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ZAIM MediDays Zürich 2025

Fluor vaginalis – das unterschätzte Symptom

An den ZAIM MEDIDAYS in Zürich referierte Prof. Cornelia Betschart über die klinische Relevanz von Fluor vaginalis. Sie bezeichnete das Symptom als «Mauerblümchen», das in der Praxis häufig unterschätzt wird. Der Vortrag zeigte die wichtigsten infektiösen und nicht-infektiösen Ursachen, aktuelle Therapiestrategien sowie Herausforderungen bei Rezidiven.



Infektiöse Ursachen: die «Big Five»

Prof. Betschart stellte die fünf Hauptursachen für pathologischen Fluor vor: Candida, bakterielle Vaginose, Trichomonaden, aerobe Vaginitis und Herpes genitalis.

Rezidivierende Vulvovaginalkandidose

Etwa ein Drittel aller Frauen erlebt im Leben mindestens eine Candidose. Treten mehr als vier Infektionen pro Jahr auf, spricht man von einer rezidivierenden Form. Candida albicans ist Teil der physiologischen Flora. Eine Therapie erfolgt daher nur bei entsprechenden Beschwerden. Es handelt sich um eine chronische Erkrankung, bei der suppressive Langzeitstrategien notwendig sind. Bewährt haben sich Fluconazol-Schemata (zunächst 3x alle 72h, dann 1x/Woche über 2 Monate, anschliessend monatlich) sowie lokale Imidazole. Auch Borsäure-Ovula sind eine Option bei Resistenzen.

Bakterielle Vaginose

Ein Drittel der sexuell aktiven Frauen ist betroffen. Charakteristisch ist die Verschiebung der Vaginalflora mit Vermehrung von Gardnerella vaginalis, Mycoplasma hominis und anderen Anaerobiern. Rezidive sind häufig, über 50 Prozent innerhalb eines Jahres. Neuere Studien (NEJM 2025) zeigen, dass eine Partnertherapie mit Metronidazol oral plus Clindamycin-Crème die Rückfallrate signifikant reduziert (35 % vs. 63 %). Metaanalysen belegen, dass kombinierte Strategien mit oralen und vaginalen Antibiotika plus Probiotika die besten Ergebnisse liefern.

Trichomoniasis

Zwischen 0,4 und 2 Prozent der Frauen sind betroffen, viele Infektionen werden übersehen. Die PCR ist diagnostisch am zuverlässigsten. Standardtherapie bleibt Metronidazol 2 g als Einmaldosis, Rezidive erfordern längere Schemata. Eine Partnertherapie ist zwingend indiziert, auch in der Schwangerschaft ist die Gabe von Metronidazol möglich.

Herpes genitalis

Die Inzidenz bei Frauen in Europa liegt bei 69 Prozent für HSV-1 und 22 Prozent für HSV-2. Besonders HSV-2 führt zu häufigen Rezidiven im ersten Jahr. Die Diagnostik basiert auf der PCR aus Bläscheninhalten. Suppressive Therapien mit Aciclovir, Valaciclovir oder Famciclovir sind bei mehr als sechs Rezidiven pro Jahr angezeigt. Wichtig für die Prävention ist die Kombination aus antiviraler Suppression, Kondomgebrauch und Transparenz in der Partnerschaft.

Aerobe Vaginitis

Diese Form ist weniger bekannt, aber klinisch relevant. Sie ist charakterisiert durch erhöhten pH-Wert, fehlende Laktobazillen und Nachweis von Kokken im Mikroskop. Häufig finden sich Streptokokken der Gruppe A oder B, Staphylokokken oder E. coli. Therapeutisch wird eine Kombination aus lokalem Clindamycin und Hydrocortison eingesetzt. Alternativen sind Tacrolimus oder Clobetasol, vor allem bei begleitenden Dermatosen.

Nicht-infektiologische Ursachen

Neben Infektionen gibt es auch nicht-infektiöse Auslöser von Fluor vaginalis. Dazu zählen hormonelle Veränderungen, atrophische Vaginitis, Fremdkörper oder vulväre Dermatosen wie Morbus Paget. Eine sorgfältige Abklärung ist notwendig, um Fehldiagnosen zu vermeiden.

Fazit für die Praxis

Prof. Betschart betonte, dass Fluor vaginalis eine differenzierte Abklärung erfordert. Das Mikroskop bleibt dabei das wichtigste Instrument. Entscheidend sind:
• klare Zuordnung zu den «Big Five» oder nicht-infektiösen Ursachen
• gezielte Therapie mit suppressiven Strategien bei chronischen Infektionen
• Einbezug der Partnerbehandlung bei bakterieller Vaginose und Trichomoniasis
• frühzeitige Abklärung von Dermatosen und Differenzialdiagnosen

Damit lässt sich die Lebensqualität der betroffenen Frauen verbessern und die Zahl unnötiger Antibiotikatherapien reduzieren.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

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  • Vol. 15
  • Ausgabe 4
  • September 2025