Fortbildung - AIM

Evidenzbasierte Therapie bei Reizdarmbeschwerden

Die FODMAP-DiƤt

Das Reizdarmsyndrom (RDS) oder englisch Irritable bowel syndrome (IBS) ist eine komplexe Stƶrung des Gastrointestinaltrakts, welches sich durch abdominelle Schmerzen, verbunden mit Ƅnderungen der Stuhlbeschaffenheit und/oder Stuhlfrequenz manifestiert und in der hausƤrztlichen Praxis ein sehr hƤufiges Problem darstellt. Die sogenannte low-FODMAP-DiƤt, welche arm ist an fermentierbaren Oligo-, Di- und Monosacchariden und Polypolen, stellt eine evidenzbasierte ernƤhrungsmedizinische Therapieform bei Patienten mit Reizdarmbeschwerden dar. Im Artikel werden die mƶglichen Wirkungsmechanismen dieser DiƤtform und ihre praktische Durchführung vorgestellt.



Einer SchƤtzung nach ist das Reizdarmsyndrom der Grund für 25 bis 50% der ambulanten Konsultationen in einer gastroenterologischen Praxis. Die Inzidenz des Reizdarmsyndroms ist in vielen LƤndern trotz unterschiedlicher Lebensstile vergleichbar und liegt zwischen 5 und 20%. Das RDS tritt hƤufiger bei Frauen (v. a. unter 50 Jahren) auf. Je nach Dominanz der Beschwerden kann eine Einteilung des RDS in drei Haupttypen erfolgen: Diarrhoebetont (IBS-D), Obstipationsbetont (IBS-C) oder ein gemischter Typ (IBS-M) mit Wechsel zwischen Diarrhoe und Obstipation. Ein weiteres sehr hƤufiges Symptom sind BlƤhungen und ein balloniertes Abdomen.

Ƅtiologie

Die Ƅtiologie des RDS ist am ehesten multifaktoriell bedingt und noch nicht vollstƤndig geklƤrt. Eine VerƤnderung (Sensibilisierung / Unterbrechung) in der sogenannten Hirn-Darm-Achse führt zu Ƅnderungen in der gastrointestinalen MotilitƤt und Sekretion und bewirkt eine viszerale HypersensitivitƤt. Weiterhin spielen wahrscheinlich genetische Faktoren, psychologische Faktoren, Infektionen und VerƤnderungen des intestinalen Mikrobioms, Entzündungen und NahrungsunvertrƤglichkeiten eine Rolle, indem die intestinale Barrierefunktion verƤndert wird und eine erhƶhte intestinale PermeabilitƤt besteht.

Diagnose

Es existieren derzeit keine Tests welche das RDS eindeutig diagnostizieren kƶnnen. Die Diagnose eines Reizdarmsyndroms richtet sich nach klinischen Kriterien und kann nach Ausschluss gewisser Alarmsignale und Durchführung gezielter Untersuchungen gestellt werden. Es gelten weiterhin die Rom-Kriterien (aktuell Rom VI) welche eine Diagnose bei folgenden Bedingungen stellen lassen: Es müssen abdominelle Schmerzen für wenigstens einen Tag der Woche wƤhrend der letzten drei Monate aufgetreten sein, welche mit mindestens zwei der drei folgenden Kriterien assoziiert sind: VerƤnderungen der Stuhlfrequenz, VerƤnderung der Stuhlmorphologie. Der Beginn der Symptome muss hierbei mindestens 6 Monate zurückliegen (1). Individuell muss entschieden werden, wieviel Diagnostik im Einzelfall sinnvoll ist, in der Regel empfehlen sich jedoch die Bestimmung eines Calprotektinwertes im Stuhl zum Ausschluss einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung sowie eine Zƶliakie-Serologie im Blut. HƤufig werden jedoch weitere Tests inklusive Ileo-Koloskopie und Ɩsophago-Gastro-Duodenoskopie durchgeführt (2).

Therapie

Eine pharmakologische Therapie beschrƤnkt sich meist auf den Einsatz symptomatischer Medikamente. Analgetika, Antidiarrhoika, Spasmolytika, Laxativa, trizyklische Antidepressiva, Antibiotika und Probiotika werden mit mƤssigen Erfolgen eingesetzt. Neben pharmakologischen TherapieansƤtzen spielen Verhaltenstherapien und Hypnosetherapien eine Rolle.

ErnƤhrung

Bis zu 70% der Patienten mit RDS berichten über eine Verschlechterung der Symptome nach der Nahrungsaufnahme v. a. bestimmter Lebensmittel wie z. B. Milch und Milchprodukte, Weizen, Zwiebeln, Bohnen, Gewürzen, Kohl und anderer. Potentielle Mechanismen, wie Nahrungsmittel zu RDS-Symptomen führen kƶnnen, sind ein überschiessender gastro-kolischer Reflex, ein vermehrter Influx von Wasser in den Dünndarm bei osmotisch aktiven Nahrungsbestandteilen (z. B. nichtabsorbierbare Zucker) sowie bakterielle Fermentation von schlecht absorbierbaren kurzkettigen Polysacchariden und Polyolen im Kolon. Nur ein Bruchteil der RDS-Pa-tienten leidet unter echten NahrungsmittelunvertrƤglichkeiten bzw. Allergien. Es wurde daher schon seit vielen Jahren versucht über die ErnƤhrung eine Therapiemƶglichkeit für IBS Patienten zu finden. Ein sehr effektiver und in multiplen randomisierten Studien bewiesener Therapieansatz steht seit einigen Jahren nun durch eine ernƤhrungsmedizinische Intervention zur Verfügung: Die Reduktion FODMAP-haltiger Lebensmittel in der ErnƤhrung oder Ā«low-FODMAP-DiƤtĀ». Eine kürzlich durchgeführte Metaanalyse von 9 randomisierten, kontrollierten Studien bestƤtigte mindestens die kurzfristige Wirksamkeit dieser DiƤt (3).

FODMAP

Der grƶsste Teil der Patienten mit Reizdarmbeschwerden berichtet über eine Verschlechterung der Beschwerden nach dem Essen. Ā«Jedes Bƶhnchen gibt ein TƶnchenĀ» wusste der Volksmund schon seit langer Zeit, in den letzten Jahren konnte jedoch durch umfangreiche Forschung vor allem durch die Arbeitsgruppe von Prof.  Peter Gibson in Melbourne /Australien genauer differenziert werden, welche Lebensmittelbestandteile bei Patienten mit Reizdarmbeschwerden zur Verschlechterung der Symptome führen kƶnnen (in Bohnen sind dies zum Beispiel die Oligosaccharide). Diese Gruppe von Lebensmitteln wurde unter dem Akronym Ā«FODMAPĀ» zusammengefasst, welches für fermentable oligo-di-monosaccharides and polyols steht. Kohlenhydrate lassen sich – abhƤngig vom Grad ihrer Polymerisation – in Mono-, Di-, Oligo- sowie Polysaccharide einteilen. Gewisse Kohlenhydrate sind Ā«fermentierbarĀ», das heisst, sie werden im Kolon aufgrund der Abwesenheit oder der reduzierten Konzentration hydrolysierender Enzyme (wie z. B. Laktase) oder im Falle von Monosacchariden durch eine unvollstƤndige Aufnahme in Dünndarm und Dickdarm fermentiert. Bei diesem Prozess entstehen bakterielle Gase (v. a. Wasserstoff und Methan), welche zu vielfƤltigen Beschwerden führen kƶnnen. Meist bewirkt die Dilatation von Dünndarmabschnitten hierbei zusammen mit der viszeralen HypersensitivitƤt das Gefühl von BlƤhungen.
Alle FODMAPs werden durch die folgenden Kriterien gekennzeichnet:

1. Schlechte Absorption im Dünndarm entsteht entweder durch eine niedrige Transportkapazität des Epitheliums (Fruktose), eine reduzierte Aktivität von Hydrolasen in den Dünndarm­zotten (Laktose), das Fehlen von spezifischen Hydrolasen (Fruktane, Galaktane) oder durch das Vorliegen von Molekülen, die zu gross für eine Diffusion sind (Polyole).
2. Kleine und daher osmotisch aktive Moleküle. Dieser Effekt zeigt sich beispielsweise an einem synthetischen FODMAP, der Laktulose, die durch Erhöhung der Flüssigkeit im luminalen Inhalt und Veränderung der Darmmotilität einen laxativen Effekt hat.
3. Schnelle Fermentierung durch Bakterien. Die Geschwindigkeit, mit der Kohlenhydrate durch Bakterien fermentiert werden, ergibt sich aus deren KettenlƤnge: Oligo- und Disaccharide (Haushaltzucker = Saccharose, Milchzucker = Laktose) werden sehr schnell fermentiert, verglichen mit Polysacchariden wie zum Beispiel wasserlƶslichen Ballaststoffen. Die nichtresorbierten Saccharide lƶsen einen osmotischen Effekt aus, der zu einem Wassereinstrom in Ileum und Kolon führt. Weiter werden sie im Kolon durch bakterielle Zersetzung zu kurzkettigen FettsƤuren, Methan, Kohlendioxid und Wasserstoff metabolisiert. Diese Fermentierung führt zu einer Gasbildung, die Flatulenz und – durch den gesteigerten Druck auf die Darmwand – abdominale Schmerzen auslƶst. Die einzelnen FODMAP mit Beispielen zeigt Abbildung 1.

Durchführung der Low-FODMAP-Diät

Ist die Diagnose eines Reizdarmsyndroms gestellt kann optional eine Testung auf Laktose und / oder Fruktose mittels eines H2- Atemtest durchgeführt werden. Diese Testung ist jedoch nicht zwingend und einige Autoren empfehlen, hierauf zu verzichten, da in der initialen Phase der FODMAP-Reduktion auch Laktose und Fruktose deutlich reduziert werden und je nach VertrƤglichkeit spƤter wieder eingeführt werden. Im Allgemeinen ist es empfohlen die Durchführung der Therapie durch eine geschulte ErnƤhrungsberatung zu begleiten. Zu Beginn der ErnƤhrungsberatung wird das Konzept der FODMAP-DiƤt erklƤrt und individuelle Aspekte berücksichtigt (z. B. bekannte UnvertrƤglichkeiten, Essgewohnheiten). Als Hilfsmittel werden den Patienten Positiv-und Negativlisten mitgegeben, die die Auswahl der korrekten Nahrungsmittel erleichtern. Die Monash University verƶffentlichte 2012 die erste Smartphone-Applikation, welche die Patienten bei der Einhaltung der FODMAP-DiƤt unterstützt. Nach einer initialen ErnƤhrungsanalyse wird zunƤchst meist über sechs bis acht Wochen eine Reduktion bzw. ein vollstƤndiges Weglassen aller FODMAP-haltigen Lebensmittel durchgeführt (Eliminationsphase). Bessern sich die Beschwerden des Patienten wird von einem Ansprechen ausgegangen. In der Folge kƶnnen dann einzelne Lebensmittel aus den jeweiligen FODMAP-Gruppen nacheinander wieder eingeführt werden (Re-Expositionsphase) um die individuelle VertrƤglichkeit zu testen (z. B. Honig oder Apfel für Fruktose). Jedes zusƤtzliche FODMAP sollte einige Tage ausprobiert werden bevor es entweder wieder eliminiert oder mit weiteren Lebensmitteln ergƤnzt wird, wobei es hilfreich ist, ein Symptom-Tagebuch zu führen. Es kann so ein an die individuellen UnvertrƤglichkeiten angepasster ErnƤhrungsplan ausgearbeitet werden, der ausgewogener als eine streng FODMAP-arme DiƤt ist. Bei fehlender Verbesserung kann die Restriktionsphase verlƤngert und / oder zusƤtzliche ErnƤhrungsfaktoren (z. B. Gluten, Alkohol u. a.) diskutiert werden. Wichtig ist es, bei der Therapie realistische Erwartung zu haben und zu wissen, dass trotz ErnƤhrungsumstellung weiterhin Beschwerden bestehen kƶnnen. Nicht bei jedem kann eine Beschwerdefreiheit erreicht werden, jedoch ist die Low-FODMAP-DiƤt die aktuell am besten bewiesene ernƤhrungsmedizinische Behandlungsmethode des Reizdarmsyndroms.

Erfolgschance und Risiken einer FODMAP-Therapie:

Kritikpunkte an der low-FODMAP-DiƤt beinhalten vor allem, dass die meisten Studien eher ein kurzfristiges Design beinhalten und daher keine langfristigen Effekte garantiert sind. Ein weiterer wichtiger Kritikpunkt ist es, dass durch die Reduktion der PrƤbiotika wie z. B. Fruktane oder GOS die Substrate für das intestinale Mikrobiom reduziert werden und eine VerƤnderung der Zusammensetzung und Funktion des Mikrobioms bewirken kƶnnen, insbesondere auch von Bifidobakterien. Die langfristige VerƤnderung des Mikrobioms ist in ihren Auswirkungen hierbei unklar. Zu Mangelerscheinungen durch eine zu strikte DiƤt kommt es jedoch selten, insbesondere nicht unter der Anleitung einer erfahrenen ErnƤhrungsberatung. Auch wenn allgemeine ErnƤhrungsempfehlungen bei IBS-Patienten eine Verbesserung der Beschwerden bringen kann, zeigt die low-FODMAP-DiƤt ein Ansprechen bei bis zu 75% der IBS-Patienten (4) und kann daher als first-line Therapie bei IBS-Patienten eingesetzt werden.

Dr Martin Wilhelmi

Gastroenterologie Praxis
8032 Zürich

martin.wilhelmi@bluewin.ch

Prof. Dr. med. Stephan Vavricka

Zentrum für Gastroenterologie und Hepatologie
Vulkanplatz 8
8048 Zürich

stephan.vavricka@hin.ch

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.

  • Die low-FODMAP-DiƤt stellt eine evidenzbasierte ernƤhrungsmedizinische Therapieform bei Patienten mit Reizdarmbeschwerden dar. Es liegen mindestens 10 randomisierte und kontrollierte Studien vor welche die Wirksamkeit bestƤtigen
  • Ein Ansprechen auf die DiƤt wird in bis zu 75% der Patienten erreicht, die bereit sind ihre ErnƤhrung umzustellen
  • Die low-FODMAP-DiƤt sollte unter Aufsicht einer erfahrenen ErnƤhrungsberatung erfolgen
  • Die App der Monash-University ist hilfreich bei der praktischen Durchführung (FODMAP-App: https://www.monashfodmap.com/i-have-ibs/get-the-app/)
  • Limitationen der DiƤt sind fehlende Langzeitdaten und allfƤllige VerƤnderungen im intestinalen Mikrobiom.

1. Lovell RM, Ford AC. Global prevalence of and risk factors for irritable bowel syndrome: a meta-analysis. Clin Gastroenterol Hepatol. 2012;10(7):712-72 doi: 10.1016/j.cgh.2012.02.029.
2. Ford AC, Lacy BE, Talley NJ. Irritable bowel syndrome. N Engl J Med. 2017;376(26):2566-2578.
3. Low fermentable, oligo-, di-, mono-saccharides and polyol diet in the treatment of irritable bowel syndrome: A systematic review and meta-analysis. Schumann D, Klose P, Lauche R, Dobos G, Langhorst J, Cramer H. Nutrition. 2018 Jan; 45:24-31.
4. Wilhelmi et al., FODMAP – eine hƤufige Ursache unklarer abdomineller Beschwerden. Schweiz Med Forum 2014;14(48):909–914 911