15 Jahre Stiftung zur Förderung der Weiterbildung in Hausarztmedizin WHM FMF

Einleitung

Seit 1998 existiert in der Schweiz ein Weiterbildungsprogramm in Hausarztmedizin, welches in den Hausarztpraxen vermittelt wird (1). Zuerst als Pilotprojekt vom Kollegium für Hausarztmedizin (KHM) und den Fachgesellschaften der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SGAM), der Schweizerischen Gesellschaft für Innere Medizin (SGIM), der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie (SGP) und dem Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte (VSAO) initiiert, entstand umgehend ein Praxisassistenzprogramm, welches anfänglich beim KHM angesiedelt wurde und 2009 in die Stiftung zur Förderung der Weiterbildung in Hausarztmedizin überführt wurde (2). Anlässlich des 15-jährigen Bestehens der Stiftung WHM FMF wird in dieser Publikation die Funktion der Stiftung WHM in der haus- und kinderärztlichen Weiterbildung vorgestellt. Es folgt eine Übersicht über die Entstehung der Praxisassistenz und die aktuellen kantonalen Weiterbildungsprogramme sowie eine Diskussion ausgewählter Aspekte der haus- und kinderärztlichen Weiterbildung. Ein abschliessender Ausblick nennt potenzielle Anpassungen und deren Auswirkungen für die haus- und kinderärztliche Weiterbildung, die im Zuge der Veränderungen im schweizerischen Gesundheitswesen notwendig werden können.

Methodik

Zur Erhebung der aktuellen Daten über das Angebot an mitfinanzierten Praxisassistenzarztstellen sowie zu den Hausarzt-Curricula wurden von Frühjahr bis Herbst 2024 die kantonalen Programmkoordinatorinnen und -koordinatoren via E-Mail oder Telefon durch die Geschäftsstelle der Stiftung WHM befragt. Die Daten zu den Lehrärztekursen stammen aus der Befragung von insg. 184 Kursteilnehmenden von insg. acht Lehrarztkursen zwischen März und Dezember 2023.

1. Die Stiftung WHM FMF

Die Geschichte der Stiftung WHM FMF beginnt 1998, als die FMH, die SGAM, die SGP, das KHM sowie der VSAO ein Pilotprojekt zur Weiterbildung in Hausarztpraxen entwickelten, um die genuinen Lerninhalte und Kompetenzen der Hausarztmedizin im Setting der Hausarztpraxis zu vermitteln (1). Mit dem Format der Praxisassistenz wurde ein strukturiertes Weiterbildungsprogramm aufgebaut und umgesetzt, welches auf den damals gültigen medizindidaktischen Erkenntnissen basierte. Die steigende Nachfrage nach Praxisassistenzarztstellen und der damit verbundene zunehmende administrative Aufwand machten die Überführung des Programms «Praxisassistenz KHM» in eine eigenständige Stiftung erforderlich. Dies führte 2008 zur Gründung der Stiftung WHM FMF, welche 2009 ihre Tätigkeit aufnahm (2). Zu den Gründungsmitgliedern der Stiftung WHM FMF gehören die FMH, die SGAM – nachfolgend die SGAIM, die SGP (heute Pädiatrie Schweiz), das KHM und der VSAO. Seit Dezember 2024 sind sowohl die FMH als auch das SIWF jeweils mit einem eigenen Sitz im Stiftungsrat vertreten. Bis 2007 war das Kollegium für Hausarztmedizin (KHM) die einzige Institution, welche eine strukturierte Weiterbildung in Haus- und Kinderarztpraxen im Rahmen der Praxisassistenz anbot.

Positionierung der Stiftung WHM FMF

Die Stiftung bietet folgende Dienstleistungen an (3):
– Aus- und Fortbildung für Lehrärztinnen und Lehrärzte AIM und KJM sowie für Ärztinnen und Ärzte anderer Fachrichtungen, die eine strukturierte Weiterbildung in der Praxis anbieten möchten
– Subsidiäre Mitfinanzierung von Assistenzarztstellen in der Praxis
– Angebot von HR-Dienstleistungen für Assistenzarztstellen in der Praxis (Dienstleistung für Kantone und selbst zahlende Praxen)
– Kursangebot spezifisch für Bedürfnisse von Praxisassistenzärztinnen und Praxisassistenzärzten
– Qualitätssicherung (Evaluation) der Praxisweiterbildungsstätten
– Stellenplattform für Weiterbildungsstellen in der Praxis
– Wissenschaftliche Tätigkeit zur Weiterbildung in der Praxis

Die Stiftung WHM und ihr gesundheits­politisches Umfeld

Ohne Kenntnis der Veränderungen im gesundheitspolitischen Umfeld der medizinischen Grundversorgung, welche mit der Hausärztedemonstration 2006 in Bern ihren Anfang nahmen und 2014 mit der Verankerung der medizinischen Grundversorgung in der Bundesverfassung endeten, ist die Entwicklung der Weiterbildung in der Praxisassistenz nicht zu verstehen (4). Der drohende Mangel an Hausärztinnen und Hausärzten, welcher auf die zunehmende Unzufriedenheit der Ärzteschaft, den fehlenden Nachwuchs in der Hausarztmedizin sowie auf die fehlende akademische Verankerung der Hausarztmedizin an den medizinischen Fakultäten der Universitäten zurückgeführt wurde, setzte politische Massnahmen in Gang. Im Jahr 2009 gründeten die Fachgesellschaften der Allgemeinmediziner, Internisten und Pädiater den Berufsverband «Hausärzte Schweiz» und lancierten im selben Jahr die Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin» (5). An den Universitäten kam es zur Einrichtung von Hausarztprofessuren und Hausarztinstituten (6). Der Bund reagierte 2012 auf die Forderungen der Hausärzteschaft mit dem Einsetzen des Masterplans, welcher die kantonalen Weiterbildungsprogramme entscheidend förderte (7). Verschiedene Kantone entwickelten ihre eigenen Praxisassistenzprogramme, wobei die Programmstruktur der Stiftung WHM vielen als Vorlage diente. Am Prozess der Entwicklung und der Koordinierung der kantonalen Programme war die Stiftung zusammen mit der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) wesentlich mitbeteiligt und hat über die Entwicklung der hausärztlichen Weiterbildung in der Schweiz 2014 und 2019 einen Bericht verfasst (8, 9). Seit 2013 dient die Stiftung als Koordinations- und Austauschplattform und nimmt eine Drehscheibenrolle im schweizerischen Netzwerk «Praxisassistenz» ein. Sie unterstützt zudem die Kantone bei der Weiterentwicklung ihrer Praxisassistenzprogramme.

Die Stiftung WHM FMF und die hausärztliche Weiterbildung

Weiterbildungsprogramm AIM
Im Hinblick auf den Zusammenschluss der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SGAM) und der Schweizerischen Gesellschaft für Innere Medizin (SGIM) zur Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin SGAIM (2015) musste ein neues Weiterbildungsprogramm entwickelt werden, welches zum neu geschaffenen Facharzttitel Fachärztin/Facharzt für Allgemeine Innere Medizin führte. Dieses Weiterbildungsprogramm berücksichtigt die Laufbahn zur Hausärztin/zum Hausarzt sowie diejenige zur Spitalinternistin/zum Spitalinternist. Die Praxisassistenz wurde neu als mögliche ambulante Weiterbildung in die Basisweiterbildung und in die curriculare Aufbauweiterbildung implementiert. Dabei wurde die Struktur des Praxisassistenzprogramms der Stiftung WHM in das Weiterbildungsprogramm AIM übernommen (10). Mit dieser Gewichtung der Praxisassistenz innerhalb des Weiterbildungsprogramms AIM gewann die hausärztliche Weiterbildung an Attraktivität, was die Nachfrage nach hausärztlichen Weiterbildungsstellen weiter steigerte.

Aus- und Fortbildung von Lehrärztinnen und Lehrärzten – Lehrarztkurse
Seit 1998 bildet die Stiftung Lehrärztinnen und Lehrärzte in medizindidaktischen Kursen für die Lehre in den Praxen aus. Die Lehrinhalte und Lehrformate werden kontinuierlich den geltenden Standards angepasst und weiterentwickelt. Die medizinische Aus- und Weiterbildung hat sich mit der Einführung der kompetenzbasierten medizinischen Lehre (Competency-based Medical Education, CBME) wesentlich verändert. Die Stiftung WHM FMF integrierte neue, den Prinzipien der CBME entsprechende Lerninhalte in die Lehre, um eine optimale und praxisnahe Vorbereitung auf die Lehrtätigkeit in der Praxis sicherzustellen (11, 12).

Für die Anerkennung einer Arztpraxis als Weiterbildungsstätte wird vom SIWF die Absolvierung des Lehrarztkurses der Stiftung WHM FMF vorausgesetzt. Die Lehrarztkurse werden in Deutsch, Französisch und seit 2024 auch in Italienisch angeboten. Seit 2019 bietet die Stiftung Refresher-Kurse an, welche als «Teach the Teacher»-Kurse an den Kongressen der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) und des Kollegiums für Hausarztmedizin (KHM) durchgeführt werden. In diesen Refresher-Kursen werden die aktuellen didaktischen Erneuerungen den «bestandenen» Lehrärztinnen und Lehrärzten vorgestellt. Sie bieten zudem die Gelegenheit zum gegenseitigen kollegialen Erfahrungsaustausch. Die Aus- und Fortbildung von Lehrärztinnen und Lehrärzten ist eine zentrale Dienstleistung der Stiftung, welche in den letzten Jahren in qualitativer wie auch quantitativer Hinsicht an Bedeutung zugenommen hat.

Kurswesen Lehrärztinnen und Lehrärzte 2016–2024 (Tab. 1)
Von 2016–2021 (in 5 Jahren) wurden 46 Kurse, in den Jahren 2022–2024 (in nur 3 Jahren) 38 Kurse durchgeführt, was doch eine bemerkenswerte Dynamik im Kurswesen erkennen lässt und das grosse Interesse und die Bedeutung des Kursangebots unterstreicht.

Die Praxisassistenz

Das Praxisassistenzprogramm der Stiftung WHM FMF
Das Praxisassistenzprogramm der Stiftung, welches pro Jahr rund 15 Praxisassistenzarztstellen umfasst, finanziert seine Weiterbildungsstellen im Sinne einer Mitfinanzierung subsidiär; insbesondere dann, wenn die Kapazität des jeweiligen kantonalen Programms ausgeschöpft ist oder formale Gründe die Nutzung eines kantonalen Programms ausschliessen. Es steht auch den Ärztinnen und Ärzten der Kinder- und Jugendmedizin zur Verfügung, welche nicht in allen kantonalen Programmen berücksichtigt werden (vgl. unten.) Das Programm der Stiftung wird erfreulicherweise jährlich ausgeschöpft. Zudem bietet die Stiftung ihre HR-Dienstleistungen für die Praxisassistenz Kantonen und Praxen an, welche keine Mitfinanzierung erhalten (3).

2. Praxisassistenz und Curricula­weiterbildung (Rotationsstellen) in der Schweiz

Kantonale Programme – Praxisassistenzprogramme

PA-Stellen für Allgemeine Innere Medizin
Die Praxisassistenz als hausärztliches Weiterbildungsformat in den Praxen ist schweizweit erfolgreich etabliert. Alle Kantone verfügen über ein kantonales Programm (13).

Anfang 2025 stehen in der Schweiz 303 kantonale Praxisassistenzarztstellen zur Verfügung. Mit den Praxisassistenzstellen der Stiftung WHM FMF können insgesamt 318 mitfinanzierte Stellen angeboten werden. Dabei handelt es sich um Stellen zu 100 % Arbeitszeit bei einer Anstellung von 6 Monaten. Teilzeitarbeit mit längerer Praxisassistenzdauer wird in allen Programmen vergeben. Die Finanzierung der Programme ist kantonal unterschiedlich. Grösstenteils werden die Kosten zwischen Kanton und der Lehrpraxis nach kantonal verschiedenen Vorgaben aufgeteilt; selten beteiligen sich auch Spitäler an der Finanzierung (61 % der Kosten entfallen auf die Kantone, 31 % auf die Lehrarztpraxen und 8 % auf die Spitäler) (13). In 24 von 26 Kantonen wird ein Bruttolohn entsprechend der Weiterbildungszeit, also analog der Entlöhnung im Spital, ausbezahlt. 2 Kantone kennen einen fixen Lohn (GE, LU) (13).

Die kantonalen Programme werden von kantonalen Programmkoordinatorinnen und -koordinatoren geleitet. Die Organisation sowie die Verantwortlichkeiten und Aufgaben der Koordinatorinnen und Koordinatoren sind kantonal unterschiedlich geregelt (Tab. 2).

PA-Stellen für Kinder- und Jugendmedizin
Das Angebot an Praxisassistenzarztstellen für KJM ist von Kanton zu Kanton verschieden:

– 12 Kantone bieten keine Praxisassistenzstellen für Assistenzärztinnen und Assistenzärzte mit dem Ziel Kinder- und Jugendmedizin an.
– 8 Kantone stellen aus ihrem Praxisassistenzangebot eine definierte Anzahl Praxisassistenzstellen für die Kinder- und Jugendmedizin (KJM) zur Verfügung.
– 6 Kantone offerieren ihr Praxisassistenzangebot für die Allgemeine Innere Medizin(AIM)- wie für KJM-Assistenzärztinnen und -ärzte gleichermassen.
– 1 Kanton vergibt die Stelle der KJM, wenn keine AIM- Teilnehmenden gefunden werden (Tab. 3).

Kantonale Programme: Curriculaweiterbildung (Rotationsstellen)

Diese Weiterbildungsstellen bieten eine, auf die spätere Tätigkeit in der Hausarztpraxis ausgerichtete Weiterbildung in den Fachgebieten ausserhalb der Allgemeinen Inneren Medizin an (z. B. Chirurgie/Orthopädie, Psychiatrie, Pädiatrie, Dermatologie und andere). Sie fokussieren ihre praktischen Lerninhalte auf das Vermitteln der Kompetenzen im jeweiligen Fachgebiet, welche für eine eigenverantwortliche Arbeit in der Grundversorgung notwendig sind. Die curriculare Weiterbildung ist für den Erhalt der Breitenkompetenz in der Grundversorgung zentral (14, 15).
18 Kantone bieten Rotationsstellen mit unterschiedlichen Konzepten an (AG, AI, AR, BE, GE, GL, GR, LU, NE, SG, SH, SZ, TG, UR, VD, VS, ZG, ZH). 8 Kantone verfügen über kein Angebot.

4 Kantone bieten die Stellen für 6 Monate zu 100 %, 2 Kantone für 6–12 Monate an. 3 Kantone kennen keine definierte Dauer der Anstellung. 9 Kantone stellen maximal 18 Monate zu 100 % zur Verfügung.

16 Kantone geben an, eine strukturierte Weiterbildung anzubieten. 10 Kantone erlauben eine modulare Belegung dieser Angebote.
Die Kantone AR, AI, Glarus, Graubünden, Schaffhausen, St. Gallen und Thurgau bieten unter dem Namen «Curriculum Hausarztmedizin Ostschweiz CHO» ihre Praxisassistenzprogramme sowie die Rotationsstellen gemeinsam an (Tab. 4).

Evaluation der Weiterbildungsstätten

Die Praxisassistenz, vormals des KHM und seit 2009 der Stiftung WHM FMF, wird seit 1998 evaluiert (1, 5). Die wissenschaftliche Auswertung und Begleitung geschehen durch das Institut für Medizinische Lehre (IML) der Universität Bern. Die Evaluation der Weiterbildungsstätten, also der Lehrpraxen, wird in den kantonalen Programmen unterschiedlich gehandhabt. 16 Kantone evaluieren ihre Weiterbildung; davon lassen 9 Kantone ihre Evaluation von der Stiftung WHM FMF durchführen. In 5 Kantonen evaluiert die Koordinationsstelle selbst, und in 2 Kantonen ist das jeweilige Hausarztinstitut dafür verantwortlich. 4 Kantone lassen gelegentlich evaluieren, 4 Kantone kennen keine Evaluation, und von 2 weiteren Kantonen liegen keine Informationen vor.

Diskussion

Lehrärztinnen- und Lehrärztekurse der Stiftung WHM FMF
Die Ausbildung einer ausreichenden Zahl qualifizierter Lehrärztinnen und Lehrärzte für die vom SIWF anerkannte Weiterbildung im Rahmen der Praxisassistenz ist eine zentrale Voraussetzung für die Nachhaltigkeit des Weiterbildungsprogramms. Erfreulicherweise hat die Zahl der Kursteilnehmenden in den letzten Jahren deutlich zugenommen: Während zwischen 2016 und 2021 insgesamt 981 Personen an den Kursen teilnahmen, wurden in den drei Folgejahren (2022–2024) bereits 812 Teilnehmende registriert. Parallel dazu stieg auch das Kursangebot: Von 2016 bis 2021 wurden 46 Kurse durchgeführt, von 2022 bis 2024 waren es bereits 38 Kurse. Diese dynamische Entwicklung ist sehr positiv und verdeutlicht das starke, freiwillige Engagement der Hausärztinnen und Hausärzte für die Lehre. Zwar stellt die finanzielle Förderung der Praxisassistenz einen wichtigen Anreiz dar und erleichtert potenzielle Praxisnachfolgeregelungen, doch besonders hervorzuheben ist, dass zunehmend Ärztinnen und Ärzte an den Kursen teilnehmen, die selbst eine Praxisassistenz absolviert haben. So zeigte eine Befragung von Kursteilnehmenden der Lehrarztkurse im Zeitraum März bis Dezember 2023, dass mehr als die Hälfte der Teilnehmenden selbst eine Praxisassistenz während ihrer Weiterbildung absolviert hatte. Dies deutet darauf hin, dass die eigene positive Erfahrung mit der Praxisassistenz und die Freude an der Lehre selbst zur Lehrtätigkeit motivieren.

Praxisassistenz
Insgesamt stehen zurzeit 318 mitfinanzierte Praxisassistenzstellen zur Verfügung, was wiederum einen Anstieg der verfügbaren Weiterbildungsstellen bedeutet (13).

In der Kinder- und Jugendmedizin, welche auch zur Grundversorgung gehört, sind die verfügbaren Angebote an Praxisassistenzstellen deutlich geringer. Lediglich 14 Kantone beziehen die pädiatrische Weiterbildung in ihre Praxisassistenzprogramme mit ein. Und selbst in diesen Programmen wird die KJM nicht überall paritätisch berücksichtigt. Das ist bei dem aktuellen Mangel an Pädiaterinnen und Pädiatern in der medizinischen Grundversorgung nur schwer verständlich.

Die Beantwortung der Frage nach der Auslastung der Programme lässt sich für eine Jahresperiode meist nicht eindeutig beantworten: Sie unterliegt einer natürlichen Fluktuation, die schwerlich gesteuert werden kann. In kleinen Kantonen ist eine gleichmässige Auslastung ihrer Programme noch schwieriger zu erreichen, da die Anzahl der infrage kommenden Teilnehmenden oft klein ist. Zudem werden Programme immer wieder weiterentwickelt und verändert, sodass ein objektiver Vergleich der Programme schwierig ist. Zurzeit befinden sich 4 Kantone im Stadium der Weiterentwicklung.

Nach Angabe von 5 Kantonen ist das Angebot an Praxisassistenzstellen grösser als die Nachfrage, in 4 Kantonen übersteigt die Nachfrage das Angebot, und in 11 Kantonen sind das Angebot und die Nachfrage ausgeglichen. Von 2 Kantonen fehlen Daten.

Rotationsstellen – curriculare Weiterbildung
Die Notwendigkeit einer qualitativen Weiterbildung in Fachgebieten ausserhalb der Allgemeinen Inneren Medizin ist unbestritten, und eine solide hausärztliche Breitenkompetenz ist vor allem für eine ärztliche Tätigkeit in ländlichen Gebieten unabdingbar. Diese Breitenkompetenz muss daher mit einem adäquaten Weiterbildungsprogramm gesichert werden (14, 15). Die Angebote, die Finanzierungen, die Strukturen und allfällige Zulassungsbedingungen zur curricularen Weiterbildung sowie die Zuständigkeit für diese Programme unterscheiden sich häufig von Kanton zu Kanton.

Gut strukturierte Angebote weisen die Kantone AG, BE, GE, LU mit NW, OW, UR, ZH und die Ostschweizer Kantone AI, AR, GL, GR, SH, SG, TG mit dem Curriculum Hausarztmedizin Ostschweiz CHO auf.

Im Gegensatz zu den Praxisassistenzstellen, bei welchen die Zuständigkeit und Verantwortung für das Programm die kantonalen Koordinatoren innehaben, sind es bei den Rotationsstellen oft auch Kliniken, welche eigene Rotationsstellen in ihrem Fachbereich anbieten und selbst verwalten. Aus Rückmeldungen von gewissen Kantonen erfährt man, dass ihre Curricula-Angebote aus diversen Gründen (organisatorischer und finanzieller Art) noch nicht verbindlich implementiert sind und diese daher auch noch nicht ihre volle Wirksamkeit entfalten können. Vor allem in kleineren Kantonen sind curriculare Angebote, wenn überhaupt, nur mit beträchtlichem Aufwand möglich und können nur eine begrenzte Wirkung entfalten.

Kantone wie Luzern mit Obwalden und Nidwalden sowie das Curriculum Ostschweiz CHO (19) mit den oben genannten Ostschweizer Kantonen zeigen mit ihrem Vorgehen Wege zu einer sinnvollen Zusammenarbeit auf. Schon wiederholt wurde darauf hingewiesen, dass die ausgeprägte Heterogenität, welche der föderalen Struktur des Schweizer Gesundheitssystems geschuldet ist, der optimalen Nutzung der kantonalen Programme nicht sehr förderlich ist. Eine regionale Zusammenarbeit mit kleineren Kantonen verbessert das Angebot der hausärztlichen Weiterbildung auch in ländlichen Gebieten und Randregionen und kann so mithelfen, den Einstieg in eine hausärztliche Tätigkeit in diesen Gegenden zu fördern.

Die Evaluation der Praxisassistenz und der Rotationsstellen
Die Evaluation stellt ein elementares Instrument der Qualitätssicherung dar. Das Prozedere der Evaluation von Praxisassistenzstellen wird vom Schweizerischen Institut für Weiter- und Fortbildung (SIWF) festgelegt.

Während die Evaluation der Weiterbildungsstätten in der stationären Weiterbildung eine Selbstverständlichkeit ist, ist sie bei einer Weiterbildung im ambulanten Bereich einer Arztpraxis bis heute nicht verpflichtend. Die freiwillig durchgeführten Evaluationen von Praxisassistenzstellen unterscheiden sich oft erheblich in ihrer Qualität und genügen den Ansprüchen an eine korrekt durchgeführte und wissenschaftlich ausgewertete Evaluation nicht immer. Eine Evaluation der Praxisassistenzstellen soll grundsätzlich analog der stationären Weiterbildung, aber praktikabel und am speziellen Setting der Praxis angepasst, eingesetzt werden. Es sollten aber nicht nur die mitfinanzierten Praxisassistenzstellen der kantonalen Programme evaluiert werden – einige von ihnen lassen die Evaluation bei der Stiftung WHM durchführen oder aber sie evaluieren selbst –, sondern auch alle jene, welche an keinem Programm angeschlossen sind. Die Befragung von 184 Kursteilnehmenden an den Lehrarztkursen von März bis Dezember 2024 hat ergeben, dass 46 % der Lehrärztinnen und Lehrärzte ihre Praxisassistenz ohne Hilfe eines Praxisassistenzprogramms selbst finanzieren. Wenn man das Praxissetting kennt, in dem die befragten Ärztinnen und Ärzte arbeiten, und weiss, dass 84 % in einer Gruppen- oder Gemeinschaftspraxis tätig sind, versteht man, dass in diesen Praxisformen eine direkte Praxisassistenzanstellung häufig ist. Diese Praxisassistenzstellen, deren Anzahl nicht bekannt ist, werden bis jetzt nicht evaluiert.

Die kantonalen Koordinatorinnen und Koordinatoren
Je nach Organisation und Umfang der kantonalen Programme ist deren Einsatz unterschiedlich. So organisieren beispielsweise 10 Kantone freiwillig einen regelmässigen Austausch mit ihren Lehrärztinnen und Lehrärzten und/oder führen Visitationen bei ihren Lehrpraxen durch. Dies zeigt, dass schon jetzt einige Programme um eine gewisse Qualitätssicherung besorgt sind. Die Stiftung WHM lädt jährlich zu einem Treffen der kantonalen Koordinatorinnen und Koordinatoren ein, welches dem Informationsaustausch sowie der Diskussion von relevanten Themen der hausärztlichen Weiterbildung dient.

Ausblick

Bis jetzt wird die haus- und ärztliche Weiterbildung in einem 1:1-Setting Lehrärztin/Lehrarzt – Praxisassistenzärztin/Praxisassistenzarzt vermittelt, dem höchsten didaktischen Lehrformat. Beim SIWF ist die Lehrärztin/der Lehrarzt in der Praxisassistenz ad personam akkreditiert; dies im Unterschied zu den anderen Weiterbildungsstätten, bei denen die Institution akkreditiert wird. Früher waren die Lehrarztpraxen in der Regel Einzelpraxen oder kleinere Gruppenpraxen. Das hat sich grundlegend geändert: Lehrpraxen sind heute überwiegend Gruppen- oder Gemeinschaftspraxen, Einzelpraxen sind die Ausnahme. Lehrärztinnen und Lehrärzte arbeiten mehrheitlich nicht mehr in einem 100 %-Arbeitspensum; die Praxisassistenzärztinnen- und -ärzte ebenfalls nicht. Grössere Praxiseinheiten können für die Praxisassistenz eine vermehrte Flexibilität der Arbeitszeit anbieten, was die Attraktivität solcher Stellen steigert. Angehende Hausärztinnen und Hausärzte bevorzugen für ihre Weiterbildung kleinere Spitäler und Praxen (17). Nicht wenige Landspitäler, welche diese Weiterbildungsmöglichkeit angeboten haben, sind im Zuge von kantonalen Sparprogrammen und Reorganisationen aufgehoben worden oder sind in ihrer Existenz gefährdet. Universitätskliniken und grosse Zentrumsspitäler bieten wohl eine breite Palette von Weiterbildungsstellen an. Diese sind aber aufgrund des selektionierten Patientenguts und der hochgradigen Spezialisierung vielfach für eine längerfristige Weiterbildung mit dem Ziel Hausärztin/Hausarzt weniger geeignet (15). Eine Ausnahme dürften die Kliniken und Abteilungen für Allgemeine Innere Medizin in den Spitälern darstellen, welche ein etwas weniger selektioniertes Patientengut aufweisen und für die stationäre Weiterbildung zur Hausarztmedizin geeignet sind. Eine weitere Verlagerung der hausärztlichen Weiterbildung in den ambulanten Bereich ist zu erwarten. Dies bedeutet, dass das Weiterbildungsprogramm AIM für den Track Hausarztmedizin sowie die Praxisweiterbildungsstätten den veränderten Gegebenheiten strukturell angepasst werden müssen. Zudem ist es für die Weiterbildung in der Hausarztpraxis existenziell, dass deren Finanzierung weiterhin gesichert bleibt. Nicht nur in der Weiterbildung zur Hausärztin/zum Hausarzt ist der Trend von stationär zu ambulant festzustellen; auch in anderen Fachdisziplinen wird diese Verlagerung zu beobachten sein. Somit wird klar, dass in Zukunft vermehrt Lehrärztinnen und Lehrärzte für die Lehre im ambulanten Bereich ausgebildet werden müssen.

Die verfügbaren Daten ermöglichen einen positiven Blick in die Zukunft: Die Praxisassistenz trägt nicht nur zur Sicherung der medizinischen Grundversorgung der Schweiz bei, sie sichert auch das Fortbestehen der haus- und kinderärztlichen Weiterbildung und ist zudem ein wirkungsvolles Instrument für eine nachhaltige Nachwuchsförderung (16). Dieses Erfolgsmodell mit seinem zukunftsweisenden Konzept ist weiterhin auf eine robuste finanzielle Unterstützung angewiesen und benötigt auch künftig ein klares politisches Commitment.

Christian Häuptle, Henrik Zimmermann, Sarina Keller, Réka Veress-Daugaard

Stiftung zur Förderung der Weiterbildung in Hausarztmedizin WHM FMF, Bern

Dr. med. Christian Häuptle

Otmarweg 8, 9200 Gossau

haeuptle@hin.ch

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

1. Schläppi P. Lerngewinn durch Praxisassistenz. Schweizerische Ärztezeitung 2000,81, N.36 1985-1993
2. Carobbio Guscetti M., von Erlach M. Stiftung zur Förderung der Weiterbildung in Hausarztmedizin Jahresbericht 2009. Primary Care 2011,11, N.1, 9-10
3. https://www.whm-fmf.ch Stiftung zur Förderung der Weiterbildung in Hausarztmedizin
4. https://www.hausärzteschweiz.ch Gesundheitspolitik
5. Stricker B., Die Geschichte der Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin». Primary Care 2013, Edition 3-5
6. Gesundheit B.f. Bestandesaufnahme Institute für Hausarztmedizin. Bundesamt für Gesundheit 2013
7. Gesundheit B.f. Faktenblatt Masterplan und medizinische Grundversorgung 2013
8. Häuptle C., von Erlach M., Bauer W., Brinkley B. Koordination von Curricula (Rotationsstellen) und Praxisassistenzstellen. Praxis (Bern 1994) 2015;104(3):137-50
9. Häuptle C., von Erlach M., Weiterbildung in Hausarztmedizin: Praxisassistenz und Curricula- weiter-bildung (Rotationsstellen) in der Schweiz. Praxis (Bern1994).2019;108(1):63-72
10. https://www.siwf.ch/weiterbildung.cfm Schweizerisches Institut für ärztliche Weiter-und Fortbildung
11. Albermann K., Frick S., Grünig P., Meienberg A. “Bin ich eine gute Ärztin? Bin ich ein guter Arzt?“ Schweizerische Ärztezeitung 2022; 103 (08) 238-41
12. https://www.siwf.ch siwf-projekte cbme.cfm
13. Gerber T., Häuptle C., Denti F., Graf., Merlo C., Pasche O., Rodondi N., Rosemann T., Senn N., Som-mer J., Zeller A. Praxisassistenz in der Schweiz: eine Übersicht in den Kantonen. Prim Hosp Care2022; Allg Inn Medizin.22 (11) 331-334
14. Häuptle C. Weiterbildung zur Hausärztin und zum Hausarzt im Kanton St. Gallen. Prim Hosp Care 2019; Allg Inn Medizin.2022; 22(11) 331-334
15. Plate A., Di Gangi S., Pichierri G., Rosemann T., Senn O. Praxisassistenz und Curriculum: Bedeutung für den Nachwuchs in der Grundversorgung im Kanton Zürich. Praxis 2025; 114 (1) 11-15
16. Zimmerli L., Fluri M., Droste P., Cina C., Leupold F., Streit S., Erfolgreiche Nachwuchsförderung. Schweizerische Ärztezeitung 2020; 101; 948-9.
17. Rozsnayi Z., Tal.K., Bachofner M., et al. Swiss students and young physicians want a flexible goal-orientet PG training curriculum. Scan J Prim Health Care.2018 ; 36(3) 249-61
18. Felber S. Praxisassistenz:»» …die lehrreichste Zeit in meiner Ausbildung». Schweizerische Ärztezei-tung 2005,86, N19 1147-53
19. www.curriculum-ostschweiz.ch

Benignes Prostatasyndrom: Empfehlungen zur ­Behandlung in der Hausarztpraxis

Einleitung

Das benigne Prostatasyndrom (BPS) ist eine der häufigsten Erkrankungen des Mannes (1). Durch das Wachstum der Prostata kommt es zur Beeinträchtigung der Funktion des unteren Harntrakts, welches sich in Blasenentleerungs- und Blasenspeicherstörungen äussert. Auf histologischer Ebene ist die Prostatavergrösserung durch die benigne Prostatahyperplasie (BPH) bedingt. Die BPH ist durch eine gutartige Zellvermehrung im Prostataparenchym vor allem im Bereich der Transitionalzone der Prostata charakterisiert. Die daraus resultierende Grössenzunahme der Transitionalzone kann sekundär zur tast- oder messbaren Prostatavergrösserung (benign prostatic enlargement, BPE) führen. Es wird geschätzt, dass etwa die Hälfte der Männer mit histologischer BPH auch eine Prostatavergrösserung hat (2). Mit zunehmendem Alter nimmt die Wahrscheinlichkeit einer BPH zu (3). Während sie vor dem 30. Lebensjahr praktisch nicht auftritt, kommt es in den folgenden Lebensdekaden zu einem steilen Anstieg der Prävalenz. Im sechsten Lebensjahrzehnt liegt die Prävalenz bereits bei 40 bis 50 %, und im neunten Lebensjahrzehnt sind sogar 90 % der Männer von einer BPH betroffen (2, 4).

Pathophysiologie

Die Pathophysiologie der BPH ist noch nicht abschliessend geklärt. Die Entstehung ist multifaktoriell und auf intrinsische und extrinsische Faktoren zurückzuführen (Abb. 1). Zu den wichtigsten intrinsischen Faktoren gehören die Genetik und hormonelle Veränderungen von u.a. dem Androgen-Östrogen-Verhältnis, des Insulinspiegels oder der Schilddrüsenhormone (5–8). Weitere intrinsische Faktoren sind Veränderungen im stromalen Mikromilieu, welche stromale und epitheliale Zellproliferation durch verschiedene Wachstumsfaktoren bedingen, und das M­i­krobiom. Zu den potenziellen extrinsischen Faktoren zählen die Ernährung und Infektionen durch Bakterien oder Viren (7).

Zahlreiche Studien konnten einen Zusammenhang zwischen chronischer Entzündung und BPH nachweisen (7, 9): Bei Nachweis von Entzündung im Stroma zeigte sich eine stärkere Zunahme des Prostatavolumens. Die Freisetzung von Zytokinen und Wachstumsfaktoren bei chronischen Entzündungen ist mit einer Zunahme des Prostatavolumens und klinischen Symptomen assoziiert (7, 9). Des Weiteren konnten zahlreiche Studien eine Assoziation von LUTS mit dem metabolischen Syndrom sowie dem ob­struktiven Schlafapnoe-Syndrom zeigen.

Diagnostik bei BPS-Symptomen

Der Symptomkomplex, der sich bei Männern mit BPH entwickeln kann, wird als benignes Prostatasyndrom (BPS) bezeichnet. BPS beschreibt eine Konstellation, bei der Symptome des unteren Harntrakts (LUTS, lower urinary tract symptoms) bei gutartiger BPE und möglicher Blasenauslassobstruktion (BOO, bladder outlet obstruction) in unterschiedlicher Ausprägung vorliegen (10–12). Die drei Komponenten des BPS korrelieren nur schwach miteinander, bei einem Patienten mit BPS sind alle drei Komponenten vorhanden (Abb. 2) (13, 14). Im Kontext des BPS sollte jedoch nicht ausser Acht gelassen werden, dass auch bei einem Prostatakarzinom identische Symptome bestehen können und somit bei Anhaltspunkten für das Vorliegen eines Prostatakarzinoms eine weiter gehende Abklärung gemäss Leitlinienempfehlungen erfolgt.

Der Begriff BPS hat sich nur im deutschsprachigen Raum etabliert. Im angloamerikanischen Sprachraum wird bei diesem Krankheitsbild von clinical BPH oder LUTS suggestive of BPH gesprochen. LUTS werden eingeteilt in Speicher-, Entleerungs- und Postmiktionssymptome (16). Obwohl viele Männer über 50 Jahre an behandlungsbedürftigen LUTS leiden, suchen viele Betroffene nur ungern medizinische Hilfe. Dies betont die zentrale Rolle der Hausärztinnen und Hausärzte bei der Diagnosestellung des chronisch progredienten BPS. Sie können mögliche BPS-Patienten in der Praxis aktiv auf mögliche Beschwerden ansprechen und bei Verdacht bereits einen Teil der Basisdiagnostik zum BPS durchführen (12). Gemäss der Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Urologie beinhaltet die Basisdiagnostik des BPS (soweit in der Hausarztpraxis möglich):

– Anamnese
– Internationaler Prostata-Symptom-Score(IPSS)-Fragebogen (12)
– körperliche Untersuchung inklusive einer orientierenden neurologischen und einer digito-rektalen Untersuchung (DRU)
– Urinanalyse
– Bestimmung des prostataspezifischen Antigens (PSA), idealerweise vor der DRU
– Restharnbestimmung sowie
– Sonographie des oberen und unteren Harntrakts.

Mittels sieben einfacher Fragen erfasst der IPSS-Fragebogen Informationen zu Blasenspeichersymptomen wie imperativem Harndrang, erhöhter Miktionsfrequenz und Nykturie sowie zu Blasenentleerungssymptomen wie abgeschwächtem oder unterbrochenem Harnstrahl, Pressen zur Miktion und Restharngefühl (12). Durch die DRU soll die Prostatagrösse und -konsistenz erfasst werden. Jedoch korreliert das in der DRU gemessene Volumen v.a. bei deutlich vergrösserter Prostata schlecht mit der tatsächlichen Prostatagrösse (17, 18). Der PSA-Wert hingegen korreliert besser mit dem Prostatavolumen, sofern er nicht durch andere pathologische Prozesse beeinflusst ist (19). Die Bestimmung des PSA kann auch zur Abschätzung des Progressionsrisikos und als Differenzialdiagnostik zum Prostatakarzinom dienen (12). Jedoch können beim PSA-Wert auch falsch-positive und falsch-negative Werte auftreten (20). Da die klinische Interpretation des PSA-Wertes komplex ist, ist eine interdisziplinäre oder urologische Beurteilung sinnvoll (21). Die Urinanalyse soll einerseits Differenzialdiagnosen für das Auftreten von Speicher- und Entleerungssymptomen ausschliessen. Andererseits soll sie eine Harnwegsinfektion vor interventioneller Therapie des BPS nachweisen (11).
Als weitere Prädiktoren für eine Progression gelten die Restharnmenge und die Harnstrahlstärke, doch dies sind keine verlässlichen quantitativen Parameter (11). Ist ein Ultraschallgerät in der Praxis vorhanden, sind eine sonographische Bestimmung des Restharnvolumens und die Ul­traschalluntersuchung des oberen und unteren Harntrakts empfohlen (12). Ein erhöhtes Restharnvolumen (200–300 ml) ist ein Hinweis auf eine bereits geschädigte Funktion der Harnblase, welche in einer akontraktilen Harnblase münden kann. Bei auffälligen Befunden sollte die Überweisung an eine Urologin/einen Urologen erfolgen:

– Mikro- und Makrohämaturie
– Inkontinenz/Überlaufharnblase
– Dranginkontinenz
– Rezidivierender Harnverhalt
– Veränderung des Symptomenkomplexes
– Erhöhtes Kreatinin postrenaler Genese
– Neu aufgetretene Niereninsuffizienz
– Soweit durch HA eruierbar: progredienter oder relevanter Restharn unter Therapie, Blasensteine

Ein wichtiger Parameter zur Therapieentscheidung ist die klinisch relevante BOO, die eine relative Indikation zur Operation darstellt. Die urodynamische Untersuchung mit Druck-Fluss-Messung, die der Urologin/dem Urologen vorbehalten ist, stellt den Goldstandard für die Bestimmung der BOO bzw. des BOO-Grades dar. Die Urodynamik ist jedoch mit invasiven Messkathetern für den Patienten belastend (12). Eine wesentlich einfachere Bestimmung der BOO kann mittels Sonographie nicht invasiv und dennoch sicher erfolgen: Die Leitlinie empfiehlt die sonographische Messung der intravesikalen prostatischen Protrusion (IPP), einer Vorwölbung der Prostata in das Blasenlumen. Dabei weist eine IPP > 10 mm eine vergleichbare diagnostische Genauigkeit zur Bestimmung einer BOO wie die Uroflowmetrie auf (22). Die zweite empfohlene Untersuchung ist die sonographische Messung der Detrusordicke (DWT, detrusor wall thickness), die eine hohe Sensitivität und Spezifität für das Vorliegen einer BOO hat (11). Eine sonographisch gemessene Detrusordicke von > 2 mm bei mind. 250 ml Blasenfüllung gilt als Hinweis auf eine BOO. Dabei liegt die Übereinstimmung mit Druck-Fluss-Studien bei 89 % (23). Während diese weiterführenden Abklärungen in die Hand eines geübten Untersuchers gehören, können alle Hausärzte die meisten Basisuntersuchungen selbst durchführen, den Behandlungsbedarf einschätzen, ein Blasentagebuch ansprechen und den Patienten wichtige Informationen mitgeben (12). Somit ist eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit von hoher Wichtigkeit.

Obwohl die Entwicklung eines BPS im Einzelfall nicht vorhersagbar ist, verläuft das BPS meist chronisch progredient (24–26). Bei etwa einem Drittel der Männer mit BPS tritt innerhalb von drei bis fünf Jahren eine Krankheitsprogression auf, die sich meist als Zunahme von LUTS äussert. Sie kann sich aber auch mit dem Auftreten von Veränderungen im Harntrakt wie rezidivierenden Harnwegsinfektionen, Blasensteinen oder Harninkontinenz äussern (2).

Therapieziel und -ansatz

Primäres Ziel bei der Behandlung des BPS sind die Vermeidung von Komplikationen, eine rasche Reduktion der störenden Symptome und die Verbesserung der Lebensqualität (11). Wichtig bei der Therapiewahl ist neben einer individuellen Beurteilung der klinischen Situation mit Einbezug von Komorbiditäten und Arzneimittelinteraktionen auch der Patientenwunsch. 77–93 % der Betroffenen bevorzugen eine Medikation ohne sexuelle Nebenwirkungen (27).

Therapie

Liegen keine relativen oder absoluten Indikationen zur Operation vor, gibt es unterschiedliche Therapiemöglichkeiten. Bei BPS-Patienten mit geringer Symptomatik kann eine Strategie des Watchful Waiting resp. kontrollierten Zuwartens verfolgt werden. Idealerweise ist dies verbunden mit gewissen Empfehlungen zum Lebensstil: Dazu gehören Anpassungen der Trinkgewohnheiten, Blasentraining und Beachtung von diuretischen Medikamenten und reizenden Substanzen wie scharfen Gewürzen, Vermeidung oder moderate Einnahme von koffeinhaltigen oder alkoholischen Getränken, da dies einen diuretischen und/oder irritativen Effekt auslösen oder verschlimmern kann. Dabei sollen auch individuelle Risikofaktoren wie Lebensalter, PSA-Wert, Prostatavolumen, Restharnmenge und Harnstrahlstärke in die Entscheidung miteinfliessen (11, 12). Wichtig bei dieser Strategie sind regelmässige Kontrollen mit Bewertung der Symptomatik und des Leidensdrucks (12).
Eine medikamentöse Therapie sollte in Betracht gezogen werden, wenn es der Leidensdruck des Patienten erfordert oder das initial angewandte Watchful Waiting nicht zu einer zufriedenstellenden Besserung der Symptomatik geführt hat. Hierbei richtet sich die Wahl des Medikaments nach der vorliegenden Symptomatik (21). Die wichtigsten klinischen Effekte, das jeweilige Nebenwirkungsprofil der Medikamentenklassen und das empfohlene Vorgehen zur Nachbeobachtung können Tab. 2 entnommen werden.

Medikamentöse Therapie

Die Therapie von BPS-Patienten kann eine deutlich individuelle Behandlungsmorbidität aufweisen. Die Differenzialindikationen sind medizinisch wenig definiert, was zu einer Therapiekaskade führen kann, die vorwiegend durch intolerable Nebenwirkungen oder einer Non-Response bestimmt wird (11).

Die BOO/BPO ist mit Schädigungen im unteren und/oder oberen Harntrakt assoziiert (28). Da Medikamente zur BPS-Behandlung keine (Phytopharmaka, Antimuskarinika, β-3-Agonisten, Phosphodiesterase-5-Inhibitoren [PDE5-I]) oder nur eine geringe Wirkung (α-Blocker, 5α-Reduktase-Inhibitoren [5-ARIs]) auf die BOO/BPO haben, sollten nur Männer ohne oder mit geringer BOO/BPO medikamentös behandelt werden (11). Wenn keine deutlich obstruktiven Symptome vorliegen und der Patient chemisch-synthetische Produkte ablehnt, können Phytopharmaka, die in randomisierten klinischen Studien dokumentiert sind, als Einstieg in eine medikamentöse Therapie verwendet werden (11). Der Einsatz von Phytopharmaka ist aufgrund widersprüchlicher Studienergebnisse sowie einer grossen Variabilität an Substanzen nicht unumstritten. Es existieren Mono- oder Kombinationspräparate aus Früchten der Sägezahnpalme (Sabal serrulata, Serenoa repens), Brennnesselwurzelextrakte (Urtica dioica), Pollenextrakte (Secale cereale), Kürbissamen (Cucurbita pepo) und Extrakte aus der Rinde des afrikanischen Pflaumenbaumes (Pygeum africanum) (12). Dabei gehören Extrakte aus den Früchten der Sägezahnpalme zu den am häufigsten verwendeten Phytotherapeutika in der BPS-Therapie. Auch Präparate mit Extrakten aus Kürbissamen sind weitverbreitet. Das Nebenwirkungsprofil bei Phytotherapeutika ist sehr gering, insbesondere bezüglich der Aufrechterhaltung der Sexualität (11).

Bei BPS-Beschwerden können chemisch-synthetische Präparate verordnet werden. Zur Abmilderung von LUTS werden α-Adrenozeptor-Antagonisten, sogenannte α-Blocker, eingesetzt. Alfuzosin, Tamsulosin, Silodosin und andere α-Blocker haben einen raschen Wirkungseintritt und erreichen einen maximalen Effekt bereits nach etwa 4 Wochen (12). Allerdings weisen sie bei längerer Einnahme keine Reduktion des Progressionsrisikos auf (11). Zur Langzeitbehandlung (> 6 Monate) eignen sich 5α-Reduktasehemmer wie Finasterid oder Dutasterid. Diese sind bei Männern mit einem Prostatavolumen > 40 cm³ geeignet, da sie das Prostatavolumen zusätzlich zur Linderung der BPS-Symp­tomatik um etwa 25–30 % reduzieren können. Jedoch können sie sich negativ auf die Sexualfunktion auswirken (12). In seltenen Fällen können die Symptome auch nach Absetzen von Finasterid persistieren, was als Post-Finasterid-Syndrom (PFS) bezeichnet wird. Die Datenlage ist jedoch kontrovers, und es ist noch nicht geklärt, ob es sich dabei um einen Nocebo-Effekt oder eine unerwünschte Arzneimittelwirkung handelt (29, 30).

Bei vorherrschender Blasenspeichersymptomatik können Muskarinrezeptor-Antagonisten (z. B. Fesoterodin, Solifenacin, Tolterodin oder Trospiumchlorid), auch als Antimuskarinika bekannt, zum Einsatz kommen. Diese Wirkstoffe können eine Reduktion der Miktionsfrequenz und des imperativen Harndrangs bewirken, vermögen aber weder die Harnstrahlstärke noch die Restharnmenge zu verbessern. Vor ihrer Anwendung sind anticholinerge Nebenwirkungen (z. B. Mundtrockenheit) und Kontraindikationen wie Glaukom zu beachten (12).

Des Weiteren ist der Phosphodiesterasehemmer Tadalafil für die Behandlung des BPS zugelassen (12). Er weist, allerdings über einen anderen Wirkmechanismus, eine ähnlich positive Wirkung wie α-Blocker auf, zeigt aber gegenüber diesen einen Vorteil bei der Besserung einer koinzidenten erektilen Dysfunktion und führt nicht zu einer retrograden Ejakulation (11).

Der β-3-Adrenozeptoragonist Mirabegron ist bei Symptomen der überaktiven Blase gut untersucht, weist jedoch nicht die anticholinergen Nebenwirkungen der Antimuskarinika auf. Zeigen die BPS-Patienten unter einer Monotherapie keinen zufriedenstellenden Behandlungserfolg, kann auf eine Kombinationstherapie gewechselt werden (Tab. 1) (12).

Eine invasive Therapie sollte erwogen werden, wenn die medikamentöse Therapie nicht zu einer ausreichenden Symptomlinderung führt oder wenn eine absolute Indikation für eine Operation besteht (11, 21).

Relative Indikationen zur operativen Therapie:
– Keine adäquate Verbesserung der Symptome unter medikamentöser Therapie
– Progredienz der Symptome unter medikamentöser Therapie
– Persistierend erhöhtes Restharnvolumen (chronische Retention)
Absolute Operationsindikationen:
– Rezidivierender Harnverhalt infolge eines BPS
– Rezidivierende Harnwegsinfektion und/oder Prostata-/Nebenhodeninfektion infolge eines BPS
– Rezidivierende Makrohämaturie (aus Prostatagefässen) infolge eines BPS
– Blasensteine infolge eines BPS
– Blasenpseudodivertikel infolge eines BPS
– Dilatation des oberen Harntrakts ohne/mit Einschränkung der Nierenfunktion

Bei BPS gibt es eine Vielzahl instrumenteller und operativer Verfahren (Tab. 2, Abb. 3). Dabei ist die Wahl des Verfahrens abhängig von folgenden Faktoren: der Prostatagrösse, der Einnahme oraler Antikoagulanzien, dem Vorliegen von Komorbiditäten sowie dem Allgemeinzustand, der Narkosefähigkeit und den individuellen Wünschen des Patienten (z. B. Erhalt der Ejakulationsfähigkeit) (11). Das Referenzverfahren in der interventionellen BPS-Therapie ist derzeit die transurethrale monopolare Resektion der Prostata (mTURP) aufgrund der nachgewiesenen Langzeiteffektivität und der hohen Anwendungszahl (11, 12). Auch die bipolare TURP zeigt vergleichbare Ergebnisse, mit noch geringerer perioperativer Morbidität. Der einzige Unterschied dieser Verfahren ist der hierfür verwendete elektrische Strom, die Operationstechnik ist letztlich dieselbe. Neben der TURP gibt es auch neuere Operationstechniken wie die Vaporisation mittels Laser, wie etwa die Greenlight Laser Vaporisation. Diese zeigt ähnliche Sicherheits- und Wirksamkeitsdaten wie die TURP (11). Enu­kleationstechniken wie offene Adenomenukleation (nach Millin/Freyer), die transurethrale Enukleation mittels bipolarem Instrumentarium oder Laser (HoLEP, ThuLEP) sowie die roboterassistierte Da-Vinci Enukleation können durch die vollständige Entfernung des obstruktiven Gewebes zur Linderung der BPS-Symptome führen (31, 32).

Weniger invasiv ist die Prostata-Arterien-Embolisation (PAE), bei welcher der Blutfluss zur Prostata verringert wird, um das Gewebe zur Schrumpfung zu zwingen. Zudem stehen Patienten auch ejakulationsschonende Optionen zur Verfügung, wie z. B. die konvektive Wasserdampfablation (WAVE, RezumTM) oder die Wasserstrahlablation (Aquabeam®) (11). Ebenso eignet sich das permanente Lifting der prostatischen Urethra (Urolift®) oder ein temporär implantiertes Körbchen aus Nitinol (iTIND) für Patienten, welche einen Ejakulationserhalt wünschen (schematische Übersicht der Techniken, siehe Abb. 3).

Tab. 2 gibt eine Übersicht über die Vorteile, die typischen Indikationsgruppen und Risiken, die mit den verschiedenen Techniken einhergehen. Die meisten Zentren haben sich auf einzelne Verfahren spezialisiert (12).

Malte Rieken 1, Alexander Müller 2, Thomas Rosemann 3, Helge Seifert 4, Christoph Schregel 5, Stephen Wyler 6, Daniel Engeler 7, Hubert John 5

1 alta uro AG, Medizinisches Zentrum für Urologie, Basel
2 Uroviva Spital Limmattal, Schlieren
3 Institut für Hausarztmedizin, Universitätsspital Zürich, Zürich
4 Klinik für Urologie, Universitätsspital Basel, Basel
5 Klinik für Urologie, Kantonsspital Winterthur, Winterthur
6 Urologische Klinik, Kantonsspital Aarau, Aarau
7 Klinik für Urologie, Kantonsspital St. Gallen, St. Gallen

Abkürzungen
5-ARI 5-Reduktase-Inhibitoren
BOO Blasenauslassobstruktion (bladder outlet obstruction)
BPE Benigne Prostatavergrösserung (benign prostatic enlargement)
BPS Benignes Prostatasyndrom
BPH Benigne Prostatahyperplasie
DRU Digito-rektale Untersuchung
DWT Detrusordicke (detrusor wall thickness)
IPP Intravesikale prostatische Protrusion
IPSS Internationaler Prostata-Symptom-Score
LUTS Symptome des unteren Harntrakts (lower urinary tract symptoms)
PAE Prostata-Arterien-Embolisation
PDE5-I Phosphodiesterase-5-Inhibitoren
PSA Prostataspezifisches Antigen
TURP Transurethrale Resektion der Prostata

Historie
Manuskript eingegangen: 03.12.2024
Angenommen nach Revision: 16.04.2025

PD Dr. med. Malte Rieken

alta uro AG, medizinisches Zentrum für Urologie
Centralbahnplatz 6
4051 Basel

rieken@alta-uro.com

Das Manuskript entstand auf Basis eines von Schwabe Pharma Schweiz finanzierten Advisory Boards.
Malte Rieken: Vortragshonorare von Astellas Pharma, Boston Scientific und Schwabe Pharma. Alle weiteren Autoren deklarieren keine Interessenkonflikte.

• Für die Behandlung des BPS steht heute eine grosse Auswahl an medikamentösen und operativen Optionen mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen zur Verfügung.
• In der Hausarztpraxis besteht der Fokus vornehmlich auf der Diagnose und der medikamentösen Therapie.
• Bei der Therapiewahl stehen vor allem die Symptome, die Verbesserung der Lebensqualität und der Patientenwunsch im Vordergrund.
• Von grosser Bedeutung beim Management des BPS sind die individuelle Fallbeurteilung, die gemeinsame Entscheidungsfindung mit dem Patienten und eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen der Hausärztin/dem Hausarzt und den Spezialisten.

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Reizhusten, Müdigkeit, Gewichtsverlust bei kardial voroperiertem Patienten

Anamnese und Befunde

Ein 62-jähriger Patient stellt sich mit seit 2 Jahren bestehendem trockenen Reizhusten, Gewichtsverlust von 10 kg und vermehrter Müdigkeit, ohne wesentliche Einschränkung in seinen Aktivitäten, beim Hausarzt vor. Weitere B-Symp­tome werden verneint. Der Patient ist therapeutisch antikoaguliert und in regelmässiger kardiologischer Kontrolle, da 13 Jahre zuvor aufgrund eines Sinus-Valsalvae-Aneurysmas mit schwerer Aortenklappeninsuffizienz ein Aortenwurzelersatz mit mechanischer Doppelflügelprothese erfolgte. Der Patient hat eine feste Lebenspartnerin und geht einer Bürotätigkeit nach. Als Freizeitbeschäftigung (Mountainbiking) hält er sich häufig im Wald auf und ist als Hobbyimker tätig. Als Haustier hält er eine Katze. Ein Zeckenstich ist nicht erinnerlich. Der Patient wurde bei oben beschriebenen Symptomen und den in Tab. 1 gezeigten Blutbild-/Laborveränderungen mit leichter Thrombopenie, stark erhöhter Blutsenkungsreaktion bei fast normalem CRP, leichter Hepatopathie und Paraproteinämie in die hämatologische Sprechstunde zugewiesen. Er präsentierte sich in gutem Allgemeinzustand mit normalen Vitalparametern. Klinisch fanden sich an den distalen unteren Extremitäten Effloreszenzen, passend zu einer Purpura pigmentosa progressiva (Abb. 1), anamnestisch seit 2 Jahren bestehend, welche vorgehend durch einen Dermatologen klinisch und bioptisch abgeklärt wurde. Ansonsten keine weiteren pathologischen wegweisenden Befunde.

Differenzialdiagnostische Überlegungen und Weg zur Diagnose

Symptome wie Müdigkeit, Gewichtsverlust, Leistungseinschränkung sind unspezifisch. Neoplasien, chronische Infektionen, rheumatologische Erkrankungen und Depressionen u. a. können alle mit solchen Symptomen einhergehen. Bei chronischer Symptomatik und fehlendem Fieber wäre eine akute Infektion hier sehr unwahrscheinlich. Eine Hepatitis-B-, -C- oder HIV-Infektion konnte serologisch ausgeschlossen werden. Die Blutkulturen zeigten kein Erregerwachstum. Die Paraproteinämie stellte sich als oligoklonal heraus, was auf einen chronischen Infekt hinweisend sein kann. Die ANA und ANCA waren negativ, die Komplementfaktoren C3 und C4 waren normal. Bei negativen ANA in der Immunfluoreszenz wurde der Nachweis von dsDNA-Antikörper von 23 IU/ml (cut-off 15 IU/ml) als unspezifisch gewertet.

In der CT-Hals/-Thorax/-Abdomen zur Infektfokussuche wurden einschmelzende, pathologisch vergrösserte Lymphknoten mediastinal rechts von max. 3 cm und eine Splenomegalie (Poldistanz 15 cm) festgestellt. Der grösste mediastinale Lymphknoten lag direkt neben dem Aorten­graft. Pulmonale Infiltrate, Raumforderungen oder Zeichen einer interstitiellen Pneumopathie zeigten sich nicht. In der bronchoskopischen Lymphknotenpunktion fanden sich zytologisch einzelne mehrkernige histiozytäre Riesenzellen. Eigentliche Granulome oder maligne Zellen wurden nicht festgestellt. Mikrobiologisch konnte im Lymphknotenpunktat wenig normale Mundflora nachgewiesen werden, einer Kontamination entsprechend. Mikroskopie, PCR und Kultur für Mycobakterien blieben negativ. Eine hiläre oder mediastinale Lymphknotenpunktion – oder falls diese nicht konklusiv, eine Lymphknotenexzi­­sion – dient der zytologischen/histologischen und mikrobiologischen Abklärung bei unklarer mediastinaler Lymph­adenopathie, primär zur Abklärung hinsichtlich Neoplasie inklusive Lymphom, Tuberkulose oder Sarkoidose.

Eine PET-CT zeigte eine mediastinal konfluierende Läsion um den Graft der Aorta ascendens mit moderater Stoffwechselsteigerung sowie flau aktive, nicht vergrösserte Lymphknoten paratracheal rechts. Eine PET-CT ist für die Suche nach metabolisch aktiven Veränderungen zur Abklärung von möglichen Neoplasien und/oder Infektionen (inklusive Prothesen-Endokarditis bei negativer Echokardiographie) geeignet.
Es folgte eine thorakoskopische Exzision des grössten Lymphknotens, der intraoperativ zur Aorta deutlich adhärent war. Die Histologie zeigte eine ausgedehnte plasmazellreiche und fokal chronisch-granulierende und xanthomatöse Entzündung mit vielen mehrkernigen Riesenzellen im Bereich der Lymphknotenadhärenz an die Aorta (Abb. 2). Hinweise auf Malignität oder eine IgG4-assoziierte Erkrankung fanden sich nicht. Aufgrund der vorliegenden Befunde wurde die Verdachtsdiagnose einer chronischen Aortengraftinfektion gestellt.

Gefässprotheseninfektionen werden überwiegend durch konventionell kultivierbare Erreger verursacht, zu ca. 80 % durch Staphylococcus aureus oder Koagulase-negative Staphylokokken. Enterokokken, Streptokokken, gramnegative Stäbchen (v. a. E. coli, Pseudomonas aeruginosa und Klebsiella spp.) und Pilze (v. a. Candida) sind deutlich seltener (1, 2, 3). Differenzialdiagnostisch muss bei «Kultur- negativen» Graftinfektionen an Infektionen durch Coxiella burnetii, Tropheryma whipplei, Bartonella henselae und (nicht tuberkulöse) Mycobacterien gedacht werden (4). Die häufigste Ursache für einen fehlenden kulturellen Erregernachweis ist eine vorgängige antibiotische Therapie. Eine empirische Antibiotikatherapie ist bei einem Patienten mit chronischen, unspezifischen Symptomen und ordentlichem Allgemeinzustand nicht gerechtfertigt und kann die weitere Erregersuche erheblich erschweren. Eine empirische Therapie sollte nur bei akuter und vital bedrohlicher Verschlechterung des Patientenzustandes in Betracht gezogen werden.

Eine genaue Expositionsanamnese kann helfen, die Wahrscheinlichkeit seltener Ursachen einer Graftinfektion einzugrenzen. Unser Patient besitzt eine Katze, sodass eine Infektion mit Bartonella henselae denkbar wäre. Auf gezieltes Nachfragen gibt er ausserdem an, dass er mehrmals pro Jahr in Südfrankreich in einem Ferienhaus verweile und gelegentlich lokale Rohmilchprodukte von einem Hofladen mit Schafen konsumiere. Damit besteht eine erhöhte Expositionswahrscheinlichkeit gegenüber Coxiella burnetii. Eine bakterielle Breitspektrum-PCR aus einem normalerweise sterilen Material kann bei hoher Erregerquantität zur Diagnose führen. Eine Breitspektrum-PCR ist aber deutlich weniger sensitiv als eine Erreger-spezifische PCR. Bei unserem Patienten war die bakterielle Breitspektrum-PCR sowie eine spezifische PCR für Bartonellen aus Lymphknotengewebe negativ. Serologien für Bartonella und Coxiella sind bei chronischen Infektionen aussagekräftig. Die Serologie auf Coxiella burnetii fiel stark positiv aus (Phase I IgG 1 : 262 144 [< 1 : 16 Titer] und Phase II IgG 1 : 262 144 [< 1 : 16 Titer]) und ist vereinbar mit einem chronischen Q-Fieber. Die Erreger-spezifische PCR für Coxiella burnetii aus dem thorakoskopisch entnommenen Lymphknotengewebe fiel positiv aus und beweist die aktive Graftinfektion durch diesen Erreger. Ein Quantiferon- oder Tspot-TB-Test ist hier wenig hilfreich, da diese weder einen Ausschluss einer aktiven Infektion mit Mycobacterium tuberculosis erlauben (nur als Test auf latente TBC geeignet) noch Infektionen mit nicht tuberkulösen Mycobakterien detektieren. Im Verlaufs-PET-CT nach 3 Monaten, noch vor Start der antibiotischen Therapie – in erster Linie mit Frage nach Progression der Infektion, Graftintegrität sowie Herzklappenbeteiligung –, war die metabolisch aktive mediastinale Weichteilmasse grössenprogredient (Abb. 3), und in der TEE erschien die Aortenwurzel verdickt und inhomogen aufgetrieben im Sinne einer beginnenden Abszedierung. Die Integrität des Grafts war erhalten und die Funktion der mechanischen Aortenklappenprothese einwandfrei. Zeichen einer Klappen-Endokarditis gab es keine.

Gemäss CDC-Kriterien (5) liess sich beim Patienten ein chronisches Q-Fieber diagnostizieren, bei bildgebend bestätigter Infektion des Aortengrafts, Nachweis von Coxiella burnetii mittels PCR aus dem histologischen Material aus dem periaortalen Infektionsherd sowie serologisch Nachweis eines Phase-I-IgG-Titers von ≥ 1 : 800 im IFA («Indirekter Immunfluoreszenz-Antikörper-Assay»).

Definitive Diagnose

Chronische Infektion des Aortengrafts durch Coxiella burnetii.

Therapie und Verlauf

Die antibiotische Therapie der 1. Wahl des chronischen Q-Fiebers bei Erwachsenen ist eine Kombinationstherapie von Doxycyclin mit Hydroxychloroquin. Doxycyclin plus Chinolone wäre die Therapie der 2. Wahl (6). Eine operative Sanierung bei einwandfreier Aortenklappenfunktion und erhaltener Graftintegrität war bei unserem Patienten nicht indiziert. Eine symptomatische Therapie wäre nur bei akutem oligosymptomatischem Q-Fieber ohne Komplikationen beim ansonsten gesunden Patienten zu erwägen. Die mediastinale Lymphadenopathie zeigte sich 7 Wochen nach Therapiestart mit Doxycyclin plus Hydroxychloroquin grössenregredient (Abb. 4). Weiterhin normalisierten sich CRP, Blutsenkung und das periphere Blutbild.

Diskussion

Coxiella burnetii sind gramnegative kokkoide Stäbchen und Auslöser des Q-Fiebers, einer weltweit verbreiteten Zoonose. Als Wirte fungieren Rinder, Schafe, Ziegen, Hunde, Katzen, einige Wildtiere sowie Zecken. Beim Menschen wird eine Infektion mehrheitlich durch das Einatmen von erregerhaltigem Staub oder direkten Kontakt mit infizierten Tieren verursacht. Seltener durch Kontakt oder Konsum von kontaminierten Lebensmitteln wie Rohmilchprodukte oder durch den Stich infizierter Zecken (7). Beim Menschen genügen für die aerogene Infektion 1 bis 10 lebensfähige Organismen, die als Sporenbildner auch in schwierigen Umweltbedingungen (Kälte, Wärme, Trockenheit) teilweise jahrelang überleben. Die Erkrankung verläuft bei bis zu 50 % der infizierten Patienten asymptomatisch oder mit milden Symptomen. Akute Manifestationsarten sind atypische Pneumonien, Hepatitiden, Meningoenzephalitiden oder Endo-/Myokarditiden. Chronisches Q-Fieber kann in 1–5 % der Patienten symptomatischen oder asymptomatischen akuten Infektionen folgen und kann sich noch Jahre nach einer Ansteckung manifestieren (8). Patienten mit Herzklappenerkrankungen, Gefässprothesen oder arteriellen Aneurysmata sowie Immunsupprimierte und Schwangere haben ein erhöhtes Risiko für chronisches Q-Fieber. Infektionen von Gefässprothesen und Aneurysmata gelten mit 9 % als zweithäufigste Form des chronischen Q-Fiebers nach der Endokarditis mit 78 % (9).

Patienten mit Q-Fieber-Graftinfektionen zeigen häufig Symptome wie Fieber, Gewichtsverlust, Bauchschmerzen und Müdigkeit (9).
Bei Coxiella-Graftinfektionen wird eine antibiotische Therapie über 1.5–2 Jahre empfohlen (5). Coxiellen sind in­trazelluläre Bakterien, womit die Immunantwort primär T-Zell-mediiert ist und Antikörper somit schlechte Marker sind. Daher kann zum Therapiemonitoring und dem Festlegen der definitiven Therapiedauer, ausser dem klinischen und radiologischen Ansprechen, die Negativierung der PCR im Serum herangezogen werden (10). Retrospektiv konnte Letzteres bei unserem Fall aus noch asservierten Serumproben gezeigt werden: Während die PCR auf
C. burnetii aus einer Serumprobe 4 Monate nach Therapiebeginn positiv ausfiel, zeigt sich die PCR in einer Serumprobe 11 Monate nach Therapiebeginn negativ.

Eine rechtzeitige Entfernung einer infizierten Gefässprothese vor deren weitgehenden Destruktion kann das Patientenüberleben verbessern (5, 9, 11). Die Mortalität korrekt behandelter vaskulärer Q-Fieber-Infektionen liegt bei 25–33 % (9).

Ob die beim Patienten vorliegenden Hautveränderungen an beiden Unterschenkeln im Zusammenhang stehen mit dem Q-Fieber, ist nicht auszuschliessen, zumal kutane Veränderungen zumindest bei akuten Coxiellen-Infektionen beschrieben sind (12). Unter Therapie ist es bis anhin zu keiner Regredienz der purpurischen Hautveränderungen gekommen.

Kyriakos Marinakis 1, Annegret Meyer-Hari 2, Corina Dommann-Scherrer 3, Urs Karrer 4, Adrian Schmid 4

1 Klinik für Innere Medizin, Zentrum für Allgemeine Innere Medizin, Kantonsspital Winterthur
2 Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie, Kantonsspital Winterthur
3 Institut für Pathologie, Kantonsspital Winterthur
4 Fachbereich Infektiologie und Spitalhygiene, Zentrum für Allgemeine Innere Medizin, Kantonsspital Winterthur

Author Contributions Statement
Wir bestätigen, dass alle Autoren an der Konzeption und dem Design des Manuskripts oder der Analyse und Interpretation der Befunde des Patienten beteiligt waren und mit der Veröffentlichung einverstanden sind.

Historie
Manuskript eingegangen: 05.04.2024
Angenommen nach Revision: 24.03.2025

Verdankung
Die Autoren danken den Kolleginnen und Kollegen der Radiologie und Nuklearmedizin des Kantonsspitals Winterthur für die computertomographischen Aufnahmen und deren Befundung.

Dipl. med. Kyriakos Marinakis

Kantonsspital Winterthur
Zentrum für Intensivmedizin
Brauerstrasse 15, Postfach
8401 Winterthur

medpol@ksw.ch

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

• Q-Fieber ist eine Zoonose, verursacht durch Coxiella burnetii, und kann eine chronische Infektion mit sehr ­unspezifischem klinischen Bild auslösen.
• Patienten mit Herzklappenerkrankungen, Gefäss­prothesen oder arteriellen Aneurysmata sowie ­Immunsupprimierte und Schwangere haben ein erhöhtes Risiko für chronisches Q-Fieber.
• Die antibiotische Therapie der Wahl des chronischen
Q-Fiebers bei Erwachsenen ist Doxycyclin und ­Hydroxychloroquin.
• Bei Patienten mit Herzklappenerkrankungen,
Gefässprothesen oder arteriellen Aneurysmata muss
eine operative Sanierung evaluiert werden.

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Coup de chaleur

Introduction et définitions

Le coup de chaleur est l’atteinte la plus grave d’un spectre de pathologies allant de l’hyperthermie asymptomatique en passant par l’épuisement dû à la chaleur jusqu’à la défaillance multi-organique. Cet article de revue vise à résumer les connaissances actuelles sur cette pathologie grave, sous-diagnostiquée et de plus en plus fréquente au vu du vieillissement de la population, de l’engouement pour les courses populaires et des évolutions climatiques (1). L’hyperthermie fait référence à une élévation de la température corporelle centrale au-dessus de la norme diurne (comprise habituellement entre 36.0 °C et 37.5 °C), suite à une défaillance des mécanismes de dissipation de la chaleur (due à des médicaments ou des maladies) et/ou un dépassement de ceux-ci par des influences externes (environnementales, induites) ou internes (métaboliques) (2). Elle doit être distinguée de la fièvre, liée à l’action des cytokines sur l’hypothalamus. La température centrale correspond à la température mesurée au plus proche des organes nobles (cœur et cerveau), la méthode la plus fiable pour la mesurer étant la température œsophagienne.

L’épuisement dû à la chaleur est la forme la plus commune et la moins sévère du spectre. Il représente le stade initial de la pathologie, caractérisé par une perte hydrique exagérée (2).

Les patients présentent une température centrale élevée, mais qui reste inférieure à 40 °C, ainsi que l’absence d’atteinte focale du système nerveux central (SNC). Le coup de chaleur se définit par une température supérieure à 40 °C, associée par définition à une dysfonction du SNC (trouble de l’état de conscience, coma, convulsions, troubles neurologiques focaux) (2, 3). D’autres atteintes d’organe ou de système telles qu’une rhabdomyolyse, une insuffisance rénale aiguë, une cytolyse hépatique, des troubles de la coagulation, une hypoglycémie ou une détresse respiratoire peuvent s’ajouter au tableau et en aggraver le pronostic.

Le coup de chaleur peut être subdivisé en forme classique (CCC) ou d’exercice (CCE). Les deux sous-types sont dus à une incapacité du corps humain à dissiper la chaleur excessive. Le CCC est principalement expliqué par des mécanismes défaillants de cette dissipation. Le CCE, associé à l’exercice physique, est lui plutôt lié à un dépassement des mécanismes de dissipation de la chaleur, par ailleurs pleinement fonctionnels. Le CCC est une pathologie qui n’est pas liée à l’effort et touche plus volontiers des personnes âgées peu valides, présentant des comorbidités (psychiatriques, cardiaques ou pulmonaires) et exposées à un environnement chaud (périodes de canicule) (3). Le CCE survient pendant ou à l’issue d’un effort, généralement chez un sportif, un militaire ou un pompier, dans des conditions de moyenne à haute température extérieure associée à un taux élevé d’humidité (4).

Épidémiologie

L’incidence du coup de chaleur est variable et dépend de facteurs environnementaux, médicaux et démographiques. Le CCC est principalement lié à l’évolution du climat et à l’élévation progressive des températures. L’urbanisation et les îlots de chaleur en découlant est également reconnue comme un facteur de risque majeur pour cette problématique (5). En Suisse, en 2022, il a été démontré que sur les 3 mois d’été de cette année caniculaire, 623 décès supplémentaires ont été attribuables à la chaleur, notamment chez les personnes âgées (> 75 ans) et les personnes de sexe féminin (6). Aux États-Unis, lors de canicules, on estime le taux d’incidence du coup de chaleur classique à 17.6 et 26.5 nouveaux cas pour 100 000 habitants et le nombre de décès à plus de 250 cas par année (7). Bien que le CCC ne soit pas nécessairement la cause directe de décès des personnes souffrant de cette pathologie, il en aggrave clairement les conditions et a un impact sur leur pronostic.

Le CCE est quant à lui classé comme la troisième cause de décès des athlètes durant une activité physique, bien que sa prévalence soit sous-estimée (8). Son diagnostic est complexe, dépendant des structures de soins mises en place dans les événements sportifs (de refroidissement notamment) et facilement confondu avec d’autres causes de malaise du sportif, telles que l’hypoglycémie, l’hyponatrémie ou l’hypotension réflexe (9). Une revue systématique effectuée dans le contexte militaire retrouve un taux d’incidence de 0.2 à 10.5 par 1000 personnes-années et une prévalence de 0.3 à 9.3 % (10). La mortalité du CCE reste cependant basse, cette pathologie touchant principalement des jeunes personnes en bonne santé (11). La multiplication des courses d’endurance extrême (ultra-marathon, Ironman) et l’engouement actuel de la population occidentale pour ces épreuves d’endurance populaires (marathon, triathlon, etc.) et pour les compétitions cyclistes, favorisent la survenue de CCE dans le contexte civil.

Rappels physiopathologiques

Le mécanisme physiopathologique principal du coup chaleur est un déséquilibre entre la production et la perte de chaleur par le corps humain. Compensée jusqu’à un certain point, la thermorégulation bascule dans une phase non-compensée lorsque la production de chaleur dépasse les mécanismes de perte de chaleur, entraînant un effet cytotoxique direct et une réponse inflammatoire systémique, pouvant aller jusqu’à la défaillance multi-organique (12). Une température corporelle optimale est essentielle aux fonctions cellulaires et moléculaires, nécessitant une régulation dans un intervalle très mince (entre 36.7 °C et 37.5 °C en rectal), principalement par l’hypothalamus (13). Afin de prévenir une augmentation excessive de la température, le corps humain élimine la chaleur via le système cardio-vasculaire vers la peau et de la peau vers l’extérieur du corps par trois mécanismes principaux (9):

– Radiation: perte et gain de chaleur du corps humain par rayonnement infrarouge
– Évaporation: perte de chaleur par la sueur, qui est dépendante du gradient de pression en vapeur d’eau entre la peau et l’environnement (diminuée dans un environnement humide)
– Convection: transfert d’énergie thermique avec un fluide, gazeux (air) ou liquide

Le transport de la chaleur via le système cardio-vasculaire vers la peau entraîne une vasodilatation massive du réseau sanguin à ce niveau, intéressant jusqu’à 2/3 du débit cardiaque, favorisant ainsi les échanges thermiques par radiation et convection (14). Cette redistribution du volume sanguin doit être compensée par une augmentation majeure du débit cardiaque, associée à une baisse du débit splanchnique et rénal afin de maintenir la pression artérielle. Simultanément, le volume sanguin total diminue en raison de la déshydratation liée à la transpiration, diminuant la précharge. Ainsi, l’augmentation du débit cardiaque se fait par une élévation de la fréquence cardiaque et de la contraction myocardique, entraînant une consommation élevée d’oxygène par le muscle cardiaque.

La capacité d’une personne à se thermoréguler est donc intimement liée à la capacité de son système cardiovasculaire à s’adapter à la demande d’augmentation des débits central et périphérique pour supporter les besoins métaboliques et d’élimination de la chaleur (15). Pendant l’effort, la chaleur est produite principalement par les contractions musculaires, de 15 à 18 fois plus que le métabolisme basal (16). Théoriquement, si aucun mécanisme de thermorégulation n’était activé, la température augmenterait de 37 °C à 42 °C en 25 minutes seulement.

La diminution des débits splanchniques et rénaux favorise l’augmentation de la perméabilité intestinale, la circulation d’endotoxines (notamment le lipopolysaccharide) et le développement d’un syndrome de réponse inflammatoire systémique (SIRS) (15). Le foie jouerait ici un rôle protecteur, en bloquant les endotoxines avant leur relargage dans la circulation systémique. Une dysfonction hépatique préexistante pourrait donc favoriser le développement d’un coup de chaleur (17).

Enfin, le coup de chaleur est accompagné par une réponse inflammatoire majeure, provoquant le SIRS et les atteintes organiques consécutives à ce dernier. L’interleukine-6 (IL-6) joue un rôle central dans cette réponse, secondairement à l’endotoxinémie digestive et l’hyperthermie, qui active en elle-même cette molécule de l’inflammation. Des niveaux circulants élevés d’IL-6 dans le sang pendant la phase de récupération d’un coup de chaleur ont été corrélés à un mauvais pronostic, démontrant son rôle charnière dans l’atteinte systémique de cette pathologie (18). Le SIRS peut causer une détérioration rapide de l’état clinique, provoquant une coagulation intravasculaire disséminée (CIVD), une défaillance multi-organique et conduire au décès. Une étude a montré que 84 % des patients hospitalisés pour un CCE remplissaient les critères du SIRS (19). La Fig. 1 résume la physiopathologie globale du coup de chaleur.

Chez les enfants, le risque de CCC est augmenté en raison de leur surface corporelle augmentée par rapport à leur masse (entraînant une absorption plus grande la chaleur), de mécanismes de régulation immatures, d’un volume sanguin moindre (limitant la perte de chaleur par conductance) et de capacité réduite de transpiration (20).

Facteurs favorisants

Il est intéressant de constater que les facteurs de risque du CCC sont principalement externes. Le Tab. 1 résume ces principaux facteurs de risque.

Manifestations cliniques

Le diagnostic du coup de chaleur est essentiellement clinique, basé sur la triade hyperthermie, symptômes neurologiques aigus, et exposition à la chaleur environnementale (CCC) ou à un exercice physique (CCE) (3).

Le CCE survient le plus souvent dans le dernier tiers des compétitions ou peu avant l’arrivée. Les patients présentent classiquement un épisode initial d’agitation, de confusion et de désorientation, qui peut être associé à des convulsions généralisées, des signes neurologiques focaux (en particulier cérébelleux, sous forme d’ataxie ou d’instabilité) ou des signes irritatifs méningés. Les téguments sont chauds et rouges. Une hypotension, une syncope, ainsi qu’une tachycardie sont fréquemment relevées (3). De manière pratique, le CCE doit être évoqué devant tout trouble neurologique brutal survenant suite à un effort prolongé (21).

Le CCC quant à lui peut s’installer de façon plus progressive, sur plusieurs heures à jours, typiquement chez les personnes âgées (9). Dans ce sous-type, la peau est plutôt sèche, reflétant l’incapacité des glandes sudoripares à faire face à la surcharge de chaleur, et les manifestations neurologiques sont plus subtiles, de type confusion, céphalées ou asthénie (3).

Des modifications ECG sont possibles, principalement sous la forme d’une tachycardie sinusale, reflétant la réponse adrénergique pour maintenir un débit cardiaque suffisant au vu de l’hypovolémie relative qui s’installe (21). Une prolongation de l’intervalle QT et des blocs de branches ainsi qu’une élévation transitoire du segment ST ont également été décrits (21). L’augmentation des valeurs sanguines des marqueurs cardiaques (troponines, CK) dans ce contexte peut marquer une cardiomyopathie de stress, de type ­Tako-Tsubo (22), et est significativement corrélée avec une mortalité augmentée, notamment pour les CCC.

Le coup de chaleur se divise en 3 stades

1. Atteinte neurologique aiguë et hyperthermie
2. Atteinte hématologique (de type coagulation intravasculaire disséminée, CIVD) et enzymatique (rhabdomyolyse et troubles électrolytiques notamment)
3. Atteinte hépatique (cytolyse hépatique puis défaillance hépato-cellulaire) et rénale (insuffisance rénale aiguë)
La dysfonction multi-organique, qui apparaît 24 à 48 heures après l’événement initial est d’autant moins probable que la prise en charge, et notamment le refroidissement actif, est précoce (3). Pour les cas modérés à sévères, les séquelles neurologiques de type dysarthrie, troubles cognitifs ou ataxie cérébelleuse sont fréquentes (20 % des cas) et associées à un mauvais pronostic (23). Les autres facteurs de mauvais pronostic sont listés dans le Tab. 2.

Prise en charge au cabinet

Généralités

La prise en charge du coup de chaleur en cabinet requiert en premier lieu la reconnaissance des symptômes typiques de cette pathologie, une mesure immédiate de la température centrale et la mise en place précoce de mesures de refroidissement actif (24). Idéalement, la mesure de la température doit être centrale (rectale ou œsophagienne, éventuellement tympanique). Le traitement initial s’appuie sur la stratégie ABCDE, visant à contrôler et à limiter la survenue d’une menace vitale. L’altération aiguë au niveau neurologique est la principale caractéristique clinique à rechercher, permettant de faire la différence entre le coup de chaleur et l’épuisement dû à la chaleur. Les patients bénéficieront si possible d’une oxygénothérapie et d’une réhydratation intraveineuse précoce. Néanmoins, la pose d’une voie veineuse ne doit pas retarder la mise en place des mesures de refroidissement, déjà au cabinet. La mesure répétée de la température ainsi que le contrôle de la glycémie sont également recommandés.

Techniques de refroidissement corporel

Lors d’un coup de chaleur, la température corporelle centrale est un facteur déterminant du pronostic vital. Il est nécessaire d’interrompre au plus vite son ascension en amorçant une thermolyse par des moyens de réfrigération. Une température centrale inférieure à 39 °C doit être atteinte dans les plus brefs délais (< 30 minutes), sans se soucier de la vitesse de correction (3). La durée totale de l’hyperthermie apparaît comme plus néfaste que la valeur maximale de température atteinte durant cette phase (25). La méthode la plus efficace de refroidissement semble être l’immersion dans un mélange de glace et d’eau ou d’eau froide, favorisant le refroidissement par conduction (26), mais elle est difficile à mettre en pratique au cabinet. L’aspersion d’eau à 15 °C en fines gouttelettes couplée à un flux d’air, favorisant la convection et l’évaporation, est quant à elle une méthode de refroidissement plus passive, mais également efficace (3). L’application simple de pains de glace à proximité des axes vasculaires artériels est également possible, mais s’avère moins efficace que l’immersion (21, 26). Alternativement, un refroidissement par friction externe avec de la glace a été proposé (9).

Prise en charge hospitalière

Généralités

La prise en charge hospitalière vise à maintenir et à rétablir les fonctions hémodynamiques, hépatiques et rénales, ainsi qu’à suivre le bilan biologique (voir Tab. 3). Le transfert précoce de ces patients dans des centres disposant du plateau technique adapté est donc primordial (24).


Atteintes pulmonaires et cardiovasculaires

L’insuffisance respiratoire est fréquente parmi les patients les plus sévèrement atteints, lors de défaillance multi-organique et de l’activation septic-like des facteurs inflammatoires. Comme mentionné plus haut, une élévation des enzymes cardiaques est fréquemment relevée. Elle semble liée à la composante de stress cardiaque de l’effort, ainsi qu’aux troubles électrolytiques et métaboliques secondaires à la CIVD et à l’insuffisance rénale aiguë.

Atteinte rénale

Une insuffisance rénale aiguë transitoire est fréquente et retrouvée selon les séries dans 25 à 50 % des cas. D’origine mixte, elle est due à la déshydratation, à la nécrose tubulaire aiguë, à l’atteinte thermique directe et à la rhabdomyolyse.

Atteinte hépatique

Une cytolyse hépatique aiguë complique le tableau clinique dans au moins 10 % des cas, avec un risque d’hépatite fulminante et d’insuffisance hépatique sévère. Une élévation importante des enzymes hépatiques est prédictive d’un risque accru de complications et de décès. L’atteinte hépatique semble liée à la fois à la défaillance multi- organique, à une ischémie liée à l’effort et à l’atteinte thermique directe.

Prévention

La prévention du CCE implique un entraînement adéquat, un équipement adapté, une hydratation anticipée et régulière ainsi que l’identification précoce des prodromes. Un état grippal peut par exemple favoriser la survenue de cascades inflammatoires et doit faire évoquer la nécessité de surseoir à la compétition. Les autres facteurs prédisposants listés dans le Tab. 1 sont à considérer, afin de mettre en place des actions de prévention adaptées. En ce qui concerne le CCC, des mesures simples d’hydratation, d’habillement (légers, amples et de couleurs claires), de repos et d’évitement des périodes de fortes chaleurs sont à recommander. Les patients âgés doivent être encouragés à s’abriter à l’ombre ou dans des endroits climatisés. Le rôle des proches des personnes âgées et des systèmes d’assistances médico-sociaux à domicile est également à mettre en avant, afin qu’ils soient sensibilisés à la problématique. La prévention des CCC en situation de canicule requiert une prise en charge communautaire et de santé publique.

Christophe Bianchi, Laurent Vallotton, Pierre-Nicolas Carron

Service des Urgences, Centre Hospitalier Universitaire Vaudois, Lausanne

Histoire
Manuscrit reçu: 10.02.2025
Accepté après révision: 19.03.2025

Dr Christophe Bianchi

Service des Urgences,
Centre Hospitalier Universitaire Vaudois (CHUV)
Rue du Bugnon 44, 1011 Lausanne

christophe.bianchi@chuv.ch

Les auteurs n’ont pas déclaré de conflit d’intérêts en rapport avec cet article.

• Le coup de chaleur est une pathologie grave, sous-diagnostiquée et qui va devenir de plus en plus fréquente au vu des changements climatiques actuels.
• Sa physiopathologie est intimement liée à la capacité d’adaptation du système cardiovasculaire aux agressions qu’il entraîne
• L’atteinte neurologique aiguë est l’atteinte caractéristique du coup de chaleur
• Sa prise en charge est principalement dictée par le refroidissement actif et le transfert précoce dans un hôpital de soins aigus adapté

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Unklare Bauchschmerzen als Hinweis auf ein schweres Leiden

Anamnese

Ein 60-jähriger Patient stellte sich im Juli 2021 bei seinem Hausarzt aufgrund rechtsseitiger Unterbauchschmerzen vor. Aus der Anamnese liess sich auf keine Erkrankungen schliessen, welche die Beschwerden erklären konnten. Sozialanamnestisch war auffällig, dass der Patient seit einem Unfall (Spondylodese Lendenwirbelkörper 5/Sakralwirbelkörper 1) bereits mehr als 10 Jahre nicht berufstätig ist, davor war er als Gärtner tätig gewesen. Als möglich relevante Noxe wurde vom Patienten ein fortgesetzter Nikotin­abusus (50 Packyear) berichtet. Die bis dahin vom Hausarzt veranlassten Untersuchungen (kleine Laboranalytik, Abdomensonographie) waren unauffällig, die Ätiologie der Bauchschmerzen blieb zunächst unklar. Da im August 2021 neben den unklaren Bauchschmerzen neu Hämoptysen und ein ungewollter Gewichtsverlust auftraten, erfolgte eine Zuweisung in die ambulante pneumologische Sprechstunde eines Zentrumsspitals (Luzerner Kantonsspital).

Befunde

Bei der Vorstellung im September 2021 in der pneumologischen Sprechstunde waren neben einem leicht blutig tingiertem Sputum die Inspektion, Palpation und Auskultation von Thorax und Abdomen unauffällig. Bei subfe­brilen Temperaturen und einem reduzierten Allgemeinzustand fand sich klinisch kein Infektfokus. Laboranalytisch bestand ein unklarer Entzündungszustand bei Nachweis einer Leukozytose (10.9 g/l), Neutrophilie (7.99 g/l), CRP-Erhöhung (113 mg/l) und Thrombozytose (303 g/l). Weiter auffällig war ein grenzwertiger Hämoglobinwert (Hämoglobin 128 g/l), mit Absinken des Hämoglobinwertes bis 59 g/l im Verlauf (Referenzwerte Luzerner Kantonsspital: Leukozyten 2.6–7.8 g/l, neutrophile Granulozyten 0.9–4.5 g/l, Hämoglobin 127–163 g/l, Thrombozyten 130–330 g/l).

Weitere Abklärungsschritte und ­differenzialdiagnostische Überlegungen

In der erstmals durchgeführten CT (Computertomographie) des Thorax (Abb. 1) wurden multiple bilaterale Lungenrundherde mit hämorrhagischen Komponenten unklarer Dignität mit hilärer Lymphadenopathie dargestellt. Bei Hämoptoe einhergehend mit systematischen Entzündungszeichen bestand bildmorphologisch und differenzialdiagnostisch (DD) zunächst der Vd. a. eine entzündliche Ätiologie, infektiöse Ätiologie, Vaskulitis oder Sarkoidose. Bei unklarem Entzündungszustand und Bauchschmerzen erfolgte weiter eine CT des Abdomens, in welcher ein abdomineller Infektfokus ausgeschlossen wurde, jedoch eine paraaortale Lymphadenopathie (32 x 18 x 40 mm) vor dem dritten Lendenwirbelkörper dargestellt wurde.

Weiter erfolgte eine breite laboranalytische Diagnostik (September bis Oktober 2021), zusammenfassend waren die Anti-MPO-Antikörper, Anti-PR3-Antikörper, die freien Leichtketten, Immunfixation, das Alpha-Fetoprotein, die Porphyrie (Urin), der Quantiferon-Test und die Kulturen der Bronchiallavage (BAL) sowie Blutkulturen auf Bakterien und Spross- und Schimmelpilze negativ, es wurden keine säurefesten Stäbchen, Pneumocystis jirovecii DNA, respiratorische Viren (Multiplex DNA), Coxiella burnetii, Brucella nachgewiesen. Im Tracheal-/Bronchialsekret wurde Staphylococcus aureus nachgewiesen, was als Besiedelung ohne Krankheitswert interpretiert wurde.

In der BAL vom 14.09.2021 wurden viele Makrophagen, keine Granulome oder auf maligne Neoplasie verdächtige Zellen nachgewiesen, der Befund war mit einem leichtgradigen alveolären Hämorrhagiesyndrom DD Vaskulitis vereinbar. Bronchoskopisch war eine Biopsie der beschriebenen Lungenläsionen aufgrund des hohen Blutungsrisikos nicht möglich. Bei initialem Vd. a. Vaskulitis wurde eine Fluordesoxyglucose(FDG)-PET(Positronen-Emissions-Tomographie)-CT durchgeführt. Hier wurden multiple, stark FDG aktive osteolytische/ossäre, pulmonale und kutane Herde dargestellt sowie insbesondere ein aktiver, hoch tumorverdächtiger Prozess dorsal der distalen Aorta abdominalis mit Vd. a. Infiltration der Aortenwand (Abb. 2).

Es erfolgte eine Biopsie (Feinnadelpunktion) einer ossären Läsion der Crista iliaca links am 20.09.2021, wobei der Befund als atypisches epithelioides Hämangiom des Knochens und somit als benigne Neubildung interpretiert wurde – was allerdings nicht zum klinischen Bild mit dem Vd. a. ein ossär metastasiertes Tumorleiden passte. Nach einer ersten Besprechung am Tumorboard (Sarkomboard) am 05.10.2021 und bei empfohlener Rebiopsie wurde eine Thorakoskopie mit Biopsie der Pleura und Lunge geplant. Bevor diese erfolgen konnte, stellte sich der Patient notfallmässig aufgrund massiver rechtsseitiger Thoraxschmerzen und Hämoptoe im Rahmen eines rechtsseitigen Hämatothorax vor (Abb. 3), weshalb neben einer Hämatomausräumung eine Pleurabiopsie und Wedge-Resektion des Mittellappens rechts und eine PleurX-Drainage-Einlage am 13.10.2021 erfolgten.

Der Patient hatte zudem rezidivierende Fieberschübe mit anhaltender CRP-Erhöhung und Leukozytose. Eine empirische antibiotische Therapie mit Piperacillin/Tazobactam wurde bei fehlender Wirkung und negativen Blutkulturen beendet. Ebenfalls zeigte ein Therapieversuch mit Prednison über eine Woche keine Auswirkung auf die Schmerzen oder den Entzündungszustand, welcher am ehesten als Tumorfieber bei Vd. a. Malignom interpretiert wurde.

Im kurzfristigen Verlauf zeigte sich computertomographisch ein deutlicher Progress der metastasenverdächtigen pulmonalen Läsionen und der abdominellen Raumforderung. Neu wurden kleine aktive Blutungsfoci in einer Lungenmetastase im rechten Oberlappen dargestellt. In den Biopsien (Pleura, Lunge) der am 13.10.2021 erfolgten Operation wurde histologisch eine epithelioidzellige vaskuläre Neoplasie nachgewiesen und die Diagnose eines aggressiven epithelioiden Angiosarkoms gestellt. In Zusammenschau der Befunde wurde auch das erste Biopsat als hochproliferative epithelioidzellige vaskuläre Neoplasie mit Pleomorphie und multiplen eosinophilen Granulozyten interpretiert.

Diagnose

Nach erneuter Besprechung am Sarkomboard (Swiss Sarcoma Board; www.swiss-sarcoma.net) vom 29.10.2021 wurde unter Berücksichtigung aller Befunde die Diagnose eines pulmonal, kutan und ossär metastasierten epithelioiden Angiosarkoms (retro-extraperitoneal im tiefen Weichteilgewebe) gestellt und eine palliative systemische Chemotherapie mit Paclitaxel wöchentlich empfohlen. Trotz diverser supportiver therapeutischer Massnahmen (Bluttransfusionen, Thoraxdrainagen bei Hämatothorax, antiinfektive Therapie) kam es im kurzfristigen Verlauf zu einer rapiden und unaufhaltsamen Verschlechterung des Allgemeinzustandes des Patienten. Zudem bestand im Verlauf computertomographisch auch der Vd. a. zerebrale Metastasen. Der Beginn einer Chemotherapie war unter diesen Umständen nicht möglich, sodass im Einvernehmen mit dem Patienten und dessen Angehörigen eine palliativmedizinische Komplexbehandlung eingeleitet wurde. Der Patient ist am 04.11.2021 verstorben. Aus religiösen Gründen wurde auf Wunsch des Patienten keine Autopsie durchgeführt.

Kommentar

Das Angiosarkom ist ein hochmaligner und seltener endothelialer Tumor (1 % aller Weichteilsarkome) (1) und ist häufig mit einer schlechten Prognose verbunden. Angiosarkome können primär oder sekundär auftreten, z. B. durch therapeutische Radiotherapie (mit einer Latenz von 8–10 Jahren), bei chronischem Lymphödem, oder in stark sonnenexponierter Haut entstehen (2). Die Ätiologie von Angiosarkomen, welche ohne diese Risikofaktoren entstehen, ist noch weitgehend unklar. Die häufigsten Lokalisationen betreffen den Kopf- und Halsbereich, gefolgt von thorakalen, viszeralen und kutanen Lokalisationen an den Extremitäten (3).

Die Diagnosestellung gestaltet sich bei den im Frühstadium der Erkrankung oft fehlenden oder unspezifischen Symptomen schwierig. Zur Diagnostik werden als bildgebende Verfahren die Sonographie, CT, PET und Magnetresonanztomographie eingesetzt. Die Diagnosebestätigung erfolgt immer histopathologisch unter Zuhilfenahme von Immunhistochemie und Molekularpathologie.

Die konventionellen therapeutischen Möglichkeiten bestehen in der chirurgischen Resektion, Radiotherapie und Chemotherapie und «targeted therapy». Insbesondere kutane Angiosarkome mit einem hohen tumor-mutational-burden (Tumormutationslast) sprechen gut auf Immuntherapien an (4, 5), wohingegen alle anderen Angiosarkome weiterhin schwierig zu behandeln sind und meist nur kurz auf eine Therapie ansprechen (6). Insgesamt haben Patienten mit einem Angiosarkom eine schlechte Prognose mit einer 5-Jahres-Überlebensrate zwischen 30 % und 54 % (7). Neben klinischen Parametern (Alter, Tumorgrösse, Erkrankungsstadium) sind prädiktive Faktoren für das Ansprechen auf Chemotherapie im Wesentlichen noch weitgehend unbekannt. Als möglich prädiktiver Parameter hinsichtlich Gesamtüberleben werden z. B. die Tumormutationslast, die PD-L1-Expression und die Neutrophilen-zu-Lymphoztyen-Ratio untersucht.

Bei dem geschilderten Fallbeispiel gestaltete sich die Diagnostik einerseits aufgrund der unspezifischen Symptome und Befunde kompliziert, andererseits durch die schwierig zu lesende Histologie auch nach Erhebung der klinischen Verdachtsdiagnose eines metastasierten Angiosarkoms. Im Zeitraum vom Symptombeginn bis zur Bestätigung der Diagnose hat sich der Zustand des Patienten so stark verschlechtert, dass ein Beginn der Chemotherapie nicht mehr möglich war.

Aktuelle Therapieansätze, Zukunfts­perspektiven

Zytostatische Chemotherapien (Doxorubicin, Paclitaxel, Gemcitabin-basierte Therapien) werden aktuell am häufigsten als Therapie bei Angiosarkomen eingesetzt. Als weitere Therapielinien werden orale zielgerichtete Krebstherapien (z. B. Pazopanib/Kinaseinhibitoren) auch bei limitiertem therapeutischem Benefit in Betracht gezogen sowie Immuntherapien. Als vielversprechend werden die «Next generation ‹Omic›, ‹Single cell sequencing› und ‹Spatial profiling›»-Technologien erforscht, welche eine Präzisionsonkologie bei Angiosarkomen ermöglichen sollen.
Checkpoint-Inhibitoren (z. B. anti-CTLA-4, PD-1) zeigen bei Weichteilsarkomen teilweise ein Ansprechen, sie regulieren kritische Inhibitionssignale der T-Zellen (z. B. PD-1, PD-L1, CTLA-4-Achsen) als Monotherapie oder in Kombination mit Chemotherapie.

Mehrere retrospektive Studien haben die Beziehung zwischen der Tumormutationslast und den Outcomes bei Therapien mit Checkpoint-Inhibitoren untersucht, so zeigte sich zum Beispiel, dass Pembrolizumab als Monotherapie bei einer hohen Tumormutationslast mit besserem Ansprechen assoziiert ist (8).

Mehrere Studien haben die Wirksamkeit von Immuntherapien bei Sarkomen untersucht, oder Sarkompatienten wurden in Basket-Studien zu Immuntherapien eingeschlossen. Hinsichtlich der Wirksamkeit von Checkpoint-Inhibitoren bei Angiosarkomen sind die Studienergebnisse vorsichtig zu interpretieren, da Angiosarkome auch in Sarkomstudien jeweils nur eine kleine Subgruppe ausmachen (von mehr als 100 verschiedenen Weichteilsarkom-Subtypen).

In der DART-Studie (multizentrische prospektive Studie), welche die Kombination von Ipilimumab und Nivolumab bei seltenen Malignomen untersuchte, zeigte sich ein gutes Gesamtansprechen bei Angiosarkomen von insgesamt 25 % und gar ein Ansprechen von 60 % bei kutanen Angiosarkomen (7, 9).

Eine Strategie zur Verstärkung der Immunantwort bei Weichteilsarkomen ist die Kombination von Chemotherapien oder niedermolekularen Inhibitoren wie Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) mit der Immuntherapie. Als weiterer Therapieansatz wird adoptiver Zelltransfer / adoptive Immuntherapie untersucht, die primäre Strategie liegt in der Erkennung von inadäquaten (Neo-)Antigenen durch konstruierte T-Zell-Rezeptoren (TCR), chimerische Antigen-Rezeptor(CAR)-T-Zelltherapie und Tumor-infiltrative Lymphozyten (TIL) (9). Weiter werden Krebsimpfstoffe (T-VEC) untersucht, es handelt sich hierbei um eine onkolytische virale Immuntherapie durch intratumorale Injektion (Antigenpräsentation und tumorspezifische T-Zellen) (10).

Lisa Stoilov 1, Veronika Blum 2, Beat Müller 3

1 Klinik für Innere Medizin, Luzerner Kantonsspital, Luzern
2 Medizinische Onkologie, Luzerner Kantonsspital, Luzern
3 Medizinische Onkologie und Palliative Care, Luzerner Kantonsspital, Luzern

Abkürzungen
Anti-MPO Antikörper gegen Myeloperoxidase
Anti-PR3 Antikörper gegen Proteinase 3
Anti-CTLA-4 Antikörper gegen cytotoxic T-lymphocyte-associated Protein 4
BAL Bronchiallavage
CAR chimärischer Antigen-Rezeptor
CRP C-reaktives Protein
CT Computertomographie
DART-Studie Dual Anti-CTLA-4 and Anti-PD-1-Blockade in Rare Tumors
DNA Desoxyribonukleinsäure
DD differenzialdiagnostisch/Differenzialdiagnose
FDG Fluordesoxyglucose
MRT Magnetresonanztomographie
PET Positronen-Emissions-Tomographie
PD-1 programmed cell death protein
PD-L1 programmed death-ligand 1
TCR T-Zell-Rezeptoren
TKI Tyrosinkinaseinhibitor
TIL tumor-infiltrative Lymphozyten
T-VEC Talimogen laherparepvec
T-Zellen T-Lymphozyten
Historie
Manuskript eingegangen: 20.11.2024
Angenommen nach Revision: 16.04.2025
Dr. med. univ. (AUT) Lisa Stoilov

Medizinische Onkologie
Luzerner Kantonsspital
Spitalstrasse 16
6000 Luzern

Dr. med. Beat Müller

Medizinische Onkologie
Luzerner Kantonsspital
Spitalstrasse 16
6000 Luzern

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass Angiosarkome aggressive Subtypen der Weichteilsarkome mit einer schlechten Prognose und limitierten Therapieoptionen sind. Checkpoint-Inhibitoren können bei Angiosarkomen, insbesondere kutanen, wirksam sein. Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung ist es kaum möglich, randomisierte Therapiestudien durchzuführen bzw. stellen Angiosarkome in Studien eine kleine Subgruppe dar, sodass es oftmals schwierig ist, Konklusionen für diese Entität zu ziehen. Trotzdem werden neue innovative Ansätze verfolgt, um die Therapie von Patienten mit Weichteilsarkomen, inklusive Angiosarkomen, zu erweitern, zu personalisieren und damit die Prognose zu verbessern (7).

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3. Fangmin Tan, Jason Yongsheng Chan. Towards precision oncology in agiosarcomas using next generation “omic” technologies. Oncotarget. 2021;12:1953–1955.
4. Vaia Florou, Andrew E. Rosenberg, Eric Wieder et al. Angiosarcoma patients treated with immune checkpoint inhibitors: a case series of seven patients from a single institution. J Immunother Cancer. 2019;7:213.
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9. Gyuhee Seong, Sandra P. D’Angelo. New therapeutics for soft tissue sarcomas: Overview of current immunotherapy and future directions of soft tissue sarcomas. Front. Oncol 2023,13:1150765.
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Verzögerte Knochenheilung nach Osteotomie – was die Familienanamnese verriet

Anamnese und Befunde

Eine 35-jährige Patientin klagte seit Jahren über Leistenschmerzen und Bewegungseinschränkungen der rechten Hüfte. Nachdem sich die Beschwerden während einer Schwangerschaft verschlechtert hatten, wurde letztlich die Diagnose einer Hüftdysplasie gestellt. Die Patientin unterzog sich daraufhin einer periacetabulären Umstellungsosteotomie (PAO). Der Eingriff verlief problemlos; die wegen starker postoperativer Schmerzen zunächst verzögerte Mobilisation konnte durch intensive Physiotherapie verbessert werden. Bei der radiologischen Kontrolle nach drei Monaten fiel eine verzögerte Knochenheilung auf (Abb. 1). Zusätzlich klagte die Patientin erneut über zunehmende Schmerzen.

Differenzialdiagnostische Überlegungen

Eine verzögerte Knochenheilung tritt nach PAO in bis zu 10 % der Fälle auf. Risikofaktoren sind Alter, genaue Lokalisation der Osteotomie und Ausprägung der zugrunde liegenden Hüftdysplasie (1). Zusätzlich unterliegt die Knochenheilung zahlreichen weiteren Einflussfaktoren. Unter anderem können eine zu frühe Belastung, Infektionen, chronischer Stress, Nikotinabusus, Komorbiditäten wie Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz oder Durchblutungsstörungen zu einer verzögerten Knochenheilung führen (2). Auch Medikamente, insbesondere Kortikosteroide, Chemotherapeutika, Immunsuppressiva (3), und endokrinologische Erkrankungen wie Hypothyreose, primärer Hyperparathyreoidismus oder Hypercortisolismus beeinflussen den Knochenstoffwechsel. Im Tiermodell gibt es Hinweise, dass Osteoporose ebenfalls einen Risikofaktor für Knochenheilungsstörungen darstellt. Eine Evidenz beim Menschen wurde bisher noch nicht nachgewiesen (4). Eine weitere Ursache ist die Osteomalazie, die definiert ist als generalisierte Knochenerkrankung mit verminderter Mineralisation. Die Ursachen hierfür sind vielfältig (5).
Häufigste Ursache der Osteomalazie ist ein Vitamin-D-Mangel, der meist durch ungenügende Sonnenlichtexposition oder nutritiv verursacht ist. Gelegentlich tragen Malabsorptions- und Malassimilationssyndrome mit verminderter Vitamin-D- und Kalziumaufnahme dazu bei. Ein funktioneller Vitamin-D-Mangel kann z. B. bei chronischer Niereninsuffizienz durch einen 1-α-Hydroxylase-Mangel, nephrotischem Syndrom mit Verlust von Vitamin-D-Bindungsproteinen oder Leberzirrhose mit verminderter 25-OH-Hydroxylierung entstehen. Genetische Ursachen, die die Aktivität der 1-α-Hydroxylase vermindern oder den Vitamin-D-Rezeptor betreffen, sind sehr selten (6, 7).

Auch ein Phosphatmangel kann eine Osteomalazie verursachen. Dieser kann durch eine verminderte gastrointestinale Resorption, z. B. bei nutritivem Mangel, Einnahme von Antazida oder eine gestörte renale Reabsorption auftreten. Erworbene Formen können durch paraneoplastische Phänomene oder sekundären Hyperparathyreoidismus, Multiples Myelom, Fanconi-Syndrom, Medikamente und Cadmiumexposition hervorgerufen werden (7).

Erkrankungen, die zu einer direkten Störung der Mineralisation führen, sollten ebenfalls in Betracht gezogen ­werden: Osteogenesis imperfecta, Aluminium- und Fluoridexposition, möglicherweise Bisphosphonate (z. B. Etidronat). Allerdings konnte für die aktuell gebräuchlichen Bisphosphonate kein hemmender Effekt auf die Knochenheilung nachgewiesen werden (4). Eine seltene Ursache ist die Hypophosphatasie mit im Gegensatz zu anderen Ursachen der Osteomalazie erniedrigter Aktivität der alkalischen Phosphatase (AP) im Serum.

Weitere Abklärungsschritte und Verlauf

Zunächst wurde im vorliegenden Kontext eine zu frühe postoperative Belastung in Kombination mit einem leichten Vitamin-D-Mangel bei einem Messwert von 39 nmol/l (30–50 nmol/l gelten bei Erwachsenen als suboptimale Versorgung) als Ursache für die Knochenheilungsstörung postuliert. Der Heilungsverlauf war jedoch, trotz angepasster Entlastung über sechs, statt der eigentlich vorgesehenen drei Monate und Vitamin-D-Substitution, weiterhin verzögert.

Anhand weiterer Laboruntersuchungen konnten eine endokrinologische Störung und ein Substratmangel ausgeschlossen werden: Parathormon, TSH, Phosphat- und Kalziumspiegel lagen im Normbereich. Der einzige auffällige Laborbefund war eine mit 33 IU/l (Normwerte bei Erwachsenen 40–120 IU/l) leicht erniedrigte Aktivität der AP.

Eine Knochendichtemessung zeigte eine lediglich leichte Osteopenie. Chronische Erkrankungen waren nicht vorbekannt, in der Vergangenheit aufgetretene Symptome waren eher unspezifisch: Die Patientin klagte über häufige Knieschmerzen, gelegentliche Muskelverspannungen im Nacken, und in der Kindheit wurde beidseitig ein Pes valgus diagnostiziert. Frakturen waren nie aufgetreten, Zahnprobleme bestanden keine.

Weitere differenzialdiagnostische Überlegungen

Eine erniedrigte Serumaktivität der AP ist ein seltener Befund, die Ursachen sind vielfältig und reichen von nutritiven oder resorptiven Mangelzuständen, Stoffwechselerkrankungen und schweren endokrinologischen Störungen bis hin zu seltenen Knochenerkrankungen. Zu erwähnen sind hier Hypomagnesiämie, Hämochromatose, Morbus Wilson (8), schwere Hypothyreose, M. Cushing, Multiples Myelom, schwere Anämie oder die Einnahme von Vitamin D, Kortikosteroiden oder Bisphosphonaten (9).

Weiterer Verlauf

Letztlich war im vorliegenden Fall die Familienanamnese wegweisend: Die Nichte der Patientin ist an einer schweren pränatalen Form der Hypophosphatasie erkrankt, die Schwester ist Träger einer heterozygoten Mutation im ALPL-Gen.

Nach längerem Heilungsverlauf und intensiver Physiotherapie war die Patientin ca. ein Jahr postoperativ beschwerdefrei.

Kommentar

Pathophysiologie

Die Hypophosphatasie (HPP) ist erblich und wird durch eine Mutation im ALPL-Gen, das die gewebeunspezifische alkalische Phosphatase (TNSAP) codiert, verursacht. Dies führt zu einer verminderten oder fehlenden Enzymaktivität. Die TNSAP ist das Schlüsselenzym des Knochenstoffwechsels (10) und macht ca. 95 % der im Serum messbaren Aktivität der alkalischen Phosphatase aus (7). Durch die Hydrolyse von Pyrophosphat (PPi) stellt sie Phosphat zur Bildung von Hydroxyappatit bereit und ist an der Regulation von Osteopontin und Osteo- sowie Myoprogenitorzellen beteiligt (10–12). Die verminderte Enzymfunktion und konsekutive Kumulation der Substrate, insbesondere PPi als potenter Inhibitor der Ossifikation (11, 13), führen zu einer Störung des Knochenstoffwechsels, die auch das Parodontium betreffen kann. Ablagerungen von PPi können zudem Pyrophosphat-Arthropathien und weitere entzündliche Prozesse mit Muskelschmerzen sowie Nephrokalzinose verursachen (14).

Aktives Vitamin B6 (Pyridoxal-5’-Phosphat, PLP) ist ein weiteres Substrat der TNSAP und ein wichtiger Kofaktor bei der Transmittersynthese im ZNS. Bei fehlender Dephosphorylierung kann es die Bluthirnschranke nicht überwinden, und ein konsekutiver Mangel im ZNS kann Krampfanfälle verursachen (11, 15).

Epidemiologie

Der geschilderte Fall ist typisch für die adulte Form der HPP. Sie manifestiert sich meist im mittleren Lebensalter durch unspezifische muskuloskelettale Beschwerden und Knochenheilungsstörungen sowie variabel erniedrigter Aktivität der AP und evtl. erhöhtem PLP-Spiegel mit ansonsten normalen Laborwerten. Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung und der häufig unspezifischen Manifestation wird die Diagnose meist verzögert gestellt (7). Die Prävalenz der adulten Form wird in Westeuropa mit 1/6370 angegeben, aber je nach Autor weit über 40-fach höher geschätzt. Milde Formen sind vermutlich noch häufiger und stark unterdiagnostiziert (8, 11, 16–18).

Symptome

Eine komplexe Genetik und die vielfältigen Funktionen der TNSAP führen zu einem breiten klinischen Spektrum von pränatal letalen Formen mit komplett fehlender Mineralisation bis zur leichten adulten Form mit milder Symptomatik (19). Bei Manifestation in der Kindheit kann der Verlauf der Erkrankung schwer und von Komplikationen geprägt sein. Je nach Klinik und Manifestationsalter hat sich eine Einteilung in unterschiedliche Formen etabliert (Tab. 1).


Bei der adulten Form sind schlecht heilende Stressfrakturen und muskuloskelettale Schmerzen v. a. an Hüfte und Oberschenkel häufig. Zudem können Pyrophosphat-Arthropathien auftreten (8, 20). Femorale Pseudofrakturen werden teilweise als pathognomonisch beschrieben (8, 16). Viele Betroffene berichten von frühem Milchzahnverlust, Karies oder rachitischen Beschwerden in der Kindheit (11, 16, 17). Auch extraskelettale Manifestationen wie Nephrokalzinose und neurologische Symptome, die bei der adulten Form u. a. Fatigue, Kopfschmerzen, Schwindel und Gangunsicherheit umfassen, sind möglich (8, 13).

Diagnosekriterien

Das charakteristische biochemische Merkmal der HPP ist eine anhaltend erniedrigte Aktivität der AP im Serum (16), oft in Kombination mit einem erhöhten PLP-Spiegel (13). Letzterer korreliert mit der Schwere der Erkrankung und hat eine gute diagnostische Sensitivität (8, 16).

Bezüglich der AP-Messung muss aufgrund der Fehleranfälligkeit auf eine korrekte Präanalytik geachtet werden (13). Die Beurteilung der Werte erfolgt unter Berücksichtigung von alters- und geschlechtsspezifischen Grenzwerten. Mögliche Ursachen für falsch hohe Messwerte wie Cholestase, aktive Frakturheilung oder Schwangerschaft, Knochenmetastasen, Osteomalazie, Hyperparathyreoidismus, Leber- oder Pankreaserkrankungen müssen ausgeschlossen werden (16, 21). Differenzialdiagnosen erniedrigter AP-Werte sind oben aufgeführt.
Häufig wird ein Anstieg von Phosphoethanolamin im Urin beobachtet und kann als diagnostischer Parameter herangezogen werden (20).
Weitere laborchemische Parameter wie 25-OH-Vitamin- D, Calcium, Phosphat und Parathormon sind im Gegensatz zu anderen Ursachen einer Osteomalazie in der Regel normwertig.

Aktuell gibt es keine Leitlinien zur Diagnostik der HPP. Eine internationale Arbeitsgruppe hat anhand eines systematischen Reviews und Expertenmeinungen Diagnosekriterien für die HPP vorgeschlagen. Obligat ist eine persistierend erniedrigte AP-Aktivität, in Kombination mit klinischen Haupt- und Nebenkriterien (13) (Tab. 2).

Genetik

Genetische Abklärungen werden in der Regel bei wiederholt tiefen Messwerten der Serumaktivität der AP und passender Klinik sowie Anamnese durchgeführt. Insbesondere bei Kinderwunsch sollten eine genetische Abklärung zur Diagnosesicherung und Beratung in Betracht gezogen werden (16, 20). Ein fehlender Mutationsnachweis ist allerdings kein sicheres Ausschlusskriterium (8, 13). Aktuell sind über 400 Mutationen bekannt, mit zudem variabler Expressivität, Penetranz und unterschiedlichen Erbgängen (8, 16). Eine sichere Genotyp-Phänotyp-Korrelation ­konnte bisher nicht identifiziert werden (19). Die Symptomatik ist abhängig von der Restaktivität der TNSAP (16, 17) und kann selbst bei Patienten mit identischem Genotyp stark variieren (13).

Therapie

Bei Erwachsenen liegt der Schwerpunkt auf einer supportiven symptomatischen Therapie, die aus bedarfsorientierter Schmerz- und Physiotherapie besteht (17). Ein Screening auf mögliche zahnärztliche, nephrologische und orthopädische Komplikationen und Überwachung der Calcium-Homöostase sind notwendig (16). Eine Übersubstitution von Vitamin D und Calcium sollte wegen des hemmenden Effekts auf die TNSAP vermieden werden.

Seit 2015 ist eine Enzymersatztherapie mit Asfostase alfa, einer rekombinanten TNSAP, verfügbar. Indiziert ist diese zur Behandlung von Skelettmanifestationen bei Kindern und bei Erwachsenen mit drohender Invalidisierung und Manifestation im Kindes- und Jugendalter (11, 17). Bei erwachsenen Patienten kann je nach Symptomatik auch eine passagere Behandlung, z. B. bei schlecht heilenden Frakturen, in Betracht gezogen werden (17).

Teriparatid ist das Medikament der Wahl zur Behandlung einer allfälligen Osteoporose. Klinische Erfahrungen hierzu sind jedoch begrenzt. Bisphosphonate besitzen wegen ihrer strukturellen Ähnlichkeit zu PPi eine hemmende Wirkung auf die TNSAP und erhöhen möglicherweise das Risiko für atypische Femurfrakturen (16, 17, 20).

Historie
Manuskript eingegangen: 27.11.2025
Angenommen nach Revision: 04.06.2025

Dipl. med. Johanna Kuppinger

Hintere Gärten 8
8555 Müllheim

j.kuppinger@hin.ch

Die Autorin hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

• Bei Stressfrakturen, Knochenheilungsstörungen und chronischen Schmerzen auch an seltene Ursachen denken.
• Eine ausführliche Anamnese insbesondere bezüglich der Familie und früheren Beschwerden ist essenziell und oft wegweisend.
• Gut verfügbare Laboruntersuchungen sind in Kombination mit entsprechender Klinik für die HPP typisch: bei wiederholten Messungen erniedrigte Serumaktivität der AP, erhöhter PLP-Spiegel und normale Knochenstoffwechselparameter.
• Eine Genanalyse trägt zur Diagnosesicherung bei.

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