Die Datenlage zur medikamentösen Behandlung der vestibulären Migräne ist limitiert, eine pragmatische Übersicht mit konkreten Therapieempfehlungen wurde kürzlich von Smyth und Kollegen publiziert (21). Der Entscheid zwischen Betablockern, Calciumantagonisten, Antidepressiva (SNRIs, trizyklische Antidepressiva) und Antiepileptika sollte auch unter Berücksichtigung von Komorbiditäten und Kontraindikationen erfolgen. Ein Einsatz von Topiramat oder Valproat sollte bei Frauen im gebärfähigen Alter nur in absoluten Ausnahmefällen und unter strikter Einhaltung einer zuverlässigen Antikonzeption sowie regelmässiger schriftlicher Aufklärung erfolgen. Eine Wirksamkeit von CGRP-Antagonisten bei der vestibulären Migräne wurde in ersten Pilotstudien ebenfalls beschrieben, hier sind aber weitere Studien erforderlich, um den Nutzen besser abschätzen zu können. Sehr hilfreich für die Wahl der Akutmedikation wie auch der Prophylaxe sind die publizierten Guidelines der Schweizerischen Kopfwehgesellschaft (www.headache.ch).
Schlussfolgerungen
Aufgrund der äusserst breiten Differenzialdiagnose ist beim Patienten mit Leitsymptom Schwindel eine systematische Vorgehensweise mit einer strukturierten Anamnese (Fokus auf Timing und Trigger) und einer gezielten klinisch-neurologischen Untersuchung entscheidend, um gefährliche Diagnosen nicht zu verpassen (22). Zusatzabklärungen (MRI, CT, apparativ-vestibuläre Testung, kardiolog. Abklärung etc.) sollten nur dann durchgeführt werden, wenn sich die Diagnose mittels klinischer Massnahmen nicht mit ausreichender Sicherheit stellen lässt. Unnötige oder nicht zweckmässige Diagnostik (wie z. B. ein CT bei Verdacht auf vertebrobasiläre Ischämie) sollte vermieden werden, ausser es ist ein akuter Therapieentscheid im Sinne einer intravenösen Thrombolyse oder einer endovaskulären Thrombektomie erforderlich. Die Akuttherapie und die Prophylaxe sollten wenn immer möglich leitlinienkonform erfolgen.
Abkürzungen
AVS akutes vestibuläres Syndrom
BPLS benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel
CVS chronisches vestibuläres Syndrom
EVS episodisches vestibuläres Syndrom
s spontan
t getriggert
Ärztlicher Leiter
Klinik für Neurologie
Kantonsspital Baden
Im Ergel 1
5404 Baden
alexander.tarnutzer@ksb.ch
Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
• Beim Leitsymptom Schwindel ist eine strukturierte Vorgehensweise inkl. gezieltem Erfragen der Dauer und Häufigkeit der Episoden sowie Provokationsfaktoren als auch eine fokussierte neurootologische Untersuchung einschliesslich der Suche nach subtilen okulomotorischen Zeichen essenziell.
• Die Identifikation gefährlicher, potenziell lebensbedrohlicher Ursachen ist prioritär, beim akuten vestibulären Syndrom sind dies v. a. vertebrobasiläre Ischämien und beim episodischen vestibulären Syndrom kardiale Arrhythmien.
• Zusatzabklärungen (MRI, CT, apparativ-vestibuläre Testung, kardiolog. Abklärung etc.) sollten nur dann durchgeführt werden, wenn sich die Diagnose mittels klinischer Massnahmen nicht mit ausreichender Sicherheit stellen lässt.
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Therapeutische Umschau
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