Tollwut-Update 2025: das Wichtigste in Kürze

Die Schweiz gilt seit mehr als 20 Jahren als frei von terrestrischer Tollwut. Dennoch sind die Themen Tollwut und Tollwutimpfung aktueller denn je. Dies einerseits, da der Impfstoffbedarf aufgrund zunehmender Mobilität von Mensch und Tier steigt und es andererseits immer wieder zu Impfstofflieferengpässen kommt. Unser Artikel beleuchtet die wichtigsten Punkte angesichts wachsender Herausforderungen.

Schlüsselwörter: Tollwut, Impfungen, Impfstofflieferengpass, Mobilität

Einführung

Tollwut ist eine neurotrope Infektionskrankheit, die durch Lyssaviren verursacht wird und eine Bedrohung für mehr als drei Milliarden Menschen im Globalen Süden und darüber hinaus darstellt (1). Weltweit kommt es jährlich zu rund 60 000 Todesfällen bei Menschen, wobei die Dunkelziffer vermutlich deutlich höher liegt. Kinder sind die am meisten gefährdete Bevölkerungsgruppe (2).

Tollwutviren können grundsätzlich alle Säugetiere befallen, Hauptreservoir sind terrestrische Carnivoren und Fledermäuse. Tollwut wird durch Speichel erkrankter Tiere über Bisse, Kratzer oder Schleimhautkontakt auf den Menschen übertragen. Die Inkubationszeit variiert sehr stark von Tagen bis Jahren, liegt jedoch häufig bei 1–3 Monaten und zeichnet sich durch eine initiale extraneurale Replikationsphase am Expositionsort aus. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, will man den Verlauf noch günstig beeinflussen. Die Viren werden entlang der Nervenbahnen retrograd bis zum Zentralnervensystem (ZNS) transportiert, wo es nach unspezifischen Prodromalsymptomen wie Fieber, Kopfschmerzen sowie wiederauftretenden Schmerzen oder Juckreiz an der Expositionsstelle zum Ausbruch der Tollwuterkrankung mit einer rasch fortschreitenden, akuten Enzephalitis kommt (3, 4). Tollwut beim Menschen kann entweder «furios» (Hydrophobie, Speichelfluss, Aggressivität, Muskelspasmen) oder «paralytisch» (aufsteigende Lähmung, Verlust von Reflexen, sensorische Symptome, Koma) verlaufen und führt innerhalb von wenigen Tagen nach Beginn der Symptomatik zum Tod (4). Es bestehen keine kurativen Möglichkeiten, wenn die Erkrankung einmal ausgebrochen ist.

Für das Infektionsrisiko des Menschen sind die Reservoirtiere, in denen das Tollwutvirus zirkuliert, von Bedeutung (Abb. 1) (5): Die urbane Tollwut ist weltweit aufgrund der Nähe der Hunde zum Menschen für die allermeisten humanen Tollwutfälle verantwortlich. Obwohl sie in der Schweiz nicht mehr vorkommt, besteht das Risiko einer Einschleppung durch illegal importierte Tiere. Die silvatische Tollwut, welche in Wildtieren zirkuliert, fand in der Schweiz vor allem im Rotfuchs ein Reservoir und konnte durch Massenimpfaktionen ausgerottet werden. Diese beiden Übertragungszyklen werden zusammen als terrestrische Tollwut bezeichnet. Die Schweiz wurde 1999 als offiziell frei von terrestrischer Tollwut erklärt (6). Lediglich die Fledermaustollwut ist in der Schweiz noch selten zu finden. Seit 1992 wurde das Tollwutvirus bei insgesamt sechs Fledermäusen nachgewiesen, letztmals im September 2024 im Kanton Glarus (7).

Tollwut kommt auf allen Kontinenten, ausser in der Antarktis, vor. Für die Abschätzung des Infektionsrisikos des Menschen ist aber primär die geografische Verbreitung der urbanen Tollwut relevant (Abb. 2) (8). Besonders der afrikanische Kontinent, der indische Subkontinent, Südostasien und Bolivien weisen endemisch humane Tollwutfälle auf, während Westeuropa und Nordamerika frei von urbaner Tollwut sind.

Tollwutprävention auf dem Hintergrund zunehmender Mobilität

Relevanz – eine Frage der Mobilität

In der Schweiz sind die Berührungspunkte mit Tollwut selten geworden. Ausser bei den beruflich exponierten Personen aus Veterinärmedizin, Tierpflege und Labor kommt das Risiko einer Tollwutinfektion primär im Kontext von Mobilität von Mensch und Tier zur Sprache. Besonders im durch urbane Tollwut stark betroffenen Globalen Süden (Abb. 2) liegen zunehmend frequentierte Destinationen für Familienreisen, humanitäre Einsätze, Forschungs- oder Expataufenthalte. In Reiseberatungen ist deshalb bei entsprechenden Reiseplänen die Besprechung der Tollwutprävention absolut zentral. Hierbei ist auch die kumulative Tollwutexposition der Summe der Reisen und Auslandsaufenthalte relevant. Tollwut wäre an sich durch Impfungen komplett verhinderbar. Da eine Tollwutimmunisierung durch das immunologische Gedächtnis einen lebenslangen Schutz gewährt, bietet sich somit eine niederschwellige Impfung bei entsprechender Mobilitätsanamnese an. So gehören präexpositionelle Tollwutimpfungen zu den am häufigsten verabreichten Reiseimpfungen.

Auch die Mobilität von Tieren aus Endemiegebieten in die Schweiz ist ein wichtiges Thema. Trotz klarer Vorgaben zur Einreise mit einem Tier in die Schweiz werden immer wieder Tiere illegal eingeführt. Aufgrund der potenziell langen Inkubationszeit kann das Tollwutrisiko deshalb auch in der Schweiz bei Kontakt mit einem Tier unsicherer Herkunft relevant sein.
Gute Kenntnisse über Tollwut und deren Prävention sind deshalb auch in der tollwutfreien Schweiz wichtig.

Aktive und passive Tollwutimpfstoffe

In der Schweiz sind zwei aktive Totimpfstoffe für die Prä- und Postexpositionsprophylaxe zugelassen: Rabipur® und Tollwut-Impfstoff Mérieux® (Tab. S1). Sie sind bezüglich Antigenmenge und Dosierung vergleichbar und somit bei Bedarf austauschbar (4). Es gibt aber auch eine Vielzahl von in anderen Ländern verwendeten Tollwutimpfstoffen, welche in der Praxis in Impfausweisen bei im Ausland durchgeführten Impfungen zu finden sind. Wenn solche Impfstoffe den WHO-Anforderungen für humane Tollwutimpfstoffe entsprechen (3), können begonnene Impfserien in der Regel mit den in der Schweiz verfügbaren Impfstoffen komplettiert werden.

Zur passiven Immunisierung, welche stets in Kombination mit einer aktiven Impfung erfolgen muss, ist in der Schweiz humanes Tollwut-Immunglobulin zugelassen, das lokal um die Wunde infiltriert wird. Diese Antikörper neutralisieren noch nicht gebundenes Virus im Bereich der Expositionsstelle, bis die aktive Impfung wirksam wird.

Von Ende 2023 bis Mitte 2024 bestand in der Schweiz und teils im umliegenden Ausland ein Lieferengpass für beide in der Schweiz zugelassenen Tollwutimpfstoffe, der sich nun langsam wieder auflöst. Aufgrund dieser Situation gelten offiziell immer noch Ersatzempfehlungen (9), bei denen – je nach Lagerbestand – eine Priorisierung der Impfindikation ausgesprochen wurde. Während es bei postexpositionellen Impfungen aufgrund der vitalen Indikation keine Einschränkung gibt, musste im ersten Halbjahr 2024 vor allem die präexpositionelle Impfindikation sehr sorgfältig abgewogen und zudem auf die impfstoffsparende intradermale Applikationsform ausgewichen werden. Diese spezielle Impftechnik wird von spezialisierten reisemedizinischen Zentren angeboten. Sie ist zudem ausserhalb der offiziellen Zulassung (off-label) und kommt in der Regel nicht bei Kindern, immunsupprimierten Personen und in postexpositionellen Situationen zum Zuge und gestaltet sich noch immer systemisch herausfordernd. Die Aufhebung der Ersatzempfehlung liegt in der Hand der Behörden.
Auf die je nach Situation unterschiedlichen Impfschemata wird im Folgenden im Detail eingegangen.

Tollwut – Präexpositionsprophylaxe (PrEP)

Am Anfang aller Prävention steht die Vermeidung eines Kontakts mit unbekannten, kranken oder toten Tieren. Bei Personen mit vorhersehbar relevantem Risiko einer Tollwutexposition muss eine Präexpositionsprophylaxe (PrEP) evaluiert werden. Für Reisende sind hierfür folgende Aspekte entscheidend:

  • Individuelle Faktoren: Kinder, baldige oder schon bestehende Immunsuppression
  • Berufliche Risikofaktoren: humanitäre Einsätze, Veterinärmedizin, Arbeit in Tierheimen oder Tierauffangstationen
  • Sonstige Risikofaktoren: Wandern, Trekking, Velo-, Motorradfahren, Höhlenexpeditionen, lange Reisedauer, Reisen in abgelegene Regionen, fehlende lokale Verfügbarkeit von Tollwutimpfstoffen im Falle einer Exposition.

Wichtig ist darum, frühzeitig vor Reiseantritt das Risiko abzuschätzen und – bei entsprechender Indikation, aktuell auch unter Berücksichtigung der Ersatzempfehlung bei Impfstoffknappheit – die präexpositionelle Immunisierung einzuleiten.

Impfschema «vor dem Biss/Kratzer»

Eine PrEP beginnt mit der Primovakzination, die bei Immunkompetenten aus 2 und bei Immunkompromittierten aus 3 Impfdosen besteht (Tab. 1).

Da der Impfstoff altersunabhängig als hocheffektiv gilt und es praktisch kein Impfversagen gibt, braucht es keine routinemässigen Titerkontrollen (ausser bei beruflich exponierten und allenfalls bei immunsupprimierten Personen) (4). Für Reisende wird empfohlen, die Primovakzination spätestens 2 Wochen vor Abreise abzuschliessen, um mit vollem Impfschutz zu reisen. Bei Personen, die in < 7 Tagen verreisen oder aus anderen Gründen vor Abreise nicht die vollständige PrEP erhalten, kann die PrEP begonnen und zu einem späteren Zeitpunkt oder eventuell auch im Ausland abgeschlossen werden. Bereits eine erste Dosis führt zu einer guten Boosterantwort auf eine erneute Impfung im Rahmen einer Postexpositionsprophylaxe (10). Dennoch ist hier bei einer Exposition eine vollständige Postexpositionsprophylaxe indiziert (2).
Bei fortbestehendem oder erneutem Risiko wird gemäss Schweizer Empfehlungen einmalig eine Auffrischimpfung verabreicht, um den Langzeitimpfschutz zu optimieren (4). In der Reisemedizin ist dies bei erneuter Reise in ein Tollwutendemiegebiet der Fall. Das Intervall zur Primovakzination sollte mindestens 12 Monate (in Ausnahmefällen 4 Monate) (11) betragen, kann aber auch Jahre später sein.

Tollwut – Postexpositionsprophylaxe (PEP)

Beim infizierten Tier beginnt die Ausscheidung vom Virus mit dem Speichel in der Regel wenige Tage (bei Hund und Katze frühestens 10 Tage) vor klinischem Symptombeginn. Das Tier war also zum Zeitpunkt der Exposition des Menschen nicht infektiös, wenn es 10 Tage nach Exposition noch gesund ist (4).
Das Risiko einer Tollwuterkrankung nach Exposition gegenüber einem infizierten Tier hängt von verschiedenen Faktoren ab: Expositionsstelle am Körper, Ausprägung der Wunde, Viruslast in der Wunde, präexpositioneller Tollwutimpfstatus sowie Zugang zur Postexpositionsprophylaxe (PEP). Ohne Sofortmassnahmen liegt die Wahrscheinlichkeit einer Tollwuterkrankung bei ungeimpften Personen mit Exposition am Kopf bei 55%, an den oberen Extremitäten bei 22% und an den unteren Extremitäten bei 12% (2). So erklärt es sich auch, dass Kinder überdurchschnittlich durch tödlich verlaufende Tollwutinfektionen betroffen sind, zumal aufgrund der Körpergrösse Biss- oder Kratzwunden häufig in Kopfnähe passieren, was eine kürzere Inkubationszeit zur Folge hat. Zudem ist das Expositionsrisiko durch Spielen mit Tieren erhöht.

Das Vorgehen nach Exposition wird gemäss einer Risikobeurteilung festgelegt (Abb. 3) (4). Erfolgt die Exposition in einer Region mit Tollwutrisiko oder stammt das Tier aus einem enzootischen Gebiet, sollte unverzüglich eine PEP begonnen werden. Wenn nach Exposition die Möglichkeit besteht, das Tier über einen Zeitraum von 10 Tagen zu beobachten, und anschliessend durch einen Tierarzt bestätigt werden kann, dass dieses immer noch gesund ist, kann auf die letzte Impfdosis und die Titerkontrolle verzichtet werden. Im Zweifelsfall soll eine PEP begonnen werden, wenn initial nicht alle Informationen vorliegen. Die begonnene PEP kann immer abgebrochen werden, wenn im Verlauf eine potenzielle Tollwutexposition ausgeschlossen werden kann.

Erstmassnahmen nach Exposition

Tierkontakte in enzootischen Gebieten werden in Expositionskategorien eingeteilt (Tab. 2) (2). Eine Exposition liegt vor, wenn die Hautbarriere verletzt wurde oder ein Schleimhautkontakt mit Tierspeichel stattgefunden hat (Kategorie II und III). Hier ist eine Postexpositionsprophylaxe indiziert und sollte schnellstmöglich erfolgen, in jedem Fall aber vor Auftreten allfälliger Symptome.
Nach Exposition muss die Wunde – unabhängig vom Impfstatus – sofort während 15 Minuten mit viel Wasser und Seife ausgewaschen und grosszügig mit Povidon-Jod-Lösung desinfiziert werden. Tollwutviren sind von einer lipidhaltigen Hülle umgeben und durch Kontakt mit diesen Substanzen inaktivierbar. Reisenden wird empfohlen, Kernseife und jodhaltiges Desinfektionsmittel mitzunehmen, damit diese Massnahmen auch in abgelegenen Gebieten möglich sind. Dann sollte unverzüglich eine Ärztin/ein Arzt aufgesucht werden.

Impfschema «nach dem Biss/Kratzer»

Für den Ablauf der PEP ist entscheidend, ob eine Person vorgängig gegen Tollwut geimpft war (Abb. 4 A), also entweder als PrEP mindestens 2 Impfdosen oder eine vollständige PEP nach einer früheren Exposition erhalten hat. In diesem Fall reichen bei einer Exposition zwei Auffrischimpfungen im Abstand von 3 Tagen aus. Eine passive Immunisierung ist nicht notwendig, jedoch wird eine Titerkontrolle an Tag 14 empfohlen (4). In der Schweiz wird die Serologie in der Schweizerischen Tollwutzentrale am In­stitut für Virologie und Immunologie (IVI) in Bern, dem Nationalen Tollwut-Referenzlabor, durchgeführt.

Personen, die nicht oder unvollständig geimpft wurden (< 2 Impfdosen) oder deren Tollwutimpfstatus unbekannt ist, brauchen einen kompletten PEP-Impfzyklus (Abb. 4 B). Es werden 4 Einzeldosen (Tage 0/3/7/14) verabreicht und eine Titerkontrolle an Tag 21 durchgeführt (Impfschema Essen). Teilweise werden auch alternative PEP-Impfintervalle angewendet, wie beispielsweise das Impfschema Zagreb mit 1 Doppeldosis und 2 Einzeldosen (Tage 0/0/7/21) und Titerkontrolle an Tag 28 (alternativ Titerkontrolle bereits an Tag 21, gleichzeitig mit der 4. Impfdosis, um bei bereits ausreichendem Titer eine zusätzliche Konsultation zu sparen). Zusätzlich wird mit der ersten Aktivimpfung einmalig eine passive Immunisierung mit humanen Immunglobulinen empfohlen, die um die Wunde injiziert wird. Die Dosierung (maximal 20 IE/kg Körpergewicht) soll den anatomischen Gegebenheiten der Läsion angepasst werden. Eine Ampulle à 300 IE (2 ml) reicht auch bei Körpergewicht > 15 kg meist aus, ausser es handelt sich um sehr ausgedehnte oder multiple Verletzungen. Eine intramuskuläre Gabe von (allfällig verbleibenden) Immunglobulinen ist – ausser bei direkter Fledermaus- oder Schleimhautexposition – nicht indiziert, da dies den Schutz nur geringfügig erhöht (3). Wenn die Immunglobuline bei Impfbeginn nicht verfügbar sind, kann die Gabe bis zu 7 Tagen nachgeholt werden. Eine spätere Verabreichung ist nicht indiziert, zumal dies mit der durch die Aktivimpfung induzierten Antikörperbildung interferieren könnte (3, 4). Wurde im Rahmen eines früheren unvollständigen PrEP-Impfzyklus bereits einmalig eine Aktivimpfung verabreicht, braucht es einen kompletten aktiven PEP-Impfzyklus inklusive Immunglobulingabe.

In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass Immunglobuline im Ausland teilweise schwierig, gar nicht oder nur mit einem erheblichen finanziellen Aufwand erhältlich sind. Häufig kehren dann exponierte Reisende direkt nach Exposition oder mit im Ausland begonnenen Aktivimpfserien in die Schweiz zurück und werden in Praxen und Spitälern vorstellig. In diesen Fällen kann das Prozedere anhand folgender Fragen festgelegt werden: Können vom zeitlichen Ablauf her noch Immunglobuline appliziert werden (Impfbeginn vor < 7 Tagen)? Wurde eine Impfserie im Ausland begonnen und mit welchem Impfstoff? Mit welchen Intervallen wurde das Aktivimpfschema begonnen, und wann sind die nächsten Impfdosen und der Titer fällig? Wie sehen die Wundverhältnisse aus respektive braucht es eine chirurgische Nachversorgung oder/und ein Antibiotikum? Besteht noch ein genügender Tetanusschutz?

Obwohl eine Exposition als Notfall gilt, ist es für eine PEP nie zu spät. Auch wenn erst Monate oder Jahre später – häufig im Rahmen einer ärztlichen Konsultation oder reisemedizinischen Beratung – über eine frühere Exposition berichtet wird, ist eine PEP noch angezeigt. Jährlich erhalten mehr als 29 Millionen Menschen weltweit eine PEP, womit geschätzt Hunderttausende von Todesfällen verhindert werden können (12).

Im Gegensatz zu anderen Infektionskrankheiten induziert Tollwut während der potenziell langen Inkubationszeit vor Symptombeginn keinerlei Immunantwort, und auch das Virus ist nicht nachweisbar. Eine labordiagnostische Abklärung eines Expositionsverdachtes ist deshalb nicht möglich.

Spezialfall Fledermauskontakt

Die Herausforderung bei Fledermauskontakten ist die häufig unklare Expositionssituation. Aufgrund der kleinen spitzen Zähne sind Bissspuren von Fledermäusen häufig nicht gut oder gar nicht sichtbar. Gerade nach Auffinden einer Fledermaus im Schlafzimmer, dem Aufscheuchen einer Fledermaus auf dem Dachboden oder einer akzidentellen Berührung beim Joggen oder Velofahren im Wald ist die Verunsicherung meist sehr gross.

Grundsätzlich gilt in der Schweiz folgendes Vorgehen: Bei Aufwachen mit einer lebenden oder toten Fledermaus in geschlossenen Räumen oder wenn Personen keine verlässlichen Angaben zur Art des Kontaktes machen können (Kinder!), muss von einer Exposition ausgegangen werden (Kategorie III). Eine PEP ist indiziert (Abb. 4). Bei ungeimpften Personen wird eine PEP inklusive Immunglobuline begonnen. Bei nicht sichtbarer Bissverletzung sollen die Immunglobuline intramuskulär – nicht in gleicher Extremität wie die aktive Impfung – verabreicht werden. Sofern vorhanden, können tote Fledermäuse zur Untersuchung an die Tollwutzentrale geschickt werden (Achtung: nur mit Handschuhen anfassen!). Falls die Untersuchung auf Tollwut negativ ausfällt, kann eine begonnene PEP abgebrochen werden. Bei Antreffen einer Fledermaus im Freien oder drinnen im Wachzustand, ohne Auftreten eines Bisses, sind keine Massnahmen erforderlich (4).

Bei Personen, die in dem Beruf oder der Freizeit mit Fledermäusen zu tun haben, die ins Ausland zu grossen Fledermauskolonien reisen oder Höhlenexpeditionen planen, ist eine PrEP angezeigt.

Ausblick

Bis zum Jahr 2030 sollen nach WHO-Bestrebungen keine humanen Tollwutfälle nach Hundebissen mehr zu verzeichnen sein («Zero by 30») (13). Dieses hohe Ziel kann durch Impfung der Menschen allein jedoch nicht erreicht werden, sondern es braucht die Unterbrechung der Transmission in den Endemiegebieten durch Massenimpfung der Hunde. Damit ist die Tollwut ein Paradebeispiel für «One Health», wo offensichtlich wird, dass Mensch, Tier und Umwelt eng miteinander verknüpft sind. Diese grossen Herausforderungen können nur angegangen werden, wenn das Bewusstsein für die Zusammenhänge besteht und die Synergien genutzt werden. Eine Immunisierung von mindestens 70% der Hunde gilt als effizienteste Methode, um Tollwutübertragungen auf den Menschen zu verhindern (14). Die Impfung der Hunde fällt zudem kostengünstiger aus als die PEP der Menschen nach Hundebiss, die sich viele in den Endemiegebieten nicht leisten können. Um dies realistisch umsetzen zu können, braucht es einen sicheren Zugang zu Tollwutimpfstoffen für Menschen und Tiere, eine koordinierte Impfung von Mensch und Tier sowie Informationskampagnen zur Reduktion des Expositionsrisikos und zu den Sofortmassnahmen nach Exposition (13).

Bis anhin waren wir in der Schweiz in einer privilegierten Situation, dass beruflich exponierte Personen, Reisende und andere einem Tollwutrisiko ausgesetzte Personen meist niederschwellig und erschwinglich geimpft werden konnten. Anders als in den am stärksten betroffenen Regionen der Welt gab es bei uns zuverlässig genügend Impfstoff. Durch wiederkehrende Lieferengpässe, wie derjenige im Jahr 2024, werden auch uns Hürden aufgezeigt, wie sie in gewissen Regionen im Globalen Süden an der Tagesordnung sind.

Danksagung
Wir bedanken uns bei Dr. med. vet. PhD Barbara Wieland (Leiterin Institut für Virologie und Immunologie IVI, Bern) für die kritische Durchsicht.

PD Dr. med. MPH Alexia Anagnostopoulos

Zentrum für Reisemedizin der Universität Zürich
Departement Public & Global Health
Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention
Hirschengraben 84
8001 Zürich

alexia.anagnostopoulos@uzh.ch

Dr. med. Anita Niederer-Loher

Klinik für Infektiologie
Kantonsspital St. Gallen

Dr. med. vet. Daniela Hüssy

Institut für Virologie und Immunologie IVI
Schweizerische Tollwutzentrale
Bern

Dr. med. Cornelia Staehelin

Universitätsspital Bern, Klinik für Infektiologie
Freiburgstrasse 16p
3010 Bern

cornelia.staehelin@insel.ch

Prof. Dr. med. Jan Fehr

Zentrum für Reisemedizin der Universität Zürich
Departement Public & Global Health
Institut für Epidemiologie
Biostatistik und Prävention,
Universität Zürich
WHO Collaborating Centre for Travellers‘ Health

Die Autorinnen und der Autor haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

• Die Schweiz ist frei von terrestrischer Tollwut, aber nicht von Fledermaustollwut.
• Das Tollwutrisiko in der Schweiz ist primär assoziiert mit Mobilität von Mensch und Tier, vor allem auch mit vermehrter Reisetätigkeit.
• Tollwut ist durch Impfungen vollständig verhinderbar (präexpositionell/postexpositionell).
• Bei Exposition immer so rasch wie möglich eine Postexpositionsprophylaxe (PEP) beginnen.
• Eine Exposition ist immer ein Notfall, aber für eine PEP ist es nie zu spät.

1. Mindekem R, Lechenne MS, Naissengar KS et al. Cost Description and Comparative Cost Efficiency of Post-Exposure Prophylaxis and Canine Mass Vaccination against Rabies in N’Djamena, Chad. Front Vet Sci. 2017;4:38
2. World Health Organization. Rabies vaccines: WHO position paper. Wkly Epidemiol Rec. 2018 Apr 19;93(16):201-19
3. World Health Organization. WHO Expert Consultation on Rabies. Third report. 2018.
4. Bundesamt für Gesundheit, Arbeitsgruppe Tollwut der Eidgenössischen Kommission für Impffragen. Prä- und postexpositionelle Tollwutprophylaxe beim Menschen – Richtlinien und Empfehlungen. 27.01.2021
5. Institut für Virologie und Immunologie (IVI), Universität Bern. Tollwutzentrale: Die Epidemiologie der Tollwut (cited 2023 11 08, accessed 2024 02 22). URL: https://www.ivi.admin.ch/ivi/de/home/tollwutzentrale/tollwut-ch.html
6. Zanoni RG, Kappeler A, Müller UM et al. Tollwutfreiheit der Schweiz nach 30 Jahren Fuchstollwut. Schweiz Arch Tierheilk. 2000;142(8):423-9
7. Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen. Übersicht Tierseuchen: Tollwut beim Tier und beim Menschen (cited 2024 02 15, accessed 2024 11 22). URL: https://www.blv.admin.ch/blv/de/home/tiere/tierseuchen/uebersicht-seuchen/alle-tierseuchen/tollwut.html
8. World Health Organization. The Global Health Observatory – Rabies (accessed 2024 02 23). URL: https://www.who.int/data/gho/data/themes/topics/rabies
9. Bundesamt für Gesundheit, Eidgenössische Kommission für Impffragen. Krankheiten: Tollwut (cited 2024 02 05, accessed 2024 02 23). URL: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/krankheiten-im-ueberblick/tollwut.html
10. Overduin LA, Koopman JPR, Prins C et al. Boostability after single-visit pre-exposure prophylaxis with rabies vaccine: a randomised controlled non-inferiority trial. Lancet Infect Dis. 2024 Feb;24(2):206-216
11. Hatz C, Kling KK, Neumayr A et al. Neues Tollwutimpfschema in der Reisemedizin. Swiss Medical Forum. 2018;18(32):626-627
12. World Health Organization. Rabies: Key facts (cited 2023 09 20, accessed 2024 02 23). URL: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/rabies
13. World Health Organization. 10 facts on rabies. Wkly Epidemiol Rec. 2016 Oct 28;91(43):515-6
14. World Health Organization. Control of Neglected Tropical Diseases: Rabies (accessed 2024 03 05). URL: https://www.who.int/teams/control-of-neglected-tropical-diseases/rabies/animal-rabies

Einführung: Fuss

Aktuell erfolgen in der Schweiz ca. 40 % der orthopädischen Konsultationen aufgrund einer Symptomatik des Fusses oder des oberen Sprunggelenkes.

Die therapeutischen Möglichkeiten im Bereich des Fusses und Sprunggelenkes waren bis vor Kurzem sehr eingeschränkt. Durch die Vertiefung des biomechanischen Verständnisses am Fuss können heute viel mehr Erkrankungen am Fuss erfolgreich behandelt werden. Typische Beispiele aus der Sprechstunde werden in diesem Themenheft von Orthopäden, Kinderorthopäden und Sportmedizinern aufgearbeitet und sollen als Unterstützung/Leitfaden in der Beratung der Betroffenen in der Praxis helfen.

Als Metatarsalgien werden belastungsabhängige Schmerzen im Bereich des Vorfussballens bezeichnet. Sie können aufgrund verschiedener Pathologien am Vorfuss auftreten. Typischerweise lassen sie sich durch einfache Massnahmen wie Einlagenversorgung und Patientenschulung gut therapeutisch angehen. Insbesondere die neuen Erkenntnisse zu den Bandstrukturen an den Metatarsophalangealgelenken haben dazu beigetragen, dass sehr stark belastete Regionen am Fuss heute in den meisten Fällen erfolgreich therapiert werden können.

Das funktionelle Kompartmentsyndrom wird in der Praxis häufig verkannt. Durch die Veränderungen der Freizeitgewohnheiten ist die Inzidenz in den letzten Jahren jedoch stark angestiegen und kann zu einer starken Einschränkung der Lebensqualität, vor allem bei sportlich Aktiven, führen. Die Kenntnis des Krankheitsbildes und die frühe Diagnose desselben können in den meisten Fällen zu einer dauerhaften Beschwerdelinderung führen.

Fussulcera sind eine grosse Herausforderung für alle Beteiligten, sowohl für die Betroffenen als auch die behandelnden Experten. Durch die korrekte Diagnose der Ursache, die interdisziplinäre Behandlung und Betreuung können schwerwiegende Komplikationen vermindert werden. Durch die Früherkennung der zugrunde liegenden Pathologie und die rasche Einleitung der korrekten Therapie können das Risiko für Amputationen, Rezidive und Gesundheitskosten erheblich gesenkt werden.

Osteochondrale Läsionen werden häufig als Zufallsbefunde auf Standardröntgenbildern vorgefunden. Die asymptomatischen Herde bedürfen in der Regel keiner weiteren Therapie. Wichtig bei diesen Läsionen ist jedoch die Erkennung von anatomischen Risikofaktoren, um langzeitig Folgeschäden wie degenerative Leiden vorzubeugen. Diese können sekundär zu einer Destruktion des Gelenkes führen.

Um kaum ein anderes Krankheitsbild am Fuss gibt es so viele Mythen wie um den kindlichen Senkfuss. Dieser ist in vielen Fällen physiologisch und richtet sich im Wachstum meist selbst auf. Dennoch sind wir in der Praxis häufig mit Fragen konfrontiert, wie etwa: «Braucht es Einlagen/Physiotherapie; muss der Fuss operativ angegangen werden; ist das Tragen von falschem Schuhwerk ursächlich verantwortlich?»

Im aktuellen Themenheft Fuss werden die oben genannten Themen von anerkannten Experten aufgearbeitet. Ich wünsche Ihnen eine vergnügliche Lektüre.

Mit allerbesten Grüssen

Prof. Dr. med. Markus Knupp

Mein Fusszentrum AG
Allschwilerstrassse 14
4055 Basel

markus.knupp@meinfusszentrum.ch

Das funktionelle Kompartmentsyndrom – eine Ursache belastungsabhängiger Unterschenkelschmerzen

Das funktionelle Kompartmentsyndrom – auch bekannt als chronisches Logensyndrom oder chronic exertional compartment syndrome (CECS) – ist ein oftmals lang unerkannt bleibendes Krankheitsbild, welches in erster Linie junge, sportlich aktive Menschen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren betrifft. Pathophysiologisch kommt es zu einem schmerzhaften Druckanstieg in einer oder mehreren Muskellogen, meist ausgelöst durch sportliche Aktivität wie Rennen oder Springen oder wiederholte zyklische Belastungen (z.B. Bergaufgehen). Am häufigsten sind die Unterschenkel betroffen; es sind aber auch Kompartmentsyndrome der Arme, Oberschenkel, Füsse und sogar der paravertebralen Muskulatur beschrieben. Typischerweise manifestiert sich das funktionelle Kompartmentsyndrom durch reproduzierbar unter Belastung auftretende Unterschenkelschmerzen, die nach Beendigung der Aktivität zügig zurückgehen und häufig beidseitig vorliegen. Zur eindeutigen Diagnosestellung ist eine intrakompartimentelle Druckmessung erforderlich. Differenzialdiagnostisch sind vor allem vaskuläre Entrapments, Wirbelsäulenpathologien und Myopathien zu berücksichtigen. Die konservativen Therapiemassnahmen umfassen Detonisierung der Muskulatur, Gang-/Laufschule, Belastungsmodifikation, Optimierung der Biomechanik, Kompressionsstrümpfe, Dry Needling und Botulinumtoxininjektionen. Sollten die Beschwerden persistieren, ist eine endoskopisch assistierte Fasziotomie ein komplikationsarmer chirurgischer Eingriff mit hoher Erfolgsrate.

Schlüsselwörter: Funktionelles Kompartmentsyndrom, chronisches Kompartmentsyndrom, chronisches Logensyndrom, chronic exertional compartment syndrome

Historisches

Die Erstbeschreibung des funktionellen Kompartmentsyndroms geht zurück auf den britischen Militärchi­rurgen Edward Adrian Wilson (* 23.07.1872, † 29.03. 1912).

Der Polarforscher, Arzt und Ornithologe war Teilnehmer der ersten grossen Antarktisexpeditionen, u.a. der Terra-Nova-Expedition unter Robert Falcon Scott, die am 18. Januar 1912 den Südpol erreichte. In seinem Tagebuch beschrieb er, dass er während einer der Expeditionen starke Schmerzen in den vorderen Anteilen beider Unterschenkel verspürte. Die Symptome intensivierten sich mit jedem erneuten Trip, verschwanden jedoch immer wieder im Rahmen der Ruhephase. Im Laufe der Zeit entstanden dann sogar Ruheschmerzen, ein Hinweis für den schleichenden Übergang in ein subakutes Kompartmentsyndrom.

Die erste Beschreibung in der medizinischen Fachliteratur datiert von 1945, als die Symptomatik eines Soldaten als «acute ischaemia of the anterior tibial muscle and the long extensor muscles of the ­toes» benannt wird (Horn CE JBJS Am 1945; 27:615–622). Als sportassoziiertes Krankheitsbild beschreibt Mavor 1956 erstmalig einen Fussballspieler und nennt das Krankheitsbild «The anterior tibial syndrome» (Mavor GE, JBJS Br 1956; 68:513–517).

Epidemiologie

Die Inzidenz belastungsabhängiger Unterschenkelschmerzen im Sport wird mit 12.8%–82.4% angegeben (Rajasekaran 2012), wobei ca. 27–33% davon auf das funktionelle Kompartmentsyndrom entfallen. Insbesondere Laufsportler sind betroffen, aber auch Mannschaftssportler aus Sportarten mit hohem Lauf- oder Sprunganteil wie Fussball, Handball, Hockey, Tennis oder Badminton. Gute Daten zur Häufigkeit liegen ausserdem aus dem Militär vor, da die Kohorte der Rekruten gut untersuchbar ist, standardisierte lange Märsche absolviert werden und die körperliche Belastung oftmals in kurzer Zeit stark gesteigert wird, was ein Auslöser für das CECS sein kann. Man findet Zahlen von 1/2000 Neuerkrankungen. In unserer eigenen täglichen Praxis mit Spezialisierung auf das CECS sehen wir jede Woche mehrere Athlet/-innen mit CECS, sodass eine hohe Dunkelziffer anzunehmen ist.

Anatomie und Pathophysiologie

Der Unterschenkel wird durch die Faszien und die interossäre Membran zwischen Tibia und Fibula in insgesamt vier Kompartimente unterteilt (Abb. 1). Die anteriore Loge (rot) enthält die Extensorenmuskulatur sowie die A. und V. tibialis und den Nervus Peroneus profundus. Die fibulare Loge (blau) enthält die peroneale Muskelgruppe, die oberflächliche Beugerloge, den Triceps surae mit dem M. Plantaris und die tiefe Beugerlogen, die Zehenflexoren sowie den M. Tibialis posterior. Durch letztere laufen auch N. tibialis, A./V. tibialis posterior sowie A./V. fibularis. Eine Aufstellung aller Leitstrukturen und die konsekutiven Leitsymptome beim Vorliegen eines CECS kann der Tab. 1 entnommen werden.

Vom CECS abzugrenzen ist das akute Kompartmentsyndrom, bei dem es durch eine akute Volumenzunahme zu einer akuten Schmerzhaftigkeit durch den Druckanstieg im Kompartiment kommt. Am häufigsten tritt dies im Rahmen einer Einblutung durch eine grössere Verletzung, z.B. einer Unterschenkelfraktur, auf. Das akute Kompartmentsyndrom ist ein medizinischer Notfall, dem eine sofortige operative Versorgung zugeführt werden muss, da sonst irreversible Schäden der Muskulatur und der Nerven auftreten können.

Pathophysiologie und Klinik

Das CECS tritt gehäuft im Alter von 15–25 Jahren auf mit einem zweiten Plateau um das 50. Lebensjahr. Pathophysiologisch kommt es beim CECS zu einem schmerzhaften Druckanstieg in einer oder mehreren Muskellogen, meist ausgelöst durch sportliche Aktivität oder wiederholten zyklischen Belastungen. Am häufigsten sind die Unterschenkel betroffen; es sind aber auch Kompartmentsyndrome der Arme, Oberschenkel, Füsse und sogar der paravertebralen Muskulatur beschrieben.
Der genaue Pathomechanimus ist zwar noch nicht abschliessend geklärt, aber ein Circulus vitiosus durch ein Missverhältnis der nur bedingt dehnbaren Faszien und der Muskulatur, die unter Belastung eine Volumenzunahme von 20% erfahren kann, gilt als gesichert. Konkret führt offensichtlich der gesteigerte Blutfluss unter Belastung zu einer Volumenzunahme der Muskulatur. Dies hat einen Anstieg des intrakompartimentellen Druckes zur Folge, sodass die kleinsten Gefässe (Kapillaren) abgedrückt werden. Die weitere Folge ist eine Ischämie des Muskelgewebes mit Schmerzen, Krampfgefühl und Muskelschwäche, welche wiederum die Mikrozirkulationsstörungen verstärkt und auch das Ödem.

Als Risikofaktoren für das Auftreten eines CECS gelten eine rasche Muskelhypertrophie entweder durch intensives Training oder durch Einnahme von Anabolika oder Kreatinsupplementation, eine Faszienverdickung (z.B. nach Traumata oder durch chronifizierte Entzündungsprozesse), Mikrozirkulationsstörungen oder Ödeme bei venösem Rückstau sowie eine erhöhte Bindegewebesteifigkeit, z.B. im Rahmen einer Sklerodermie.

Klinisch manifestiert sich das funktionelle Kompartmentsyndrom einerseits durch belastungsinduzierte Schmerzen, welche bei Beendigung der Aktivität mit konsekutivem Druckabfall meist zügig zurückgehen, andererseits auch durch Krämpfe, schnellere Muskelermüdung und Funktionseinschränkungen. Viele Patienten beschreiben auch ein massives Druckgefühl («So, als würde mein Unterschenkel gleich platzen.»). Bei der auslösenden Aktivität handelt es sich zumeist um Laufen, Springen oder zügiges Bergaufgehen. Radfahren geht hingegen zumeist problemlos. Am häufigsten ist das anteriore oder das tiefe posteriore Kompartiment betroffen, und oft bestehen bilaterale Beschwerden – in der Literatur finden sich Angaben von 63–95%. Da die Symptome beim tiefen posterioren Kompartiment meist diffuser und uneindeutiger sind, kann spekuliert werden, dass hier die Dunkelziffer sogar noch höher liegt und dieses somit am häufigsten betroffen sein könnte. Bei etwa einem Drittel der Patienten verursacht nur eine Muskelloge Beschwerden, während bei den anderen zwei Dritteln zwei oder mehr Muskellogen betroffen sind. Wenn die Schmerzen intensiver provoziert werden, halten sie oft auch nach Belastungsende noch an; oder sie treten schneller wieder auf, sobald die Belastung wieder aufgenommen wird. Bei stark erhöhtem Druck kann es auch zu einer Beeinträchtigung der Blutzirkulation oder der Innervation kommen, mit konsekutiver Schwellneigung oder Parästhesien im entsprechenden Versorgungsgebiet. Insbesondere wenn die Symptomatik schon länger besteht, können die Beschwerden auch schon bei einfachen Alltagsbelastungen wie Bergaufgehen oder Treppensteigen auftreten und damit eine Claudicatio-ähnliche Symptomatik hervorrufen. Athleten sind in der Ausübung ihres Sports teils massiv eingeschränkt und geben den Sport manchmal sogar ganz auf – vor allem wenn die Symptomatik zu lange nicht diagnostiziert wird. Die mittlere Dauer bis zur Diagnosestellung wird mit 18 bis 22 Monaten angegeben.

(Differential-) Diagnostik

Der wichtigste Baustein in der Diagnostik ist bereits die Anamnese, die wie vorgängig beschrieben sehr charakteristische Informationen beinhaltet. Die Standard-Bildgebung bleibt – aufgrund der funktionellen Natur der Beschwerden – meist unauffällig. Eine Magnetresonanztomographie (MRT) direkt nach Ausübung der auslösenden Belastungen zeigt oft ein Muskelödem in der betroffenen Loge. Ausserdem dient sie dem Ausschluss von Differenzialdiagnosen wie dem medialen tibialen Stresssyndrom im Falle der anterioren Loge. Zur eindeutigen Diagnosestellung ist eine intrakompartimentelle Druckmessung unter und nach Belastung erforderlich. Hierfür wird nach örtlicher Betäubung ein Präzisionsdruckkatheter unter sonographischer Kontrolle in die entsprechende Loge implantiert und dann so fixiert, dass sportliche Belastungen möglich sind. Die Druckdifferenz vor und nach der Belastung ist entscheidend für die Diagnosestellung.

In der Differentialdiagnose sind vor allem vaskuläre Pathologien zu berücksichtigen, zu denen Einengungen der Gefässe, vor allem das arterielle popliteale Entrapment, zählen, aber auch endovaskuläre Ursachen wie Endofibrose/Artherosklerose und venöse Pathologien (Gähwiler et al. 2020). Neurale Kompressionssyndrome können zentral z. B. im Rahmen von Wirbelsäulenpathologien entstehen oder peripher durch Engstellen im Nervenverlauf. Eine bilaterale Manifestation ist dabei jedoch selten. Weiterhin zu berücksichtigen sind Muskelerkrankungen (posttraumatisch, inflammatorisch oder neoplastisch) sowie knöcherne Ursachen wie die «Shins splints» als (peri-)ossäre Stressreaktionen. Tab. 2 fasst die wichtigsten Differentialdiagnosen zusammen und zeigt die diagnostischen Möglichkeiten (aus Recktenwald Dissertation 2019).

Therapie

Da es sich um ein funktionelles Problem handelt, kann durch Reduktion der auslösenden Faktoren eine Besserung erreicht werden. Dies betrifft in erster Linie das Training aber auch trainingsrelevante Faktoren. Durch einen Wechsel des Schuhwerks kann die Belastung in bestimmten Kompartimenten beeinflusst werden. So helfen medial gestützte Schuhe bei der Entlastung des M. tibialis posterior, und eine grössere Sprengung des Schuhs entlastet das anteriore Kompartiment. Auch eine spezielle Gang-/Laufschule ist erfolgversprechend. Beim anterioren Kompartment kann eine Reduktion der Schrittlänge bei Erhöhung der Schrittfrequenz helfen. Der Fuss sollte nicht vor dem Körperschwerpunkt aufgesetzt und nicht zu sehr dorsalflektiert werden. Eine Umstellung auf Mittelfusslaufen ist ebenfalls möglich.

Die Detonisierung der Muskulatur kann erreicht werden durch Massagen, Dry Needling, Foam rolling, Dehnung sowie Thermotherapie oder Stosswellentherapie. Natürlich sind auch detonisierende Medikamente wie Sirdalud oder Mydocalm oder Injektionen denkbar. Die Extremvariante wären Botulinumtoxininjektionen. Auf Muskelwachstum induzierende Massnahmen sollte streng verzichtet werden. Dazu zählt auch die Einnahme von Kreatin und Proteinsupplementen. Kompressionsstrümpfe können etwas Linderung bringen, werden in vielen Fällen aber auch gar nicht toleriert.

Bei erfolgloser konservativer Therapie ist eine Operation indiziert. Bei dieser werden die Faszien der betroffenen Kompartimente gespalten, um der Muskulatur mehr Platz zu verschaffen. Die Operation kann minimal-invasiv erfolgen, ist sehr schonend und gut verträglich und in der Hand eines versierten Chirurgen oder einer versierten Chirurgin komplikationsarm. Die Abb. 3–7 zeigen endoskopische Aufnahmen einer solchen Operation. Bei korrekter Diagnose quillt die Muskulatur bei der Spaltung massiv hervor, teilweise direkt nach der Stichinzision mit dem Messer. 2 Wochen nach der Operation können die Patienten den Alltagsaktivitäten nachgehen und nach 4 Wochen das Lauftraining wieder aufnehmen. Rezidive kommen vor in einer Häufigkeit zwischen 10 und 20%.

Fazit

Das funktionelle Kompartmentsyndrom ist ein gut behandelbares Krankheitsbild, welches primär junge, sportlich aktive Menschen betrifft, aber auch sekundär auftreten kann, u.a. nach Traumata oder bei chronisch venöser Insuffizienz oder Reperfusion. Belastungsabhängige Unterschenkelschmerzen, Muskelkrämpfe, Pa­rästhesien oder ein Druckgefühl, welche mit Belastungsabbruch schnell sistieren, sollen hellhörig machen und weitere Abklärungen nach sich ziehen. Da die Patienten oft in ihrer Sportfähigkeit sehr beeinträchtigt sind, sollte bei typischer Klinik zeitnah eine Überweisung zum Spezialisten erfolgen. Die endoskopisch assistierte Fasziotomie ist eine komplikationsarme Operation, welche den Patienten bei frustraner konservativer Therapie Lebensqualität und Sportfähigkeit zurückgibt.

Prof. Dr. med. Anja Hirschmüller

ALTIUS Swiss Sportmed Center
Habich-Dietschy Strasse 5A
4310 Rheinfelden

anja.hirschmueller@altius.ag

Kerstin Recktenwald

Allgemeinärztliche Praxis
Östersund
Schweden

Dr. med.Roman Gähwiler

Spital Lachen
Lachen
Schweiz

Dr. med. Lukas Weisskopf

ALTIUS Swiss Sportmed Center
Rheinfelden
Schweiz

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

Historisches

Die Erstbeschreibung des funktionellen Kompartmentsyndroms geht zurück auf den britischen Militärchi­rurgen Edward Adrian Wilson (* 23.07.1872, † 29.03. 1912).

Der Polarforscher, Arzt und Ornithologe war Teilnehmer der ersten grossen Antarktisexpeditionen, u.a. der Terra-Nova-Expedition unter Robert Falcon Scott, die am 18. Januar 1912 den Südpol erreichte. In seinem Tagebuch beschrieb er, dass er während einer der Expeditionen starke Schmerzen in den vorderen Anteilen beider Unterschenkel verspürte. Die Symptome intensivierten sich mit jedem erneuten Trip, verschwanden jedoch immer wieder im Rahmen der Ruhephase. Im Laufe der Zeit entstanden dann sogar Ruheschmerzen, ein Hinweis für den schleichenden Übergang in ein subakutes Kompartmentsyndrom.
Die erste Beschreibung in der medizinischen Fachliteratur datiert von 1945, als die Symptomatik eines Soldaten als «acute ischaemia of the anterior tibial muscle and the long extensor muscles of the ­toes» benannt wird (Horn CE JBJS Am 1945; 27:615–622). Als sportassoziiertes Krankheitsbild beschreibt Mavor 1956 erstmalig einen Fussballspieler und nennt das Krankheitsbild «The anterior tibial syndrome» (Mavor GE, JBJS Br 1956; 68:513–517).

Epidemiologie

Die Inzidenz belastungsabhängiger Unterschenkelschmerzen im Sport wird mit 12.8%–82.4% angegeben (Rajasekaran 2012), wobei ca. 27–33% davon auf das funktionelle Kompartmentsyndrom entfallen. Insbesondere Laufsportler sind betroffen, aber auch Mannschaftssportler aus Sportarten mit hohem Lauf- oder Sprunganteil wie Fussball, Handball, Hockey, Tennis oder Badminton. Gute Daten zur Häufigkeit liegen ausserdem aus dem Militär vor, da die Kohorte der Rekruten gut untersuchbar ist, standardisierte lange Märsche absolviert werden und die körperliche Belastung oftmals in kurzer Zeit stark gesteigert wird, was ein Auslöser für das CECS sein kann. Man findet Zahlen von 1/2000 Neuerkrankungen. In unserer eigenen täglichen Praxis mit Spezialisierung auf das CECS sehen wir jede Woche mehrere Athlet/-innen mit CECS, sodass eine hohe Dunkelziffer anzunehmen ist.

Anatomie und Pathophysiologie

Der Unterschenkel wird durch die Faszien und die interossäre Membran zwischen Tibia und Fibula in insgesamt vier Kompartimente unterteilt (Abb. 1). Die anteriore Loge (rot) enthält die Extensorenmuskulatur sowie die A. und V. tibialis und den Nervus Peroneus profundus. Die fibulare Loge (blau) enthält die peroneale Muskelgruppe, die oberflächliche Beugerloge, den Triceps surae mit dem M. Plantaris und die tiefe Beugerlogen, die Zehenflexoren sowie den M. Tibialis posterior. Durch letztere laufen auch N. tibialis, A./V. tibialis posterior sowie A./V. fibularis. Eine Aufstellung aller Leitstrukturen und die konsekutiven Leitsymptome beim Vorliegen eines CECS kann der Tab. 1 entnommen werden.

Vom CECS abzugrenzen ist das akute Kompartmentsyndrom, bei dem es durch eine akute Volumenzunahme zu einer akuten Schmerzhaftigkeit durch den Druckanstieg im Kompartiment kommt. Am häufigsten tritt dies im Rahmen einer Einblutung durch eine grössere Verletzung, z. B. einer Unterschenkelfraktur, auf. Das akute Kompartmentsyndrom ist ein medizinischer Notfall, dem eine sofortige operative Versorgung zugeführt werden muss, da sonst irreversible Schäden der Muskulatur und der Nerven auftreten können.

Pathophysiologie und Klinik

Das CECS tritt gehäuft im Alter von 15–25 Jahren auf mit einem zweiten Plateau um das 50. Lebensjahr. Pathophysiologisch kommt es beim CECS zu einem schmerzhaften Druckanstieg in einer oder mehreren Muskellogen, meist ausgelöst durch sportliche Aktivität oder wiederholten zyklischen Belastungen. Am häufigsten sind die Unterschenkel betroffen; es sind aber auch Kompartmentsyndrome der Arme, Oberschenkel, Füsse und sogar der paravertebralen Muskulatur beschrieben.

Der genaue Pathomechanimus ist zwar noch nicht abschliessend geklärt, aber ein Circulus vitiosus durch ein Missverhältnis der nur bedingt dehnbaren Faszien und der Muskulatur, die unter Belastung eine Volumenzunahme von 20% erfahren kann, gilt als gesichert. Konkret führt offensichtlich der gesteigerte Blutfluss unter Belastung zu einer Volumenzunahme der Muskulatur. Dies hat einen Anstieg des intrakompartimentellen Druckes zur Folge, sodass die kleinsten Gefässe (Kapillaren) abgedrückt werden. Die weitere Folge ist eine Ischämie des Muskelgewebes mit Schmerzen, Krampfgefühl und Muskelschwäche, welche wiederum die Mikrozirkulationsstörungen verstärkt und auch das Ödem.

Als Risikofaktoren für das Auftreten eines CECS gelten eine rasche Muskelhypertrophie entweder durch intensives Training oder durch Einnahme von Anabolika oder Kreatinsupplementation, eine Faszienverdickung (z.B. nach Traumata oder durch chronifizierte Entzündungsprozesse), Mikrozirkulationsstörungen oder Ödeme bei venösem Rückstau sowie eine erhöhte Bindegewebesteifigkeit, z.B. im Rahmen einer Sklerodermie.
Klinisch manifestiert sich das funktionelle Kompartmentsyndrom einerseits durch belastungsinduzierte Schmerzen, welche bei Beendigung der Aktivität mit konsekutivem Druckabfall meist zügig zurückgehen, andererseits auch durch Krämpfe, schnellere Muskelermüdung und Funktionseinschränkungen. Viele Patienten beschreiben auch ein massives Druckgefühl («So, als würde mein Unterschenkel gleich platzen.»). Bei der auslösenden Aktivität handelt es sich zumeist um Laufen, Springen oder zügiges Bergaufgehen. Radfahren geht hingegen zumeist problemlos. Am häufigsten ist das anteriore oder das tiefe posteriore Kompartiment betroffen, und oft bestehen bilaterale Beschwerden – in der Literatur finden sich Angaben von 63–95%. Da die Symptome beim tiefen posterioren Kompartiment meist diffuser und uneindeutiger sind, kann spekuliert werden, dass hier die Dunkelziffer sogar noch höher liegt und dieses somit am häufigsten betroffen sein könnte. Bei etwa einem Drittel der Patienten verursacht nur eine Muskelloge Beschwerden, während bei den anderen zwei Dritteln zwei oder mehr Muskellogen betroffen sind. Wenn die Schmerzen intensiver provoziert werden, halten sie oft auch nach Belastungsende noch an; oder sie treten schneller wieder auf, sobald die Belastung wieder aufgenommen wird. Bei stark erhöhtem Druck kann es auch zu einer Beeinträchtigung der Blutzirkulation oder der Innervation kommen, mit konsekutiver Schwellneigung oder Parästhesien im entsprechenden Versorgungsgebiet. Insbesondere wenn die Symptomatik schon länger besteht, können die Beschwerden auch schon bei einfachen Alltagsbelastungen wie Bergaufgehen oder Treppensteigen auftreten und damit eine Claudicatio-ähnliche Symptomatik hervorrufen. Athleten sind in der Ausübung ihres Sports teils massiv eingeschränkt und geben den Sport manchmal sogar ganz auf – vor allem wenn die Symptomatik zu lange nicht diagnostiziert wird. Die mittlere Dauer bis zur Diagnosestellung wird mit 18 bis 22 Monaten angegeben.

(Differential-) Diagnostik

Der wichtigste Baustein in der Diagnostik ist bereits die Anamnese, die wie vorgängig beschrieben sehr charakteristische Informationen beinhaltet. Die Standard-Bildgebung bleibt – aufgrund der funktionellen Natur der Beschwerden – meist unauffällig. Eine Magnetresonanztomographie (MRT) direkt nach Ausübung der auslösenden Belastungen zeigt oft ein Muskelödem in der betroffenen Loge. Ausserdem dient sie dem Ausschluss von Differenzialdiagnosen wie dem medialen tibialen Stresssyndrom im Falle der anterioren Loge. Zur eindeutigen Diagnosestellung ist eine intrakompartimentelle Druckmessung unter und nach Belastung erforderlich. Hierfür wird nach örtlicher Betäubung ein Präzisionsdruckkatheter unter sonographischer Kontrolle in die entsprechende Loge implantiert und dann so fixiert, dass sportliche Belastungen möglich sind. Die Druckdifferenz vor und nach der Belastung ist entscheidend für die Diagnosestellung.
In der Differentialdiagnose sind vor allem vaskuläre Pathologien zu berücksichtigen, zu denen Einengungen der Gefässe, vor allem das arterielle popliteale Entrapment, zählen, aber auch endovaskuläre Ursachen wie Endofibrose/Artherosklerose und venöse Pathologien (Gähwiler et al. 2020). Neurale Kompressionssyndrome können zentral z. B. im Rahmen von Wirbelsäulenpathologien entstehen oder peripher durch Engstellen im Nervenverlauf. Eine bilaterale Manifestation ist dabei jedoch selten. Weiterhin zu berücksichtigen sind Muskelerkrankungen (posttraumatisch, inflammatorisch oder neoplastisch) sowie knöcherne Ursachen wie die «Shins splints» als (peri-)ossäre Stressreaktionen. Tab. 2 fasst die wichtigsten Differentialdiagnosen zusammen und zeigt die diagnostischen Möglichkeiten (aus Recktenwald Dissertation 2019).

Therapie

Da es sich um ein funktionelles Problem handelt, kann durch Reduktion der auslösenden Faktoren eine Besserung erreicht werden. Dies betrifft in erster Linie das Training aber auch trainingsrelevante Faktoren. Durch einen Wechsel des Schuhwerks kann die Belastung in bestimmten Kompartimenten beeinflusst werden. So helfen medial gestützte Schuhe bei der Entlastung des M. tibialis posterior, und eine grössere Sprengung des Schuhs entlastet das anteriore Kompartiment. Auch eine spezielle Gang-/Laufschule ist erfolgversprechend. Beim anterioren Kompartment kann eine Reduktion der Schrittlänge bei Erhöhung der Schrittfrequenz helfen. Der Fuss sollte nicht vor dem Körperschwerpunkt aufgesetzt und nicht zu sehr dorsalflektiert werden. Eine Umstellung auf Mittelfusslaufen ist ebenfalls möglich.

Die Detonisierung der Muskulatur kann erreicht werden durch Massagen, Dry Needling, Foam rolling, Dehnung sowie Thermotherapie oder Stosswellentherapie. Natürlich sind auch detonisierende Medikamente wie Sirdalud oder Mydocalm oder Injektionen denkbar. Die Extremvariante wären Botulinumtoxininjektionen. Auf Muskelwachstum induzierende Massnahmen sollte streng verzichtet werden. Dazu zählt auch die Einnahme von Kreatin und Proteinsupplementen. Kompressionsstrümpfe können etwas Linderung bringen, werden in vielen Fällen aber auch gar nicht toleriert.

Bei erfolgloser konservativer Therapie ist eine Operation indiziert. Bei dieser werden die Faszien der betroffenen Kompartimente gespalten, um der Muskulatur mehr Platz zu verschaffen. Die Operation kann minimal-invasiv erfolgen, ist sehr schonend und gut verträglich und in der Hand eines versierten Chirurgen oder einer versierten Chirurgin komplikationsarm. Die Abb. 3–7 zeigen endoskopische Aufnahmen einer solchen Operation. Bei korrekter Diagnose quillt die Muskulatur bei der Spaltung massiv hervor, teilweise direkt nach der Stichinzision mit dem Messer. 2 Wochen nach der Operation können die Patienten den Alltagsaktivitäten nachgehen und nach 4 Wochen das Lauftraining wieder aufnehmen. Rezidive kommen vor in einer Häufigkeit zwischen 10 und 20%.

Fazit

Das funktionelle Kompartmentsyndrom ist ein gut behandelbares Krankheitsbild, welches primär junge, sportlich aktive Menschen betrifft, aber auch sekundär auftreten kann, u.a. nach Traumata oder bei chronisch venöser Insuffizienz oder Reperfusion. Belastungsabhängige Unterschenkelschmerzen, Muskelkrämpfe, Pa­rästhesien oder ein Druckgefühl, welche mit Belastungsabbruch schnell sistieren, sollen hellhörig machen und weitere Abklärungen nach sich ziehen. Da die Patienten oft in ihrer Sportfähigkeit sehr beeinträchtigt sind, sollte bei typischer Klinik zeitnah eine Überweisung zum Spezialisten erfolgen. Die endoskopisch assistierte Fasziotomie ist eine komplikationsarme Operation, welche den Patienten bei frustraner konservativer Therapie Lebensqualität und Sportfähigkeit zurückgibt.

Fussulcera in der Orthopädie

Fussulcera sind am häufigsten vaskulär, druck- oder diabetesbedingt. Für die diabetischen Fussulcera ist das Vorliegen einer Polyneuropathie mit Verlust der Schutzsensibilität und/oder einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit ein wesentlicher Risikofaktor. Die Prävention zielt auf Identifizierung des gefährdeten Fusses, regelmässige Kontrollen des gefährdeten Fusses, Aufklärung von Patienten, Angehörigen und medizinischem Fachpersonal, Sicherstellung des routinemässigen Tragens von geeignetem Schuhwerk sowie die Behandlung von Risikofaktoren für eine Ulceration ab. Bei Vorliegen eines diabetischen Fussulcus besteht die Therapie aus einer Kombination von mechanischer Entlastung (Goldstandard während der Ulcusphase: Vollkontaktgips), Behandlung von Durchblutungsstörungen, Infektbehandlung, Stoffwechselkontrolle und Behandlung von Komorbiditäten, lokaler Ulcuskontrolle und Aufklärung von Patienten und Angehörigen. Bei infizierten Ulcera muss nach dem Vorliegen einer Osteomyelitis gesucht werden. Ohne Osteomyelitis besteht die Therapie aus lokalem Debridement und einer 1–2-wöchigen Antibiotikatherapie. Bei Vorliegen einer Osteomyelitis besteht die Therapie entweder aus der Kombination einer chirurgischen Therapie (Amputation vs. innere Resektion) mit begleitender kurzer Antibiotikatherapie oder aber aus einer rein konservativen Therapie mit 6 Wochen Antibiotika. Nach Ausheilen des Ulcus ist zur Rezidivprophylaxe eine orthopädische Schuhversorgung angezeigt.

Schlüsselwörter: Diabetischer Fuss, Polyneuropathie, periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK), Prävention, Therapie

Chronische Ulcera der Füsse treten häufig auf. 2012 wurden in Deutschland rund 1% der Versicherten wegen eines Fussulcus behandelt, Tendenz steigend (1). Dabei sind insbesondere die diabetischen Fussulcera zu nennen: Weltweit entsteht alle 1.2 Sekunden ein neues diabetisches Fussulcus (DFU) (2). Nach Armstrong et al. entwickelt rund ein Drittel aller Diabetiker ein DFU (3). Unabhängig von der Wundursache sind Prävalenz bzw. Inzidenz von chronischen Wunden mit zunehmendem Alter erhöht (1). Ausser der gesundheitlichen Einschränkung für den Patienten belasten Fussulcera das Gesundheitssystem finanziell enorm. In den USA wurden 2014 knapp 15% der Medicare-Versicherten wegen einer Fusswunde und Folgezuständen behandelt: geschätzte Kosten 28 Milliarden US-Dollar (4). Armstrong berichtete 2017, dass die Kosten, die durch den diabetischen Fuss in den USA verursacht werden, mit rund 80 Milliarden Dollar vergleichbar mit den Kosten von malignen Tumorerkrankungen seien (3).

Unterscheidung «akutes» versus «chronisches» Ulcus

Eine einheitliche Definition für «akute» oder «chronische»Ulcera generell existiert leider nicht (5). Manche Autoren bezeichnen eine Wunde bereits nach drei Wochen fehlender Abheilung als chronisch (6), während andere Autoren diesen Begriff erst nach vier (7) oder sechs Wochen (8) ausbleibender Wundheilung verwenden. Für DFU wurde der Begriff «chronisches Ulcus» für den Fall ausbleibender Heilung nach vier Wochen definiert (9).

Ulcusformen

Diabetische Fussulcera, Druckulcera und vaskuläre Ulcera sind die häufigsten Formen von Fussulcera (10). Eine Studie aus Deutschland demonstrierte, dass vaskuläre Ulcera (64%) gefolgt von Druckulcera und DFU am häufigsten sind (1). Die vaskulären Ulcera haben mit chronisch-venösen Ulcera (CVU), arteriellen Ulcera sowie gemischt venös-arteriellen Ulcera drei Unterformen (10). In der Praxis der Autoren in der Orthopädie ist das diabetische Fussulcus mit Abstand die häufigste auftretende Ulcusform, weswegen in der Folge im Besonderen auf die DFU eingegangen wird.

Epidemiologie der DFU

Die Inzidenzrate für diabetische Fussulcera beträgt rund 2% pro Jahr, die Lebenszeitinzidenz liegt zwischen 19 und 34% (2). Prädisponierende Faktoren für die Ulcusentwicklung sind Polyneuropathie, periphere arterielle Verschlusskrankheit und Fussdeformitäten (11). Ohne das Vorliegen einer dieser Faktoren zählen Personen mit Diabetes nicht zur Risikogruppe (11). Die Hälfte der Personen mit einem DFU durchläuft eine diabetische Fussinfektion (DFI), aus dieser Gruppe benötigen wiederum letztlich rund 20% eine Amputation (2). Entsprechend ist auch das Lebenszeitrisiko, eine Amputation an der unteren Extremität zu benötigen, bei Diabetikern zehn- bis vierzigfach erhöht (12). Oftmals muss am gleichen Fuss sogar erneut amputiert werden (13). Rund zwei Drittel der Majoramputationen respektive der Amputationen an den unteren Extremitäten werden im deutschsprachigen Raum bei Diabetikern durchgeführt (14, 15). Schliesslich weisen Patienten mit einem DFU mit 30.5% eine sehr ähnliche 5-Jahres-Mortalität wie Krebspatienten auf (3).

Pathogenese der DFU

Schlüsselfaktoren für die Entwicklung eines DFU sind die diabetische Polyneuropathie (PNP) und die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK). Die drei Komponenten der PNP erhöhen das Ulcusrisiko (2, 16):

  • Die motorische PNP löst eine muskuläre Dysbalance durch den Verlust der intrinsischen Fussmuskulatur aus, was eine Krallenzehendeformität und Distalisierung des plantaren Fettpolsters zur Folge hat. Dies prädisponiert zu Ulcera dorsal am proximalen Interphalangealgelenk und plantar unter den Metatarsophalangealgelenken und den Zehenkuppen.
  • Die sensorische PNP reduziert die Schutzsensibilität oder führt zu deren vollständigem Verlust.
  • Die autonome PNP verringert zum einen die Schweisssekretion. Zum anderen löst sie einen AV-Shunt Mechanismus aus. Beide Konsequenzen der autonomen PNP trocknen die Haut aus, mit dem Resultat einer Neigung zu Rhagaden, und führen zur Ödembildung.

Wiederholte Mikrotraumata bewirken zuerst die Hyperkeratosenbildung und führen unbehandelt zum Fussulcus (2, 17). Die bei Diabetikern in ca. 50% vorhandene, vor allem crural gelegene pAVK können sowohl die Entstehung als auch das fehlende Abheilen von Fussulcera zusätzlich begünstigen (16, 18). Auch eine eingeschränkte Gelenkbeweglichkeit, wie z.B. bei verkürzter Wadenmuskulatur oder bei einer Grosszehengrundgelenksarthrose, begünstigt die DFU Bildung (16, 19–21).

Grundsätzliche Prophylaxestrategie bei DFU

Wie bei allen anderen Krankheitsbildern ist auch bei DFU eine gezielte Prophylaxe die beste Strategie, um DFU und die Folgeschäden zu verhindern. In der Literatur wurden Risikofaktoren-basierte Systeme zur Risikostratifizierung beschrieben (16, 22). Das Ziel dieser Arbeiten war es, in Abhängigkeit vom Vorhandensein bekannter DFU-Risikofaktoren prophylaktische Massnahmen möglichst gezielt zur DFU-Verhinderung einzusetzen. Das IWGDF-Risikostratifizierungssystem wird in der täglichen Praxis der Autoren verwendet (11) (Tab. 1) und orientiert sich am Vorhandensein von

  • Verlust der Schutzsensibilität/Polyneuropathie?
  • periphere arterielle Verschlusskrankheit?
  • Fussdeformität/eingeschränkte Beweglichkeit?
  • sonstige Risikofaktoren: früheres Ulcus oder frühere Amputation? Terminale Niereninsuffizienz?

Die IWGDF hat relativ breite Intervalle formuliert. In unserer Erfahrung hat es sich bewährt, zum einen eher die kurzfristigeren Zeitabstände zu verwenden und zum anderen Podolog/-innen und/oder Wundexpert/-innen in diese Kontrollen aktiv mit einzubinden. Wir halten es nur dann für opportun, die längeren vorgeschlagenen Zeitabstände zu verwenden, wenn die Patient/-innen über einen längeren Zeitraum ein hohes Mass an Eigenverantwortung resp. eine gute Adhärenz zu den Prophylaxe- und allfälligen Therapiemassnahmen demonstriert haben.

Präventionsmassnahmen bei DFU

Fünf Punkte wurden von der IWGDF als Schlüsselelemente zur Prävention von DFU definiert und auch in der neuesten Version von 2023 aufrechterhalten (11):
1. Identifizierung des gefährdeten Fusses
2. Regelmässige Kontrolle und Untersuchung des gefährdeten Fusses
3. Aufklärung von Patienten, Angehörigen und medizinischem Fachpersonal
4. Sicherstellung des routinemässigen Tragens geeigneten Schuhwerks
5. Behandlung von Risikofaktoren für eine Ulceration

Identifizierung des gefährdeten Fusses

Grundsätzlich wird bei jedem Diabetiker mit bisher fehlenden Risikofaktoren für ein DFU (IWGDF-Risiko 0) ein jährliches Screening empfohlen (11). Neben einer gezielten Anamnese zählen dazu das Tasten der Fusspulse sowie die Überprüfung der Schutzsensibilität mittels Prüfung der Vibrationswahrnehmung oder Monofilament-Test. Ferner soll auf allfällige neue Fussdeformitäten gescreent werden. Auffällige oder unklare Befunde sollten spezialärztliche Beurteilungen nach sich ziehen und die Kontrollintervalle im Bedarfsfall nach neuer Risikostufe festgelegt werden (vergleiche Tab. 1).

Regelmässige Kontrolle des gefährdeten Fusses

Bei Vorliegen von Risikofaktoren für das Auftreten der DFU sollten die Screening-Untersuchungen häufiger und detaillierter erfolgen (vergleiche Tab. 1) (11). Auffälligkeiten wie ein DFU respektive eine präulceröse eingeblutete Hyperkeratose sollten umgehend der entsprechenden Therapie zugeführt werden. Wie eingangs erwähnt, ist es aus unserer Sicht opportun, die Kontrollen auf die Schultern mehrerer interprofessioneller Fachpersonen wie Wundexpert/-innen oder Podolog/­-in­­nen zu verteilen. Wichtig ist die klare Definition, welche ärztliche Person oder Institution den Lead in der Prävention hat.

Schulung von Patienten, Angehörigen und ­medizinischem Fachpersonal

Die Schulung von Patienten und Angehörigen ist ein weiterer wichtiger Punkt in der Prävention der DFU (11). Der Patient soll dabei in der täglichen Fusskontrolle, im Vermeiden des Barfussgangs und in einer korrekten Fusshygiene instruiert werden. Tägliches Füssewaschen, Abtrocknen der Interspatien sowie eine rückfettende Hautpflege sind wichtige Hygieneaspekte. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Kenntnis über die nächste Anlaufstelle für den Fall von Auffälligkeiten. Nicht zuletzt ist auch die Schulung des Gesundheitspersonals von wichtiger Bedeutung.

Sicherstellung des Tragens von geeignetem Schuhwerk

Angepasstes Schuhwerk soll Verletzungen und wiederholte Mikrotraumata im Bereich der Füsse verhindern. Generell sind eine regelrechte Passform der Schuhe und das Vermeiden von prominenten Nähten und Materialübergängen Grundelemente für die Minimierung des Verletzungsrisikos durch das Schuhwerk. Je nach Risikostufe werden zusätzliche orthopädieschuhtechnische Massnahmen eingesetzt (orthopädische Einlagen, orthopädische Schuhzurichtungen inkl. Fussbettungen, orthopädische Serienschuhe oder orthopädische Massschuhe) (23). Die Versorgungsstufe richtet sich nach dem Ausmass der Fussdeformität (23). Eine interprofessionelle Beurteilung gemeinsam mit Orthopädieschuhmachermeistern ist daher wichtig.

Finanzierung in der Schweiz
Durch die fallführende ärztliche Person sollte auch darauf geachtet werden, dass eine Anmeldung der orthopädischen Schuhversorgung an die IV (Erstversorgung im Alter < 65 Jahren bei Männern und < 64 Jahren bei Frauen) respektive an die AHV (sofern die Patienten älter als oben angegeben sind) erfolgt. Die IV bezahlt zwei Paar Schuhe pro Jahr mit einem Selbstbehalt von 120 CHF pro Jahr (egal ob orthopädische Serienschuhe oder orthopädische Massschuhe), die AHV neu seit 2024 immerhin ein Paar Schuhe pro Jahr mit einem Selbstbehalt von 25% (Anmerkung: Orthopädische Serienschuhe kosten ungefähr 1200 CHF, orthopädische Massschuhe zwischen 5000 und 8000 CHF pro Paar.). Bei Übertritt vom IV- ins AHV-Alter besteht Besitzstandsrecht. Orthopädische Einlagen als alleinige Versorgung werden aus der Grundversicherung nicht übernommen. Leider gibt es in der Branche vereinzelt schwarze Schafe, die den Patienten in Ermangelung einer Abrechnungsberechtigung gegenüber IV/AHV die orthopädischen Schuhe zum vollen Preis verkaufen, ohne auf die genannten Leistungen von IV/AHV hinzuweisen.

Biomechanik

Der plantare Druck beeinflusst die Entstehung eines DFU substanziell. Der Reduktion des plantaren Spitzendruckes sowie der Umverteilung der Druckdosis zwischen den verschiedenen Fussregionen kommt in der DFU-Prävention daher eine besondere Bedeutung zu. Gemäss Drerup et al. kann im Ballenbereich (wo das plantare Fettpolster nach seiner Distalisierung nicht mehr vorhanden ist) durch eine Kombination einer Fussbettung nach Mass mit einer Schuhzurichtung mit Mittelfussrolle und Sohlenversteifung der plantare Spitzendruck um fast die Hälfte reduziert werden (24).

Auch Scherkräfte tragen zu DFU bei. Die plantaren Scherkräfte sind bei Patienten mit diabetischer PNP und Kallusformation in der Push-off-Phase signifikant erhöht (25). Eine Schuhzurichtung mit Sohlenversteifung und Abrollhilfe reduziert die Bewegung in den Metatarsophalangealgelenken und die Bewegung zwischen dem Fuss selbst und der Innensohle. Dies vermindert Scherkräfte und senkt wiederum das DFU-Risiko.
Wie oben erwähnt, sollte die orthopädieschuhtechnische Versorgung auf die individuelle Patientenanatomie ausgerichtet werden, um eine grösstmögliche Adhärenz zu erreichen (26). Eine Versorgung kann in der DFU-Prophylaxe nur wirken, wenn sie auch getragen wird.

Behandlung von Risikofaktoren für ­Ulcerationen

Lokale Risikofaktoren für ein DFU sollen behandelt werden (17). Neben dem Abtragen von Hyperkeratosen und Anpassung des vorhandenen orthopädischen Schuhwerks zur lokalen Druckentlastung gehört dazu auch die Behandlung von Mykosen oder eines Unguis incarnatus. Der Effekt der plantaren Druckreduktion durch Hyperkeratosenabtragung wurde in der Literatur beschrieben (27).

Behandlung der DFU

Ein DFU sollte rasch und interprofessionell behandelt werden. Die sechs Säulen der Therapie des DFU beinhalten (28):
– Mechanische Entlastung
– Erkennen und Verbesserung von Durchblutungsstörungen
– Infektbehandlung
– Stoffwechselkontrolle und Behandlung von Komorbiditäten
– Lokale Ulcuskontrolle
– Aufklärung von Patienten und Angehörigen

Mechanische Entlastung

Schlüsselelement der DFU-Behandlung ist die mechanische Entlastung. Ohne mechanischer Entlastung kann man trotz optimaler Wundpflege oder Infektbehandlung nicht mit einer Ulcusheilung rechnen.
Die mechanische Entlastung ist stets individuell zu gestalten: Die Ursache für das Auftreten des DFU muss erörtert werden. Neben einer Beurteilung der Fussform gehören hierzu auch eine Analyse der Gelenkbeweglichkeit, eine Abfrage der Angewohnheiten des Patienten (Laufen im angepassten Schuhwerk versus Barfussgang) sowie eine Beurteilung des getragenen Schuhwerks.

Der Goldstandard in der mechanischen Entlastung ist der Vollkontaktgips mit gezielter Ulcusentlastung (29). Nach IWGDF-Leitlinien sollte dieser Vollkontaktgips geschlossen angelegt werden, was sich in der Praxis wegen der Notwendigkeit von Verbandswechseln oftmals schwierig gestaltet. Im Infektfall ist ein geschlossener Gips ohnehin obsolet. Alternativ können Verbandsschuhe verwendet werden, welche auch individuell auf die Bedürfnisse des Patienten angepasst werden können.
Für den Beginn der Entlastung mit Gips oder einer temporären Alternative sprechen der Volumenbedarf von Verbandsmaterial, fluktuierende Schwellungszustände sowie die benötigte rasche Verfügbarkeit der Versorgung (Anmerkung: Produktionsdauer orthopädischer Serienschuh: ca. 3 Wochen; orthopädischer Massschuh: ca. 10–12 Wochen). Individuelle Faktoren, wie beispielsweise ein erhöhtes Sturzrisiko, werden bei der Auswahl des Entlastungstools miteinbezogen (26). Eine operative Entlastung zur Druckreduktion kann bei ausbleibender Heilung erwogen werden. Als Beispiele sind die Achillessehnenverlängerung (30) zur Reduktion des plantaren Druckes im Vorfussbereich, eine Flexoren-Tenotomie bei Krallenzehen (31) oder Resektion des entsprechenden Mittelfussköpfchens (32) bei therapierefraktären plantaren Ulcerationen zu nennen.
Aufgrund der oben genannten Zeitspannen, die für die Fertigung der orthopädischen Schuhversorgung benötigt werden, muss rechtzeitig mit der Planung einer definitiven Lösung begonnen werden.

pAVK bei DFU

Wie eingangs erwähnt, sind ca. 50% der Patienten mit einem DFU gleichzeitig von einer oftmals asymptomatischen pAVK betroffen (18, 33). Daher sollte bei jedem DFU aktiv nach einer pAVK gesucht werden (mindestens: Anamnese und Palpieren der Fusspulse, möglichst zusätzlich mittels ABI, TBI und akustischer Doppleruntersuchung) (18, 34). Bei Verdachtsmomenten für eine pAVK soll obligat eine angiologische Beurteilung erfolgen und eine Revaskularisation in Erwägung gezogen werden (18, 35). Bei fehlender Ulcusheilung trotz regelrechter Behandlung innert 4–6 Wochen sollen bei jedem DFU eine Angiographie und gegebenenfalls Revaskularisierung in Betracht gezogen werden (18).

Das infizierte DFU

Ein Weichteilinfekt sollte anhand definierter klinischer Kriterien diagnostiziert werden (36). Bei Fehlen dieser klinischen Kriterien für eine Weichteilinfektion und bei Fehlen einer Osteomyelitis sollte auf die Gabe von Antibiotika verzichtet werden (37, 38). Der Verdachtsmoment einer Osteomyelitis kann durch die Kombination eines positiven «Probe-to-Bone-Test» (d.h. direkter Knochenkontakt einer durch die Wunde eingeführten sterilen Metallsonde), erhöhter laborchemischer Entzündungswerte sowie typischer Veränderungen in konventionellen Röntgenaufnahmen gestellt werden (36). Die Magnetresonanztomographie hat eine hohe Sensitivität in der Diagnostik einer Osteomyelitis (39) und dient bei der chirurgischen Planung in der präoperativen Bestimmung der Ausdehnung der Knochenbeteiligung (40). Zur Bestimmung des Schweregrades der Infektion wird die IWGDF/IDSA-DFI-Klassifikation empfohlen (36). Schwere Infektionen (d.h. alle Infektionen, die mit dem Vorhandensein von zwei oder mehr SIRS-Zeichen einhergehen) und moderate Infektionen (d.h. mehr als 2 cm Erythem um das DFU herum und/oder Gewebe tiefer als Haut und Subkutangewebe betroffen) mit relevanten Begleiterkrankungen wie schwere pAVK, Immunsuppression oder terminale Niereninsuffizienz sollten stationär behandelt werden (36). Ohne Knochenbeteiligung besteht die Therapie aus einem lokalen Debridement des infizierten Gewebes und einer Antibiotikatherapie von 1–2 Wochen nach Probenentnahme (36). Bei Nachweis einer Osteomyelitis kann zwischen einer konservativen Therapie (Antibiotika über 6 Wochen) und einer Entfernung des befallenen Knochens (was oftmals eine Amputation nach sich zieht, seltener eine innere Resektion nur des befallenen Knochens, bei der nur der infizierte Knochen entfernt wird [41]) abgewogen werden. Gasbildende Infekte, ausgedehnte Weichteilschäden, stark kompromittierte periphere Durchblutungsverhältnisse und Patientenfaktoren, die gegen eine 6 Wochen andauernde Antibiotikatherapie sprechen, lassen die Amputation bevorzugen. Insbesondere akrale Osteomyelitiden können erfolgreich konservativ therapiert werden (42). In naher Zukunft werden die Ergebnisse einer schweizerischen monozentrischen prospektiv-randomisierten Studie erwartet, im Rahmen derer die Antibiotikatherapiedauer bei diabetischen Fussinfektionen drastisch reduziert wurde (43). Das unter Abbildung 1–4 gezeigte Fallbeispiel zeigt einen 47 Jahre alten Patienten mit schlechter Adhärenz zur Entlastungstherapie mit dem Vollbild einer gasbildenden diabetischen Fussosteomyelitis, der septisch während der Nacht auf unserer Notfallstation vorstellig wurde. Die Therapie bestand in einer sofortigen Grosszehenamputation.

Stoffwechselkontrolle und Behandlung von Komorbiditäten

Komorbiditäten wie Ödeme oder Mangelernährung sollten therapiert werden, um die Abheilung eines DFU zu begünstigen (44). Natürlich ist auch eine gute Blutzuckereinstellung für das Abheilen des DFU anzustreben (45).

Lokale Ulcusversorgung

Ein DFU sollte regelmässig durch medizinisches Fachpersonal debridiert werden (mindestens wöchentlich) (46) und unter der Anwendung des «Standard of care» der Wundversorgung behandelt werden (47). Bei fehlendem Abheilen einer DFU-Wunde innert 4 bis 6 Wochen unter adäquater Therapie muss das DFU anhand der oben genannten Punkte reevaluiert und auch eine sogenannte Advanced Wound Therapy in Betracht gezogen werden (28).

Weiterführende Informationen für Patient

Während der Patient natürlich in der Selbstbehandlung des DFU instruiert werden sollte, müssen er und gegebenenfalls die Angehörigen auch über sogenannte Red Flags für Infekte instruiert werden: Fieber, Schüttelfrost, Verschlechterung des DFU und Hyperglykämie sind besonders zu nennen (44). Bei fehlender Mobilisationsfähigkeit sollte auf den Schutz der nicht betroffenen Gegenseite (z.B. durch ein Fersenentlastungskissen) hingewiesen werden (44).

PD Dr. med. Felix Waibel

Leitender Arzt
Technische und Neuro-Orthopädie
Universitätsklinik Balgrist
Forchstrasse 340
8008 Zürich

felix.waibel@balgrist.ch

Dr. med., M.Sc. Madlaina Schöni

Universitätsklinik Balgrist
Zürich

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

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Osteochondrale Läsionen am Talus

Der Talus weist eine vergleichsweise hohe Inzidenz von osteochondralen Läsionen (OCL) auf, was unter anderem auf spezifische anatomische Gegebenheiten zurückzuführen ist. Eine OCL des Talus kann posttraumatisch oder ohne erkennbare Ursache (primär) auftreten. Die Beschwerden der Patienten sind oft unspezifisch, umso wichtiger ist eine exakte klinische Untersuchung. Diese beinhaltet unter anderem die Beurteilung des Rückfuss-Alignements, die antero-laterale und antero-mediale Palpation bei leicht plantar flektiertem Sprunggelenk sowie die Beurteilung der Stabilität. Neben der standardisierten Röntgenuntersuchung stehen weiterführende bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRI) und die Arthro-Computertomographie (CT) des Sprunggelenkes zur Verfügung. Operative Therapien sind insbesondere bei symptomatischen Patienten mit instabiler OCL zu überdenkenden. Neben Knorpel-rekonstruktiven Interventionen sind z.B. bei wiederkehrenden Schmerzen auch Versteifungen oder die prothetische Versorgung möglich.

Schlüsselwörter: Talus, osteochondrale Läsionen (OCL), posttraumatisch, Bildgebung, Therapie

Ätiologie und Pathogenese – was muss man wissen?

Osteochondrale Läsionen (OCL) sind Defekte, welche den subchondralen Knochen und den darüberliegenden Knorpel betreffen (1). Der Talus ist neben dem Knie und dem Ellenbogen vergleichsweise häufig von einer OCL betroffen. Dieser Umstand lässt sich unter anderem auf spezifische anatomische Gegebenheiten zurückführen. So sind bis zu 60% des Talus von Knorpel bedeckt, wobei die chondrale Blutversorgung generell für Störungen prädestiniert ist. Dazu kommt, dass die Makroperfusion des Talus komplex und die Dicke des Knorpels vergleichsweise dünn ist. Obwohl die Genese einer OCL am Talus vielfältig ist, findet sich bei vielen Patienten ein traumatischer Ursprung (z.B. Distorsionen oder Frakturen des Sprunggelenkes) (1). Allerdings kann eine OCL auch «primär» und daher ohne erkennbare Ursache auftreten. Eine primäre OCL des Talus betrifft vorzugsweise Patienten in der zweiten Lebensdekade, wobei keine geschlechtliche Prädisposition besteht. Die am häufigsten von einer OCL betroffenen Zonen am Talus sind der centro-laterale und der centro-mediale Anteil des Domes. Interessanterweise findet sich bei lateralen Läsionen häufiger ein traumatischer Ursprung als bei medialen Läsionen (1).

Klinische Untersuchung und Bildgebung – was ist relevant?

Ausgenommen von akuten traumatischen Läsionen sind die von Patienten geschilderten Beschwerden bei symp­tomatischer OCL oft unspezifisch. Meistens werden Schmerzen, rezidivierende Schwellzustände sowie ein Steifigkeitsgefühl angegeben. Additiv kann es zu einem Einklemmphänomen kommen, welches z.B. durch instabile Knorpelanteile verursacht wird. In der Anamnese sollte nach stattgehabten Distorsionen gefragt werden, was gegebenenfalls versicherungstechnisch relevant ist. Der klinische Untersuch beinhaltet die Beurteilung des Rückfuss-Alignements im Stehen (typischerweise leicht valgisch) sowie beim Zehenspitzenstand auf dem betroffenen Bein (typischerweise leicht varisch). Eine Palpation sollte im Bereich des Sprunggelenkes anterolateral und anteromedial erfolgen, wobei der Fuss vorzugsweise in leichter Plantarflexion gehalten wird (bessere Exposition einer möglichen OCL). Die Beweglichkeit und die Stabilität des Sprunggelenkes müssen im Seitenvergleich beurteilt werden; zudem sollte die Funktion/Kraft der periartikulären Sehnen (Tibialis-posterior-Sehne und Peronealsehnen) getestet werden. Abschliessend ist die Beurteilung der peripheren Sensibilität und Durchblutung empfohlen.

Sollte der Verdacht auf eine OCL gestellt werden, ist eine Bildgebung via standardisierter Röntgenuntersuchung empfohlen. Oft reicht eine belastende antero-posteriore (AP) Aufnahme des Sprunggelenkes sowie eine belastende laterale Aufnahme des Fusses (Abb. 1). Soll eine Deformität des Fusses weiter abgeklärt werden, kann zusätzlich eine belastende dorso-plantare (DP) Aufnahme des Fusses erfolgen (Abb. 1). Bei Vorliegen einer OCL können in der AP-Aufnahme des Sprunggelenks oft Zysten im medialen oder lateralen Aspekt des Talusdomes gesehen werden (Abb. 1). Allerdings zeigen bis 50% der Patienten mit einer symptomatischen OCL ein unauffälliges Röntgenbild (1). Die weiterführende Bildgebung besteht je nach Beschwerden aus einer Magnetresonanztomographie (MRI) oder einer Arthro-Computertomographie (CT mit vorgängiger Injektion von Kontrastmittel in das Sprunggelenk). Während das MRI eine bessere Beurteilung des subchondralen Knochens sowie der periartikulären Strukturen (Sehnen und Bänder) zulässt, kann im Arthro-CT die Integrität des Knorpels besser beurteilt werden (Abb. 2). Die Durchführung einer der zwei genannten Untersuchungen reicht meistens für eine Beurteilung aus.

Anlaufstelle Hausarztpraxis – und nun?

Sollte nach sorgfältiger Anamnese und klinischer Untersuchung der Verdacht auf eine OCL gestellt werden, ist die Durchführung einer Röntgenuntersuchung in der Hausarztpraxis sinnvoll. Es sollte darauf geachtet werden, dass die Röntgenbilder von guter Qualität sind, daher standardisiert und unter Belastung (bessere Beurteilung der Achsen) durchgeführt werden. Eine Röntgenuntersuchung ist insbesondere bei vorangegangen Traumata sinnhaft, um allfällige Begleitverletzungen wie ossäre Avulsion zu diagnostizieren. Sollte eine zystische Läsion im Bereich des Talus festgestellt werden, ist die Zuweisung an einen Spezialisten empfohlen. Nicht zum Spezialisten müssen Patienten geschickt werden, bei denen eine mögliche OCL als Zufallsbefund (daher asymptomatisch) entdeckt wird.

Zuweisung zum Spezialisten – wann und weshalb?

Die Zuweisung zum Spezialisten sollte, wie bereits erwähnt, bei sichtbaren Zysten im Röntgen und dazu passenden Symptomen erfolgen. Da ein erheblicher Teil der symptomatischen Patienten keine Auffälligkeiten im Röntgenbild zeigt, sollte die Zuweisung bei entsprechender Klinik jedoch grosszügig erfolgen. Bei der Zuweisung ist darauf zu achten, dass vorhandene Röntgenbilder zur Verfügung gestellt werden. Dadurch können Kosten sowie eine vermehrte Strahlenbelastung des Patienten vermieden werden. Grundsätzlich kann eine weiterführende Diagnostik bereits angemeldet/durchgeführt werden. Da beide Optionen, MRI und Arthro-CT, zur Verfügung stehen, lohnt sich eine Anfrage beim Spezialisten bezüglich der Präferenz. Die Besprechung und Etablierung der Therapie sollten nach erfolgter weiterführender Bilddiagnostik vom Spezialisten übernommen werden.

Konservative oder operative Therapie – was ist sinnvoll?

Ob eine konservative Therapie zu empfehlen ist, hängt von diversen Faktoren ab. Bei Erstauftreten von verhältnismässig geringen Beschwerden ohne Unterspülung des Knorpels in der erweiternden Bildgebung kann oft eine konservative Therapie durchgeführt werden. Diese kann, neben der Physiotherapie, zur Verbesserung der Sprunggelenkstabilität via Kräftigung der periartikulären Muskeln/Sehnen ebenfalls eine Schuheinlage nach Mass zum Ausgleich von subtilen Deformitäten (z.B. Pes cavovarus oder Pes planovalgus) beinhalten. Auch Infiltrationen zum Beispiel mit Cortison können vorübergehend eine Verbesserung bringen, mit dem Ziel der Etablierung einer suffizienten Physiotherapie. Die Option einer Ruhigstellung im Unterschenkelgips mit Entlastung kann situativ ebenfalls erwogen werden, zum Beispiel bei einer frischen posttraumatischen OCL (1).

Die operativen Therapien lassen sich grob in zwei Gruppen einteilen: Interventionen mit dem Ziel der Knorpelregeneration und Eingriffe, die auf den Ersatz abzielen. Zu den regenerativen Optionen zählen Operationen zur Stimulierung des Knochenmarkes mit konsekutiver Bildung von Bindegewebe, das als Knorpelersatz dient (2). Dazu gehören neben der oft arthroskopisch durchgeführten Mikrofrakturierung (Abb. 3) auch speziellere Techniken wie die Minced-Cartilage-Rekonstruktion (Abb. 3). Je nach Lokalisation und Grösse des Befundes muss zur Durchführung der Rekonstruktion ein offener Zugang oder die Osteotomie des medialen/lateralen Malleolus erfolgen (3). Ebenfalls weitverbreitet ist die autologe matrixinduzierte Chondrogenese (AMIC-Plastik), wo eine Membran auf den debridierten Befund aufgetragen wird (4). Diese simple Methode hat komplexere Verfahren wie die autologe Chondrozytenimplantation (ACI) oder matrixinduzierte autologe Chondrozytenimplantation (MACI) teilweise abgelöst.

Der komplette Ersatz des Knorpels und subchondralen Knochens kann zum Beispiel via Implantation eines vaskularisierten autologen Femurspanes erfolgen (Abb. 3) (5). Der Eingriff ist technisch anspruchsvoll und ressourcenintensiv. Angewendet wird diese Rekonstruktion in erster Linie bei Revisionen oder ausgedehnten Befunden. Letztlich sind Eingriffe zur Entlastung eines Gelenkkompartimentes oder Korrektur einer relevanten Deformität via Osteotomien (supra- oder inframalleolär) wie auch gelenkdestruktive Eingriffe (OSG-Arthrodese oder-Prothese) zu nennen (Abb. 4). Auch diese Optionen werden eher bei Revisionen oder bei weit fortgeschrittenen Befunden und partiell endgradiger Arthrose angewendet (Abb. 4).

Additiv zu den einzelnen Verfahren müssen situativ Zusatzeingriffe wie eine Bandplastik erfolgen, um zum Beispiel eine relevante Instabilität des Sprunggelenkes zu beheben. Grundsätzlich sind die verhältnismässig kleineren regenerativen Eingriffe mit einer akzeptablen Komplikationsrate behaftet, während grössere Rekonstruktionen und gelenksdestruierende Eingriffe anfälliger für Komplikationen sind (Tab. 1).

Dr. Doria Juric

Klinik für Orthopädie und Traumatologie
Universitätsspital Basel

PD Dr. med. Nicola Krähenbühl

Teamleitung Fuss- und Sprunggelenkorthopädie
Universitätsspital Basel
Klinik für Orthopädie und Traumatologie
Spitalstrasse 21
CH-4031 Basel

nicola.kraehenbuehl@usb.ch

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

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Der Knicksenkfuss bei Kindern – ein Blick auf Mythen und deren Evidenz

Im Zusammenhang mit dem kindlichen Knicksenkfuss begegnen uns im medizinischen Alltag regelmässig allgemeine Aussagen, deren Wahrheitsgehalt nicht bekannt ist. Einige dieser Mythen, welche die Epidemiologie, den natürlichen Verlauf, die Langzeitpro­gnose sowie nicht chirurgische Interventionen betreffen, werden in diesem Artikel mit Blick auf deren Evidenz näher betrachtet.

Schlüsselwörter: Knicksenkfuss, Evidenz, Epidemiologie, Langzeitprognose, Interventionen

Einführung

Die Sorge um die Füsse ihrer Kinder ist einer der häufigsten Gründe, weswegen Eltern mit ihren Kindern für eine kinderorthopädische Beurteilung vorstellig werden (1). Der Wunsch nach fachärztlicher Beurteilung besteht einerseits aus der Unsicherheit heraus, nichts verpassen zu wollen, und andererseits, da teilweise Beschwerden vorliegen, wegen denen Familien Rat suchen.

Die Definition, was ein Knicksenkfuss eigentlich ist, bleibt überraschenderweise nach wie vor auch unter Experten umstritten. Der Knicksenkfuss imponiert klinisch durch eine Abflachung der Fusslängswölbung, oft in Kombination mit einer Valgusstellung der Ferse (Abb. 1).

Ausgeprägtere Formen weisen zusätzlich eine Abduktion des Vorfusses gegenüber dem Rückfuss und eine Verkürzung der Wadenmuskulatur auf (2, 3). Hinsichtlich der Funktion und Beweglichkeit unterscheiden wir grundsätzlich eine flexible Form von einer rigiden Form. Letztere ist bei der passiven Untersuchung oder bei der Untersuchung des Zehenstandes («Jack-Test») nicht reversibel (Abb. 2). Die extreme Ausprägung stellt der klassische rigide kongenitale Plattfuss dar, der in der Regel frühzeitig behandelt werden sollte.
Ein Knicksenkfuss kann entweder als isoliert oder als Teil eines umfassenderen Syndroms auftreten, insbesondere bei Personen mit vermindertem Muskeltonus, Hyperlaxität oder beeinträchtigter neuromuskulärer Kontrolle. Die Fussform allein sagt jedoch nichts darüber aus, ob eine behandlungsbedürftige Situation vorliegt.

In der Erwachsenenorthopädie konzentrieren wir uns fast ausschliesslich auf die Behandlung von Problemen, die bereits manifest sind und Beschwerden verursachen. Erwachsene Patienten suchen typischerweise medizinische Hilfe auf, wenn sie bereits Schmerzen oder funktionelle Einschränkungen haben. Bei Kindern stellt sich jedoch eine zusätzliche, oft schwierigere Frage: Welche asymptomatischen Befunde müssen behandelt werden, um spätere Probleme zu vermeiden?
Mythen spielen eine bedeutende Rolle, wenn wir nach Erklärungen für Phänomene suchen, die wir nicht vollständig verstehen. Wir sind geneigt, Ursprünge und Ursachen bestimmter Probleme zu erklären, um Ungewissheiten und Ängste abzubauen sowie das eigene ärztliche Handeln zu rechtfertigen. Eine wesentliche Herausforderung besteht darin, traditionelles, mythologisch begründetes Wissen mit wissenschaftlich fundierter Medizin abzugleichen und dabei Sensibilität gegenüber den Sorgen der Eltern zu zeigen. Einige dieser Mythen, die uns im medizinischen Alltag im Zusammenhang mit dem kindlichen Knicksenkfuss häufig begegnen und die die Epidemiologie, den natürlichen Verlauf sowie nicht chirurgische Interventionen wie orthopädische Einlagen und Orthesen sowie Physiotherapie betreffen, sollen im Folgenden näher betrachtet werden.

Epidemiologie, natürlicher Verlauf und Langzeitprognose

Mythos: «Kinder mit Knicksenkfüssen sollten frühzeitig behandelt werden, um langfristig Probleme zu vermeiden»

Bei der Beurteilung kindlicher Knicksenkfüsse ist die Berücksichtigung des Alters essenziell wichtig. Epidemiologische Querschnittstudien legen nahe, dass der Knicksenkfuss in den ersten Lebensjahren die normale Erscheinungsform des Fusses darstellt (4). Die Angaben über die Prävalenzen von Knicksenkfüssen bei Kindern im Alter von 2–6 Jahren differieren in den verschiedenen Studien zwischen 37 und 97 % (Durchschnitt 46 %) (2, 4–7).

Obwohl die Schätzungen zur Häufigkeit des kindlichen Knicksenkfusses sehr unterschiedlich sind, besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Häufigkeit dieser Fussfehlstellung mit zunehmendem Alter der Kinder abnimmt (5, 8, 9). So durchläuft der Fuss eines Kindes eine Entwicklung, während er kontinuierlich ausreift. Staheli et al. dokumentierten in ihrer Beobachtungsstudie, dass 54 % der 3-jährigen und nur noch 26 % der 6-jährigen Kinder Knick­senkfüsse aufwiesen (8).

Bordin et al. berichteten, dass im Durchschnitt 16,4 % der Kinder im Alter von 10 Jahren Knicksenkfüsse hatten (10). Jungen sowie übergewichtige oder adipöse Kinder haben eine stärkere Tendenz zur Entwicklung eines Knicksenkfusses im Vergleich zu Mädchen und Kindern mit normalem Gewicht (6, 10). Schliesslich weisen etwa 15–20 % der Erwachsenen Knicksenkfüsse auf. Einer amerikanischen Studie zufolge seien ca. 1–2 % der Kinder mit Knicksenkfüssen symptomatisch (11).

Der flexible Knicksenkfuss stellt im Kindesalter in den meisten Fällen eine altersphysiologische Durchgangsform dar. Bei der Geburt ist ein plantares Fettpolster vorhanden, das den Raum entlang des medialen Längsgewölbes des Fusses ausfüllt und dessen flacheres Erscheinungsbild weiter betont. Dieses bildet sich im Laufe der Zeit zurück. Die altersbedingte, initial noch erhöhte femorale Antetorsion und das im Kleinkindalter alterstypisch auftretende X-Bein mit Valgusstellung am oberen Sprunggelenk führen zu entsprechenden Kompensationen im Fuss.

Da mit zunehmendem Alter die Häufigkeit der Knicksenkfüsse abnimmt, ist bei älteren Kindern eine differenzierte Betrachtung zunehmend wichtig. Füsse, die regelmässig symptomatisch sind, sollten genauer abgeklärt werden. Beschwerden können sich als Schmerzen im Bereich des Fussinnenrandes der Fusssohle, am Sprunggelenk oder als Druckstellen und Hautirritationen sonst unbelasteter Areale äussern. Auch eine vorzeitige Ermüdung mit reduzierter Ausdauer kann ein mögliches Symptom im Zusammenhang mit einem Knicksenkfuss sein.

Bei einer gering ausgeprägten Form des flexiblen Knick-senkfusses ist keine zusätzliche bildgebende Diagnostik notwendig. Bei ausgeprägten Befunden oder therapieresistenten Beschwerden ist eine radiologische Objektivierung zu empfehlen.

Key Point: Viele Kinder haben Knicksenkfüsse. Der Grossteil korrigiert sich im Verlauf. Nicht alle Knicksenkfüsse, die im Erwachsenenalter fortbestehen, sind symptomatisch. Viele Kinder wachsen aus dem Knicksenkfuss heraus, und in den meisten Fällen ist keine Behandlung notwendig. Langfristige negative Spätfolgen sind selten, wenn keine anderen zugrunde liegenden Probleme vorliegen.

Mythos: «Unbehandelte Knicksenkfüsse ­können später Knie-, Hüft- und Rücken­schmerzen verursachen»

Es wird oft befürchtet, dass Knicksenkfüsse später im Leben zwangsläufig zu Knie-, Hüft- und Rückenschmerzen führen. Während bekannt ist, dass schwere und unbehandelte Knicksenkfussdeformitäten das Risiko für muskuläre und skelettale Beschwerden erhöhen können, gibt es keine eindeutigen Beweise dafür, dass ein asymptomatischer Knicksenkfuss im Erwachsenenalter ernsthafte Spätschäden an anderen Körpersegmenten zur Folge hat.

Hingegen können bei Kindern mit Beeinträchtigungen der neuromuskulären Kontrolle, wie z.B. Zerebralparese, Muskeldystrophie oder Trisomie 21, Knicksenkfüsse sehr stark ausgeprägt sein, sodass sie durch die eingeschränkte Hebelwirkung zu einer Instabilität beim Laufen führen können (12, 13) (Abb. 3).
Diese Instabilität kann sich biomechanisch auf die darüberliegenden Segmente auswirken. Infolge Fehlbelastung von Knie, Hüfte und auch Rücken sind in diesen Fällen Überlastungen und damit negative Langzeitfolgen möglich (13, 14). Aus einer rein statischen Betrachtungsweise wird sich bei diesen Patienten keine sinnvolle Therapie ableiten lassen. Besonders in solchen Fällen ist die Betrachtung der funktionellen Auswirkungen essenziell wichtig. Diese erfolgt zum Beispiel durch eine funktionelle Bewegungsanalyse mittels instrumentierter Ganganalyse.

Knicksenkfüsse sind beim bewegungskompetenten Kind wahrscheinlich nicht alleiniger auslösender Faktor von Knie, Hüft- oder Rückenschmerzen im späteren Erwachsenenalter. Um funktionelle Zusammenhänge zu erfassen, reicht es nicht aus, den Knicksenkfuss statisch zu betrachten. Eine funktionelle Betrachtung mittels Bewegungs- bzw. Ganganalyse kann zusätzliche Informationen liefern. Die bisherigen Studien reichen bislang nicht aus, um einen kausalen Zusammenhang zwischen Fussfehlstellung und Gelenkschmerzen sicher zu klären (15).

Key Point: Es gibt keine ausreichenden Beweise dafür, dass unbehandelte Knicksenkfüsse bei den meisten Kindern zu Problemen an anderen Gelenken führen. In jedem Fall sollte darauf geachtet werden, ob Begleiterkrankungen vorliegen, die die neuromuskuläre Kontrolle beeinträchtigen und im Gesamtkontext behandlungsbedürftig wären.

Nicht chirurgische Interventionen

Mythos: «Knicksenkfüsse können durch das Tragen von ­Einlagen korrigiert werden»

Es gibt keine stichhaltigen Beweise dafür, dass die langfristige Verwendung von Einlagen oder Orthesen den flexi­blen Knicksenkfuss verbessern (16). Eine Reihe kritischer Untersuchungen dieser Behandlungsmethoden haben keine positiven Effekte auf die Fussform nachweisen können (17–20).
In einer prospektiven Studie mit einem Beobachtungszeitraum zwischen 3 und 5 Jahren wurde untersucht, ob die Aufrichtung flexibler Knicksenkfüsse bei Kindern durch Einlagen, Orthesen oder orthopädische Schuhanpassungen beeinflusst werden kann. Die Analyse der Röntgenbilder zeigte eine signifikante Verbesserung in den einzelnen Gruppen, einschliesslich der Kontrollgruppe. Es gab jedoch keinen signifikanten Unterschied zwischen den behandelten und unbehandelten Kindern (17). Eine weitere radiologische Studie von Penneau et al. (18) ergab ebenfalls keinen signifikanten radiologischen Unterschied zwischen barfüssigen Füssen und denselben Füssen mit vier verschiedenen Einlagen und Schuhmodifikationen.

Camurcu et al. (19) untersuchten den Einfluss von Einlagen auf die Lebensqualität von Kindern mit flexiblem Knick-­senkfuss und deren Eltern mithilfe des Oxford Ankle Foot Questionnaire (OxAFQ). Die Ergebnisse zeigten keine signifikanten Unterschiede in den OxAFQ-Scores der Kinder mit und ohne Einlagen. Interessanterweise hatten die Eltern von Kindern mit Einlagen signifikant niedrigere Scores bei den emotionalen Items als ihre Kinder. Dies zeigt, dass durch die Einlagenversorgung auch die Ängste der Eltern mitbehandelt wurden.

Obwohl 10 % der amerikanischen Kinder mit Knicksenkfüssen mit Einlagen behandelt werden, sind nur 1–2 % symptomatisch (11). Dies veranlasste die Autoren zu der Aussage, dass mehr als 90 % der Behandlungen unnötig waren. Angesichts der Kosten und der oft langjährigen Anwendung ist dies eine unnötig hohe Investition für Füsse, die sich ohnehin meist positiv entwickeln. Die Behandlung mit Einlagen sollte sich auf diejenigen konzentrieren, die symptomatisch sind oder bei denen Knicksenkfüsse zu funktionellen Problemen führen.

Key Point: Orthopädische Einlagen oder spezielle Schuhe haben keinen nachgewiesenen Einfluss auf die langfristige Aufrichtung des Fusses. Einlagen sollten nicht einfach verordnet werden, um dem Druck der Eltern nachzugeben.

Mythos: «Barfusslaufen fördert die positive Entwicklung von kindlichen Knicksenkfüssen»

Viele Eltern und auch Behandler glauben, dass Barfusslaufen die Fussgesundheit ihrer Kinder fördere und die Füsse stärke. Es gibt nur wenige wissenschaftliche Studien, die versucht haben, dieser Frage systematisch auf den Grund zu gehen. In einer indischen Studie analysierten Rao und Joseph (21) Fussabdrücke von 2300 Kindern im Alter von 4 bis 13 Jahren. Sie stellten fest, dass die Inzidenz von Knick­senkfüssen bei Kindern, die Schuhe trugen, höher war als bei barfuss laufenden Kindern. Sie leiteten daraus ab, dass das Tragen von Schuhen in der frühen Kindheit die Entwicklung eines normalen Längsgewölbes beeinträchtigen könnte.
Eccharri et al. (9) untersuchten Fussparameter von 1851 kongolesischen Kinder im Alter zwischen 3 und 12 Jahren und verglichen Stadtkinder, die Schuhe trugen, mit Kindern aus ländlichen Gebieten, die überwiegend barfuss liefen. Im Alter von 3 und 4 Jahren waren die meisten Füsse morphologisch flach. Der Anteil an Knicksenkfüssen nahm ähnlich wie in anderen Studien mit dem Alter bei beiden Geschlechtern ab. Jungen hatten eine grössere Neigung zu Knicksenkfüssen mit einem höheren Anteil an Knicksenkfüssen in städtischen Gebieten. Das Alter war jedoch der wichtigste Prädiktor für Knicksenkfüsse.

In einer pedobarografischen Studie verglichen Gimunova et al. (22) einzelne Fuss- und Gangparameter bei Kleinkindern, die entweder regelmässig Barfussschuhe oder herkömmliche Schuhe trugen. Sie beobachteten, dass Kinder, die Barfussschuhe trugen, einen höheren Fussgewölbeindex und einen kleineren Fussprogressionswinkel hatten, und folgerten unter Anerkennung methodischer Schwächen ihrer Studie, dass Barfussschuhe oder regelmässiges Barfusslaufen für die Aufrichtung der Füsse förderlich sein könnten.
Die vorliegenden Studien ergeben Hinweise, dass das Barfusslaufen möglicherweise vorteilhaft ist. Es gibt jedoch methodische Schwierigkeiten, diese Fragestellung wissenschaftlich zu untersuchen. Zudem sind longitudinale Studien, die die langfristigen Auswirkungen des Schuhtragens gegenüber dem Barfusslaufen untersuchen, aufgrund der heutigen Lebensbedingungen mit vorwiegend beschuhten Kindern wohl kaum durchführbar.

Key Point: Es gibt Hinweise, dass Barfusslaufen für die Fussentwicklung förderlich sein kann. Daher sollte Kindern dieses Bewegungserlebnis regelmässig ermöglicht werden.

Mythos: «Durch richtiges Schuhwerk kann die Entwicklung eines Knicksenkfusses positiv beeinflusst werden»

Es ist eine weitverbreitete Annahme, dass die Wahl des adäquaten Schuhwerks die Entwicklung von Knicksenkfüssen verhindern oder positiv beeinflussen kann. Die Frage, welche Schuhe für Kinder mit Knicksenkfüssen am besten geeignet sind, ist nach wie vor umstritten. Die Diskussion reicht von Barfusslaufen ohne jegliche Stabilisation bis hin zu festen Schuhen mit starker Unterstützung. Wie oben ausgeführt, gibt es Hinweise, dass das Barfusslaufen zu einer gesunden Fussentwicklung beitragen kann (21, 9, 22). Ähnlich wie bei den orthopädischen Schuheinlagen konnte kein signifikanter Einfluss verschiedener Schuhmodifikationen auf die Entwicklung der Fusswölbung nachgewiesen werden (17).

Andererseits gibt es Füsse, die ausreichend passive Stabilität benötigen. Insbesondere bei älteren und schwereren Kindern kann flexibles Schuhwerk mit weichem Sohlenmaterial und fehlender Fersenkappe zu Symptomen wie Schmerzen an Füssen und Knien führen (Abb. 4). In diesen Fällen kann der Wechsel zu stabilerem Schuhwerk oft ausreichen, um die Symptome zu beheben. Schuhe mit stabiler Sohle und guter Fersenstütze bieten in diesen Fällen die notwendige Unterstützung und können helfen, die Füsse in einen kompensierten Zustand zu überführen.

Stellt man die Indikation einer Einlagenversorgung, ist es in jedem Fall wichtig, dass das Schuhwerk ausreichend stabil ist, damit die Einlagen ihre korrigierende Wirkung entfalten können. Ohne stabile Schuhe können die Einlagen nicht richtig funktionieren, und die gewünschten Effekte bleiben aus.

Key Point: Die Frage nach dem «richtigen» Schuhwerk für Kinder mit Knicksenkfüssen ist nicht eindeutig zu beantworten. Ein gesunder Fuss ohne Beschwerden verträgt eine grosse Bandbreite unterschiedlicher Schuharten, sei es in fester oder flexibler Ausführung. Im Falle von Symp­tomen ist in jedem Fall das Schuhwerk zu überprüfen. Eine Einlagenversorgung sollte mit ausreichend stabilem Schuhwerk kombiniert werden.

Mythos: «Physiotherapie kann die Aufrichtung von ­Knicksenkfüssen verbessern»

Oft besteht seitens der Eltern der Wunsch, die Füsse ihrer Kinder physiotherapeutisch behandeln zu lassen. Vor allem im Internet gibt es zahlreiche Empfehlungen für fussgymnastische Übungen, die die Füsse kräftigen und aufrichten sollen. Auch wenn die gezielte Beübung der Muskelkraft insbesondere des M. tibialis posterior, des M. peroneus longus und der intrinsischen Muskulatur ein plausibles Behandlungskonzept darstellt, fehlt bislang der Nachweis der Wirksamkeit einer solchen Behandlung. Die meisten Studien wurden vor allem mit erwachsenen Probanden durchgeführt. Es gibt keine gesicherte Evidenz, die den Nutzen von Physiotherapie bei Kindern mit asymptomatischen Knicksenkfüssen nachweist. Die oben erwähnte Tendenz zur Spontankorrektur in den ersten Lebensjahren erschwert zudem den Wirkungsnachweis dieser Therapien. Wird bei Kindern eine allgemeine Muskelschwäche festgestellt oder besteht ein Zusammenhang mit einer neurologischen Grundproblematik, kann Physiotherapie zur Funktionsverbesserung oder zum Funktionserhalt sinnvoll sein.

Auch bei symptomatischen Kindern kann Physiotherapie sinnvoll sein. Im Vordergrund der Behandlung steht dabei die Behebung der Symptome und nicht die Verbesserung der Fussform. Die beim Knicksenkfuss oftmals verkürzte Wadenmuskulatur kann aufgedehnt bzw. Heimübungen dazu instruiert werden. Nach Operationen ist insbesondere nach längeren Phasen der Ruhigstellung Physiotherapie zur Kräftigung der Unterschenkel- und Fussmuskulatur zu empfehlen. Jedoch wird auch hier der klare Nachweis des Nutzens dieser Therapieform wohl aufgrund der zahllosen Nachbehandlungsprotokolle ­methodisch nicht möglich sein.

Key Point: In den meisten Fällen ist Physiotherapie nicht erforderlich, da viele Kinder ohne Intervention eine normale Fussentwicklung durchlaufen. Physiotherapie kann in symptomatischen Fällen hilfreich sein und insbesondere auch, wenn eine Muskelschwäche oder zusätzliche Erkrankungen vorliegen.

Dr. med. Bernhard Speth

Kinder- und Jugendorthopädie Speth
KSA am Bahnhof
Bahnhofplatz 3c
5000 Aarau

bernhard.speth@hin.ch

Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

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