Neumanifestation einer Typ-2-Inflammation im Bereich der oberen Atemwege mit Polyposis nasi unter einem Asthmabiologikum

Einleitung

Asthmapatienten können die eosinophile Typ-2-Inflammation sowohl in den unteren Atemwegen (Asthma) als auch im Bereich der oberen Atemwege mit allergischer Rhinitis (early-onset Asthma) oder aber beim late-onset Asthma mit chronischer Rhinosinusitis mit nasaler Polyposis (CRSwNP) und eventueller Aspirinintoleranz (M. Widal = AERD) manifestieren. Das Ziel einer modernen Asthmabehandlung geht über eine schlichte Symptomkontrolle hinaus und strebt eine Remission an. Diese enthält gemäss eines Expertenkonsenses nebst dem Fehlen von Symptomen auch eine stabile Lungenfunktion ohne Steroideinsatz über 12 Monate. Dazu haben sich hier moderne Asthmabiologika als wirksam erwiesen (1). Das Ansprechen der Biologika kann aber im Bereich der beiden Etagen der Atemwege differieren, wie der beschriebene Fall zeigt. Unser Patient entwickelte unter der Therapie mit einem Anti-IL-5-Antikörper die Neumanifestation einer Polyposis nasi sowie eine Unverträglichkeitsreaktion auf Metamizol, deren Ätiologie und die mögliche Beeinflussung durch verschiedene Biologika (2) diskutiert wird.

Fallvignette

Im Alter von 29 Jahren manifestierten sich bei dem männlichen Patienten Husten, Auswurf und zunehmende Belastungsdyspnoe. Er war lebenslanger Nieraucher und hatte in der Jugend Leistungssport betrieben. Die gezielte Allergie- und Berufsanamnese war negativ.
Aufgrund der Symptomatik führte die Hausärztin zweimal einen oralen Steroidstoss (OCS) mit guter klinischer Wirkung durch. Da Herr N. nach dem Absetzen trotz hoch dosierter ICS/LABA erneut exazerbierte, wies sie ihn der Pneumologie des Spitals in Davos zu.

Bei erhöhter Eosinophilenzahl im Differenzialblutbild (2.6 G/l bzw. 24.9 %, Norm < 0.45 G/l bzw. 5 %), erhöhtem FeNO (exhaliertes Stickstoffmonoxid) von 107 ppb (Norm < 25 ppb) als weiterem Marker der Typ-2-Inflammation, negativem Inhalationsscreen (Phadia CAP sx1 0.18 kU/l, Norm < 0.7 kU/l) sowie wiederholt normwertigen ANCA (Anti Neutrophile Cytoplasmatische Antikörper) wurde trotz erhöhtem Gesamt-IgE (582 kU/l, Norm < 100 kU/l) die Diagnose eines nicht allergischen, eosinophilen adult-onset Asthmas gestellt und eine Behandlung gemäss GINA Stufe 4 eingeleitet. Dennoch kam es nach drei Monaten zu einer weiteren spontanen Exazerbation mit mittelschwerer, auf Betastimulatoren nicht reversibler Obstruktion. Unter OCS erfolgte erneut eine Normalisierung der Lungenfunktion mit absolutem FEV1-Anstieg (Erstsekundenkapazität) um 2.5 Liter (vgl. Abb. 1 und 2). (Man beachte Hustenartefakte als weiteres Zeichen der bronchialen Hyperreaktivität beim schlecht kontrollierten Asthma.)

Damit war die Limitatio zur Verordnung von Asthmabiologika erfüllt. Nach Kostengutsprache erhielt der Patient Benralizumab s.c., zuerst vierwöchentlich über drei Monate, dann alle acht Wochen. Aufgrund einer Nadelphobie erfolgte die Injektion immer überwacht im Spital durch qualifiziertes Personal. Darunter zeigte sich ein sehr gutes Ansprechen hinsichtlich des Asthmas. Bereits bei der dritten Gabe erreichte Herr N. seine individuell beste FEV1 von 5.8 l (128 % Soll). Im weiteren Verlauf blieb das Asthma stabil und gut kontrolliert.

Unter fortgeführter Behandlung mit Benralizumab manifestierte sich jedoch innerhalb von neun Monaten erstmals eine symptomatische chronische Rhinosinusitis mit Polyposis nasi (CRSwNP) mit Behinderung der Nasenatmung und Hyposmie mit fehlendem Ansprechen auf nasales Mometason. Trotz weiter guter Asthmakontrolle stieg das FeNO von zuletzt 21 ppb auf 50 ppb an. Ein erneutes Screening auf ANA und ANCA im Hinblick auf eine mögliche EGPA blieb negativ. Der Wechsel von Benralizumab auf Dupilumab wurde erwogen, aufgrund der hohen initialen Bluteosinophilenzahl jedoch nicht gewählt.

Nach Rücksprache trafen die Kollegen der ORL des Kantonsspitals Graubünden (KSGR) den Entscheid zur chirurgischen Intervention.
Der Eintritt des Patienten zur Operation erfolgte in respiratorisch stabiler Situation. Präoperativ Verabreichung von Dexamethason i.v. Zudem erhielt die Anästhesie von der ORL die Weisung, auf die Verabreichung von NSAR zu verzichten. Allergien oder Unverträglichkeiten waren zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt. Nach Verabreichung von Ketamin, Clonidin und kurz darauf Metamizol intraoperativ kam es zu einem akuten Blutdruckabfall, Abnahme des Atemminutenvolumens und der Sauerstoffsättigung und danach zu einem Erythem an Stamm und Extremitäten ohne urtikarielle Reaktion. Klinisch entsprach dies dem Anaphylaxie-Grad 3 und wurde mit Adrenalin, Clemastin (Tavegyl®) und Methylprednisolon erfolgreich behandelt.

Diskussion

Aufgrund von Manifestationsalter, Symptomatik inkl. Ansprechen auf OCS, hoher Eosinophilenzahl mit wiederholt auch hohen FeNO-Werten bei normwertigem Allergiescreen und negativer Allergieanamnese handelt es sich um eine Typ-2-Inflammation mit Beteiligung der unteren Atemwege im Sinne eines nicht allergischen adult-onset Asthma bronchiale und der oberen Atemwege mit chronischer Rhinosinusitis und Polyposis nasi. Das erhöhte Gesamt-IgE erreichte in einer prospektiven Populationsuntersuchung keine Signifikanz bzgl. Asthmaphänotypisierung (3). Zusammen mit der anaphylaktoiden Reaktion auf Metamizol besteht unseres Erachtens mit grosser Wahrscheinlichkeit die klassische Trias eines M. Widal.

Die Differenzialdiagnose einer eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis (ehemals Churg Strauss) konnte bei fehlenden ANCA und fehlenden Hinweisen für eine Vaskulitis nicht bestätigt werden. Histologisch bestand im nasalen Polypektomiepräparat eine chronisch polypoid-hyperplastische Sinusitis mit reichlich Plasmazellen, jedoch ohne Eosinophilie. Granulome wurden darin nicht beschrieben.

Obwohl sowohl Clonidin wie auch Metamizol im Rahmen ihrer Wirkung für einen Blutdruckabfall verantwortlich sein können, weisen bronchiale Obstruktion und Erythem auf eine allergische bzw. pseudoallergische (anaphylaktoide) Akutreaktion hin. Diesbezüglich kommen zwei pathophysiologische Mechanismen infrage: Nebst der klassischen IgE-vermittelten Allergie auf Metamizol kann auch die mit Asthma und Polyposis nasi assoziierte Reaktion auf NSAR/COX1-Hemmer im Sinne eines M. Widal (AERD) Ursache der beobachteten Reaktion sein, da auch Metamizol über die Hemmung der Cyclooxygenase-1 wirkt und damit zur anaphylaktoiden Reaktion führen kann (4).

Für den Patienten hat es eine klinische Konsequenz, ob er in Zukunft nur Metamizol oder das gesamte Spektrum der Prostaglandinsynthesehemmer meiden muss. Leider ist die Differenzierung schwierig. Ein Basophilenaktivierungstest für Metamizol ist in der Schweiz gemäss unseren Nachforschungen nicht verfügbar, und die Sensitivität liegt bei nur 15 % (5). Eine Reexposition erachten wir aufgrund der Schwere der Reaktion als kontraindiziert. Einen praxistauglichen Approach bietet A. Trautmann in seinem Research Letter im Clinical & Experimental Allergy 2020 (4). Dort wird eine Hauttestung mit Applikation der verdünnten I.V.-Lösung von Metamizol vorgeschlagen. Kommt es dabei zu einer lokalen Reaktion, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine IgE-vermittelte Allergie. Bei unserem Patienten blieb der Pricktest negativ für Metamizol und alle weiteren getesteten NSAR bei positiver Kontrolle, was das Vorliegen einer pseudoallergischen Reaktion im Sinne einer NSAID-Intoleranz sehr wahrscheinlich macht.

Interessant an diesem Fall sind unseres ­Erachtens folgende Punkte:

Beim Patienten hat sich bei vollständigem Fehlen von Eosinophilen im Blut unter Benralizumab eine CRSwNP neu entwickelt. Dies bedeutet, dass an der Ausbildung einer chronischen Sinusitis mit Polypen Pathomechanismen beteiligt sind, die über die reine Aktivität von IL-5 hinausgehen, da der Anti-IL-5(R)-Antikörper dies nicht verhindern konnte.
Auch unter Asthmabiologika ist es möglich, IgE-vermittelte und anaphylaktoide Hypersensitivitätsreaktionen auf NSAR zu entwickeln. Die Testung und weitere Abklärungen sind trotz Behandlung mit Antikörpern (ausser allenfalls Omalizumab) möglich.

Metamizol gehört zu den Prostaglandinsynthesehemmern und kann wie Aspirin und NSAR zu einer Intoleranzreaktion führen. Selten sind auch IgE-vermittelte Monosensibilisierungen möglich, womit Metamizol nebst der allseits bekannten Agranulozytose auch zu anaphylaktischen und anaphylaktoiden Reaktionen führen kann, was gern vergessen geht. Bei Vorliegen eines Asthmas und nasaler Polyposis sollte deshalb auf die Verabreichung von Metamizol verzichtet werden.

Der Mechanismus der NSAR-Intoleranz geht über eine Kaskade mit Aktivierung proinflammatorischer Zytokine, wobei auch hier die Rolle der eosinophilen Granulozyten hervorgehoben wird. Jedoch kommt es auch zur Mastzellaktivierung mit IgE-, IL-4- und IL-13-Freisetzung, was erklären kann, dass das am IL-5Rα-angreifende Benralizumab im Bereich der oberen Atemwege nicht wirksam war und die anaphylaktoide Reaktion trotz fehlender Eosinophilen auftreten konnte.

Eine retrospektive Analyse der Desensibilisierung bei bestehendem M. Widal mit täglicher niedrig dosierter Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS) bzw. Gabe von Dupilumab im Falle eines Therapieabbruchs aufgrund Unverträglichkeit oder Unwirksamkeit von ASS konnte bereits ein gutes Ansprechen auf Dupilumab zeigen (6). Und die erste prospektive Open-label-Studie bzgl. verbesserter ASS-Toleranz unter einem Biologikum ergab nach 6 Monaten eine Zunahme der Toleranz von 57 % gegen NSAR unter Dupilumab (7) mit kompletter Toleranz bei 23 % der Patienten sowie zudem Verbesserung der Symptome von Asthma und Polyposis nasi. Die Subgruppe mit verbesserter Aspirintoleranz zeigte eine signifikante Abnahme der Leukotrien-E4-Spiegel.

Ausblick

Aufgrund der diskutierten Studien stellt sich nun erneut die Frage nach der Umstellung von Benralizumab auf Dupilumab zur besseren Kontrolle der Symptomatik im HNO-Bereich ohne Verlust der weiterhin guten Asthmakontrolle. Damit könnte das Risiko für ein Rezidiv der nasalen Polyposis vermutlich massiv reduziert werden. Dagegen spricht die bei Diagnosestellung stark erhöhte Eosinophilenzahl, die unter Dupilumab noch ansteigen kann. Allerdings ist die absolute Eosinophilenzahl unter Dupilumab nicht massgebend, da die Zellen als nicht aktiviert gelten, womit auch weiterhin von einer guten Asthmakontrolle auszugehen wäre. Alternativ kommt der Anti-TSLP- Antikörper Tezepelumab (Tezspire®) infrage, da damit ein breites Spektrum an proinflammatorischen Mechanismen reduziert werden kann (inkl. Mastzellen), was ein gutes Ansprechen auch im Bereich der oberen Atemwege nahelegt. Allerdings ist diese Therapie bisher nur für Asthma untersucht und zugelassen.
Für den Fall, dass sich in der Zukunft bei unserem Patienten doch noch eine eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis manifestiert, müsste allerdings der Anti-IL-5-Antikörper Mepolizumab zum Steroidsparen in der höheren Dosierung von 300 mg pro Monat eingesetzt werden, da nur er in dieser Indikation zugelassen ist.

Dipl. med. Anita E. Gander

Departement Innere Medizin, Pneumologie/Schlafmedizin
Kantonsspital Graubünden
Loëstrasse 170
7000 Chur

anita.gander@ksgr.ch

Es bestehen keine Interessenkonflikte

  • Therapieziel beim Asthma bronchiale: Remission:
    >12 Monate: Symptomkontrolle + Stabilisierung Lungenfunktion auf bestmöglichem Niveau + keine systemische pSteroide
  • Unterschiedliche Wirksamkeit von Asthmabiologika auf untere und obere Atemwege
  • Neue chronische Rhinosinusitis mit nasaler Polyposis unter Asthmabiologikum trotz fehlender Eosinophilie
  • Metamizol kann wie Aspirin bei Asthmatikern zur Anaphylaxie führen – auch unter einem Biologikum

1. Agache I, Beltran J, Akdis C, Akdis M, Canelo-Aybar C, Canonica GW, et al.
Efficacy and safety of treatment with biologicals (benralizumab, dupilumab,
mepolizumab, omalizumab and reslizumab) for severe eosinophilic asthma.
A systematic review for the EAACI Guidelines − recommendations on the
use of biologicals in severe asthma. Allergy. 2020;75(5):1023-42.
2. Sánchez J, García E, Lopez JF, Calle A, Buendia JA. Nonsteroidal Anti-inflammatory Drug (NSAID) Tolerance After Biological Therapy in Patients
With NSAID-Exacerbated Respiratory Disease: A Randomized Comparative
Trial. J Allergy Clin Immunol Pract. 2023;11(7):2172-9.
3. Heaney LG, Perez de Llano L, Al-Ahmad M, et al. Eosinophilic and
Noneosinophilic Asthma: An Expert Consensus Framework to Characterize Phenotypes in a Global Real-Life Severe Asthma Cohort. Chest.
2021;160(3):814-830.
4. Trautmann A, Brockow K, Stoevesandt J. Metamizole-induced reactions as
a paradigm of drug hypersensitivity: Non-allergic reactions, anaphylaxis,
and delayed-type allergy. Clin Exp Allergy. 2020;50(9):1103-6.
5. Gamboa P, Sanz ML, Caballero MR, Urrutia I, Antépara I, Esparza R, de
Weck AL. The flow-cytometric determination of basophil activation induced
by aspirin and other non-steroidal anti-inflammatory drugs (NSAIDs) is
useful for in vitro diagnosis of the NSAID hypersensitivity syndrome. Clin
Exp Allergy. 2004;34(9):1448-57.
6. Bertlich M, Ihler F, Bertlich I, Weiss BG, Gröger M, Haubner F. Management of chronic rhinosinusitis with nasal polyps in Samter triad
by low-dose ASA desensitization or dupilumab. Medicine (Baltimore).
2021;100(40):e27471.
7. Schneider S, Poglitsch K, Morgenstern C, Quint T, Gangl K, Sinz C, et al.
Dupilumab increases aspirin tolerance in NSAID-exacerbated respiratory
disease. Eur Respir J. 2023;61(3).

Vorstellung unseres Mitherausgebers Dr. Christian Häuptle

Liebe Leserinnen und Leser,

Mit der heutigen Ausgabe starten wir mit einer Vorstellung unseres Redaktionsteams. Den Anfang macht unser langjähriges Mitglied der Redaktion und Mitherausgeber Dr. med. Christian Häuptle. Mit Christian Häuptle durfte ich viele Jahre in diversen Gremien zusammenarbeiten. Als emeritierter Leiter des Instituts für Hausarztmedizin Kantonsspital St. Gallen, langjähriges Mitglied in diversen Arbeitsgruppen wie z.B. der Bildungskommission SGAIM oder auch dem OSCE Reviewboard verfügt Dr. Häuptle über ein sehr breites prä- sowie postcurriculares Wissen und ist bestens verlinkt in der Medizin, wodurch wir immer sehr profitieren dürfen. Bitte lesen Sie seine Beiträge.

Im aktuellen Heft finden Sie wiederum spannende Artikel zu den verschiedensten Themen. Im Originalartikel von O. Thorens et al. erfahren Sie, was alles sinnvollerweise in einen Notfallkoffer gehört. Die Einführung dazu stammt von Dr. Christian Häuptle. Der zweite Originalartikel von D. Czell befasst sich mit dem Digitalen Post-COVID Syndrom und zeigt Möglichkeiten und Grenzen einer digitalisierten Kommunikation mit neurologischen Patient/-innen auf, wobei hier u.a. das Alter der Patient/-innen in den Präferenzen eine wesentliche Rolle zu spielen scheint.

Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre unseres aktuellen Heftes PRAXIS!

Prof. Dr. med. Dagmar Keller Lang
Herausgeberin PRAXIS

Prof. Dr. med. Dagmar Keller Lang

Chefärztin, Leiterin Notfall
Klinik Gut
7500 St. Moritz

d.keller@klinik-gut.ch

Der ärztliche Notfallkoffer – ein Vorschlag für Akutsituationen

O. Thorens, P. Staeger und P.N. Carron haben sich der Aufgabe unterzogen, Vorschläge für eine sinnvolle Bestückung eines Notfallkoffers auszuarbeiten.

Ihr Notfallkoffer soll für Hausbesuche bei Erwachsenen zu Einsatz kommen. Die Ausrüstung des Notfallkoffers mit diagnostischem und therapeutischem Material sowie mit 52 Medikamenten ist so konzipiert, dass sie für die wichtigsten klinischen Akutsituationen ausreichend ist. Grundsätzliche Elemente, welche zur Grundausstattung gehören, werden besonders gekennzeichnet. Die diagnostischen Werkzeuge wie auch die therapeutischen Massnahmen und das übrige Material werden prägnant besprochen und sorgfältig begründet. Die tabellarische Auflistung des Inhalts erleichtert die Übersicht. Insbesondere sind die Tabellen, welche die Medikamente hinsichtlich ihrer Indikationen, Wirkungen und Nebenwirkungen sowie die präzisen Dosierungsangaben und Darreichungsformen beschreiben, sehr hilfreich und ermöglichen in einer Notfallsituation eine rasche Orientierung. Als Endprodukt dieser fundierten Arbeit ist ein veritabler – und wahrscheinlich auch gewichtiger Notfallkoffer entstanden, der sich als kleine Ausgabe der Notfallambulanz verstehen darf.

Die Autoren weisen richtigerweise darauf hin, dass es sich bei der Bestückung Ihres Notfallkoffers um Vorschläge handelt. Der beschriebene Notfallkoffer setzt eine fundierte ärztliche Kompetenz in der Notfallversorgung voraus. So wird der Koffer je nach persönlichem ärztlichem Wissen und Können eine Änderung des Inhalts erfahren und dann auch leichter zu tragen sein. Da der Notfallkoffer eher in ländlichen Gebieten zum Einsatz kommt, wäre zu überlegen, ein minimales pädiatrisches Equipment anzufügen. Verfügen diese Regionen meistens über keinen eigenen pädiatrischen Notfalldienst, der Hausbesuche durchführt. Die Notfallversorgung älterer Patient/-innen zu Hause ist ein wichtiges Einsatzgebiet. Diese notfallärztliche Versorgung muss aber eingebettet sein in eine garantierte kontinuierliche ärztliche Versorgung zu Hause (Visiten) und eine suffiziente Pflege vor Ort.

Zum Schluss noch dies: beim Lesen dieses wichtigen Artikels habe ich mich an die Erzählung «Ein Landarzt», 1919 von Franz Kafka geschrieben, erinnert und wieder gelesen. Da wird die ärztliche Visite inklusiv Arztkoffer in grossartiger Literatur erzählt. Auch ein Gewinn …

Dr. med. Christian Häuptle

Dr. med. Christian Häuptle

Gossau

haeuptle@hin.ch

Management der Venenthrombose

1. Einführung zur Venenthrombose

Definitionen und Prävalenz (1)

Die venöse Thromboembolie (VTE) ist mit einer Inzidenz von 1–2 auf 1000 Patienten/Jahr eine häufige Erkrankung mit zwei Manifestationsformen, der Venenthrombose und der Lungenembolie (LE). Unter anatomischen und pro­gnostischen Aspekten wird zwischen Thrombosen der tiefen Venen (TVT) und epifaszialer Venen (oberflächliche Venenthrombose, OVT, syn. Thrombophlebitis) unterschieden.
– Die meisten Thrombosen betreffen die Venen der unteren Extremitäten. Bei der tiefen Bein- oder Beckenvenenthrombose (TBVT) handelt es sich um eine partielle oder vollständige Verlegung der Leit- und/oder Muskelvenen durch Thromben. Die Lebenszeitprävalenz für eine TBVT liegt bei etwa 3–5 % und steigt mit zunehmendem Alter stark an. Mit Auswirkung auf die therapeutische Strategie werden die TBVT in proximale und distale Thrombosen unterteilt.
– Bei der isoliert distalen Thrombose (40 % der TVT) sind die tiefen Leit- (idTVT) und/oder Muskelvenen (iMVT) am Unterschenkel betroffen.
– Bei der proximalen Thrombose sind die Popliteal- (16 %), Femoral- (20 %) oder Beckenvenen (4 %) beteiligt.
– TVTs in anderen Lokalisationen sind deutlich seltener:
– Schulter-Armvenenthrombose (SAVT, 5–7 %)
– Cerebrale Venen- und Sinusthrombosen (CVST, ca. 1.3 pro 100 000 Personen/Jahr, 0.5–1 % aller Schlaganfälle)
– Viszeralvenenthrombose (ca. 2–3 pro 100 000 Personen/Jahr), umfasst Thrombosen der Pfortader (am häufigsten betroffen, meist infolge einer Leberzirrhose), Mesenterialvenen und Milzvene sowie das Budd-Chiari-Syndrom

Ursachen

Thrombosen entstehen infolge Beeinträchtigung des Blutflusses mit venöser Stase, Veränderung der Blutzusammensetzung mit Hyperkoagulabilität sowie mechanisch oder inflammationsbedingter Endothelschädigung (Virchow-Trias). Bei jeder VTE soll nach Faktoren (Tab. 1) gesucht werden, die mutmasslich zum Thrombosegeschehen beigetragen haben (1–6), zur Abschätzung des Rezidivrisikos und mit Auswirkung auf die Behandlung und deren Dauer. Bei bis zu 30 % findet sich jedoch kein thrombogener Auslöser.

Prognose

Je proximaler eine TVT lokalisiert ist, desto höher ist das Embolie- und Rezidivrisiko und umso häufiger entwickeln sich gravierende Langzeitfolgen.
– LE-Risiko 10–30 %
– Postthrombotisches Syndrom (PTS) in ca. 30 %, davon entwickeln 2–3 % ein schweres PTS mit einem Ulcus cruris venosum
– Rezidive nach Beendigung der Antikoagulation: In unselektierten Thrombosekollektiven liegt das kumulative Rezidivrisiko nach einem VTE-Erstereignis bei 8 % nach 6 Monaten, 13 % nach 1 Jahr, 23 % nach 5 Jahren und 30 % nach 10 Jahren, fast 4 % der Rezidivereignisse verlaufen fatal (7).

2. Diagnostik bei tiefer Venenthrombose (TVT)

Klinische Symptomatik

Schmerz, Spannungsgefühl, Ödem, verstärkte Venenzeichen, Zyanose sind Hinweise auf eine TVT, sind jedoch – ebenso wie die klinischen Schmerz-Provokationsmanöver (Homann, Sigg, Payr etc.) – sehr unspezifisch und führen bei alleiniger Anwendung zu vielen falsch-positiven Befunden. Bei bettlägerigen Patienten verläuft die TVT oft asymptomatisch.

Diagnosealgorithmus bei TVT-Erstereignis

Die o.g. Symptome und die klinische Untersuchung haben nur eine geringe Sensitivität (60–90 % bei ambulanten, 0–20 % bei bettlägerigen Patienten) und Spezifität (9). Durch Integration in validierte Scores zur Vortestwahrscheinlichkeit einer TVT und Verwendung von Algorithmen (Abb. 1) erhöht sich jedoch deren Aussagekraft und wird grösstmögliche Kosteneffizienz in der Diagnostik erreicht.
Im Verdachtsfall auf eine TVT ist zur Bestimmung der klinischen Wahrscheinlichkeit (KW) der Wells-Score (10, 11) am gebräuchlichsten (Tab. 2). Entsprechend Validierungskohorten (beachte: nicht validiert für Schwangerschaft) liegt die Prävalenz der TVT bei hoher KW (Score ≥ 2) bei 30 %, bei geringer KW (Score < 2) bei 6 %. Bei niedriger KW wird die Diagnostik um einen D-Dimer-Test ergänzt und führt bei negativem Ergebnis zu einem sicheren Ausschluss. Bei hoher KW ist der Kompressionsultraschall (KUS) entscheidend.

D-Dimer-Bestimmung

D-Dimere sind Fibrinspaltprodukte, die eine erhöhte Fibrinolyseaktivität anzeigen, meist als Folge einer Aktivierung der Gerinnungskaskade. Ein Anstieg der D-Dimere kann auf ein Akutereignis einer VTE hindeuten, ist aber unspezifisch und findet sich auch bei entzündlichen Prozessen, Tumoren, Operationen, Blutung/Hämatomen und in der Schwangerschaft. Auch steigen die D-Dimere mit höherem Alter.
Für die D-Dimer-Diagnostik sollte ein hochsensitiver, quantitativer Test eingesetzt werden. Die in Gross- oder Gerinnungslabors verfügbaren Assays erreichen eine Sensitivität von > 96 % bei einer aus o.g. Gründen geringen Spezifität von 35 % (12). Wenn nicht zeitnah verfügbar, sind quantitative POCT-Tests (Point-of-Care-Tests) zur patientennahen Sofortdiagnostik in der Praxis eine annähernd gleichwertige Alternative (Sensitivität 85–96 %). Es gibt bislang keine international akzeptierte Standardisierung für die verschiedenen Tests, i.d.R. liegt der Grenzwert ­(«Cut-off-value») für ein positives Ergebnis bei 500 μg/l bzw. 0.5mg/l.

Normwertige D-Dimere schliessen eine akute VTE mit hoher Wahrscheinlichkeit aus. Dennoch werden D-Dimere für die klinische Praxis nicht als «stand-alone»-Test empfohlen, da multizentrische, prospektiv durchgeführte Studien hierfür fehlen. Der D-Dimer-Test sollte mit Bezug auf die klinische Wahrscheinlichkeit im Diagnosealgorithmus eingesetzt (Abb. 1) und interpretiert werden (Abb. 2). Damit erreicht man zur Diagnose bzw. zum Ausschluss einer VTE eine hohe negativ prädiktive Wertigkeit von 99 % (13, 14) (NPV = Wahrscheinlichkeit, dass bei einem neg. Resultat die betreffende Krankheit nicht vorliegt). Durch Verwendung einer Altersadjustierung für Patienten ≥ 50 Jahre (= Lebensalter × 10 μg/l) kann man die Spezifität erhöhen, ohne Beeinträchtigung der Sensitivität (15).

Bildgebung

Bildgebende Methode der 1. Wahl ist der Kompressionsultraschall (KUS) mit Beurteilung des gesamten Beins, der eine TVT mit hoher Sicherheit (Sensitivität 94 %, Spezifität 97 %) (12) nachweist. Da im klinischen Alltag nicht überall 24/7 die fachliche Kenntnis hierfür verfügbar ist, wird in einigen Ländern und teils in Notaufnahmen alternativ der limitierte bzw. Point-of-Care-Ultraschall (POCUS) angewandt. Dabei wird der KUS nur an den proximalen Beinvenen oder, noch weiter vereinfacht, ein 2-Punkt-KUS der V. femoralis communis und V. poplitea durchgeführt. Das Verfahren ist auch für weniger routinierte Untersucher geeignet. Die limitierte Methode ist aber weniger sicher mit einer Post-Test-Inzidenz drei Monate nach initial unauffälligem Befund von 2.3 % gegenüber 0.57 % bei komplettem Beinvenenultraschall (16) und erfordert daher eine Zweituntersuchung mit vollständigem KUS innert 4 bis 7 Tagen zum sicheren Thromboseausschluss. Weiterhin ist der Ultraschall des kompletten Beins in der Detektion von Differenzialdiagnosen überlegen, wie z. B. Baker-Zysten, Hämatome, Aneurysmen.

Bei unklarem sonografischen Befund soll nach 4–7 Tagen eine vollständige KUS-Kontrolle erfolgen oder eine alternative Bildgebung mittels CT- oder MR-Phlebographie, welche zur Diagnostik der Beckenstrombahn und V. cava inferior überlegen ist. Die begrenzte Verfügbarkeit (MR) bzw. die relativ hohe Strahlenbelastung (beim CT) sowie hohe Kosten im Vergleich zur Sonografie sind Gründe, die beiden Verfahren nicht primär in diagnostische Algorithmen zur Abklärung einer TVT im Klinikalltag einzubinden.
Die konventionelle Phlebographie ist heute in der Thromboseabklärung ein nachgeordnetes Verfahren und nur noch ausnahmsweise indiziert, z. B. bei nicht eindeutiger Abklärung des Verdachts einer Rezidivthrombose, einer isolierten Beckenvenenthrombose oder im Rahmen eines rekanalisierenden Eingriffs.

Diagnostik bei V.a. Rezidivthrombose

Der unter Abbildung  1 dargestellte klassische Algorithmus zur Abklärung einer (Erst-)TVT ist bei Verdacht auf eine Rezidivthrombose unsicher, ein Diagnosealgorithmus wurde bisher für diese Situation nicht ausreichend gut validiert. Es ist anzunehmen, dass die klinische Wahrscheinlichkeit bei V.a. Rezidivthrombose nahezu immer hoch ist, da die erste Thrombose bereits mit 1 Punkt in den Wells-Score eingeht (Tab. 2) und Schmerz und/oder Schwellung als Anlass für den erneuten TVT-Verdacht mit weiteren 1–2 Punkten.
Der Sonografie kommt damit bei Diagnostik einer Rezidivthrombose eine noch grössere Bedeutung zu. Hilfreich ist dabei, wenn bei ipsilateralem Ereignis ein ausreichend gut dokumentierter Endzustand der abgelaufenen Thrombose zum Vergleich vorliegt, da nur ein Teil der Venen vollständig rekanalisieren und in 30–50 % der Fälle residuelle postthrombotische Veränderungen verbleiben. Als zusätzliche Sicherheit sollte bei V.a. ein Thromboserezidiv unabhängig der klinischen Wahrscheinlichkeit immer auch eine D-Dimer-Testung erfolgen (1).
– Normwertige D-Dimere und ein im Vergleich zur Voruntersuchung unveränderter Ultraschallbefund machen ein Thromboserezidiv unwahrscheinlich.
– Erhöhte D-Dimere beweisen keine Thrombose, können aber im Kontext mit Klinik und Ultraschall zur Einschätzung der Situation beitragen. Bei nicht eindeutigem Ultraschallbefund sollte eine Ultraschallkontrolle mit erneuter D-Dimer-Testung innerhalb 4–7 Tagen erfolgen, um aus der Dynamik der Befunde Rückschlüsse auf das Thrombosealter und die Aktualität des Geschehens zu ziehen.
Im Einzelfall kann bei V.a. Rezidivthrombose eine MR-Phlebographie erwogen werden. Spezielle Techniken (MR direct thrombus imaging, MRDTI) geben Hinweise auf das Thrombusalter und helfen zur Differenzierung einer akuten ipsilateralen Rezidivthrombose von postthrombotischen Veränderungen (17).

Abklärung einer Thrombophilie

Der Begriff Thrombophilie bezeichnet angeborene oder erworbene Störungen der Blutgerinnung, die mit einem erhöhten Risiko für eine venöse Thromboembolie einhergehen. Die häufigen Thrombophilien (heterozygote Faktor-V-Leiden- und Prothrombin-Mutation) erhöhen das Thrombose- und Rezidivrisiko nur wenig (low-risk), hereditäre Thrombophilien mit hohem Thromboserisiko (high-risk) hingegen sind selten, ihr Einfluss auf das Rezidivrisiko unterschiedlich (Tab. 3). Insgesamt scheint die relative Risikoerhöhung für ein Erstereignis höher zu sein als für VTE-Rezidive (18).


Der Nachweis einer Gerinnungspathologie hat somit wenig Relevanz für das Management nach einem Indexereignis. Nach Leitlinien soll eine Abklärung nur dann durchgeführt werden, wenn sich aus dem Ergebnis therapeutische Konsequenzen ergeben. Sowohl die Schweizerische Gesellschaft für Angiologie als auch Hämatologie nehmen in ihrer 2024 resp. 2023 publizierten Top-5-Liste Smarter Medicine (https://www.smartermedicine.ch/de/top-5-listen) zum Thrombophilie-Screening Stellung und postulieren, keine Gerinnungsabklärung durchzuführen nach einem Erstereignis durch einen bekannten reversiblen oder irreversiblen Provokationsfaktor bzw. nach jeglicher VTE mit starkem transienten Risikofaktor. Begründung: Thrombophilietests sind kostspielig (nach eigener Recherche in 04/2024 Laborkosten ca. 630 CHF) und beeinflussen in o.g. Situation weder die Therapie noch die Prognose.
Eine Ausnahme stellt das Antiphospholipid-Syndrom (APS) dar, dessen Diagnose den Behandlungspfad einer VTE unmittelbar beeinflusst. Auf Basis der Daten der TRAPS-(Rivaroxaban) (23)- und ASTRO-APS-(Apixaban) (24)-Studie, die wegen erhöhter Rate arterieller Thrombosen im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten (VKA) vorzeitig beendet wurde, werden sämtliche DOAKs für Patienten mit einer Thrombose und APS nicht empfohlen und sollten vorzugsweise NMH und VKA zur Antikoagulation eingesetzt werden.

Indikationen für eine Thrombophilie-Abklärung nach venöser Thromboembolie sind (1, 18, 25)

– spontanes VTE-Erstereignis bei unter 50-jährigen Patienten und/oder bei positiver Familienanamnese für gehäufte VTEs bei Verwandten 1. Grades
– rezidivierende VTEs ohne identifizierbaren Risikofaktor
– VTE-Progression trotz adäquater Antikoagulation
– atypische Thromboselokalisation (z. B. Viszeralvenen-, Sinusvenenthrombose)
– Hinweise auf APS: Schwangerschaftskomplikationen (rezidivierende Aborte, Plazentainsuffizienz/intrauterine Wachstumsverzögerung, Präeklampsie), spontane VTEs bei unter 50-Jährigen, Koinzidenz mit Autoimmunerkrankungen (z. B. Lupus erythematodes) oder arteriellen Thrombosen
– VTEs (v.a. kurz nach Start) unter östrogenhaltigen Medikamenten

Umfang der Thrombophilie-Abklärung
(in der Regel durch Gerinnungsspezialist)

– Gerinnungsstatus inklusive Quick/INR, aPTT, Fibrinogen, D-Dimere
– Protein C, Protein S, Antithrombin (funktionell)*
– APC-Resistenz, Genanalytik auf Faktor-V-Leiden-(R506Q)- und Prothrombin-G20210A-Mutation
– Lupus-Antikoagulans, Anti-Cardiolipin- und Anti-β-2-Glykoprotein-I-Antikörper (IgG + IgM). Die Tests bedürfen einer Kontrolle im Abstand von mindestens 12 Wochen, da nur bei Antikörperpersistenz die Diagnose eines APS gestellt werden darf.
– Bei Viszeralvenenthrombosen zudem Testung auf JAK2-Mutation für myelodysplastische Syndrome (Polycythaemia vera oder essenzielle Thrombozythämie), bei zusätzlicher Hämolyse Flowzytometrie (Nachweis für paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie).
*Anmerkung: Während die Gendiagnostik als zuverlässig gilt, sollten pathologische Befunde für Antithrombin, Protein C oder S kritisch reflektiert und die einzelnen Tests kontrolliert werden, da sekundäre Mängel wesentlich häufiger vorkommen als hereditäre Defekte (DD physiologische Schwankungen, Lebererkrankung, Vi­tamin-K-Mangel, Antikoagulantien-, Östrogentherapie, Schwangerschaft u.a.).

Zeitpunkt der Testung

Wenn möglich soll die Thrombophilie-Abklärung nicht in der Akutphase einer VTE erfolgen (frühestens nach 2–3 Monaten), idealerweise einen Monat nach Absetzen der Antikoagulation, da einige Gerinnungstests bei ausgedehnten Thrombosen und durch den Einfluss von Antikoagulantien verfälscht werden können.
Soll eine Testung unter fortgeführter Antikoagulation erfolgen, sollte eine NMH- oder DOAK-Therapie zumindest für 48–72 h pausiert werden, um valide Testergebnisse zu gewährleisten. In den ersten 4 Wochen ist von einer solchen Therapiepause wegen des hohen Rezidiv- und LE-Risikos abzuraten. Eine Therapiepause gegen Ende der Erhaltungstherapie, wenn die Frage nach der Notwendigkeit einer Sekundärprophylaxe zu klären ist, ist dagegen in den meisten Fällen vertretbar. Alternativ kann eine relevante DOAK-Restwirkung in der Plasmaprobe durch Zusatz spezieller Kohle-Reagenzien (z. B. DOAC-Stop®, DOAC-Remove®) eliminiert werden – das Gerinnungslabor muss entsprechend auf die DOAK-Therapie hingewiesen werden (26).

Screening von Verwandten 1. Grades

Nach der Diagnose einer Thrombophilie beim Indexpatienten stellt sich die Frage der Notwendigkeit einer Testung der Angehörigen. Alle hereditären Thrombophilien werden autosomal dominant vererbt, somit besteht für sie eine Vortestwahrscheinlichkeit von 50 %. Eine primärpräventive Testung wird kontrovers diskutiert. Die Kenntnis einer Thrombophilie kann für eine Beratung zur Hormontherapie (Pille, HRT) oder Schwangerschaft und individualisierte Thromboseprophylaxe hilfreich sein, kann aber auch Ängste der Betroffenen provozieren. Bei den Verwandten soll wenn dann nur gezielt auf den nachgewiesenen Defekt getestet werden. Nicht alle Krankenkassen übernehmen die Kosten einer präventiven Testung, eine Kostengutsprache ist einzuholen.

Tumorsuche bei spontaner Thromboembolie

Tumorpatienten haben ein etwa 7-fach erhöhtes Risiko für eine VTE gegenüber Personen ohne Malignom infolge paraneoplastischer Gerinnungsaktivierung und/oder lokaler Gefässkompression oder -infiltration. Man nimmt an, dass ca. 20 % aller VTE-Ereignisse Tumor-assoziiert auftreten (27).
Einem idiopathischen Ereignis kann ein okkulter Tumor zugrunde liegen, das Risiko hierfür ist bei über 50-jährigen gegenüber jüngeren Patienten deutlich erhöht (6.8 % vs. 1 %) (28). Da der einer VTE zugrunde liegender Risikofaktor Einfluss auf die Therapie und Sekundärprophylaxe hat, wird bei unklarem Auslöser ein Tumor-Screening empfohlen.
– Etabliert hat sich die Empfehlung für eine «limitierte Tumorsuche» bei idiopathischer Thrombose mit den geschlechts- und altersspezifischen Krebsvorsorgeuntersuchungen (Abb. 3).
– Für eine «intensivierte Tumorsuche» ist kein klarer Vorteil belegt: Es können zwar etwas mehr Karzinome im Frühstadium detektiert werden, jedoch ergaben sich bisher im Vergleich einer intensiven Strategie mit zusätzlicher CT- oder PET-Untersuchung zur limitierten Routineabklärung keine signifikanten Unterschiede in der Anzahl zeitnah diagnostizierter Malignome und der Malignom-assoziierten Sterblichkeit (29, 30).

3. Therapie der TVT

3.0. Behandlungsstrategie

Mit Sicherung der Diagnose einer TVT soll ohne zeitlichen Verzug eine Antikoagulation (AK) eingeleitet werden. Falls zeitnah keine Bildgebung zur Verfügung steht, kann bei hoher TVT-Wahrscheinlichkeit eine Interims-Antikoagulation begonnen werden. In jedem Fall muss zu einem späteren Zeitpunkt der definitive Nachweis oder Ausschluss einer Thrombose mit Bildgebung geführt werden.
Die Behandlung hat folgende Ziele:
– Verhinderung eines appositionellen Thrombuswachstums und Risikoreduktion für eine Lungenembolie
– Die AK verschiebt das Gleichgewicht zwischen pro- und antikoagulatorischen Faktoren und unterstützt die Thrombusauflösung (und damit Rekanalisation) durch die körpereigene Fibrinolyse.
– Die AK reduziert das Risiko für Rezidivereignisse sowie das Auftreten und den Schweregrad eines postthrombotischen Syndroms (PTS).
Die Therapie besteht aus 3 Behandlungsphasen (Abb. 4, Kapitel 3.1.–3.4.):
1. Phase der Initialtherapie (meist 5–21 Tage)
2. Phase der Erhaltungstherapie (mindestens 3–6 Monate)
3. Phase der Sekundärprophylaxe (ggf. zeitlich unbefristet)

Akut revaskularisierende Eingriffe wie systemische Thrombolyse mit oder ohne Thrombektomie haben nach jetzt verfügbarer Evidenz keinen Beleg für einen klaren Nutzen, eine vollständige Thrombusauflösung ist zwar häufiger als bei alleiniger Antikoagulation, die PTS-Inzidenz ist aber nur leicht reduziert (nach einem Cochrane-Review RR 0.89 [0,74–1,05]), Blutungskomplikationen sind vermehrt (34). Eine endovaskuläre Revaskularisation bleibt Sonderfällen vorbehalten, wie z. B. einer deszendierenden Beckenvenenthrombose oder schwerem PTS mit Claudicatio venosa, und kann im späteren Verlauf bei chronisch venöser Okklusion erwogen werden.

Mobilisierung

Patienten mit einer TVT jeglicher Lokalisation und Morphologie (auch «flottierender Thrombus») sollen nicht immobilisiert werden, nur bei ausgeprägter und schmerzhafter Beinschwellung (zur Hochlagerung des Beins). Die symptomadaptierte Mobilisierung fördert durch Einsatz der Muskelpumpen die venöse Entstauung.

Kompressionstherapie

Die Kompression fördert den venösen Rückstrom und begünstigt die Rekanalisation. Sie bewirkt damit in der Akutphase eine Linderung von Schmerzen und Schwellung, und hat langfristig das Ziel, die Häufigkeit und Schwere des PTS zu reduzieren. Voraussetzung hierfür sind der frühzeitige Beginn der Kompression (35, 36), eine konsequente Anwendung und ein ausreichender Anpressdruck, bei 20–40 mmHg ist eine um die Hälfte reduzierte Inzidenz des PTS belegt (35, 37, 38). Nach Guidelines wird empfohlen (1, 3, 4):
– Die Kompression soll frühzeitig (innerhalb 24 h nach Diagnosestellung) begonnen werden (IA-Empfehlung), bei massiver Beinschwellung initial als Kompressionsverband, nach Entstauung mit Strümpfen der KKL 2 (entspricht Kompressionsdruck 23–32 mmHg).
– Für die Strumpflänge ist nicht die Ausdehnung der TVT entscheidend, sondern die klinische Symptomatik. Bei Unterschenkelschwellung genügen Wadenstrümpfe A–D (IIaA), wodurch die Patientenadhärenz erhöht werden kann. Bei (zusätzlicher) Oberschenkelschwellung wird ein Schenkelstrumpf A–F empfohlen.
– Die Kompression ist ausschliesslich für das von der Thrombose betroffene Bein indiziert. Eine Kompression zur Sekundärprophylaxe nach einer LE ohne Nachweis einer TVT ist nicht sinnvoll.
– Nach 3–6 Monaten richtet sich die Entscheidung zu einer Fortführung der Kompression nach dem klinischen Befund und Ergebnis sonografischer Kontrollen (Zustand der Rekanalisation, Ausmass des postthrombotischen Klappenschadens) sowie der Patientenpräferenz.

3.1. Initialtherapie

Orale Antikoagulation (DOAK, VKA)

Die Therapie der VTE erfolgt in der Regel durch orale Antikoagulation, wobei DOAKs bei gleicher Effizienz und höherer Sicherheit (gegenüber VKA 40 % weniger schwere Blutungen) (39, 40) sowie einfacherer Anwendbarkeit im Regime gegenüber VKA mit einer IA-Empfehlung bevorzugt werden (1–4, 41), sofern keine Kon­traindikationen (z. B. schwere Niereninsuffizienz, APS, Schwangerschaft) vorliegen.
Beim Antiphospholipid-Syndrom (APS) sind DOAKs bei der Hochrisikovariante (dreifach positiv für Lupus-Antikoagulans, Anti-Cardiolipin- und Anti-β-2-Glykoprotein-I-AK) wegen erhöhten Risikos für arterielle Thrombosen (Myokardinfarkte, Schlaganfälle) kontraindiziert. Bei Nichttripelpositiven wäre der Einsatz von DOAKs möglich, jedoch nur bei venöser, nicht bei stattgehabter arterieller Thrombose. Beim APS werden daher vorzugsweise NMH und VKA zur Antikoagulation empfohlen, nach arterieller Thrombose ggf. zusätzlich ASS.
In der Initialphase gibt es folgende Besonderheiten der einzelnen Substanzen zu beachten (Tab. 4):
– Apixaban und Rivaroxaban können direkt oral gestartet werden, jedoch in höherer Dosierung als in der folgenden Phase der Erhaltungstherapie (Apixaban 2 × 10 mg/d für 7 d, Rivaroxaban 2 × 15 mg/d für 21 d).
– Sind Dabigatran, Edoxaban oder VKA für die Erhaltungsphase vorgesehen, ist vorausgehend eine Initial- therapie mit einem parenteralen Antikoagulans (Heparin oder Fondaparinux) in therapeutischer Dosierung erforderlich:
– Nach ≥ 5 d wird dann auf Edoxaban oder Dabigatran umgestellt.
– Bei VKA erfolgt die parenterale Antikoagulation überlappend und wird beendet, sobald der INR-Wert über mind. 48 h im Zielbereich von 2–3 liegt.

Parenterale Antikoagulation (Heparin, Heparinanaloga)

Erfolgt eine parenterale Antikoagulation, wird niedermolekulares Heparin (NMH) und Fondaparinux (alternativ bei Unverträglichkeit von NMH) aufgrund besserer Wirksamkeit, höherer Sicherheit und besserer Praktikabilität gegenüber unfraktioniertem Heparin (UFH) bevorzugt (42, 43).
– NMH: z. B. Dalteparin (Fragmin®) 1 × 200 IE/kg, Nadroparin (Fraxiforte®) 1 × 171 IE/kg, Enoxaparin (Clexane®) 2 × 1 mg/kg tgl. s.c.
– Fondaparinux (z. B. Arixtra®) 1 × 7.5 mg (5 mg bei < 50 kg; 10 mg bei > 100 kg) s.c.
– Bei Niereninsuffizienz gilt zu beachten:
– Bei einer GFR bis ≥ 30 ml/min bedarf es keiner Dosisanpassung.
– Bei GFR < 30 ml/min:
. Nadroparin und Fondaparinux sind bei < 30 ml/min kontraindiziert
. bei Enoxaparin Dosishalbierung von 2 × auf 1 × tgl. 1 mg/kg (44)
. übrige NMH dosisadjustiert nach Anti-Xa-Plasmaspiegel (gemessen 4–6 h nach letzter Injektion)
– UFH wird heute fast ausschliesslich bei Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz (GFR < 30 ml/min) angewandt, wenn NMH, Fondaparinux oder orale Antikoagulantien kontraindiziert sind. UFH wird zudem eingesetzt, wenn bei Interventionen oder in der Schwangerschaft peripartal aufgrund eines erhöhten Blutungsrisikos ein Antikoagulans mit kurzer Halbwertszeit sicherer ist.

3.2. Erhaltungstherapie

Die Erhaltungstherapie schliesst sich als Bestandteil der Therapiephase an die Initialtherapie an und deckt den Zeitraum einer Thrombose ab, in der das Rezidivrisiko noch deutlich erhöht ist.

Für die proximale TVT hat sich in allen relevanten Leitlinien eine Antikoagulation von mind. 3 Monaten eta­bliert (1–3, 6). Ausgedehnte TVTs werden länger behandelt, insbesondere wenn nach 3 Monaten noch eine hohe Thrombuslast nachweisbar ist und damit einhergehend ein erhöhtes Risiko eines VTE-Rezidivs bzw. der Entwicklung eines PTS. Nach 3–6 Monaten gilt eine akute Thrombose als austherapiert.

Isoliert distale tiefe Bein- und Muskelvenenthrombose (idTVT, iMVT) ist beschränkt lokalisiert auf die tiefen Unterschenkelvenen und/oder Muskelvenen der Gastro­cnemius- bzw. Soleusmuskulatur. Wegen des prognostisch günstigeren Verlaufs (< 1.5 % symptomatische Lungenembolien, wenig Rezidive, selten Entwicklung eines PTS) ist man in der Antikoagulation zurückhaltender.
– Für die idTVT ist eine Antikoagulation über 3 Monate ausreichend. Eine Cochrane-Metaanalyse (45) zeigte, dass damit das VTE-Rezidivrisiko um > 60 % gesenkt wird, kürzere Therapieprotokolle über 6 Wochen sind weniger effizient (13.5 % vs. 5.7 % Rezidivrate; RR 0.42).
– Für iMVT liegen die Komplikationsraten noch tiefer als für idTVT. Nach Leitlinien kann daher kürzer über 1–4 Wochen therapeutisch antikoaguliert oder aufgrund der schwachen und widersprüchlichen Datenlage auch auf eine Antikoagulation verzichtet werden (1). In diesem Fall soll die Thrombuslast sorgfältig dokumentiert und per Ultraschall nach 7 Tagen kontrolliert werden, um eine Progression zu detektieren (8–25 % Übertritt in die tiefen Leitvenen, Risiko bei Gastrocnemius- grösser als bei Soleus-iMVT).

3.3. Evaluation pro/kontra prolongierte ­Antikoagulation

Am Ende der Erhaltungstherapie stellt sich die Frage, ob die Antikoagulation beendet oder bei erhöhtem Rezidivrisiko – unter Abwägung zum Blutungsrisiko und unter Einbezug der Patientenpräferenz – prolongiert fortgeführt werden soll (i.e. Sekundärprophylaxe). Für die Gesamtbeurteilung sind zu berücksichtigen:
– Patienteneigene Risikofaktoren (Alter, Geschlecht, Thrombophilie)
– Charakteristika der vorausgegangenen VTE (Auslöser, Ausdehnung, klinischer Verlauf, Langzeitfolgen), insbesondere Residualzustand der TVT (sonografische Kontrolle nach Antikoagulation)
– Begleiterkrankungen (z. B. Malignom, Infektion, Autoimmunerkrankung)
– Komedikationen (z. B. Hormontherapie)
– Zusätzliche risikoerhöhende Begleitumstände (z. B. Adipositas, Varikosis, häufiges Reisen)
– Blutungsrisiko (VTE-BLEED-Score, Tab. 5)
Diese Entscheidung ist für Patienten mit proximaler TVT und/oder LE essenziell. Bei isoliert distaler TVT ist unter Berücksichtigung der niedrigen Komplikations- und Rezidivrate eine Antikoagulation über 3 Monate ausreichend, auch bei idiopathischem Trigger bzw. Rezidiv-idTVT. Lediglich bei persistierendem Risikofaktor (z. B. aktive Tumorerkrankung) sollte ebenfalls eine verlängerte Antikoagulation geprüft werden.

3.3.1. Sonografische Kontrolle

Nach 3–6 Monaten bzw. immer vor Absetzen der Antikoagulation ist eine sonografische Kontrolle erforderlich mit genauer Dokumentation der betroffenen Venenabschnitte und dem Ausmass eventueller Residualthromben. Die Statuserhebung dient als:
– Risikoindikator für Rezidivthrombosen
– Abschlussbefund und Referenz bei späterem V.a. einer ipsilateralen Rezidivthrombose
Eine Metaanalyse (46) zeigt, dass ohne Residualthrombus 3 Monate nach dem Indexereignis ein sehr niedriges Rezidivrisiko vorliegt, vice versa ein erhöhtes, wenn ein Restthrombus mit > 40 % Verlegung (47) des Venenlumens besteht.

3.3.2. Bedeutung einer D-Dimer-Bestimmung vor Beendigung der Antikoagulation

Die Dynamik der D-Dimere kann Hinweise auf das Rezidivrisiko geben. Hierfür wird bei normwertigen D-Dimeren die Antikoagulation pausiert und 4 bzw. 12 Wochen später die D-Dimere nochmals bestimmt (48, 49). Patienten, die bereits unter laufender Therapie erhöhte D-Dimere aufweisen sowie nach Beendigung der Antikoagulation einen Anstieg, weisen in Metaanalysen ein erhöhtes Rezidivrisiko auf (50, 51). Etwa 40–50 % aller Patienten haben nach einer ersten spontanen proximalen TVT oder LE erhöhte D-Dimere, was mit einem hohen Rezidivrisiko von 8.9 % im Vergleich zu 3.5 %/a bei normwertigen D-Dimeren assoziiert ist (48).
Zu bedenken ist allerdings der logistische Aufwand bei diesem Vorgehen und die geringe Spezifität der D-Dimere. Insofern kann das D-Dimer einen additiven Nutzen in der Entscheidungsfindung haben, insbesondere zur Einschätzung des VTE-Risikos bei spontanem Indexereignis. Es ist aber kein geeigneter Parameter, die Entscheidung zur VTE-Sekundärprophylaxe einzig an diesem Biomarker auszurichten.

3.3.3. Einschätzung des Rezidivrisikos

Das vom Aktionsbündnis Thrombose entworfene Ampelsystem (www.risiko-thrombose.de), das in modifizierter Form auch in aktuelle Leitlinien übernommen wurde (1, 41), gibt Orientierung zur Einschätzung des Rezidivrisikos bei proximaler TVT und/oder LE und zur Sekundärprophylaxe (Abb. 5).
Bei einer VTE, die durch einen transienten, starken Auslöser getriggert war, besteht ein niedriges Rezidivrisiko (< 3 %/a). Hier kann die Therapie mit Ablauf der Erhaltungsphase beendet werden, wenn der Risikofaktor nicht mehr vorliegt.


Bei hohem Rezidivrisiko (> 8 %/a) aufgrund persistierend starker Risikofaktoren oder St.n. VTE-Ereignissen (ohne starken, reversiblen RF) in der Vorgeschichte wird eine zeitlich unbefristete Antikoagulation empfohlen. Schwieriger ist die Beurteilung in der Situation, wenn kein oder nur ein schwacher, die VTE nur fraglich erklärender Risikofaktor vorliegt. Hier besteht ein moderates Rezidivrisiko (3–8 %/a), eine fortgesetzte Antikoagulation wird als sinnvoll erachtet, allerdings ist der klinische Nutzen geringer, und daher muss die Abwägung zum individuellen Blutungsrisiko kritischer erfolgen:
– Eine Fortsetzung der Antikoagulation sollte bei persistierend schwachem Risikofaktor erwogen werden, wenn das Blutungsrisiko gering ist.
– Ist das Blutungsrisiko erhöht oder lag ein spontanes VTE-Ereignis vor, werden weitere Risikoindikatoren einbezogen (RR= Relatives Risiko für VTE-Rezidiv):
D-Dimer-Erhöhung bei Beendigung der Antikoagulation: RR 2.1–2.6 (51, 53)
Hohe Restthrombuslast (> 40 % Verlegung des Venenlumens): RR 1.3–1.5 (16, 47)
Männliches Geschlecht: RR 1.6–1.8, Männer haben gegenüber Frauen ein ca. 60 % höheres Rezidivrisiko von 7.5 %/a im Vergleich zu Frauen (ohne Östrogeneinfluss) von 3.8 %/a (54)
Milde Thrombophilie: heterozygote F.V-Leiden- oder Prothrombin-G20210A-Mutation, RR 1.4–1.7 (55)
Positive Familienanamnese ohne Nachweis einer konkreten Thrombophilie: RR 2.3, wenn ein Verwandter 1.° in jungen Jahren eine VTE hatte (56)
Es gibt prospektive Managementstudien für eine D-Dimer-Erhöhung bei Therapieende (57) und hohe Restthrombuslast (58), die bei verlängerter Antikoagulation eine signifikant niedrigere VTE-Rezidivrate zeigen. Für die weiteren o.g. Faktoren ist der Nutzen einer verlängerten Sekundärprophylaxe bislang nicht belegt.

3.3.4. Blutungsrisiko

Wichtige Prädiktoren für das Auftreten von Blutungen sind: Anämie, Alter, St.n. Blutung und Niereninsuffizienz. Der VTE-BLEED-Score (59, 60) ist für Patienten mit VTE und Indikation zur langfristigen Antikoagulation in Therapiedosis am besten validiert, um das Blutungsrisiko prospektiv abzuschätzen (Tab. 5). Ein hoher Score darf aber nicht dazu führen, Patienten mit klarer Indikation eine Antikoagulation vorzuenthalten, sondern modifizierbare Risiken zu optimieren (z. B. Hypertonie-einstellung, Überprüfen fortbestehender Notwendigkeit von Thrombozytenaggregationshemmern oder NSAR bei Komorbidität) und eine Antikoagulation mit möglichst niedrigem Blutungsrisiko zu wählen.

3.4. Sekundärprophylaxe

Bei hohem Rezidivrisiko wird eine zeitlich unbefristete Antikoagulation in volltherapeutischer Dosis empfohlen.
Bei moderatem Rezidivrisiko sollen zur prolongierten Sekundärprophylaxe bevorzugt Substanzen mit Zulassung in «Niedrigdosis» für diese Indikation eingesetzt werden:
– Gemäss Zulassungsstudien können Apixaban auf 2 × 2.5 mg bzw. Rivaroxaban auf 1 × 10 mg nach Abschluss einer 6-monatigen VTE-Behandlung reduziert werden, mit nachweislich im Vergleich ihrer Niedrig- zur Therapiedosis gleich effizienten Rezidivprophylaxe und niedrigerem Blutungsrisiko (61, 62).
– Für Edoxaban und Dabigatran liegen bislang keine Daten vor, die eine effiziente Sekundärprophylaxe in Niedrigdosis belegen.
– NMH können in intermediärer Dosierung fortgeführt werden (i.e. 50–75 % der volltherapeutischen Dosierung oder 2 × Prophylaxedosis).
– Bei VKA zeigten Studien mit einer Dosisreduktion auf einen INR von 1.5–2 eine deutliche Zunahme an VTE-Rezidiven, ohne das Blutungsrisiko erkennbar zu reduzieren (63, 64). Daher bleibt bei Einsatz von VKA zur Rezidivprophylaxe nur die Fortführung in der Therapiedosis mit einem Ziel-INR von 2–3.

Verlaufskontrollen unter Sekundärprophylaxe sollten in regelmässigen Abständen erfolgen mit routinemässigem Labor (Blutbild, Leber-/Nierenwerte unter DOAK bzw. Gerinnung unter VKA) sowie mind. alle 1–2 Jahre eine Neubewertung des Nutzens vs. Risiko.

Nach abgeschlossener Antikoagulation erfolgt bei thrombogener Risikosituation (wie Immobilisation, Langstreckenreisen > 4 h) bei Patienten mit stattgehabter VTE in der Regel eine Sekundärprophylaxe mit NMH in hochprophylaktischer Dosierung (z. B. 5000 IE Fragmin s. c.).
In dem Bewusstsein, dass der Einsatz von NMH zur Prophylaxe im nicht chirurgischen Setting nur die Zulassung für Patienten mit eingeschränkter Mobilität hat, können zur Reiseprophylaxe mit vergleichbarer «Datenlage» auch DOAK eingesetzt werden, z. B. Rivaroxaban 10 mg. Der Patient ist über den Off-label-use aufzuklären, die Kosten werden nicht von der Krankenkasse übernommen.

Dr. med. Andrea Rosemann

Institut für Hausarztmedizin Universitätsspital Zürich (IHAMZ)
Pestalozzistrasse 24
8091 Zürich

andrea.rosemann@usz.ch

Prof. Dr. Dr. med.Thomas Rosemann

Institut für Hausarztmedizin
Universitätsspital Zürich
Pestalozzistrasse 24
8091 Zürich

thomas.rosemann@usz.ch

Prof. Dr. med. MPHOliver Senn

Institut für Hausarztmedizin
Universität und UniversitätsSpital Zürich
Pestalozzistrasse 24
8091 Zürich

oliver.senn@usz.ch

Die Autorinnen und Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

1. Linnemann B, Blank W, Doenst T, al e. Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und Lungenembolie – AWMF-S2k-Leitlinie. 2023;https:/register.awmf.org/de/leitlinien/detail/065-002.
2. Stevens SM, Woller SC, Kreuziger LB, Bounameaux H, Doerschug K, Geersing GJ, et al. Antithrombotic Therapy for VTE Disease: Second Update of the CHEST Guideline and Expert Panel Report. Chest. 2021;160(6):e545-e608.
3. Kakkos SK, Gohel M, Baekgaard N, Bauersachs R, Bellmunt-Montoya S, Black SA, et al. Editor‘s Choice – European Society for Vascular Surgery (ESVS) 2021 Clinical Practice Guidelines on the Management of Venous Thrombosis. Eur J Vasc Endovasc Surg. 2021;61(1):9-82.
4. Mazzolai L, Ageno W, Alatri A, Bauersachs R, Becattini C, Brodmann M, et al. Second consensus document on diagnosis and management of acute deep vein thrombosis: updated document elaborated by the ESC Working Group on aorta and peripheral vascular diseases and the ESC Working Group on pulmonary circulation and right ventricular function. Eur J Prev Cardiol. 2022;29(8):1248-63.
5. Lim W, Le Gal G, Bates SM, Righini M, Haramati LB, Lang E, et al. American Society of Hematology 2018 guidelines for management of venous thromboembolism: diagnosis of venous thromboembolism. Blood Adv. 2018;2(22):3226-56.
6. Ortel TL, Neumann I, Ageno W, Beyth R, Clark NP, Cuker A, et al. American Society of Hematology 2020 guidelines for management of venous thromboembolism: treatment of deep vein thrombosis and pulmonary embolism. Blood Adv. 2020;4(19):4693-738.
7. White RH. Identifying risk factors for venous thromboembolism. Circulation. 2012;125(17):2051-3.
8. Encke A, Haas S, Kopp I, Abholz H-H, Bode C, Bootz F, et al. S3-Leitlinie: Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE). Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF); 2015. Report No.: AWMF Leitlinien-Register Nr. 003/001.
9. Goodacre S, Sutton AJ, Sampson FC. Meta-analysis: The value of clinical assessment in the diagnosis of deep venous thrombosis. Ann Intern Med. 2005;143(2):129-39.
10. Wells PS, Owen C, Doucette S, Fergusson D, Tran H. Does this patient have deep vein thrombosis? JAMA. 2006;295(2):199-207.
11. Wells PS, Anderson DR, Rodger M, Forgie M, Kearon C, Dreyer J, et al. Evaluation of D-dimer in the diagnosis of suspected deep-vein thrombosis. N Engl J Med. 2003;349(13):1227-35.
12. Bhatt M, Braun C, Patel P, Patel P, Begum H, Wiercioch W, et al. Diagnosis of deep vein thrombosis of the lower extremity: a systematic review and meta-analysis of test accuracy. Blood Adv. 2020;4(7):1250-64.
13. Büller HR, Ten Cate-Hoek AJ, Hoes AW, Joore MA, Moons KG, Oudega R, et al. Safely ruling out deep venous thrombosis in primary care. Ann Intern Med. 2009;150(4):229-35.
14. El Tabei L, Holtz G, Schürer-Maly C, Abholz HH. Accuracy in diagnosing deep and pelvic vein thrombosis in primary care: an analysis of 395 cases seen by 58 primary care physicians. Dtsch Arztebl Int. 2012;109(45):761-6.
15. Parry BA, Chang AM, Schellong SM, House SL, Fermann GJ, Deadmon EK, et al. International, multicenter evaluation of a new D-dimer assay for the exclusion of venous thromboembolism using standard and age-adjusted cut-offs. Thromb Res. 2018;166:63-70.
16. Johnson SA, Stevens SM, Woller SC, Lake E, Donadini M, Cheng J, et al. Risk of deep vein thrombosis following a single negative whole-leg compression ultrasound: a systematic review and meta-analysis. JAMA. 2010;303(5):438-45.
17. van Dam LF, Dronkers CEA, Gautam G, Eckerbom A, Ghanima W, Gleditsch J, et al. Magnetic resonance imaging for diagnosis of recurrent ipsilateral deep vein thrombosis. Blood. 2020;135(16):1377-85.
18. Lindhoff-Last E, Luxembourg B. Evidence-based indications for thrombophilia screening. Vasa. 2008;37(1):19-30.
19. Mannucci PM, Franchini M. Classic thrombophilic gene variants. Thromb Haemost. 2015;114(5):885-9.
20. Weingarz L, Schwonberg J, Schindewolf M, Hecking C, Wolf Z, Erbe M, et al. Prevalence of thrombophilia according to age at the first manifestation of venous thromboembolism: results from the MAISTHRO registry. Br J Haematol. 2013;163(5):655-65.
21. Kearon C, Parpia S, Spencer FA, Baglin T, Stevens SM, Bauer KA, et al. Antiphospholipid antibodies and recurrent thrombosis after a first unprovoked venous thromboembolism. Blood. 2018;131(19):2151-60.
22. Pengo V, Ruffatti A, Legnani C, Testa S, Fierro T, Marongiu F, et al. Incidence of a first thromboembolic event in asymptomatic carriers of high-risk antiphospholipid antibody profile: a multicenter prospective study. Blood. 2011;118(17):4714-8.
23. Pengo V, Denas G, Zoppellaro G, Jose SP, Hoxha A, Ruffatti A, et al. Rivaroxaban vs warfarin in high-risk patients with antiphospholipid syndrome. Blood. 2018;132(13):1365-71.
24. Woller SC, Stevens SM, Kaplan D, Wang TF, Branch DW, Groat D, et al. Apixaban compared with warfarin to prevent thrombosis in thrombotic antiphospholipid syndrome: a randomized trial. Blood Adv. 2022;6(6):1661-70.
25. Linnemann B, Hart C. Laboratory Diagnostics in Thrombophilia. Hamostaseologie. 2019;39(1):49-61.
26. Siriez R, Dogne JM, Gosselin R, Laloy J, Mullier F, Douxfils J. Comprehensive review of the impact of direct oral anticoagulants on thrombophilia diagnostic tests: Practical recommendations for the laboratory. Int J Lab Hematol. 2021;43(1):7-20.
27. Timp JF, Braekkan SK, Versteeg HH, Cannegieter SC. Epidemiology of cancer-associated venous thrombosis. Blood. 2013;122(10):1712-23.
28. van Es N, Ay C, Jara-Palomares L. Screening for Occult Cancer in Patients with Venous Thromboembolism: Past, Present, and Future. Hamostaseologie. 2020;40(3):270-9.
29. Carrier M, Lazo-Langner A, Shivakumar S, Tagalakis V, Zarychanski R, Solymoss S, et al. Screening for Occult Cancer in Unprovoked Venous Thromboembolism. N Engl J Med. 2015;373(8):697-704.
30. Robin P, Otten HM, Delluc A, van Es N, Carrier M, Salaun PY, Le Gal G. Effect of occult cancer screening on mortality in patients with unprovoked venous thromboembolism. Thromb Res. 2018;171:92-6.
31. Delluc A, Antic D, Lecumberri R, Ay C, Meyer G, Carrier M. Occult cancer screening in patients with venous thromboembolism: guidance from the SSC of the ISTH. J Thromb Haemost. 2017;15(10):2076-9.
32. Force USPST, Nicholson WK, Silverstein M, Wong JB, Barry MJ, Chelmow D, et al. Screening for Breast Cancer: US Preventive Services Task Force Recommendation Statement. JAMA. 2024.
33. Force USPST, Davidson KW, Barry MJ, Mangione CM, Cabana M, Caughey AB, et al. Screening for Colorectal Cancer: US Preventive Services Task Force Recommendation Statement. JAMA. 2021;325(19):1965-77.
34. Broderick C, Watson L, Armon MP. Thrombolytic strategies versus standard anticoagulation for acute deep vein thrombosis of the lower limb. Cochrane Database Syst Rev. 2021;1(1):CD002783.
35. Amin EE, Bistervels IM, Meijer K, Tick LW, Middeldorp S, Mostard G, et al. Reduced incidence of vein occlusion and postthrombotic syndrome after immediate compression for deep vein thrombosis. Blood. 2018;132(21):2298-304.
36. Arpaia G, Cimminiello C, Mastrogiacomo O, de Gaudenzi E. Efficacy of elastic compression stockings used early or after resolution of the edema on recanalization after deep venous thrombosis: the COM.PRE Trial. Blood Coagul Fibrinolysis. 2007;18(2):131-7.
37. Brandjes DP, Buller HR, Heijboer H, Huisman MV, de Rijk M, Jagt H, ten Cate JW. Randomised trial of effect of compression stockings in patients with symptomatic proximal-vein thrombosis. Lancet. 1997;349(9054):759-62.
38. Prandoni P, Lensing AW, Prins MH, Frulla M, Marchiori A, Bernardi E, et al. Below-knee elastic compression stockings to prevent the post-thrombotic syndrome: a randomized, controlled trial. Ann Intern Med. 2004;141(4):249-56.
39. van der Hulle T, Kooiman J, den Exter PL, Dekkers OM, Klok FA, Huisman MV. Effectiveness and safety of novel oral anticoagulants as compared with vitamin K antagonists in the treatment of acute symptomatic venous thromboembolism: a systematic review and meta-analysis. J Thromb Haemost. 2014;12(3):320-8.
40. van Es N, Coppens M, Schulman S, Middeldorp S, Buller HR. Direct oral anticoagulants compared with vitamin K antagonists for acute venous thromboembolism: evidence from phase 3 trials. Blood. 2014;124(12):1968-75.
41. Konstantinides SV, Meyer G, Becattini C, Bueno H, Geersing GJ, Harjola VP, et al. 2019 ESC Guidelines for the diagnosis and management of acute pulmonary embolism developed in collaboration with the European Respiratory Society (ERS): The Task Force for the diagnosis and management of acute pulmonary embolism of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Respir J. 2019;54(3).
42. Erkens PM, Prins MH. Fixed dose subcutaneous low molecular weight heparins versus adjusted dose unfractionated heparin for venous thromboembolism. Cochrane Database Syst Rev. 2010(9):CD001100.
43. Garcia DA, Baglin TP, Weitz JI, Samama MM. Parenteral anticoagulants: Antithrombotic Therapy and Prevention of Thrombosis, 9th ed: American College of Chest Physicians Evidence-Based Clinical Practice Guidelines. Chest. 2012;141(2 Suppl):e24S-e43S.
44. arznei-telegramm. Fraktionierte Heparine zur Akuttherapie venöser Thromboembolien. a-t. 2009;01(40):1-4.
45. Kirkilesis G, Kakkos S, Bicknell C, Salim S, Kakavia K. Treatment of distal deep vein thrombosis. Cochrane Database Syst Rev. 2020;4:CD013422.
46. Donadini M, Ageno W, Antonucci E, Cosmi B, Kovacs M, Le Gal G. Prognostic significance of residual venous obstruction in patients with treated unprovoked deep vein thrombosis: a patient-level meta-analysis. Thromb Haemost. 2014;111(1):172–9.
47. Prandoni P, Lensing AW, Prins MH, Bernardi E, Marchiori A, Bagatella P, et al. Residual venous thrombosis as a predictive factor of recurrent venous thromboembolism. Ann Intern Med. 2002;137(12):955-60.
48. Palareti G, Legnani C, Cosmi B, Valdre L, Lunghi B, Bernardi F, Coccheri S. Predictive value of D-dimer test for recurrent venous thromboembolism after anticoagulation withdrawal in subjects with a previous idiopathic event and in carriers of congenital thrombophilia. Circulation. 2003;108(3):313-8.
49. Cosmi B, Legnani C, Tosetto A, Pengo V, Ghirarduzzi A, Testa S, et al. Usefulness of repeated D-dimer testing after stopping anticoagulation for a first episode of unprovoked venous thromboembolism: the PROLONG II prospective study. Blood. 2010;115(3):481-8.
50. Verhovsek M, Douketis JD, Yi Q, Shrivastava S, Tait RC, Baglin T, et al. Systematic review: D-dimer to predict recurrent disease after stopping anticoagulant therapy for unprovoked venous thromboembolism. Ann Intern Med. 2008;149(7):481-90, W94.
51. Douketis J, Tosetto A, Marcucci M, Baglin T, Cushman M, Eichinger S, et al. Patient-level meta-analysis: effect of measurement timing, threshold, and patient age on ability of D-dimer testing to assess recurrence risk after unprovoked venous thromboembolism. Ann Intern Med. 2010;153(8):523-31.
52. Kearon C, Ageno W, Cannegieter SC, Cosmi B, Geersing GJ, Kyrle PA, et al. Categorization of patients as having provoked or unprovoked venous thromboembolism: guidance from the SSC of ISTH. J Thromb Haemost. 2016;14(7):1480-3.
53. Kearon C, Parpia S, Spencer FA, Schulman S, Stevens SM, Shah V, et al. Long-term risk of recurrence in patients with a first unprovoked venous thromboembolism managed according to d-dimer results; A cohort study. J Thromb Haemost. 2019;17(7):1144-52.
54. Douketis J, Tosetto A, Marcucci M, Baglin T, Cosmi B, Cushman M, et al. Risk of recurrence after venous thromboembolism in men and women: patient level meta-analysis. BMJ. 2011;342:d813.
55. Segal JB, Brotman DJ, Necochea AJ, Emadi A, Samal L, Wilson LM, et al. Predictive value of factor V Leiden and prothrombin G20210A in adults with venous thromboembolism and in family members of those with a mutation: a systematic review. JAMA. 2009;301(23):2472-85.
56. Weingarz L, Schindewolf M, Schwonberg J, Hecking C, Wolf Z, Erbe M, et al. Thrombophilia and risk of VTE recurrence according to the age at the time of first VTE manifestation. Vasa. 2015;44(4):313-23.
57. Palareti G, Cosmi B, Legnani C, Tosetto A, Brusi C, Iorio A, et al. D-dimer testing to determine the duration of anticoagulation therapy. N Engl J Med. 2006;355(17):1780-9.
58. Prandoni P, Prins MH, Lensing AW, Ghirarduzzi A, Ageno W, Imberti D, et al. Residual thrombosis on ultrasonography to guide the duration of anticoagulation in patients with deep venous thrombosis: a randomized trial. Ann Intern Med. 2009;150(9):577-85.
59. Klok FA, Huisman MV. How I assess and manage the risk of bleeding in patients treated for venous thromboembolism. Blood. 2020;135(10):724-34.
60. Badescu MC, Ciocoiu M, Badulescu OV, Vladeanu MC, Bojan IB, Vlad CE, Rezus C. Prediction of bleeding events using the VTE-BLEED risk score in patients with venous thromboembolism receiving anticoagulant therapy (Review). Exp Ther Med. 2021;22(5):1344.
61. Agnelli G, Buller HR, Cohen A, Curto M, Gallus AS, Johnson M, et al. Apixaban for extended treatment of venous thromboembolism. N Engl J Med. 2013;368(8):699-708.
62. Weitz JI, Lensing AWA, Prins MH, Bauersachs R, Beyer-Westendorf J, Bounameaux H, et al. Rivaroxaban or Aspirin for Extended Treatment of Venous Thromboembolism. N Engl J Med. 2017;376(13):1211-22.
63. Ridker P, Goldhaber S, Danielson E, Rosenberg Y, Eby C, Deitcher S. Long-term, low-intensity warfarin therapy for the prevention of recurrent venous thromboembolism. N Engl J Med. 2003;348(15):1425-34.
64. Kearon C, Ginsberg J, Kovacs M, Anderson D, Wells P, Julian J. Comparison of low-intensity warfarin therapy with conventional-intensity warfarin therapy for long-term prevention of recurrent venous thromboembolism. N Engl J Med. 2003;349(7):631–9.

E-Zigaretten erleichtern den Rauchstopp

Hintergrund

E-Zigaretten, ein elektronisches System zur Abgabe von Nikotin, können als Hilfsmittel zur Rauch-Entwöhnung eingesetzt werden. Es gibt bereits Studien und einen «systematic review» zu dieser Fragestellung, aber die Studienpopulationen waren eher klein und die potenziellen Nebenwirkungen wurden nicht sorgfältig erfasst. In den publizierten Studien konnte ein positiver Effekt der E-Zigaretten als unterstützende Massnahme für das Aufhören von Rauchen gezeigt werden.
Dieses ist die grösste randomisierte Studie in der die Wirksamkeit und Sicherheit untersucht wurde.

Einschlusskriterien

  • Menschen älter als 18 Jahre, die mindestens 5 Zigaretten pro Tag für mindestens 1 Jahr geraucht haben und in den ersten drei Monaten nach Beginn der Studie mit dem Rauchen aufhören wollen.
  • Die Teilnehmer an der Studie wurden durch Werbung in der Laienpresse und den sozialen Medien rekrutiert.

Ausschlusskriterien

  • Schwangere oder Stillende
  • Nikotinersatztherapie oder Rauchstopp-Medikamente in den vergangenen 3 Monaten
  • Personen, die regelmässig E-Zigaretten oder «Nikotinverdampfer» verwendeten in den vergangenene 3 Monaten vor Studieneinschluss

Studiendesign und Methode

Randomisierte, nicht verblindete, multizentrische Studie

Studienort

Verschiedene Studienzentren in der Schweiz

Interventionen

  • Kontrollgruppe: Rauchstopp-Beratung – das beinhaltet eine kognitive Verhaltenstherapie, motivierende Gesprächsführung («motivational interviewing») und Medikamente, die den Rauch-Stopp unterstützen (Nikotinersatzpräparate, und Rauch-Stopp-Medikamente). Die erste Beratung fand vor Beginn der Studie statt. Dann folgten telefonische Beratungen zu Beginn der Studie und nach 1, 2, 4, und 8 Wochen. Die Teilnehmer erhielten einen Gutschein von 50 Franken.
  • Interventionsgruppe: Zusätzlich zur Rauchstopp-Beratung (wie in der Kontrollgruppe) erhielten die Teilnehmer zwei E-Zigaretten-Einsteigerpakete (Innokin Endura T20-S); die Teilnehmer wurden im Gebrauch instruiert und konnten zwischen vier unterschiedlichen Nikotinkonzentrationen und sechs unterschiedlichen Geschmacksrichtungen wählen (z.B. Tabak, Menthol oder Fruchtgeschmack). Sie konnten so viel nachbestellen, wie sie benötigten.

Sekundäre Outcomes

  • Schwerwiegende (Hospitalisation, Arbeitsunfähigkeit, oder Tod) und andere nachteilige Ereignisse

Resultat

  • 2027 Personen wurden für die Eignung zur Teilnahme an der Studie untersucht; 1246 wurden in die Studie eingeschlossen.
  • 47 % waren Frauen, das mediane Alter betrug 38 Jahre.
  • Mit dem Rauchen begannen sie, als sie etwa 16 Jahre alt waren; sie rauchten etwa 15 Zigaretten pro Tag und mehr als 80 % hat­ten schon ein oder mehrmals einen Rauch-Stopp-Versuch gemacht.
  • Dauerhaft über die 6 Monate nicht geraucht (biochemisch bestätigt) haben 28.9 % in der Interventionsgruppe und 16.3 % in der Kontrollgruppe.
  • Nikotinabstinent nach 6 Monaten (keine Zigaretten, keine E-Zigaretten, keine Nikotinersatzstoffe): 20 % in der Interventionsgruppe und 34 % in der Kontrollgruppe.
  • 4 % in der Interventionsgruppe und 5 % in der Kontrollgruppe hatten ein schwerwiegendes Ereignis. 44 % in der Interventionsgruppe berichteten über Nebenwirkungen und 37 % in der Kontrollgruppe. Ob diese Nebenwirkungen in einem kausalen Zusammenhang mit der Intervention standen, ist nicht klar, aber eher unwahrscheinlich.
  • Über Symptome einer COPD (Husten, Schleimproduktion, Atemnot) berichteten Teilnehmer in der Interventionsgruppe etwas weniger häufig als die in der Kontrollgruppe.

Kommentar

  • Die Ergebnisse dieser Studie sind ein weiterer Hinweis, dass der Einsatz von E-Zigaretten – zusätzlich zur Rauchstoppbe­ra­tung – die Wahrscheinlichkeit für einen Rauch-Stopp erhöht.
  • Nikotinabstinent nach 6 Monaten sind wesentlich mehr Teil­nehmer in der Kontrollgruppe. Die meisten Teilnehmer (~80 %) in der Interventionsgruppe rauchten weiterhin E-Zigaretten.
  • Interessant wäre zu wissen, wieviel ein Jahr nach Beendigung der Studie immer noch Nichtraucher sind. Die Autoren schreiben, dass sie dies nach einem, zwei und fünf Jahren nochmals eruieren wollen.
  • Unklar ist, ob die Teilnehmer die Nikotinersatzsubstan­zen und Rauch-Stopp-Medikamente selbst bezahlen mussten, oder im Rahmen der Studie kostenlos erhielten.

Literatur: Auer R. et al. Electronic Nicotine-Delivery Systems for Smoking Cessation. N Engl J Med. 2024; 390: 601 -610.

ORCID https://orcid.org/0000-0001-5368-5099

Prof. em. Dr. med. Johann Steurer

Zürichbergstrasse 7
8032 Zürich

johann.steurer@usz.ch

Auer R. et al. Electronic Nicotine-Delivery Systems for Smoking Cessation. N Engl J Med. 2024; 390: 601 -610.

Möglichkeiten und Grenzen in der digitalisierten Kommunikation mit neurologischen Patienten

Zusammenfassung: Hintergrund: In der vorliegenden Arbeit geht es um die Frage, welche digitalen Touchpoints im Verlauf einer «Patient Journey» von neurologischen Patienten gewünscht, wichtig für eine effektive Behandlung und einfach umsetzbar sind.
Methodik: 100 (44 Männer, 56 Frauen) Patienten in einer neurologischen Praxis an drei unterschiedlichen Standorten wurden mithilfe eines schriftlichen Fragebogens mit geschlossenen Fragen zu Themen der Online-Buchung, Terminvergabe und Erinnerung mit SMS, Videokonsultation mit dem Arzt sowie Chat mit dem Arzt oder der medizinischen Praxisassistentin befragt.
Ergebnisse: Es konnte gezeigt werden, dass, je älter eine Person ist, sie umso weniger eine digitale Buchung und Konsultation bevorzugt und dass sie je mehr sie arbeitet, sie umso mehr die digitale Buchung und Konsultation präferiert und je länger sie in der Schweiz lebt, sie umso weniger die Chatberatung wählt. Der Datenschutz spielt eher bei älteren Patienten, insgesamt aber eine untergeordnete Rolle. Hinsichtlich des Geschlechts können keine signifikanten Unterschiede aufgezeigt werden.
Diskussion: Die Ergebnisse stehen im Einklang mit einer Befragung des Schweizer Ärzteverbands (Foederatio Medicorum Helveticorum) aus dem Jahr 2020, die zeigt, dass die Bevölkerung eine Entlastung der Ärzte in administrativen Tätigkeiten durch die Anwendung digitaler Lösungen als wünschenswert erachtet. Auch in dieser Studie sind sowohl jüngere als auch ältere Patienten sehr interessiert, die Termine online zu buchen und eine Terminerinnerung per SMS zu erhalten. Da die älteren Patienten eher die konservative Buchung und Terminvergabe präferieren, sollte ein «Hybrid-Modell» angeboten werden, so dass beide Möglichkeiten bestehen.
Schlüsselwörter: Digitalisierung, Postcovid, Patientenreise, Touchpoints

Einleitung

Ausgangslage

Neurologische Erkrankungen sind die häufigste Ursache von einschneidenden Behinderungen (1). Dabei spielen sowohl die körperlichen, aber auch kognitiven Defizite eine Rolle. Sie führen dazu, dass Patienten mit neurologischen Erkrankungen im Alltag dahingehend eingeschränkt sind, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen (1). Erschwert ist dabei vor allem der Zugang zur ärztlichen Versorgung, und ein Besuch beim Hausarzt, aber vor allem auch beim Neurologen, der häufig weiter entfernt praktiziert, ist mit viel Aufwand verbunden. Das in dieser Arbeit als «digitales Postcovid»-Syndrom bezeichnete Phänomen steht für die Zunahme des telemedizinischen Einsatzes in der Medizin und vor allem in der Neurologie (2-5). Durch die COVID-19-Pandemie und dem damit verbundenen Lockdown wurden Konferenzen und Diskussionen beruflich, aber auch privat zunehmend digital und online durchgeführt (3-5). Auch wurden gehäuft Patienten telemedizinisch kontaktiert und visitiert, auch wenn dies bei der Krankenkasse nicht abgerechnet werden konnte. Vor allem immunsupprimierte oder schwer betroffene Patienten mit einer Beeinträchtigung der Atemmuskulatur, die Sorge hatten vor einer Ansteckung, konnten so beurteilt werden (2, 3, 5). Während in anderen Ländern die telemedizinische Beurteilung in die reguläre Patientenversorgung integriert wurde, steckt die Schweiz diesbezüglich noch in den Kinderschuhen. Dies könnte sich nun zunehmend verbessern, da viele Spitäler, Arztpraxen und Haushalte durch die Pandemie digital aufgerüstet wurden. Kameras, Lautsprecher und entsprechende Ausrüstungen wurden angeschafft, sodass sowohl auf Patienten-, aber auch Arztseite die Möglichkeit zur digitalen Kommunikation geschaffen wurde (4, 5). Neben dem telemedizinischen Einsatz zur digitalen Konsultation gibt es allerdings noch viele andere Möglichkeiten, wie die Kommunikation des Patienten mit dem Arzt oder dem nicht ärztlichen Personal in einer Praxis erfolgen kann. Erwähnt sei an dieser Stelle schon einmal die Möglichkeit, Termine online zu buchen, eine Bestätigung der Termine per SMS bestätigt zu bekommen sowie über einen Messenger mit dem Arzt oder der medizinischen Praxisassistentin Kontakt aufzunehmen. Des Weiteren ist die Einführung des elektronischen Patientendossiers (EPD) in der Schweiz vorgesehen, wodurch vor allem die Weitergabe von Patientendaten an weiterbehandelnde Ärzte, Therapeuten und ggf. Krankenkassen erleichtert werden soll. In diesem Zuge sind auch elektronische Rezepte geplant (6).

Zielsetzung und Fragestellung

In der Studie geht es um die Klärung der Fragen, welche Touchpoints im Rahmen einer Patient Journey sich in welcher Form und in welcher Reihenfolge zweckmässig digitalisieren lassen. Die Zweckmässigkeit wird primär aus der Nutzer- bzw. der Patientenperspektive beurteilt und sekundär aus technischer Sicht. Es soll mit der Digitalisierung jener Berührungspunkte begonnen werden, bei denen entsprechende Lösungen auf breite Kundenakzeptanz stossen, solange der damit einhergehende Aufwand durch den zu erwarteten Nutzen gerechtfertigt wird.

Customer Journey

Der Begriff «Customer Journey» stammt aus dem Marketing. Wie der Name schon sagt, geht es um eine «Reise des Kunden», den gesamten Prozess von der Entscheidung bis zum Kauf des Kunden in verschiedenen Phasen. In diesen Phasen entstehen bestimmte Punkte, bei denen es zu einem Kontakt oder auch einer Berührung der Punkte mit einem Unternehmen kommt. Diese Punkte werden (customer) Touchpoints genannt (7). Der Begriff «Touchpoint» stammt aus dem Englischen und bedeutet Kontakt- oder auch Berührungspunkt. Er steht für die Berührung zwischen Kunden und dem Hersteller von Produkten. Die einzelnen Touchpoints bilden dann die Customer Journey. Berührungspunkte können Werbungen im Internet, in Zeitschriften, auf Plakaten oder in Rundfunk und Fernsehen sein. Punkte mit Berührungen des Kunden sind auch Werbeanrufe oder Werbungen per Mail, die häufig als «Spams» bezeichnet werden. Die Erfahrung mit ihnen kann positiv oder negativ sein (9). Die Berührungspunkte sind wie Messstationen, an denen entsprechende Daten von Kunden über Kundenerfahrungen gesammelt werden, die wichtig sind, um Möglichkeiten, aber auch kritische Punkte den Unternehmen zu verdeutlichen, was ihnen helfen kann, sich von Konkurrenten im Markt abzugrenzen und die eigene Position zu stärken (10). Die klassische Werbung in Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen verliert zunehmend an Bedeutung. Wichtiger sind mittlerweile Apps wie Instagram, Youtube, Facebook oder X. Damit und mit entsprechenden Videos von Influencern wird der Kunde deutlich stärker beeinflusst (7).

Patientensegmente

Ein wichtiger Baustein im Marketing ist die Segmentierung der Kunden bzw. der Patienten (14). Wie für den Arzt die Anamnese – also die genaue Vorgeschichte über den Krankheitsverlauf – ist für das Marketing die Patientensegmentierung von grosser Relevanz. Ohne diese ist eine entsprechende Entwicklung eines Marketingkonzeptes gar nicht möglich (15). Es braucht das Wissen und das Verständnis für den einzelnen Patienten in einer gewissen Zielgruppe, um ein massgeschneidertes Marketing zu entwickeln (15). Aus wirtschaftlichen Gründen ist es nicht sinnvoll, jeden Kunden einzeln zu betrachten und für ihn ein individuelles Konzept zu erarbeiten, dennoch sollte der Ansatz verfolgt werden, den Kunden so persönlich wie möglich anzusprechen und zu erreichen. Dafür ist es wichtig, entsprechende Segmentierungskriterien festzulegen (14).

Methodik

In der Studie ging es um die Klärung der Fragen, welche Berührungspunkte sich in welcher Form und in welcher Reihenfolge zweckmässig digitalisieren lassen. Die Zweckmässigkeit wird primär aus der Nutzer- bzw. der Patientenperspektive beurteilt und sekundär aus technischer Sicht. Es soll mit der Digitalisierung jener Berührungspunkte begonnen werden, bei denen entsprechende Lösungen auf breite Kundenakzeptanz stossen, solange der damit einhergehende Aufwand durch den zu erwartenden Nutzen gerechtfertigt wird. Ziel ist es, Handlungsempfehlungen zur schrittweisen systematischen Integration von digitalen Unterstützungsansätzen in der Patient Journey herzuleiten.

Erhebungsmethode

In der hier vorliegenden Studie wurde ein Fragebogen entwickelt, der schriftlich von den Patienten ausgefüllt werden sollte. Im Fragebogen wurden insgesamt 5 Themenblöcke behandelt, die jeweils mit «stimme zu» – «stimme eher zu» – neutral –, «stimme eher nicht zu» und «stimme nicht zu» beantwortet werden konnten. Im ersten Themenblock ging es um das Onlinebuchen von Arztterminen (online buchen, Bedenken zur Datensicherheit). Beim zweiten Themenblock um «Aussagen/Fragen zu Versand von Terminen» (Bestätigung Termin per SMS). Beim dritten Themenblock ging es um die Videokonsultation mit dem Neurologen (Onlinekonsultation mit dem Neurologen oder der MPA). Bei den Themenblöcken 4 und 5 ging es um die Chatberatung durch den Arzt/Neurologen und die Chatberatung durch die medizinische Praxisassistentin (Chatberatung mit einem Messenger wie Whatsapp).

Auswertung der Daten und Ableitung eines Umsetzungsplanes

Die statistische Auswertung und deskriptive Darstellung der Daten erfolgte mithilfe von SPSS, Version 28 (17). Hier wurden zu den Skalenniveaus entsprechend statistische Kenn­werte ermittelt und grafisch dargestellt. Die erhobenen Fragen wurden im nächsten Schritt mit einer Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation untersucht. Ziel war es, Dimensionen zu identifizieren. Dabei kommen der Bartlett-Test und das KMO-Kriterium als Gütemass zum Einsatz (18). Anschliessend extrahierte Faktoren und die einzelnen Fragen wurden ebenfalls deskriptiv dargestellt und mithilfe des Shapiro-Wilk-Tests auf Normalverteilung überprüft. Im Anschluss erfolgte eine inferenzstatistische Darstellung der vorliegenden Daten. Dabei kommen im Falle von Verteilungsfreiheit und der kleinen Stichprobengrösse überwiegend nicht ­parametrische Verfahren wie Mann-Whitney-U-Tests, Friedman-Tests sowie Spearman-Rangkorrelationen zum Einsatz. Das Ziel war es, Zusammenhänge und Unterschiede identifizieren zu können. Im Falle von Mehrfachvergleichen wurde zudem die Bonferroni-Korrektur im Post-hoc-Test benutzt. Abschliessend wurden zusätzlich Effektstärken nach Cohen (19) berechnet. Aus dieser Auswertung kann dann das weitere Vorgehen bezüglich einer Umsetzung digitaler Lösungen in unserer Praxis abgeleitet werden.

Ergebnisse

In der durchgeführten Hauptkomponentenanalyse zeigt sich, dass sich die vorliegenden Daten sehr gut durch übergeordnete Faktoren erklären lassen (X²(66)=724.401, p<.001, KMO=.816). Beim Betrachten der Komponenten lassen sich drei Hauptkomponenten mit einem Eigenwert über eins darstellen, die gemeinsam 71.30 % der vorliegenden Varianz erklären können.
Die erste Hauptkomponente besteht aus den Fragen, die im Allgemeinen den Onlinekontakt mit medizinischem Personal betreffen (Konsultation, Chat). Die zweite Dimension betrifft Fragen, die sich ausschliesslich mit dem Buchungs- und Erinnerungssystem befassen. Die dritte Dimension zielt auf Fragen des Datenschutzes ab.
Dementsprechend werden an dieser Stelle die drei Dimensionen «Datenschutz», «Buchung Bestätigung» und «Konsultation Beratung» erstellt, indem die Mittelwerte der einzelnen Fragen berechnet werden.

Stichprobenbeschreibung

Von den teilgenommen 100 Versuchspersonen waren 44 männlich und 56 weiblich. 84 gaben eine Schweizer Nationalität an, 16 taten dies nicht. Drei Personen gaben an, einen Rollstuhl zu benutzen, vier einen Rollator und weitere vier einen Gehstock (siehe Abbildung 1a). Bezüglich der Altersverteilung ist ein Median von 4 darstellbar, was bedeutet, dass sich die oberen 50 % und die unteren 50 % in der Kategorie 50–70 Jahren trennen (Mdn=4). Sechs Personen waren unter 18, zwölf Personen zwischen 18 und 30, 22 Personen zwischen 30 und 50, 26 Personen zwischen 60 und 70 und 34 Personen über 70 Jahre alt (siehe Abbildung 1a). 16 Versuchspersonen gaben zudem an, allein zu leben, 55 zu zweit und 29 mit mehr als drei Personen im Haushalt. Der Median lag dementsprechend in der zweiten Kategorie (Mdn=2) (siehe Abbildung 1a). Bezüglich der Arbeitsbelastung ist ein Median von 1 darstellbar, was heisst, dass sich die oberen 50 % und die unteren 50 % in der Kategorie «Keinen» Beruf trennen (Mdn=1). 49 Personen arbeiten nicht, sieben weniger als 20 %, vier 20–50 %, neun 50–70 %, sieben 70–90 % und 24 zu 100 % (siehe Abbildung 1a). Eine Versuchsperson gab an, keine Deutschkenntnisse zu besitzen, zwei nur schlechte, sieben mittelmässige und sechs gute. 84 Versuchspersonen machten keine Angaben dahingehend. Der Median lag dementsprechend in der vierten Kategorie «mittelmässig» (Mdn=4) (siehe Abbildung 1b). Bezüglich der Sportverteilung ist ein Median von 3 darstellbar, was heisst, dass sich die oberen 50 % und die unteren 50 % in der Kategorie 1–2-mal pro Woche trennen (Mdn=3). 22 Personen machen keinen Sport, sieben 2–4-mal pro Monat, 28 1–2-mal pro Woche, 24 3–5-mal pro Woche und 19 Personen täglich (siehe Abbildung 1b). Eine Versuchsperson gab an, seit 2–5 Jahren in der Schweiz zu leben, zwei 5–10 Jahre, elf über 10 Jahre und 13 über 10 Jahre. 4 Versuchspersonen machten keine diesbezüglichen Angaben. Der Median lag dementsprechend in der dritten Kategorie «>10 Jahre» (Mdn=3) (siehe Abbildung 1b). Bezüglich der Unterstützung im Haushalt ist ein Median von 5 darstellbar, was heisst, dass sich die oberen 50 % und die unteren 50 % in der Kategorie «Keine» trennen (Mdn=5). Zwei Personen gaben an, im Pflegeheim zu leben, zwei mit der Spitex, 36 mit Partner/Familie und 60 ohne Unterstützung (siehe Abbildung 1b).

Inferenzstatistik

In den Korrelationsanalysen zeigen sich beinahe überall signifikante mittelstarke bis starke inverse Korrelationen bezüglich der Fragen und Faktoren zur Buchbarkeit und Konsultation und des Alters. Je älter eine Person ist, umso weniger präferiert sie die digitale Buchung und Konsultation/Beratung (rS=(-.405 -.542)). Beim Datenschutz fallen diese Zusammenhänge hingegen schwächer aus (rS=(-.068 -.292)). Des Weiteren zeigen sich signifikante schwache bis mittelstarke positive Korrelationen bezüglich der Fragen und Faktoren zur Buchbarkeit und Konsultation und des Berufes. Je mehr eine Person arbeitet, umso mehr präferiert sie die digitale Buchung und Konsultation/Beratung (rS=(.275 .447)). Beim Datenschutz ist nur ein schwacher Zusammenhang mit der Chatberatung durch den Arzt darstellbar (rS=202). Weitere signifikante Zusammenhänge zeigen sich nur noch stark negativ bei der Aufenthaltsdauer und Chatberatung durch den Arzt und die MPA (rS=-521, rS=-.498). Je länger eine Person also in der Schweiz lebt, umso weniger präferiert sie die Chatberatung. In den Gruppenunterschieden zeigen sich in den durchgeführten Mann-Whitney-U-Tests signifikante Unterschiede zwischen den Nationalitäten bezüglich der Faktoren Konsultation/Beratung (Z=2.121, p=.034), Datenschutz (Z=2.310, p=.021) und bei den Fragen zu Bedenken hinsichtlich Onlinebuchen (Z=2.060, p=.039), SMS-Buchbarkeit (Z=2.024, p=.043), Videokonsultation (Z=2.680, p=.007), Begrüssung Chatberatung Arzt (Z=2.118, p=.034) und Bedenken Chatberatung Arzt (Z=2.236, p=.025). Nach Cohen (1992) handelt es sich dabei um schwache Effekte (r=(.21 .27)). In der deskriptiven Darstellung zeigt sich dabei, dass die Versuchspersonen mit Schweizer Nationalität bei allen signifikanten Unterschieden niedrigere Werte aufweisen. Hinsichtlich des Geschlechts können keine signifikanten Unterschiede aufgezeigt werden.
Abschliessend werden die Fragen und Faktoren auf mögliche Unterschiede hin untereinander überprüft, um Präferenzen bezüglich der Digitalisierung feststellen zu können. Im durchgeführten Friedman-Test für die Faktoren ergeben sich signifikante Unterschiede (X²(2)=60.762, p<.001). Im Post-hoc-Vergleich zeigt sich dabei, dass die Buchung signifikant stärker präferiert wird als der Datenschutz (Z=6.965, p<.001) und die Konsultation (Z=5.763, p<.001). Nach Cohen (1992) kann hier von starken Effekten gesprochen werden (r=(.58 .70)). Datenschutz und Konsultation unterschieden sich hingegen nicht signifikant (Z=.229, p=.688).
Ein ähnliches Ergebnis zeigt sich bezüglich der einzelnen Fragen (X²(11)=229.663, p<.001, s. Abb. 4, 6). Unterschiede bezüglich der Präferenzen folgen dem Profil der Faktoren. Die Fragen, die sich mit der Terminbuchung und -erinnerung befassen, werden signifikant höher bewertet als jene, die von Datenschutz und Beratung/Konsultation handeln. Diese wiederum unterschieden sich nicht signifikant. Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass je älter eine Person ist, sie umso weniger eine digitale Buchung und Konsultation bevorzugt, und dass sie, je mehr sie arbeitet, sie umso mehr die digitale Buchung und Konsultation präferier, und je länger sie in der Schweiz lebt, sie umso weniger die Chatberatung wählt. Der Datenschutz spielt eher bei älteren Patienten, insgesamt aber eine untergeordnete Rolle. Hinsichtlich des Geschlechts können keine signifikanten Unterschiede aufgezeigt werden.

Diskussion

In der Studie ging es um die Klärung der Frage, welche Berührungspunkte sich in welcher Form und in welcher Reihenfolge zweckmässig digitalisieren lassen. Es zeigte sich, dass je älter eine Person ist, sie umso weniger eine digitale Buchung und Konsultation präferiert. Dies muss vor allem bei der Umsetzung der Touchpoints der Patient Journey berücksichtigt werden, da die Hauptklientel in einer neurologischen Praxis Patienten über 60 Jahre alt ist (23). Ältere Menschen haben jetzt schon in anderen Bereichen Mühe bei digitalen Lösungen, wie zum Beispiel hinsichtlich des Kaufes von Zugtickets. Die SBB kann es sich aber leisten, das System so umzustellen, da sie damit eher weniger Kunden verliert (24). In einer Arztpraxis wird aber wohl eher der entsprechende Arzt gewechselt, wenn die Kommunikation mit ihm und der Arztpraxis nicht funktioniert. Auch in einer Studie der FMH zeigte sich, dass je älter eine Person in der Befragung ist, sie eher nicht digitale Lösungen präferiert (22). Es zeigte sich auch, dass eine signifikant (schwache bis mittelstarke) positive Korrelationen bezüglich der Fragen und Faktoren zur Buchbarkeit und Konsultation und des Berufes. Das bedeutet, dass je mehr eine Person arbeitet, sie umso stärker die digitale Buchung und Konsultation präferiert. Dies ist auch über das oben erwähnte Alter erklärbar, da fast alle «Patienten ohne Beruf» Rentner waren und somit in einem Alter, in dem sie nicht gerne auf digitale Medien zurückgreifen (23, 24). Weitere signifikante Zusammenhänge zeigen sich nur noch stark negativ bei der Aufenthaltsdauer in der Schweiz und Chatberatung durch den Arzt und die MPA. Je länger eine Person also in der Schweiz lebt, umso weniger präferiert sie die Chatberatung. Diese Aussage ist nur eingeschränkt beurteilbar, da der Anteil der ausländischen Patienten in dieser Umfrage eher gering war, entspricht aber sehr wahrscheinlich den Anteil der Grundgesamtheit, dass heisst, der zu unseren Praxen kommenden Patienten. Von den ausländischen Patienten nahmen in der Zeit der Umfrage fast alle teil, sodass der Anteil repräsentativ ist. Um aber eine bessere Aussage zu dem Zusammenhang ausländischer Patienten und die Präferenz zur Chatberatung durch den Arzt oder die MPA treffen zu können, müssten spezifisch hierfür eine weitere Befragung mit einem höheren Anteil ausländischer Patienten zur Bekräftigung oder Widerlegung stattfinden. Sollte es zutreffen, wäre dies verständlich, da es bei mangelnden Sprachkenntnissen für einen Patienten einfacher ist, schriftlich via Chat zu kommunizieren. Er könnte bei Bedarf im Wörterbuch nachschlagen. Schwieriger ist es dann, das gesprochene Wort zu verstehen und Sätze selbst mündlich zu produzieren (25).
In den verschiedenen Gruppen zeigen sich signifikante Unterschiede zwischen den Nationalitäten bezüglich der Faktoren Konsultation/Beratung, Datenschutz und bei den Fragen zu Bedenken Onlinebuchen/SMS-Buchbarkeit, Videokonsultation, Begrüssung/Chatberatung Arzt und Bedenken/Chatberatung Arzt. Der Datenschutz spielt eher bei älteren Patienten, aber insgesamt eine untergeordnete Rolle. In der deskriptiven Darstellung zeigt sich dabei, dass die Versuchspersonen mit Schweizer Nationalität bei allen hervorstechenden Unterschieden niedrigere Werte aufweisen. Hinsichtlich des Geschlechts können keine bemerkenswerten Unterschiede aufgezeigt werden. Im Post-hoc-Vergleich zeigt sich dabei, dass die Buchung signifikant mehr bedeutet als der Datenschutz und die Konsultation. Datenschutz und Konsultation unterschieden sich hingegen nicht deutlich. Ein ähnliches Ergebnis zeigt sich bezüglich der einzelnen Fragen. Unterschiede hinsichtlich der Präferenzen folgen dem Profil der Faktoren. Die Fragen, die sich mit der Terminbuchung und -erinnerung befassen, werden bedeutend höher bewertet als jene, die sich mit Datenschutz und Beratung/Konsultation befassen. Diese wiederum unterschieden sich nicht signifikant voneinander. Das Thema Datenschutz lässt sich nicht so gut mit anderen Studien vergleichen. In der Onlinebefragung der FMH spielte es keine Rolle (22). Es gibt aber Untersuchungen zu diesem Thema, die vor allem auf die Schwierigkeiten zur Umsetzung des Datenschutzes in digitalen Medien hinweisen, auf die in Zukunft geachtet werden müsste (26, 27).
Als Handlungsempfehlungen ergeben sich als erste Priorität die Einführung der Benachrichtigung und Erinnerung der Patienten via SMS, gefolgt von der Möglichkeit, Termine online zu buchen, und der Einrichtung eines Chats mit der MPA. Die Einführung einer Videokonsultation sollte ggf. für kurze Folgekonsultationen angeboten werden oder als Angebot für Patienten mit grösserem Handicap, für die die Anfahrt zur persönlichen Konsultation sehr beschwerlich ist. Eine Generalisierbarkeit – also Übertragung der Ergebnisse auf alle Arztpraxen – ist, da die Studie in neurologischen Praxen durchgeführt wurde, sicherlich nicht gegeben, könnte aber einen ««Denkanstoss» geben. Grundsätzlich konnte sich in Studien in anderen Ländern, in denen die Digitalisierung weiter vorangeschritten ist, ein Nutzen für die Patienten aber auch ökonomischer Natur zeigen (28). Aus unserer Befragung lässt sich nicht ableiten, ob die Präferenz bei körperlich eingeschränkten Patienten ggf. grösser ist, da zu wenig Patienten mit Handicap und grösseren Einschränkungen daran teilgenommen haben. Auch hierfür müsste ggf. eine neue Befragung speziell dieser Patienten durchgeführt werden, um die Präferenz beurteilen zu können. Sicherlich könnte aber die Videokonsultation als Möglichkeit in der Praxis angeboten werden, da die technischen Voraussetzungen vorhanden sind und dies eine gute Werbung und Abgrenzung zu anderen Praxen sein könnte. Technisch sollte sowohl die Erinnerung via SMS als auch das Onlinebuchen kein grosses Problem sein, da mehrere Softwareanbieter für Arztpraxen dies anbieten und wir demnächst auf eine dieser Softwares wechseln. Bei der Umsetzung dieser Lösung sollte aber ein «Hybrid-Modell» bestehen bleiben, sodass zwar ein Angebot für SMS-Benachrichtigung und -erinnerung sowie Onlinebuchen grundsätzlich vorhanden ist, dass aber allen Patienten – vor allem auch den älteren – die Möglichkeit bleibt, «konservativ» telefonisch oder persönlich die Termine mit Terminkärtchen zu erhalten. Schliesslich werden nicht alle Patienten dem digitalen Fortschritt folgen können (24).

Fazit

Die Digitalisierung setzt sich in vielen Bereichen auch im Gesundheitswesen immer mehr durch. Durch die Pandemie wurde der Prozess der Digitalisierung katalysiert, da sowohl bei Konferenzen und Fortbildungen von ärztlichem Personal und Ärzten, aber auch bei der Kommunikation mit Patienten der persönliche Kontakt mehr und mehr vermieden und auf digitale Lösungen zurückgegriffen wurden. Zum einen ist es wichtig, Voraussetzungen zu schaffen, dass die Einführung und der Zugang der allgemeinen Bevölkerung, aber auch der Personen des Gesundheitssystems zu digitalen Lösungen erleichtert wird. Dafür gibt es in verschiedenen Ländern bereits gute Ansätze. Wichtig wäre es daher, in weiteren Forschungsfeldern herauszufinden, wie man diese verbessern kann und welche Faktoren es sind, die auf möglichst einfache Art und Weise die Digitalisierung vorantreiben oder auch wie vor allem der älteren Generation der Zugang zu digitalen Medien erleichtert werden kann. Dieses Patientensegment wäre vor allem zum aktuellen Zeitpunkt am stärksten von einer Digitalisierung an verschiedenen Touchpoints im Gesundheitssystem betroffen, weshalb die Forschung darauf ihren Schwerpunkt legen sollte. Ein sicherlich neuartiger und spannender Ansatz ist Generative pre-trained transformer (GPT), der unter anderen auch das amerikanische Medizinexamen (United States Medical Licensing Examination, USMLE) bestanden hat (29). Die Möglichkeiten für seinen Einsatz sind sehr interessant. Er könnte das Personal vor allem bei administrativen Aufgaben wie Datenabfragung, Anamneseerhebung, Arztbriefen und sogar zur Diagnosestellung und Therapieentwicklung unterstützen. Wichtig ist aber, dass die Haupt- und Endentscheidung beim verantwortlichen Arzt liegt (29, 30).

Der Link zum Fragebogen lautet:

https://acrobat.adobe.com/id/urn:aaid:sc:EU:94ed737f-3267-4361-abd9-afea55affa57

Historie
Manuskript eingereicht: 02.12.2023
Nach Revision angenommen: 25.03.2024

PD Dr. med.David Czell

NeuroMedics Uster, Schweiz
Praxis Neurologie Uster
Loren-Allee 22
8610 Uster

neuromedics.uster@hin.ch

Es bestehen keine Interessenkonflikte.

  • je älter eine Person ist, umso weniger wird eine digitale Buchung und Konsultation bevorzugt
  • je mehr eine Person arbeitet, umso mehr präferiert sie eine digitale Buchung und Konsultation
  • je länger eine Person in der Schweiz lebt, umso weniger bevorzugt sie eine Chatberatung
  • Datenschutz spielt eher bei älteren Patienten, insgesamt aber eine untergeordnete Rolle
  • Hinsichtlich des Geschlechts können keine signifikanten Unterschiede aufgezeigt werden.
  • Da ältere Patienten eher die konservative Buchung und Terminvergabe präferieren, sollte ein «Hybrid-Modell» in der Praxis angeboten werden, sodass beide Möglichkeiten bestehen.

1. Jochheim: Epidemiologie von Impairments, Disabilities und Handicaps bei neurologischen Erkrankungen. Berlin: Blackwell Wissenschafts-Verlag; 1999.
2. Breitenstein C, Grewe T, Floel A, Ziegler W, Springer L, Martus P, Huber W, Willmes K, Ringelstein EB, Haeusler KG et al: Intensive speech and language therapy in patients with chronic aphasia after stroke: a randomised, open-label, blinded-endpoint, controlled trial in a health-care setting. Lancet 2017, 389(10078):1528-1538.
3. El Naamani K, Abbas R, Mukhtar S, El Fadel O, Sathe A, Kazan AS, El Hajjar R, Sioutas GS, Tjoumakaris SI, Menachem Maimonides Bhaskar S et al: Telemedicine during and post-COVID 19: The insights of neurosurgery patients and physicians. J Clin Neurosci 2022, 99:204-211.
4. Roy D, Ghosh R, Dubey S, Dubey MJ, Benito-León J, Kanti Ray B: Neurological and Neuropsychiatric Impacts of COVID-19 Pandemic. Can J Neurol Sci 2021, 48(1):9-24.
5. Algahtani HA, Shirah BH: Rapid implementation of telemedicine in Neurology during the COVID-19 pandemic: Challenges in King Abdulaziz Medical City-Jeddah. Neurosciences (Riyadh) 2022, 27(1):4-9.
6. Baur I: (Individualized Medicine, Electronic Patient File and Further Use of Health Data). Praxis (Bern 1994) 2019, 108(3):185-188.
7. Hefner E-M: Mit dem Kunden zum Erfolg — Customer Touchpoint Management als Strategie. Marketing Review St Gallen 2010, 27(2):27-31.
8. Becker J: Marketing-Konzeption: Grundlagen des ziel-strategischen und operativen Marketing-Managements: Vahlen; 2019.
9. Schüller AM: Touchpoints: auf Tuchfühlung mit dem Kunden von heute ; Managementstrategien für unsere neue Businesswelt: GABAL; 2012.
10. Porter ME: Competitive Advantage: Creating and Sustaining Superior Performance: Free Press; 2008.
11. Weinberg T, Ladwig W, Pahrmann C: Social-Media-Marketing: Strategien für Twitter, Facebook & Co: O‘Reilly; 2012.
12. Schüller AM: Touchpoints: Auf Tuchfühlung mit dem Kunden von heute. Managementstrategien für unsere neue Businesswelt: GABAL Verlag; 2020.
13. Simakova E: Marketing Technologies: Corporate Cultures and Technological Change: Routledge; 2013.
14. Freter H: Markt- und Kundensegmentierung: kundenorientierte Markterfassung und -bearbeitung: Kohlhammer; 2008.
15. Brommels M: Patient Segmentation: Adjust the Production Logic to the Medical Knowledge Applied and the Patient‘s Ability to Self-Manage-A Discussion Paper. Front Public Health 2020, 8:195.
16. Scholl A: Die Befragung: utb GmbH; 2018.
17. Field A: Discovering Statistics Using IBM SPSS Statistics: SAGE Publications; 2017.
18. Backhaus K, Erichson B, Gensler S, Weiber R, Weiber T: Multivariate Analysis: An Application-Oriented Introduction: Springer Fachmedien Wiesbaden; 2021.
19. Cohen J: A power primer. Psychol Bull 1992, 112(1):155-159.
20. Royston P: Approximating the Shapiro-Wilk W-test for non-normality. Statistics and Computing 1992, 2(3):117-119.
21. Shapiro SS, Wilk MB: An analysis of variance test for normality ( complete samp 1 es ) t. In: 2007; 2007.
22. Pfeiffera V: «There is an App for That»: Zukunft oder ärztlicher Alltag? Schweizerische Ärztezeitung der FMH 2022, 103(31-32):962-965.
23. Hamann T, Lemke S, Kropp P, Rimmele F, Jürgens TP, Frielitz F: Optimizing telemedical care in neurological outpatients by characterizing the patients‘ needs in the physician-patient relationship-content analysis of guideline-based interviews. BMC Neurol 2021, 21(1):291.
24. Kunonga TP, Spiers GF, Beyer FR, Hanratty B, Boulton E, Hall A, Bower P, Todd C, Craig D: Effects of Digital Technologies on Older People‘s Access to Health and Social Care: Umbrella Review. J Med Internet Res 2021, 23(11):e25887.
25. Odendaal WA, Anstey Watkins J, Leon N, Goudge J, Griffiths F, Tomlinson M, Daniels K: Health workers‘ perceptions and experiences of using mHealth technologies to deliver primary healthcare services: a qualitative evidence synthesis. Cochrane Database Syst Rev 2020, 3(3):Cd011942.
26. Romansky RP, Noninska IS: Challenges of the digital age for privacy and personal data protection. Math Biosci Eng 2020, 17(5):5288-5303.
27. Wang C, Guo F, Ji M: Analysis of Legal Issues of Personal Information Protection in the Field of Big Data. J Environ Public Health 2022, 2022:1678360.
28. Flodgren G, Rachas A, Farmer AJ, Inzitari M, Shepperd S: Interactive telemedicine: effects on professional practice and health care outcomes. Cochrane Database Syst Rev 2015, 2015(9):Cd002098.
29. Sallam M: ChatGPT Utility in Healthcare Education, Research, and Practice: Systematic Review on the Promising Perspectives and Valid Concerns. Healthcare (Basel) 2023, 11(6).
30. Cascella M, Montomoli J, Bellini V, Bignami E: Evaluating the Feasibility of ChatGPT in Healthcare: An Analysis of Multiple Clinical and Research Scenarios. J Med Syst 2023, 47(1):33.