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Frühe Krebsdiagnose mit Bluttest

35 878 Probanden (Alter über 50 Jahre, kein klinischer Verdacht auf Krebs und keine Krebsdiagnose oder Krebsbehandlung in den vorangegangenen 3 Jahren) wurden in die Studie aufgenommen. Von 23 161 auswertbaren Probanden mit einer Nachbeobachtungszeit von 12 Monaten wiesen 216 (0.93 %) einen positiven Galleri-Test auf, ein Multi-Cancer Early Detection (MCED)-Test des US-Unternehmens Grail, der charakteristische Methylierungsmuster in zellfreier DNA (cfDNA) aus dem Blut analysiert. Das Methylierungsmuster von Tumorzellen weicht von dem gesunder Zellen ab und ist zudem krebsartspezifisch (zum Beispiel Lunge, Darm, Leber). Mittels Künstlicher Intelligenz (KI) kann der MCED-Test ableiten, ob ein Krebssignal vorliegt und aus welchem Organ es vermutlich stammt. Bei positivem Test erfolgte eine gezielte Diagnostik anhand des vom Test vermuteten Ursprungsorts (Cancer Signal Origin, CSO).

Die Spezifität betrug 99.6 %; der positive prädiktive Wert (PPV) betrug 61.6 %. Die Genauigkeit der ersten CSO-Vorhersage betrug 91.7 %. Die Sensitivität während der 12-monatigen Nachuntersuchung betrug 73.7 % in einer vorab festgelegten Untergruppe von 12 Krebsarten, die für zwei Drittel der Krebstodesfälle in den USA verantwortlich sind, und 40.4 % bei allen Krebsarten.

Von 329 Probanden mit Krebs hatten 200 durch Vorsorgeuntersuchungen entdeckte Krebserkrankungen: 133 durch MCED-Tests (114 neue Primärtumoren; 19 Rezidive), 20 durch United States Preventive Services Task Force (USPSTF) A/B (beispielsweise Mammografie, Koloskopie, Low-dose-Lungen-CT oder Zervixabstrich) und 47 durch USPSTF C (z. B. PSA-Screening) empfohlene Vorsorgeuntersuchungen. Von den 133 durch MCED erkannten Krebserkrankungen (MCED-Krebserkennungsrate: 0.57 %) gibt es für 75.2 % keine gängigen Screening-Optionen. Von den 114 durch MCED erkannten neuen Primärtumoren befanden sich 53.5 % im Stadium I–II und 69.3 % im Stadium I–III. Die mediane Zeit bis zur Diagnosestellung betrug 46 Tage (IQR 42–59).

Von 25 114 Probanden im Sicherheitskollektiv hatten 159 (0.6 %) einen protokollbedingt veranlassten invasiven diagnostischen Eingriff. Invasive Eingriffe waren bei Probanden mit Krebsdiagnose etwa doppelt so häufig wie bei jenen, bei denen sich der Verdacht aufgrund eines positiven MCED-Tests nicht bestätigte.

Fazit: In dieser PATHFINDER-2-Studie führte ein Bluttest, der epigenetische Veränderungen in zellfreier DNA (cfDNA) erkennt, zu einer fast 7-fach höheren Zahl entdeckter Krebserkrankungen zusätzlich zu den etablierten Vorsorgeuntersuchungen (USPSTF A/B) in den USA. Die Zahl stieg um das Dreifache, wenn der MCED-Test zusätzlich zu den von der USPSTF A/B/C empfohlenen Früherkennungsuntersuchungen durchgeführt wurde.

Der positive Vorhersagewert von über 60 % liegt für ein Screeningverfahren aussergewöhnlich hoch, verglichen beispielsweise mit der Mammografie oder der Low-Dose-Computertomografie zur Lungenkrebsfrüherkennung mit Werten im einstelligen bis niedrig zweistelligen Prozentbereich.

Die meisten durch den MCED-Test entdeckten neuen Primärtumoren befanden sich im Frühstadium.

Hinsichtlich des Sicherheitsprofils waren die unnötigen invasiven Eingriffe selten.

Insgesamt sprechen aus medizinischer Sicht die Ergebnisse für den Einsatz des MCED-Tests für Vorsorgeuntersuchungen in der über 50-jährigen Bevölkerung. Hingegen besteht aus gesundheitsökonomischer Sicht eine Skepsis, da bei einem Preis von knapp 1000 US-Dollar pro Test rechnerisch Kosten von etwa 174 000 US-Dollar pro zusätzlich diagnostiziertem Krebsfall entstehen.

Einschränkend muss gesagt werden, dass es sich hier nur um ein Kongress-Abstract und nicht um eine peer-reviewed Publikation handelt. Mit Spannung können die Resultate der von den Autorinnen angekündigten 3-Jahres-Nachbeobachtung erwartet werden.

KD Dr. med. Marcel Weber

Literatur
Nabavizadeh N. et. al. Safety and performance of a multi-cancer early detection (MCED) test in an intended-use population: Initial results from the registrational PATHFINDER II study. ESMO Congress 2025 (Abstract LBA64). https://cslide.ctimeetingtech.com/esmo2025/attendee/confcal/show/session/109

Welche Herzgeräusche geben Anlass zur Besorgnis?

In einer alternden, medizinisch gut versorgten Bevölkerung findet man einen linearen Anstieg von Herzklappenerkrankungen. Diese werden immer noch zu selten diagnostiziert und behandelt. Seit 210 Jahren haben wir das Stethoskop zur Diagnose und Differenzierung von Herzgeräuschen. Ende letztes Jahrhundert wurde der Auskultation neben der Inspektion, Palpation und Perkussion noch grosse Bedeutung beigemessen und unzählige Publikationen und Fachbücher veröffentlicht. Mit der zunehmenden Verbreitung der Echokardiographie fehlt heute leider bei vielen Medizinern das Interesse an und die Expertise für diese wichtige klinische Untersuchungsmethode. Daher ist diese grosse Bevölkerungsstudie besonders interessant.

Die Herzauskultation (hier elektronisch verstärkte Aufzeichnungen an vier Lokalisationen) durch drei Allgemeinmediziner und einen Kardiologen ergab in einer norwegischen Bevölkerungsstudie von 2015-2016 mit 2131 Probanden ≥40 Jahre (durchschnittlich 64 Jahre, 54% Frauen) bei fast einem Viertel aller Personen (23%) ein Herzgeräusch. Zusätzlich lag bei allen eine Echokardiographie vor (1). Etwa eine von fünf Personen (19%) hatte im Echo eine oder mehrere relevante Herzklappenerkrankung(en) (HKE: milde bis schwere AS 45x, moderate bis schwere MI 286x, AI 148x, MS 3x; 79x >1 Klappe). Die Auskultation wies bei einem deutlichen Systolikum eine hohe Spezifität, aber eine begrenzte Sensitivität (35,5%) für die Diagnose einer HKE auf. Die einzige Klappenerkrankung, bei der die Auskultation eines Systolikums eine hohe Sensitivität von 100% aufwies, war die Aortenklappenstenose. Eine limitierte Sensitivität fand man bei einer AI (43%) und bei einer MI (29%). Ein Diastolikum wurde nur in neun Fällen einer AI registriert – dann besteht eine sehr hohe Spezifität. In vielen Fällen sind Herzgeräusche aber benigne (akzidentell/funktionell) und nicht mit einer HKE assoziiert.

Männliches Geschlecht, höheres Alter (≥70 Jahre), und ein früherer Myokardinfarkt erhöhten deutlich die Wahrscheinlichkeit (OR: 3,3; 2,0; 2,3) einer HKE bei Personen mit einem Herzgeräusch – PPV 67%. Bei einer Frau <70 Jahre ohne Myokardinfarkt in der Anamnese besteht ein PPV (positiver prädiktiver Wert) von lediglich 10% für eine HKE. Frauen hatten in dieser Studie mehr Herzgeräusche als Männer.

Die Herzauskultation kann laut der Erstautorin ein wertvoller und auch kosteneffektiver erster Schritt sein, speziell bei einer AS, diese sollte jedoch bei Personen mit hohem Risiko für eine HKE durch eine Echokardiographie ergänzt werden.

So können auch das Interesse an und die Expertise für die körperliche Untersuchung verbessert werden.

Sekundär ist die multimodale Bildgebung heute unverzichtbar für die Diagnose und Behandlung von Herzklappenerkrankungen, insbesondere für die Beurteilung der Pathophysiologie und des Schweregrads (2–5).

Dr. med. Urs Dürst

Literatur
1. Davidsen AH, et al. Heart 2025;0:1–8. doi:10.1136/heartjnl-2024-325499
2. Narula J et al., Time to Add a Fifth Pillar to Bedside Physical Examination: Inspection, Palpation, Percussion, Auscultation, and Insonation. JAMA Cardiol 2018;3:346–350 doi:10.1001/jamacardio.2018.000
3. MSD-Manual, https://www.msdmanuals.com/de/profi/herz-kreislauf-krankheiten/untersuchung-des-herzpatienten/auskultation-des-herzens
4. Franke P, Allgemeine und spezielle Auskultation des Herzens, J.F. Bergmann Verlag München 1984
5. Praz F et al., 2025 ESC/EACTS Guidelines for the management of valvular heart disease, European Heart Journal (2025) 46, 4635–4736 https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehaf194

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  • Vol. 15
  • Ausgabe 12
  • Dezember 2025