Wissen Aktuell

ESMO in the ALPS 2025

Das 6. «ESMO in the Alps» wurde im KKL Luzern mit einer inspirierenden Eröffnungsrede von Prof. Dr. med. Miklos Pless, (Winterthur) dem Präsidenten des Swiss Cancer Institute eröffnet. Schweizer Experten hatten die neuesten Erkenntnisse aus der Onkologie ausgewählt, die auf dem ESMO-Kongress 2025 in Berlin präsentiert wurden, und kommentierten sie.



Das Steering Committee mit Prof. Dr. Jörg Beyer (Bern) und Dr. Daniel Helbling (Zürich) hatte auch dieses Jahr eine glückliche Hand bei der Auswahl der Präsentatoren, die interessante Studien aus ihrem Fachgebiet vorstellten und diskutierten. Entsprechend positiv fiel die Beurteilung durch die Teilnehmer des Meetings aus.

Die Experten PD Dr. Sabine Schmid (Bern) und Prof. Martin Früh (St. Gallen) präsentierten ausgewählte Ergebnisse aus der Lungenkrebs-Session.

ChatGPT und Krebsbehandlung

Die Zukunft? Vorhersage ist sehr schwierig, insbesondere wenn es sich um die Zukunft handelt (Niels Bohr) stellte Prof. Jakob Nikolas Kather, der sich seit Jahren mit künstlicher Intelligenz befasste, einleitend fest. Die Entwicklung und behördliche Zulassung vieler KI-Modelle für einzelne Aufgaben erfolgte in den frühen 2020er Jahren. 2023 war der ChatGPT Augenblick. Large Language Models (LLMs) wie GPT-4, Gemini und Llama 3.1 sind heute fortschrittliche KI-Systeme, die auf Transformer-Architekturen basieren und anhand riesiger Datensätze trainiert werden, um menschenähnliche Texte zu verstehen und zu generieren. 2022: GPT-3 weist einige medizinische Kenntnisse auf. Ein Patient mit metastasierendem NSCLC stellt sich im onkologischen Ambulatorium vor. Welche potenziellen Therapieoptionen diskutieren Sie? Die potenziellen Behandlungsoptionen für diesen Patienten schliessen Chirurgie, Strahlentherapie, Chemotherapie und zielgerichtete Therapie ein.

Prof. Kather verglich die heutigen Large Language Models «zero-shot», «web search context» und «user provides explicit context». Ärzte setzen diese in grossem Umfang ein, und Anbieter behaupten, dass es medizinische Fähigkeiten besitzt. Bald werden LLMs besser sein als Ärzte in allen Belangen, besser in der Konversation, besser in der Psychotherapie besser in Beziehungen.

ESMO Initiative ELCAP. Evaluierung von Language ­Models in der klinischen Praxis

Die ESMO hat die ESMO-Leitlinien zur Verwendung grosser Sprachmodelle in der klinischen Praxis (ELCAP) veröffentlicht, die ersten strukturierten Empfehlungen für den sicheren und effektiven Einsatz von KI-Sprachmodellen in der Onkologie. Die Veröffentlichung der ELCAP in der von Fachkollegen begutachteten Fachzeitschrift Annals of Oncology der ESMO fiel mit einer Sitzung zum Thema Chat GPT und Krebsbehandlung auf dem ESMO-Kongress 2025 in Berlin zusammen, was die wachsende Bedeutung der KI in der Onkologie unterstreicht.

«Die Priorität der ESMO besteht darin, sicherzustellen, dass Innovationen zu messbaren Vorteilen für Patienten und praktikablen Lösungen für Kliniker führen. Mit ELCAP bietet die ESMO einen pragmatischen, Onkologie-spezifischen Rahmen, der KI einbezieht und gleichzeitig klinische Verantwortung, Transparenz und robusten Datenschutz gewährleistet», sagte Fabrice André, Präsident der ESMO.

Da der Einsatz von Large Language Models (LLMs) in der Onkologie zunimmt, erkennt ELCAP an, dass Chancen und Risiken je nach Nutzer – ob Patienten, Ärzte oder Einrichtungen – variieren, und verankert die Empfehlungen daher in einer dreistufigen Struktur, die allgemeine Grundsätze in 23 Konsenserklärungen für die tägliche Praxis umsetzt:

Typ 1: patientenorientierte KI-Systeme: Symptomabfragen, Patientenaufklärung, Lebensstil-Verfolgung
Typ 2: Gesundheitsexperte und AI-Systeme: Unterstützung bei klinischer Entscheidungsfindung
Typ 3: Hintergrund-KI-Systeme, Datenextraktion, Hintergrund-Warnsysteme

Wie KI-Agenten die Forschung und Onkologie verändern werden. Alles, was ein Mensch mit einem Computer macht, kann automatisiert werden.

LLMs heute und wie man sie benutzt
Der Referent stellte den «Zero-shot», den Websuchkontext und den vom Benutzer explizit gelieferten Text einander gegenüber.

Zusammenfassung – ELCAP – Typ 2
Gesundheitsdienstleister sollten in die Aneignung von KI-Kenntnissen investieren. Gesundheitsdienstleister, die mit LLMs arbeiten, könnten die Gesundheitsversorgung verbessern. Die Ergebnisse von LLMs sollten systematisch und empirisch bewertet werden.

Bedenken:
Automatisierungsverzerrung, Dequalifizierung von Fachkräften, negative Auswirkungen auf die Arzt-Patienten-Beziehung, Datenschutz.

Gastrointestinale Krebsarten

Die Experten Prof. Dieter Köberle, St. Claraspital Basel und Dr. Christian Weisshaupt, Onkozentrum Zürich stellten 5 Studien zu diesem Thema vor.

ctDNA

Die Aussicht, das Vorhandensein bzw. Fehlen von zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) als Entscheidungshilfe nutzen zu können, hat in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die auf dem ESMO-Kongress vorgestellten Studienergebnisse zeigen jedoch, dass ctDNA-Tests noch nicht den Standardpraktiken entsprechen.

Zwei Studien verfehlten ihre primären Endpunkte, was die Notwendigkeit unterstreicht, die Sensitivität von ctDNA-Tests zu verbessern, bevor sie in die klinische Praxis eingeführt werden.

Dynamic III

In der Dynamic III-Studie, die von Prof. Jeanne Tie (Melbourne) präsentiert wurde, konnte bei 702 Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium III, die sich einer Resektion unterzogen hatten und ctDNA-negativ waren, keine Nichtunterlegenheit zwischen einer ctDNA-gesteuerten Behandlung und einer adjuvanten Standard-Chemotherapie bestätigt werden. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 47 Monaten betrug das 3-Jahres-rezidivfreie Überleben, der primäre Endpunkt, 85,3 % in der ctDNA-gesteuerten Gruppe gegenüber 88,1 % in der Standardgruppe (absolute Differenz –2,8 %; 95 %-Konfidenzintervall –8,0–2,3) und überschritt damit die Untergrenze von –7,5 %.

PEGASUS

Auch die Phase II-Studie PEGASUS, die von Dr. Silva Masoni, Milano, präsentiert wurde, verfehlte ihren primären Endpunkt. Insgesamt traten bei 100 ctDNA-negativen Patienten mit hochriskantem Kolonkarzinom im Stadium II oder III nach zwei Jahren 12 Rezidive auf (was 12 % falsch-negativen Fällen entspricht). Als statistischer Grenzwert für den primären Endpunkt wurden weniger als 14 Rezidive bei 134 ctDNA-negativen Patienten festgelegt, aber die Studie umfasste nur 100 ctDNA-negative Patienten. In der Gesamtpopulation war das Vorhandensein von ctDNA im Vergleich zum Fehlen von ctDNA mit einer schlechteren krankheitsfreien Überlebensrate (3 Jahre: 58,4 % gegenüber 82,8 %; Hazard Ratio [HR] 2,70; p = 0,0036) und Gesamtüberlebensrate (79,7 %) assoziiert.

Die PEGASUS-Studie belegt die operative Durchführbarkeit und das klinische Potenzial einer durch Flüssigbiopsie gesteuerten adjuvanten Therapie bei reseziertem Kolonkarzinom im Stadium III und bei Hochrisiko-Kolonkarzinomen im Stadium II.

Durch die Anpassung der Behandlungsdauer und -intensität an das molekulare Risiko kann dieser Ansatz unnötige Toxizität reduzieren und die postoperative Überwachung optimieren.

Matterhorn

Auf dem ESMO-Kongress stellte Prof. Josep Tabernero (Vall d’Hebron Institute of Oncology, Barcelona) die endgültigen Ergebnisse zur Gesamtüberlebenszeit aus der Phase-III-Studie MATTERHORN vor – einer globalen Doppelblindstudie.

Diese zulassungsrelevante Studie verglich Durvalumab (Imfinzi) plus FLOT-Chemotherapie (5-Fluorouracil, Leucovorin, Oxaliplatin und Docetaxel) mit Placebo plus FLOT bei Patienten mit resektablem Adenokarzinom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs (G/GEJ). Die abschliessende Analyse bestätigt einen statistisch signifikanten Vorteil hinsichtlich der Gesamtüberlebenszeit und unterstützt Durvalumab plus FLOT als potenziellen neuen Standard in der perioperativen Behandlung.

Fortitude 101

Die FORTITUDE-101-Studie, die von Prof. Sun Young Rha vorgestellt wurde, untersuchte Bemarituzumab (BEMA), einen ersten monoklonalen Anti-FGFR2b-Antikörper seiner Klasse, in Kombination mit einer mFOLFOX6-Chemotherapie bei Patienten mit FGFR2b-überexprimierendem, nicht-HER2-positiven, inoperablen oder metastasierten Magen- und gastroösophagealen Übergangskrebs (G/GEJC). BEMA blockiert gleichzeitig die onkogene FGFR2b-Signalübertragung und aktiviert die antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität (ADCC) und bietet damit einen neuartigen therapeutischen Ansatz für diese durch Biomarker definierte Untergruppe mit schlechter Prognose.

Fortitude erreichte ihren primären Endpunkt der Gesamtüberlebenszeit und den sekundären Endpunkt der progressionsfreien Überlebenszeit bei Patienten mit FGFR2b-überexprimierendem Magen- und gastroösophagealem Übergangskarzinom (≥10% der Tumorzellen) und etablierte FGFR2b als validiertes therapeutisches Ziel in dieser Population. Der in der primären Analyse beobachtte OS-Vorteil war zwar statistisch signifikant, schwächte sich aber in einer anschliessenden deskriptiven Nachbeobachtung ab, was wahrscheinlich auf Behandlungen nach Fortschreiten der Erkrankung und einer längeren Beobachtungszeit zurückzuführen ist.

Das Sicherheitsprofil von Bemarituzumab war in erster Linie durch unerwünschte Ereignisse an der Hornhaut geprägt, darunter vorübergehende Abnahme der Sehschärfe Diese Augenwirkungen waren jedoch bei angemessener Behandlung reversibel.

IKF-035/ABC-HCC Studie: Atezo/Bev vs TACE bei intermediärem HCC
Die von Prof. Peter Galle (Mainz) präsentierte Studie zeigte, dass die Kombination des PD-L1 Antikörpers Atezolizumab und dem anti-VEGF Antikörper Bevacizumab im Vergleich zu transarterieller Chemoembolisation (TACE) bei Patienten mit hepatozellulärem Karzinom im mittelschweren Stadium (HCC) die Überlebenszeit in der Erstlinientherapie verlängert. Dieser erste direkte Vergleich zwischen Immuntherapie und TACE könnte die Behandlung von HCC im mittleren Stadium neu definieren und einen Paradigmenwechsel hin zur systemischen Therapie in früheren Krankheitsstadien einläuten.

Fortsetzung
Eine Übersicht zu den Lungen-, Brust-, gynäkologischen und urogenitalen Krebserkrankungen folgt in der nächsten Ausgabe der info@onco-suisse.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

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  • Vol. 15
  • Ausgabe 6
  • Dezember 2025