Formula-Diäten für den Gewichtsverlust – Chancen und Herausforderungen

Zusammenfassung:

Formula-Diäten können mit dem Einsatz von industriell hergestellten Mahlzeitenersatzprodukten zu einer effektiven und schnellen Gewichtsreduktion und Verbesserung von Übergewichts-assoziierten Komorbiditäten führen. Durch die spezifische Zusammensetzung der Mahlzeitenersatzprodukte wird die Einhaltung der Kalorienziele und die Versorgung mit essenziellen Nährstoffen während einer erheblichen Energierestriktion vereinfacht. Trotz vieler möglicher Anwendungsfelder, Wirkungsnachweisen aus randomisiert kontrollierten Studien und Einfachheit in der praktischen Umsetzung bestehen Herausforderungen. Eintönigkeit und soziale Einschränkungen erschweren das Durchhalten und die Akzeptanz. Der Einsatz von Formula-Diäten zum nachhaltigen Gewichtsverlust erfordert deren Integration in ein multimodales Behandlungskonzept mit dem Ziel einer langfristigen Änderung des Ess- und Bewegungsverhaltens. Dazu gehört eine begleitende Ernährungsberatung, Bewegungsförderung, Evaluation adjuvanter pharmakolgischer oder interventioneller Therapien, sowie psychologische Unterstützung. Durch die Entwicklung neuer Inkretin-basierter Adipositasmedikamente hat sich ein weiteres Anwendungsfeld für Formula-Produkte eröffnet. Optimierungspotenzial liegt in einer Ausweitung des Produkteangebots und der Kombination mit digitalen Anwendungen, womit die Akzeptanz gesteigert und eine grössere Patientengruppe angesprochen werden kann.

Formula-Diäten werden als voller oder teilweiser Mahlzeitenersatz in der Behandlung von Übergewicht und Adipositas eingesetzt, um einen vergleichsweisen schnellen Gewichtsverlust von 5-10% innert 3-6 Monaten zu erzielen (1-3) . Aufgrund der weltweit steigenden Prävalenz von Übergewicht und Adipositas mit Verdreifachung der Zahl der Menschen mit Adipositas in den letzten fünf Jahren (4) werden gezielte Ernährungsinterventionen, ggf. auch in Kombination mit pharmakologischen Therapien immer relevanter. Im folgenden Übersichtsartikel werden das Therapiekonzept der Formula-Diäten, deren klinische Anwendungsfelder, sowie die aktuelle Studienlage zu häufigen Einsatzgebieten vorgestellt. Zudem werden Herausforderungen in der Umsetzung und ein mögliches Entwicklungspotenzial für die Zukunft diskutiert.

Formula-Diäten – Definitionen und Hintergrund

Die Voraussetzung für einen Gewichtsverlust durch eine Ernährungsintervention ist eine Reduktion der Energiezufuhr mit dem Ziel eine negative Energiebilanz (d.h. Energiezufuhr unterschreitet Energieverbrauch) zu erreichen. Generell werden Energierestriktions-Diäten in «very low calorie diet» (VLCD) mit weniger als 800 Kilokalorien pro Tag (kcal/d) und «low calorie diet» (LCD) mit 800-1200 kcal/d unterteilt (5). Bei einem Energieumsatz von 2000 kcal/d bedeutet dies ein Energiedefizit von 50-60% täglich. Rechnerisch kann bei einem Kaloriendefizit von 1000-1200 kcal/d ein Gewichtsverlust von 1-1.2 kg pro Woche erzielt werden. Eine Formula-Diät ist eine VLCD oder LCD, bei welcher Mahlzeiten ganz oder teilweise durch industriell angefertigte Formula-Produkte ersetzt werden. Formula-Produkte, welche den täglichen Nährstoffbedarf bei vollständigem Mahlzeitenersatz (4-5 Produkte bei einem Energiegehalt von durchschnittlich 200-220 kcal/Produkt) abdecken, gelten als vollbilanziert, bei partieller Abdeckung als teilbilanziert. Formula-Produkte gelten als Diätprodukte mit medizinischer Zweckbestimmung (sog. Foods for Specific Medical Purposes), wobei gesetzliche Vorgaben in Bezug auf die Zusammensetzung einzuhalten sind (5).

Bei Verwendung von Formula-Produkten zum vollständigen Mahlzeitenersatz müssen die entsprechenden Vorgaben für Makro- und Mikronährstoffgehalt sichergestellt sein (6). Beispielsweise muss ein Cholingehalt von mindestens 400 mg und eine Mindestproteinmenge von 75 g eingehalten werden, wobei der Aminosäureindex (protein digestibility-corrected amino acid score, PDCAAS) als Nachweis einer adäquaten Eiweissqualität bei 1.0 liegen muss. Bei den essentiellen Fettsäuren wird nach kürzlich erfolgter Anpassung nur noch eine Mindestzufuhr von 0.8 g alpha-Linolensäure vorgegeben (7). Erfüllt der Hersteller mit seiner Mahlzeitenersatzdiät alle Vorgaben, können die Produkte als «vollständiger Mahlzeitenersatzdiät zur Gewichtskontrolle» (original: «total diet replacement for weight control») vermarktet werden. Die Dauer vollständigen Mahlzeitenersatzes ist nur für maximal acht Wochen (früher 12 Wochen) zugelassen, weshalb auch diese Information auf dem Produkt klar ersichtlich sein muss.

Historische Entwicklung

Die erste beschriebene Formula-Diät zur Behandlung einer Gesundheitsstörung war die „Karell-Diät“, die im Zusammenhang mit Herzerkrankungen im frühen 20. Jahrhundert eingeführt wurde (8). Diese, auf Milch basierende Diät, lieferte 500 bis 1000 kcal pro Tag und wurde für 5 bis 6 Tage verschrieben. Erste Studien zum Einsatz von Formula-Diäten zur Gewichtsabnahme wurden in den 1950er Jahren mit selbstgemischten Shakes berichtet, die Zucker, Maisöl, Milch und Wasser enthielten (9). Obwohl bei diesen ersten Untersuchungen die Gesamtenergiezufuhr 1500 kcal pro Tag überstieg und die Diät nur einen Monat lang durchgeführt wurde, verloren die Teilnehmer/-innen in dieser Studie bis zu 13.8 kg. Allerdings fielen 56% der Teilnehmer jedoch innerhalb von zwei Wochen wieder zurück auf ihr Ausgangsgewicht. Die meisten heute verwendeten Formula-Diät-Programme, wie Counterweight, Lighter Life oder die 1:1-Diät, basieren auf dem Cambridge Weight Plan, der in den 1970er Jahren vom Ernährungswissenschaftler Dr. Alan Howard entwickelt wurde (10).

Einsatz von Formula-Diäten in medizinisch begleiteten Abnehmprogrammen

Formula-Diäten werden idealerwiese medizinisch begleitet an spezialisierten Adipositaszentren durchgeführt. Vorgehend sollten Kontraindikationen für eine LCD oder VLCD (z.B. bestimmte angeborene Stoffwechselkrankheiten oder Schwangerschaft/Stillzeit) und sekundäre Adipositasursachen ausgeschlossen werden und ein detailliertes Ernährungsassessment erfolgen. Auch ist eine ärztliche Aufklärung über mögliche Nebenwirkungen und ggf. Instruktion von Begleitmassnahmen (z.B. Anpassungen von Ko-Medikationen wie Antihypertensiva oder Antidiabetika) angezeigt. Die Diät-Instruktion und Begleitung sollte durch eine qualifizierte Ernährungsfachperson erfolgen. Die Umsetzung orientiert sich in der Regel an einer klaren Struktur bestehend aus drei Phasen (Abb. 1) (5). Initial erfolgt ein vollständiger Mahlzeitenersatz (meist 8 Wochen), gefolgt von einer Übergangsphase mit teilweisem Mahlzeitenersatz und Abschluss mit einer Stabilisierungsphase zum Erhalt des erzielten Gewichtsverlustes.

Begleitend werden Massnahmen zur Bewegungsförderung, Erhöhung der Ernährungskompetenz und ggf. auch Verhaltenstherapie umgesetzt. Bei längeren Programmen oder komplexeren Patient/-innen werden auch ärztliche Zwischenuntersuchungen eingeplant. Ab Phase zwei (Wiedereinführung von Nahrungsmitteln mit einem schrittweisen Austausch von Formula-Produkten) wird die Gesamtenergiezufuhr wieder allmählich, angepasst an das Zielgewicht und Aktivitätsniveau, gesteigert und die Verwendung der Produkte auf einmal täglich reduziert. In der letzten Phase der Gewichtsstabilisierung, werden individuelle Energieziele mehrheitlich über Energie- und Nährstoff-definierte ausgewogene Mahlzeiten, auf Basis des erworbenen Ernährungswissens, eingehalten.

Eine Auswahl von Formula- Produkten verschiedenerer Hersteller ist in Tabelle 1 dargestellt. Oft werden dazugehörig auch spezifische Umsetzungsprogramme vorgeschlagen. Adipositaszentren können sich daran orientieren oder auch eigene Konzepte etablieren, da eine Bindung der Patient/-innen an spezifische Hersteller und kommerzielle Programme oft nicht erwünscht ist. Je nach Produktwahl, Kombination mit normalen Nahrungsmitteln und individuellen Nährstoffbedürfnissen ist durch eine Fachperson zu entscheiden, ob zusätzlich Supplemente wie zum Beispiel Mikronährstoffe oder Ballaststoffe erforderlich sind.

Die Kosten für Formula-Produkte liegen bei etwa 5 bis 5.50 CHF pro Portion, entsprechend betragen die Gesamtkosten bei drei bis fünf Produkten pro Tag 140 bis 155 CHF pro Woche. Es hängt vom Land ab, ob Krankenversicherungen die Kosten für Formula-Diäten und dazugehörige Abnehmprogramme übernehmen. In der Schweiz ist es nicht üblich, finanzielle Unterstützung von Krankenversicherungen zu erhalten, während in Großbritannien das NHS ein 12-wöchiges digitales Abnehmprogramm einschließlich der Anwendung von Formula-Produkten entwickelt hat und die Kosten dafür trägt (11).

Wirksamkeitsnachweis in klinischen Studien

Formula-Diäten und Gewichtsreduktion

Formula-Diäten wurden in verschiedenen klinischen Studien zur Gewichtsreduktion verwendet, wobei Unterschiede hinsichtlich Produktauswahl, Dauer und Umsetzungsprogramm bestehen. In einer Observationsstudie von 2012 wurden über 8000 Teilnehmer/-innen während ihrer Gewichtsreduktion mit dem Optifast 52 Programm begleitet. Nach einem Jahr lag der absolute Gewichtsverlust bei den knapp 4500 Teilnehmer/-innen, welche das Programm bis zum Abschluss der 52 Wochen durchführten, bei 21.2 kg. Das entspricht einem relativen Gewichtsverlust von 17.9%. Damit einhergehend kam es zu einer reduzierten Prävalenz des metabolischen Syndroms, einem geringeren Auftreten von arterieller Hypertonie und einer Verbesserung des Lipidprofils (12). Gemäss einer Übersichtsarbeit von 2017 kann mit einer Formula-Diät ein Gewichtsverlust von bis zu 20 kg innert zwölf Monaten erzielt werden (13).

In dieser Arbeit wurden sowohl VLCD als auch LCD mit über 800 kcal/Tag mit einer Interventionsdauer von 4-52 Wochen eingeschlossen. Es konnte zudem kein Unterschied in der Gewichtsabnahme bei Personen mit oder ohne Diabetes festgestellt werden. Im Vergleich zu einer reinen Lifestyle-Intervention zeigt sich jedoch eine zusätzliche mittlere Gewichtsabnahme von 3.9 kg (2). Auch langfristige Ergebnisse konnten bereits erfasst werden und bestätigen, dass nach initialer Verwendung einer VLCD ein anhaltender Gewichtsverlust von 3.4-4.2 kg nach bis zu fünf Jahren im Vergleich zum Ausgangsgewicht beibehalten werden kann.

Zwei neuere randomisierte Studien verglichen eine Formula-Diät mit vollständigem Mahlzeitenersatz für mindestens zwölf Wochen mit einer üblichen Diät. In der DROPLET-Studie ersetzten 138 Teilnehmer/-innen Mahlzeiten vollständig durch Formula-Produkte (Total Diet Replacement, TDR) mit 810 kcal/Tag über acht Wochen, gefolgt von einer Phase der Nahrungswiedereinführung (1). Die TDR-Gruppe erreichte innerhalb von 12 Monaten eine Gewichtsabnahme von 10,7 kg im Vergleich zu einer Gewichtsabnahme von 3,1 kg in der Gruppe mit üblicher Versorgung. 45% verloren mit der Formula-Diät mindestens 10% ihres Ausgangsgewichts, im Gegensatz zu 15% in der Kontrollgruppe. Die OPTIWIN-Studie zur Evaluation des OPTIFAST-Programms (OP) verglich als multizentrische randomisiert kontrollierte Studie die etablierte Formula-Diät mit einem auf Lebensmitteln basierenden Ernährungsplan mit einem Kaloriendefizit von 500-750 kcal (food-based, (FB)) (14).

Die 135 Teilnehmer/-innen der OP-Gruppe erhielten einen vollständigen Mahlzeitenersatz mit 800 kcal/Tag für 12-16 Wochen. Nach 26 Wochen betrug die durchschnittliche Gewichtsabnahme in der OP-Gruppe 12.4% im Vergleich zu 6% in der FB-Gruppe, und nach 52 Wochen 10.5% und 5.5%. 30% der Teilnehmer/-innen der OP-Gruppe erreichten nach einem Jahr eine Gewichtsabnahme von mehr als 15%. Zudem wurden weitere kardiovaskuläre Risikomarker erfasst und es zeigte sich eine signifikant höhere Abnahme des Taillenumfangs und der Gesamtkörperfettmasse in der OP-Gruppe, aber auch die Abnahme der Gesamtkörpermagermasse war ausgeprägter. Milde bis moderate Nebenwirkungen traten bei 76.8% der Teilnehmer/-innen in der OP Gruppe auf, gegenüber 62.7% in der FB Gruppe. Die häufigsten Nebenwirkungen in diesen beiden Studien waren Obstipation, Kopfschmerzen, Schwindel, Durchfall, Übelkeit und Fatigue.

Die teilweise Mahlzeitenersatzdiät ist eine weitere Option für Adipositasprogramme. Eine Studie hat gezeigt, dass bereits ein Mahlzeitenersatz pro Tag die kalorische Aufnahme um etwa 200 kcal reduzieren und innerhalb von 12 Wochen zu einer Gewichtsreduktion von 4.3% führen kann gegenüber der Kontrollgruppe mit Standarddiät und einem Gewichtsverlust von 0.3% (15).

Formula-Diäten für Diabetes-Remission

Eine Gewichtsreduktion durch eine Formula-Diät kann eine diabetische Stoffwechsellage nicht nur verhindern, sondern oft auch rückgängig machen. Im Jahr 2002 konnte das «Diabetes Disease Prevention Program» zeigen, dass eine multimodale Lebensstilintervention, einschließlich diätetischer Veränderungen, grosses Potenzial hat, die Inzidenz von Typ-2-Diabetes zu reduzieren (16). Gemäss einer aktuellen Übersichtsarbeit kann eine Diät mit initialer Anwendung einer VLCD in Form eines vollständigen Mahlzeitenersatzes innerhalb von einem Jahr bei im Mittel 54% der Patient/-innen eine Diabetesremission bewirken (17). Die durchschnittliche Diabetes-Dauer der Teilnehmer/-innen lag bei 3-5 Jahren und der durch die Formula-Diät erreichte mittlere Gewichtsverlust 10-12 kg nach 12 Monaten. Im Vergleich zu anderen Diätformen wie der mediterranen oder ketogenen Ernährung war die VLCD der effektivste Ansatz zur Initiierung einer Diabetesremission.

Jedoch zeigte auch bereits ein teilweiser Mahlzeitenersatz eine Remissionsrate von 11% bei begleitender Gewichtsreduktion von 8.6 kg innerhalb eines Jahres. Die Remissionsrate wurde auch in der 2018 veröffentlichten offenen, cluster- randomisierten DIRECT-Studie untersucht. Die Interventionsgruppe in dieser Studie mit 149 Teilnehmer/-innen mit Übergewicht und Diabetes (max. 6 Jahre) ohne Insulintherapie folgte dem Counterweight Plus Programme und wurde mit einer Kontrollgruppe verglichen, die ein übliches Gewichtsmanagement durchlief (3, 18). 77.9% der Interventionsgruppe und 94% der Kontrollgruppe nahmen an dem Assessment nach zwei Jahren teil. Dort wurde bei 41.1% der Teilnehmer/-innen der Interventionsgruppe im Vergleich zu 3.4% in der Kontrollgruppe eine Diabetes-Remission erreicht bei einem durchschnittlichen Gewichtsverlust in der Interventionsgruppe von 7.6 kg gegenüber 2.3 kg in der Kontrollgruppe. Die höchste Diabetes Remissionsrate wurde bei Teilnehmer/-innen mit einem Gewichtsverlust von mehr als 10 kg beobachtet (73%), bei 15 kg Gewichtsverlust lag die Remissionsrate sogar bei 86%. In der Analyse nach einem Jahr benötigten 74% der Patient/-innen in der Interventionsgruppe keine antidiabetische Pharmakotherapie mehr.

Im Vergleich nutzte die Look AHEAD Studie als eine der ersten randomisierten kontrollierten Studien, einen teilweisen Mahlzeitenersatz (2 Mahlzeitenersatzprodukte pro Tag; 1 normale Mahlzeit) in einem multimodalen Interventionsprogramm für Diabetespatienten/-innen. Über 5000 Teilnehmer/-innen mit Übergewicht und Diabetes wurden initial in die Studie eingeschlossen und in den Gruppen betrug die Follow-up Rate 94.1% in der Interventions- und 93.1% in der Kontrollgruppe. Nach vier Jahren hatte sich der HbA1c-Wert in der Interventionsgruppe signifikant um 0.36 Prozentpunkte gegenüber 0.09 Prozentpunkte in der Kontrollgruppe verbessert. Es mussten in der Interventionsgruppe über den Zeitraum von vier Jahren weniger Teilnehmer/-innen mit der Einnahme von antidiabetischen Medikamenten im Vergleich zur Kontrollgruppe starten (42% gegenüber 67%) und 9% konnten innerhalb der vier Jahre ihre orale antidiabetische Therapie stoppen (19). Auch eine Insulintherapie musste im Vergleich zur Kontrollgruppe in dem Zeitraum bei weniger Patient/-innen gestartet werden (7% gegenüber 12%) und nach vier Jahren konnten 23% ihre Insulintherapie stoppen.

Studien, welche Personen mit Diabetes und Insulintherapie einschlossen, dokumentierten keine erhöhte Rate an Hypoglykämien in Interventionsgruppen, welchen einen vollständigen Mahlzeitenersatz durchführten (20). Die Autor/-innen wiesen jedoch darauf hin, dass eine engmaschige Betreuung zur regelmässigen Anpassung der Insulindosis notwendig ist.

Formula Diäten zur präoperativen Gewichtsreduktion vor Adipositaschirurgie

Eine vorgeschriebene Gewichtsreduktion unmittelbar vor einer bariatrischen Operation ist in vielen chirurgischen Abteilungen üblich. Auch wenn die Studienlage nicht ganz eindeutig ist, gibt es Hinweise darauf, dass eine präoperative Gewichtsreduktion die perioperative Morbidität und/oder Mortalität reduzieren kann (21). Eine Übersichtsarbeit untersuchte die Machbarkeit und Effektivität eines präoperativen Mahlzeitenersatzes zur Verbesserung chirurgischer Outcomes bei Patient/-innen mit Adipositas (22). Unter den 15 eingeschlossenen Studien waren zwei randomisiert kontrollierte Studien enthalten (120 und 273 Teilnehmer/-innen), sowie zwei retrospektive Analysen. Es wurde eine hohe Akzeptanz und Adhärenz der Diät in diesem Setting festgestellt. Bei über 70% der Studien konnte ein Gewichtsverlust von 5% bei einer Diät-Dauer von im Mittel 4 Wochen (6-168 Tage) erreicht werden und bei der Hälfte der Studien von über 10% bei einer Interventionsdauer von einer bis 16 Wochen. Zudem zeigte sich eine Diät-induzierte Reduktion des Lebervolumens von 10%. Bezüglich der postoperativen Outcomes wurde eine Verbesserung metabolischer Risikofaktoren wie Blutglukose oder Lipidprofil, sowie in vier Studien eine Reduktion der Mortalitätsrate festgestellt.

Herausforderungen in der klinischen Praxis

Der Erfolg des Gewichtsverlusts durch diätetische Intervention hängt hauptsächlich von der Adhärenz der Patient/-innen während des Programms ab. Daher untersuchten viele Studien die Akzeptanz, Erfahrungen und Probleme während multimodaler Gewichtsverlustprogramme auf der Grundlage von Formula-Diäten. Die meisten teilnehmenden übergewichtigen Patient/-innen haben in der Vergangenheit schon viele erfolglose Diätversuche durchgeführt. Mit dem Wunsch nach einem nachhaltigen Gewichtsverlust für bessere Gesundheit und Aussehen, starten sie zunächst sehr motiviert in eine Formula-basierte diätische Intervention mit Erwartungen an den Therapieerfolg.

Eine gute Betreuung durch professionelle Berater/-innen und eine Unterstützung durch das soziale Umfeld sind wichtige Erfolgsfaktoren. Neben dem Gewichtsverlust trägt auch eine Verbesserung des körperlichen und psychischen Wohlbefindens oder eine Verbesserung der Diabeteseinstellung mit weniger Medikamentenbedarf zur anhalten Motivation bei. Während der Teilnahme an einem multimodalen Programm berichten Patient/-innen häufig, dass sie die Durchführung als einfacher empfinden, als erwartet und Vorteile darin sehen kein Essen vorbereiten oder einkaufen zu müssen. Als herausfordernd werden jedoch die sozialen Einschränkungen durch die fehlende Teilnahme an gemeinsamen Mahlzeiten und auch die fehlende Abwechslung in der Ernährung empfunden. So entwickeln Patient/-innen häufig Strategien, um Herausforderungen und Versuchungen aus dem Weg zu gehen. Sie ziehen sich zum Essen in einem separaten Raum zurück, meiden Orte und Situationen, wo ihnen ein Verzicht schwerfallen könnte oder suchen sich aktiv eine Ablenkung, um Versuchungen zu wiederstehen. In Summe erleben Teilnehmer/-innen meist ein Überwiegen der positiven Effekte gegenüber Einschränkungen und Nebenwirkungen (23-25).

Ausblick und Entwicklungspotenzial

Die kurzfristige Wirksamkeit von Formula-Diäten im Rahmen von teilweisem oder vollständigem Mahlzeitenersatz konnte in Studien nachgewiesen werden. Herausforderungen bestehen vor allem in der Adhärenz und der langfristigen Gewichtsstabilisierung. Wie in vielen Diäten besteht ein hohes Risiko für eine erneute Gewichtszunahme, dem sogenannten Jojo-Effekt. Nachfolgend gehen wir auf das Entwicklungspotenzial und weitere Anwendungsfelder der Formula-Diäten ein.

Kombination mit Pharmakotherapie

Inkretin-basierte Medikamente sind in den letzten 3-5 Jahren zur Standardinterventionen in der Adipositasbehandlung geworden, wobei Kostenübernahme und Verfügbarkeit noch grosse Herausforderungen darstellen. Obwohl die Wirksamkeit erhältlicher Präparate noch nicht vergleichbar ist mit bariatrischer Chirurgie, erzielen die heute bereits eingesetzten Therapien in der Mehrheit der Fälle einen Gewichtverlust von 5-15% (26). Die Kombination einer Energierestriktionsdiät auf Basis von Formula-Produkten zur Initiierung des Gewichtsverlusts mit der Verwendung von Inkretin-Pharmakotherapie kann bei der Aufrechterhaltung der Gewichtsreduktion unterstützen (27). Die Hauptwirkung der neuen Medikationen besteht in einer Reduktion des Appetits und einem verstärkten Sättigungsgefühl. Bei Therapiebeginn treten in der Mehrheit der Fälle auch gastrointestinale Nebenwirkungen auf, womit es zu einer erheblichen Reduktion der Nahrungszufuhr kommt. Auch wenn hierdurch die gewünschte Gewichtsabnahme eingeleitet wird, besteht damit ein Risiko Nährstoffdefizite zu entwickeln. Hier können bilanzierte Formula- Produkte zu einer Mikronährstoff- und Proteinversorgung beitragen, ohne das Kaloriendefizit zu gefährden. Zudem stellen Formula-Produkte bei aktuell häufig auftretenden Lieferengpässen der Medikamente eine überbrückende Massnahme zum Erreichen individueller Gewichtsziele dar.

Zugänglichkeit und Telemedizin

Digitalisierung und telemedizinische Ansätze werden bereits in vielen medizinischen Bereichen eingesetzt, um die Datensammlung, Patientenversorgung und Therapieentscheidungen zu vereinfachen (28), womit auch ein großes Potenzial für deren Nutzung in der Adipositasbehandlung besteht. Wenn es möglich ist, diese standardmässig in die medizinische Versorgung zu integrieren, könnten Gesundheitsdienstleister mehr Informationen über das Ess- und Bewegungsverhalten ihrer Patient/-innen erhalten, sowie Probleme bei der Gewichtsreduktion während der Behandlung erkennen. Insbesondere die frühzeitige Erkennung von Zielabweichungen und Einleitung von präventiven oder korrektiven Massnahmen sind vorteilhaft. Formula-Diäten mit Übergang in optimierte Ernährungsweisen eignen sich folglich für App-basierte Ernährungsberatungen, welche auch das Monitorisieren von Mahlzeiten, Gewichtsverlauf und Nebenwirkungen ermöglichen. Auch die erleichterte Zugänglichkeit ohne Abhängigkeit von örtlichen Kapazitäten und die Möglichkeit der Betreuung grösserer Patientenzahlen können Vorteile sein.

Produktevielfalt, Zusammensetzung und begleitende Ernährungsunterstützung

Aktuell wird hauptsächlich Protein aus tierischen Quellen für Formula-Produkte verwendet, auch insbesondere bei industriellen Anfertigungen. Gleichwertige Proteinqualitäten können jedoch auch mit einer Kombination verschiedener pflanzlicher Quellen erreicht werden. Dies sollte im Hinblick auf die planetare Gesundheit und dem Ressourcenverbrach bei der Entwicklung neuer Produkte berücksichtigt werden (29-32). Zudem besteht weiteres Optimierungspotenzial in einer Erhöhung des Ballaststoffgehalts, welcher in den verfügbaren Produkten meist noch niedrig ausfällt. Das sollte im Rahmen der Intervention gemeinsam mit einer Fachperson besprochen werden. Dies kann ebenso zu einer verbesserten Adhärenz beitragen, wie ein Ausbau des Produktangebotes, sowie spezifische Rezeptvorschläge zur selbständigen Energie- und Nährstoff-definierten Mahlzeitenzubereitung.

Eine engmaschige Betreuung durch qualifizierte Ernährungsberater/-innen hat sich bereits als essenziell erwiesen und sollte weiter intensiviert werden und um gezielte Einkaufsempfehlungen ergänzt werden. Zudem ist oft auch eine gute Information der Patient/-innen hinsichtlich begleitender Ballaststoffpräparate, sowie ergänzender Einnahme von Multivitaminpräparaten notwendig. Je nach Produktauswahl, Menge und Begleiterkrankungen mit zum Beispiel vorbestehendem Mikronährstoffmangel, kann eine ergänzende Supplementation sinnvoll oder notwendig sein. Als Gesundheitsdienstleister/-innen sollten wir Möglichkeiten entwickeln, all diesen unterschiedlichen Anliegen Rechnung zu tragen und parallel die weitere Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet voranzutreiben.

Nele Endner

Universitätsklinik für Diabetologie, Endokrinologie, Ernährungsmedizin & Metabolismus (UDEM)
Inselspital, Universitätsspital
Universität Bern

Prof. Dr. med. Dr. phil. Lia Bally

Leitende Ärztin, Leiterin Ernährungsmedizin, Metabolismus und Adipositas
Universitätsklinik für Diabetologie, Endokrinologie, Ernährungsmedizin & Metabolismus (UDEM)
Inselspital, Universitätsspital Bern
Julie-von-Jenner-Haus
Freiburgstrasse 15
CH-3010 Bern

lia.bally@insel.ch

Die Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

Da die Behandlungsoptionen für Adipositas zunehmen und Ausgangslagen und Therapieansprechen unterschiedlich sind, sind Ernährungsinterventionen wichtige Therapiekomponenten. Die aktuelle Evidenz legt nahe, dass Formula-Diäten, insbesondere vollständiger diätetischer Mahlzeitenersatz, das Potenzial haben, zu einem schnellen und erfolgreichen Gewichtsverlust zu führen und Begleiterkrankungen zu reduzieren. Diese kurze Übersicht und unsere eigenen Erfahrungen haben gezeigt, dass es notwendig ist, Formula-Diäten in ein multimodales, interdisziplinäres Programm zu integrieren, um die besten Ergebnisse zu erzielen. Es gibt viele weitere Ansätze für die Implementierung von Formula-Diäten in Adipositasprogrammen. Eine Hauptherausforderung besteht in der Aufrechterhaltung eines erreichten Gewichtsverlusts nach Abschluss des Therapieprogrammes, wobei die Kombinationen mit Inkretin-basierten Adipositasmedikamenten unterstützen könnte – weitere Forschung ist erforderlich, um bestehende Wissenslücken zu schließen.

1. Astbury NM, Aveyard P, Nickless A, Hood K, Corfield K, Lowe R, et al. Doctor Referral of Overweight People to Low Energy total diet replacement Treatment (DROPLET): pragmatic randomised controlled trial. Bmj. 2018; 362: k3760.
2. Parretti HM, Jebb SA, Johns DJ, Lewis AL, Christian-Brown AM, Aveyard P. Clinical effectiveness of very-low-energy diets in the management of weight loss: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Obes Rev. 2016; 17(3): 225-34.
3. Lean ME, Leslie WS, Barnes AC, Brosnahan N, Thom G, McCombie L, et al. Primary care-led weight management for remission of type 2 diabetes (DiRECT): an open-label, cluster-randomised trial. Lancet. 2018; 391(10120): 541-51.
4. WHO. Obesity and overweight (11.08.2022). Available from: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/obesity-and-overweight#:~:text=Worldwide%20obesity%20has%20nearly%20tripled,%2C%20and%2013%25%20were%20obese.
5. Bischoff SC, Schweinlin A. Obesity therapy. Clin Nutr ESPEN. 2020; 38: 9-18.
6. Council EPa. Commission Delegated Regulation (EU) 2017/1798 of 2 June 2017 supplementing Regulation (EU) No 609/2013 of the European Parliament and of the Council as regards the specific compositional and information requirements for total diet replacement for weight control (Text with EEA relevance)Text with EEA relevance. Official Journal of the European Union. 2017; 259.
7. Council EPa. Commission Delegated Regulation (EU) 2022/2182 of 30 August 2022 amending Delegated Regulation (EU) 2017/1798 as regards the lipid and magnesium requirements for total diet replacement for weight control. Official Journal of the European Union. 2022; 288.
8. Samuel W. Lambert MD. The Use of the Karell Diet in Heart Disease. The American Journal of the Medical Sciences. 1912; 5: 761-2.
9. FORMULA diet for weight reduction. Nutr Rev. 1958; 16(10): 292-4.
10. Biography of Dr Alan Howard (12.08.2022). Available from: https://www.howard-foundation.com/biography-of-dr-alan-howard/.
11. England N. The NHS Digital Weight Management Programme (13.09.2022). Available from: https://www.england.nhs.uk/digital-weight-management/#:~: text=The%20NHS%20Digital%20Weight%20Management%20Programme%20supports%20adults%20living%20with,online%20behavioural%20and%20lifestyle%20programme.
12. Bischoff SC, Damms-Machado A, Betz C, Herpertz S, Legenbauer T, Löw T, et al. Multicenter evaluation of an interdisciplinary 52-week weight loss program for obesity with regard to body weight, comorbidities and quality of life–a prospective study. Int J Obes (Lond). 2012; 36(4): 614-24.
13. Leslie WS, Taylor R, Harris L, Lean ME. Weight losses with low-energy formula diets in obese patients with and without type 2 diabetes: systematic review and meta-analysis. Int J Obes (Lond). 2017; 41(1): 96-101.
14. Ard JD, Lewis KH, Rothberg A, Auriemma A, Coburn SL, Cohen SS, et al. Effectiveness of a Total Meal Replacement Program (OPTIFAST Program) on Weight Loss: Results from the OPTIWIN Study. Obesity (Silver Spring). 2019; 27(1): 22-9.
15. Guo X, Xu Y, He H, Cai H, Zhang J, Li Y, et al. Effects of a Meal Replacement on Body Composition and Metabolic Parameters among Subjects with Overweight or Obesity. J Obes. 2018; 2018: 2837367.
16. Knowler WC, Barrett-Connor E, Fowler SE, Hamman RF, Lachin JM, Walker EA, et al. Reduction in the incidence of type 2 diabetes with lifestyle intervention or metformin. N Engl J Med. 2002; 346(6): 393-403.
17. Churuangsuk C, Hall J, Reynolds A, Griffin SJ, Combet E, Lean MEJ. Diets for weight management in adults with type 2 diabetes: an umbrella review of published meta-analyses and systematic review of trials of diets for diabetes remission. Diabetologia. 2022; 65(1): 14-36.
18. Lean MEJ, Leslie WS, Barnes AC, Brosnahan N, Thom G, McCombie L, et al. Durability of a primary care-led weight-management intervention for remission of type 2 diabetes: 2-year results of the DiRECT open-label, cluster-randomised trial. Lancet Diabetes Endocrinol. 2019; 7(5): 344-55.
19. Wing RR. Long-term effects of a lifestyle intervention on weight and cardiovascular risk factors in individuals with type 2 diabetes mellitus: four-year results of the Look AHEAD trial. Arch Intern Med. 2010; 170(17): 1566-75.
20. Brown A, Dornhorst A, McGowan B, Omar O, Leeds AR, Taheri S, et al. Low-energy total diet replacement intervention in patients with type 2 diabetes mellitus and obesity treated with insulin: a randomized trial. BMJ Open Diabetes Res Care. 2020; 8(1).
21. Sun Y, Liu B, Smith JK, Correia MLG, Jones DL, Zhu Z, et al. Association of Preoperative Body Weight and Weight Loss With Risk of Death After Bariatric Surgery. JAMA Netw Open. 2020; 3(5): e204803.
22. Ross LJ, Wallin S, Osland EJ, Memon MA. Commercial Very Low Energy Meal Replacements for Preoperative Weight Loss in Obese Patients: a Systematic Review. Obes Surg. 2016; 26(6): 1343-51.
23. Astbury NM, Albury C, Nourse R, Jebb SA. Participant experiences of a low-energy total dietw replacement programme: A descriptive qualitative study. PLoS One. 2020; 15(9): e0238645.
24. Rehackova L, Araújo-Soares V, Adamson AJ, Steven S, Taylor R, Sniehotta FF. Acceptability of a very-low-energy diet in Type 2 diabetes: patient experiences and behaviour regulation. Diabet Med. 2017; 34(11): 1554-67.
25. Hemmingsson E, Johansson K, Eriksson J, Sundström J, Neovius M, Marcus C. Weight loss and dropout during a commercial weight-loss program including a very-low-calorie diet, a low-calorie diet, or restricted normal food: observational cohort study. The American Journal of Clinical Nutrition. 2012; 96(5): 953-61.
26. Wilding JPH, Batterham RL, Calanna S, Davies M, Van Gaal LF, Lingvay I, et al. Once-Weekly Semaglutide in Adults with Overweight or Obesity. N Engl J Med. 2021; 384(11): 989-1002.
27. Cifuentes L, Galbiati F, Mahmud H, Rometo D. Weight regain after total meal replacement very low-calorie diet program with and with-out anti-obesity medications. Obes Sci Pract. 2024; 10(1): e722.
28. Eze ND, Mateus C, Cravo Oliveira Hashiguchi T. Telemedicine in the OECD: An umbrella review of clinical and cost-effectiveness, patient experience and implementation. PLoS One. 2020; 15(8): e0237585.
29. Adhikari S, Schop M, de Boer IJM, Huppertz T. Protein Quality in Perspective: A Review of Protein Quality Metrics and Their Applications. Nutrients. 2022; 14(5).
30. Plate and Planet (08.09.2022). Available from: https://www.hsph.harvard.edu/nutritionsource/sustainability/plate-and-planet/.
31. Nations FaAOotU. Major cuts of greenhouse gas emissions from livestock within reach 2013 (cited 2023 30.06.). Available from: https://www.fao.org/news/story/en/item/197608/icode.
32. Nations FaAOotU. Sustainable and circular bioeconomy for food systems transformation (09.09.2022). Available from: https://www.fao.org/in-action/sustainable-and-circular-bioeconomy/resources/news/details/en/c/1507553/.

Körperliche Aktivierung bei Adipositas

Zusammenfassung:

Personen mit Adipositas, die sich operativer oder pharmakologischer Therapien unterziehen, erzielen bezüglich Gewichts- und kardiometabolischer Risikoreduktion gute Ergebnisse. Nicht selten setzen Betroffene das Ausmass der erreichten Gewichtsreduktion einem langfristigen Behandlungserfolg gleich. Dabei wird übersehen, dass neben der Adipositas auch die starke Gewichtsreduktion ein Sarkopenierisiko birgt. Sarkopenische Adipositas und Sarkopenie erhöhen wiederum das Risiko für kardiometabolische Erkrankungen. Körperliche Aktivierung besitzt das Potenzial, dem durch Adipositas und Sarkopenie hervorgerufenen kardiometabolischen Erkrankungsrisiko entgegenzuwirken. Den hierfür zugrunde liegenden Mechanismus beherbergt das endokrine Organ Skelettmuskulatur. Durch Produktion und Aussendung von Myokinen kann dieses der sarkopenischen Adipositas und deren Folgeerkrankungen entgegenwirken. Um die Myokinproduktion in Gang zu setzen, bedarf es körperlicher Aktivierung. Ausdauer- und Krafttraining erweisen sich als eine sinnvolle Kombination. Um eine nachhaltige kardiometabolische Risikoreduktion zu erzielen, sollten Zielsetzungen und zeitlicher Ablauf der körperlichen Aktivierungsmassnahmen in zwei Phasen unterteilt werden, eine vorbereitende Phase und eine tatsächliche Gewichtsreduktionsphase.

Zugrunde liegende Mechanismen

Bariatrisch operative Interventionen oder pharmakologische Therapien reduzieren bei Personen mit Adipositas neben dem Körpergewicht auch das kardiometabolische Erkrankungsrisiko (1, 2). Nicht selten setzen Betroffene das Ausmass der erreichten Gewichtsreduktion einem langfristigen Behandlungserfolg gleich. Dabei wird übersehen, dass nicht nur die Adipositas, sondern auch eine starke Gewichtsreduktion ein Sarkopenierisiko birgt (3, 4). Sarkopenische Adipositas und Sarkopenie erhöhen wiederum das langfristige Risiko für kardiometabolische Erkrankungen (5–7). Nicht der Body-Mass-Index (BMI), sondern die Körperkomposition scheint hierfür von entscheidender Vorhersagekraft. Das viszerale Fettgewebe als Ursprungsort schädigender und das Organ Skelettmuskulatur als Produktionsort gesundheitsfördernder Zytokine stehen sich diesbezüglich als Hauptakteure gegenüber (8–17).

Ein zentrales Kennzeichen der Erkrankung Adipositas ist die übermässige viszerale Fettanhäufung. Günstigenfalls vermehren sich, häufig jedoch hypertrophieren viszerale Fettzellen, um die anflutenden Energiemengen abspeichern zu können. Durch das hohe Mass an abzuspeicherndem Energieüberschuss gelangen die viszeralen Fettzellen an ihre Kapazitätsgrenzen. Dies führt zum einen zu ektoper Fettansammlung und zum anderen zu einer Überbeanspruchung und Schädigung viszeraler Fettzellen. Das Immunsystem reagiert auf diese Schädigung mit einer Entzündungsreaktion mit Konsequenzen für den ganzen Organismus. Entzündungsfördernde Makrophagen setzen proinflammatorische Zytokine frei. Zusammen mit Adipozyten gelangen diese aus dem viszeralen Fettgewebe in den Organismus und sorgen für eine chronische subklinische systemische Entzündungslage. Diese bewirkt Beeinträchtigungen des kardiovaskulären Systems, von Zucker- und Fettstoffwechsel und führt zu entzündlich bedingten degenerativen Prozessen wie der Sarkopenie und letztendlich zu einem zunehmenden kardiometabolischen Erkrankungsrisiko (8–10).

Die Skelettmuskulatur hat das Potenzial, diesem entzündlich degenerativen Krankheitsgeschehen entgegenzuwirken. Als endokrines Organ besitzt sie die Fähigkeit, Zytokine, sogenannte Myokine, zu produzieren und für den gesamten Organismus verfügbar zu machen. Voraussetzung, um diesen Mechanismus in Gang zu setzen, ist körperliche Aktivierung.
Myokine wirken unter anderem antiinflammatorisch, regulieren Fett- und Zuckerstoffwechsel, sorgen für Muskelwachstum und -qualität und beeinflussen zentrale Steuerungsprozesse wie die Appetitregulation im Gehirn (11–17).

Wie in Abbildung 1 zu erkennen ist, kann das aktive Organ Skelettmuskulatur der übermässigen viszeralen Fettanhäufung, der daraus resultierenden chronischen subklinischen systemischen Entzündung und den damit verbundenen kardiometabolischen Risikofaktoren entgegenwirken.
In welcher Form und zeitlichen Abfolge körperliche Aktivierung optimale Wirksamkeit entfaltet, soll im Folgenden dargestellt werden.

Körperliche Aktivierung vor der ­Gewichtsreduktion (Phase 1)

In Phase 1 zielt die körperliche Aktivierung als vorbereitende Massnahme insbesondere auf die Steigerung der körperlichen Beanspruchbarkeit, die Reduktion der chronischen subklinischen systemischen Entzündung und die Verbesserung von Muskelquantität und -qualität ab. Um diese Zielsetzungen zu erreichen, werden regelmässige körperliche Aktivierungsmassnahmen, insbesondere Krafttraining in Form von Muskelaufbautraining und Ausdauertraining, benötigt. Unabdingbar ist eine begleitende Ernährungsberatung (18).
Zur Verlaufs- und Erfolgskontrolle sollten die Trainingsmassnahmen durch eine regelmässige Ermittlung der Körperkomposition, des Phasenwinkels (19) und der Handkraft (20) begleitet werden. Die tägliche Überprüfung der Herzratenvariabilität in Ruhe, zur Orientierung und bei Bedarf kurzfristig anzupassenden Belastungsgestaltung, erscheint sinnvoll (21, 22).

Muskelaufbautraining vor der Gewichts­reduktion (Phase 1)

In der ambulanten Adipositastherapie dienen Muskelaufbautrainingsprogramme im Allgemeinen dem Erhalt von Skelettmuskelmasse unter den Bedingungen einer Kalorienrestriktion. Ein schwieriges Unterfangen, da eine starke Gewichtsreduktion, z. B. im Rahmen einer bariatrischen Intervention, häufig mit einem deutlichen Verlust von Lean-Body-Mass (LBM) und damit verbunden Muskelmasse einhergeht (4).
Die Zielsetzung des vorbereitenden Muskelaufbautrainings in Phase 1 liegt nun darin, Muskelquantität und -qualität vor der Phase der eigentlichen Gewichtsreduktion zu optimieren. Dadurch soll der Verlust an LBM in der Gewichtsreduktionsphase minimiert werden. Zur Erfolgskontrolle dienen die Ermittlung der Handkraft und die bioelektrische Impedanz-analyse (BIA):
Die Handkraftstärke steht hierbei stellvertretend für den gesamten Körper, in positiver Korrelation mit einer günstigen Körperkomposition und in negativer mit dem Sarkopenie­risiko einer ungünstigen Körperkomposition (20).

Anhand der BIA kann Körperkomposition und Phasenwinkel ermittelt werden. Hierbei gibt der Phasenwinkel mittels elektrischer Widerstands- und Leitfähigkeitsmessung Auskunft über extrazelluläre und intrazelluläre Flüssigkeitsverteilung und Zellintegrität. Ein niedriger Phasenwinkel geht mit einer ungünstigen Flüssigkeitsverteilung, wie er bei einer übermässigen Fettansammlung vorzufinden ist, einher. Ein niedriger Phasenwinkel deutet aber auch auf den Verlust von LBM, eine schlechte Zellintegrität und eine chronische subklinische systemische Entzündungslage hin (19).
Im Zusammenhang mit bariatrischen Operationen haben präoperative Handkraft und präoperativer Phasenwinkel hohe Vorhersagekraft bezüglich langfristiger Effektivität und Qualität des postoperativen Gewichtsverlustes (20)!

Ein vorbereitendes Muskelaufbautraining besitzt das Potenzial, Handkraft und Phasenwinkel zu optimieren. Hierzu wird ein begleitendes Ernährungsprogramm primär nicht zur Kalorienreduktion, sondern durch eine geeignete Makronährstoffzusammenstellung und Energiezufuhrlenkung zur Verbesserung der Körperkomposition, insbesondere hinsichtlich Skelettmuskelquantität und -qualität, benötigt. Stokes et al. empfehlen im Rahmen von Krafttraining und einer isokalorischen Energiezufuhr 1.6–2.2 Gramm Proteinzufuhr, pro Kilogramm Körpergewicht und Tag. Die tägliche zuzuführende Proteinmenge sollte auf drei bis vier Mahlzeiten verteilt werden, um optimale Wirksamkeit zu erzielen (23).
Campa et al. (24) haben in einer kontrollierten randomisierten Studie mit Frauen mit Adipositas eine signifikante Verbesserung von Handkraft und Körperkomposition durch Muskelaufbautraining ohne Kalorienrestriktion belegen können.

Hierzu bedurfte es einem 24-wöchigen, jeweils dreimal wöchentlich stattfindenden Krafttrainings. Trainiert wurden alle grossen Muskelgruppen mit 8–12 Wiederholungen pro Trainingssatz und einer Intensität von 60–80% der maximalen konzentrischen Muskelkontraktionskraft (1-RM). Neben der Verbesserung von Handkraft und Körperkomposition konnten kardiometabolische Risikofaktoren wie Nüchternplasmaglukose, Insulin, HOMA-IR, HbA1c, Gesamtcholesterin, Triglyzeride und LDL-Cholesterin signifikant gesenkt werden (24).

Auch für die Verbesserung des Phasenwinkels erscheint ein Krafttraining in Form von Muskelaufbautraining über eine längere Trainingsdauer von ca. 12–24 Wochen, einer Trainingshäufigkeit von dreimal pro Woche und einer Intensität von ca. 60–80% der 1-RM bei etwa 8–12 Wiederholungen pro Trainingssatz als zielführend. Sardina und Rosa konnten dies im Rahmen ihrer Metaanalyse bestätigen (25). Sie führten die Verbesserung des Phasenwinkels einerseits auf eine Erhöhung der Glykogenspeicherkapazität und damit einhergehend erhöhten Flüssigkeitsspeicherkapazität in der Muskelzelle zurück. Durch die veränderte Flüssigkeitsverteilung im Körper verbesserte sich die Leitfähigkeit des Körperwassers. Dies führte zu einer Verringerung des ersten Teilwiderstands, der im Rahmen der BIA gemessen wird, der sogenannten Resistanz.

Die weitere Ursache sahen sie in der Verbesserung des intrazellulären Protein- und Zellstruktur-Remodelling und damit einhergehend der Integrität der Muskelzelle. Dies führte zu einer Erhöhung des zweiten Teilwiderstands, der im Rahmen der BIA an den Körperzellen gemessen wird, der sogenannten Reaktanz. Der Phasenwinkel, der das Verhältnis zwischen Leitfähigkeit des Körperwassers und Körperzellwiderstand beschreibt, wurde somit sowohl durch eine Erniedrigung der Resistanz als auch durch eine Erhöhung der Reaktanz verbessert (25).

Für die praktische Umsetzung des Muskelaufbautrainings in Phase 1 lassen sich daraus folgende Empfehlungen ableiten:
Eine Dauer von drei bis sechs Monaten mit einer Häufigkeit von drei Trainingseinheiten pro Woche an nicht aufeinanderfolgenden Tagen erscheint zielführend. Nach einer mindestens zweiwöchigen Einführungs- und Gewöhnungsphase sollte die Intensität in etwa 60–80% Prozent der 1-RM betragen. Dies spiegelt sich in einer Wiederholungszahl von 8–12 Wiederholungen pro Übungssatz bis zur jeweiligen Ausschöpfung der Muskelkraft wider.
Für Beginner ist zunächst ein Trainingssatz pro Übung und Trainingstag ausreichend. Die Anzahl der Trainingssätze pro Woche und Übung kann dann alle vier Wochen um einen Satz, bis zu zehn Sätzen pro Woche, gesteigert werden (26–28). Alle grossen Muskelgruppen sollten in das Muskelaufbautraining miteinbezogen werden. Für die obere Extremität sind dies insbesondere Brust-, breite Rücken- und Armmuskulatur, für den Rumpf Bauch- und autochthone Rückenmuskulatur und für die untere Extremität Gesäss-, vordere und hintere Oberschenkelmuskulatur und Wadenmuskulatur.

Neben dem Ganzkörpertraining kann entweder ein Zirkeltraining oder das Stationstraining als Organisationsform gewählt werden. Beide Varianten bieten Vor- und Nachteile.
Die diagnostische Kontrolle beruht auf der Ermittlung der Körperkomposition, des Phasenwinkels, der Handkraft und günstigenfalls auch der HRV in der Erholungsphase, um bei Bedarf tagesaktuelle Dosierungsanpassungen vornehmen zu können (29).

Wie in Abbildung 2 zu erkennen ist, geht dem eigentlichen Muskelaufbautraining eine Aufwärmphase voraus. Diese unterteilt sich in eine allgemeine Vorbereitung für das Herz-Kreislauf-System und eine spezifische für die beanspruchten Muskelgruppen und Gelenke. Danach erfolgt das eigentliche Muskelaufbautraining. Die Übungsreihenfolge sorgt dafür, dass es zu keiner vorzeitigen Ermüdung einzelner Muskelgruppen durch redundante Beanspruchung kommt. Am Ende des Trainings steht die Abwärmphase. Diese dient der Einleitung der Regenerationsphase, die für das Krafttraining mindestens einen Tag beansprucht. Erst in der Regenerationsphase finden die qualitativen und quantitativen Anpassungseffekte statt.

Tabelle 1 stellt beispielhaft die Kennziffern, Belastungsparameter und diagnostischen Massnahmen im Rahmen der praktischen Umsetzung der gesammelten Erkenntnisse dar. Trainiert wird jeweils an drei nicht aufeinanderfolgenden Tagen pro Woche. In den ersten Trainingswochen genügt ein Trainingssatz pro Übung mit 8–12 Wiederholungen bis zur jeweiligen Ermüdung der beanspruchten Muskelgruppe. Dies entspricht einer Trainingsintensität von 60–80 % des 1-RM. Die Anpassung des Trainingsgewichtes orientiert sich hierbei an der Wiederholungszahl. Das bedeutet, dass eine Beanspruchung von in etwa 80% erreicht wird, wenn 8 Wiederholungen unter muskulärer Auslastung durchgeführt werden können. Eine Beanspruchung von 60% der 1-RM entspräche dann 12 Wiederholungen unter muskulärer Auslastung.
Durch die tagesaktuelle Anpassung des jeweils möglichen Trainingsgewichts, die Möglichkeit der Modifikation der Wiederholungszahl pro Trainingssatz und die Steigerung um einen Trainingssatz alle vier Wochen bis zu maximal zehn Trainingssätzen pro Woche wird das erforderliche progressive Vorgehen berücksichtigt (26).

Moderates allgemeines aerobes Ausdauertraining vor der Gewichtsreduktion (Phase 1)

Ein allgemeines aerobes Ausdauertraining mit moderater Intensität verfolgt in dieser Anfangsphase der körperlichen Aktivierung mehrere Ziele. Zum einen soll die Herz-Kreislauf-Funktion verbessert und eine Optimierung der Mobilisation freier Fettsäuren bewirkt werden. Zum anderen dient das in Phase 1 durchgeführte moderate aerobe Ausdauertraining zum regenerativen Ausgleich gegenüber den notwendigen intensiven Krafttrainingseinheiten in dieser Phase und als Vorbereitung und Gewöhnung an höhere Intensitäten in Phase 2.

Für den Trainingsbeginner kann eine mehrmals wöchentlich stattfindende moderate Ausdauerbelastung von kurzer Zeitdauer (10–30 Minuten), z. B. in Form von Spazierengehen, Nordic Walking oder Fahrradfahren, durchaus ausreichend sein. Nach der Eingewöhnungsphase kann dann die Belastungsdauer je nach Beanspruchbarkeit, entsprechend den Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung von Pfeifer u. Rütten (30), auf 30–60 Minuten pro Bewegungseinheit gesteigert werden. In Ergänzung zu den genannten können Bewegungsformen wie Wassergymnastik, Schwimmen, Skilanglauf und weitere geeignete hinzukommen. Um die für diese Phase essenzielle moderate Belastung zu gewährleisten, sollte sich die Belastungsdosierung am subjektiven Belastungsempfinden anhand der Borg-Skala (31) und die Belastungsverträglichkeit an der täglich morgendlich zu messenden Herzratenvariabilität (HRV) in Ruhe (32) orientieren. Eine Belastungsdosierung anhand bekannter Herzfrequenzformeln könnte aufgrund der häufig in dieser Zielgruppe verabreichten Blutdruck- und Herzfrequenz senkenden Medikation zu einer Fehleinschätzung der Belastungsdosierung führen (33).
Eine moderate aerobe Belastungsform in Kombination mit geeigneten Ernährungsmassnahmen gewährleistet in dieser Phase auch die Optimierung von Zucker- und Fettstoffwechsel (34).

Die in Phase 1 geschaffenen Grundlagen beugen einer Überlastung und katabolen Situation (z. B. Eiweissabbau, Verlust an LBM), verursacht durch die notwendigen intensiveren Trainingseinheiten in Phase 2, vor (34–36).
Die in Tabelle 2 empfohlene Belastungsdosierung nach dem subjektiven Belastungsempfinden nach Borg (31) kann Anwendung in der praktischen Umsetzung eines moderaten allgemeinen aeroben Ausdauertrainings finden, wie es beispielhaft in Abbildung 3 dargestellt wird.


Beispiel 1 in Abbildung 3 beinhaltet bewusst moderate allgemeine Ausdauertrainingseinheiten von kurzer Zeitdauer. Diese niedrige Belastungsdosierung richtet sich an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter den Trainierenden, die als Bewegungsanfänger einzustufen sind. Sie stellt für diese Zielgruppe zunächst einen angemessenen Belastungsreiz dar (37). Mit zunehmender oder bereits bestehender Trainingserfahrung orientieren sich zeitliche Trainingsumfänge und Intensitäten dann an der gesteigerten Beanspruchbarkeit einer trainingserfahrenen Personengruppe (siehe Beispiel 2).

Körperliche Aktivierung zur Gewichts­reduktion (Phase 2)

In Phase 1 wurden die Voraussetzungen für eine langfristige Reduktion kardiometabolischer Risikofaktoren geschaffen. In Phase 2 gilt es nun, grundsätzlich zu unterscheiden, ob das körperliche Aktivierungsprogramm zur Unterstützung der medizinisch interventiv bewirkten Gewichtsreduktion, beispielhaft im Folgenden nach einer bariatrischen Operation, oder als eigenständiges Gewichtsreduktionsprogramm genutzt werden soll.

Muskelaufbautraining zur Gewichtsreduktion (Phase 2)

Für das Muskelaufbautraining gilt nun die zentrale Zielsetzung, dass die LBM, insbesondere in Form von Skelettmuskelmasse und -qualität, trotz Gewichtsreduktion erhalten werden kann (20).
Wird nun die Gewichtsreduktion durch eine deutliche Kalorienrestriktion bedingt, wie es nach einer bariatrischen Operation der Fall ist, muss diese Ausgangssituation in der Trainingsgestaltung Berücksichtigung finden. Neben den bekannten günstigen Konsequenzen erhöht sich durch die bariatrisch interventiv bewirkte starke Gewichtsreduktion das Risiko, aufgrund des Verlustes an LBM langfristig eine Sarkopenie zu entwickeln (38, 39). Unter den gegebenen katabolen Umständen ist es deswegen essenziell, einen erhöhten Skelettmuskelabbau und eine Erhöhung des viszeralen Fettanteils durch eine geeignete Trainingsdosierung und Energiezufuhrgestaltung zu verhindern. Eine Metaanalyse von Bellicha et al. bestätigt diesen Sachverhalt (40). In den darin vorgestellten Studien verbesserten postoperative Trainingsprogramme, meistens aus einer Kombination von Kraft- und Ausdauertraining bestehend, kardiometabolische Faktoren und Muskelkraft. In den meisten der in der Metaanalyse erfassten Studien gelang es allerdings nicht, den deutlichen Verlust von durchschnittlich 10 kg LBM innerhalb der ersten 12 Monate nach Gastric-Bypass-Operationen zu verhindern. Die Autoren begründeten diesen Sachverhalt mit einer unzureichenden Proteinzufuhr und einer zu kurzen Trainingsinterventionsdauer von höchstens viereinhalb Monaten. Nur in zwei im Rahmen der Metaanalyse vorgestellten Studien, hierbei handelte es sich jedoch bei der bariatrischen Intervention um keine Gastric-Bypass-Operation, konnte der Verlust von LBM gering gehalten werden. Zusätzlich konnte eine Verbesserung der Knochendichte nachgewiesen werden. Diese positiven Effekte schrieben die Autoren der langen Trainingsinterventionsdauer von 9 bzw. 24 Monaten zu, obwohl im Rahmen des Trainingsprogramms Krafttrainingseinheiten nur zweimal wöchentlich durchgeführt wurden (40).

Aufgrund der dargestellten Erkenntnisse sollte ein Muskelaufbautraining nach bariatrischer Operation langfristig angelegt werden und zwei Trainingseinheiten pro Woche beinhalten (siehe Tabelle 3). Dies entspricht auch den Vorgaben eines gesundheitsorientierten Krafttrainings (30). Eine ausreichende Eiweisszufuhr ist zum Erhalt der LBM essenziell (23).


Ist beabsichtigt, die Gewichtsreduktion ohne operative Intervention durch ein körperliches Aktivierungsprogramm in Begleitung zielführender Ernährungsmassnahmen herbeizuführen, kann dies variabel über Energieverbrauch, Energiezufuhr und Makronährstoffzusammenstellung gesteuert werden.
Im Rahmen einer kontrollierten randomisierten Untersuchung zur Gewichtsreduktion führten Frauen mit Adipositas ein Krafttraining unter reduzierter Kalorienzufuhr durch. Über einen Zeitraum von 24 Wochen wurden entweder eine oder drei Trainingseinheiten Muskelaufbautraining pro Woche mit entsprechender ernährungsgesteuerter Kalorien­restriktion begleitet. Trainiert wurde jeweils in vier Sätzen zu 8–12 Wiederholungen unter Einbezug aller grossen Muskelgruppen. Die Trainingsintensität richtete sich nach dem jeweils bewältigbaren Gewicht bei 10 Wiederholungen. Konnte das Gewicht mit 10 Wiederholungen leicht bewältigt werden, fand eine Trainingsgewichtserhöhung statt. Konnte das Gewicht mit 10 Wiederholungen nicht bewältigt werden, fand eine Reduktion des Ausgangsgewichtes statt.

Körpergewicht, Taillenumfang und prozentualer Fettanteil verringerten sich in beiden Gruppen signifikant. Im Rahmen der BIA verbesserten sich der kapazitive Widerstand zu Körperhöhe (Xc/h), als Zeichen der Zellintegrität, der Phasenwinkel, stellvertretend für LBM und Gesamtkörper-wasserverteilung, und die Handkraft, stellvertretend für Körperkomposition und Sarkopenierisiko, jedoch nur in der Gruppe, die dreimal wöchentlich trainierte (27).
Wie in Tabelle 4 ersichtlich ist, ergibt sich für die praktische Umsetzung des Muskelaufbautrainings im Rahmen der Gewichtsreduktion durch körperliche Aktivierung und ernährungsgesteuerter Kalorienrestriktion eine ähnliche Trainings- und Intensitätsgestaltung wie in Phase 1.

Allgemeines aerobes Ausdauertraining zur Gewichtsreduktion (Phase 2)

Als Unterstützung der erzielten Gewichtsreduktion nach ba­riatrischer Operation dient das aerobe Ausdauertraining weiterhin der kardiometabolischen Risikoreduktion, der Regeneration und der Rekrutierung von viszeralem Körperfett für die Energiebereitstellung. Längere Umfänge, mit moderaten und höheren Intensitäten im Wechsel, sind hierfür zielführend.

Bei der Gestaltung des Ausdauertrainings muss wie beim Muskelaufbautraining beachtet werden, dass eine deutliche Kalorienrestriktion, bedingt durch den bariatrischen Eingriff, bereits vorgegeben ist. Ein zusätzliches Kaloriendefizit durch körperliche Überlastung könnte sich deswegen als kontraproduktiv erweisen (35, 36). Aus diesem Grund wird, wie in Abbildung 4, Beispiel 1, dargestellt, die Trainingshäufigkeit des Ausdauertrainings auf drei Tage reduziert. Dies entspricht den Empfehlungen zu einem gesundheitsorientierten Ausdauertraining (30).
Im Rahmen der Ernährungsberatung muss nun darauf geachtet werden, dass eine Mangelversorgung bzgl. Mikronährstoffen und ein übermässiger Eiweissabbau, der Muskulatur und Immunsystem beeinträchtigen kann, verhindert wird.

Soll allein durch die körperliche Aktivierung in Kombination mit geeigneten Ernährungsmassnahmen, ohne bariatrisch operative Intervention, eine Gewichtsreduktion erzielt werden, ist es Aufgabe des Ausdauertrainings, einen möglichst hohen Kalorienverbrauch zu generieren. Bei der nun trainingserfahrenen und gut beanspruchbaren Zielgruppe können hierzu anstrengende aerobe Ausdauertrainingseinheiten von bis zu einer Stunde und kurzzeitige intensivste Trainingsbelastungen, wie beim High-Intensity-Intervall-Training (HIIT), genutzt werden.

Mendelson et al. (41) führten hierzu eine randomisierte Untersuchung mit 19 Teilnehmerinnen und 41 Teilnehmern durch. Es fand eine Aufteilung in drei Gruppen statt. Gruppe 1 führte ein moderates kontinuierliches Ausdauertraining auf dem Fahrradergometer für 45 Minuten nahe der maximalen Fettverbrennungsrate durch. Laut Autoren entspricht dies in etwa 50% der maximalen Sauerstoffaufnahme. Gruppe 2 absolvierte ein HIIT für die Dauer von 45 Minuten mit jeweils einer Minute Belastung und einer Minute Erholung, ebenfalls auf dem Fahrradergometer. Gruppe 3 absolvierte ein ähnliches Programm wie Gruppe 2, jedoch mit variabler Pausengestaltung von jeweils 30–120 Sekunden zwischen den Trainingsintervallen. Die Belastungsdauer wurde während der zweimonatigen Studie von 32 Minuten im Rahmen des kontinuierlichen Ausdauertrainings und von 16 Minuten im Rahmen der HIIT-Trainingsformen in der ersten Woche, auf 44 Minuten in der letzten Woche für alle drei Trainingsgruppen gesteigert. Taillenumfang, Gesamtfettmasse und abdominelle Fettmasse nahmen nur in der HIIT-Trainingsgruppe 2 signifikant ab. In Trainingsgruppe 1 konnten Insulin und HOMA2-IR signifikant gesenkt werden. Die Verbesserungen konnten ohne Kalorienrestriktion erzielt werden (41).

Hierzu ist anzumerken, dass ein anstrengendes aerobes Ausdauertraining oder ein intensives Intervalltraining grundsätzlich einen hohen Energiebedarf generiert. Obwohl dieser relativ gesehen über die aerobe oder anaerobe Verstoffwechs­lung eines hohen Kohlehydratanteils abgedeckt wird, kann bei trainierten Personen, wie es durch die Vorbereitungen in Phase 1 der Fall ist, im Rahmen dieser hohen Intensitäten absolut gesehen ein höherer Anteil an freien Fettsäuren oxidiert werden, als dies durch ein moderates Ausdauertraining möglich wäre. So z. B. im Kontext einer 60-minütigen aeroben Ausdauerbelastung in einer Intensität, mit der diese Beanspruchung gerade noch absolviert werden kann, oder im Rahmen eines 20-minütigen anaeroben Intervalltrainings. Ein trainierter Organismus oxidiert hierbei während der aeroben Ausdauerbelastung, während der Regenerationspausen zwischen den Intervallen eines Intervalltrainings, insbesondere aber auch in der Regenerationsphase nach den Belastungen, einen hohen Anteil freier Fettsäuren. Bei gleichzeitig stattfindender geeigneter Energiezufuhrlenkung kann dadurch eine Gewichtsreduktion mittels Abbaus viszeralen Fettgewebes erzielt werden (34, 42–46).

Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse sollte in der praktischen Umsetzung zur Gewichtsreduktion sowohl ein anstrengendes aerobes Ausdauertraining von ca. 60 Minuten Dauer als auch das HIIT genutzt werden. Um die Zielsetzung der Gewichtsreduktion unter Beibehaltung von Muskelmasse und Reduzierung viszeralen Fettgewebes umsetzen zu können, muss die Ernährungsberatung neben der variabel an das Training anzupassenden Kalorienreduktion eine geeignete Energielenkung und Makronährstoffversorgung berücksichtigen. Dies bedeutet, dass der Zeitpunkt der Energiezufuhr und die Makronährstoffzusammensetzung so gewählt werden, dass die Mobilisierung von freien Fettsäuren, insbesondere aus dem Fettgewebe, nicht behindert wird. Hierfür ist es wichtig, dass das Speicherhormon Insulin dieser Mobilisierung während der Beanspruchung und in den Regenerationsphasen nicht im Wege steht. Nahrungskarenz vor der Beanspruchung und eine grundsätzliche Makronährstoffzusammenstellung mit niedriger glykämischer Last und Insulinwirkung scheinen hierfür sinnvoll. Anstelle des zu reduzierenden Zucker- und Stärkeanteils dienen Ballaststoffe, die Erhöhung des Eiweiss- und Fettanteils, insbesondere in Form von Olivenöl und marinen Omega-3-Fettsäuren, dem Erhalt der Muskelmasse, der Regeneration und der Unterstützung entzündungshemmender regulatorischer Prozesse (34, 43–48).

In Abbildung 4 ist beispielhaft jeweils eine Trainingswoche für ein Ausdauertraining zur Begleitung der durch eine bariatrische Intervention erzielten Gewichtsreduktion (Beispiel 1) oder als eigenständiges Trainingsprogramm zur Gewichtsreduktion (Beispiel 2) dargestellt. Die Belastungsdosierung orientiert sich an dem subjektiven Belastungsempfinden nach Borg (Tabelle 4).

Zusammenfassung und Ausblick

Auch wenn die Körpergewichtsreduktion häufig das primäre Ziel in der Therapie von Personen mit Adipositas darstellt, darf hierbei nicht übersehen werden, dass eine starke Gewichtsreduktion mit einem zunehmenden kardiometabolischen Erkrankungsrisiko einhergeht.
Dieser Sachverhalt erfordert zukünftig sowohl vonseiten der Betroffenen als auch der Betreuenden eine teilweise Neuausrichtung in der Priorisierung von Zielsetzungen und zusätzliche Anstrengungen bzgl. Strukturierung, Koordination und Umsetzung von Massnahmen.

Schwerpunkte bilden hierbei die vorbereitende Phase vor der eigentlichen Gewichtsreduktion, die enge Verknüpfung stationärer und ambulanter Massnahmen und die Strukturierung und Koordination der multimodalen ambulanten Betreuung rund um die Gewichtsreduktionsmassnahme.
Für eine nachhaltige kardiometabolische Risikoreduktion im Rahmen körpergewichtsreduzierender Interventionen sind neben einem intakten Herz-Kreislauf-System Skelettmuskelmasse, Muskelkraft und -qualität von richtungsweisender Bedeutung. Deshalb sollte der eigentlichen Gewichtsreduktionsmassnahme eine vorbereitende Phase, die eine Verbesserung von Muskelquantität und -qualität, und nicht die Gewichtsreduktion zum Ziel hat, vorgeschaltet werden.

Während der Gewichtsreduktionsphase sollte dann dem Erhalt dieser quantitativen und qualitativen Eigenschaften, neben der Reduktion des viszeralen Fettanteils, besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Um diese Zielsetzungen zu erreichen, ist eine dauerhafte Umsetzung von Kraft- und Ausdauertraining, kombiniert mit einer zielführenden Ernährungsstrategie, essenziell.
Zur Erfolgskontrolle sollten diagnostische Massnahmen Parameter berücksichtigen, die Aussagekraft bzgl. Körperkomposition, Muskelqualität und Herz-Kreislauf-Funktion besitzen.

Grundsätzlich darf das Ausmass der Gewichtsreduktion diese wesentlichen Zielsetzungen der Adipositastherapie nicht gefährden.
Um die erforderlichen Verhaltensmassnahmen dauerhaft
umzusetzen, sind Motivation und Modifikation von Bewertungsstrukturen vonseiten der Betroffenen erforderlich. Die hierfür notwendigen edukativen Massnahmen liegen genauso wie die Schaffung von strukturellen und organisatorischen Voraussetzungen für eine nachhaltige Umsetzung im Verantwortungsbereich der Betreuenden.

MA Ulrich Hamberger

Physiotherapeut, Gesundheitsmanager (MA)
Römerauterrasse 12
D-86899 Landsberg am Lech

uhamberger@ulrich-hamberger.de

Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

1. Courcoulas AP, Daigle CR, Arterburn DE. Long term outcomes of metabolic/bariatric surgery in adults. BMJ (Clinical research ed.) 2023;383:e071027.
2. Liu Y, Ruan B, Jiang H, Le S, Liu Y, Ao X, et al. The Weight-loss Effect of GLP-1RAs Glucagon-Like Peptide-1 Receptor Agonists in Non-diabetic Individuals with Overweight or Obesity: A Systematic Review with Meta-Analysis and Trial Sequential Analysis of Randomized Controlled Trials. The American journal of clinical nutrition 2023;118:614–26.
3. Ji T, Li Y, Ma L. Sarcopenic Obesity: An Emerging Public Health Problem. Aging and Disease 2022;13:379–88.
4. Pekar M, Pekarová A, Bužga M, Holéczy P, Soltes M. The risk of sarcopenia 24 months after bariatric surgery – assessment by dual energy X-ray absorptiometry (DEXA): a prospective study. Wideochirurgia i inne techniki maloinwazyjne = Videosurgery and other miniinvasive techniques 2020;15:583–87.
5. Damluji AA, Alfaraidhy M, AlHajri N, Rohant NN, Kumar M, Al Malouf C, et al. Sarcopenia and Cardiovascular Diseases. Circulation 2023;147:1534–53.
6. Wannamethee SG, Atkins JL. Sarcopenic Obesity and Cardiometabolic Health and Mortality in Older Adults: a Growing Health Concern in an Ageing Population. Current diabetes reports 2023;23:307–14.
7. Wei S, Nguyen TT, Zhang Y, Ryu D, Gariani K. Sarcopenic obesity: epidemiology, pathophysiology, cardiovascular disease, mortality, and management. Frontiers in Endocrinology 2023;14:1185221.
8. Hildebrandt X, Ibrahim M, Peltzer N. Cell death and inflammation during obesity: „Know my methods, WAT(son)“. Cell death and differentiation 2023;30:279–92.
9. Khanna D, Khanna S, Khanna P, Kahar P, Patel BM. Obesity: A Chronic Low-Grade Inflammation and Its Markers. Cureus 2022;14:e22711.
10. Chait A, Hartigh LJ den. Adipose Tissue Distribution, Inflammation and Its Metabolic Consequences, Including Diabetes and Cardiovascular Disease. Frontiers in Cardiovascular Medicine 2020;7:22.
11. Benatti FB, Pedersen BK. Exercise as an anti-inflammatory therapy for rheumatic diseases-myokine regulation. Nature reviews. Rheumatology 2015;11:86–97.
12. Gonzalez-Gil AM, Elizondo-Montemayor L. The Role of Exercise in the Interplay between Myokines, Hepatokines, Osteokines, Adipokines, and Modulation of Inflammation for Energy Substrate Redistribution and Fat Mass Loss: A Review. Nutrients 2020;12.
13. Grannell A, Kokkinos A, Le Roux CW. Myokines in Appetite Control and Energy Balance. Muscles 2022;1:26–47.
14. Severinsen MCK, Pedersen BK. Muscle-Organ Crosstalk: The Emerging Roles of Myokines. Endocrine reviews 2020;41:594–609.
15. Rai M, Demontis F. Muscle-to-Brain Signaling Via Myokines and Myometabolites. Brain plasticity (Amsterdam, Netherlands) 2022;8:43–63.
16. Leal LG, Lopes MA, Batista ML. Physical Exercise-Induced Myokines and Muscle-Adipose Tissue Crosstalk: A Review of Current Knowledge and the Implications for Health and Metabolic Diseases. Frontiers in physiology 2018;9:1307.
17. Graf C, Ferrari N. Metabolic Health-The Role of Adipo-Myokines. International Journal of Molecular Sciences 2019;20.
18. Willoughby D, Hewlings S, Kalman D. Body Composition Changes in Weight Loss: Strategies and Supplementation for Maintaining Lean Body Mass, a Brief Review. Nutrients 2018;10.
19. Cancello R, Brunani A, Brenna E, Soranna D, Bertoli S, Zambon A, et al. Phase angle (PhA) in overweight and obesity: evidence of applicability from diagnosis to weight changes in obesity treatment. Reviews in endocrine & metabolic disorders 2023;24:451–64.
20. Gerken ALH, Rohr-Kräutle K-K, Weiss C, Seyfried S, Reissfelder C, Vassilev G, et al. Handgrip Strength and Phase Angle Predict Outcome After Bariatric Surgery. Obesity surgery 2021;31:200–06.
21. Phoemsapthawee J, Prasertsri P, Leelayuwat N. Heart rate variability responses to a combined exercise training program: correlation with adiposity and cardiorespiratory fitness changes in obese young men. Journal of exercise rehabilitation 2019;15:114–22.
22. Dias RM, Moraes ÍAP, Dantas MTAP, Fernani DCGL, Fontes AMGG, Silveira AC, et al. Influence of Chronic Exposure to Exercise on Heart Rate Variability in Children and Adolescents Affected by Obesity: A Systematic Review and Meta-Analysis. International Journal of Environmental Research and Public Health 2021;18.
23. Stokes T, Hector AJ, Morton RW, McGlory C, Phillips SM. Recent Perspectives Regarding the Role of Dietary Protein for the Promotion of Muscle Hypertrophy with Resistance Exercise Training. Nutrients 2018;10.
24. Campa F, Maietta Latessa P, Greco G, Mauro M, Mazzuca P, Spiga F, et al. Effects of Different Resistance Training Frequencies on Body Composition, Cardiometabolic Risk Factors, and Handgrip Strength in Overweight and Obese Women: A Randomized Controlled Trial. Journal of functional morphology and kinesiology 2020;5.
25. Sardinha LB, Rosa GB. Phase angle, muscle tissue, and resistance training. Reviews in endocrine & metabolic disorders 2023;24:393–414.
26. Strasser B, Schobersberger W. Evidence for resistance training as a treatment therapy in obesity. Journal of Obesity 2011;2011.
27. Toselli S, Badicu G, Bragonzoni L, Spiga F, Mazzuca P, Campa F. Comparison of the Effect of Different Resistance Training Frequencies on Phase Angle and Handgrip Strength in Obese Women: a Randomized Controlled Trial. International Journal of Environmental Research and Public Health 2020;17.
28. Lopez P, Taaffe DR, Galvão DA, Newton RU, Nonemacher ER, Wendt VM, et al. Resistance training effectiveness on body composition and body weight outcomes in individuals with overweight and obesity across the lifespan: A systematic review and meta-analysis. Obesity Reviews 2022;23:e13428.
29. Marasingha-Arachchige SU, Rubio-Arias JÁ, Alcaraz PE, Chung LH. Factors that affect heart rate variability following acute resistance exercise: A systematic review and meta-analysis. Journal of Sport and Health Science 2022;11:376–92.

Adipositas und Nierenerkrankungen

Zusammenfassung:

Die Adipositas-Epidemie hat zu einem erhöhten Vorkommen der Obesity-related oder Adipositas-bedingten Glome­rulopathie (ORG) geführt. Diese eigenständige Erkrankung wird durch Proteinurie, Glomerulomegalie, fortschreitende Glomerulosklerose sowie einen Rückgang der Nierenfunktion gekennzeichnet. Bei Personen mit Adipositas besteht gehäuft arterielle Hypertonie und Diabetes mellitus, wodurch die renale Schädigung augmentiert wird. Die Pathogenese umfasst eine Überaktivierung des RAAS (Renin-Angiotensin-Aldosteron-System), eine glomeruläre Hyperfiltration, Entzündungsreaktionen mit oxidativem Stress, Hyperinsulinämie-bedingte hämodynamische Änderungen sowie Lipotoxizität. Zusätzlich ist Adipositas ein relevanter Risikofaktor für Nierensteinbildung und kann dadurch zusätzlich zu einer Nierenschädigung beitragen. Das Management der adipositasinduzierten Nephropathie umfasst insbesondere Gewichtsreduktionsstrategien sowie eine optimierte Kontrolle von Blutdruck und Stoffwechselfaktoren. Früherkennung ist dabei entscheidend, um dem Fortschreiten der Nierenschädigung entgegenzuwirken. Letztlich ist erwähnenswert, dass Adipositas die Durchführung von Nierenersatzverfahren bis hin zur Nierentransplantation erheblich erschwert und die Komplikationsrate erhöht. In Summe gibt es somit viele Gründe, warum auch in der Nephrologie ein besonderes Augenmerk auf das Thema Adipositas gelegt werden sollte.

Schädigungen der Nieren durch Adipositas

Adipositas ist mit verschiedenen Erkrankungen der ­Nieren wie Glomerulopathien und Nephrolithiasis sowie auch einer schlechteren Nierentransplantat-Überlebens­rate ver-
bunden (1). Zudem konstituiert sich das metabolische Syndrom, dessen Haupttreiber die Adipositas darstellt, aus klassischen Risikofaktoren für chronische Nierenerkrankungen (CKD) und damit auch verbundenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Vermehrt zirkulierende proinflammatorische Zytokine, ein Hauptmerkmal sowohl der CKD als auch der Adipositas, tragen zu Glomerulosklerose und tubulointerstitieller Atrophie bei. Zusätzlich bildet das vermehrte, insbesondere viszerale Fettgewebe entzündungsfördernde humorale Faktoren wie Angiotensin II und Leptin. Der Anstieg der Fettmasse mit der damit meist verbundenen Fettzellhypertrophie verändert die Bildung und Freisetzung dieser humoralen Faktoren, was sich negativ auf Podozyten, mesangiale Zellen und Tubuluszellen auswirkt (2). Hohe Leptinspiegel und niedrige Adiponektinspiegel, wie sie bei der Adipositaskrankheit oft zu finden sind, können eine proinflammatorische Immunantwort begünstigen, welche auch im Kontext der Organabstossung bei nierentransplantierten Patienten relevant ist (1, 3).

Adipositas-assoziierte histopathologische Nierenveränderungen

Bei Adipositas kommen vorwiegend zwei Arten von Glomerulopathien gehäuft vor: erstens die fokal segmentale Glome­rulosklerose (FSGS), welche durch ein segmentales Remodelling des Glomerulus durch extrazelluläre Matrix und/oder Hyalin definiert ist und damit zur Kapillarobliteration führt. Zweitens die Obesity-related Glomerulopathie (ORG) mit segmentaler, oft perihilärer Sklerose der typischerweise hypertrophierten Glomeruli. Der Prozentsatz der betroffenen Glomeruli ist bei ORG niedriger als bei der primären FSGS, was darauf hindeutet, dass die ORG eine mildere, weniger aggressive Form der FSGS darstellt. In tierexperimentellen Modellen der ORG, wie beispielsweise Fischerratten unter Ad-libitum-Diät, steigt das Volumen des Glomerulus exponentiell mit dem Körpergewicht an. Das Zellvolumen der Podozyten nimmt ebenfalls im Verhältnis zur Gewichtszunahme zu, was auf eine adaptive Hypertrophie der Podozyten hindeutet. Dies jedoch in geringerem Masse als die Zunahme des Glomerulusvolumens, was zu einer Volumendiskrepanz zwischen diesen beiden histologischen Organstrukturen führt.

Da Podozyten sich nicht vermehren können und ihre Fähigkeit zur Hypertrophie begrenzt ist, erreicht die mechanische Belastung dieser Zellen durch Dehnungsspannung und Scherstress, wenn das Glomerulusvolumen zunimmt, einen Grenzwert (4). Daraus resultierend entsteht eine Albuminurie, welche sich klinisch einfach nachweisen lässt. Die mechanische Unterstützung der glomerulären Kapillaren ist dadurch reduziert. Bei extremer Vergrösserung der Glomeruli kann auch der Durchmesser der glomerulären Kapillaren zunehmen. Gemäss dem Laplace-Gesetz kann dann die Wandspannung der glomerulären Kapillaren ansteigen, was zu einem Barotrauma und damit schliesslich zur Destruktion und Sklerosierung des Glomerulus führt (2, 5).

Hauptmechanismen der Nieren­schädigung bei Adipositas

Adipositas fordert über eine ganze Reihe von verschiedenen Pathomechamismen eine Nierenschädigung, welche sich wie folgt differenzieren lassen (Abbildung 1):

Aktivierung des Renin-Angiotesin-Aldosteron- Systems (RAAS)

Adipositas triggert eine Überaktivierung des RAAS. Dies führt zu hämodynamischen Veränderungen und Hyperfiltration und spielt dadurch eine wichtige Rolle in der Pathogenese und Aufrechterhaltung von ORG. Die erhöhte RAAS-Aktivität bei Adipositas wird auf verschiedene Faktoren zurückgeführt: (a) mechanische hämodynamische Veränderungen, die aus einer Kompression des Nierenhilus und des Nierenparenchyms durch viszerales Fett resultieren; (b) ein generell erhöhter intraabdominaler Druck; (c) eine erhöhte Synthese und Freisetzung verschiedener Komponenten des RAAS durch viszerales Fett und (d) eine neurohormonale Stimulation des sympathischen Nervensystems, unter anderem bedingt durch eine Adipositas-assoziierte Hyperleptinämie und Hyperinsulinämie. Angiotensin II und Aldosteron als wesentliche Wirkkomponenten des RAAS regulieren den Vasomotorentonus mit einer überwiegend vasokonstriktiven Wirkung, insbesondere auf die abführende Arteriole, was den hydrostatischen glomerulären Druck und die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) erhöht (6).

Glomeruläre Hyperfiltration

Glomeruläre Hyperfiltration ist der zentrale Mechanismus der Nierenschädigung bei der ORG. Adipositas ist mit einer Vasodilatation der zuführenden Arteriole verbunden, was in einem erhöhten renalen Plasmafluss, einer erhöhten glomerulären Filtrationsrate (GFR) sowie Filtrationsfraktion resultiert. Der erhöhte intraglomeruläre Druck verursacht Schäden an der glomerulären Filtrationsbarriere, was zu Glomerulomegalie, Podozytenhypertrophie und Apoptose führt. Gemäss der tubulozentrischen Hypothese könnte die Adipositas-bedingte Hyperfiltration auch tubulären Ursprungs sein (6, 7). So fördert Adipositas die Natrium- und Wasserreabsorption im proximalen Tubulus, was zu verminderter Natriumzufuhr zur Macula densa und damit Deaktivierung des tubuloglomerulären Feedbacks führt (8). Die erhöhte Natriumreabsorption durch eine verstärkte Aktivierung des distalen tubulären epithelialen Natriumkanals (ENac) resultiert auch aus der Überproduktion von Angiotensin II, was das tubuloglomeruläre Feedback-System we­niger ansprechbar macht. Diese Mechanismen können insgesamt zu einer verringerten präglomerulären Gefässresistenz und folglich zu einer Vasodilatation der glomerulären zuführenden Arteriole führen, was wiederum die GFR erhöht (6).

Entzündung und oxidativer Stress

Adipositas ist mit erhöhten zirkulierenden Spiegeln pro­inflam­matorischer Adipokine wie Leptin, Resistin oder Fetuin-A sowie auch reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) verbunden (6, 9, 10). Insbesondere das viszerale Fettgewebe ist ein hochaktives endokrines Organ. Es produziert und setzt viele verschiedene Zytokine und Hormone frei, welche systemische Effekte ausüben. Einige dieser Hormone (Adipokine) sowie auch «kidney signaling molecules» spielen eine wesentliche Rolle in der Pathogenese der ORG.

Insulinresistenz und Hyperinsulinämie

Insulinresistenz und kompensatorische Hyperinsulinämie haben einen grossen Einfluss auf die Hämodynamik und fördern zudem chronische Entzündungsprozesse bei der ORG. Erhöhte Insulinspiegel fördern präglomeruläre Vasodilatation und glomeruläre Hypertonie (10). Insulin beeinflusst zudem die Funktion, Morphologie und das Überleben von Podozyten. Insulinresistenz wurde mit dem Einsetzen einer Albuminurie sowie dem Rückgang der Nierenfunktion bei Personen mit Adipositas auch ohne Diabetes mellitus in Verbindung gebracht. Zudem fördert eine Insulinresistenz Podozytenapoptose und Hypertrophie der verbleibenden Podozyten, was in eine Glomerulosklerose mündet (6, 11).

Lipotoxizität

Eine erhöhte Fettakkumulation in den perirenalen und pararenalen Räumen bei Adipositas kann die Nierenfunktion direkt beeinträchtigen. Freie Fettsäuren (FFAs) und Adipokine, die vom perirenalen Fett freigesetzt werden, erreichen die Nierenrinde und verstärken den intrarenalen Schaden zusätzlich durch parakrine Lipotoxizität. Die ektopische Ansammlung von Fett in perirenalen und pararenalen Räumen komprimiert auch physikalisch die Nierengefässe und das Parenchym, erhöht den renalen interstitiellen hydrostatischen Druck und verringert dadurch den tubulären Blutfluss. Darüber hinaus könnte eine erhöhte De-novo-­Lipogenese in der Niere ein wichtiger Treiber für die renale Lipotoxizität bei ORG sein (6, 12).

Untersuchung der Nierengesundheit bei Adipositas

Die häufigste klinische Manifestation der Adipositas-assoziierten Glomerulopathie ist der Nachweis von Proteinurie bei normalem Harnsediment.
Die korrekte Einschätzung der Nierenfunktion bei Patienten mit Adipositas ist eine Herausforderung. Sie ist nicht nur für die Stadieneinteilung der CKD und die Überwachung des Krankheitsverlaufs essenziell, sondern auch für die Anpassung der Dosierung von verschiedenen Medikamenten. Die CKD-EPI-Gleichung bietet eine gute Vorhersage der abgeschätzten (estimated) glomerulären Filtrationsrate (eGFR) für eine eGFR < 60 ml/min/1.73 m² bei Personen mit einem BMI < 40 kg/m² (12). Die Anpassung der eGFR/gemessenen GFR an die Körperoberfläche führt jedoch zu einem relevanten Fehler und impliziert eine signifikante Unterschätzung der Nierenfunktion bei Personen mit Übergewicht und Adipositas (12).

Zudem sollte beachtet werden, dass auch die Messung der Kreatinin-Clearance zur Schätzung der GFR fehleranfällig sein kann, da die tubuläre Sekretion von Kreatinin bei Personen mit normaler GFR etwa 10 % bis 20 % des Urinkreatinins ausmacht. Dieser Prozentsatz steigt mit abnehmender GFR progressiv an, was zu einer erheblichen Überschätzung der GFR führt, insbesondere bei Patienten mit fortgeschrittener CKD (12).Daher haben einige Autoren die Verwendung einer Goldstandardmethode (z. B. Inulin- oder Iohexol-Plasmaclearance oder die transdermale Messung der glomerulären Filtrationsrate unter Verwendung von Clearance fluoreszierender Tracer) bei Personen mit Adipositas empfohlen, obwohl diese Techniken aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit und der geringen Praktikabilität im täglichen klinischen Routinebetrieb nicht weitverbreitet sind (13, 14).

Obwohl die Bestimmung von Albuminurie/Proteinurie weitverbreitet für die nicht invasive Beurteilung von Nierener­krankungen eingesetzt wird, ist sie nicht immer ein früher Marker für Nierenschäden. Tatsächlich können bereits strukturelle Nierenveränderungen vorhanden sein, bevor eine Nierenfunktionsstörung durch eine Albuminurie/Proteinurie nachweisbar ist. So wurden in einer Studie bei Personen mit ausgeprägter Adipositas, die sich einer bariatrischen Operation unterzogen, für die Adipositas-assoziierte Glomerulopathie typische histologische Veränderungen nachgewiesen, obgleich Nierenfunktion unbeeinträchtigt war und keine Albuminurie vorlag (15).

Neue Marker zur Detektion einer Nierenschädigung

Vor dem oben genannten Hintergrund wird nach verschiedenen neuen Markern gesucht, um die Nierenschädigung im Frühstadium erkennen zu können. Darunter existieren molekulare und bildgebende Methoden.

Biomarker der subklinischen Nierenschädigung

Unter den Biomarkern, welche auch eine Bedeutung bei der ORG haben, sind die vielversprechendsten das im Blut gemessene kidney injury molecule‐1 (KIM‐1) sowie die im Urin gemessenen Marker Cystatin C, N-Acetyl-Beta-D-Glucosaminidase (NAG) und Neutrophile Gelatinase-Assoziierte Lipocalin (NGAL) (16). Einige dieser tubulären Marker können zur frühzeitigen Detektion der diabetischen Nephropathie bei Typ-2-Diabetes-mellitus (T2DM) eingesetzt werden und können die Gefahr eines beschleunigten Rückgangs der GFR anzeigen. Weitere molekulare Marker eines Tubulusschadens sind GluAp (Glutamyl aminopeptidase), AlaAp, Klotho, OPN (Osteopontin), Netrin‐151 sowie für glomeruläre Podozytenschäden PCX (Podocalyxin), Podocin, Nephrin und die Podoctin:Nephrin Ratio (16). Es bleibt abzuwarten, ob einige dieser Biomarker in Zukunft in die Routinedia­gnostik zur frühzeitigen Detektion von Nierenerkrankungen Einzug halten werden.

Perirenales Fettgewebe als unabhängiger Risikofaktor für CKD

Wie bereits dargelegt, hat die ektopische Lipidakkumulation in Form von perirenalem Fett eine besondere, pathogenetisch relevante Bedeutung für Nierenschäden bei Patienten mit Adipositas-assoziierter Glomerulopathie (ORG). Die Darstellung und Quantifizierung dieses Fetts durch bildgebende Verfahren wie Ultraschall, CT oder MRI haben daher das Potenzial, als neue Risikomarker in die klinische Praxis Einzug zu halten. Die Messung der para- und perirenalen Fettdicke (PUFT) stellt zudem ein nützliches Instrument zur Abschätzung der viszeralen Fettdepots dar, welches besser als klassische als anthropometrische Parameter, wie beispielsweise BMI oder Bauchumfangsmessung, das kardiovaskuläre Risiko voraussagt und auch einen unabhängigen Risikofaktor für die Entwicklung einer Nephropathie darstellt (6, 17).

Aufgrund ihres relativ einfachen Zugangs und der niedrigen Kosten bieten die Ultrasonografie und die zunehmend in die Geräte integrierte Ultraschall-Elastografie die Möglichkeit, strukturelle Veränderungen im Verlauf der ORG zu bewerten und eine zunehmende renale Fibrose zu erkennen. Die Farbdoppler-Ultraschalluntersuchung eignet sich zudem zur Beurteilung intrarenaler hämodynamischer Parameter, welche Hinweise auf frühe vaskuläre Veränderungen bieten können (6, 18). So gilt beispielsweise ein pathologischer Resistenzindex (RI) der intrarenalen Gefässe, insbesondere der interlobären Arterien, als zuverlässiger Indikator einer veränderten Nierenperfusion als frühes Zeichen von Nierenschäden. Die kontrastverstärkte Ultraschalluntersuchung kann zudem für eine optimierte Beurteilung von Nierenperfusion sowie kortikaler Mikrozirkulation genutzt werden (19).

Erhöhtes Nierensteinrisiko bei Adipositas – lithogene Nierenschädigung

Adipositas ist mit einer erhöhten Inzidenz von Nierensteinen assoziiert (20). Zur Illustration sei hier eine Metaanalyse, welche Daten von insgesamt 479 405 Personen inkludierte, angeführt (21). Die durchgeführten Analysen zeigten, dass eine Erhöhung des BMI um 5 kg/m2 mit einem um 31 % erhöhten Risiko für das erstmalige Auftreten von Nierensteinen verbunden ist (Hazard Ratio (HR)=1,31). Ebenso war eine Erhöhung des waist-hip-ratio (WHR) um 0,05 mit einem um 34 % erhöhten Risiko (HR=1,34) und eine Erhöhung der waist circumference (WC) um 10 cm mit einem um 29 % erhöhten Risiko (HR=1,29) für das erstmalige Auftreten von Nierensteinen verbunden (21).

Nierensteine bei Patienten mit Übergewicht oder Adipositas sind meist Oxalat- sowie auch Uratsteine. So kann bei entsprechenden Personengruppen oft auch eine erhöhte Ausscheidung von Kalzium, Oxalat und Harnsäure im Urin nachgewiesen werden (22). Darüber hinaus haben Studien gezeigt, dass Adipositas mit einer veränderten Urinchemie einhergeht und durch einen erniedrigten Urin-pH sowie einer Harnsäureübersättigung das Risiko für Nephrolithiasis erhöht (23). Mehrere Mechanismen können erklären, wie Adi­positas auch ohne weitere spezifische metabolische Abnormalitäten zur Nierensteinerkrankung beiträgt (Tabelle 1). Die Adipositas-bedingte, veränderte Expression und Freisetzung von Adipokinen sowie vermehrte Bildung von proinflammatorischen Zytokinen, wie Tumornekrosefaktor-α und Interleukin-6, spielen dabei wohl eine wichtige Rolle. Die verminderte Freisetzung des antiinflammatorisch wirkenden Adipokins Adiponektin aus dem Fettgewebe bedingt zudem einen erhöhten oxidativen Stress und proinflammatorischen Zustand. Zusammengenommen entsteht so ein metabolisch-inflammatorisches Milieu, welches die renale Lithogenese fördert.

Nierensteinbildung und Oxalatne­phro­pa­thie nach malabsorptiven ­bariatrischen Operationen

Nicht nur die Adipositas per se, sondern auch spezifische Therapieverfahren dieser chronischen Erkrankung können zu einer erhöhten Inzidenz von Nierensteinen sowie auch zur Oxalatnephropathie führen. Konkret handelt es sich hierbei um stark malabsorptive Verfahren der bariatrischen Chirurgie, wie insbesondere der biliopankreatischen Diversion (BPD). Dabei kommt es durch die verminderte Fettdigestion sowie -malabsorption zu einer vermehrten Verseifung von Calcium im Darmlumen, sodass weniger freies Calcium zur Bindung von Oxalsäure zur Verfügung steht. Dies führt zu einer vermehrten Resorption und konsekutiv zu einer vermehrten renalen Exkretion von Oxalat. Die daraus resultierende Hyperoxalurie in Verbindung mit der bei BPD zudem häufig beobachteten Hypocitraturie erhöht die Lithogenität des Urins.

Das über die Nieren ausgeschiedene Oxalat stammt aus einer Kombination von hepatischem Stoffwechsel und gastrointestinaler Absorption. In der Leber stellt Oxalat ein Endprodukt des Glyoxalatstoffwechsels dar. Zudem wird Oxalat über die Nahrung über den Darm aufgenommen. Das Oxalat, welches in bestimmten Nahrungspflanzen wie Spinat, Mangold, Rhabarber oder Rote Beete besonders konzentriert vorkommt, liegt primär in Form von relativ unlöslichen Calciumoxalatkristallen vor. Daher werden unter normalen Bedingungen nur 5 % bis 10 % des über die Nahrung zugeführten Oxalats absorbiert und der Rest mit dem Stuhl ausgeschieden. Bei Patienten mit Fettmalabsorption, unabhängig von deren Ursache (z. B. BPD oder exokrine Pankreasinsuffizienz), gelangen vermehrt freie Fettsäuren in distale Darmabschnitte, wo sie, wie bereits erwähnt, mit Calcium verseifen. Dadurch steht weniger Calcium zur Oxalatbindung zur Verfügung, und es wird dadurch bis zu ≥ 30 % des intraluminalen Oxalats resorbiert.
In den Nieren wird Oxalat glomerulär filtriert und auch über eine proximal tubuläre Sekretion ausgeschieden. Eine erhöhte Oxalatkonzentration im Blut führt somit zu einer erhöhten Ausscheidung von Oxalat im Urin, was das Risiko für Calciumoxalat-Nierensteine, eine kortikomedulläre Nephrokalzinose sowie auch einer Oxalat-Nephropathie erhöht (24).

Bedeutung von Adipositas bei Nieren­ersatzverfahren

Adipositas ist nicht nur ein wichtiger Risikofaktor für Nierenerkrankungen, sondern hat auch einen erheblichen Einfluss auf die Behandlung von Patienten mit fortgeschrittener Nierenerkrankung. Dies zeigt sich beispielsweise bei verschiedenen Nierenersatzverfahren sowie auch in der nephrologischen Transplantationsmedizin.

Peritonealdialyse

Obgleich ausgeprägte Adipositas als relative Kontraindikation für Peritonealdialyse (PD) angesehen wird, ist diese Dialysemodalität bei übergewichtigen Patienten grundsätzlich möglich. Adipositas ist bei PD mit einem erhöhten Infektrisiko verbunden und erschwert zudem die Beurteilung der Dialysequalität. Bei Patienten mit PD muss auf mechanische (Leakage, Hernien) oder infektiöse Komplikationen (Katheder-assoziierte Infekte und Peritonitis) besonders geachtet werden. Der geringste Verdacht auf eine Infektion erfordert eine frühzeitige, niederschwellige Diagnostik und Therapiebeginn (25).
Es sollte zudem beachtet werden, dass Patienten, die mit einer PD beginnen, dazu neigen, an Gewicht zuzunehmen. Dies wird vermutlich einerseits durch die Auflösung der urämischen Anorexie und dem damit vermehrtem Appetit, andererseits auch durch eine erhöhte Kalorienaufnahme durch die Absorption von Glukose aus den Dialyselösungen verursacht (26). Die zugeführte Energie durch die Aufnahme von Glukose aus dem Dialysat beträgt dabei 400–800 kcal pro Tag. Dies führt zu einer durchschnittlichen Gewichtszunahme von etwa 5–7 kg, wobei der Grossteil hiervon in den ersten 6 Monaten der PD-Behandlung zugenommen wird (27).
Die Kt/V als Indikator der Dialysequalität kann bei Patienten mit Adipositas aufgrund des bezogen auf die Körpermasse proportional geringeren Körperwasservolumens bei höherem Körperfettanteil irreführend falsch tief sein, was zu Interpretationsfehlern führen kann. Eine daraus resultierende
Intensivierung der Therapie mit Erhöhung des Dialysatvolumens kann zur weiteren Gewichtszunahme oder zu einem eigentlich unnötigen Wechsel auf Hämodialyse führen (26).

Hämodialyse

Patienten mit Adipositas unter Hämodialyse (HD)-Behandlung neigen ebenfalls zu vermehrten Komplikationen, welche einerseits den Dialyseprozess negativ beeinflussen, andererseits auch allgemein weitreichende negative gesundheitliche Folgen haben können. Dazu gehören beispielsweise Probleme mit dem Gefässzugang durch Schwierigkeiten bei der Anlage eines Shunts und zentralvenösen Katheters, Katheterokklusion sowie auch zu tief liegenden Shunts und damit verbundenen Punktionsproblemen. Zudem bestehen Herausforderungen in Bezug auf die Dialyseeffizienz sowie ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Schlafapnoe und Infektionen. Einschränkungen der Mobilität sowie auch technische Limitation und Ausrüstungsschwierigkeiten können zudem die Versorgung von Menschen mit Adipositas in der Hämodialysepraxis erheblich erschweren. Die Hämodialysebehandlung von Patienten mit Adipositas erfordert daher oft einen multidisziplinären Ansatz und muss sorgfältig geplant werden (28, 29).
Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle die Beobachtung eines «Obesity-Paradox». So zeigte beispielsweise eine US-amerikanische Kohortenstudie eine u-förmige Beziehungskurve zwischen BMI und Mortalität bei Patienten mit HD (26). Dabei wurde die geringste Mortalität in der BMI-Gruppe von 30–35 kg/m2 beobachtet. Die Körperzusammensetzung sowie das Fettverteilungsmuster, welche sich nicht im BMI widerspiegeln, spielen hierbei wohl eine besondere Rolle. So zeigte eine Studie, in die etwa 70 000 HD-Patienten eingeschlossen wurden, ein vermindertes Sterberisiko bei einem hohen BMI in Verbindung mit einer hohen, jedoch nicht bei Vorliegen einer geringen Muskelmasse (25). In einer weiteren Studie war der Taillenumfang (als Marker der abdominalen Adipositas) direkt und unabhängig vom BMI positiv mit der kardiovaskulären und Gesamtsterblichkeit assoziiert (30). Vor dem Hintergrund dieser Daten lässt sich nicht davon ausgehen, dass Adipositas tatsächlich ein protektiver Faktor bei Menschen an der Hämodialyse darstellt.

Nierentransplantation

Adipositas stellt eine relative Kontraindikation für die Nierentransplantation dar. Nierentransplantierte Patienten mit Übergewicht weisen im Vergleich zu Patienten mit Normalgewicht eine erhöhte Rate an verzögerter Transplantatfunktion, Wundinfektionen und auch Abstossung auf (31, 32). In einer Studie von Hoogeveen et al. wurde beispielsweise festgestellt, dass Nierentransplantatempfänger mit ein­em BMI von mehr als 30 kg/m² ein um 20 %–40 % höheres Risiko für Transplantatversagen und Tod im Vergleich zu Empfängern mit normalem Gewicht aufweisen (31). Solche Beobachtungen haben zu willkürlichen BMI-Grenzwerten an vielen Nierentransplantation-durchführenden Institutionen geführt, die von 32 kg/m2 bis zu 40 kg/m2 reichen. So ergab eine Erhebung in den USA, dass im Zeitraum von 1995–2006 an 15 % der erfassten Transplantationszentren kein einziger Patient mit einem BMI > 35 kg/m2 und in 21 % der Zentren kein Patient mit einem BMI > 40 kg/m2 zur Nierentransplantation aufgelistet wurde (33).

Zusätzlich zeigte sich, dass Patienten mit einem BMI > 35 kg/m2, die in den verbleibenden Zentren gelistet waren, im Vergleich zu Patienten mit einem niedrigeren BMI eine um 28 % geringere Wahrscheinlichkeit hatten, eine Nierentransplantation zu erhalten. Diese Daten deuten auf eine systematische, medizinisch nur bedingt begründete Diskriminierung von Menschen mit Adipositas hin, welche in jüngster Zeit zunehmend infrage gestellt wurde. So zeigen Datenanalysen zwar, dass der Überlebensvorteil einer Nierentransplantation gegenüber fortgeführten Dialyseverfahren bei Personen mit > 40 kg/m2 zwar geringer als bei Personen mit niedrigem BMI ausgeprägt, jedoch immer noch klar nachweisbar ist (34).

Da allein konservative Gewichtsreduktionstherapien meist nicht ausreichend erfolgreich sind, schaffen es betroffene Patienten meist nicht, in den für eine Transplantation ­geforderten BMI-Bereich zu kommen. In der Konsequenz verbleiben sie oft jahrelang auf Wartelisten für Organspenden. Die Bedeutung dieser Tatsache wird klar, wenn man sich die jährliche Sterblichkeitsrate von 5 %–10 % auf entsprechenden Wartelisten für eine DBD/DCD (Donation after Brain Death/Donation after Cardiac Death)-Organspende vor Augen führt (27, 35). Leider ist zudem anzunehmen, dass die Mortalität von Personen mit Adipositas auf der Warteliste noch deutlich höher ist.

Obgleich die prognostische Bedeutung einer vor einer Nierentransplantation erreichten Gewichtsreduktion nicht eindeutig belegt ist, wird die bariatrische Chirurgie in Betracht gezogen, wenn es darum geht, terminal niereninsuffiziente Patienten auf eine Nierentransplantation vorzubereiten (27, 36). Man darf gespannt sein, welche Rolle die zunehmend effektiven und vermehrt angewendeten Anti-Adipositas-Medikamente in diesem Kontext zukünftig spielen werden.

Einfluss von gewichtsreduzierenden ­Therapien auf Nierenerkrankungen

Bei der ORG hat eine Gewichtsabnahme bereits kurzfristig einen sehr positiven Effekt. So zeigten Studien, dass es unter einer kalorienreduzierten Diät bereits nach wenigen Wochen bis Monaten zu einer deutlichen Reduktion der Proteinurie kommt (6, 37, 38). In einer dieser Studien führte eine diätetisch induzierte, durchschnittliche Gewichtsabnahme von nur 4 % nach 5 Monaten bereits zu einer durchschnittlichen Reduktion der Proteinurie um 30 %. Bei einem Gewichtsverlust von > 6–10 % zeigte sich sogar eine Reduzierung der Proteinurie um > 60–70 % des Ausgangswertes (38). Diätetische Restriktionen zur Gewichtsreduktion sind jedoch meist langfristig nicht erfolgreich, da sie nur selten dauerhaft durchgehalten werden. Zudem sind stark energiereduzierte Ernährungsformen insbesondere bei Dialysepatienten schwer umzusetzen, da darunter kaum der erhöhte Proteinbedarf gedeckt werden kann (27).
Interessant ist, dass Glucagon-like-peptide-1 (GLP-1)-Rezeptoragonisten (RA), welche seit Langem in der Therapie des Typ-2-Diabetes und zunehmend auch in der Adipositastherapie eingesetzt werden, einen antiproteinurischen Effekt bei der diabetischen Nephropathie zeigen (39). Für Menschen mit Adipositas ohne Diabetes liegen bislang noch keine entsprechenden Daten vor, sodass letztlich nicht geklärt ist, ob es sich bei der Reduktion der Proteinurie um einen inhärenten Effekt des Medikaments oder einen indirekten Effekt vermittelt durch den medikamenteninduzierten Gewichtsverlust handelt.
Bereits deutlich robuster ist die Datenlage zu den positiven Effekten der bariatrischen Chirurgie auf die Nierengesundheit. So zeigten Studien nach bariatrischen Operationen eine Verminderung der Adipositas-assoziierten Hyperfiltration (40), einer vorbestehenden Albuminurie (41) sowie des GFR-Abfalls im Zeitverlauf (42, 43).

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich eine Gewichtsreduktion bei Nierenpatienten mit ORG, FSGS oder auch diabetischer Nephropathie und gleichzeitig vorliegender Adipositas positiv auf die Nierengesundheit auswirkt und dass die bariatrische Chirurgie diesbezüglich die bei Weitem effektivste und am besten erforschte Therapie darstellt.

Bei nierentransplantierten Patienten hingegen erscheint die Datenlage etwas weniger eindeutig. Zwar verbessert die ba­riatrische Chirurgie auch in dieser Situation die Nierenfunktion, jedoch scheint sie auch das Risiko für Abstossungsreaktionen zu erhöhen (44). Letzteres hängt möglicherweise mit einer verminderten Bioverfügbarkeit von Immunsuppressiva zusammen, sodass regelmässige Spiegelbestimmungen entsprechender Medikamente obligat sind.

Boglárka Oesch-Régeni

Nierenpraxis und Dialyse St. Gallen AG
Schuppisstrasse 10
9016 St. Gallen

dr.b.regeni@gmail.com

Prof. Dr. med. Bernd Schultes

Stoffwechselzentrum St. Gallen, friendlyDocs AG
Lerchentalstrasse 21
9016 St. Gallen

stoffwechselzentrum@friendlydocs.ch

Die Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

Adipositas kann über eine Vielzahl verschiedener Mecha­nismen die Nierengesundheit gefährden. Daher sind regelmässige Untersuchungen zur Nierengesundheit bei Patienten mit Adipositas sinnvoll. Zudem kann das Vor­handensein einer Adipositas die Durchführung von verschieden Ersatzverfah­ren erschweren und ist zudem mit einer verminderten Chance auf eine Nierentransplantation assoziiert. Eine Gewichtsreduktion führt zu einer ­Ver­besserung der Nierengesundheit und sollte daher bei ­Nierenpatienten mit Adipositas ein wichtiges therapeutisches Ziel darstellen. Die bariatrische Chi­rurgie hat sich vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Evidenz diesbezüglich bereits etabliert. Es ist zu hoffen, dass die zukünftig zunehmend zur Verfügung stehenden Anti-Adipositas-Medikamente ebenfalls einen positiven Effekt auf die Nierengesundheit haben werden.

1. Ross, W. R. & McGill, J. B. Epidemiology of obesity and chronic kidney disease. Adv. Chronic Kidney Dis. 13, 325–335 (2006)
2. N. O. Saraiva Câmara, K. Iseki, Holly Kramer, Z-H. L. & K. Sharma, Kidney disease and obesity: epidemiology, mechanisms and treatment. Nature Reviews Nephrology. 181-190 (16.03.2016)
3. Moraes-Vieira, P. M. et al. Leptin deficiency modulates allograft survival by favoring a Th2 and a regulatory immune profile. [corrected]. Am. J. Transplant. 13, 36–44 (2013)
4. Vivette D. D’Agati, Avry Chagnac, Aiko P.J. de Vries, Moshe Levi, Esteban Porrini, Michal Herman-Edelstein and Manuel Praga. Obesity-related glomerulopathy: clinical and pathologic characteristics and pathogenesis. Nature Reviews Nephrology June 2016
5. Griffin, K. A., Kramer, H. & Bidani, A. K. Adverse renal consequences of obesity. Am. J. Physiol. Renal Physiol. 294, F685–F696 (2008).
6. J. I. Martínez-Montoro, E. Morales, I. Cornejo-Pareja, F. J. Tinahones, J. C. Fernández-García. Obesity-related glomerulopathy: Current approaches and future perspectives Obesity reviews 3/2022
7. Vallon, V., Blantz, R. C. & Thomson, S. Glomerular hyperfiltration and the salt paradox in early [corrected] type 1 diabetes mellitus: a tubulo-centric view. J. Am. Soc. Nephrol. 14, 530–537 (2003).
8. Vallon, V., Richter, K., Blantz, R. C., Thomson, S. & Osswald, H. Glomerular hyperfiltration in experimental diabetes mellitus: potential role of tubular reabsorption. J. Am. Soc. Nephrol. 10, 2569–2576 (1999).
9. D‘Agati VD, Chagnac A, de Vries APJ, et al. Obesity-related glomerulopathy: clinical and pathologic characteristics and pathogenesis. Nat Rev Nephrol. 2016;12(8):453-471.
10. Wahba IM, Mak RH. Obesity and obesity-initiated metabolic syndrome: Mechanistic links to chronic kidney disease. Clin J Am Soc Nephrol. 2007;2(3):550-562.
11. Artunc F, Schleicher E, Weigert C, Fritsche A, Stefan N, Häring HU. The impact of insulin resistance on the kidney and vasculature. Nat Rev Nephrol. 2016;12(12):721-737.
12. Virtue, S. & Vidal-Puig, A. Adipose tissue expandability, lipotoxicity and the metabolic syndrome — an allostatic perspective. Biochim. Biophys. Acta 1801, 338–349 (2010).
13. Debreczeny MP, Dorshow RB. Transdermal optical renal function monitoring in humans: development, verification, and validation of a prototype device. J Biomed Opt. 2018 May;23(5):1-9. doi: 10.1117/1.JBO.23.5.057003. PMID: 29752796.
14. Busse D, Borghardt JM, Petroff D, Pevzner A, Dorn C, El-Najjar N, Huisinga W, Wrigge H, Simon P, Kloft C. Evaluating prediction methods for glomerular filtration to optimise drug doses in obese and nonobese patients. Br J Clin Pharmacol. 2022 Jun;88(6):2973-2981. doi: 10.1111/bcp.15115. Epub 2021 Nov 11. PMID: 34688225.
15. Serra, A. et al. Renal injury in the extremely obese patients with normal renal function. Kidney Int. 73, 947–955 (2008).
16. Novel Biomarkers of Kidney Function Introduction and Overview. Medscape [Internet] [Abgerufen am 29.02.2024] Authoren: Ankit Sakhuja, Megan Chalupsky, Edgar V Lerma, Verfügbar unter: https://emedicine.medscape.com/article/1925619-overview?form=fpf#showall; Datum vom Abruf: 29.02.2024
17. Jiang K, Ferguson CM, Lerman LO. Noninvasive assessment of renal fibrosis by magnetic resonance imaging and ultrasound techniques. Transl Res. 2019;209:105-120.
18. Han F, Hou N, Miao W, Sun X. Correlation of ultrasonographic measurement of intrarenal arterial resistance index with microalbuminuria in nonhypertensive, nondiabetic obese patients. Int Urol Nephrol. 2013; 45(4): 1039-1045.
19. Ikee R, Kobayashi S, Hemmi N, et al. Correlation between the resistive index by Doppler ultrasound and kidney function and histology. Am J Kidney Dis. 2005;46(4):603-609.
20. Hou B, Shen X, He Q, Chen Y, Xu Y, Chen M, Xi J, Hao Z. Is the visceral adiposity index a potential indicator for the risk of kidney stones? Front Endocrinol (Lausanne). 2022 Dec 1;13:1065520. doi: 10.3389/fendo.2022.1065520. PMID: 36531468; PMCID: PMC9751392.
21. Lovegrove, Catherine E.; Beševic, Jelena; Wiberg, Akira; Lacey, Ben; Littlejohns, Thomas J.; Howles, Sarah et al.. Central Adiposity Increases Risk of Kidney Stone Disease through Effects on Serum Calcium Concentrations. Journal of the American Society of Nephrology 34(12):p 1991-2011, December 2023. | DOI: 10.1681/ASN.0000000000000238
22. Trinchieri A, Croppi E, Montanari E. Obesity and urolithiasis: evidence of regional influences. Urolithiasis (2017) 45(3):271–8. doi: 10.1007/s00240-016-0908-3
23. Weinan Chen, Sailimai Man, Yang Hong, Gaohaer Kadeerhan, Liang Chen, Qingquan Xu, Liulin Xiong, Tao Xu, Bo Wang, Xiaobo Huang: Association between metabolically healthy obesity and kidney stones: results from the 2011–2018 National Health and Nutrition Examination Survey. Public Health, 25 May 2023w
24. Witting C, Langman CB, Assimos D, Baum MA, Kausz A, Milliner D, Tasian G, Worcester E, Allain M, West M, Knauf F, Lieske JC. Pathophysiology and Treatment of Enteric Hyperoxaluria. Clin J Am Soc Nephrol. 2021 Mar 8;16(3):487-495. doi: 10.2215/CJN.08000520. Epub 2020 Sep 8. PMID: 32900691; PMCID: PMC8011014.
25. Beddhu S, Pappas LM, Ramkumar N, Samore M. Effects of body size and body composition on survival in hemodialysis patients. J Am Soc Nephrol. 2003;14(9):2366-2372.
26. Eroglu E, Heimbürger O, Lindholm B. Peritoneal dialysis patient selection from a comorbidity perspective. .Semin Dial. 2022 Jan;35(1):25-39.
27. Diwan TS, Cuffy MC, Linares-Cervantes I, Govil A. Impact of obesity on dialysis and transplant and its management. Semin Dial. 2020 May;33(3):279-285. doi: 10.1111/sdi.12876. Epub 2020 Apr 10. PMID: 32277512.
28. S Kemal: Obesity and stones, Current Opinion in Urology 29(1):p 27-32, January 2019.
29. Devasmita Choudhury, MD, Hima Bindu Yalamanchili, MD, Alia Hasan, wMD. Dialysis of the Obese Patient: Meweting Needs for a Growing Epidemic. Seminars of Nephrology, VOLUME 41, ISSUE 4, P371-379, July 2021
30. Postorino M, Marino C, Tripepi G, Zoccali C. Abdominal obesity and all-cause and cardiovascular mortality in end-stage renal disease. J Am Coll Cardiol. 2009;53(15):1265-1272.
31. Hoogeveen EK, Aalten J, Rothman KJ, et al. Effect of obesity on the outcome of kidney transplantation: a 20-year follow-up. Transplantation. 2011;91(8):869-874.
32. Mohammed Hossain, Alexander Woywodt, Titus Augustine, and Videha Sharma, Obesity and listing for renal transplantation: weighing the evidence for a growing problem Clinical Kidney Journal, 2017, vol. 10, no. 5, 703–708
33. Segev DL, Simpkins CE, Thompson RE, Locke JE, Warren DS, Montgomery RA. Obesity impacts access to kidney transplantation. J Am Soc Nephrol. 2008;19(2):349-355.
34. Gill JS, Lan J, Dong J, et al. The survival benefit of kidney transplantation in obese patwients. Am J Transplant. 2013;13(8):2083-2090.
35. Matas AJ, Smith JM, Skeans MA, et al. OPTN/SRTR 2013 annual data report: kidney. Am J Transplant. 2015;15(Suppl 2):1-34.
36. Molnar MZ, Kovesdy CP, Mucsi I, et al. Higher recipient body mass index is associated with post-transplant delayed kidney graft function. Kidney Int. 2011;80(2):218-224.
37. Navaneethan, S. D. et al. Weight loss interventions in chronic kidney disease: a systematic review and meta-analysis. Clin. J. Am. Soc. Nephrol. 4, 1565–1574 (2009).
38. Morales, E., Valero, M. A., Leon, M., Hernandez, E. & Praga, M. Beneficial effects of weight loss in overweight patients with chronic proteinuric nephropathies. Am. J. Kidney Dis. 41, 319–327 (2003).
39. Lazzaroni E, Ben Nasr M, Loretelli C, Pastore I, Plebani L, Lunati ME, Fiorina P. et al. Anti-diabetic drugs and weight loss in patients with type 2 diabetes. Pharmacol Res. 2021 Sep;171:105782. doi: 10.1016/j.phrs.2021.105782. Epub 2021 Jul 22. PMID: 34302978.
40. Bjornstad P, Nehus E, van Raalte D. Bariatric surgery and kidney disease outcomes in severely obese youth. Semin Pediatr Surg. 2020 Feb;29(1):150883. doi: 10.1016/j.sempedsurg.2020.150883. Epub 2020 Jan 20. PMID: 32238288; PMCID: PMC7125208.
41. Serra A, Granada ML, Romero R, Bayés B, Cantón A, Bonet J, Rull M, Alastrue A, Formiguera X. The effect of bariatric surgery on adipocytokines, renal parameters and other cardiovascular risk factors in severe and very severe obesity: 1-year follow-up. Clin Nutr. 2006 Jun;25(3):400-8. doi: 10.1016/j.clnu.2005.11.014. Epub 2006 May 18. PMID: 16709438.
42. Lin YC, Lai YJ, Lin YC, Peng CC, Chen KC, Chuang MT, Wu MS, Chang TH. Effect of weight loss on the estimated glomerular filtration rates of obese patients at risk of chronic kidney disease: the RIGOR-TMU study. J Cachexia Sarcopenia Muscle. 2019 Aug;10(4):756-766. doi: 10.1002/jcsm.12423. Epub 2019 Apr 2. PMID: 30938491; PMCID: PMC6711419.
43. Lin YC, Lai YJ, Lin YC, Peng CC, Chen KC, Chuang MT, Wu MS, Chang TH. Effect of weight loss on the estimated glomerular filtration rates of obese patients at risk of chronic kidney disease: the RIGOR-TMU study. J Cachexia Sarcopenia Muscle. 2019 Aug;10(4):756-766. doi: 10.1002/jcsm.12423. Epub 2019 Apr 2. PMID: 30938491; PMCID: PMC6711419.
44. Guggino J, Coumes S, Wion N, Reche F, Arvieux C, Borel AL. Effectiveness and Safety of Bariatric Surgery in Patients with End-Stage Chronic Kidney Disease or Kidney Transplant. Obesity (Silver Spring). 2020 Dec;28(12):2290-2304. doi: 10.1002/oby.23001. PMID: 33230959.
45. Lovegrove CE, Beševic J, Wiberg A, Lacey B, Littlejohns TJ, Allen NE, et al. Central Adiposity Increases Risk of Kidney Stone Disease through Effects on Serum Calcium Concentrations. J Am Soc Nephrol. 2023 Dec 1;34(12):1991-2011. doi: 10.1681/ASN.0000000000000238. Epub 2023 Oct 3. PMID: 37787550; PMCID: PMC10703081.

Konsequenzen von Chronodisruption auf Körpergewichtsregulation und Stoffwechsel

Zusammenfassung:

Die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas hat weltweit ein dramatisches Ausmass erreicht. Parallel ist Schlafmangel ein Teil des modernen Lebensstils geworden, ebenso Schicht- und Nachtarbeit. Als Folge ist eine Chronodisruption, d. h., eine Veränderung von physiologischen Prozessen, die durch die innere Uhr gesteuert werden, fast alltäglich. Epidemiologische Daten zeigen, dass eine kurze, aber auch zu lange Schlafdauer mit einem erhöhten Risiko für Adipositas in Verbindung gebracht wird, ebenso wie Nachtschichtarbeit. Adipositas tritt häufig im Rahmen eines metabolischen Syndroms (MetS) auf, und auch hier gibt es Evidenz, dass sowohl kurzer als auch langer Schlaf das Risiko eines MetS steigern. Bislang ist nicht abschliessend geklärt, wie eine Chronodisruption dieses Risiko beeinflusst. Klinisch experimentelle Untersuchungen berichten über neuroendokrine und zirkadiane Mechanismen, und es hat sich u. a. gezeigt, dass Schlafmangel das Hunger fördernde Hormon Ghrelin sowie das subjektive Hungergefühl erhöht und den Leptinspiegel verringert. Schlafmangel steigert zudem den hedonischen Drang nach Nahrung und nahrungsbezogenen Belohnungssignalen. Durch präventive Massnahmen, sog. Schlafhygiene, kann einer Chronodisruption und so dem Risiko einer Adipositas entgegengewirkt werden. Inwieweit Smartwatches und Fitnesstracker, mit denen der Schlaf laut Herstellerangaben gemessen und analysiert werden kann, ein objektives Bild des Schlafs liefern, ist nicht ausreichend untersucht. Smartwatches und Fitnesstracker können jedoch die Aufmerksamkeit für das Thema Schlaf in der Gesellschaft erhöhen.

Einleitung

Der Nobelpreis für Medizin im Jahr 2017 wurde an Forscher verliehen, die die Funktionsweise der inneren Uhr enträtselt haben. Unsere innere Uhr ist dafür zuständig, Tag und Nacht den Biorhythmus von Lebewesen zu steuern. In unserer modernen Gesellschaft ist eine Chronodisruption, d. h., eine Veränderung von physiologischen Prozessen, die durch die innere Uhr gesteuert werden, fast alltäglich geworden. Das Themengebiet der Chronobiologie erlangte auch ausserhalb von Wissenschaft und Forschung einen grösseren Bekanntheitsgrad. Die Möglichkeit, seinen eigenen Schlaf über sogenannte Smart Watches oder Fitness­tracker zu erfassen, hat das Interesse der Gesellschaft am Schlaf-Wach-Rhythmus verstärkt.
Schlaf und Wachheit sind das Ergebnis einer zentralnervösen Integration von aktivierenden und schlafinduzierenden Signalen, welche von zirkadianen Signalen moduliert werden. Bereiche des Hypothalamus spielen in der Verarbeitung dieser zirkadianen Signale eine zentrale Rolle. Hervorzuheben hierbei ist, dass alle beteiligten Kerngebiete auch Schlüsselpositionen in der Regulation des menschlichen Energiestoffwechsels einnehmen und eine Dysregulation zu einer Gewichtszunahme führen kann. Im folgenden ­Artikel werden daher Zusammenhänge von Adipositas und Chronobiologie dargestellt sowie mögliche Ansätze für eine Prävention und Behandlung der Adipositas skizziert.

Adipositas

Die Adipositas stellt als chronische Erkrankung ein weltweites und zunehmendes gesundheitliches Problem dar. Die Prävalenz der Adipositas hat sich in insgesamt 73 Ländern verdoppelt und steigt in anderen Ländern seit 1980 stetig an (1). Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen wurde eine Zunahme von Übergewicht und Adipositas festgestellt. Die gesundheitlichen Folgekomplikationen, die aus der Adipositas resultieren, betreffen mittlerweile mehr als zwei Milliarden Menschen weltweit. Ein hoher BMI war zudem weltweit für 4,0 Millionen Todesfälle verantwortlich. Dabei waren mehr als zwei Drittel der Todesfälle im Zusammenhang mit einem hohen BMI auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen. Weitere chronische Erkrankungen wie Diabetes mellitus, chronische Nierenerkrankungen, viele Krebserkrankungen und eine Reihe von Muskel-Skelett-Erkrankungen treten bei Vorliegen einer Adipositas gehäuft auf (2).
Die Ursachen der Adipositas sind multifaktoriell. Neben einer gesteigerten Aufnahme hochkalorischer Nahrung und Mangel an körperlicher Aktivität spielt die Schlafdauer und -qualität eine entscheidende Rolle (3). Eine gute Schlafqualität sowie eine ausreichende tägliche Schlafdauer stellen jedoch eine grosse Herausforderung in unserer heutigen modernen Gesellschaft dar. Parallel zum Anstieg der Adipositasprävalenz ist in den letzten Jahren auch die Zahl der Menschen zurückgegangen, die ausreichend, das heisst 7–9 Stunden, Schlaf pro Tag erreichen. Dabei geben viele Personen an, weniger als 6 Stunden Schlaf pro Nacht zu haben (4). Insbesondere für Schichtarbeiter/-innen ist es schwierig, einen regelmässigen und ausreichende Stunden Schlaf pro Tag zu erreichen. Schichtarbeit ist mittlerweile in der heutigen Gesellschaft fest integriert und beschränkt sich nicht mehr nur auf lebenswichtige Dienstleistungen wie Gesundheit, öffentliche Sicherheit und Schwerindustrie, sondern findet auch in anderen Bereichen der Güter- und Dienstleistungsproduktion statt. Dabei haben Arbeiter/-innen im Schichtdienst ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Übergewicht und Adipositas (5).
Insgesamt verdeutlichen aber vor allem der rasche Anstieg der Prävalenz sowie die Komplikationen der Adipositas die Notwendigkeit von präventiven Massnahmen einer Gewichtszunahme (2).

Chronobiologie

Ein zirkadianer Rhythmus synchronisiert rund um die Uhr physiologische Vorgänge im Körper. Hormonelle und metabolische Parameter zeigen dabei eine mehr oder weniger ausgeprägte zirkadiane Rhythmik, die auch auf Verhaltensebene wie bei Aufmerksamkeit oder körperlicher Leistungsfähigkeit zu erkennen ist.
Schlaf und Wachheit sind das Ergebnis zentralnervöser Integration von aktivierenden und schlafinduzierenden Signalen, welche von zirkadianen Signalen moduliert werden. Dabei spielen hypothalame Kerngebiete in der Verarbeitung zirkadianer und schlafregulierender Signale eine zentrale Rolle. Auffallend ist dabei insbesondere, dass alle hierbei beteiligten Kerngebiete auch Schlüsselpositionen in der Regulation des menschlichen Energiestoffwechsels einnehmen, wie beispielsweise in der Regulation von Hunger und Sättigung.
Für die Generierung eines stabilen zirkadianen Rhythmus ist ein zentraler Schrittmacher, der Nucleus suprachiasmaticus (SCN), verantwortlich, der an der Basis des Hypothalamus lokalisiert ist. Afferenzen aus dem Tractus retinohypothalamicus, dessen Fasern aus dem Chiasma opticum zum SCN führen, ermöglichen eine stetige Synchronisierung dieser zentralen «inneren Uhr» mit regelmässig wiederkehrenden Umgebungsfaktoren, den sogenannten Zeitgebern, beispielsweise Licht. Weitere Beispiele für Zeitgeber sind die Nahrungsaufnahme oder körperliche Aktivität. Der SCN wiede­rum synchronisiert über endokrine Signale und das autonome Nervensystem die peripheren Uhren, die in nahezu allen Geweben nachweisbar sind.
Uhrengene regulieren in miteinander gekoppelten Rückkopplungsschleifen ihre eigene Transkription in einem 24-Stunden-Rhythmus. Heterodimere aus den Transkriptionsfaktoren CLOCK und BMAL1, die positiven Elemente dieser Rückkopplungsschleife, induzieren über regulatorische E-Box-Elemente die Transkription von Genen der negativen Faktoren wie Period 1 & 2 sowie Cryptochrome 1 & 2. Im Sinne eines negativen Feedbacks hemmen diese wiederum die Transkription von CLOCK und BMAL1, sodass es zu einer periodischen transkriptionellen Aktivierung und Deaktivierung im 24-Stunden-Takt kommt (6, 7).
Beim Chronotyp eines Menschen werden drei verschiedene Typen unterschieden, d. h. der Morgen-, der Abend- und der Mischtyp. Der Chronotyp bestimmt mit die Präferenz für Morgen- und Abendzeit und somit den individuellen Verlauf beispielsweise von Hormonspiegeln, Körpertemperatur, Schlaf- und Wachphasen sowie Leistungsvermögen (8, 9).

Zusammenhänge zwischen der inneren Uhr, Schlaf und einem modernen Lebensstil

Schlafmangel ist in allen Altersgruppen Teil des modernen Lebensstils geworden (10, 11). Die durchschnittliche Schlafdauer sank von 8–9 Stunden/Nacht im Jahr 1960 auf 7 Stunden/Nacht im Jahr 1995, und die Prävalenz von kurzer Schlafdauer wurde 2014 in den Vereinigten Staaten mit 45% angegeben, wobei ein Drittel der Erwachsenen in den USA weniger als 6 Stunden/Nacht schlief (12). In Deutschland gehören Schlafstörungen zu den häufigsten gesundheitlichen Beschwerden, und nach Datenerhebungen des Robert Koch- Instituts leiden 22% der 11–17-Jährigen an Schlafschwierigkeiten, während dies bei den 18–31-Jährigen fast 20% waren (9). Bei den Erwachsenen berichten ca. 25% über Schlafstörungen, und mehr als 10% erleben ihren Schlaf häufig oder dauerhaft als nicht erholsam (13).

Einfluss der inneren Uhr auf den Stoffwechsel: Kommt es zu einer Verschiebung von Phase und/oder Amplitude des zirkadianen Rhythmus wird von einer Chronodisruption gesprochen. Die Ursache kann dabei entweder in einer Störung synchronisierender Zeitgeber – z. B. Licht während der Schlafenszeit oder ein Zeitgebershift bei einer Transkontinentalreise – oder aber in einer Oszillationsstörung bzw. Störung in der Kommunikation der einzelnen Uhren liegen. Chronodisruption kann schliesslich zu pathologischen Veränderungen auf metabolischer, kardiovaskulärer, proliferativer und kognitiver Ebene führen.

Metabolische Konsequenzen von Chronodisruption

Basierend auf metaanalytischen Daten wird eine kurze Schlafdauer durchgängig mit einem erhöhten Risiko für Adipositas in Verbindung gebracht (14–16). Je kürzer die Schlafdauer, desto höher ist das Risiko für Adipositas. Laut der Metaanalyse von Itanie et al. (2007) ist das Risiko für Adipositas um 9% erhöht pro einstündiger Reduktion der Schlafdauer im Vergleich zu 7–8 Stunden Schlaf. Aber auch langer Schlaf ist mit einem erhöhten Risiko für Adipositas assoziiert, das laut einer Metaanalyse mit 13 Studien und über 300.000 Probanden bei 15% lag. Kurzer Schlaf erhöhte nach dieser Analyse das Risiko um 14% (17). Der Zusammenhang zwischen Schlafdauer und Adipositas scheint
u-förmig zu sein, was sowohl eine kurze als auch lange Schlafdauer betrifft.
Auch ein Kurzschlaf am Tag, als Powernap bezeichnet, ist Bestandteil der heutigen Gesellschaft geworden. Während ein Powernap mit verschiedenen gesundheitlichen Vorteilen in Verbindung gebracht wird, darunter einer Verbesserung der kognitiven Funktion, ist der Zusammenhang mit Übergewicht und Adipositas nicht eindeutig beschrieben. Die Ergebnisse einer Metaanalyse zeigen erste Evidenz, dass Powernapping das Risiko für Adipositas erhöht (18).
Das Vorliegen einer Adipositas tritt häufig im Rahmen eines metabolischen Syndroms (MetS) auf. Hierunter ist das Risiko für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes (T2D) sehr hoch. Auch hier gibt es Evidenz für einen Zusammenhang mit der Schlafdauer, der ebenfalls als u-förmig beschrieben werden kann, wobei kurzer und langer Schlaf das Risiko eines MetS um etwa 15% bzw. 19% erhöhten (17). Eine Metaanalyse mit insgesamt mehr als 480.000 Probanden zeigt, dass eine Schlafdauer von 7 bis 8 Stunden pro Tag mit der geringsten Prävalenz für T2D verbunden ist. Verglichen mit einer Schlafdauer von 7 Stunden pro Tag erhöhte jede einstündige Verkürzung der Schlafdauer das Risiko für T2D um 9% bei Personen, die weniger als 7 Stunden pro Tag schliefen und 14% für jeden einstündigen Anstieg der Schlafdauer bei Personen mit längerer Schlafdauer (19).
Eine zirkadiane Disruption wirkt sich negativ auf die Insulinsensitivität aus (20, 21). Insbesondere eine Unterbrechung oder Verkürzung des sogenannten Slow-wave Sleep, ein Schlafstadium, das hauptsächlich in der frühen Nachthälfte auftritt und mit Erholung verbunden ist, zeigte eine Assoziation zu einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Insulinresistenz (22).
Eine zu kurze oder zu lange Schlafzeit ist ausserdem nicht nur mit negativen Auswirkungen auf den Metabolismus assoziiert. Eine lange Schlafdauer von mindestens neun Stunden oder mehr ist u. a. mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten von Depression, chronischem Schmerz oder obstruktiver Schlafapnoe verbunden (23).
Schichtarbeit ist ein klassisches Beispiel für Chronodisruption. Einer Metaanalyse zufolge, die 28 Studien berücksichtigt, erhöht Nachtschichtarbeit das Risiko von Übergewicht und Adipositas um 23%. In Bezug auf die Regelmässigkeit der Nachtarbeit legen die Ergebnisse nahe, dass permanente Nachtarbeiter ein um 29% höheres Risiko als rotierende Schichtarbeiter besitzen (24). Die Energieaufnahme über 24 Stunden von Schichtarbeitern und Nichtschichtarbeitern scheint jedoch nicht unterschiedlich zu sein (25). Andere Faktoren müssen demzufolge für das bei Nachtarbeitern erhöhte Risiko für Adipositas mitverantwortlich sein.
Aufgrund zahlreicher Studien liegt eine hohe Evidenz vor, dass die Chronodisruption einen Risikofaktor für Gewichtszunahme, Adipositas und auch metabolische Begleiterkrankungen ist. Bisher ist aber nicht abschliessend geklärt, wie eine Chronodisruption dieses Risiko beeinflusst (12). Zugrunde liegende Mechanismen können in klinisch experimentellen Untersuchungen unter standardisierten Bedingungen untersucht werden, und Studien berichten über verschiedene neuroendokrine und zirkadiane Mechanismen, die den Metabolismus beeinflussen. Es hat sich u. a. gezeigt, dass bereits eine einzige Nacht ohne Schlaf das Hunger fördernde Hormon Ghrelin sowie insgesamt das subjektive Hungergefühl erhöhen kann (26). Nach einer längeren Phase mit Schlafmangel (6 Nächte mit jeweils nur 4 Stunden Schlaf) zeigten sich zudem verringerte Leptinspiegel (27). Leptin ist ein Hormon, das von weissen Adipozyten produziert wird und den Appetit zügelt. Sinken die Leptinspiegel im Blut, kann es daher zu einem gesteigerten Appetit kommen (28). Die Verringerung des Leptinanstiegs ist auch quantitativ mit einem Anstieg der abendlichen Cortisolspiegel einhergegangen, was die Existenz von Wechselwirkungen zwischen der physiologischen Regulierung von Leptin und Cortisol unterstützt. Dieser negative Zusammenhang zwischen Veränderungen von Leptin und Cortisol während der Schlafbeschränkung könnte ausserdem die gut dokumentierte unterdrückende Wirkung von Leptin auf die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Aktivität widerspiegeln (27, 29). Neben den Veränderungen von Hormonkonzentrationen zeigen sich auch unterschiedlich stark ausgeprägte Aktivitäten bestimmter Gehirnregionen nach Schlafmangel. Bei gesunden Probanden mit eingeschränktem Schlaf konnte eine erhöhte Aktivität von bestimmten Gehirnarealen gesehen werden, wenn ihnen Bilder von schmackhaften und hochkalorischen Lebensmitteln im MRT gezeigt wurden. Diese bestimmten Gehirnareale wie das Putamen, der Nucleus accumbens, der Thalamus und der präfrontale Kortex sind entscheidend für die Regulierung von Hunger, Appetit und Belohnung zuständig (28, 30).
Weiterhin steigert Schlafmangel den hedonischen Drang nach Nahrung und erhöht die nahrungsbezogenen Belohnungssignale. Hinzu kommt, dass die durch Schlafeinschränkungen verursachte längere Wachheit mit einem Anstieg des Grundenergieverbrauchs und einer anschliessenden Überkompensation der Energieaufnahme einhergeht, was zu einer positiven Energiebilanz und Gewichtszunahme führt (31, 32). Passend dazu zeigte sich in einer klinisch-experimentellen Studie, dass es nach vier Nächten mit zunehmender Schlafverringerung zu einer Gewichtszunahme von 0,4 kg kommt (33). In einer weiteren Studie, bei der die teilnehmenden Probanden fünf Nächte mit verkürztem Schlaf hatten, lag die Gewichtszunahme sogar bei durchschnittlich 0,8 kg (34).
In einer klinisch-experimentellen Studie hat sich ausserdem gezeigt, dass auch der Zeitpunkt des verkürzten Schlafs eine Rolle in der Auswirkung auf den Metabolismus spielt. So waren Ghrelin, Hunger- und Appetitgefühle sowie das Verlangen nach Nahrung bei Schlafverlust in der späten Nacht (von 2.15 bis 6.45 Uhr) erhöht, nicht jedoch bei Schlafverlust in der frühen Nacht (von 22.30 bis 3 Uhr), während Leptin vom Zeitpunkt des Schlafverlusts unbeeinflusst blieb (35).
Nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität des Schlafs scheint den Glukosestoffwechsel zu beeinflussen. So führte eine selektive Unterdrückung des Tiefschlafs durch akustische Signale bereits nach drei Nächten zu einer verringerten Glukosetoleranz und Insulinsensitivität bei gesunden Probanden, dieses ohne Veränderung der absoluten Schlafdauer (36).
Ein weiteres Problem für den Stoffwechsel stellt die nächtliche Einwirkung von künstlichem Licht aus verschiedenen Lichtquellen dar. Dies kommt in unserer modernen Gesellschaft häufig vor und gilt zudem als globales Problem. Mäuse zeigten beispielsweise eine Gewichtszunahme und unregulierte Fressgewohnheiten, wenn sie vier Wochen lang hellem (150 Lux) oder schwachem Licht (5 Lux) über 24 Stunden hinweg ausgesetzt waren. Ausserdem verschlechterte sich die Glukosetoleranz im Vergleich zu denen, die im Dunkeln gehalten wurden. Die Effekte waren ausgeprägter bei den Mäusen, die hellem Licht statt schwachem Licht ausgesetzt waren (37). Auch eine Studie an gesunden Männern konnte zeigen, dass bereits leichtes und gedämpftes Licht während zwei Nächten hintereinander die Schlafarchitektur veränderte, ohne dabei Auswirkungen auf den Glukosestoffwechsel zu induzieren (38).
Nicht nur das erhöhte Risiko für die Entwicklung einer Adipositas steht mit einer veränderten Chronobiologie in Zusammenhang. Auch eine Assoziation mit einem erhöhten Risiko für einen Typ-2-Diabetes-mellitus (T2D) konnte in einigen Studien gezeigt werden. Eine verkürzte Schlafdauer von 4 Stunden/Nacht über 6 Tage führte bei gesunden Personen bereits zu einer prädiabetischen Stoffwechsellage in einem intravenösen Glukosetoleranztest (39). Eine weitere Studie konnte eine eingeschränkte Glukosetoleranz sowie eine reduzierte Insulinsensitivität nach zwei Tagen mit nur vier Stunden Schlaf messen (40). Auch der Zeitpunkt der Schlafbeschränkung spielt für den Glukosemetabolismus eine entscheidende Rolle. Es hat sich gezeigt, dass, obwohl Schlafentzug die Insulinsensitivität unabhängig vom nächtlichen Zeitpunkt verringert, der Schlafverlust am frühen Morgen die Aktivität der α-Zellen und der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse stärker als der Schlafverlust in der ersten Nachthälfte beeinträchtigt (41).
Die folgende Abbildung fasst die relevanten Faktoren der Chronodisruption, die einen Einfluss auf das Körpergewicht haben und ein Risiko für die Entwicklung einer Adipositas darstellen, zusammen (Abb. 1).

Präventive Massnahmen zur Vermeidung von Chronodisruption

Bewegung und körperliches Training: Körperliche Aktivität nimmt in der Adipositastherapie und -prävention eine wichtige Rolle ein, obwohl der energetische Beitrag nur eine geringere Bedeutung hat. Körperliche Aktivität senkt jedoch das Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko. Insbesondere in Hinsicht auf eine oftmals geringe Therapieadhärenz bei Bewegung und Training ist es umso wichtiger, ein optimiertes Trainingsprogramm individuell für den Patienten zu erstellen. In Bezug auf den zirkadianen Rhythmus gibt es erste Evidenz, dass das Timing von Training, u. a. vormittags versus nachmittags, die Response beispielsweise in Bezug auf den Glukosemetabolismus beeinflusst (42). Momentan ist jedoch eine A-priori-Identifikation von Personen hinsichtlich des optimalen Trainingszeitpunktes nicht möglich. Hier bedarf es intensiver weiterer Forschungsbestrebungen, um einerseits die metabolischen Effekte von Timing von Training zu quantifizieren und um andererseits Kriterien zu entwickeln, die optimale Trainingszeit vor Therapiebeginn festlegen zu können.

Fitnesstracker zur Beurteilung von Schlaf

Gadgets wie Smartwatches und Fitnesstracker haben Funktionen, mit denen der eigene Schlaf unter den Alltagsbedingungen gemessen und analysiert werden kann. Die Daten werden dann meist in einer App oder teilweise direkt am Display des Gerätes abgelesen. Umfragen zufolge nutzen immer mehr Menschen diese Funktion. Inwieweit dies zu einem «gesünderen» Schlaf führt, ist jedoch nicht bekannt. Smartwatches können das Bewusstsein dafür schärfen, dass der Schlaf eine sehr wichtige biologische Funktion erfüllt. Eine Vielzahl der Gadgets sind allerdings noch ungenau, und weder Qualität des Schlafs noch Schlafmenge können richtig gemessen werden. Ihre Technik beruht auf Beschleunigungsmesser, Elektrokardiografie oder Temperatur, einzeln oder in Kombination. Allerdings gibt es Bestrebungen, die der Analyse zugrunde liegenden Algorithmen zu optimieren und so beispielsweise die verschiedenen Schlafstadien erfassen zu können. Aber auch aufgrund der Zeitspanne, die zwischen Experimenten im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie und der Publikation der Daten liegt, können diese Ergebnisse kaum keinen aktuellen Stand zu der Genauigkeit der Smartwatches widerspiegeln (43–46).

Polymorphismen von Uhrengenen, Adipositas und Gewichtsreduktion

Genetische Varianten (d. h. Einzelnukleotidpolymorphismen, SNPs) von Uhrengenen scheinen im Zusammenhang mit dem Risiko für Adipositas (47) und der Schlafdauer zu stehen (48, 49). Es wurden bereits über 300 SNPs von Uhrengenen in genomweiten Assoziationsstudien mit dem Chronotyp in Verbindung gebracht (50). Einen Zusammenhang zum Risiko für Adipositas scheinen beispielsweise SNPs rs3749474, rs1801260 des CLOCK-Gens zu zeigen (49). In Bezug auf eine Gewichtsabnahme im Rahmen eines Interventionsprogramms, welches auf der Mittelmeerdiät basierte, wurde diese durch den SNP des CLOCK-Gens rs1801260 zusätzlich beeinflusst. Zudem wird berichtet, dass die Personen, die als «Spätesser» charakterisiert wurden, weniger Körpergewicht abnahmen als die «Frühesser» (51). Ein Zusammenhang zwischen SNPs des CLOCK-Gens, Adipositas und der langfristigen Gewichtsreduktion sechs Jahre nach einer bariatrischen Operation wurde bei 375 Patienten mit morbider Adipositas und 230 Kontrollpersonen untersucht. Das G-Allel der rs1801260-Variante des CLOCK-Gens zeigte einen protektiven Effekt gegenüber Adipositas. Postoperativ war der Gewichtsverlust höher sowie die Gewichtszunahme geringer bei Trägern des A-Allels. Bei Personen, die homozygot für das T-Allel vom CLOCK-Gen rs3749474 waren, lag Assoziation zur Adipositas vor, und sechs Jahre nach einer bariatrischen Operation wurde ein geringer Gewichtsverlust und eine deutlich grössere Gewichtszunahme festgestellt (52).

Ausblick

Eine Optimierung oder ein Erhalt des zirkadianen Rhythmus kann zur Prävention bzw. Therapie von Adipositas beitragen. Einfache Massnahmen können zu einem «guten Schlaf» beitragen, wie adäquate Schlafdauer und adäquater Schlaf-Wach-Rhythmus, optimierte Umgebungsbedingungen wie Vermeidung von Licht und Lärm sowie die Vermeidung von ausgeprägtem Powernapping. Inwieweit ein Schlaftracking mit handelsüblichen Smartwatches eine Möglichkeit bietet, den Schlaf zu optimieren, ist derzeit noch nicht geklärt.
Therapiestrategien in der Ernährung sollten nicht nur die Kalorienaufnahme und Makronährstoffverteilung – wie klassisch üblich – berücksichtigen, sondern auch den Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme. Dies gilt auch für das körperliche Training, wobei hier noch umfangreicher Forschungsbedarf besteht.

PD Dr. med. Svenja Meyhöfer

Medizinische Klinik, Universität zu Lübeck
23562 Lübeck
Deutschland

PD Dr. Britta Wilms

Center of Brain, Behavior and Metabolism
Universität zu Lübeck
Marie Curie Strasse, Haus 66
D-23562 Lübeck

britta.wilms@uni-luebeck.de

Die Autorinnen haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

1. Friedrich MJ (2017) Global Obesity Epidemic Worsening. JAMA 318(7):603. https://doi.org/10.1001/jama.2017.10693
2. The GBD 2015 Obesity Collaborators (2017) Health Effects of Overweight and Obesity in 195 Countries over 25 Years. N Engl J Med 377(1):13–27. https://doi.org/10.1056/NEJMoa1614362
3. Schmid SM, Hallschmid M, Schultes B (2015) The metabolic burden of sleep loss. Lancet Diabetes Endocrinol 3(1):52–62. https://doi.org/10.1016/S2213-8587(14)70012-9
4. Knutson KL, Van Cauter E (2008) Associations between sleep loss and increased risk of obesity and diabetes. Ann N Y Acad Sci 1129:287–304. https://doi.org/10.1196/annals.1417.033
5. Brum MCB, Dantas Filho FF, Schnorr CC, Bertoletti OA, Bottega GB, Da Costa Rodrigues T (2020) Night shift work, short sleep and obesity. Diabetol Metab Syndr 12(1):13. https://doi.org/10.1186/s13098-020-0524-9
6. de Assis LVM, Oster H (2021) The circadian clock and metabolic homeostasis: entangled networks. Cell Mol Life Sci 78(10):4563–4587. https://doi.org/10.1007/s00018-021-03800-2
7. Pilorz V, Helfrich-Förster C, Oster H (2018) The role of the circadian clock system in physiology. Pflugers Arch 470(2):227–239. https://doi.org/10.1007/s00424-017-2103-y
8. Roenneberg T, Wirz-Justice A, Merrow M (2003) Life between clocks: daily temporal patterns of human chronotypes. J Biol Rhythms 18(1):80–90. https://doi.org/10.1177/0748730402239679
9. Facer-Childs ER, Campos BM, Middleton B, Skene DJ, Bagshaw AP (2019) Circadian phenotype impacts the brain’s resting-state functional connectivity, attentional performance, and sleepiness. Sleep 42(5):zsz033. https://doi.org/10.1093/sleep/zsz033
10. Du M, Liu M, Wang Y, Qin C, Liu J (2024) Global burden of sleep disturbances among older adults and the disparities by geographical regions and pandemic periods. SSM Popul Health 25:101588. https://doi.org/10.1016/j.ssmph.2023.101588
11. Gradisar M, Gardner G, Dohnt H (2011) Recent worldwide sleep patterns and problems during adolescence: a review and meta-analysis of age, region, and sleep. Sleep Med 12(2):110–118. https://doi.org/10.1016/j.sleep.2010.11.008
12. Van Cauter E, Knutson KL (2008) Sleep and the epidemic of obesity in children and adults. Eur J Endocrinol 159 Suppl 1(S1):S59-66. https://doi.org/10.1530/EJE-08-0298
13. Penzel T, Robert Koch-Institut (2005) Schlafstörungen. Robert Koch-Inst, Berlin
14. Itani O, Jike M, Watanabe N, Kaneita Y (2017) Short sleep duration and health outcomes: a systematic review, meta-analysis, and meta-regression. Sleep Med 32:246–256. https://doi.org/10.1016/j.sleep.2016.08.006
15. Zhou Q, Zhang M, Hu D (2019) Dose-response association between sleep duration and obesity risk: a systematic review and meta-analysis of prospective cohort studies. Sleep Breath 23(4):1035–1045. https://doi.org/10.1007/s11325-019-01824-4
16. Bacaro V, Ballesio A, Cerolini S, et al (2020) Sleep duration and obesity in adulthood: An updated systematic review and meta-analysis. Obes Res Clin Pract 14(4):301–309. https://doi.org/10.1016/j.orcp.2020.03.004
17. Che T, Yan C, Tian D, Zhang X, Liu X, Wu Z (2021) The Association Between Sleep and Metabolic Syndrome: A Systematic Review and Meta-Analysis. Front Endocrinol 12:773646. https://doi.org/10.3389/fendo.2021.773646
18. Cai Z, Yang Y, Zhang J, Liu Y (2023) The relationship between daytime napping and obesity: a systematic review and meta-analysis. Sci Rep 13(1):12124. https://doi.org/10.1038/s41598-023-37883-7
19. Shan Z, Ma H, Xie M, et al (2015) Sleep duration and risk of type 2 diabetes: a meta-analysis of prospective studies. Diabetes Care 38(3):529–537. https://doi.org/10.2337/dc14-2073
20. Anothaisintawee T, Reutrakul S, Van Cauter E, Thakkinstian A (2016) Sleep disturbances compared to traditional risk factors for diabetes development: Systematic review and meta-analysis. Sleep Med Rev 30:11–24. https://doi.org/10.1016/j.smrv.2015.10.002
21. Sondrup N, Termannsen A-D, Eriksen JN, et al (2022) Effects of sleep manipulation on markers of insulin sensitivity: A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Sleep Medicine Reviews 62:101594. https://doi.org/10.1016/j.smrv.2022.101594
22. Johnson JM, Durrant SJ, Law GR, Santiago J, Scott EM, Curtis F (2022) The effect of slow-wave sleep and rapid eye-movement sleep interventions on glycaemic control: a systematic review and meta-analysis of randomised controlled trials. Sleep Medicine 92:50–58. https://doi.org/10.1016/j.sleep.2022.03.005
23. Chaput J-P, Dutil C, Featherstone R, et al (2020) Sleep duration and health in adults: an overview of systematic reviews. Appl Physiol Nutr Metab 45(10 (Suppl. 2)):S218–S231. https://doi.org/10.1139/apnm-2020-0034
24. Sun M, Feng W, Wang F, et al (2018) Meta-analysis on shift work and risks of specific obesity types. Obesity Reviews 19(1):28–40. https://doi.org/10.1111/obr.12621
25. Bonham MP, Bonnell EK, Huggins CE (2016) Energy intake of shift workers compared to fixed day workers: A systematic review and meta-analysis. Chronobiology International 33(8):1086–1100. https://doi.org/10.1080/07420528.2016.1192188
26. Schmid SM, Hallschmid M, Jauch-Chara K, Born J, Schultes B (2008) A single night of sleep deprivation increases ghrelin levels and feelings of hunger in normal-weight healthy men. Journal of Sleep Research 17(3):331–334. https://doi.org/10.1111/j.1365-2869.2008.00662.x
27. Spiegel K, Leproult R, L’hermite-Balériaux M, Copinschi G, Penev PD, Van Cauter E (2004) Leptin levels are dependent on sleep duration: relationships with sympathovagal balance, carbohydrate regulation, cortisol, and thyrotropin. J Clin Endocrinol Metab 89(11):5762–5771. https://doi.org/10.1210/jc.2004-1003
28. Chaput J-P, McHill AW, Cox RC, et al (2023) The role of insufficient sleep and circadian misalignment in obesity. Nat Rev Endocrinol 19(2):82–97. https://doi.org/10.1038/s41574-022-00747-7
29. Flier JS (2004) Obesity wars: molecular progress confronts an expanding epidemic. Cell 116(2):337–350. https://doi.org/10.1016/s0092-8674(03)01081-x
30. Benedict C, Brooks SJ, O’Daly OG, et al (2012) Acute sleep deprivation enhances the brain’s response to hedonic food stimuli: an fMRI study. J Clin Endocrinol Metab 97(3):E443-447. https://doi.org/10.1210/jc.2011-2759
31. Broussard JL, Van Cauter E (2016) Disturbances of sleep and circadian rhythms: novel risk factors for obesity. Curr Opin Endocrinol Diabetes Obes 23(5):353–359. https://doi.org/10.1097/MED.0000000000000276
32. Bromley LE, Booth JN, Kilkus JM, Imperial JG, Penev PD (2012) Sleep restriction decreases the physical activity of adults at risk for type 2 diabetes. Sleep 35(7):977–984. https://doi.org/10.5665/sleep.1964
33. Bosy-Westphal A, Hinrichs S, Jauch-Chara K, et al (2008) Influence of Partial Sleep Deprivation on Energy Balance and Insulin Sensitivity in Healthy Women. Obes Facts 1(5):266–273. https://doi.org/10.1159/000158874
34. Markwald RR, Melanson EL, Smith MR, et al (2013) Impact of insufficient sleep on total daily energy expenditure, food intake, and weight gain. Proc Natl Acad Sci USA 110(14):5695–5700. https://doi.org/10.1073/pnas.1216951110
35. Meyhöfer S, Chamorro R, Hallschmid M, et al (2023) Late, but Not Early, Night Sleep Loss Compromises Neuroendocrine Appetite Regulation and the Desire for Food. Nutrients 15(9):2035. https://doi.org/10.3390/nu15092035
36. Tasali E, Leproult R, Ehrmann DA, Van Cauter E (2008) Slow-wave sleep and the risk of type 2 diabetes in humans. Proceedings of the National Academy of Sciences 105(3):1044–1049
37. Fonken LK, Workman JL, Walton JC, et al (2010) Light at night increases body mass by shifting the time of food intake. Proc Natl Acad Sci USA 107(43):18664–18669. https://doi.org/10.1073/pnas.1008734107
38. Chamorro R, Wilms B, Holst A, et al (2021) Acute mild dim light at night slightly modifies sleep but does not affect glucose homeostasis in healthy men. Sleep Med 84:158–164. https://doi.org/10.1016/j.sleep.2021.05.038
39. Spiegel K, Leproult R, Van Cauter E (1999) Impact of sleep debt on metabolic and endocrine function. The Lancet 354(9188):1435–1439. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(99)01376-8
40. Schmid SM, Hallschmid M, Jauch-Chara K, et al (2011) Disturbed Glucoregulatory Response to Food Intake After Moderate Sleep Restriction. Sleep 34(3):371–377. https://doi.org/10.1093/sleep/34.3.371
41. Wilms B, Chamorro R, Hallschmid M, et al (2019) Timing Modulates the Effect of Sleep Loss on Glucose Homeostasis. The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism 104(7):2801–2808. https://doi.org/10.1210/jc.2018-02636
42. Kirchner H, Weisner L, Wilms B (2023) When should I run-the role of exercise timing in metabolic health. Acta Physiol (Oxf) 237(4):e13953. https://doi.org/10.1111/apha.13953
43. Pires GN, Arnardóttir ES, Bailly S, McNicholas WT (2024) Guidelines for the development, performance evaluation and validation of new sleep technologies (DEVSleepTech guidelines) – a protocol for a Delphi consensus study. J Sleep Res e14163. https://doi.org/10.1111/jsr.14163
44. Roomkham S, Lovell D, Cheung J, Perrin D (2018) Promises and Challenges in the Use of Consumer-Grade Devices for Sleep Monitoring. IEEE Rev Biomed Eng 11:53–67. https://doi.org/10.1109/RBME.2018.2811735
45. Song T-A, Chowdhury SR, Malekzadeh M, et al (2023) AI-Driven sleep staging from actigraphy and heart rate. PLoS One 18(5):e0285703. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0285703
46. Rentz LE, Ulman HK, Galster SM (2021) Deconstructing Commercial Wearable Technology: Contributions toward Accurate and Free-Living Monitoring of Sleep. Sensors (Basel) 21(15):5071. https://doi.org/10.3390/s21155071
47. Molina-Montes E, Rodríguez-Barranco M, Ching-López A, et al (2022) Circadian clock gene variants and their link with chronotype, chrononutrition, sleeping patterns and obesity in the European prospective investigation into cancer and nutrition (EPIC) study. Clinical Nutrition 41(9):1977–1990. https://doi.org/10.1016/j.clnu.2022.07.027
48. Allebrandt KV, Teder-Laving M, Akyol M, et al (2010) CLOCK gene variants associate with sleep duration in two independent populations. Biol Psychiatry 67(11):1040–1047. https://doi.org/10.1016/j.biopsych.2009.12.026
49. Valladares M, Obregón AM, Chaput J-P (2015) Association between genetic variants of the clock gene and obesity and sleep duration. J Physiol Biochem 71(4):855–860. https://doi.org/10.1007/s13105-015-0447-3
50. Jones SE, Lane JM, Wood AR, et al (2019) Genome-wide association analyses of chronotype in 697,828 individuals provides insights into circadian rhythms. Nat Commun 10(1):343. https://doi.org/10.1038/s41467-018-08259-7
51. Garaulet M, Ordovás JM, Madrid JA (2010) The chronobiology, etiology and pathophysiology of obesity. Int J Obes 34(12):1667–1683. https://doi.org/10.1038/ijo.2010.118
52. Torrego-Ellacuría M, Barabash A, Matía-Martín P, et al (2022) Influence of CLOCK Gene Variants on Weight Response after Bariatric Surgery. Nutrients 14(17):3472. https://doi.org/10.3390/nu14173472

Neue Entwicklungen und Innovationen in der ­Psychotherapie bei Adipositas

Zusammenfassung:

Dieser Beitrag zeigt neue Entwicklungen und Innovationen in der psychologischen Psychotherapie für Patient/-innen mit Adipositas auf. Es wird die Bedeutung einer interdisziplinären Behandlung, die neben traditionellen Ansätzen auch moderne Psychotherapieverfahren wie die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) umfasst, betont. Der aktuelle Forschungsstand legt nahe, dass die Bewertung der Wirksamkeit der Psychotherapie nicht ausschliesslich anhand von Gewichtsveränderungen erfolgen sollte, sondern auch andere Ergebnisse wie die subjektive Lebensqualität und psychische Gesundheit berücksichtigt werden sollten. Darüber hinaus wird die Rolle der Telemedizin und Blended-Psychotherapie als vielversprechende Ansätze zur Verbesserung der Zugänglichkeit und Effektivität der Behandlung hervorgehoben. Anhand eines Fallbeispiels einer 55-jährigen Frau mit Adipositas und psychischen Komorbiditäten wird die Wirksamkeit eines multimodalen psychotherapeutischen Ansatzes demonstriert.

Die Wechselwirkung zwischen ­psychischer Gesundheit und Adipositas

Adipositas wird laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgrund der Prävalenzzahlen weltweit als das grösste chronische Gesundheitsproblem betrachtet (1). In der Schweiz sind gemäss Bundesamt für Statistik 39.1 % der Männer und 22.8 % der Frauen übergewichtig, während die Zahlen für Adipositas bei 13.2 % (Männer) bzw. 11.0 % (Frauen) liegen. Vom Jahr 1992 bis 2022 hat sich in der Schweiz der Anteil an Personen mit Adipositas verdoppelt (2). Die hohen bzw. steigenden Prävalenzen stehen im Widerspruch zum Umstand, dass Adipositas als eines der am meisten vernachlässigten Gesundheitsprobleme gilt (1). Die Gründe dafür sind komplex und vielfältig, wobei häufig bislang eine gewichtsbezogene Stigmatisierung bei Patient/-innen nachgewiesen werden konnte (3). Vernachlässigt werden zudem auch die langjährigen psychosozialen Belastungen; oftmals geht Adipositas einher mit erheblichen Problemen im Selbstwertgefühl, dem Körperbild, eingeschränktem körperlichen Wohlbefinden, Schwierigkeiten in Beziehungen und im sozialen Kontakt, depressiven Verstimmungen, Ängsten, sozialer Isolation, beruflichen Herausforderungen und einer insgesamt deutlich verminderten Lebensqualität (4, 5).
Die aktuellen empirischen Befunde deuten darauf hin, dass die Beziehung zwischen Adipositas und Psychopathologie von bidirektionaler Natur ist, da Adipositas wiederholt mit einer Vielzahl neuropsychischer Dysfunktionen assoziiert wurde und gleichzeitig verschiedene Untergruppen psychiatrischer Patient/-innen nachweislich ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Adipositas aufweisen (6). Die Autoren letzterer Studie erklären beispielsweise den Pfad «Adipositas zu Psychopathologie» durch die chronisch erhöhten Entzündungswerte, endokrine Störungen und metabolische Dyshomöostase. Dadurch werden langfristig strukturelle neurodegenerative Prozesse im Gehirn beeinflusst. Die damit einhergehenden Läsionen und vor allem der deutliche Verlust neuronaler Zellen werden schliesslich mit psychischen Störungen in Zusammenhang gebracht.
Hinsichtlich des Pfades «Psychopathologie zu Adipositas» konnte in zahlreichen Studien gezeigt werden, dass psychische Komorbiditäten bei Adipositas häufig sind. Beispielsweise unterscheiden sich die Prävalenzen bei Personen mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) deutlich, nämlich 27.4 % bei BMI ≥ 30 im Gegensatz zu einer Prävalenz von etwa 3 %–4 % in der allgemeinen Bevölkerung (7). Im Gegenzug haben Erwachsene und Kinder mit ADHS jeweils ein um 70 % bzw. 40 % erhöhtes Risiko, an Adipositas zu erkranken (8). In Bezug auf traumatische Ereignisse weist eine Metaanalyse darauf hin, dass bei Personen mit einer posttraumatischen Belastungsstörung das Risiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung um den Faktor 1.55 erhöht ist. Personen mit aversiven oder traumatischen Erfahrungen während der frühen Entwicklung (Adverse Childhood Events; ACE) weisen gemäss zweier Metaanalysen ein signifikant erhöhtes Risiko für Übergewicht und Adipositas im Erwachsenenalter auf (9, 10). Ferner konnte ein erhöhtes Risiko bei Personen mit Adipositas im Vergleich zu Personen ohne Adipositas bei den Diagnosen Nikotinabhängigkeit, schizoaffektive Störungen, bipolare Störungen, depressive Episoden, rezidivierende Depressionen, Dysthymie, Angststörungen, Somatisierungsstörungen, Essstörungen sowie Persönlichkeitsstörungen gefunden werden (4). Die Mechanismen, die von der psychischen Störung zu Adipositas führen, sind hierbei komplex und werden durch das mit der psychischen Störung assoziierten Verhalten (z.B. Impulsivität, Abhängigkeitsverhalten, Aktivitätsminderung bei Depressionen), der emotionalen Dysregulation und einer exekutiven Dysfunktion in Verbindung gebracht (11).

Die Relevanz von psychischen Faktoren hinsichtlich des Gewichtsverlaufs

Im Rahmen der psychotherapeutischen Adipositasbehandlung hat sich eine Untersuchung der Psychopathologie etabliert (12). Hierdurch können psychische Störungen identifiziert werden, die einen Einfluss auf den Behandlungsverlauf der Adipositas haben (z.B. Depression, Binge Eating Disorder, Night Eating Syndrome, Insomnie, Abhängigkeitserkrankungen). Eine Übersichtsarbeit (13) aus der bariatrischen Chirurgie zeigt, dass ein postoperativ gestörtes Essverhalten (z.B. Essanfälle oder unkontrolliertes Essen, Grazing¹, Snacking, emotionales Essen und nächtliches Essen) schlechtere Ergebnisse beim Gewichtsverlust voraussagen. Von diesen Verhaltensweisen weisen die Binge-Eating-Störung und unkontrolliertes Essen (unterhalb der Schwelle einer Binge-Eating-Störung) die meisten empirischen Belege hinsichtlich eines geringeren postoperativen Gewichtsverlustes auf.
Durch ein entsprechendes Screening können Verhaltensweisen identifiziert werden, welche die Adipositas weiter aufrechterhalten. Zudem können Personen adressiert werden, die eine erhöhte psychopathologische Vulnerabilität aufweisen und deren Leidensdruck im Verlauf der Adipositasbehandlung signifikant hoch werden kann. Aus der ba­riatrischen Chirurgie ist beispielsweise bekannt, dass selbstverletzendes Verhalten den Höhepunkt 2–3 Jahre nach der Operation erreicht, also zu dem Zeitpunkt, an dem die meisten Patienten typischerweise kein Gewicht mehr verlieren (14). Auch Suizidgedanken nehmen mit der Zeit zu (15; mittlerer Follow-up-Zeitrahmen der Studie: 7.1 Jahre).

Psychotherapeutischer Behandlungspfad bei Adipositas

Die komplexe Ätiologie von Übergewicht und Adipositas erfordert ein multidisziplinäres therapeutisches Vorgehen, das Ernährungsberatung, Anleitung zu körperlicher Aktivität, medizinische Therapien (pharmakologisch, chirurgisch) und psychologisch-psychotherapeutische Behandlung umfasst (16). Die Wichtigkeit einer interdisziplinären Vorgehensweise zeigt sich ferner anhand des Beispiels der zunehmend häufiger eingesetzten Medikamente zur Behandlung von Adipositas (GLP-1-Analoga, z.B. Liraglutid), die sich als vielversprechende Option zur Gewichtsabnahme anbieten (17). Wie die weiterhin erfolgreichste Methode hinsichtlich der Gewichtsabnahme, der bariatrischen Chirurgie (17), kann die medikamentöse Adipositastherapie durch die Gewichtsabnahme zu einer erheblichen Verbesserung der Lebensqualität und Reduktion der depressiven Symptomatik führen (18). Die Rolle der Psychotherapie liegt hierbei wie bei der bariatrischen Chirurgie in der diagnostischen Abklärung zu Beginn der Behandlung, um Menschen mit vorbestehenden psychischen Störungen zu identifizieren und gegebenenfalls Kontraindikationen festhalten zu können. Ferner unterstützt die Psychotherapie die Massnahmen der Verhaltensänderung. Wie bei der bariatrischen Chirurgie hält die Psychotherapie ferner eine zentrale Rolle bei denjenigen inne, wo Medikamente zur Behandlung von Adipositas nicht die erwünschte Wirkung erzielen, die Rückfälle erleben oder wo die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen oder der Versorgungssituation (z.B. Lieferengpässe) nicht weitergeführt werden kann (19). Nachfolgend werden zunächst psychotherapeutische Inhalte und deren Anwendung im Rahmen der Adipositas erläutert, worauf nachfolgend auf Technologie und das Setting eingegangen wird.

Psychotherapeutische Verfahren bei Adipositas

Die grösste Evidenz bezüglich psychotherapeutischer Interventionen bei Übergewicht und Adipositas erbringen kognitiv-verhaltenstherapeutische (KVT) Programme. Üblicherweise umfassen diese Therapiebestandteile wie Psychoedukation, Selbstbeobachtung und Verhaltensanalysen, Stimuluskontrolle, Kontrolle von Nahrungsreizen, kognitive Umstrukturierung, erlernen funktionaler Verhaltensweisen und Rückfallprophylaxe (20, 21). Ergänzend lassen sich neuere Psychotherapieverfahren einsetzen, wie die Compassion-Focused Therapy, die Mindfulness-based Cognitive Behaviour Therapy oder die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT), wobei ACT die breiteste empirische Evidenz aufweist (22, 23). Bei ACT handelt es sich um einen Ansatz, der Strategien zur Klärung von Werten einsetzt, um zu identifizieren, was für die einzelne Person tiefgreifend und persönlich bedeutsam ist. Diese Werte werden dann mit Verhaltenszielen verknüpft. Das primäre Ziel ist hierbei nicht, das Gewicht zu reduzieren, sondern herauszufinden, was der einzelnen Person wichtig ist, und sie trotz bestehenden Übergewichts darin zu unterstützen, dies schrittweise und anhand von realistischen Zielen umzusetzen. Die Gewichtsabnahme kann hieraus sekundär erfolgen, wird jedoch nicht direkt angestrebt. Anders als die klassischen KVT-Programme nutzt ACT Strategien, um die Akzeptanz unerwünschter Gedanken, Gefühle und körperlicher Empfindungen (z.B. Selbstkritik, Müdigkeit, leichte Schmerzen, Stress) zu erhöhen. Dies mit dem Ziel, die Fähigkeit zur Ausübung von Verhalten (z.B. körperliche Aktivität) zu steigern, selbst wenn diese Hindernisse vorhanden sind.

Blended Care-Ansätze

Hinsichtlich des Settings der Adipositasbehandlung ist der Umstand entscheidend, dass Adipositas eine chronische Erkrankung darstellt, wobei sie von der Weltgesundheitsorganisation offiziell seit 2008 als chronische Erkrankung definiert wird (24). Vor diesem Hintergrund ist zu beachten, dass der Erfolg von Gewichtsmanagement-Programmen mit häufigeren Besuchen steigt, während Gewichtszunahme häufig insbesondere bei Personen auftritt, die keine Behandlung mehr erhalten. Daher wird ein langfristiger Behandlungskontakt mit kontinuierlichem Patientenengagement als entscheidend angesehen, um bei Patient/-innen mit Adipositas Gewichtsverlust zu erreichen und aufrechtzuerhalten (25). Durch die Verbesserung des Zugangs zur Versorgung über geografische und logistische Barrieren hinweg bietet die Telemedizin mit Blended-Care-Ansätzen eine entscheidende Möglichkeit zur Förderung der Selbstüberwachung und letztendlich zur Verbesserung des langfristigen Adipositasmanagements sowie der gesundheitsbezogenen Ergebnisse im Zusammenhang mit dem Gewicht. Blended-Psychotherapie bezieht sich hierbei auf die integrative Anwendung von persönlichen psychotherapeutischen Sitzungen und technologiebasierten Interventionen wie Onlinetherapie oder mobile Gesundheitsanwendungen, um eine flexi­blere und individualisierte psychologische Betreuung zu ermöglichen. Zudem können die zu behandelnden Personen durch Hausaufgaben, Lerninhalte und Selbstmonitoring zwischen den Sitzungen ressourceneffizient engagiert gehalten werden. Eine entsprechende Metaanalyse (26) weist auf die Überlegenheit bzw. die zusätzlichen Vorteile von mobiler Technologie hin, basierend auf einer Untergruppe von Studien, die ein «Behandlung» versus «Behandlung und technologische Unterstützung» Design verwendet haben.

Befunde zur Wirksamkeit der Psycho­therapie bezüglich der kurzfristigen vs. langfristigen Gewichtsreduktion

Die vorhandenen Forschungsarbeiten zur psychotherapeutischen Behandlung in Bezug auf Gewichtsreduktion weisen eine erhebliche Heterogenität auf, sowohl hinsichtlich der Stichprobengrösse, des Ausgangsgewichts, des Zuweisungsmodus, der Dauer, der Frequenz und des Katamnesezeitraums der Behandlung (27). Ebenso spielen die Zusammensetzung und Anzahl der Interventionen (z.B. ausschliesslich Psychotherapie gegenüber einem kombinierten multimodalen Ansatz mit Ernährungs- und Bewegungstraining) eine bedeutende Rolle hinsichtlich der Interpretation der Studienergebnisse.
Eine kürzlich durchgeführte Metaanalyse zur Effektivität von KVT im Vergleich zu passiven Kontrollgruppen (28) zeigte eine mittlere signifikante Effektgrösse bezüglich der Gewichtsabnahme. In Bezug auf den Gewichtserhalt zeigte die Metaanalyse einen moderaten, signifikanten Effekt der kognitiv-behavioralen Interventionen. In allen Studien, die ausreichende Daten zur Gewichtserhaltung bereitstellten, waren die Teilnehmer in den Interventionsgruppen signifikant erfolgreicher darin, die Gewichtsabnahme im Vergleich zur Kontrollgruppe aufrechtzuerhalten.
Weitere Metaanalysen (29, 30, 31) mit einem Vergleich von KVT zu passiven Kontrollgruppen berichteten kleine bis mittlere signifikante Effektgrössen bezüglich Gewichtsverlust nach Abschluss der Behandlung. In der Untersuchung von Comsa et al. (29) zeigte sich ferner, dass KVT-Interventionen sich als effektiver erwiesen, wenn sie durch multidisziplinäre Teams und mit längeren Sitzungen durchgeführt wurden.
Hinsichtlich neuerer kognitiv-behavioraler Interventionen zeigt die Akzeptanz- und Commitment-Therapie die konsistenteste Evidenz für ihre Wirksamkeit bezüglich der Gewichtsreduktion (23). Allerdings scheint ACT nur minimale Auswirkungen auf das Körpergewicht zu haben, insbesondere im Vergleich zu herkömmlichen Verhaltenstherapien (30). Die Metaanalysen (28, 29) weisen jedoch darauf hin, dass ACT einen positiven Einfluss auf die subjektive Lebensqualität, die depressive Symptomatik, die psychologische Flexibilität, die Wahrnehmung des gewichtsbezogenes Stigmas und das Essverhalten hat.
Die Fragestellung erhält zusätzliche Komplexität, wenn hinsichtlich der Gewichtsreduktion Studien berücksichtigt werden, die Personen untersuchen, die neben der Adipositas komorbid eine psychische Störung aufweisen. Eine Übersichtsarbeit (32) macht deutlich, dass das gleichzeitige Vorliegen von Adipositas mit komorbiden Essstörungen, insbesondere der Binge-Eating-Störung, die Aufmerksamkeit von Gesundheitsfachkräften erfordert. Gesundheitsfachkräfte, die auf die Behandlung von Adipositas spezialisiert sind und ein gestörtes Essverhalten nicht ansprechen, werden gemäss den Autoren mit erhöhter Wahrscheinlichkeit langfristig erfolglose Gewichtsreduktionsverläufe aufgrund fortgesetztem Binge-Eating beobachten. Eine kürzlich publizierte Studie (33) fasst einleitend die aktuelle Studienlage zusammen, die aufzeigt, dass die psychische Belastung, z.B. in Form von Depressionen oder Angsterkrankungen, mit der Gewichtskontrolle zusammenhängt. Die Ergebnisse der Studie stimmen damit überein und zeigen, dass psychische Belastungen moderat mit Massnahmen zur Gewichtskontrolle und stark mit Essverhalten assoziiert sind.

Ein Fallbeispiel aus der ­psychotherapeutischen Praxis

Frau H., 55 Jahre, somatische Diagnose Adipositas nicht näher bezeichnet (F66.99) mit einem BMI von 36 (Grad 2), berichtet ihrem Hausarzt von anhaltenden Schwierigkeiten, mit langfristiger Ernährungsberatung und kurzzeitiger medikamentöser GLP-1-Behandlung ihr Gewicht reduzieren zu können. Ihre Situation wird durch emotionales Essen und Night Eating Syndrome verschärft, was zu der Entscheidung des Hausarztes führt, parallel zur bereits laufenden Ernährungsberatung eine ambulante Psychotherapie zu verordnen.
Im therapeutischen Erstgespräch werden neben den bekannten Essstörungen auch Anzeichen einer leichten bis mittelgradigen depressiven Episode identifiziert. Die Therapie zielt darauf ab, die Selbstwahrnehmung der Patientin zu verbessern und das Verhalten positiv zu beeinflussen, insbesondere im Hinblick auf ihre hohe Leistungsorientierung und ihren Perfektionismus im Berufsleben, die als Stressfaktoren und Auslöser für ihr gestörtes Essverhalten identifiziert werden.
Die Behandlung umfasst kognitive Verhaltenstherapie (KVT) zur Bearbeitung dysfunktionaler Gedanken und Einstellungen, Entspannungstechniken und Achtsamkeitsübungen zur Stressbewältigung sowie schematherapeutische Interventionen, um tiefere emotionale Muster und Bedürfnisse anzusprechen. Dabei werden imaginative Techniken genutzt, um Frau H. zu helfen, sich mit prägenden Erinnerungen, u.a. aus der Kindheit, auseinanderzusetzen und ihre Selbstwahrnehmung positiv zu verändern.
Aufgrund räumlicher und mobilitätsbedingter Einschränkungen sowie beruflicher Verpflichtungen von Frau H. werden die Therapiesitzungen in einem Hybridmodell aus Präsenz- und Videoterminen durchgeführt. Ein App-basiertes System unterstützt die Therapie zwischen den Sitzungen durch regelmässige Push-Nachrichten, was die Verbindlichkeit und das Engagement der Patientin erhöht.
Im Verlauf zeigt Frau H. signifikante Verbesserungen in ihrem Essverhalten und eine Reduktion der depressiven Symptomatik. Sie berichtet über eine bessere Stressbewältigung ohne Rückgriff auf dysfunktionales Essverhalten und ein gesteigertes Selbstwertgefühl, was sich positiv auf ihre Lebensqualität und berufliche Zufriedenheit auswirkt. Die Verbesserungen ermöglichten es ihr, sich besser im Arbeitsumfeld abzugrenzen und mehr Raum für Selbstfürsorge zu schaffen. Letztendlich entscheidet sich Frau H. aufgrund anhaltender Gewichtsschwankungen, trotz leichter Entspannung der Gewichtskurve, für eine bariatrische Operation – eine Entscheidung, die sie zuvor mit grosser Ambivalenz und Sorge betrachtet hatte. Die Psychotherapie begleitet auch diesen Prozess niederfrequent mit, um längerfristige Verhaltensveränderungen nach dem operativen Eingriff zu unterstützen.
Der therapeutische Prozess hilft der Patientin, den Fokus von der Gewichtsabnahme auf die Verbesserung der Lebensqualität zu verlagern, was von dieser als wesentlicher Schritt in ihrer Behandlung zur Verbesserung ihres Wohlbefindens beurteilt wird.

Dr. phil. Niclà Lozza

Oviva AG
Zürcherstrasse 64
8852 Altendorf

nicla.lozza@psychologie.ch

Matthias Baumann

Oviva AG
Zürcherstrasse 64
8852 Altendorf

Dr. phil. Suzana Stojiljkovic

Oviva AG
Zürcherstrasse 64
8852 Altendorf

suzana.stojiljkovic@oviva.com

Die Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

1. World Health Organization (WHO). Controlling the global obesity epidemic (Internet). (abgerufen am 10. April 2024). Verfügbar unter: https://www.who.int/activities/controlling-the-global-obesity-epidemic
2. Bundesamt für Statistik. Übergewicht (Internet). (abgerufen am 10. April 2024). Verfügbar unter: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/determinanten/uebergewicht.html#:~:text=Übergewicht%20und%20Adipositas%20im%20Jahr,nur%20die%20Adipositas%20betrachtet%20wird.
3. Hilbert A, Puls H. Adipositas und Stigmatisierung. In: de Zwaan M, Herpertz S, Zipfel S, Herausgeber. Psychosoziale Aspekte der Adipositas-Chirurgie. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg; 2022. 67–86.
4. Leutner M, Dervic E, Bellach L, Klimek P, Thurner S, Kautzky A. Obesity as pleiotropic risk state for metabolic and mental health throughout life. Transl Psychiatry. 2023;13(1):175.
5. Guh DP, Zhang W, Bansback N, Amarsi Z, Birmingham CL, Anis AH. The incidence of co-morbidities related to obesity and overweight: a systematic review and meta-analysis. BMC Public Health. 2009;9:88
6. Weiss F, Barbuti M, Carignani G, Calderone A, Santini F, Maremmani I, Perugi G. Psychiatric Aspects of Obesity: A Narrative Review of Pathophysiology and Psychopathology. J Clin Med. 2020 Jul 23;9(8):2344
7. Altfas JR. Prevalence of attention deficit/hyperactivity disorder amwong adults in obesity treatment. BMC Psychiatry. 2002;2:9
8. Cortese S, Moreira-Maia CR, St. Fleur D, Morcillo-Peñalver C, Rohde LA, Faraone SV. Association Between ADHD and Obesity: A Systematic Review and Meta-Analysis. Am J Psychiatry. 2016;173:34–43
9. Hughes K, Bellis MA, Hardcastle KA, Sethi D, Butchart A, Mikton C, Jones L, Dunne MP. The effect of multiple adverse childhood experiences on health: a systematic review and meta-analysis. Lancet Public Health. 2017;2(8):e356–e366
10. Bellis MA, Hughes K, Ford K, Ramos Rodriguez G, Sethi D, Passmore J. Life course health consequences and associated annual costs of adverse childhood experiences across Europe and North America: a systematic review and meta-analysis. Lancet Public Health. 2019;4(10):e517–e528
11. Weiss F, Barbuti M, Carignani G, Calderone A, Santini F, Maremmani I, Perugi G. Psychiatric Aspects of Obesity: A Narrative Review of Pathophysiology and Psychopathology. J Clin Med. 2020 Jul 23;9(8):2344. doi: 10.3390/jcm9082344. PMID: 32717793; PMCID: PMC7463475.
12. Sarwer DB, Heinberg LJ. A review of the psychosocial aspects of clinically severe obesity and bariatric surgery. Am Psychol. 2020;75(2):252.
13. Sheets CS, Peat CM, Berg KC, White EK, Bocchieri-Ricciardi L, Chen EY, Mitchell JE. Post-operative psychosocial predictors of outcome in bariatric surgery. Obes Surg. 2015 Feb;25:330-45
14. Castaneda D, Popov VB, Wander P, Thompson CC. Risk of suicide and self-harm is increased after bariatric surgery—a systematic review and meta-analysis. Obes Surg. 2019 Jan 15;29:322-33
15. Adams TD, Gress RE, Smith SC, Halverson RC, Simper SC, Rosamond WD, LaMonte MJ, Stroup AM, Hunt SC. Long-term mortality after gastric bypass surgery. N Engl J Med. 2007 Aug 23;357(8):753-61
16. Becker S, Zipfel S, Teufel M. Psychotherapie der Adipositas. Kohlhammer Verlag; 2015
17. Müller TD, Blüher M, Tschöp MH, DiMarchi RD. Anti-obesity drug discovery: advances and challenges. Nat Rev Drug Discov. 2022;21(3):201-223
18. Hachuła M, Kosowski M, Zielanska K, Basiak M, Okopien B. The Impact of Various Methods of Obesity Treatment on the Quality of Life and Mental Health—A Narrative Review. Int J Environ Res Public Health. 2023;20(3):2122
19. Zädow J, Zumbrunn-Loosli N. Ernährungspsychologische Beratung nach bariatrischen Eingriffen (Internet). (abgerufen am 10. April 2024). Verfügbar unter: https://www.rosenfluh.ch/media/ernaehrungsmedizin/2019/01/Ernaehrungspsychologische-Beratung-nach-bariatrischen-Eingriffen.pdf
20. Castelnuovo G, Pietrabissa G, Manzoni GM, Cattivelli R, Rossi A, Novelli M, Varallo G, Molinari E. Cognitive behavioral therapy to aid weight loss in obese patients: current perspectives. Psychol Res Behav Manag. 2017;10:165-173
21. Kheniser K, Saxon DR, Kashyap SR. Long-Term Weight Loss Strategies for Obesity. J Clin Endocrinol Metab. 2021;106(7):1854–1866
22. Lillis J, Dunsiger S, Thomas JG, et al. Novel behavioral interventions to improve long-term weight loss: A randomized trial of acceptance and commitment therapy or self-regulation for weight loss maintenance. J Behav Med. 2021;44:527–540
23. Lawlor ER, Islam N, Bates S, et al. Third-wave cognitive behaviour therapies for weight management: a systematic review and network meta-analysis. Obes Rev. 2020;21(7):e13013.
24. James WP. WHO recognition of the global obesity epidemic. Int J Obes (Lond). 2008;32 Suppl 7:S120-S126
25. Bayram F, Sonmez A, Kiyici S, Akbas F, Yetgin MK, Yazici D, Cingi A, Sargin M, Unal S, Iseri C, Mahmutoglu FS, Yumuk VD. Expert Opinion on the Utility of Telemedicine in Obesity Care: Recommendations on a Hybrid Multidisciplinary Integrated Care Follow-Up Algorithm. Curr Obes Rep. 2024 Mar;13(1):167-182
26. Lindhiem O, Bennett CB, Rosen D, Silk J. Mobile technology boosts the effectiveness of psychotherapy and behavioral interventions: a meta-analysis. Behav Modif. 2015;39(6):785-804
27. Brennan L, Murphy KD, de la Piedad Garcia X, Ellis ME, Metzendorf MI, McKenzie JE. Psychological interventions for adults who are overweight or obese. Cochrane Database Syst Rev. 26. März 2016.
28. Kurnik Mesarc K, Pajek J, Logar Zakrajšek B, Bogataj Š, Kodric J. Cognitive behavioral therapy for lifestyle changes in patients with obesity and type 2 diabetes: a systematic review and meta-analysis. Sci Rep. 2023;13(1):12793
29. Comsa L, David O, David D. Outcomes and mechanisms of change in cognitive-behavioral interventions for weight loss: A meta-analysis of randomized clinical trials. Behav Res Ther. 2020;132:103654
30. Jacob A, Moullec G, Lavoie KL, Laurin C, Cowan T, Tisshaw C, et al. Impact of cognitive-behavioral interventions on weight loss and psychological outcomes: A meta-analysis. Health Psychol. 2018;37(5):417
31. Podina IR, Fodor LA. Critical review and meta-analysis of multicomponent behavioral e-health interventions for weight loss. Health Psychol. 2018;37(6):501
32. da Luz FQ, Hay P, Touyz S, Sainsbury A. Obesity with Comorbid Eating Disorders: Associated Health Risks and Treatment Approaches. Nutrients. 2018;10(7):829
33. Li W, Wang D, Chen H, Liu Y, Dong S, Sun M, Chen W. The relationship between psychological distress and weight maintenance in weight cycling: mediating role of eating behavior. BMC Public Health. 2024;24(1):894w

Medizinische Interventionen zur Adipositastherapie

Zusammenfassung

Adipositas ist eine chronische Erkrankung, welche durch eine erhöhte Körperfettmasse und gestörte Fettgewebsfunktion charakterisiert ist und deren Pathogenese auf einer neurobiologischen Regulationsstörung der Energiehomöostase basiert. Primäres Ziel der medizinischen Adipositastherapie ist es, die pathologisch erhöhte Körperfettmasse zu reduzieren und dadurch Folgeerkrankungen zu verhindern und Komorbiditäten zu verbessern. In diesem Sinn stellt die bariatrisch-metabolische Chirurgie derzeit die effektivste Adipositastherapie dar. Neue Medikamente, welche im Wesentlichen auf einem GLP-1-Rezeptoragonismus basieren, erlauben mittlerweile auch eine immer wirksamere pharmakologische Therapie. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass sowohl die bariatrisch-metabolische Chirurgie als auch die pharmakologische Adipositastherapie direkte Effekte auf die zentralnervöse Regulation der Energiehomöostase sowie insbesondere von Hunger und Appetit ausüben und damit pathogenetisch kausale Therapien darstellen. In unserer Übersicht beleuchten wir die genannten medizinischen Interventionen zur Adipositastherapie und stellen sie in den Kontext eines pathogenetischen Krankheitskonzepts.

Einleitung

Adipositas ist eine chronische Erkrankung, welche pathogenetisch auf einer neurobiologischen Regulationsstörung basiert. Die Morbidität der Erkrankung definiert sich einerseits durch das Ausmass der Fettgewebsdysfunktion, anderseits durch die ausgeprägte soziale Stigmatisierung der Erkrankung und der Betroffenen. Während sich die Gesundheitssysteme meist auf die Behandlung der Begleit- und Folgeerkrankungen der Adipositas fokussieren, adressiert die eigentliche medizinische Adipositastherapie die zugrunde liegende Pathophysiologie der Erkrankung, indem sie zentralnervöse Regulationsprozesse der Energiehomöostase und insbesondere das Hunger- und Appetitempfinden beeinflusst. Dabei hat sich die bariatrisch-metabolische Chirurgie mittlerweile als effektivste Therapie der Adipositas etabliert, da sie unter anderem die Morbidität und Mortalität der Erkrankung langfristig massiv reduziert. Zudem gewinnen neue pharmakologische Therapien, welche aktuell im Wesentlichen auf eine Verstärkung des physiologischen Glucagon-like-Peptid-1-(GLP-1-) Signals basieren, als zusätzliche therapeutische Option der Adipositastherapie an Bedeutung. In unserem Artikel geben wir eine praxisorientierte Übersicht über die medizinischen Interventionen (pharmakologisch/chirurgisch) zur Behandlung der Adipositas und stellen sie in den Kontext der Pathogenese der Erkrankung.

Der Mythos, der einer effektiven ­Adipositastherapie im Wege steht

Obgleich wissenschaftlich seit Langem widerlegt, hält sich hartnäckig der weitverbreitete Mythos, dass das Köpergewicht und die damit verbundene Körperfettmasse einer willentlichen Kontrolle unterliegt. Dabei sind sich die Fachleute und Spezialist/-innen mittlerweile einig, dass das hyperphagische Essverhalten der betroffenen Patient/-innen nicht Ursache, sondern vielmehr das Leitsymptom der Adipositaserkrankung darstellt. Vereinfacht kann man also sagen, dass die betroffenen Patient/-innen nicht übergewichtig sind, weil sie zu viel essen, sondern sie essen zu viel, weil sie an Adipositas erkrankt sind. Folgerichtig haben sich kognitive Therapieansätze, wie beispielsweise Ernährungsberatung, Verhaltens- und Psychotherapie sowie Bewegungs- und Trainingstherapien, zwar als potenziell hilfreich in der Behandlung von Menschen mit Adipositas erwiesen, jedoch sind sie meist nicht effektiv genug, um die pathologisch erhöhte Fettmasse, also das krankheitsdefinierende Charakteristikum, dauerhaft zu reduzieren. Entsprechend sind diese klassischen Therapieansätze bestenfalls als supportiv und komplementär, jedoch nicht als alleinstehende Behandlung der Erkrankung anzusehen. Deshalb dürfen sie keine Hürde darstellen, die den Einsatz effektiverer und pathogenetisch kausaler Therapieansätze verhindert. Mit anderen Worten, ihr Einsatz respektive die Inanspruchnahme entsprechender Therapieangebote durch betroffene Personen darf keine Grundvoraussetzung für den Einsatz von evidenzbasierten, medizinischen Interventionen zur effektiven Behandlung der Erkrankung darstellen. Bei vielen anderen chronischen Erkrankungen, wie beispielsweise Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, koronare Herzkrankheit oder chronisch obstruktive Lungenerkrankung, wissen wir ebenfalls, dass behaviorale Therapieansätze positive Effekte auf den Krankheitsverlauf haben können, würden jedoch niemals auf die Idee kommen, betroffenen Personen bei unzureichendem Nutzen dieser Möglichkeiten eine Therapie mit wissenschaftlich nachgewiesener Effektivität vorzuenthalten. Genau dies ist jedoch im Fall der Adipositasbehandlung leider immer noch medizinischer Alltag.

Adipositas – eine zentralnervöse ­Regulationsstörung

Menschen mit Adipositas leiden unter einer zentralner­vösen Regulationsstörung der Energiehomöostase, insbesondere der Steuerung des Hunger- und Appetitempfindens. Dabei spielt eine unzureichende Wirkung neuroendokriner Feedbacksignale aus der Peripherie, wie beispielsweise Leptin und Insulin, im Sinne einer zentralnervösen Leptin-/Insulin-Resistenz eine bedeutende Rolle. Daraus resultierend ergibt sich bei Menschen mit Adipositas im Vergleich zu Nichtbetroffenen gemäss dem «Behavioral Balance Model» (1) ein physiologisch erhöhter «bottom-up»-Antrieb zur Gewichtzunahme (Abb. 1).


Um einen progredienten Gewichtsanstieg zu verhindern, müssen Menschen mit Adipositas daher also einen deutlich erhöhten kognitiven («top-down») «Aufwand» betreiben, um ihre Ernährung sowie ihr Bewegungsverhalten willentlich zu kontrollieren. Leider erhöht sich bei einer solchen forcierten Gewichtsreduktion durch Restriktion der Energiezufuhr («Diät») der «bottom-up»-Antrieb im Sinne einer neuroendokrinen Gegenregulation immer mehr, sodass der kognitive Aufwand irgendwann nicht mehr ausreicht, um einen Wiederanstieg des Gewichts zu verhindern. Während behaviorale Therapieansätze auf eine Stärkung der kognitiven Kontrolle abzielen, ist es das Ziel sowohl einer pharmakologischen als auch chirurgischen Adipositastherapie, den pathologisch gesteigerten «bottom-up»-Antrieb dauerhaft zu reduzieren (Abb. 2).

Pharmakotherapie und bariatrische ­Chirurgie wirken entlastend

Modelhaft kann man als pathophysiologisches Grundkonzept bei der Adipositas auch von einem nach oben verschobenen Set-Point des Körpergewichts ausgehen. Wie Abbildung 3 illustriert, gelingt es den betroffenen Personen zwar oft durch willentliche Anstrengungen, ihr Körpergewicht und damit ihre Körperfettmasse vorübergehend zu reduzieren, jedoch zieht der nach oben verschobene Set-Point wie eine aufgespreizte Spiralfeder das Körpergewicht wieder nach oben zurück.


Pharmakologische Interventionen sowie auch bariatrisch-metabolische Operationen können dabei helfen, das Gewicht auf reduziertem Niveau zu halten und dadurch betroffene Personen kognitiv zu entlasten. In der Praxis berichten viele der medikamentös und chirurgisch behandelten Patient/-innen, sich durch die Therapie von dem Zwang, permanent ihr Essverhalten unter Kontrolle halten zu müssen, befreit zu fühlen. Die Patient/-innen erlangen also durch die Therapie die Kontrolle über etwas zurück, über das sie zwischenzeitlich die Kontrolle verloren haben: das Essverhalten sowie das Hunger- und Appetitempfinden. Vor dem Hintergrund der bereits zuvor erwähnten Tatsache, dass das verstärkte Hungergefühl als Leitsymptom und nicht als Ursache der Erkrankung angesehen werden muss, kann man also konstatieren, dass es sich bei den pharmakologischen und chirurgischen Behandlungen um kausale Therapieansätze handelt. Dies geht meist mit einer erheblichen Steigerung der Lebensqualität einher. Wird dann jedoch die Pharmakotherapie beispielsweise aufgrund einer fehlenden Finanzierung beendet, so wird das Gewicht wieder «nach oben» gezogen, was nicht selten mit Versagensgefühlen seitens betroffener Personen und grosser Frustration einhergeht. Da bislang eine langfristige Finanzierung von medikamentösen Therapien der Adipositas durch die obligatorische Krankenversicherung aufgrund des, oben als Mythos bezeichneten, Fehlkonzepts der Adipositaserkrankung nicht gegeben ist, sollte diese langfristige Perspektive bei der Therapieplanung immer berücksichtigt werden. Die bariatrische Chirurgie bietet hier klar den Vorteil, dass durch eine einmalige Intervention ein langfristiger Effekt auf die chronische Erkrankung ausgeübt wird und somit nicht von einer dauerhaften Finanzierung abhängig ist.

Aktuelle Pharmakotherapie der ­Adipositas

Über die letzten Jahrzehnte hinweg erschien eine ganze Reihe verschiedener Medikamente zur Behandlung der Adipositas auf dem Markt (2, 3). Da sich aber bei einer Vielzahl dieser Medikamente bei breiter Anwendung eine hohe Rate an unerwünschten Nebenwirkungen zeigte, die das Risiko-Nutzen-Verhältnis infrage stellten, verschwanden viele dieser Medikamente ebenso schnell, wie sie gekommen waren. Daher ist es umso erfreulicher, dass nun zunehmend Medikamente entwickelt wurden und werden, welche nicht nur deutlich effektiver sind als alle Medikamente, die uns bisher zur Behandlung der Adipositas zur Verfügung standen, sondern darüber hinaus auch ein besseres Nutzen-Risiko-Verhältnis aufzuweisen scheinen. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um Substanzen, die als Agonisten am GLP-1-Rezeptor eine agonistische Wirkung entfalten. Diese Substanzgruppe kennen wir mittlerweile bereits seit bald zwei Jahrzehnten in der Therapie des Typ-2-Diabetes-mellitus (T2DM).
Für die Adipositastherapie sind in der Schweiz aktuell zwei GLP-1-Rezeptoragonisten (RA) zugelassen. Unter dem Namen Saxenda® ist Liraglutid bereits seit einigen Jahren im Einsatz. Liraglutid wird seit Beginn 2024 zunehmend durch Semaglutid (Handelsname: Wegovy®) ersetzt, welches einerseits wirksamer ist, anderseits im Gegensatz zu Liraglutid nicht täglich, sondern nur einmal wöchentlich s.c. appliziert wird. Unter Erfüllung der in der Spezialitätenliste des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) definierten Limitatio werden beide Medikamente von den Krankenkassen aktuell über maximal 3 Jahre finanziert. Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Chronizität der Adipositaserkrankung macht die zeitliche Limitation der Kostenübernahme medizinisch betrachtet keinen Sinn.
Eine dritte, in vielen Ländern bereits für die Adipositas-therapie zugelassene Substanz ist Tirzepatid (Handelsname: Mounjaro®), welche sowohl agonistisch am GLP-1-Rezeptor als auch am Rezeptor des glukoseabhängigen insulinotropen Polypeptids (GIP) wirkt.
Haupteffekt der genannten Medikamente ist eine Verminderung des Appetits sowie eine frühzeitige Sättigung nach Nahrungsaufnahme (4–7). Experimentelle Untersuchungen konnten zeigen, dass durch die Gabe von GLP-1- RA die Verarbeitung von visuellen Reizen im Gehirn, die unter normalen Bedingungen zur Nahrungsaufnahme anregen, deutlich unterdrückt wird (8). Dies erleichtert es betroffenen Personen, Kontrolle über ihr Essverhalten auszuüben, um eine Restriktion der Energiezufuhr zu erreichen und dadurch ihr Gewicht und ihre Körperfettmasse zu reduzieren.
Hinsichtlich ihres gewichtsreduzierenden Effektes zeigen die genannten Medikamente eine klare Dosis-Wirkung-Beziehung (9, 10). Gleiches gilt in der Regel auch für das Auftreten typischer Nebenwirkungen, insbesondere gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö oder auch Obstipation. Da solche Beschwerden insbesondere zu Beginn der Behandlung auftreten, werden die genannten Medikamente durch eine schrittweise Dosissteigerung eingeschlichen. Man muss jedoch damit rechnen, dass etwa 5 % der behandelten Patient/-innen die Medikation aufgrund von Nebenwirkungen nicht vertragen und die Therapie daher abgebrochen werden muss. Als ernsthafte Komplikationen sind zudem das gehäufte Auftreten von Gallenblasensteinen und Pankreatitiden zu erwähnen.
Gemäss den Zulassungsstudien der genannten Medikamente erreicht man unter Liraglutid eine durchschnittliche Gewichtsreduktion von etwa 8 % im Vergleich zum Ausgangsgewicht, unter Semaglutid von etwa 15 % sowie unter Tirzepatid von etwa 21 % (11–13). Ist der gewichtsreduzierende Effekt ausgeschöpft, so dient die fortgeführte Medikation dem Ziel, das Gewicht und damit auch die Fettmasse auf dem reduzierten Niveau zu halten. Stoppt man die Medikation, so kommt es zeitnah zu einem graduellen Wiederanstieg des Körpergewichts, wie in einigen Studien eindrücklich gezeigt werden konnte (Abb. 4) (14–16).
Die Pharmakotherapie der Adipositas unterscheidet sich somit prinzipiell nicht von anderen medikamentösen Behandlungen, wie beispielsweise der pharmakologischen antihypertensiven oder Cholesterin senkenden Therapie, bei der man ebenfalls von einem Wiederanstieg der adressierten Variablen ausgehen kann, sobald die Therapie beendet wird.


Dass eine pharmakologische Adipositastherapie nicht nur das Körpergewicht und die Körperfettmasse reduziert, sondern darüber hinaus auch das Risiko von Komplikationen der Adipositas senkt, wurde erstmalig in der SELECT-Studie gezeigt (17). In dieser Studie wurden 17 604 Personen mit einen BMI von mindestens 27 kg/m2 und vorbestehender kardiovaskulärer Erkrankung (stattgehabter Herzinfarkt, stattgehabter Schlaganfall oder periphere arterielle Verschlusskrankheit) eingeschlossen und entweder mit Placebo oder 2.4 mg Semaglutid 1 x pro Woche s.c. ­behandelt. Als Ergebnis zeigte sich, dass nach einer mittleren Behandlungsdauer von etwa 34 Monaten das Auftreten des zusammengesetzten primären Endpunkts (kardiovaskulärer Tod, nicht tödlicher Myokardinfarkt, nicht tödlicher Schlaganfall) durch die Behandlung mit Sema­glutid gegenüber der Placebobehandlung um 20 % reduziert wurde (Placebo vs. Semaglutid: 8 % vs. 6.5 %, hazard ratio, 0.80; 95 % Konfidenzintervall, 0.72–0.90; P< 0.001). Die absolute Risikoreduktion betrug somit 1.5 %; die number-needed-to-treat über 34 Monate betrug 67.

Bariatrisch-metabolische Chirurgie

Die bariatrisch-metabolische Chirurgie hat sich in den letzten 30 Jahren weltweit als Standardtherapie der ausgeprägten Adipositas etabliert. Bei gegebener Indikation ist sie in der Schweiz als Pflichtleistung in der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KVL) verankert. Die wesentlichen Indikationskriterien zur Durchführung einer bariatrisch-metabolischen Operation sind in Tabelle 1 zusammengefasst.


Obgleich es mittlerweile eine Vielzahl an unterschiedlichen Operationsverfahren gibt, gelten heute in der Schweiz der Roux-en-Y-Magenbypass (Roux-en-Y gastric bypass, RYGB) sowie die Schlauchmagenresektion (Sleeve-Gas­trektomie) als Standardverfahren, welche auch weltweit am meisten angewendet werden. Wichtig ist dabei zu verstehen, dass beide Operationen zu einer veränderten ­Ausschüttung von gastrointestinalen Hormonen, wie unter anderen GLP-1, führen (18) und dadurch einen starken Hunger und Appetit vermindernden Einfluss auf die zentralnervösen Regulationszentren ausüben (19). So konnten beispielsweise Neuroimaging-Studien zeigen, dass sich die zentralnervöse Verarbeitung von stimulierenden Nahrungsreizen nach bariatrisch-metabolischen Operationen deutlich verändert (20, 21). Die Effekte der Operationen basierten somit weniger auf den durch sie etablierten anatomisch/mechanischen Veränderungen, sondern auf ihrem Einfluss auf die zentralnervösen Regulationszentren, was somit einen kausalen Therapieansatz darstellt – anlog zur medikamentösen Therapie, wie bereits oben ausgeführt.
Das Grundprinzip des RYGB basiert auf der Trennung von Nahrungsbrei und Verdauungssäften im oberen Gastrointestinaltrakt. Dazu wird eine kleine Magentasche direkt unterhalb des ösophagogastralen Übergangs vom restlichen Magen abgetrennt (Abb. 5).


Der ausgeschaltete Restmagen verbleibt in situ. Das Jejunum wird anschliessend etwa 50–70 cm aboral der Flexura duodenojejunalis (Treitz-Flexur) durchtrennt und als sog. alimentärer Schenkel mit der Magentasche anastomosiert (sog. Gastrojejunostomie). Anschliessend wird der proximale Abschnitt des Jejunums, in dem die Verdauungssäfte ohne Kontakt zum Nahrungsbrei transportiert werden (sog. biliopankreatischer Schenkel), ca. 150 cm aboral der Gastrojejunostomie Seit-zu-Seit mit dem alimentären Schenkel des Jejunums verbunden. Erwähnenswert ist, dass diese Art der Operation durch einen erneuten chirurgischen Eingriff wieder umgekehrt werden kann und somit reversibel ist, was jedoch nur in sehr seltenen Fällen nötig ist.
Bei der Schlauchmagenresektion (Sleeve-Gastrektomie) werden ca. 90 % des Magenvolumens grosskurvaturseitig entfernt, sodass nur noch ein schlauchförmiger Restmagen mit ca. 80–100 ml Fassungsvolumen verbleibt (Abbildung 5 rechts). Die anatomische Nahrungspassage und die Verdauungssekrete werden durch diese Operation nicht verändert. Dieser Eingriff ist im Vergleich zum laparoskopischen RYGB technisch einfacher, was wesentlich zu seiner dominanten Verbreitung weltweit beigetragen hat.
Beide Operationsverfahren, Schlauchmagen und RYGB, zeigen bezüglich dauerhafter Gewichtsreduktion (langfristig etwa 25–30 %) sowie auch Verbesserung vieler Adipositas-assoziierter Komorbiditäten vergleichbare Ergebnisse (22, 23). Auch hinsichtlich Komplikations- und Sterblichkeitsrate bestehen keine gravierenden Unterschiede zwischen den beiden Verfahren (24) . Bei präoperativ vorhandener gastroösophagealer Refluxerkrankung (GERD) bietet die RYGB-Operation jedoch deutliche Vorteile (25), da sie das Problem meist behebt, während der Schlauchmagen sogar das Neuauftreten von GERD fördert und mit einem erhöhten Risiko des Entstehens von Barrett-Metaplasien einherzugehen scheint (26). Auch hinsichtlich der Behandlung des Typ-2-Diabetes-mellitus scheint der RYGB etwas effektiver zu sein (27). Im Gegensatz zum RYGB führt die Schlauchmagenresektion nicht zu einer Umgehung des Duodenums sowie des proximalen Jejunums, sodass die Mikronährstoffaufnahme weniger beeinträchtigt wird. Entsprechend ist nach einer Schlauchmagenresektion eine weniger systematische Supplementation (insbesondere von Calcium) als nach einem RYGB notwendig. Zudem treten postprandiale Hypoglykämien im Sinne eines Spätdumping-Syndroms weitaus seltener nach einer Schlauchmagenresektion als nach der RYGB-Operation auf.
Generell kann die bariatrisch-metabolische Chirurgie heute als sicher angesehen werden. So liegt die Rate von schwerwiegenden Komplikationen (z.B. revisionspflichtige Nachblutungen, Klammernahtleckagen oder Anastomoseninsuffizienzen) bei etwa 1–3 %. Aufgrund eines postoperativen Problems (Wundinfekt, Thrombose, Lungenembolie, Darmpassageproblematik etc.) werden etwa 3–4 % der operierten Patient/-innen innerhalb von 30 Tagen erneut hospitalisiert, die 30-Tage-Mortalität beträgt 0.05–0.2 % (28).
Wie bei allen chronischen Erkrankungen ist auch bei Menschen mit Adipositas, welche sich einer bariatrisch-metabolischen Operation unterzogen haben, eine dauerhafte medizinische Betreuung notwendig. Hierbei geht es beispielsweise darum, der Entstehung von Mikronährstoffmängeln durch eine systematische Supplementation sowie entsprechende Laborkontrollen entgegenzuwirken. Andere Probleme, welche im postoperativen Verlauf auftreten können, sind beispielsweise die Entstehung von inneren Hernien, das Auftreten eines erhöhten Alkoholkonsums sowie evtl. eine erhöhte Suizidalität und damit verbunden psychischen Problemen (29).
Trotz des potenziellen Auftretens schwerwiegender Komplikationen überwiegen in der breiten Anwendung die positiven Effekte der bariatrisch-metabolischen Chirurgie ihre potenziellen Risiken deutlich. So konnte in vielen Studien klar gezeigt werden, dass die Funktionstüchtigkeit verschiedener Organsysteme wie Herz, Niere, Leber, Lunge sowie Gehirn nach einer bariatrisch-metabolischen Operation länger erhalten bleibt oder sich sogar verbessert (30–35). Zudem konnte auch eine Reduktion der Inzidenz von Adipositas-assoziierten Krebserkrankungen um 32 % sowie eine Reduktion der Krebs-assoziierten Mortalität um 48 % nach bariatrisch-metabolischen Operationen nachgewiesen werden (36). Eindrücklich sind auch die Ergebnisse einer Registerstudie (37), welche eine Verlängerung der Lebenserwartung von Menschen mit Adipositas durch bariatrisch-metabolische Operationen um durchschnittlich 6.1 Jahre fand. Bei Personen, welche zusätzlich präoperativ einen T2DM aufwiesen, betrug die errechnete Verlängerung der Lebenserwartung sogar 9.3 Jahre.

Prof. Dr. med. Bernd Schultes

Stoffwechselzentrum St. Gallen, friendlyDocs AG
Lerchentalstrasse 21
9016 St. Gallen

stoffwechselzentrum@friendlydocs.ch

Dr. rer. hum. biol. Barbara Ernst

Centre du métabolisme de Saint-Gall
friendlyDocs AG
Lerchentalstrasse 21
9016 St. Gallen

stoffwechselzentrum@friendlydocs.ch

Prof. Dr. med. Dr. phil. Marco Bueter

Universitätsspital Zürich, Klinik für Viszeralchirurgie,
& Spital Männedorf AG, Klinik Chirurgie

m.bueter@spitalmaennedorf.ch

Prof. Dr. med. Bernd Schultes gibt an, Vortragstätigkeiten für die Firmen Novo Nordisk, Elli Lilly, Johnson & Johnson, Böhringer-Ingelheim durchzuführen sowie an advisory boards dieser Firmen teilzunehmen. Diese Firmen produzieren und/oder erforschen u.a. Arzneimittel und Medizinprodukte zur Behandlung von Adipositas. Zudem war er als Investigator an klinischen Studien der Firma Novo Nordisk beteiligt.

Dr. rer. hum. biol. Barbara Ernst gibt an, als Studienkoordinatorin an klinischen Studien der Firma Novo Nordisk beteiligt gewesen zu sein.

Prof. Dr. med. Marco Bueter gibt an, Vortragstätigkeiten für die Firmen Johnson & Johnson und Medtronic durchzuführen.

Literatur
1. Schultes B, Ernst B, Hallschmid M, Bueter M, Meyhöfer SM. The “Behavioral Balance Model”: A new perspective on the aetiology and therapy of obesity. Diabetes Obes Metab. 2023 Dec;25(12):3444–52.
2. Schultes B. Pharmacological Interventions against Obesity: Current Status and Future Directions. Visc Med. 2016 Oct;32(5):347–51.
3. Schultes B. Medikamentöse Therapie der Adipositas – Aerzteverlag medinfo AG [Internet]. [cited 2023 Feb 6]. Available from: https://www.medinfo-verlag.ch/medikamentoese-therapie-der-adipositas/
4. Blundell J, Finlayson G, Axelsen M, Flint A, Gibbons C, Kvist T, et al. Effects of once-weekly semaglutide on appetite, energy intake, control of eating, food preference and body weight in subjects with obesity. Diabetes Obes Metab. 2017 Sep;19(9):1242–51.
5. Tronieri JS, Wadden TA, Walsh O, Berkowitz RI, Alamuddin N, Gruber K, et al. Effects of liraglutide on appetite, food preoccupation, and food liking: results of a randomized controlled trial. Int J Obes (Lond). 2020 Feb;44(2):353–61.
6. Kadouh H, Chedid V, Halawi H, Burton DD, Clark MM, Khemani D, et al. GLP-1 Analog Modulates Appetite, Taste Preference, Gut Hormones, and Regional Body Fat Stores in Adults with Obesity. J Clin Endocrinol Metab. 2020 May 1;105(5):1552–63.
7. Friedrichsen M, Breitschaft A, Tadayon S, Wizert A, Skovgaard D. The effect of semaglutide 2.4 mg once weekly on energy intake, appetite, control of eating, and gastric emptying in adults with obesity. Diabetes Obes Metab. 2021 Mar;23(3):754–62.
8. Om F, M S, Ma T, F D, B T, A SE, et al. GLP-1 receptors exist in the parietal cortex, hypothalamus and medulla of human brains and the GLP-1 analogue liraglutide alters brain activity related to highly desirable food cues in individuals with diabetes: a crossover, randomised, placebo-controlled trial. Diabetologia [Internet]. 2016 May [cited 2023 Feb 6];59(5). Available from: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26831302/
9. Astrup A, Carraro R, Finer N, Harper A, Kunesova M, Lean MEJ, et al. ­Safety, tolerability and sustained weight loss over 2 years with the once-daily human GLP-1 analog, liraglutide. Int J Obes (Lond). 2012 Jun;36(6):843–54.
10. O’Neil PM, Birkenfeld AL, McGowan B, Mosenzon O, Pedersen SD, ­Wharton S, et al. Efficacy and safety of semaglutide compared with liraglutide and placebo for weight loss in patients with obesity: a randomised, double-blind, placebo and active controlled, dose-ranging, phase 2 trial. Lancet. 2018 Aug 25;392(10148):637–49.
11. Pi-Sunyer X, Astrup A, Fujioka K, Greenway F, Halpern A, Krempf M, et al. A Randomized, Controlled Trial of 3.0 mg of Liraglutide in Weight Management. N Engl J Med. 2015 Jul 2;373(1):11–22.
12. Wilding JPH, Batterham RL, Calanna S, Davies M, Van Gaal LF, Lingvay I, et al. Once-Weekly Semaglutide in Adults with Overweight or Obesity. N Engl J Med. 2021 Mar 18;384(11):989–1002.
13. Jastreboff AM, Aronne LJ, Ahmad NN, Wharton S, Connery L, Alves B, et al. Tirzepatide Once Weekly for the Treatment of Obesity. New England Journal of Medicine. 2022 Jul 21;387(3):205–16.
14. Rubino D, Abrahamsson N, Davies M, Hesse D, Greenway FL, Jensen C, et al. Effect of Continued Weekly Subcutaneous Semaglutide vs Placebo on Weight Loss Maintenance in Adults With Overweight or Obesity: The STEP 4 Randomized Clinical Trial. JAMA. 2021 Apr 13;325(14):1414–25.
15. Wilding JPH, Batterham RL, Davies M, Van Gaal LF, Kandler K, Konakli K, et al. Weight regain and cardiometabolic effects after withdrawal of semaglutide: The STEP 1 trial extension. Diabetes Obes Metab. 2022 Aug;24(8):1553–64.
16. Aronne LJ, Sattar N, Horn DB, Bays HE, Wharton S, Lin WY, et al. Continued Treatment With Tirzepatide for Maintenance of Weight Reduction in Adults With Obesity: The SURMOUNT-4 Randomized Clinical Trial. JAMA. 2024 Jan 2;331(1):38–48.
17. Lincoff AM, Brown-Frandsen K, Colhoun HM, Deanfield J, Emerson SS, Esbjerg S, et al. Semaglutide and Cardiovascular Outcomes in Obesity without Diabetes. N Engl J Med. 2023 Dec 14;389(24):2221–32.
18. Peterli R, Steinert RE, Woelnerhanssen B, Peters T, Christoffel-Courtin C, Gass M, et al. Metabolic and Hormonal Changes After Laparoscopic Roux-en-Y Gastric Bypass and Sleeve Gastrectomy: a Randomized, Prospective Trial. Obes Surg. 2012;22(5):740–8.
19. Al-Najim W, Docherty NG, Le Roux CW. Food Intake and Eating Behavior After Bariatric Surgery. Physiological Reviews. 2018 Jul 1;98(3):1113–41.
20. Zakeri R, Batterham RL. Potential mechanisms underlying the effect of bariatric surgery on eating behaviour. Curr Opin Endocrinol Diabetes Obes. 2018 Feb;25(1):3–11.
21. Frank S, Wilms B, Veit R, Ernst B, Thurnheer M, Kullmann S, et al. Altered brain activity in severely obese women may recover after Roux-en Y gastric bypass surgery. Int J Obes (Lond). 2014 Mar;38(3):341–8.
22. Salminen P, Helmiö M, Ovaska J, Juuti A, Leivonen M, Peromaa-Haavisto P, et al. Effect of Laparoscopic Sleeve Gastrectomy vs Laparoscopic Roux-en-Y Gastric Bypass on Weight Loss at 5 Years Among Patients With Morbid Obesity: The SLEEVEPASS Randomized Clinical Trial. JAMA. 2018 Jan 16;319(3):241–54.
23. Peterli R, Wölnerhanssen BK, Peters T, Vetter D, Kröll D, Borbély Y, et al. Effect of Laparoscopic Sleeve Gastrectomy vs Laparoscopic Roux-en-Y Gastric Bypass on Weight Loss in Patients With Morbid Obesity: The SM-BOSS Randomized Clinical Trial. JAMA. 2018 Jan 16;319(3):255–65.
24. Howard R, Chao GF, Yang J, Thumma J, Chhabra K, Arterburn DE, et al. Comparative Safety of Sleeve Gastrectomy and Gastric Bypass Up to 5 Years After Surgery in Patients With Severe Obesity. JAMA Surg. 2021 Dec 1;156(12):1160–9.
25. Felsenreich DM, Kefurt R, Schermann M, Beckerhinn P, Kristo I, Krebs M, et al. Reflux, Sleeve Dilation, and Barrett’s Esophagus after Laparoscopic Sleeve Gastrectomy: Long-Term Follow-Up. Obes Surg. 2017 Dec;27(12):3092–101.
26. Genco A, Soricelli E, Casella G, Maselli R, Castagneto-Gissey L, Di Lorenzo N, et al. Gastroesophageal reflux disease and Barrett’s esophagus after laparoscopic sleeve gastrectomy: a possible, underestimated long-term complication. Surg Obes Relat Dis. 2017 Apr;13(4):568–74.
27. Schauer PR, Bhatt DL, Kirwan JP, Wolski K, Aminian A, Brethauer SA, et al. Bariatric Surgery versus Intensive Medical Therapy for Diabetes – 5-Year Outcomes. N Engl J Med. 2017 Feb 16;376(7):641–51.
28. Gero D, Raptis DA, Vleeschouwers W, van Veldhuisen SL, Martin AS, Xiao Y, et al. Defining Global Benchmarks in Bariatric Surgery: A Retrospective Multicenter Analysis of Minimally Invasive Roux-en-Y Gastric Bypass and Sleeve Gastrectomy. Ann Surg. 2019 Nov;270(5):859–67.
29. Van den Eynde A, Mertens A, Vangoitsenhoven R, Meulemans A, Matthys C, Deleus E, et al. Psychosocial Consequences of Bariatric Surgery: Two Sides of a Coin: a Scoping Review. Obes Surg. 2021 Dec;31(12):5409–17.
30. Docherty NG, le Roux CW. Bariatric surgery for the treatment of chronic kidney disease in obesity and type 2 diabetes mellitus. Nat Rev Nephrol. 2020 Dec;16(12):709–20.
31. Sheka AC, Adeyi O, Thompson J, Hameed B, Crawford PA, Ikramuddin S. Nonalcoholic Steatohepatitis: A Review. JAMA. 2020 Mar 24;323(12):1175–83.
32. Powell-Wiley TM, Poirier P, Burke LE, Després JP, Gordon-Larsen P, Lavie CJ, et al. Obesity and Cardiovascular Disease: A Scientific Statement From the American Heart Association. Circulation. 2021 May 25;143(21):e984–1010.
33. Qin H, Wang Y, Chen X, Steenbergen N, Penzel T, Zhang X, et al. The efficacy of bariatric surgery on pulmonary function and sleep architecture of patients with obstructive sleep apnea and co-morbid obesity: a systematic review and meta-analysis. Surg Obes Relat Dis. 2023 Aug 1;S1550-7289(23)00602-0.
34. Xie L, Chandrasekhar A, DeSantis SM, Almandoz JP, de la Cruz-Muñoz N, Messiah SE. Discontinuation and reduction of asthma medications after metabolic and bariatric surgery: A systematic review and meta-analysis. Obes Rev. 2023 Feb;24(2):e13527.
35. Handley JD, Williams DM, Caplin S, Stephens JW, Barry J. Changes in Cognitive Function Following Bariatric Surgery: a Systematic Review. Obes Surg. 2016 Oct;26(10):2530–7.
36. Aminian A, Wilson R, Al-Kurd A, Tu C, Milinovich A, Kroh M, et al. Association of Bariatric Surgery With Cancer Risk and Mortality in Adults With Obesity. JAMA. 2022 Jun 28;327(24):2423–33.
37. Syn NL, Cummings DE, Wang LZ, Lin DJ, Zhao JJ, Loh M, et al. Association of metabolic-bariatric surgery with long-term survival in adults with and without diabetes: a one-stage meta-analysis of matched cohort and prospective controlled studies with 174 772 participants. Lancet. 2021 May 15;397(10287):1830–41.