Therapie der chronischen lymphatischen Leukämie im Umbruch

Behandlung der CLL

Bei der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) handelt es sich um ein indolentes non-Hodgkin Lymphom (1), welches durch einen leukämischen Verlauf charakterisiert ist. Das Bild der Erkrankung ist heterogen und reicht von langsamen, asymptomatischen Verläufen bis hin zu schnell voranschreitenden Verläufen, die schnell einer Therapie bedürfen.



Zur Diagnosestellung der CLL muss eine klonale Lymphozytenzahl von 5 G/l im peripheren Blut vorliegen. Durch den Nachweis der kappa oder lambda Leichtkettenrestriktion kann die Monoklonalität der Zellen nachgewiesen werden. Zellen einer CLL weisen eine Koexpression der B-Zell-Antigene CD19, CD20, und CD23 mit dem T Zell-Antigen CD5 in der Immunphänotypisierung auf. Dieses charakteristische Markerprofil erlaubt eine sichere Diagnosestellung.
Die klinische Stadieneinteilung erfolgt nach Rai und Binet. Hier fliessen die Anzahl und das Ausmass der Zytopenien ein, sowie die Anzahl der betroffenen Lymphknotenregionen bzw. Organomegalie. Es existieren eine Vielzahl von molekularen Markern, die die Prognose der Erkrankung bestimmen (2). Die wichtigsten Prognosefaktoren sind der Mutationsstatus des Immunglobulingens (IGHV) und die TP53 Mutation / Deletion (17p).

Therapieindikation

Ob eine Therapie erfolgen sollte, richtet sich nach dem Vorliegen von Krankheitssymptomen («active disease») (3). Die Höhe der absoluten Lymphozytenzahl stellt dabei keinen alleinigen Parameter für die Indikation zur Therapie dar.
Gemäss der IWCLL Guidelines ist eine Therapieindikation gegeben bei Vorliegen von mindestens einem der folgenden Kriterien:

  • Zunehmende Knochenmarkinsuffizienz mit progredienter Thrombozytopenie und/oder Anämie
  • Ausgeprägte oder zunehmende und/ oder Anämie symptomatische Splenomegalie
  • Massiv zunehmende oder symptomatische Lymphadenopathie
  • Zunehmende Lymphozytose mit 50%-iger Zunahme innerhalb von 2 Monaten oder eine Verdopplungszeit von weniger als 6 Monaten unter Berücksichtigung der absoluten Lymphozytenzahl (relative Indikation)
  • Paraneoplastische Syndrome wie AIHA (Autoimmunhämolytische Anämie) oder ITP (Immunthrombozytopenie), welche schlecht auf Kortikosteroide ansprechen
  • Signifikante, durch die Krankheit verursachte Symptome (Nachtschweiss, Fieber, Fatigue, Gewichtsverlust).

Mit neueren Therapieverfahren, die das Überleben von Patienten mit CLL verlängern, ist eine Behandlung bei Erfüllung eines der oben genannten Kriterien sinnvoll und eine Therapie sollte nicht vermieden werden.

Therapieansätze

Bisher bestand die Erstlinientherapie in der Regel aus einer kombinierten Immuno-Chemotherapie (2). Für die Auswahl des Therapieregimes spielt insbesondere das Alter, der Fitnessstatus sowie Genveränderungen (TP53 Mutation, IGHV Mutationsstatus) eine Rolle. Bei jungen, fitten Patienten war die Therapie mit FCR (Fludarabin, Cyclophosphamid, Rituximab) weiterhin ein Standard, während bei älteren fitten Patienten die Kombination aus Rituximab und Bendamustin empfohlen wird. Bei unfitten Patienten empfehlen aktuelle Leitlinien eine Chemoimmuntherapie mit Obinutuzumab (Ofatumomab) Chlorambucil oder mit Rituximab Bendamustin, wobei zuletzt eine Überlegenheit von Obinutuzumab gegenüber Rituximab gezeigt werden konnte (4). Basierend auf der Entwicklung einer Reihe zielgerichteter Medikamente (z.B. BTK Inhibitoren, BCL2 Antagonisten) ist aber zurzeit eine Umbruchphase in der Therapie der CLL zu beobachten:
Eine neue Option in der Erstlinientherapie von Patienten mit CLL ist die Therapie mit dem oralen Tyrosinkinase-Inhibitor Ibrutinib. Im Vergleich mit einer Chlorambucil Monotherapie führte Ibrutinib zu einer signifikanten Verlängerung sowohl des progressionsfreien Überlebens als auch des Gesamtüberlebens und deutlich höheren Remissionsraten (86 vs. 35%). Neueste Ergebnisse legen auch eine Überlegenheit von Ibrutinib (oder Ibrutinib mit Rituximab) gegen eine Chemoimmuntherapie mit BR oder FCR nahe (https://ash.confex.com/ash/2018/webprogram/Paper120779.html) (5).
Ibrutinib ist in der Schweiz zugelassen als Erstlinientherapie für Patienten mit einer CLL, bei denen eine del(17p13) bzw. eine TP53-Mutation vorliegt und als Zweitlinientherapie bei Patienten mit einem Frührezidiv oder die für eine Chemoimmuntherapie nicht geeignet sind.
Patienten mit Nachweis einer del(17p13) bzw. einer TP53-Mutation haben eine niedrigere Ansprechrate und ein kürzeres Gesamtüberleben nach einer Chemoimmuntherapie. Entsprechend muss der TP53 Status vor Beginn einer Therapie untersucht werden (6).
Unabhängig vom Fitnessstatus dieser Patienten ist bei einer TP53 Mutation die Therapie mit dem Brutontyrosinkinase Inhibitor Ibrutinib indiziert. Bei Vorliegen von Kontraindikationen gegen Ibrutinib können auch der BCL2-Inhibitor Venetoclax oder der PI3-K-Inhibitor Idelalisib eingesetzt werden. In der Abbildung sind die Wirkungsmechanismen neuer Therapieansätze dargestellt.

Neue Therapieansätze – Studien

Die Chemoimmuntherapien gehen mit Zytopenien und Infektionsrisiken, sowie mit weiteren Chemotherapie induzierten Nebenwirkungen einher. Entsprechend ist der Bedarf an neuen zielgerichteten und Chemotherapie-freien Therapieoptionen gross. Die Entwicklung geht dabei in Richtung von sehr effektiven Kombinationstherapien.
In der MURANO Studie konnte gezeigt werden, dass Patienten mit einer rezidivierten und refraktären CLL, die mit der Kombination aus Venetoclax und Rituximab behandelt wurden, eine höhere Rate an MRD Negativität (Fehlen einer minimale Resterkrankung definiert als < 1 detektierbare CLL Zelle auf 10 000 Leukozyten) erreichten (62% vs. 13% undetektierbare MRD) (7). Daher ist die Hoffnung gross, bei Patienten mit CLL auch in der Erstlinientherapie und ohne den Einsatz von Chemotherapie MRD Negativität zu erreichen.
Um Patienten so früh wie möglich Zugang zu diesen neuen zielgerichteten Therapien zu verschaffen, sollte die Therapie wann immer möglich in Studien erfolgen. An einer Reihe von Zentren in der Schweiz können aktuell Patienten mit einer bisher unbehandelten CLL, welche keine Deletion 17p oder Mutation von TP53 aufweisen, in die CLL13 Studie eingeschlossen werden. In dieser Studie wird randomisiert die Standardtherapie (FCR/BR) mit drei chemotherapiefreien Schemata (Rituximab/Venetoclax, Obinutuzumab/Venetoclax und Obinutuzumab/Venetoclax/Ibrutinib) verglichen. Somit bietet die Studie die Möglichkeit frühzeitig wirksame, aber chemotherapiefreie Kombinationen zu erhalten.

Zuweisung ans Zentrum

Die Frage ist nun, wann Patienten mit einer CLL an ein Zentrum zugewiesen werden sollten? Generell sollte die Zuweisung dann erfolgen, wenn durch einen Studieneinschluss sehr wirksame, aber noch nicht im Rahmen der Zulassung erhältliche Medikamente verabreicht werden können (z.B. Ibrutinib, Venetoclax Kombinationen). Weiterhin können insbesondere junge Patienten mit einer CLL und Patienten mit Mutationen von TP53 einem Zentrum zugewiesen werden. Auch bei Patienten, die sich bereits resistent auf neue Medikamente zeigen, ist eine Zuweisung ans Zentrum angezeigt, da basierend auf der Vielzahl neuer Therapieoptionen das Feld in einer grossen Umbruchphase ist.

Ausblick

Aktuell wird die Indikation für eine Therapie vor allem durch das Vorliegen von Krankheitssymptomen (z.B. Zytopenien) bestimmt. Es ist jedoch abzusehen, dass es bald auch für asymptomatische Patienten Studien geben wird, in denen neue Therapeutika hinsichtlich ihres Benefits auf das Gesamt- und das Progressionsfreie Überleben randomisiert untersucht werden. Dies begründet sich auf den immer besser verträglichen Therapien, welche zielgerichtet und hoch effektiv wirken und dabei mit einem geringeren Nebenwirkungsspektrum einhergehen. Auch diesbezüglich ist es sinnvoll, sich zu der Studienaktivität an Zentren zu informieren.

Dipl. Ärztin. Nadija Wegener

Zentrum für Hämatologie und Onkologie
UniversitätsSpital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

Dr. med. Anouk Widmer

Zentrum für Hämatologie und Onkologie
UniversitätsSpital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

Prof. Dr. Thorsten Zenz

Zentrum für Hämatologie und Onkologie
UniversitätsSpital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

thorsten.zenz@usz.ch

Prof. Th. Zenz hat Honorare erhalten für Vorträge und Beratungen von Roche, Abbvie, Janssen, Gilead und Celgene. Dr. A. Widmer für Kongress/ Advisory Bords von AbbVie, Janssen, Celgene und Gilead. Dipl. Ärztin N. Wegener für Kongress von Celgene.

  • Bei der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) handelt es sich um ein indolentes non-Hodgkin Lymphom.
  • Zur Doagnosestellung der CLL muss eine klonale Lymphozytenzahl von 5 G/l im peripheren Blut, sowie ein charakteristisches Markerprofil vorliegen. Die wichtigsten Prognosefaktoren sind der Mutationsstatus des Immunglobulingens (IGHV) und die Anwesenheit von TP53 Mutation / Deletion.
  • Die Indikation ob eine Therapie erfolgen sollte, richtet sich jedoch nach dem Vorliegen von Krankheitssymptomen (“active disease”).
  • Bisher bestand die Erstlinientherapie in der Regel aus einer kombinierten Immuno-Chemotherapie.
  • Basierend auf der Entwicklung einer Reihe zielgerichteter Medikamente (z.B. BTK Inhibitoren, BCL2 Antagonisten) ist aber zurzeit eine Umbruchphase in der Therapie der CLL zu beobachten.
  • Um Patienten so früh wie mögliche Zugang zu diesen neuen zielgerichteten Therapien zu verschaffen, sollte daher die Therapie wann immer möglich in Studien erfolgen.

Literatur:
1. Swerdlow, S.H., et al., The 2016 revision of the World Health Organization classification of lymphoid neoplasms. Blood, 2016. 127(20): p. 2375-90.
2. Zenz, T., et al., From pathogenesis to treatment of chronic lymphocytic leukaemia. Nat Rev Cancer, 2010. 10(1): p. 37-50.
3. Hallek, M., et al., iwCLL guidelines for diagnosis, indications for treatment, response assessment, and supportive management of CLL. Blood, 2018. 131(25):
p. 2745-2760.
4. Goede, V. et al., Overall survival benefit of obinutuzumab over rituximab when combined with chlorambucil in patients with chronic laymphocytic leukemia and comorbidities: final survival analysis of the cll11 study. Learning Center. Jun 15, 2018; 215923
5. Woyach, J.A., et al., Ibrutinib Regimens versus Chemoimmunotherapy in Older Patients with Untreated CLL. N Engl J Med, 2018;379:2517-28.
6. Zenz, T. et al., TP53 Mutation and Survival in Chronic Lymphocytic Leukemia. JCO 2010
7. Seymour, J.F., et al., Venetoclax-Rituximab in Relapsed or Refractory Chronic Lymphocytic Leukemia. N Engl J Med, 2018. 378(12): p. 1107-1120.