- Ergometrie 2025: Was bringt ein Belastungs-EKG bei Angina-pectoris-Verdacht?
Die Ergometrie bleibt unverändert Teil der Basisdiagnostik in der klinischen Kardiologie, auch wenn sich ihr Stellenwert im Lichte der zunehmenden Bedeutung der kardialen Bildgebung bei der Ischämie-Diagnostik verändert hat. Für eine obstruktive KHK hat die Ergometrie in den ESC-Guidelines CCS 2019/2024 wegen der geringen Sensitivität nur noch eine IIb-Indikation – «kann erwogen werden». Sie wird z.B. bei asymptomatischen Patienten nur bei einer hohen Vortestwahrscheinlichkeit, bei symptomatischen Patienten bei einer mittleren VTW für eine KHK empfohlen.
In den klinischen Leitlinien wird bei Patienten mit Angina pectoris zur Risikostratifizierung eine Belastungs-EKG-Untersuchung empfohlen, während zur Diagnose einer obstruktiven koronaren Herzkrankheit eine koronare Computertomographie-Angiographie (CCTA) empfohlen wird. Die Ergometrie ist eine weit verbreitete, kostengünstige, wiederholbare Methode u.a. auch zur Identifizierung einer nicht seltenen koronaren mikrovaskulären Dysfunktion bei Patienten mit Angina pectoris und bestätigter nicht obstruktiver koronarer Herzkrankheit (ANOCA/INOCA).
Nach einer Publikation im JACC 2024 (1) haben ischämische EKG-Veränderungen bei Patienten mit ANOCA (Angina ohne obstruktive Koronararterien) während einer Belastungs-EKG-Untersuchung auf dem Laufband eine 100-prozentige Spezifität und einen positiven prädiktiven Wert für die Erkennung einer koronaren mikrovaskulären Dysfunktion, was darauf hindeutet, dass die ischämischen EKG-Veränderungen nicht als «falsch positiv» angesehen werden sollten. Dies konnte unter Verwendung einer umfassenden Koronarphysiologie bei 102 Patienten mit einer A.P. bei nicht obstruktiver KHK (FFR > 0.8) und einer Bestimmung der koronaren Flussreserve (IMR, CFR) mit Adenosin i.v. und einer i.c.
Acetylcholininfusion (Spasmen) nachgewiesen werden. Die Autoren empfehlen daher, bei Patienten mit A.P. eine pathologische Ergometrie (ST-Senkung) auch ohne Vorliegen einer KHK als primär pathologisch im Sinne einer Ischämie (INOCA) einzustufen bzw. an eine ANOCA zu denken.
Nach einer neuen Studie aus Glasgow hat ein unauffälliges Belastungs-EKG bei A.P.-Verdacht ohne Obstruktion im Koronar-CT offenbar einen hohen negativen Vorhersagewert (NPV) für das Vorhandensein einer mikrovaskulären Dysfunktion (2).
Das Ziel dieser Studie war es, die diagnostische Genauigkeit der Belastungsuntersuchung zur Identifizierung von Endotypen (mikrovaskuläre Angina, vasospastische Angina oder beides) in einer Population (n=163) mit Verdacht auf ANOCA/INOCA gemäss invasiven Funktionstests zu bewerten.
Die wichtigsten Ergebnisse waren erstens, dass 27.6 % (n=45) der Personen mit Verdacht auf ANOCA/INOCA die Belastungskriterien für eine Myokardischämie erfüllten; zweitens war die ischämische Gruppe mit einer schlechteren «Angina-Stabilität» assoziiert; drittens hatte der Ischämiestatus im Belastungs-EKG (ischämisch oder nicht ischämisch) eine geringe Sensitivität (30 %) und eine moderate Spezifität (72.5 %), aber einen hohen negativen Vorhersagewert (NPV) für das Vorhandensein einer mikrovaskulären Dysfunktion. Eine mikrovaskuläre Angina oder mikrovaskuläre Spasmen können so bei fehlenden Hinweisen auf eine Ischämie im Belastungs-EKG mit relativ hoher Sicherheit ausgeschlossen werden. Es wurden 163 Personen (Durchschnittsalter 54.6 Jahre, 62.2 % Frauen) mit ANOCA bzw. INOCA aus der CorCTA-Studie (3) eingeschlossen. Das Belastungs-EKG wurde nach dem Bruce-Protokoll auf einem Laufband absolviert. Bei Patienten mit Verdacht auf ANOCA/INOCA nach CCTA stellt die Belastungs-EKG-Untersuchung eine Ausschlussstrategie für mikrovaskuläre Endotypen, Belastungsfähigkeit und Prognose dar.
Die CCTA als Erstuntersuchung bei Patienten mit Brustschmerzen einzusetzen, die auf eine induzierbare Ischämie hindeuten könnten, wird von den neuen ESC CCS-Guidelines empfohlen (4). Kann eine signifikante Stenose ausgeschlossen werden, so kann mittels einer Ergometrie bei Nachweis einer Ischämie im Begleit-EKG eine mikrovaskuläre Dysfunktion (CMD) vermutet werden (2). Dies dürfte die Diagnose einer CMD bei einem grossen Teil der Patienten beschleunigen und den Einsatz von weniger weit verbreiteten und kostspieligeren Tests wie invasiver Physiologie und/oder Stress-Perfusions-Herz-Magnetresonanztomographie reduzieren. Eine invasive physiologische Abklärung mit Bestimmung der koronaren Flussreserve mit Adenosin i.v. und der endothelabhängigen Flussreserve (Spasmen) mit Acetylcholin i.c. wird nur bei ausgeprägter Symptomatik trotz antianginöser Medikation empfohlen.
Auch die Leistungsfähigkeit/Belastbarkeit, Symptome, das BD-Verhalten, Arrhythmien und die Prognose können mittels einer Ergometrie oder eines Laufbandes bestimmt werden. Zudem hat in jüngerer Zeit die Bedeutung der Ergometrie in der Sportkardiologie, Arbeitsmedizin sowie bei der Risikostratifizierung beispielsweise in der Rhythmologie oder bei Patienten mit hypertroph-obstruktiver Kardiomyopathie, Hypertonie (5) und weiteren kardiovaskulären Krankheitsbildern zugenommen.
Ein sehr lesenswerter Artikel zum «aktuellen Stellenwert der Ergometrie» wurde im Juni 2025 von der DGK publiziert; dieser beinhaltet neben den Leitlinien u.a. der ESC/AHA, auch eine Literaturrecherche der letzten 10 Jahre (6).
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by Assessing Coronary Microvascular Function. J Am Coll Car¬diol 2024; 83:291-299, http: //creative commons.org /licenses /by /4.0/
2. Sykes R. et al, Exercise electrocardiography stress testing in suspected angina and non-obstructive coronary arteries, European Heart Journal 2025; 46:2920–2923, https:// doi.org/10.1093/eurheartj/ehaf208
3. Sidik NP et al. Invasive endotyping in patients with angina and no obstructive coronary artery disease: a randomized controlled trial. Circulation 2024; 149:7–23. https://doi.org/10.1161/ CIRCULATIONAHA.123.064751
4. Vrints C et al. 2024 ESC guidelines for the management of chronic coronary syndromes. Eur Heart J 2024; 45:3415–537. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehae177
5. Carlén A, et al. Open Heart 2025; 12:e003246, https:// doi:10.1136/openhrt-2025-003246
6. Klingenheben T. et al., DGK-Manual zum Stellenwert der Ergometrie, Die Kardiologie 2025; 19:227-239, https://doi.org/10.1007/s12181-025-00739-7
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- Vol. 15
- Ausgabe 4
- Oktober 2025






