- Leitsymptome in der Neurologie – eine Übersicht für die Grundversorgung
Prinzipien der neurologischen Diagnostik
Eine genaue Anamneseerhebung stellt den wichtigsten Schritt in der neurologischen Diagnostik dar. Eine sorgfältige und strukturierte Befragung der Patientenschaft ermöglicht es, erste Hinweise auf die zugrunde liegende Erkrankung zu gewinnen. Dabei sollten neben den aktuellen Beschwerden auch die frühere Krankengeschichte, inklusive neurologischer Erkrankungen, kardiovaskuläre Risiken und familiäre Dispositionen sowie mögliche Auslöser oder verstärkende Faktoren systematisch erfasst werden. Besondere Bedeutung kommt der Differenzierung zwischen akuten, subakuten und chronischen Verläufen zu, da dies richtungsweisend für die weitere Diagnostik ist. Zusammen mit der detaillierten klinisch-neurologischen Untersuchung, welche Hirnnervenfunktion, Motorik und Koordination, Reflexstatus, Sensibilität, Stand- und Gangbild, aber auch die Kognition umfasst, kann eine syndromale Einordnung der Beschwerden erfolgen. Hierbei wird anhand des erhobenen Befundes eine topische Verdachtsdiagnose gestellt, die eine erste Einschätzung darüber erlaubt, welche Strukturen des Nervensystems betroffen sind – sei es das Zentralnervensystem mit Gehirn und Rückenmark oder das periphere Nervensystem inklusive Nervenwurzeln und peripherer Nerven. Die weiterführende Diagnostik spielt dann eine essenzielle Rolle, um eine Verdachtsdiagnose zu bestätigen und Rückschlüsse auf die Ätiologie der Erkrankung zu ziehen. Die bildgebenden Verfahren, insbesondere die Magnetresonanztomographie (MRI) und die Computertomographie (CT), ermöglichen eine hochauflösende Darstellung der anatomischen Strukturen und helfen bei der Identifikation von Läsionen wie Infarkten, Blutungen, Tumoren oder entzündlichen Veränderungen. Die Neurosonographie verbreiterte in den letzten Jahren ihren Einsatzbereich nicht nur in der Darstellung der extra- und intrakraniellen Gefässe, sondern auch von Nervenstrukturen. Die Elektrophysiologie, einschliesslich Elektroenzephalographie (EEG), Polysomnographie (PSG) und Elektroneuromyographie (ENMG), kann wichtige Hinweise auf Erkrankungen wie Epilepsie, Schlafstörungen, Polyneuropathien oder Myopathien liefern. Ergänzend kommen laborchemische Untersuchungen, Liquordiagnostik sowie genetische Analysen zum Einsatz, um entzündliche, infektiöse oder hereditäre Ursachen abzuklären.
Zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen gehören: Schlaganfälle, Hirnblutungen, Schädel-Hirn-Traumata, die Parkinsonkrankheit, Multiple Sklerose, Hirnhautentzündungen, Epilepsie, Kopfschmerzerkrankungen einschliesslich Migräne, Polyneuropathien sowie Gehirntumore. Diese Krankheitsbilder zeichnen sich durch unterschiedliche Pathophysiologien und klinische Verläufe aus, erfordern jedoch alle eine fundierte neurologische Diagnostik und eine interdisziplinäre Therapie.
Leitsymptome
Ein Leitsymptom stellt in der Regel die Hauptbeschwerde dar, welche eine Patientin oder einen Patienten zum Arzt führt. Für die Erst-, respektive Grundversorger dienen Leitsymptome als Orientierungshilfe bei der Diagnosefindung und beeinflussen damit die Wahl der weiterführend involvierten Fachrichtung oder Spezialisten. Eine klare Definition neurologischer Leitsymptome existiert hingegen nicht und ist vom Zentrum der Betrachtung abhängig. So waren in einer älteren Studie Kopfschmerzen, motorische Defizite, Schwindel und epileptische Anfälle die häufigsten neurologischen Leitsymptome in einer Notfallstation (1). Verschiedene Fachgesellschaften oder Lehrbücher gewichten die Leitsymptome wiederum unterschiedlich (z. B. 2).
In der vorliegenden Ausgabe der Therapeutischen Umschau haben ausgewiesene Spezialist/-innen aus dem Fachbereich der Neurologie Übersichtsartikel zu verschiedenen Leitsymptomen beigetragen. In dieser ersten Nummer werden die Themenbereiche (epileptische) Anfälle, Schwindel und Kopfschmerzen sowie akute (Schlaganfall), schubartige (Multiple Sklerose) und progrediente (Polyneuropathie) neurologische Ausfälle behandelt.
Wir wünschen eine interessante Lektüre dieser Ausgabe.
Facharzt Neurologie
Neurologie am Untertor
Erachfeldstrasse 2
8180 Bülach
www.neurologie-untertor.ch
andreas.gantenbein@zurzachcare.ch
Der Autor hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
1. Royl G et al. Neurologische Leitsymptome in einer Notaufnahme. Nervenarzt 2010; 81:1226-30
2. Buchner H, Hrsg. Neurologische Leitsymptome und diagnostische Entscheidungen. 1. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2007
Therapeutische Umschau
- Vol. 82
- Ausgabe 3
- Juni 2025