Fieber, Tetraparese und Verwirrung

Anamnese und Befunde

Ein 40-jähriger Patient stellte sich aufgrund seit mehreren Tagen bestehenden Fiebers bis 39.6 °C, vorwiegend gastrointestinaler Beschwerden und positiver Umgebungsanam­nese auf der Notfallstation vor. Weder klinisch noch laborchemisch zeigten sich auffällige Befunde, sodass die Diagnose einer viralen Gastroenteritis gestellt und der Patient mit symptomatischer Therapie entlassen wurde. Am Folgetag wurde der Patient erneut vorstellig wegen eines akuten Harnverhaltes sowie zunehmender Verschlechterung des Allgemeinzustandes. In der klinischen Untersuchung konnten wiederum keine pathologischen Befunde erhoben werden, insbesondere war die perianale Sensibilität und der Sphinktertonus erhalten. Laborchemisch zeigten sich eine Hyponatriämie (128 mmol/l, Normalwert 136–145 mmol/l) und normwertige Entzündungsparameter. Nach Anlage eines Dauerkatheters erfolgte ein ambulantes Prozedere. Am nächsten Tag wurde der Patient vorstellig aufgrund lumbaler und paravertebral linksseitiger Rückenschmerzen, einer linksdominanten Beinschwäche sowie einer neu aufgetretenen Verwirrung.

In der klinischen Untersuchung zeigten sich folgende abnormen Befunde: Meningismus, linksbetonte Paraparese mit Hypästhesie und Hyperalgesie sub Th12 sowie Mastdarmstörung (fehlender Sphinktertonus) und qualitative Bewusstseinsstörung.

Die Blutuntersuchungen waren bis auf eine Hyponatriämie (130 mmol/l, Normalwert 136–145 mmol/l), Hypokaliämie (3.3 mmol/l, Normalwert 3.5–4.5 mmol/l) und ein minimal erhöhtes CRP (9 mg/l, Normalwert < 5 mg/l) unauffällig. Aufgrund der rasch aufsteigenden Tetraparese mit autonomen Symptomen im Sinne eines spinalen Notfalls mit zusätzlich qualitativer Bewusstseinsstörung war ein notfälliges MRI der spinalen Achse, des Schädels und in der Folge eine Lumbalpunktion indiziert. Während im MRI der Wirbelsäule eine langstreckige, unscharf begrenzte Signalstörung des zervikalen und thorakalen Myelons sowie des Conus medullaris mit assoziierter lineärer bis feinfleckiger Schrankenstörung imponierte, zeigte das cerebrale MRI eine hyperintense Signalstörung im Splenium des Corpus callosum mit assoziierter Diffusionsrestriktion (sog. CLOCC-Läsion) (Abb. 1). In der Lumbalpunktion zeigte sich ein entzündliches Liquorsyndrom mit ausgeprägter lymphozytärer Pleozytose. Das Krankheitsbild wurde syndromal als Enzephalomeningomyelitis eingeordnet.

Differenzialdiagnostische Überlegungen und Verlauf

Innerhalb zweier Tage nach stationärer Aufnahme kam es zu einer rasch aufsteigenden Querschnittsymptomatik mit Tetraplegie und Areflexie. Bei fehlendem Hustenstoss und kontinuierlicher Abnahme der bedside gemessenen Atemvolumina erfolgte eine Verlegung auf die Intensivstation zur Intubation. Es bestand eine schlaffe Tetraparese sub C4 mit sensiblem Niveau L1, die Hirnnerven waren nicht betroffen. Es erfolgte eine Diagnostik hinsichtlich infektiöser und nicht infektiöser Ursachen der ätiologisch offenen Enzephalomeningomyelitis.
Die bildgebenden Befunde erfüllen die Diagnosekriterien einer akuten longitudinalen transversen Myelitis (LETM) sowie einer milden Enzephalitis mit reversibler splenialer Läsion (MERS) (1).

MERS ist ein klinisch-radiologisches Syndrom, welches durch Enzephalopathie und transiente Läsionen im Splenium des Corpus callosum gekennzeichnet ist (2) – vergleiche Abb. 1C. Die LETM ist ein Subtyp der transversen Myelitis, bei welcher sich die Läsionen entlang des Rückenmarks über mindestens drei Level erstrecken – vergleiche Abb. 1A und B. Oft ist diese Erkrankung assoziiert mit Entitäten wie NMOSD (neuromyelitis optica spectrum disorder), MOGAD (myelin oligodendrocyte glycoprotein-associated disease) oder anderen autoimmunen/rheumatologischen Erkrankungen bzw. ADEM (acute disseminated encephalomyelitis) sowie Multipler Sklerose. MERS und LETM können assoziiert (para- bzw. postinfektiös) – aber nicht direkt ausgelöst – sein mit Infektionen durch Viren (Influenza, Enteroviren, Hepatitiden, Herpes simplex, VZV, HTLV, SARS-CoV-2, Röteln, Masern, Mumps, HIV, West Nile), atypische Bakterien (z. B. Borrelien, Treponema pallidum), Parasiten (z. B. Toxoplasma) und Pilze (z. B. Aspergillus fumigatus) (3, 4). Eine durch direkt pathogene nachweisbare Antikörper getriggerte Genese konnte nicht bewiesen werden (insb. MOG und AQ-4-AK negativ) (Tab. 1). Auch erschienen eine rheumatologische Grunderkrankung (Lupus erythematodes, Sjörgen-Syndrom, M. Behcet, Kollagenosen), Multiple Sklerose oder eine ­paraneoplastische Genese anhand der Anamnese (zuvor gesund) und Klinik (rasche Symptomentwicklung, gastrointestinale Beschwerden) unwahrscheinlich, weshalb auf entsprechende weiterführende Untersuchungen verzichtet wurde. Der Patient war nicht wissentlich immunsupprimiert, somit hielten wir opportunistische Erreger und insbesondere Pilzerkrankungen für unwahrscheinlich. Weitere klinisch wahrscheinliche Erreger wurden mittels PCR und Serologie nicht gefunden (Tab. 1). Initial wurde eine antiinfektive Therapie mittels Ceftriaxon und Aciclovir begonnen. Bei negativer infektiologischer Diagnostik wurde die Hypothese einer direkten infektiösen Genese verlassen und die Antiinfektiva gestoppt. Impfungen hatte der Patient keine erhalten. Aufgrund der klinischen Präsentation und der Infektanamnese wurde differenzialdiagnostisch an ein Guillain-Barré-Syndrom (GBS) gedacht. Dagegen sprach die ausgeprägte Pleozytose im Liquor (GBS: geringe Zellzahl, erhöhtes Protein im Sinne einer zytoalbuminären Dissoziation) sowie der positive Nachweis einer LETM im MRI der Wirbelsäule (GBS: unauffälliges Myelon oder Kontrastmittelaufnahme der Nervenwurzeln und der Cauda equina) (Tab. 2).

Metabolische (z. B. Vitamin B12, Kupfer, Vitamin E, Folsäure) bzw. toxische (im Rahmen Methotrexat, TNF-alpha-Blocker, Heroin) Myelopathien präsentieren sich zumeist mit einem schleichenden Verlauf (5). Anamnestisch nahm der Patient keine Medikamente oder andere Noxen zu sich. Im Blutbild zeigten sich keine Hinweise für eine Veränderung der Erythrozyten. Klinisch und anamnestisch bestand kein Hinweis auf eine Mangelernährung. Eine Kompression von aussen auf das Myelon und eine spinale Ischämie lag bildgebend nicht vor. Das neurologische Erscheinungsbild einer spinalen Ischämie wird weitgehend durch das betroffene Gefässgebiet bestimmt. Klinisch ergab sich kein Anhalt für ein Arteria-spinalis-anterior-Syndrom (rein motorische Symptomatik zu erwarten) und ein Brown-Séquard-Syndrom (keine dissoziierte Sensibilitätsstörung). Ebenso spricht der subakute Verlauf gegen eine ischämische Genese, hier wäre ein hochakutes Auftreten der Symptome zu erwarten (6).

Aufgrund des kontinuierlich steigenden Sauerstoffbedarfs und Nachweises einer Teilatelektase in der CT wurde eine Bronchoskopie und aufgrund massig vorhandenen putriden Sekrets eine Bronchiallavage durchgeführt.

Die initialen Symptome des Patienten liessen an eine virale Gastroenteritis denken. Trotz Ende der Grippesaison wurde aufgrund der positiven Umgebungsanamnese eine Testung auf Influenza durchgeführt. Es konnte Influenza B mittels PCR nachgewiesen werden, sodass nun von einer parainfektiösen Genese der Enzephalomeningomyelitis ausgegangen wurde. Ein entsprechender Virusnachweis im Liquor gelang bei parainfektiöser Genese erwartungsgemäss nicht.

Der Höhepunkt der Symptomatik war 10 Tage nach initialer Vorstellung und 16 Tage nach Symptombeginn erreicht. Wegen voraussehbarer längerer Beatmungspflicht wurde ein Tracheostoma sowie eine PEG-Sonde angelegt.

20 Tage nach Beginn der Infektsymptomatik war eine Rückkehr der Motorik in den oberen distalen Extremitäten zu beobachten, welche sich zunehmend nach proximal verbesserte. Die initiale enzephalopathische Komponente im Rahmen des MERS besserte sich rasch.
Nach Entwöhnung vom Respirator konnte der Patient nach 32 Tagen in eine Rehabilitationsklinik verlegt werden. Zu diesem Zeitpunkt war eine adäquate Kommunikation mit dem Patienten möglich. Hinsichtlich der Tetraplegie war der Patient motorisch weiter schwer beeinträchtigt (Muskelkraft obere Extremitäten M2–3, untere Extremitäten M0), während das sensible Niveau auf Höhe Th6 lag. Zudem persistierten eine ausgeprägte Dysphagie, welche die Entfernung der Trachealkanüle verunmöglichte, sowie Dysästhesien im Bereich der Beine.

Nach mehrwöchiger Neurorehabilitation zeigte der Patient signifikante Fortschritte. Aktuell liegt eine sensomotorisch inkomplette Paraplegie unterhalb von Th11 vor (Arme: M4–5, Beine: M0–1). Weiterhin bestehen neuropathische Schmerzen der Beine sowie Mastdarm- und Blasenentleerungsstörungen.

Diagnose und Therapie

Bei diesem Patienten kam es infolge einer Influenza-B-Infektion mit vorwiegend gastrointestinaler Symptomatik zu einer rasch aufsteigenden Tetraparese mit enzephalopathischen Symptomen. Wir gingen im Kontext der oben genannten Befunde von einer seltenen parainfektiösen Pathogenese der Myelitis im Rahmen der Influenza B aus.

Neben den klassischen respiratorischen und weniger häufigen gastrointestinalen Symptomen können Influenzaviren auch zu verschiedenen neurologischen Erkrankungen führen. Es sind direkt assoziierte neurologische Symptome wie bei der Influenza-assoziierten Enzephalopathie (IAE), die hauptsächlich bei Kindern beobachtet wird, möglich. Weiter kann es indirekt via immunologische Mechanismen zu neurologischen Manifestationen kommen, wie beispielsweise zum Guillain-Barré-Syndrom (GBS) oder wesentlich seltener zur milden Enzephalopathie mit reversibler splenialer Läsion (MERS) oder longitudinalen extensiven transversen Myelitis (LETM) (7). Influenzaviren wurden hierbei als ursächlich für diese Krankheitsbilder beschrieben, wenn auch das kombinierte Auftreten von MERS und LETM in diesem Kontext selten ist (8, 9).

Sowohl bei dem MERS als auch der LETM handelt es sich um eine immunologisch getriggerte Pathogenese. Beim MERS wird die isolierte Läsion im Splenium durch zytotoxische und intramyelinische Schwellung infolge einer Neuroinflammation vermutet, während beim LETM eine perivaskuläre Infiltration mit Monozyten und Lymphozyten zu Demyelinisierung und axonaler Schädigung führt. Klinisch treten beim MERS nach einer Phase mit Fieber als Prodromi am häufigsten Bewusstseinsstörungen, Kopfschmerzen und epileptische Anfälle auf, während bei der LETM motorische, sensorische und autonome Störungen im Vordergrund stehen. Zum Höhepunkt (Nadir zwischen 4 Stunden und 21 Tagen) der Erkrankung leidet etwa die Hälfte der Betroffenen an einer beinbetonten Paraplegie. Fast alle Erkrankten haben Blasenentleerungsstörungen. Die beschriebenen sensorischen Störungen sind typischerweise auf ein spezifisches Niveau begrenzt und umfassen Dysästhesien sowie neuropathische Schmerzen. Während es sich beim MERS in aller Regel um eine reversible Erkrankung handelt, weist die LETM eine signifikante Morbidität auf. Während ein Drittel der Erkrankten eine fast vollständige Erholung zeigt, bleibt bei einem Drittel eine moderate und bei einem weiteren Drittel eine schwere Einschränkung zurück. Die Ätiologie der LETM kann oft erst im Verlauf eruiert werden (10, 11). Oft findet sich bei der LETM kein auslösender Faktor (15–30 %) (12).

Therapeutisch wurde bereits bei Eintritt eine hoch dosierte Steroidtherapie mit Methylprednison (initial 500 mg 1 x bei unklarem Krankheitsmechanismus mit anschliessend 80 mg/Tag, bei definitiver Diagnosestellung am Tag 5 der Hospitalisation Erhöhung auf 1 g für 5 Tage, dann 6 Tage 125 mg und hiernach 1 mg/kgKG mit anschliessend veranschlagtem Tapering über ca. 2 Monate) begonnen. Zudem wurde im Kontext des schweren Krankheitsbildes und noch positiver Influenza-PCR Oseltamivir 75 mg 12-stündlich für 5 Tage verabreicht.

Bei der parainfektiösen LETM im Rahmen einer Influenzainfektion gibt es keine evidenzbasierten Therapiekonzepte. Hauptbestandteil der Therapie sind Kortikosteroide in hoher Dosierung sowie Oseltamivir. Ebenfalls wird der Einsatz von intravenösem Immunglobulin G oder Plasmapherese zusammen mit Cyclophosphamid berichtet. In Abwesenheit einer klaren Antikörper-vermittelten Pathologie und auch aufgrund des breiten immunsuppressiven Effektes erscheint eine hoch dosierte Steroidtherapie rational. Bei bekannter Ätiologie erfolgt die Therapie der Grunderkrankung (13, 14). Ein direkter Keimnachweis von Influenza im Liquor wurde bisher nicht beschrieben (15).

Elena Pletzer 1, Katia Boggian 2, Matthias Arnold 3, Claudia Schrag 4

1 Allgemeine Innere Medizin / Hausarztmedizin und Notfallmedizin, HOCH Health Ostschweiz, Kantonsspital St. Gallen, St. Gallen
2 Klinik für Infektiologie, Infektionsprävention und Reisemedizin, HOCH Health Ostschweiz, Kantonsspital St. Gallen, St. Gallen
3 Neurologie / Klinik Allgemeine Innere Medizin, Spital Nidwalden, Stans
4 Klinik für Intensivmedizin, HOCH Health Ostschweiz, Kantonsspital St. Gallen, St. Gallen

Author Contributions
Alle Autorinnen und Autoren haben das eingereichte Manuskript gelesen und sind für alle Aspekte des Werkes mitverantwortlich.

Verdankung
Wir bedanken uns bei Dr. Manuel Gubser, Netzwerk Radiologie, Kantonsspital St. Gallen.

Dr. med. (AT) Elena Pletzer

Allgemeine Innere Medizin / Hausarztmedizin und Notfallmedizin
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St. Gallen

elena.pletzer@h-och.ch

Die Autorinnen und Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

• MERS und LETM können assoziiert sein mit Infektionen durch Viren (z. B. Influenza, Enteroviren, Herpes simplex, VZV, HTLV, West Nile, SARS-CoV-2, HIV), atypische Bakterien (z. B. Borrelien, Treponema pallidum, Mykoplasmen), Parasiten (z. B. Toxoplasma) und Pilze (z. B. Aspergillus fumigatus).
• Weitere demyelinisierende Erkrankungen oder andere autoimmun/rheumatologische Erkrankungen können MERS und LETM auslösen. Ebenso ist eine paraneoplastische Genese oder eine unerwünschte Wirkung im Rahmen von Impfungen möglich.
• Charakteristisch für die LETM ist die Entwicklung einer sensorischen, motorischen oder autonomen Funktionsstörung, die auf eine Störung im Rückenmark zurückzuführen ist. Es zeigt sich eine bilaterale Symptomatik, aber nicht zwingend symmetrisch mit eindeutigem sensiblen Niveau. Die Entzündung kann bildgebend mittels MRI und liqourzytologisch nachgewiesen werden.
• Die Diagnosestellung der LETM ist schwierig und eine regelmässige Überprüfung der Arbeitshypothese notwendig. Idealerweise kann eine Grunderkrankung identifiziert und behandelt werden.
• MERS bildet sich meist spontan zurück, LETM weist eine signifikante Morbidität auf.
• Neben immunsuppressiver Therapie, meist mit Kortiko­steroiden, ist eine adäquate Supportivtherapie essenziell.

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Steroidale und nicht-steroidale Mineralokortikoidrezepto­r-Antagonisten in der Herz- und Gefässmedizin

Steroidale Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten verbessern bei Patienten mit Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion die Prognose und werden deshalb von den Herzinsuffizienz-Leitlinien empfohlen. Zusätzlich begünstigen sie den Verlauf einer chronischen Nierenerkrankung und können eine Proteinurie reduzieren. Da steroidale Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten nicht selektiv an den Mineralokortikoidrezeptoren, sondern auch an Androgen- und Progesteronrezeptoren binden, können sie zu unerwünschten Wirkungen wie Gynäkomastie oder Amenorrhoe führen. Ferner verteilen sich steroidale Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten nicht nur im Herzen und den Gefässen, sondern auch zu hohen Teilen in den Nieren, was über eine Steigerung der Hyperfiltration zum Abfall der Filtrationsrate der Nieren führen kann. Aus diesen Gründen ist der Einsatz von steroidalen Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten häufig limitiert. Um diese Probleme zu lösen, wurden neue selektive, nicht-steroidale Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten entwickelt, wie zum Beispiel Finerenon. Finerenon konnte bisher in Outcome-Studien bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung und Typ-2-Diabetes mellitus im Vergleich zu Placebo zu einer Reduktion von renalen Endpunkten wie dem Auftreten von Nierenversagen und einem Nierenfunktionsverlust beitragen. Zusätzlich senkt Finerenon bei Patienten mit Typ-2-Diabetes mellitus und einer chronischen Nierenerkrankung die Häufigkeit von Hospitalisierungen infolge einer Herzinsuffizienz im Vergleich zu Placebo. Kürzlich wurde zudem gezeigt, dass Finerenon bei Patienten mit einer linksventrikulären Pumpfunktion ≥40 % die Hospitalisierungsrate infolge einer Herzinsuffizienz sowie weitere Herzinsuffizienzevents reduzieren und die Lebensqualität verbessern kann.

Steroidal minearalocorticoid receptor antagonists improve the prognosis of patients with heart failure with reduced ejection fraction and are therefore recommended by the heart failure guidelines. In addition, they favor the course of chronic kidney disease and can reduce proteinuria. As steroidal mineralocorticoid receptor antagonists do not bind selectively to the mineralocorticoid receptors but also to androgen and progesterone receptors, they can lead to undesirable effects such as gynecomastia or amenorrhea. Furthermore, steroidal mineralocorticoid receptor antagonists are not only distributed in the heart and blood vessels, but also to a large extent in the kidneys, which can lead to a decrease in the filtration rate of the kidneys by increasing hyperfiltration. For these reasons, the use of steroidal mineralocorticoid receptor antagonists is often limited. To solve these problems, new selective, non-steroidal mineralocorticoid receptor antagonists have been developed, such as finerenone. Finerenone has been shown in outcome studies in patients with chronic kidney disease and type 2 diabetes mellitus to reduce renal endpoints such as renal failure and renal function loss compared to placebo. In addition, finerenone reduces the incidence of hospitalization for heart failure in patients with type 2 diabetes mellitus and chronic kidney disease compared to placebo. It has also recently been shown that finerenone can reduce the rate of hospitalization for heart failure and other heart failure events and improve quality of life in patients with left ventricular ejection fraction ≥40 %.

Keywords: Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten, Herzinsuffizienz, Chronische Nierenerkrankung, Hyperkaliämie

Einleitung

Herzinsuffizienz

Herzinsuffizienz ist ein klinisches Syndrom und die häufigste Ursache für Krankenhauseinweisungen in Europa. Neurohumorale Aktivierung und gesteigerte Sympathikusaktivität spielen eine zentrale Rolle in der Entstehung und Progression einer Herzinsuffizienz (1). Die nachteiligen Konsequenzen dieser neurohumoralen Aktivierung sind zu einem Teil den profibrotischen und vaskulären Effekten erhöhter Aldosteronspiegel und der konsekutiven Aktivierung von Mineralokortikoidrezeptoren (MR) geschuldet (2). Das reduzierte kardiale Auswurfvolumen führt über eine Stimulation von Barorezeptoren in den juxtaglomerulären Zellen der Nieren zu einer Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS). Am Ende des RAAS steht die Bildung von Aldosteron, das über MR-Aktivierung zu Natrium- und Volumenretention führt und dadurch das Fortschreiten der Herzinsuffizienz begünstigt. Als Steroidhormon wirkt Aldosteron vornehmlich über den intranukleären MR mit nachfolgenden translationalen Effekten (3), jedoch sind auch nicht-genomische Mechanismen der Hormonwirkung bekannt (3). Der MR kommt darüber hinaus in vielen anderen Geweben vor, so auch in den Nieren, und seine Überstimulation trägt nachgewiesenermassen zur Entstehung und Progression einer Herz- und Nierenerkrankung bei (4–6). Die MR-Aktivierung in den Nieren kann zur Glomerulosklerose, einem Abfall der geschätzten glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) und zur Entstehung einer Proteinurie führen (6–8). Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten (MRA) wie Spironolacton und Eplerenon können durch einen kompetitiven Antagonismus am MR die schädlichen Folgen der Aldosteronüberaktivität verringern (9) und sind Erstlinien-Medikamente zur Behandlung der Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion (HFrEF, linksventrikuläre Ejektionsfraktion (EF) ≤ 40 %). Die Randomized Aldactone Evaluation Study (RALES) konnte 1999 zeigen, dass Spironolacton im Vergleich zu Placebo die kardiovaskuläre Sterblichkeit bei Patienten mit HFrEF, die bereits mit einem Angiotensin-Converting-Enzym (ACE)-Hemmer und einem Beta-Blocker behandelt wurden, senkt (10) (Hazard Ratio (HR) für kardiovaskulären Tod 0.70; 95 % Konfidenzintervall (KI): 0.60–0.82; p < 0.001). Wenig später zeigte sich in einer Placebo-kontrollierten Studie auch für Eplerenon 25 mg pro Tag (auftitriert auf 50 mg), dass es zu einer Reduktion der Gesamtsterblichkeit (HR 0.85; 95 % KI: 0.75–0.96; p = 0.008) und des kardiovaskulären Todes (HR 0.87; 95 % KI: 0.79–0.95; p = 0.002) bei Patienten mit HFrEF führt (11).

Chronische Nierenerkrankung

Neben der Reduktion von Hospitalisierungsraten und der Verbesserung des Gesamtüberlebens bei Patienten mit HFrEF wurde nachgewiesen, dass MRA zu einer Reduktion der Albuminurie bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung (CKD) beitragen (12). Die Albuminurie gilt bei Patienten mit HFrEF als ein Risikoindikator für kardiale Dekompensationen (13) und für kardiovaskuläre Ereignisse, unabhängig vom Vorliegen eines Diabetes mellitus (14). Des Weiteren ist eine zunehmende Albuminurie ein Indikator für einen beschleunigten Progress der CKD (14, 15). Es wurde gezeigt, dass bei Patienten mit diabetischer Nephropathie, die bereits mit dem ACE-Hemmer Lisinopril in maximal tolerierter Dosis behandelt wurden, eine vorbestehende Proteinurie durch die Einnahme von Spironolacton reduziert werden kann (16). Die Therapie mit 25 mg Spironolacton täglich führte im Vergleich zu Placebo zu einer relativen Reduktion der Albumin-Kreatinin-Ratio im Urin (UACR) von 34.0 % (95 % KI: 11.2–51.0 %; p = 0.007) (16). Eine Hinzunahme von Losartan, einem Angiotensin-Rezeptor-Blocker (AT1-Blocker), zur vorbestehenden ACE-Hemmer-Therapie führte zu keiner signifikanten Reduktion der UACR (Reduktion um 16.8 %; 95 % KI: 10.5–37.3 %; p = 0.20) (16).

Akutes Koronarsyndrom

Präklinische Studien konnten zeigen, dass eine erhöhte MR-Aktivität nach einem Myokardinfarkt mit schlechten Outcomes assoziiert ist, unabhängig davon, ob eine Herzinsuffizienz besteht oder nicht (17). Aus diesem Grund wurden klinische Studien durchgeführt, die steroidale MRA bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom (ACS) testeten.

Die REMINDER-Studie (Early eplerenone treatment in patients with acute ST-elevation myocardial infarction without heart failure) testete Eplerenon 25–50 mg einmal täglich im Vergleich mit Placebo in 1012 Patienten mit ST-Streckenhebungsinfarkt (STEMI) ohne Hinweise auf eine Herzinsuffizienz (18). Das mediane Alter betrug 58 Jahre, 18 % der Patienten waren Frauen. Mehr als 80 % der Patienten hatten einen ACE-Hemmer und einen Betablocker zusätzlich zu einer doppelten Plättchenhemmung und einem Statin. Es konnte gezeigt werden, dass Eplerenon in diesem Patientenkollektiv den kombinierten Endpunkt aus kardiovaskulärer Sterblichkeit, Re-Hospitalisierung oder verlängerter Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz (oder einer ventrikulären Tachykardie, linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF) < 40 %, BNP > 200 pg/ml oder NTproBNP > 450 pg/ml) signifikant senkte. Die Reduktion des primären Endpunkts war allerdings durch eine Reduktion der natriuretischen Peptide getrieben. Die Einnahme von Eplerenon war sicher und führte nicht zu mehr Hyperkaliämien (18). Die ALBATROSS-Studie (Aldosterone Lethal effects Blocked in Acute MI Treated with or without Reperfusion to improve Outcome and Survival at Six months follow-up) war eine randomisierte, open-label Studie, die den Einsatz von Spironolacton bei Patienten mit ACS testete (19). Eingeschlossen wurden Patienten, die einen STEMI oder einen Nicht-ST-Streckenhebungsinfarkt (NSTEMI) mit hohem Risiko hatten. Patienten erhielten entweder 200 mg Kaliumcanrenoat intravenös, gefolgt von 25 mg Spironolacton für 6 Monate zusätzlich zur Standardtherapie, oder nur die Standardtherapie. Insgesamt wurden 1603 Patienten in die Intention-to-treat-Analyse eingeschlossen. Das mediane Alter war 58 Jahre, 17 % waren Frauen, die mediane LVEF lag bei 50 % und 90 % der Patienten in beiden Gruppen hatten eine vollständige Therapie aus doppelter Plättchenhemmung, Statin, ACE-Hemmer und Betablocker. Spironolacton führte nicht zu einer Reduktion des kombinierten Endpunktes aus Tod, überlebtem Herzstillstand, anhaltender ventrikulärer Tachykardie, der Implantation eines ICD (oder einer entsprechenden IA-Indikation) sowie einer neu auftretenden oder sich verschlechternden Herzinsuffizienz (HR 0.97, 95 % KI: 0.73–1.28; 95 (11.8 %) Ereignisse vs. 98 (12.2 %) Ereignisse) (19). Allerdings war die Studie unterpowert, da die beobachtete Ereignisrate mit 12.2 % in der Kontrollgruppe deutlich niedriger war als erwartet (20 % in der Kontrollgruppe) (20). Die REMINDER- und ALBATROSS-Studien zeigten, dass Patienten, die zusätzlich zu einer Revaskularisation bereits mit einer doppelten Plättchenhemmung, Statin, ACE-Hemmer sowie Betablocker nach einem ACS behandelt wurden und keine Hinweise auf eine HFrEF hatten, nicht von einem MRA profitierten. Kürzlich wurden zudem die Ergebnisse der CLEAR-Synergy-Studie veröffentlicht, in der Spironolacton bei Patienten mit ACS im Vergleich zu Placebo untersucht wurde (21). Die Studie randomisierte 7062 Patienten mit STEMI (95 %) oder NSTEMI (5 %) und zusätzlichen Risikofaktoren (LVEF ≤ 45 %; T2DM, koronare Mehrgefässerkrankung, vorheriger Myokardinfarkt, Alter > 60 Jahre) zu Placebo oder Spironolacton. Analysiert wurde ein kombinierter Endpunkt aus Herzinfarkt, Schlaganfall, neuer oder verschlechterter Herzinsuffizienz, kardiovaskulärem Tod und Gesamtsterblichkeit. Spironolacton senkte das Risiko für das Auftreten des kombinierten Endpunktes nicht (HR 0.89, 95 % KI 0.73–1.08; p = 0.23). Zusammenfassend konnte bisher nicht überzeugend gezeigt werden, dass steroidale MRA nach einem ACS bei Patienten ohne HFrEF die Morbidität und Sterblichkeit positiv beeinflussen.

Unerwünschte Wirkungen etablierter MRA

Trotz der Klasse-I-Empfehlung für Spironolacton und Eplerenon zur Behandlung der HFrEF werden MRA bei etwa zwei Drittel der Patienten nicht konsequent eingesetzt, da sie zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen führen können (22–24). Neben den anti-androgenen Wirkungen des Spironolactons, wie Gynäkomastie, Impotenz und progesterogenen Effekten wie Amenorrhoe, können ein Abfall der eGFR und Hyperkaliämien den Einsatz limitieren. Im Fall von Spironolacton liegt dies darin begründet, dass es eine mangelnde Affinität für den MR des Herzens aufweist und etwa 10-mal stärker am MR der Niere und den Androgen- und Progesteronrezeptoren wirkt (22, 25). Eplerenon hingegen weist zwar eine höhere Spezifität für kardiale MR auf, ist jedoch insgesamt weniger potent, sodass höhere Dosierungen notwendig sind. Zusätzlich weist Eplerenon ebenso wie Spironolacton eine höhere Anreicherung in den Nieren als im Herzen auf (25) (Tab. 1).

Insbesondere die renalen Nebenwirkungen werden bei gleichzeitig bestehender CKD verstärkt (26). Die CKD ist eine der häufigsten Komorbiditäten der Herzinsuffizienz und bei etwa 50 % der Patienten mit Herzinsuffizienz zu finden (27). Damit stellt die CKD einen bedeutenden limitierenden Faktor zur Etablierung einer MRA-Therapie dar. Spironolacton sollte bei Patienten mit einer eGFR ≤ 30 ml/min/1.73 m2 oder einem Serum-Kreatinin von ≥ 1.8 mg/dl nur vorsichtig verordnet werden. Eplerenon sollte ebenfalls nur bei Patienten mit einer eGFR ≥ 30 ml/min/1.73 m2 zur Anwendung kommen und bei einer eGFR von 30–50 ml/min/1.73 m2 wird zur besonderen Vorsicht und zur Dosisreduktion geraten. Zusätzlich entsteht durch die Blockade der Aldosteron-Rezeptoren eine gesteigerte Natriurese und eine Abnahme des intravasalen Volumens, wodurch es konsekutiv zu einer vermehrten Resorption von Kalium kommt. Dies begünstigt die Entstehung von Hyperkaliämien (3, 28), so verdoppeln steroidale MRA das Risiko für die Entstehung einer Hyperkaliämie bei Patienten mit CKD (29). Daher sollten Eplerenon und Spironolacton bei einem Serum-Kalium ≥ 5.5 mmol/l dosisreduziert und bei einem Serumkalium ≥ 6.0 mmol/l pausiert werden oder mit Medikamenten zur Senkung der Kaliumkonzentration kombiniert werden (zum Beispiel Patiromer (30)).

Finerenon – ein neuer nicht-steroidaler MRA

In den letzten Jahren wurden einige selektive MRA entwickelt. Am weitesten fortgeschritten ist die Entwicklung und Untersuchung des nichtsteroidalen, spezifischen MRA Finerenon. Abgeleitet von einer Dihydropyrimidin-Struktur (gleiche Klasse wie die L-Typ Kalziumkanalblocker Nifedipin, Nimodipin und Amlodipin) weist Finerenon eine höhere Spezifität für kardiale MR auf als Spironolacton und eine höhere Potenz und Rezeptoraffinität als Eplerenon (25, 28, 31). Finerenon hat eine inhibitorische Konzentration, bei der 50 % der Rezeptor-Aktivität herabgesetzt ist (IC50), von 17.8 nMol für den MR. Diese liegt im Vergleich dazu für Spironolacton bei 24 nMol und für Eplerenon bei 990 nMol. Zusätzlich besitzt Finerenon eine besondere Selektivität mit einer mehr als 500-fach höheren Bindungsaffinität an den MR als an die Androgen-, Progesteron- und Glukokortikoid-Rezeptoren (31). Präklinische Experimente konnten zeigen, dass sich die aktiven Metabolite zu nahezu gleichen Anteilen in den Nieren und dem Herzen anreichern (32) (Tab. 1).

Finerenon bei Patienten mit diabetischer CKD

Im Jahr 2020 wurde die FIDELIO-DKD (Finerenone in Reducing Kidney Failure and Disease Progression in Diabetic Kidney Disease) Studie veröffentlicht. In diese randomisierte (1 : 1), placebokontrollierte, doppelblinde, multizentrische Studie wurden 5734 Patienten mit diabetischer Nephropathie eingeschlossen. Patienten mit einer UACR von 30–300 mg/g und einer eGFR von 25–60 ml/min/1.73 m2 mit diabetischer Retinopathie oder einer UACR von 300–5000 mg/g und einer eGFR von 25–75 ml/min/1.73 m2 konnten teilnehmen (33). Alle Patienten wurden bereits mit einem ACE-Hemmer oder AT1-Blocker in maximal tolerierter Dosis behandelt. Der zusammengesetzte primäre Endpunkt war definiert als renaler Tod, Verlust der eGFR von > 40 % (über 4 Wochen) und terminale CKD (Einleitung einer Dialyse, Nierentransplantation oder eGFR < 15 ml/min/1.73 m2). Als sekundäre Endpunkte wurden kardiovaskulärer Tod, nicht-tödlicher Herzinfarkt oder Schlaganfall, sowie Hospitalisierungen infolge einer dekompensierten Herzinsuffizienz definiert. Patienten mit einer eGFR > 60 ml/min/1.73 m2 wurden mit 20 mg/d Finerenon behandelt, Patienten mit einer eGFR < 60 ml/min/1.73 m2 mit 10 mg/d. Die 10 mg/d Dosis wurde nach 30 Tagen gesteigert, wenn das Serum-Kalium bei < 4.8 mmol/l lag. Nach einem medianen Follow-Up von 2.6 Jahren führte Finerenon zu einer signifikanten Senkung des zusammengesetzten primären (HR 0.82; 95 % KI: 0.73–0.93; p = 0.001; number needed to treat (NNT) = 29) und sekundären Endpunkts (HR 0.76; 95 % KI: 0.65–0.90; p = 0.03; NNT = 42), sowie der Einzelkomponenten des primären Endpunkts. Auch die Einzelkomponenten des sekundären Endpunkts konnten signifikant gesenkt werden mit Ausnahme von nicht-tödlichen Schlaganfällen (33). Die FIDELIO-DKD Studie zeigte somit, dass Finerenon eine effektive und sichere Reduktion von klinisch relevanten renalen Endpunkten bei Patienten mit diabetischer Nephropathie bewirken kann. Finerenon reduzierte zusätzlich auch, gemäss einer Subanalyse von FIDELIO-DKD, das Risiko für eine Erstmanifestation von Vorhofflimmern (34).

Die Finerenone in Reducing Cardiovascular Mortality and Morbidity in Diabetic Kidney Disease (FIGARO-DKD) Studie randomisierte 7437 Patienten mit T2DM und einer UACR von 30–300 mg/g sowie einer eGFR von 25–90 ml/min/1.73 m2 bzw. einer eGFR > 60 ml/min/1.73 m2 und einer UACR von 300–5000 mg/g auf eine Therapie mit Finerenon oder Placebo (35). Primärer Endpunkt war eine Kombination aus kardiovaskulärem Tod, nicht-tödlicher Herzinfarkt oder Schlaganfall, sowie Hospitalisierungen infolge einer dekompensierten Herzinsuffizienz. Der sekundäre Endpunkt war definiert als eine Zusammensetzung aus Nierenversagen und anhaltendem Verlust der eGFR > 40 % über 4 Wochen (35). Durch die Finerenon-Therapie wurde der primäre Endpunkt signifikant reduziert im Vergleich zur Placebo-Behandlung (HR 0.87; 95 % KI: 0.76–0.98; p = 0.03). Die Reduktion des primären Endpunktes wurde hauptsächlich durch eine Reduktion der Hospitalisationsraten beeinflusst (HR 0.71; 95 % KI: 0.56–0.90). Der zusammengesetzte sekundäre Endpunkt unterschied sich nicht statistisch signifikant zwischen den beiden Gruppen (HR 0.87; 95 % KI: 0.76–1.01) (35). Die Therapie mit Finerenon war sicher, lediglich Hyperkaliämien traten in der Finerenon-Gruppe häufiger auf als in der Placebo-Gruppe (10.8 % vs. 5.3 %; p < 0.0001). Finerenon führt also zu einer Reduktion des kombinierten kardiovaskulären Endpunktes, hauptsächlich bedingt durch eine Reduktion von HHF. Die kardiovaskuläre Sterblichkeit wurde nicht signifikant beeinflusst. Verglichen mit der FIDELIO-DKD-Studie, untersuchte FIGARO-DKD auch Patienten mit besserer Nierenfunktion. Hierbei ist zu beachten, dass die FIDELIO-DKD-Studie entworfen wurde, um renale Effekte der Finerenon-Therapie zu untersuchen und die FIGARO-DKD-Studie zur Evaluation kardiovaskulärer Effekte. Die FIGARO-DKD Studie zeigte, dass mit Finerenon ein neuer Therapieansatz für Patienten mit diabetischer CKD zur Senkung der kardiovaskulären Morbidität und Sterblichkeit zur Verfügung steht.

Die Patientenkollektive der FIGARO-DKD und FIDELIO-DKD Studien wurden in den FIDELITY-Analysen zusammengefasst (n = 13 026). Das Gesamtkollektiv umfasste damit Patienten in den CKD-Stadien 1–436. Die FIDELITY-Analyse zeigte, dass Finerenon über das gesamte Patientenkollektiv den zusammengesetzten kardiovaskulären Endpunkt, bestehend aus kardiovaskulärer Tod, nicht-tödlicher Schlaganfall oder Herzinfarkt sowie HHF (HR 0.86; 95 % KI: 0.78–0.95; p = 0.0018) und den zusammengesetzten renalen Endpunkt (Nierenversagen, eGFR Verlust von ≥ 57 % über 4 Wochen, Tod infolge einer CKD) signifikant senkte (HR 0.77; 95 % KI: 0.67–0.88; p = 0.0002) (36). Der kardiovaskuläre Endpunkt wurde dabei hauptsächlich durch eine Reduktion von HHF beeinflusst (HR 0.78; 95 % KI: 0.66–0.92; p = 0.003). Die Einzelkomponenten des renalen Endpunkts wurden signifikant reduziert mit Ausnahme des renalen Todes. Insgesamt 573 Fälle von Hyperkaliämien wurden in der Finerenon-Gruppe dokumentiert (vs. 249 in der Placebogruppe). Darüber hinaus wies Finerenon ein sehr gutes Verträglichkeitsprofil auf (36). Die FIDELITY-Studie unterstützte also die Ergebnisse der beiden vorangegangenen Studien und bestätigte die vorteilhaften Effekte von Finerenon auf das kardiovaskuläre und renale Outcome bei Patienten mit leichter bis schwerer diabetischer Nephropathie.

Kürzlich wurde zudem eine Subgruppenanalyse der FIDELITY-Studie hinsichtlich vorbestehender atherosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankungen (ASCVD) durchgeführt. Insgesamt 5935 Patienten mit ASCVD wurden identifiziert, die ein erhöhtes Risiko (im Vergleich zu Patienten ohne ASCVD) für das Auftreten des zusammengesetzten kardiovaskulären Endpunktes aufwiesen (37). Finerenon senkte unabhängig von einer vorbestehenden ASCVD den zusammengesetzten primären Endpunkt. Es konnte gezeigt werden, dass Finerenon ausserdem bei Patienten mit CKD, T2DM und einer vorbestehenden ASCVD zu einer signifikanten Reduktion des Auftretens von nichttödlichen Herzinfarkten führte und die Sterblichkeit signifikant senkte.

Finerenon bei Patienten mit HFpEF

Die FINEARTS-HF (Finerenone Trial to Investigate Efficacy and Safety Superior to Placebo in Patients with Heart Failure) Studie randomisierte 6016 Patienten mit einer LVEF ≥ 40 % 1 : 1 zu Finerenon (maximale Dosis 20–40 mg) oder Placebo (38). Als Endpunkt wurde der Komposit aus Herzinsuffizienzevents (ungeplante Hospitalisierung oder ungeplante Vorstellung wegen Herzinsuffizienz) und kardiovaskulärem Tod gewählt. Etwa 85 % der Patienten wurden bereits mit einen Betablocker, etwa 80 % mit einem RAAS-Inhibitor und knapp 14 % mit einen SGLT-2 Inhibitor behandelt. Nach einer medianen Nachbeobachtung von 32 Monaten wurde eine signifikante Reduktion des zusammengesetzten Endpunktes durch Finerenon gezeigt (RR 0.84; 95 % KI 0.74–0.95; p = 0.007). Getrieben wurde diese Endpunktreduktion vor allem durch weniger Herzinsuffizienz-Ereignisse (842 vs. 1024; p = 0.006). Die kardiovaskuläre Sterblichkeit wurde nicht signifikant reduziert (242 vs. 260 Todesfälle). Ferner führte Finerenon zu einer Symptomverbesserung um 1.6 Punkte im Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire im Vergleich zu Placebo, jedoch nicht zu einer signifikanten Verbesserung der NYHA-Klasse (38). Hinsichtlich der Sicherheit unterschied sich die Anzahl der unerwünschten Events nicht in den beiden Gruppen, unter Finerenon kam es allerdings häufiger zu einer Hyperkaliämie. Ähnlich wie die SGLT-2-Inhibitoren konnte auch Finerenon die kardiovaskuläre Sterblichkeit nicht signifikant bei Patienten mit einer LVEF ≥ 40 % senken; die FINEARTS Studie bleibt dennoch eine positive Studie, da Finerenon sicher und effektiv Herzinsuffizienzevents reduzierte. Kritisch anzumerken bleibt, dass nur etwa 14 % der Patienten in beiden Gruppen einen SGLT-2-Inhibitor einnahmen, eine Therapie, die während Durchführung der Studie zu einer Leitlinienempfehlung bei HFpEF wurde (38).

Studien, die den Einsatz von Finerenon bei Patienten mit HFrEF (LVEF < 40 %) testen sind aktuell geplant und wären wichtig, um diese Substanzklasse auch in diesem Patientenkollektiv anwenden zu können (FINALITY-HF A Study to Evaluate Finerenone on Clinical Efficacy and Safety in Patients With Heart Failure Who Are Intolerant or Not Eligible for Treatment With Steroidal Mineralocorticoid Receptor Antagonists; NCT06033950). Bislang fehlen klinische Studien, die einen direkten Vergleich von Finerenon gegen Spironolacton bzw. Eplerenon untersuchen.

MRA-Effekt über das gesamte Spektrum an linksventrikulärer Ejektionsfraktion

Zeitgleich mit der FINEARTS-HF Studie wurde eine Metaanalyse veröffentlicht, die auf individuellen Patientendaten der RALES, EMPHASIS-HF, TOPCAT-HF und FINEARTS-HF-Studie basierte (39). Die Metaanalyse zeigte, dass MRA vor allem zur Behandlung der HFrEF wirksam sind und in diesem LVEF-Phänotyp die kardiovaskuläre Sterblichkeit um 28 % (HR 0.72 95 % KI 0.63–0.82) und HHF um 40 % senkt (HR 0.60 95 % KI 0.52–0.69). Bei Patienten mit HFpEF sind die Effekte weniger ausgeprägt: Bei diesen Patienten wird die kardiovaskuläre Sterblichkeit nicht signifikant gesenkt (HR 0.92 95 % KI 0.80–1.05), jedoch die HHF Rate um 18 % (HR 0.82 95 % KI 0.74–0.90). Diese Unterschiede können auf verschiedene Arten erklärt werden. Dass nsMRA die Sterblickeit von Patienten mit HFpEF nicht senken, könnte am konkurrierenden Risiko dieser Patienten an anderen (nicht-kardiovaskulären) Erkrankungen liegen. Ferner muss beachtet werden, dass die Hintergrundtherapie der Patienten in TOPCAT-HF (insbesondere Device-Therapien) und FINEARTS-HF (14 % bereits mit SGLT-2 Inhibitoren behandelt) besser gewesen ist als beispielsweise in RALES und EMPHASIS.

Mögliche Vorteile einer Kombination aus MRA und SGLT-2 Inhibitoren

Die Annahme, dass die Kombination aus MRA und SGLT-2 Inhibitoren additive Vorteile bringen könnte, erscheint plausibel (40). Eine Meta-Analyse mit 21 947 Patienten überprüfte die Effekte einer solchen Kombination bei Patienten mit Herzinusffizienz unabhängig von der LVEF (41). Die Analyse kam zu dem Ergebnis, dass die Kombination effektiver hinsichtlich der Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen und kardiovaskulärem Tod war, verglichen mit einer Behandlung mit nur einer der Substanzklassen. Zudem war die Hyperkaliämierate bei Patienten, die mit der Kombination behandelt wurden, niedriger als bei denen, die nur einen MRA erhielten (42). Die synergistischen Effekte einer Therapie mit MRA und SGLT-2 Inhibitoren werden prospektiv in der CONFIRMATION-HF Studie evaluiert.

Finerenon für wen?

Seit Februar 2022 hat Finerenon (Handelsname Kerendia®), eine EU-Zulassung zur Therapie von Patienten mit CKD im Stadium 3–4 mit einhergehender Proteinurie und zugrundeliegendem T2DM. In Abhängigkeit der eGFR und des Serum-Kaliumspiegels können Dosen zwischen 10–20 mg täglich verordnet werden. In der Schweiz kann Finerenon gemäss der Spezialitätenliste bei Patienten mit einem Kalium ≤ 5.0 mmol/l, einer seit ≥3 Monate bestehenden CKD (definiert als eGFR 25–59 ml/min/1.73 m2 und UACR >30 mg/g oder eGFR 25–75 ml/min/1.73 m2 und UACR >300 mg/g) und einer persistierenden UACR >300 mg/g trotz einer Behandlung mit einem RAAS-Inhibitor und SGLT-2 Inhibitor begonnen werden.

Schlussfolgerung

MRA sind effektive Substanzen zur Therapie der HFrEF und CKD mit einhergehender Proteinurie. Eine Therapie mit steroidalen MRA kann mit relevanten, insbesondere renalen aber auch extrarenalen unerwünschten Arzneimittelwirkungen einhergehen, wodurch der klinische Einsatz dieser Substanzen limitiert sein kann. Finerenon, ein neuer, selektiver nsMRA, ist mit weniger renalen und extrarenalen Nebenwirkungen assoziiert und bietet damit potenzielle Vorteile. Bei Patienten mit diabetischer Nephropathie im Stadium 1–4 senkte Finerenon das Auftreten von kardiovaskulärer und renaler Endpunkte (Abb. 1). Zusätzlich kann Finerenon bei Patienten mit Herzinsuffizienz und einer LVEF ≥ 40 % die Hospitalisierungsraten wegen Herzinsuffizienz senken. Weitere Studien, die insbesondere den Einfluss einer kombinierten Therapie aus SGLT-2 Inhibition und nsMRA testen, werden aktuell durchgeführt (43).

Dr. med. Felix Götzinger
Dr. med. Michael Kunz
Dr. med. Lucas Lauder
Prof. Dr. med. Felix Mahfoud
Universitäres Herzzentrum Basel
Universitätsspital Basel
Am Petersgraben 4, 4031 Basel

Copyright
Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Felix Götzinger

Universitäres Herzzentrum Basel
Universitätsspital Basel
Am Petersgraben 4, 4031 Basel

Prof. Dr. med. Felix Mahfoud

Universitäres Herzzentrum Basel
Universitätsspital Basel
Am Petersgraben 4, 4031 Basel

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

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Cardio Flash

Erreichen der LDL Zielwerte mit hochdosiert Statin oder Komination Statin/Eztimib

Muss eine lipid-senkende Therapie mit einem hoch dosierten Statin begonnen werden, oder kann auch ein niedrig dosiertes Statin mit Ezetimib eingesetzt werden? Zwei grosse randomisierte Studien sind dieser Frage nachgegangen. Die RACING-Studie untersuchte, ob 10 mg Rosuvastatin plus 10 mg Ezetimib gleich wirksam ist wie 20 mg Rosuvastatin (1). Die LODESTAR-Studie untersuchte, ob ein Auftitration mittels wiederholter Verdoppelung der Statindosis oder die zusätzliche Gabe von Ezetimib wirkungsvoller ist (2). Eine Meta-Analyse mit den Patientendaten der beiden Studien hat eine überraschend klare Antwort ergeben (3). Mit der Kombinationstherapie (Statin in niedriger oder mittlerer Dosis plus Ezetimib) wurde eine leicht bessere Senkung des LDL-Werts erzielt und damit, nicht-überraschend, war die Anzahl klinischer Endpunkte (Mortalität, Myokardinfarkt, Schlaganfall oder koronare ­Revaskularisation) nach drei Jahren ähnlich. Bei gleicher Wirksamkeit zeigte die Kombinationstherapie jedoch eine bessere Sicherheit. Unter der Kombinationstherapie entwickelten ­signifikant weniger Patienten einen Diabetes oder benötigten neu eine antidiabetische Therapie. Zudem stoppten wegen anderer Nebenwirkungen auch deutlich weniger Patienten die Kombinationstherapie.

Diese Studien etablieren die Kombination aus Statin plus Ezetimib als zumindest gleichwertige Therapie gegenüber der hoch dosierten Statintherapie. Aus pragmatischer Sicht (gleich gute Wirksamkeit, weniger Nebenwirkungen, bessere Adhärenz) ist das Verschreiben eines niedrig dosierten Statins plus Ezetimib zu Beginn der lipidsenkenden Therapie eine vernünftige Alternative zum hochdosierten Statin.

Prof. Dr. med. Franz Eberli

Literatur
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3. Lee YJ et al. JAMA Cardiol 2025;10(2):137-144

Nüchtern vor PCI – nicht nötig!

Lange Jahre wurden alle Patienten vor einer Koronarografie oder einer perkutanen koronaren Intervention nüchtern gehalten. Die Notwendigkeit dieser Massnahme ist nicht evidenzbasiert. Deshalb haben einige Spitäler schon vor Jahren diese Regel aufgehoben. Eine Meta-Analyse (1) von sieben Studien mit insgesamt 2752 Patienten bringt nun eine klare Antwort: Das Nüchternhalten resultierte nicht in weniger Aspirationspneumonien, jedoch tendenziell zu mehr Hypoglykämien und akuten kontrastmittelinduzierten Niereninsuffizienzen. Patienten, die essen und trinken durften, waren zufriedener, weil sie frei von Hunger und Durst blieben. Sie hatten weniger Angst und benötigten weniger Anxiolytika. Da weniger Interventionen verschoben werden mussten, zahlte sich das freie Essen und Trinken auch ökonomisch aus – elektive Koronarinterventionen können sicher nach Mahlzeiten und mit Trinken ad libitum durchgeführt werden. Im Sinne einer patientenzentrierten Behandlung kann die Praxis des Nüchternhaltens vor Koronarinterventionen und anderen kleinen Eingriffen, wie PFO Verschluss, Ablation eines Vorhofflatterns und perkutane Schrittmacherimplantation aufgegeben werden.

Prof. Dr. med. Franz Eberli

Literatur
1. S. Ibrahim et al. Circ Cardovasc Interv 2025;18:e015089. Doi 10.1161/CIRCINTERVENTIONS.124.015089

Therapie des Eisenmangels bei Herzinsuffizienz: FAIR-HF2 setzt ein neues Fragezeichen

Eisenmangel ist eine häufige Komorbidität bei Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz. Eisenmangel geht nicht nur mit einer reduzierten körperlichen Leistungsfähigkeit und eingeschränkten Lebensqualität einher, sondern ist auch mit einer ungünstigeren Prognose assoziiert. Unabhängig vom Vorliegen einer Anämie erhöht Eisenmangel die Mortalität sowie die Rate herzinsuffizienzbedingter Hospitalisationen.

Basierend auf mehreren randomisierten Studien und Metaanalysen empfiehlt das 2023 veröffentlichte Update der ESC-Leitlinien zur Behandlung der Herzinsuffizienz die intravenöse Eisensubstitution als Klasse-I-Indikation (Evidenzlevel A) zur Verbesserung von Symptomen und Lebensqualität bei Patientinnen und Patienten mit HFrEF oder HFmrEF und Eisenmangel (definiert als Ferritin < 100 ng/mL oder Ferritin 100–299 ng/mL bei gleichzeitiger Transferrinsättigung < 20 %). Für die Reduktion von Hospitalisationen wurde die Empfehlung als Klasse IIa (Evidenzlevel A) eingestuft – trotz der zeitgleich publizierten Ergebnisse der HEART-FID-Studie (1), der bislang grössten Untersuchung zu diesem Thema. Diese zeigte keinen signifikanten Einfluss auf Hospitalisierungsraten. Kritisch diskutiert wurden im Anschluss der HEART-FID-Publikation unter anderem eine möglicherweise zu hohe Transferrinsättigung der Studienteilnehmer sowie ein unzureichendes Dosierungsschema.

Die kürzlich im JAMA publizierte FAIR-HF2-Studie (2) setzt nun ein weiteres Fragezeichen hinter die aktuelle Evidenzlage. In 70 europäischen Zentren wurden 1105 Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz (LVEF <45 %) und Eisenmangel (mittleres Ferritin 73 µg/L; mittlere Transferrinsättigung 18 %) randomisiert entweder mit intravenöser Ferricarboxymaltose oder Placebo behandelt. Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 16 Monate. Im Vergleich zu früheren Studien wurde in FAIR-HF2 ein bewusst höheres Dosierungsschema gewählt (initial bis zu 2 g, anschliessend 500 mg alle vier Monate). Trotz der intensiveren Eisensubstitution war der Unterschied in der Rate herzinsuffizienzbedingter Hospitalisationen nicht signifikant (26.4 % vs. 33.4 %; p = 0.12). Auch hinsichtlich der 6-Minuten-Gehstrecke zeigte sich kein relevanter Gruppenunterschied. Bemerkenswert: Die Transferrinsättigung hatte keinen prädiktiven Wert für das Ansprechen auf die Therapie – ein Befund, der frühere Annahmen infrage stellt, wonach insbesondere Patientinnen und Patienten mit einer Transferrinsättigung < 20 % von einer Eisengabe profitieren.

Sechzehn Jahre nach der ersten FAIR-HF-Studie, die den Grundstein für die intravenöse Eisensubstitution bei Herzinsuffizienz legte, stellt FAIR-HF2 nun zentrale Aspekte dieser Therapieoption infrage – und damit auch deren Stellenwert in der künftigen Behandlungslandschaft der Herzinsuffizienz.

Prof. Dr. med. Otmar Pfister

Literatur
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2. Anker SD et al. Intravenous Ferric Carboxymaltose in Heart Failure with Iron Deficiency: The FAIR-HF2 randomized Trial, JAMA 2025

Colchizin – wenig wirksam in der Sekundärprävention!

Entzündung ist ein integraler Bestandteil der Pathophysiologie der Arteriosklerose und des akuten Koronarsyndroms. Colchizin
hat anti-inflammatorische Wirkung und damit einen potenziellen Nutzen in der Sekundärprävention. Die grosse CLEAR-Studie
findet jedoch keinen Nutzen von niedrig dosiertem Colchizin in der Nachbehandlung nach einem akutem Koronarsyndrom. Diese
Befunde werden durch zwei grosse negative Studien in der Sekundärprävention nach Schlaganfall unterstützt.

Hintergrund

Die wichtige Rolle der Inflammation bei der Entstehung der Arteriosklerose und insbesondere der Pathophysiologie des akuten Koronarsyndroms ist bekannt. Die ausgedehnte klinische Prüfung anti-inflammatorischer Interventionen blieb jedoch bis jetzt frustrierend negativ. So hat die anti-inflammatorische Wirkung von Canakinumab, ein Interleukin-1β-Inhibitor, zwar die koronaren Ereignisse reduziert, aber gleichzeitig zu mehr tödlichen Infektionen geführt. Colchizin entwickelt seine anti-inflammatorische Wirkung durch die Hemmung der Neutrophilen und von Interleukin-1 sowie Interleukin-6. Eine Studie in der Nachbehandlung des Myokardinfarkts (COLCOT-Studie) (1) und eine Studie beim chronischen Koronarsyndrom (LODOCO-2-Studie) (2) fanden Colchizin zur Verhinderung von kardiovaskulären Ereignissen hilfreich. Aufgrund dieser Studien hat das FDA Colchizin für die Sekundärprävention zugelassen. Laut Empfehlung der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie soll Colchizin für die Sekundärprävention erwogen werden.

CLEAR-Studie: Kein Nutzen bei Patientennach Myokardinfarkt

Die Patienten in der grossen multizentrischen, multinationalen CLEAR-Studie wurden früh nach durchgemachtem Myokardinfarkt zu niedrig dosiertem Colchizin (0.5mg/Tag) (n=3528) oder zu Placebo (n=3534) randomisiert und über drei Jahre nachverfolgt (3). Der primäre Wirkungsendpunkt bestand aus einer Kombination von kardiovaskulärem Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall und ungeplanter koronarer Revaskularisation. Sicherheitsendpunkte waren nicht-kardiovaskulärer Tod und Infektionen. Colchizin senkte das CRP (median -1.28 mg/dl) als Hinweis auf seine anti-inflammatorische Wirkung. Trotzdem trat der primäre Endpunkt in beiden Gruppen gleich häufig auf (9.1% vs. 9.3% = ns). In keinem der einzelnen Endpunkte zeigte sich eine Tendenz zu einem Nutzen von Colchizin. Colchizin erhöhte jedoch auch nicht die nicht-kardiovaskulären Todesfälle. Hingegen verursachte Colchizin vermehrt Diarrhoe (10.6% vs. 6.6%; p<001).

Vergleich zu früheren Studien

Wie sind diese negativen Resultate der CLEAR Studie angesichts der positiven Befunde von COLCOT und LODOCO-2 zu verstehen? Einfach zu erklären sind die Unterschiede nicht, aber vielleicht handelt es sich um ein «Regression-to-the-Mean» Phänomen. Dieses Phänomen bezeichnet die Beobachtung, dass deutliche positive oder negative Resultate in kleinen Studien in genügend grossen Studien nicht mehr nachgewiesen werden können. In der CLEAR-Studie traten 649 Endpunktereignisse auf. In der COLCOT-Studie mit 301 Endpunktereignissen waren die Unterschiede zwar signifikant, aber gering (1). Die LODOCO-2-Studie entstand durch das Zusammenführen einer australischen und einer holländischen Studie (2). Mit 451 Endpunktereignissen war die Studie recht gross. Bemerkenswert ist aber, dass sich in der holländischen Studie kein Nutzen von Colchizin fand, während Colchizin in der kleinen australischen Studie einen Vorteil für Colchizin ergab. Aufgrund ihrer Grösse ist die CLEAR-Studie als die stärkste und definitivere Evidenz zu betrachten.

Keinen Nutzen von Colchizin nach Schlaganfall

Zwei grosse Studien prüften den Wert von Colchizin in der Sekundärprävention nach Schlaganfall. Die CHANCE-3-Studie untersuchte bei 8345 Patienten, ob Colchizin über drei Monate nach Schlaganfall die Schlaganfallrate und die kardiovaskulären Ereignisse reduzierte (4). Die Studie fand keinen Hinweis auf einen Nutzen von Colchizin während dieser kurzen Nachbeobachtungszeit. Die CONVINCE Studie verfolgte 3154 Patienten nach Schlaganfall über 34 Monate und fand ebenfalls keinen Hinweis auf einen Nutzen von Colchizin beim Verhindern von kardiovaskulären Ereignissen (5).

Neueste Meta-Analysen

Soeben sind in zwei Meta-Analysen die Resultate der CLEAR-Studie in Relation zu bisherigen Studien gesetzt worden. Eine erste Meta-Analyse von d’ Entremont et al. schloss neun Studien ein (6). Die zweite Meta-Analyse von Samuel et al. untersuchte sechs Studien mit einer Nachbeobachtungszeit von >12 Monaten (7). Interessanterweise haben beide Meta-Analysen auch die kleine LODOCO Studie (8), welche durch ihre überwältigend positiven Resultate die weiteren Studien inspiriert hatte, eingeschlossen. Dies, obwohl die Studie erstens nicht Placebo kontrolliert war und zweitens Patienten, welche das Colchizin nicht vertrugen, im Lauf der Studie durch neue Patienten ersetzt wurden. Auffallend ist zudem, dass in der Meta-Analyse von Samuel (7) die COPS-Studie (9), die einen neutralen Effekt von Colchizin berichtete, durch das Weglassen von einigen Komponenten des primären Endpunkts nun als hochsignifikant positive Studie in die Meta-Analyse eingeflossen ist. Zudem wurde für die Meta-Analyse von Samuel (7) eine statistische Methode verwendet, welche die kleinen Studien überbewertet (10).

Trotz dieser Colchizin begünstigenden Anlage der Meta-Analysen findet sich nur ein geringer Nutzen für Colchizin bei der Sekundärprävention der koronaren Herzkrankheit. Die kardiovaskuläre Mortalität wird nicht verbessert. Über zwei Jahre kommt es zu einer absoluten Risikoreduktion für einen Myokardinfarkt von 0.67% (NNT 149) und zu 1% (NNT100) weniger koronarer Revaskularisationen (6).

Nebenwirkung und Sicherheit von Colchizin

Als häufigste Nebenwirkung von Colchizin wird in den Studien, welche dies gemessen haben, von gastro-intestinalen Symptomen und Diarrhoe (~10%) berichtet. Die Meta-Analyse von d’Entremont fand ein 0,55% erhöhtes absolutes Risiko für eine Hospitalisation wegen gastro-intestinalen Nebenwirkungen (NNH 181) (6). Andere gefürchtete Sicherheitsprobleme, wie häufigere Pneumonien, nicht-kardiovaskuläre Todesfälle oder Karzinomleiden, wurden nicht festgestellt.

Schlussfolgerung

Die Resultate der grossen, sorgfältig durchgeführten CLEAR-Studie und der beiden Studien bei Schlaganfallpatienten haben (leider) Colchizin als anti-inflammatorische Therapie in der Sekundärprävention der koronaren Herzkrankheit und des Schlaganfalls entzaubert. Colchizin hat keinen klinisch bedeutenden Nutzen in der Sekundärprävention. Das Suchen nach besseren anti-inflammatorischen Medikamenten geht weiter (10).

Prof. Dr. med. Franz R. Eberli

Stadtspital Zürich Triemli
Klinik für Kardiologie
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich

franz.eberli@triemli.zuerich.ch

1. W COLCOT Trial. New Engl J Med 2019;381:2497-505
2. LODOCO 2 Trial. New Engl J Med 2020;383:1838-47
3. CLEAR Trial. New Engl J Med 2025;392:633-42
4. CHANCE-3 Trial. BMJ 2024;385:e079061
5. CONVINCE Trial. Lancet 2024;404:125-33
6. MA d’Entremont et al. Eur Heart J 2025;46:2564-2575
7. M Samuel et al. Eur Heart J 2025:46:2552-2563
8. LODOCO Trial JACC 2013;61:404-410
9. COPS Trial. Circulation 2020;142:1890–1900
10. Pocock Sj et Mendieta G. Eur Heart J 2025;46:2576-2578

Joint ESC-EACTS/STS-SSC/SSCS Guidelines

Der Jahreskongress 2025 der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie (SGK) fand gemeinsam mit der Schweizerischen Gesellschaft für Herz- und thorakale Gefässchirurgie (SGHC) in Zürich statt. Partnergesellschaften waren Swiss Association for Nursing Science, Swiss Cardiovascular Therapists, Swiss Society of Emergence and Rescue Medicine, Swiss Society for Hypertension, Swiss Society of Pediatric Cardiology, Swiss Society of Perfusion. Im Zentrum standen aktuelle kardiovaskuläre Leitlinien und ihre klinische Umsetzung. Im Folgenden werden die wichtigsten Neuerungen ausgewählter ESC-, EACTS- und STS-Guidelines zu Hypertonie, Vorhofflimmern, chronischem Koronarsyndrom, Aortensyndromen sowie peripheren Gefässerkrankungen vorgestellt.

Erhöhter Blutdruck und Hypertonie

Prof. Dr. John William McEvoy aus Galway

Prof. Dr. John William McEvoy aus Galway, Irland, der Co-Vorsitzende der Guidelines Task Force, stellte zunächst die neuen ESC-Kategorien vor. Vereinfacht lauten sie für die Messung in der Praxis wie folgt:
Eine initiale Monotherapie wird auch für hypertensive Patienten mit moderater bis schwerer Gebrechlichkeit empfohlen.
• Nicht erhöht: < 120/70mmHg.
• Erhöht: 120–139/70–89mmHg.
• Hypertonie: ≥ 140/90mmHg.

Wann sollte eine medikamentöse Behandlung eingeleitet werden?

Eine medikamentöse Therapie wird bei einem Praxis-Blutdruck unter 120/70mmHg nicht empfohlen. Bei Werten zwischen 120 und 139mmHg bzw. 70 und 89mmHg hängt der Therapiebeginn von weiteren Risikofaktoren und der Anamnese ab. Bei Werten ≥ 140/70mmHg soll eine medikamentöse Therapie begonnen werden. In internationalen Erhebungen stieg die Rate erhöhter systolischer Blutdruckwerte (SBP) von 110 bis 115 und von 140mmHg zwischen 1990 und 2015 trotz einiger Unsicherheiten in den Schätzungen erheblich an, und auch die mit erhöhten SBP verbundenen DALYs und Todesfälle nahmen zu. Etwa 30 % der durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachten behinderungsbereinigten Lebensjahre (DALYs) treten bei Personen mit einem systolischen Blutdruck zwischen ca. 120 und 140mmHg auf.

Die Behandlung der resistenten Hypertonie

Die neuen Empfehlungen zur medikamentösen Behandlung sehen bei Patientinnen und Patienten mit erhöhtem Blutdruck und erhöhtem kardiovaskulärem Risiko eine initiale Monotherapie vor, wenn der systolische Blutdruck ≥ 130 mmHg beträgt. Auch bei über 85-jährigen hypertensiven Patientinnen und Patienten mit moderater bis schwerer Gebrechlichkeit oder orthostatischer Hypotonie wird eine initiale Monotherapie empfohlen.

Bei Patientinnen und Patienten mit Hypertonie sollte die Therapie mit einer niedrigen Dosis begonnen werden. Darauf folgt eine Verdopplung der Kombinationstherapie, anschliessend der Einsatz einer niedrig dosierten Tripelkombination und schliesslich eine schrittweise Dosiserhöhung.

Gemäss dem ALARA-Prinzip («As Low As Reasonably Achievable») soll das Blutdruckziel so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar gehalten werden – vorzugsweise < 140 mmHg –, wenn Werte zwischen 120–129 mmHg nicht toleriert werden oder in folgenden Situationen:
• Vorbehandelte Personen mit symptomatischer orthostatischer Hypotonie und/oder einem Alter ≥ 85 Jahre (Empfehlungsklasse IIa)
• Klinisch signifikante, moderate bis schwere Gebrechlichkeit in jedem Alter und/oder begrenzte prognostizierte Lebenserwartung (< 3 Jahre) (Klasse IIb)

Das Ziel für den systolischen Blutdruck liegt bei 120–129mmHg (Klasse I), das Ziel für den diastolischen Blutdruck bei 70–79mmHg (Klasse IIb). Eine ambulante Blutdruckmessung (ABPM) oder eine Selbstmessung zu Hause (HBPM) wird gegenüber der Praxis-Blutdruckmessung bevorzugt.

Liegt der Praxisblutdruck bei ≥ 140/90 mmHg trotz drei oder mehr blutdrucksenkender Medikamente in maximal tolerierter Dosierung – einschliesslich eines Diuretikums –, sollte eine Überweisung an ein Hypertoniezentrum erwogen werden (Klasse IIa). Dabei sollen eine sekundäre oder pseudo-resistente Hypertonie ausgeschlossen sowie die antihypertensive Medikation optimiert werden (idealerweise eine Dreifachkombination).

Bei einer echten behandlungsresistenten Hypertonie wird Spironolacton empfohlen. Falls dieses nicht vertragen wird, kann Eplerenon eingesetzt werden (Klasse IIa). Wenn Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten (MRA) unwirksam oder unverträglich sind, kann die Zugabe eines Betablockers erfolgen (sofern nicht bereits aus zwingender Indikation verschrieben). Bleibt die Hypertonie dennoch unkontrolliert, sollten intensivierte medikamentöse Optionen in Erwägung gezogen werden, wie Alphablocker, zentral wirkende Antihypertensiva sowie kaliumsparende Diuretika.

Ein multidisziplinärer Ansatz im Management von Patientinnen und Patienten mit erhöhtem Blutdruck und Hypertonie wird empfohlen, einschliesslich einer angemessenen und sicheren Aufgabenverlagerung (Empfehlungsklasse I/A). Zudem kann eine renale Denervation in Betracht gezogen werden – unter Einbezug einer gemeinsamen Risiko-Nutzen-Abwägung und idealerweise in einem mittel- bis hochvolumigen Zentrum.

ESC 2024 Guidelines for Atrial Fibrillation

Prof. Dr. Isabelle C. Van Gelder

Über die Schlüsselelemente der ESC Guidelines 2024 für Vorhofflimmern sprach Prof. Dr. Isabelle C. Van Gelder aus Groningen.

Prinzipien des Betreuungsansatzes – das C.A.R.E.-Modell

Die ESC empfiehlt einen strukturierten Ansatz zur Behandlung von Vorhofflimmern, zusammengefasst im C.A.R.E.-Modell:
C – Comorbidity: Management von Komorbiditäten und Risikofaktoren
A – Avoid: Vermeidung thromboembolischer Ereignisse
R – Reduce: Reduktion von Symptomen durch Frequenz- und Rhythmuskontrolle
E – Evaluate: Kontinuierliche Evaluation und dynamische Neubewertung

Grundsatz: Risikofaktoren zuerst adressieren

Ein breites Spektrum an Komorbiditäten und Risikofaktoren steht im Zusammenhang mit dem Wiederauftreten und Fortschreiten von Vorhofflimmern. Der Umgang mit diesen ist von zentraler Bedeutung für den Erfolg anderer Aspekte der Versorgung von Patienten mit Vorhofflimmern. Die Behandlung dieser Faktoren unterstützt:

• die Linderung von Symptomen durch Frequenz- und Rhythmuskontrolle,
• die Senkung des mit der Antikoagulation verbundenen Blutungsrisikos,
• die Reduktion unerwünschter Wirkungen.

Die Identifizierung und Behandlung dieser Komorbiditäten und Risikofaktoren ist ein zentraler Bestandteil einer wirksamen Behandlung von Vorhofflimmern. Dadurch verbessern sich die Ergebnisse für die Patienten und ein Wiederauftreten von Vorhofflimmern wird verhindert.
Ein integriertes Management von Vorhofflimmern umfasst die Identifikation und aktive Behandlung aller relevanten Komorbiditäten und Risikofaktoren (Empfehlungsklasse I). Zentrale Elemente dieses Ansatzes sind die Festlegung individueller Zielwerte sowie eine gemeinsame Entscheidungsfindung zwischen medizinischem Fachpersonal und Patientin oder Patient. Dabei sollen realistische, erreichbare Ziele – beispielsweise im Hinblick auf Verhaltensänderungen – definiert werden, mit besonderem Fokus auf die wichtigsten beeinflussbaren Einflussfaktoren. Informationen sind dabei klar und strukturiert zu vermitteln, ohne die Betroffenen zu überfordern.

Bei einer Hypertonie wird eine Blutdruckbehandlung mit dem Ziel von 120–129mmHg/70–79mmHg bei den meisten Erwachsenen empfohlen (oder so niedrig wie angemessen erreichbar) (Klasse I).

ESC-Guidelines 2024: Chronisches Koronarsyndrom – Diagnostik, Therapie und neue Konzepte

Prof. Dr. Christian Vrints

Prof. Dr. Christian Vrints aus Antwerpen präsentierte zentrale Neuerungen der ESC-Leitlinien zum chronischen Koronarsyndrom (CCS). Thematisiert wurden ein neues pathophysiologisches Konzept, eine aktualisierte Definition, ein stufenweiser diagnostischer Ansatz, ein überarbeiteter Diagnosealgorithmus sowie revidierte Empfehlungen zur medikamentösen Therapie und koronaren Revaskularisation.

Chronische Koronarsyndrome umfassen ein Spektrum klinischer Erscheinungsformen, die auf strukturelle und/oder funktionelle Veränderungen zurückzuführen sind.

Diese Veränderungen führen zu chronischen Erkrankungen der Herzkranzgefässe und/oder zu Störungen der Mikrozirkulation. Auslöser für Symptome können körperliche Belastung, psychischer Stress oder emotionale Reize sein. Das klinische Bild reicht von asymptomatischen Verläufen mit abnormalen funktionellen oder anatomischen Testergebnissen über Angina pectoris oder Angina-Äquivalente ohne (ANOCA/MINOCA) oder mit obstruktivem Koronarsyndrom bis hin zu stabilisierten Phasen nach akutem Koronarsyndrom (ACS), perkutaner Koronarintervention (PCI) oder koronarer Bypass-Operation (CABG). Auch Patienten mit linksventrikulärer Dysfunktion oder ischämischer Herzinsuffizienz gehören in dieses Spektrum.

Vierstufiger Management-Ansatz bei Verdacht auf CCS

Bei Personen mit Verdacht auf ein chronisches Koronarsyndrom soll die Abklärung in vier Schritten erfolgen.

• Schritt 1: Zunächst erfolgt eine klinische Erstuntersuchung. Wenn keine nicht-kardialen Ursachen der Symptome identifiziert werden, ist die zugrunde liegende Erkrankung gezielt zu behandeln.
• Schritt 2: Bei sehr niedriger klinischer Wahrscheinlichkeit für eine obstruktive KHK (≤ 5 %) kann auf weiterführende Tests zunächst verzichtet werden.
• Schritt 3: Der Fokus liegt auf der Sicherung der Diagnose sowie der besseren Risikoeinschätzung hinsichtlich zukünftiger kardiovaskulärer Ereignisse. Hierbei sind ANOCA/INOCA als mögliche Diagnosen zu berücksichtigen. Die Koronar-CT-Angiographie (CCTA) dient zur Detektion obstruktiver KHK und als Basis für eine gezielte Risikofaktormodifikation. Ergänzend sollen krankheitsmodifizierende medikamentöse Therapien sowie gegebenenfalls eine antithrombotische Behandlung eingeleitet werden.
• Schritt 4: Die therapeutischen Massnahmen zielen auf die Verbesserung der Prognose durch Lebensstiländerung und Kontrolle kardiovaskulärer Risikofaktoren. Dabei stehen eine krankheitsmodifizierende medikamentöse Therapie sowie nicht-medikamentöse Massnahmen im Vordergrund.

Ein neuer diagnostischer Algorithmus wurde ebenfalls vorgestellt. Bei Fehlen einer obstruktiven KHK ist die Behandlung entsprechend dem ANOCA-Konzept auszurichten. Eine differenzierte Beurteilung ist insbesondere bei Patientinnen mit multiplen kardiovaskulären Risikofaktoren, einer Anamnese von Präeklampsie, wiederholten Fehlgeburten oder vorzeitiger Menopause indiziert.

Antianginöse Therapie

Die Auswahl der Antianginosa wird an die Charakteristik des Patienten, Begleiterkrankungen, gleichzeitige Medikamente, Verträglichkeit der Behandlung und die zugrunde liegende Pathophysiologie der Angina angepasst, wobei auch die lokale Verfügbarkeit von Medikamenten und die Kosten berücksichtigt werden (I/C).

Empfehlungen zur antithrombotischen Therapie

Bei Patienten mit chronischem Koronarsyndrom und vorherigem Myokardinfarkt oder remote PCI wird Clopidogrel 75mg täglich als eine sichere und effektive Alternative zu Aspirin-Monotherapie empfohlen (I/A).

Bei Patienten mit chronischem Koronarsyndrom, die sich einem Stenting mit hohem thrombotischem Risiko unterziehen, kann Prasugrel oder Ticagrelor (zusätzlich zu Aspirin) anstatt Clopidogrel während des ersten Monats und bis zu 3–6 Monate in Betracht gezogen werden (IIb/C).
Bei Patienten mit chronischem Koronarsyndrom, oder stabilem akutem Koronarsyndrom, die sich einer PCI unterzogen haben, und initial mit auf Ticagrelor DAPT behandelt wurden, mit hohem ischämischem Risiko, aber ohne hohes Blutungsrisiko, kann Ticagrelor-Monotherapie (90mg b.i.d) als Alternative zur dualen oder andere Einzelantiplättchentherapie in Betracht gezogen werden (IIb/C).

Bei Patienten mit hohem Blutungsrisiko, aber ohne hohes Ischämierisiko, ist die Einstellung der DAPT 1–3 Monate nach PCI und die Fortsetzung mit Einzel-Antiplättchen-Therapie empfohlen (I/A).

Langzeit antithrombotische Therapie bei chronischem Koronarsyndrom und orale Antikoagulation

Bei Patienten mit CCS mit einer Langzeit-Indikation für orale Antikoagulation ist gegen Vorhofflimmern eine therapeutische Dosis von VKA allein oder vorzugsweise eines DOAC allein (ausser, wenn kontraindiziert) lebenslang empfohlen (I/B).

Bei Patienten mit einer Indikation für orale Antikoagulation, die sich einer PCI unterziehen, ist initial niedrigdosiertes Aspirin einmal täglich empfohlen (Ladungsdosis, wenn nicht auf Erhaltungsdosis) zusätzlich zu oraler Antikoagulation und Clopidogrel (I/C).

Bei Patienten, die für eine orale Antikoagulation wählbar sind, ist ein DOAK (ausser, wenn kontraindiziert) einem VKA vorzuziehen (I/A).
Zu wählen, nach sorgfältiger Evaluation, vorzugsweise durch das Herz Team:

– Bis 6 Monate bei Patienten ohne hohes ischämisches Risiko oder bis zu 12 Monate bei Patienten mit hohem ischämischem Risiko, gefolgt von oraler Antikoagulation allein, empfohlen (I/A).

Revaskularisation versus konservative Therapie

Im Hinblick auf die Entscheidung zwischen Revaskularisation und konservativ-medikamentöser Therapie betont die Leitlinie eine differenzierte Nutzen-Risiko-Abwägung. Bei Patient:innen mit chronischem Koronarsyndrom und eingeschränkter linksventrikulärer Funktion besteht ein erhöhtes Risiko für unerwünschte Ereignisse im Rahmen einer obstruktiven KHK. Wesentliche Faktoren für die Therapieentscheidung sind die Ausprägung der LV-Dysfunktion, bestehende Komorbiditäten, die Lebenserwartung, das individuelle Risiko-Nutzen-Verhältnis sowie die Patientenpräferenzen (Klasse I/C).

EACTS/STS-Leitlinien zur Diagnose und Behandlung akuter und chronischer Aortensyndrome

Wie die Aorta zum Organ wurde

Prof. Martin Czerny

Die Aorta als Organ – ihre anatomischen Strukturen, Klassifikationen, Scores und Definitionen, sowie die Diagnostik, Indikationsstellung, das Management und therapeutische Optionen – standen im Zentrum des Vortrags von Prof. Martin Czerny, Freiburg im Breisgau.

«Das Offensichtliche ist unmerklich, bis es wahrgenommen wird – Aorta 24. Organ des menschlichen Körpers» so der Referent. Die Guidelines empfehlen, die Aorta im Kontext eines Organs zu sehen, zu interpretieren und zu behandeln, wobei die Diagnose, Behandlung und Überwachung mit dieser Perspektive angegangen werden sollen (Klasse I/C). Die biologische Definition eines Organs ist «eine Sammlung von Geweben die strukturell eine funktionelle Einheit bilden, die für die Ausübung einer speziellen Funktion spezialisiert ist.»

Zentren, Teams, Wirkungen auf die Gesundheits­versorgung

In den Guidelines wird eine geteilte Entscheidungsfindung zur optimalen Behandlung von Aorta-Pathologien durch ein multidisziplinäres Team empfohlen (I/C). Bei Patienten mit multisegmentaler Aortaerkrankung ist eine Behandlung in Aortazentren, die offene und endovaskuläre Herz- und Gefässchirurgie vor Ort bieten, angezeigt (I/C). Der Transfer in ein Aortazentrum sollte für Patienten mit komplexen Aortapathologien in Betracht gezogen werden (IIa/B). Für endovaskuläre Aorta-Prozeduren ist ein hybrider Operatiossaal, einschliesslich eines integrierten Bildgebungssystems, empfohlen (I/C).

Chirurgische Empfehlungen für Aortenwurzel und ­aufsteigende Aorta

Die Indikationen zur operativen Versorgung richten sich differenziert nach Aneurysmalokalisation, Klappentyp (TAV oder BAV) und individuellen Risikokonstellationen:

• Bei Aneurysmen der Aortenwurzel oder des Rohrabschnitts bei trikuspidaler (TAV) oder bikuspidaler Aortenklappe (BAV) ist eine Operation ab einem Durchmesser von ≥ 55 mm empfohlen (Klasse I/B).
• Bei BAV-bedingter Aortopathie mit Wurzelphänotyp wird eine Operation bereits ab ≥ 50 mm empfohlen (Klasse I/B).
• Bei TAV-assoziierten Aneurysmen mit Wurzelphänotyp ist die chirurgische Behandlung ab ≥ 50 mm in einem Setting mit niedrigem chirurgischem Risiko zu erwägen (Klasse IIa/B).
• Bei aufsteigendem Phänotyp und niedrigem chirurgischem Risiko – unabhängig von TAV oder BAV – ist eine Operation ab > 52 mm in Betracht zu ziehen (Klasse IIa/C).

Für Patienten mit BAV-assoziierter Aortopathie und aufsteigendem Phänotyp sowie niedrigem chirurgischem Risiko sollte eine chirurgische Versorgung bereits ab 50 mm geprüft werden, wenn zusätzliche Risikofaktoren vorliegen: Alter < 50 Jahre, Körpergrösse < 169 cm, Aortenlänge > 11 cm, Wachstum > 3 mm/Jahr, positive Familienanamnese für Aortensyndrome, Aortakoarktation, refraktäre Hypertonie, gleichzeitige Herzklappenoperation oder auf Wunsch des Patienten im Rahmen einer gemeinsamen Entscheidung.

• Bei TAV-Patienten, die sich einer nicht-aortalen Herzklappenoperation unterziehen, sollte eine Mitbehandlung eines Aortawurzel- oder aufsteigenden Aneurysmas ab einem Durchmesser ≥ 50 mm erwogen werden (Klasse IIa/C).

• Bei Patienten mit aufsteigendem Aortenaneurysma, die sich einer Operation unterziehen, sollte ein gleichzeitiger Wurzelersatz bei ≥ 45 mm erwogen werden (Klasse IIa/C).

• Bei jungen Patienten mit familiärer Disposition für Typ-A-Dissektion oder bekannter hereditärer thorakaler Aortenerkrankung (HTAD), die sich einem aufsteigenden Ersatz unterziehen, kann ein niedrigerer Schwellenwert als 45 mm für den Wurzelersatz individuell erwogen werden (Klasse IIb/C).

Im Weiteren stellte der Referent Empfehlungen zur Kanülierung, zur bildgebenden Diagnostik, zur Indikationsstellung sowie zur Perfusion vor. Dabei sollte insbesondere berücksichtigt werden, die Aortenwurzel von Sinus zu Sinus zu vermessen, wobei der grösste gemessene Durchmesser als Referenzwert für klinische Entscheidungen herangezogen werden sollte.

Neben diesen Aspekten präsentierte er die Leitlinienempfehlungen zur Behandlung akuter Aortendissektionen vom Typ A, zum konzeptionellen Ansatz für das Management akuter Aortendissektionen vom Typ A, sowie zur Therapie von Dissektionen vom Typ B und non-A-non-B-Typen. Darüber hinaus wurden Empfehlungen für Erkrankungen des Aortenbogens, der absteigenden thorakalen Aorta, der infrarenalen Aorta und der ersten viszeralen Hauptäste, ebenso wie zur Überwachung von Aortapathien, thematisiert. Der Referent schloss mit folgenden Kernaussagen.

Kernaussagen der Leitlinien

Die Aorta ist das 24. Organ des menschlichen Körpers.

• Die Aortamedizin ist systemrelevant geworden und erfordert spezifische strukturelle Voraussetzungen im Gesundheitssystem.
• Eine vereinheitlichte Terminologie mit harmonisierten Klassifikationen, Scores und Definitionen ist entscheidend für eine gemeinsame Sprache – darunter TEM, GERAADA, Non-A/Non-B, Ishimaru-Zonen, Wurzelmorphologie, Endolecks und Kommerell.
• Ein internationaler Konsens zur Hypothermie-Klassifikation ermöglicht vergleichende Studien weltweit.
• Der natürliche Verlauf der Erkrankung ist heute deutlich besser verstanden und beeinflusst unter anderem Durchmesserindikationen und die klinische Risikobewertung (Linksverschiebung).
• Auch die Länge der Aorta spielt zunehmend eine Rolle im therapeutischen Entscheidungsprozess.
• Von entscheidender Bedeutung ist der Zugang zum gesamten therapeutischen Spektrum, inklusive aller chirurgischen und interventionellen Optionen, unter einem Dach.
• Gesellschaftsübergreifende Initiativen, insbesondere die Zusammenarbeit von ESC und EACTS, gelten als Schlüssel, um die Aortamedizin auf das nächste Niveau zu heben.

Periphere arterielle Verschlusskrankheit und ­Aortenerkrankungen

Prof. Dr. Lucia Mazzolai

«Aorta und periphere Arterien sind integrale Bestandteile desselben arteriellen Systems. Störungen in einem Gefässbett wirken sich häufig auf andere aus und beruhen auf ähnlichen Risikofaktoren», stellte Prof. Dr. Lucia Mazzolai aus Lausanne fest.

Die Integration verschiedener Leitlinien bietet kohärente und standardisierte Empfehlungen für die Behandlung arterieller Erkrankungen als Ganzes. Dies ermöglicht eine koordinierte Versorgung, reduziert Fragmentierung und verbessert die Behandlungsergebnisse insgesamt.

Behandlungskonzepte und diagnostisches Vorgehen

Für die Therapie der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAD) wird ein umfassender Ansatz empfohlen, der die gesamte arterielle Durchblutung berücksichtigt (Klasse I/B). Patienten mit PAD haben ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse (MACE), zerebrovaskuläre Erkrankungen sowie Major Adverse Limb Events (MALE) der unteren Extremitäten.
Die frühe Diagnose ist entscheidend für bessere Ergebnisse. Bei Patienten ab 65 Jahren mit kardiovaskulären Risikofaktoren sollte ein Screening auf PAD mittels ABI (Ankle-Brachial-Index) oder TBI (Toe-Brachial-Index) erwogen werden (Klasse IIa/C). Auch bei über 65-jährigen ohne Risikofaktoren kann ein Screening in Betracht gezogen werden (Klasse IIa/B).

PAD bei Typ-2-Diabetes, medikamentöse und ­interventionelle Therapie

Herzinsuffizienz und PAD gehören zu den häufigsten Erstmanifestationen kardiovaskulärer Erkrankungen bei Typ-2-Diabetes. Die unterschiedlichen relativen Risiken innerhalb dieser Patientengruppe beeinflussen die klinische Risikobewertung und das Studiendesign massgeblich.

Die optimale medizinische Therapie bei PAD umfasst eine multimodale Strategie aus Pharmakotherapie, überwachten körperlichen Trainingsprogrammen und Lebensstilmodifikation. Eine Revaskularisation wird bei asymptomatischer PAD nicht empfohlen (Klasse III/C, neue Empfehlung). Bei symptomatischen Patienten sollte sie erst nach einer Phase optimaler medizinischer Therapie und Bewegung erfolgen und in einer multidisziplinären Fallbesprechung erwogen werden.

Antihypertensive Therapie bei PAD

Bei Patienten mit PAD und Hypertonie wird ein systolisches Ziel von 120–129 mmHg angestrebt – sofern verträglich (Klasse I/A). ACE-Hemmer oder AT1-Rezeptorblocker (ARB) sollten als Erstlinientherapie erwogen werden (Klasse IIa/B). Auch unabhängig vom Blutdruck können ACEi oder ARB bei PAD-Patienten in Betracht gezogen werden, wenn keine Kontraindikationen bestehen (Klasse IIb/B).

Lipidsenkende Therapie bei PAD

Eine lipidsenkende Therapie wird bei atherosklerotischer PAD empfohlen (Klasse I/A), mit dem Zielwert LDL-C < 1.4 mmol/l und einer Reduktion um > 50 % gegenüber dem Ausgangswert (Klasse I/A). Statine sind bei allen Patienten mit PAD indiziert (Klasse I/A). Wird das Therapieziel nicht erreicht, ist die Kombination von Statinen mit Ezetimib angezeigt (Klasse I/B). Reicht auch diese Kombination nicht aus, ist der Einsatz eines PCSK9-Hemmers zur Zielerreichung zu empfehlen (Klasse I/A).

Antithrombotische Therapie bei PAD

Zur Reduktion von MACE bei symptomatischer PAD wird die Gabe von Aspirin (75–160 mg/Tag) oder alternativ Clopidogrel (75 mg/Tag) empfohlen (Klasse I/A). Nach Revaskularisation der unteren Extremitäten kann bei Patienten mit niedrigem Blutungsrisiko eine Kombination aus Rivaroxaban (2.5 mg b.i.d.) und Aspirin (100 mg/Tag) in Betracht gezogen werden (Klasse IIa/A).
Zur Primärprävention bei Patienten mit PAD und Diabetes kann Aspirin (75–100 mg/Tag) erwogen werden, sofern keine Kontraindikationen vorliegen (Klasse IIb/A). Eine routinemässige antithrombotische Behandlung asymptomatischer PAD-Patienten ohne klinisch relevante atherosklerotische Erkrankung wird nicht empfohlen (Klasse III/B).

Antidiabetische Therapie bei PAD

Bei Patienten mit PAD wird eine enge glykämische Kontrolle mit einem HbA1c < 7 % zur Vermeidung mikrovaskulärer Komplikationen empfohlen (Klasse I/A). SGLT2-Hemmer mit ­nachgewiesenem kardiovaskulärem Nutzen sollen bei Typ-2-Diabetes und PAD eingesetzt werden – unabhängig von HbA1c-Ausgangswerten oder anderen Glukose-senkenden Medikamenten (Klasse I/A).

Bewegungstherapie nach dem FITT-Prinzip

Walking gilt als bevorzugte Trainingsform. Ist dies nicht möglich, sollten alternative Trainingsmethoden wie Krafttraining, Radfahren oder kombinierte Modalitäten erwogen werden. Das FITT-Prinzip (Frequenz, Intensität – bezogen auf Claudicatio-Schmerz, Trainingszeit, Trainingsform) dient als Grundlage. Empfohlen wird eine Trainingsfrequenz von mindestens dreimal wöchentlich bei einer Dauer von jeweils mindestens 30 Minuten über mindestens 12 Wochen (Klasse IIa/B).

Ein Training bis zu moderaten bis starken Claudicatio-Schmerzen kann die Gehfähigkeit verbessern, Verbesserungen sind aber auch bei geringerer Schmerzbelastung möglich (Klasse IIb/B). Bei guter Toleranz kann die Trainingsintensität im Abstand von 1–2 Wochen stufenweise gesteigert werden.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Vom TARMED zum TARDOC

Liebe Kolleginnen und Kollegen

Auch wenn es heutzutage kaum mehr schwierige Zangengeburten gibt, hier hatten wir bestimmt eine. Es dauerte fast eine epische Ewigkeit, bis sich die Tarifpartner beim TARDOC einigen konnten. Und dann grätschte am Schluss noch die Pauschale in das zuletzt doch so sorgfältig austarierte neue TARDOC-System. Immerhin können wir jetzt mal starten.

Selbst wenn diverse Pauschalen noch nicht ausgereift sind, machen sie doch schon heute an einigen Orten Sinn. Die Entschädigungen beim Medical Freezing, der Fertilitätsprotektion bei Tumorpatientinnen und -patienten, wurden schon vor Jahren als Teilpauschalen ausgehandelt und haben sich – bisher als Provisorium – bewährt.

Mein Bruder, ein Anwalt, schmunzelt jeweils über die «sozialistischen» Honoraransätze in der Medizin. In seiner Kanzlei verrechnet der Partner mit langjährigster, erfolgreicher Erfahrung auf dem Gebiet selbstverständlich einen höheren Ansatz als der Praktikant. Auch bei den Handwerkern haben Lernende natürlich einen tieferen Stundenansatz als der erfahrene Fachmann. Nur in der Medizin ist das nicht so. Immerhin wird die erfahrene Kollegin mit den Pauschalen nun besser honoriert als der Anfänger, da sie die Leistung in einem bestimmten Zeitrahmen häufiger und zudem noch besser durchführen kann als der Kollege mit noch limitierter Erfahrung. So können die Pauschalen vorerst mal eine kleine, später mit den jährlichen Anpassungen wahrscheinlich sogar eine grosse und richtige Korrektur bringen.

Ist der TARDOC – wie von vielen Seiten angekündigt – nun das Gelbe vom Ei? Die einfache vaginale Ultraschalluntersuchung wird damit künftig schlechter honoriert, was sicher diverse konservativ tätige Kolleginnen und Kollegen kaum erfreuen dürfte. Immerhin gibt es aber eine gewisse Kompensation im Gespräch, das gemäss meiner NZZ-Lektüre über den TARDOC nun höher abgerechnet werden kann als früher – ein Hoffnungsschimmer also, dass nicht nur Technik, sondern auch ärztliche Reflexion und Empathie die Wertschätzung erhalten, die sie verdienen. Endlich folgen so auf Worte auch mal – finanzielle – Taten.

Ich hoffe auf einen guten Start des TARDOC und der Pauschalen. Denn es ist klar, dass die neuen Tarife nicht nur unser Einkommen bestimmen. Die neue Tarifordnung beeinflusst neben dem Honorar auch, wie die Medizin zukünftig in der Schweiz ­organisiert und priorisiert wird.

Herzliche Grüsse

Prof. em. Dr. med. Bruno Imthurn

Senior Consultant Kinderwunschzentrum
360° Zürich

bruno.imthurn@uzh.ch