Die Grundzüge der Arzthaftung in der Schweiz sind dieselben, unabhängig davon, ob ein Arzt selbständig oder angestellt tätig ist. Der erste Teil dieses Beitrags bietet einen Überblick über die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der zivilrechtlichen bzw. staatshaftungsrechtlichen Haftung, die auf den finanziellen Ausgleich erlittener Schäden von Patienten abzielt. Im zweiten Teil wird auf den Versicherungsschutz sowie auf wichtige Pflichten eingegangen, die der Arzt bei Eintritt eines Schadenfalls hat. Der dritte Teil des Beitrags enthält aus der Praxis eines Spitals entwickelte Empfehlungen, was nach einem möglichen Behandlungsfehler konkret vorzukehren ist.
Schlüsselwörter: Berufshaftung, Verletzung der Sorgfaltspflicht, Krankenversicherung, Behandlungsfehler
Rechtlich wird zwischen zwei Arten der Arzthaftung unterschieden. Einerseits existiert die strafrechtliche Arzthaftung, welche sich gegen die Einzelperson richtet und eine Verurteilung wegen Erfüllung eines Straftatbestands zur Folge haben kann (z. B. Körperverletzung, Tötung etc.). Anderseits gibt es die zivilrechtliche (bzw. für angestellte Ärzte in öffentlichen Institutionen die staatshaftungsrechtliche) Arzthaftung, die auf den finanziellen Ausgleich erlittener Schäden von Patienten abzielt. Der vorliegende Beitrag fokussiert auf die zivilrechtliche Arzthaftung, deren Voraussetzungen und auf die Versicherung gegen das entsprechende Risiko.
Voraussetzungen der zivilrechtlichen Arzthaftung
Haftungsvoraussetzungen sind das Vorliegen eines Behandlungsverhältnisses, ein Schaden beim Patienten, eine Pflichtverletzung des Arztes, ein Kausalzusammenhang und ein Verschulden des Arztes.
Behandlungsverhältnis zwischen Arzt und Patient
Auf das Behandlungsverhältnis zwischen Arzt und Patient kommen grundsätzlich die obligationenrechtlichen Bestimmungen über den Auftrag zur Anwendung (Artikel 394 ff. des Obligationenrechts, OR). Ein Auftrag kommt formfrei zustande, d. h. ohne Unterzeichnung etwa eines Vertrags (z. B. durch eine Onlineterminvereinbarung).
Ein Behandlungsverhältnis ist vom Patienten nachzuweisen. In der Praxis ist die Existenz eines Behandlungsverhältnisses in der Regel unstrittig.
Schaden beim Patienten
Eine erlittene Gesundheitsschädigung (Organverletzung, Seitenverwechslung, Zahnschaden etc.) reicht zur Begründung eines Schadens im haftpflichtrechtlichen Sinn noch nicht aus. Dazu muss die Gesundheitsschädigung nämlich entweder finanzielle Folgen haben, für welche Schadenersatz verlangt wird (z. B. Lohnausfall oder Mehrkosten durch längere Behandlungsdauer, Betreuungskosten etc.). Oder der Gesundheitsschaden stellt eine vermögensunabhängige Beeinträchtigung der Persönlichkeit dar, für welche Genugtuung verlangt wird (z. B. seelische Beeinträchtigungen in Form von körperlichen Schmerzen, Verminderung der Lebensfreude etc.) (Bundesgerichtsentscheid [BGE] 125 III 412 Erwägung [E.] 2a).
In der Praxis wird selten bestritten, dass ein Schaden vorliegt. Die Meinungen gehen jedoch regelmässig bei der Frage auseinander, wodurch er verursacht wurde und wie hoch er zu beziffern ist (z. B. bei der Berechnung des hypothetischen Erwerbsaufalls).
Pflichtverletzung des Arztes
Ein Behandlungsverhältnis bringt für den Arzt u. a. zwei zentrale Berufspflichten mit sich: die Sorgfaltspflicht und die Aufklärungspflicht (BGE 117 Ib 197 E. 2a). Am häufigsten werfen Patienten den Ärzten eine Verletzung eine dieser Berufspflichten vor, weshalb sie nachfolgend näher beleuchtet werden.
Sorgfaltspflicht und deren Verletzung
Der Arzt «schuldet» dem Patienten keinen Behandlungserfolg, sondern lediglich ein sorgfältiges Tätigwerden nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst (lege artis). Die Anforderungen an diese ärztliche Sorgfaltspflicht sind nicht abschliessend geregelt. Laut Bundesgericht, dem höchsten Gericht der Schweiz, richten sich diese vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls, namentlich nach der Art des Eingriffs oder der Behandlung, den damit verbundenen Risiken, dem Ermessensspielraum, den Mitteln und der Zeit, die dem Arzt im Einzelfall zur Verfügung steht, sowie nach dessen Ausbildung und Leistungsfähigkeit und den allgemeinen Richtlinien und Behandlungsstandards der Fachgesellschaften (BGE 134 IV 175 E. 3.2). Der Arzt hat seine Patienten zum Schutze ihres Lebens oder ihrer Gesundheit stets fachgerecht zu behandeln und dabei die nach den Umständen gebotene und zumutbare Sorgfalt zu beachten (Urteil des Bundesgerichts 4A_255/2021 vom 22. März 2022 E. 3.1.3). Dazu gehört auch, dass der Arzt seine eigenen (fachlichen) Grenzen kennt (zum sog. Übernahmeverschulden siehe Urteil des Bundesgerichts 6B_217/2020 vom 31. August 2020 E. 4.2).
Ein Behandlungsfehler – gemeinhin «Kunstfehler» genannt – liegt gemäss Bundesgericht vor, wenn eine Diagnose, eine Therapie oder ein sonstiges ärztliches Vorgehen nach dem allgemeinen fachlichen Wissensstand nicht mehr als vertretbar erscheint und damit ausserhalb der objektivierten ärztlichen Kunst steht (Urteil des Bundesgerichts 4A_255/2021 vom 22. März 2022 E. 3.1.3). Darunter fällt etwa eine Seitenverwechslung oder das Vergessen von Instrumenten oder Tupfern im Körper des Patienten. Der Arzt haftet indessen nicht nur für grobe Verstösse gegen die Regeln der ärztlichen Kunst, sondern für jede Pflichtverletzung (BGE 120 Ib 411 E. 4a).
Der Begriff der Pflichtverletzung darf dabei aber nicht so verstanden werden, dass darunter jede Massnahme oder Unterlassung fällt, welche bei nachträglicher Betrachtung den Schaden bewirkt oder vermieden hätte (BGE 130 IV 7 E. 3.3). Der Arzt hat nämlich sowohl bei der Diagnose als auch bei der Behandlung nach dem objektiven Wissensstand oftmals einen Entscheidungsspielraum, der eine Auswahl aus verschiedenen in Betracht kommenden Möglichkeiten zulässt. Sich für die eine oder andere zu entscheiden, fällt in das pflichtgemässe Ermessen des Arztes, ohne dass er zur Verantwortung gezogen werden könnte, wenn er bei einer retrospektiven Beurteilung nicht die objektiv beste Lösung gefunden hat (BGE 120 Ib 411 E. 4a).
Stellt sich etwa eine Diagnose rückblickend als falsch heraus, ist zwischen einem (nicht vorwerfbaren) Diagnoseirrtum und einer Fehldiagnose zu unterscheiden. Da der Arzt als Auftragnehmer die Erhebung eines korrekten Befundes nicht garantieren kann bzw. muss, hat er nur dann für die falsche Diagnose einzustehen, wenn er dabei nicht fachgerecht vorgegangen ist und die erforderlichen Mittel und Erkenntnisquellen nicht genutzt oder beigezogen hat (BGE 130 IV 7 E. 3.3).
Bei der Beurteilung von Haftungsfragen in der Rechtsprechung wird schliesslich berücksichtigt, dass ein Arzt eine sog. gefahrengeneigte Tätigkeit ausübt (BGE 120 Ib 411 E. 4a). Für jene Gefahren und Risiken, die mit einer ärztlichen Handlung oder Krankheit immanent verbunden sind, hat der Arzt nicht einzustehen (BGE 134 IV 175 E. 3.2). Mit anderen Worten stellen blosse Komplikationen bzw. deren Eintreten keinen Verstoss gegen die Regeln der ärztlichen Kunst dar, sondern sind ein therapeutisches Risiko (z. B. Infektion, Embolie, Blutung oder Thrombose). Für dieses Risiko haftet der Arzt nicht, wenn er den Patienten vorgängig darüber aufgeklärt und alle Vorkehrungen getroffen hat, um den Eintritt des Risikos zu vermeiden (BGE 117 Ib 197 E. 3b).
Ein Behandlungsfehler ist vom Patienten nachzuweisen (BGE 133 III 121 E. 3.1 und 3.4). Dies geschieht üblicherweise mittels eines Gutachtens eines sachverständigen Arztes (vgl. als Beispiel das Urteil des Bundesgerichts 4C.32/2003 vom 19. Mai 2003 E. 4.1).
Aufklärungspflicht und deren Verletzung
Jede ärztliche Behandlung stellt einen Eingriff in die körperliche Integrität des Patienten dar. Ein solcher Eingriff ist grundsätzlich rechtswidrig, wenn er nicht auf einer vorherigen Einwilligung des Patienten beruht. Laut Bundesgericht gründet das Erfordernis der Einwilligung des Patienten und der damit verbundene Aufklärungsanspruch in dessen allgemeine Persönlichkeitsrechte und dient dem Schutz sowohl der freien Willensbildung, dem Selbstbestimmungsrecht als auch der körperlichen Integrität des Patienten (BGE 115 Ib 175 E. 2b).
Ein Patient kann nur soweit in eine Behandlung einwilligen, wie er darüber aufgeklärt wurde (informed consent). Der Arzt muss den Patienten klar, verständlich und so umfassend wie möglich über Diagnose, Therapie, Prognose, Behandlungsalternativen, Risiken, Heilungschancen, den spontanen Verlauf der Krankheit sowie gegebenenfalls über finanzielle Fragen aufklären (BGE 133 III 121 E. 4.1.2). Dabei sind der soziale Hintergrund und die Sprache des Patienten (nicht die des Arztes) als Richtmass mitzuberücksichtigen. Ziel ist es, den Patienten in die Lage zu versetzen, möglichst umfassend zu verstehen und aus freien Stücken in die vorgeschlagene Behandlung einzuwilligen oder diese abzulehnen. Gleichzeitig darf die Aufklärung beim Patienten aber laut Bundesgericht auch «keinen für seine Gesundheit schädlichen Angstzustand» hervorrufen – es gilt eine gewisse Verhältnismässigkeit zu finden (BGE 117 Ib 197 E. 3b).
Einschränkungen oder gar Ausnahmen von der ärztlichen Aufklärungspflicht sind nur in bestimmten Fällen zulässig, etwa wenn es sich um eine Notfallbehandlung handelt. Diesfalls ist die ausführliche Aufklärung so schnell wie möglich nachzuholen.
Der Zeitpunkt der Aufklärung ist so früh wie möglich zu fixieren, damit gewährleistet ist, dass der Patient ohne Zeitdruck überlegen kann. Laut Bundesgericht muss der Patient bei kleineren Eingriffen grundsätzlich spätestens einen Tag vor dem Eingriff seine Einwilligung erklären. Für grössere Eingriffe hat das Bundesgericht den Grundsatz festgehalten, dass die nötige Bedenkzeit mindestens drei Tage betragen muss (Urteil des Bundesgerichts 6B_910/2013 vom 20. Januar 2014 E. 3.6.1). Unerheblich ist dabei, ob eine Behandlung ambulant oder stationär erfolgt.
Bringt ein Patient vor, nicht (angemessen) über eine Behandlung aufgeklärt worden zu sein, liegt die Beweislast für die ordnungsgemässe Aufklärung und die Einwilligung des Patienten beim Arzt – ist also gerade umgekehrt als beim Nachweis eines Behandlungsfehlers (BGE 115 Ib 175 E. 2b). Aus diesem Grund empfiehlt es sich, das Aufklärungsgespräch schriftlich zu dokumentieren, z. B. mit einem Formular, welches Arzt und Patient unterzeichnen. Ein allgemeiner Vermerk in der Patientendokumentation, wonach der Patient über die geplante Behandlung und ihre möglichen Komplikationen informiert worden sei, reicht laut Bundesgericht nicht aus (BGE 117 Ib 197 E. 3c).
Verletzt der Arzt seine Aufklärungspflicht oder misslingt ihm der Nachweis der Aufklärung, gilt die gesamte durchgeführte Behandlung als widerrechtlich. Der Arzt haftet diesfalls für den entstandenen Schaden, auch wenn er die Behandlung lege artis durchgeführt hat (BGE 108 II 59 E. 3). Entlasten könnte sich der Arzt in diesem Fall durch den Nachweis, dass der Patient bei ordnungsgemässer Aufklärung in die Behandlung eingewilligt hätte (sog. hypothetische Einwilligung) (BGE 133 III 121 E. 4.1.3). Es versteht sich von selbst, dass ein solcher Nachweis um einiges aufwendiger zu erbringen ist. Eine sorgfältige Dokumentation der Aufklärung wird daher dringlich empfohlen.
Kausalzusammenhang zwischen Schaden und Pflichtverletzung
Der Arzt haftet nur für den Schaden eines Patienten, wenn zwischen dem Schaden und der Tätigkeit bzw. der Pflichtverletzung des Arztes ein Kausalzusammenhang besteht. Die Pflichtverletzung muss als natürliche Ursache des Schadens erscheinen und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Erfahrung geeignet sein, den Schadenseintritt herbeizuführen oder ihn jedenfalls zu begünstigen (Urteil des Bundesgerichts 4C.32/2003 vom 19. Mai 2003 E. 4.2.1).
Der Kausalzusammenhang ist vom Patienten nachzuweisen. Dies geschieht üblicherweise in Form eines Gutachtens durch einen sachverständigen Arzt (vgl. als Beispiel das Urteil des Bundesgerichts 4A_98/2010 vom 21. April 2010 E. 4).
Verschulden des Arztes
Ein «Verschulden» ist in haftungsrechtlichen Abklärungen nicht in einem moralischen Sinne zu verstehen: Das Verschulden des Arztes wird grundsätzlich vermutet, wenn eine Pflichtverletzung nachgewiesen ist, und muss nicht vom Patienten nachgewiesen werden (BGE 120 II 248 E. 2c). Dem Arzt steht unter Umständen die Möglichkeit offen, sich vom geäusserten Vorwurf zu befreien und nachzuweisen, dass er sich keiner Pflichtverletzung schuldig gemacht hat bzw. ihm der objektiv festgestellte Kunstfehler nicht zum Vorwurf gemacht werden kann (sog. Exkulpation) (BGE 133 III 121 E. 3.1). Dazu hat er nachzuweisen, dass er in der konkreten Situation unter den gegebenen Umständen die ihm zumutbare Sorgfalt angewendet hat.
Versicherungsschutz und -ansprüche
Versicherungsdeckung
Ein selbständig tätiger Arzt muss von Gesetzes wegen über eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung verfügen (Art. 40 lit. h des Medizinalberufegesetzes, MedBG). Spitäler haben für ihre Angestellten in der Regel ebenfalls eine solche abgeschlossen.
Die Versicherungsdeckung und -leistungen variieren von Police zu Police, je nach den Bedürfnissen des Versicherten, des Tätigkeitsfeldes und der Risikobereitschaft. Es lohnt sich, die eigene Police – bereits vor Eintritt eines Schadenfalls – zu kennen bzw. diese gelegentlich zu überprüfen (z. B. hinsichtlich der versicherten Risiken und Personen, Deckungsausschlüsse, Selbstbehalt etc.).
Wichtige Pflichten des Versicherten im Schadenfall
Bei Eintritt eines Schadenfalls hat der Arzt üblicherweise verschiedene Pflichten. Zwei der wichtigsten umfassen die zeitnahe Anzeige an die Haftpflichtversicherung und die Pflicht, vor Schuldeingeständnissen oder Anerkennung von Ansprüchen des Patienten die Zustimmung seiner Versicherung einzuholen.
Anzeigepflicht
Der versicherte Arzt wird in der Police regelmässig dazu verpflichtet, seine Haftpflichtversicherung innert weniger Tage nach Eintritt eines Schadenfalls darüber zu informieren.
In der Praxis sollte mit der Anmeldung eines Schadenfalls deshalb nicht lange zugewartet werden, auch wenn bspw. der medizinische Sachverhalt noch nicht gänzlich erstellt ist oder der Arzt sich sicher ist, mit der nötigen Sorgfalt gehandelt zu haben. Die – auch vorsorglich gemachte – Anmeldung eines Schadenfalls bei der Haftpflichtversicherung bedeutet noch keine Anerkennung einer Pflichtverletzung durch den Arzt. Sie ist vielmehr ein standardmässiger, technischer Schritt, sobald ein Patient eine Sorgfaltspflichtverletzung geltend macht.
Keine Schuldanerkennung ohne Zustimmung der Haftpflichtversicherung
In den gängigen Haftpflichtpolicen findet sich regelmässig eine Bestimmung, wonach der Versicherte ohne vorgängige Zustimmung der Haftpflichtversicherung nicht berechtigt ist, Entschädigungsansprüche anzuerkennen oder abzufinden. In der Praxis ist eine solche Bestimmung vor allem bei der Kommunikation eines möglichen Fehlers gegenüber dem Patienten relevant. Aus genanntem Grund sollte ein Arzt von voreiligen Schuldeingeständnissen absehen.
Falls ein Arzt eine Pflichtverletzung ohne vorgängige Zustimmung der Versicherung anerkennt, kann diese ihre Leistungen für den Schadenfall gestützt auf die Police verweigern oder kürzen.
Abwicklung Schadenfall
Seit Anfang 2022 kann ein Schadenfall nicht nur vom versicherten Arzt bei der Haftpflichtversicherung angemeldet werden, sondern auch direkt vom betroffenen Patienten (Art. 60 des Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag, VVG). Erfahrungsgemäss braucht ein Patient dafür die Unterstützung eines Anwalts, welcher wiederum auf die Expertise eines sachverständigen Arztes angewiesen ist.
Ab der Anmeldung eines Schadenfalls übernimmt die Haftpflichtversicherung üblicherweise den Grossteil der Arbeit bzw. der weiteren Abwicklung: Sie ermittelt und beurteilt den medizinischen Sachverhalt mithilfe von eigenen oder beigezogenen medizinischen Experten, vertritt den Arzt gegenüber dem Patienten oder dessen Anwalt und entschädigt berechtigte Ansprüche bzw. wehrt unbegründete ab. Hinzu kommt regelmässig die Übernahme von Rechtsvertretungskosten in allfälligen Disziplinar-, Straf-, Verwaltungs- und Zivilverfahren durch die Versicherung.
Da die medizinischen und juristischen Abklärungen sowie ein allfälliger Gang vor Gericht für beide Seiten erfahrungsgemäss hohe Kosten verursachen und lange dauern können, werden solche Schadenfälle grösstenteils aussergerichtlich mittels einer Vergleichsvereinbarung beigelegt.
Umgang mit möglichen Fehlern
Fehler können passieren. Wichtig ist, dass man lernt, damit umzugehen und daraus zu lernen. Nach Entdeckung eines möglichen Fehlers ist oft Folgendes empfehlenswert:
Weiterbehandlung und Schadenminderung
Nach Entdecken eines möglichen Fehlers ist die sorgfältige Weiterbehandlung des Patienten sicherzustellen. Bestenfalls kann dabei das Ausmass des Schadens verringert werden, etwa durch den Beizug eines Kollegen oder weiteren Spezialisten (z. B. eines Gefässchirurgen bei einer Gefässverletzung). Es ist davon abzuraten, aus Selbstüberschätzung oder Angst, damit «etwas» einzugestehen, auf eine solche Unterstützung zu verzichten.
Hohe Priorisierung und proaktive Aufarbeitung
Wichtig ist, dass ein möglicher Fehler weder verharmlost noch verdrängt wird. Gerade in solchen unvorhergesehenen Situationen ist ein Fokus auf den Patienten wichtig. Neben einer anständigen und adäquaten Kommunikation empfiehlt es sich auch, einen möglichen Fehler umgehend unter Beizug eines Spezialisten (z. B. Kaderarzt), der nicht direkt in die Behandlung involviert war, aufzuarbeiten und zusammen mit diesem die weiteren Schritte festzulegen. Die Erfahrung aus der Praxis zeigt, dass sich eine hohe Priorisierung zu einem frühen Zeitpunkt und ein damit einhergehender Einsatz aller nötigen Ressourcen auszahlen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Fall wird schnell und transparent aufgearbeitet, wodurch man bei allfälligen Weiterungen des Falls nicht hinterherhinkt oder der Eindruck des Vertuschens entsteht. Für Behandlungsteams in Spitälern gilt ausserdem, dass der möglicherweise fehlbare Arzt nicht sich selbst überlassen, sondern bestmöglich unterstützt wird.
Gedächtnisprotokoll
Es lohnt sich für jede in die Behandlung involvierte Person, zeitnah ein Gedächtnisprotokoll zu erstellen. Darin sind alle relevanten Informationen zur fraglichen Behandlung festzuhalten, ohne dass Wertungen, Fehlereingeständnisse oder Schuldanerkennungen vorgenommen werden (beteiligte Personen, Behandlungsverlauf, nur eigene Beobachtungen, Fakten etc.). Da die medizinische und rechtliche Aufarbeitung eines möglichen Fehlers regelmässig verzögert beginnt und auch lange dauern kann, kann ein Gedächtnisprotokoll als Gedankenstütze dienen, wenn es (erst) Monate später zu konkreten Vorwürfen oder einer Befragung durch ein Gericht bzw. die Strafverfolgungsbehörden kommen sollte.
Gespräch mit Patient
Kommunikation ist (auch und gerade) im Gespräch über mögliche Fehler von elementarer Bedeutung: Wirft ein Patient dem Arzt eine Pflichtverletzung vor, lohnt es sich für den Arzt immer, sich Zeit zu nehmen für ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten (inkl. dessen Vorbereitung) – abgesehen vom Gebot des Anstands sind diese Gespräche oft eine Weichenstellung für die spätere Regelung bzw. Erledigung der Haftung. Hilfreich ist erfahrungsgemäss auch, wenn ein zusätzlicher Spezialist am Gespräch teilnimmt, der nicht direkt in die Behandlung involviert war (z. B. ein Kaderarzt, Beschwerdemanager etc.). Im Gespräch können der Behandlungsverlauf besprochen sowie allfällige Unklarheiten und Missverständnisse ausgeräumt werden. Der Arzt soll dabei offen und transparent über die Fakten informieren, seine eigenen Handlungen oder ihre Konsequenzen aber nicht bewerten und vor allem nicht spekulieren. Von voreiligen Schuldeingeständnissen (ohne vorgängige Zustimmung der Haftpflichtversicherung) ist ebenfalls abzusehen (vgl. dazu vorn, Versicherungsschutz und -ansprüche, Wichtige Pflichten des Versicherten im Schadenfall, Keine Schuldanerkennung ohne Zustimmung der Haftpflichtversicherung).
Die Erfahrung aus der Praxis zeigt, dass die meisten Vorwürfe im Rahmen eines Gesprächs mit dem Patienten ausgeräumt werden können.
Involvierung der Haftpflichtversicherung
Wenn sich abzeichnet, dass ein Schadenfall eingetreten ist bzw. der Patient entsprechende Vorwürfe geltend macht, ist die Haftpflichtversicherung – nach entsprechender Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht – zeitnah zu informieren (vgl. dazu vorn, Versicherungsschutz und -ansprüche, Wichtige Pflichten des Versicherten im Schadenfall, Anzeigepflicht). Dabei lohnt es sich, die vollständige Patientendokumentation und allfällige Vorschläge für Gutachter gleich mitzuschicken. Alle weiteren Schritte, insbesondere die Kommunikation mit dem Patienten oder dessen Anwalt, sind fortan mit der Haftpflichtversicherung abzusprechen bzw. werden von dieser übernommen.
Betreuung des behandelnden Arztes
Ein möglicher Fehler ist nicht nur für den Patienten belastend, sondern auch für den behandelnden Arzt (Selbstvorwürfe, Angst vor neuen Fehlern, Konzentrationsprobleme etc.). Das ist völlig normal. Eine psychische Belastung und ein Verlust von Selbstvertrauen bergen das Risiko, dass erneut Fehler begangen werden. Die Betreuung und Begleitung des behandelnden Arztes bzw. der Austausch unter den Berufskollegen haben deshalb mindestens genauso viel Aufmerksamkeit verdient wie die Abwicklung des Schadenfalls.
Überprüfung der Prozesse zwecks Vermeidung einer Fehlerwiederholung
Sobald die im konkreten Einzelfall notwendigen Sofortmassnahmen ergriffen sind, sollte der Prozess, bei welchem der mögliche Fehler aufgetreten ist, kritisch überprüft werden (nötigenfalls unter Beizug von weiteren Spezialisten). So kann eine Wiederholung des Fehlers vermieden werden.
Die ärztliche Schweigepflicht schützt die Geheimsphäre des Patienten und die medizinischen Daten mit strafrechtlichen Folgen bei Verletzung. Sie besteht auch nach Beendigung der Berufsausübung fort. Ausnahmen gelten bei Einwilligung des Patienten oder behördlicher Genehmigung. Der Artikel beschreibt verschiedene Meldepflichten, z. B. bei aussergewöhnlichen Todesfällen, Schwangerschaftsabbrüchen, übertragbaren Krankheiten und erheblichen Verletzungen durch Hunde. Es gibt auch Melderechte, z. B. bei Kindern oder Erwachsenen, die gefährdet sind. Einige Meldungen müssen anonym erfolgen, andere erfordern die vollständige Angabe der Patientendaten. Verstösse gegen die Meldepflichten sind strafbar.
Das ärztliche Berufsgeheimnis schützt die Geheimsphäre des Patienten, welcher medizinische Daten angehören (1). Verletzungen des Berufsgeheimnisses unterliegen strafrechtlichen Bestimmungen. Das Berufsgeheimnis muss sowohl während der Berufsausübung als auch über die Dauer der Berufsausübung hinaus gewahrt werden. Ausnahmen bestehen, wenn der Geheimnisträger Informationen aufgrund einer Einwilligung des Berechtigten oder einer auf Gesuch des Geheimnisträgers erteilten Bewilligung durch die vorgesetzte Behörde oder Aufsichtsbehörde weitergibt. Zudem behält das Strafgesetzbuch (StGB) Bestimmungen auf nationaler und kantonaler Ebene über die Melde- und Mitwirkungsrechte, die «Zeugnispflicht» und die Auskunftspflicht gegenüber einer Behörde vor (2).
Für den ärztlichen Alltag ist die Kenntnis rechtlicher Vorgaben, insbesondere hinsichtlich der dem Berufsträger auferlegten Meldepflichten (Tab. 1), aber auch der in seinem Ermessen liegenden Rechte (Tab. 2), zur Erstattung einer Meldung von Bedeutung. Der vorliegende Artikel illustriert wichtige ärztliche Meldepflichten und -rechte, erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Insbesondere das kantonale Recht definiert weitere Regelungen.
Ärztliche Meldepflichten
Der aussergewöhnliche Todesfall (agT)
Gemäss der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO) bestimmen die Kantone die Medizinalpersonen, welche aussergewöhnliche Todesfälle den Strafbehörden melden müssen (3). Konkretisierungen finden sich in den kantonalen Gesundheitsgesetzen (4). Beispielsweise bezeichnet der Kanton Basel-Stadt alle Fachpersonen im Gesundheitswesen sowie deren Hilfspersonen als meldepflichtig hinsichtlich im Rahmen ihrer Tätigkeit festgestellter aussergewöhnlicher Todesfälle (5). Als Fachpersonen im Gesundheitswesen werden «alle Personen, die berufsmässig diagnostisch, therapeutisch, pflegend oder betreuend tätig sind und über eine entsprechende Ausbildung verfügen», bezeichnet (6).
Die Leichenschau, gemäss der Schweizerischen Gesellschaft für Rechtsmedizin (SGRM) die «erste ärztliche äussere Untersuchung einer Leiche» (7), beinhaltet die Feststellung des Todeseintritts, die Schätzung des Todeszeitpunktes, die Bestimmung der Todesart im weiteren Sinne sowie die Feststellung der Identität des Verstorbenen (8). Es muss eine ärztliche Todesbescheinigung ausgestellt werden (9). Der die Leichenschau durchführende Arzt differenziert zwischen einem natürlichen, einem nicht natürlichen und einem unklaren Todesfall (10). Nicht natürliche und unklare Todesfälle klassifizieren als aussergewöhnliche Todesfälle. Der Begriff des aussergewöhnlichen Todesfalls umfasst somit alle Todesfälle, welche nicht eindeutig «normale Folge einer vorbestehenden Krankheit» sind sowie alle plötzlichen und unerwarteten Todesfälle, bei denen eine nicht natürliche Todesursache möglich ist (11). Darunter fallen alle gewaltassoziierten Todesfälle, Unfälle, Suizide, Todesfälle im Zusammenhang mit der Einnahme von ungewöhnlichen Substanzen oder Substanzen in ungewöhnlicher Dosierung, ungewöhnliche Todesfälle im Rahmen medizinischer Behandlung (insbesondere Todesfälle in der Arztpraxis oder im Spital als Spätfolgen eines Unfalls oder durch Behandlungsfehler sowie Todesfälle durch Suizidbeihilfe) (12), aber auch alle unbeobachteten Todesfälle, welche nicht eindeutig Folge einer vorbestehenden Krankheit sind sowie alle unklaren Todesfälle (13). Bestehen auch nur geringgradige Zweifel am Vorliegen eines natürlichen Todesfalls, soll dieser als aussergewöhnlicher Todesfall klassifiziert werden (14). In diesem Fall sowie wenn die Identität des Verstorbenen nicht feststeht, muss Meldung an die Staatsanwaltschaft oder die Polizei erstattet werden (15). Es obliegt der Staatsanwaltschaft, eine Legalinspektion durch einen sachverständigen Arzt anzuordnen (16). Zudem kann sie die Sicherstellung der Leiche und weitere Abklärungen, zum Beispiel im Sinne einer Obduktion, anordnen (17).
Schwangerschaftsabbrüche
Gemäss StGB muss bei jedem Schwangerschaftsabbruch eine Meldung an die zuständige Gesundheitsbehörde erfolgen. Da die Meldung in anonymisierter Form vorgenommen werden muss, bleibt das Arztgeheimnis gewahrt. Die Meldung erfolgt zu statistischen Zwecken (18). Die Kantone nutzen unterschiedliche Meldeverfahren, welche auf der Website des Bundesamts für Gesundheit (BAG) verlinkt sind (19). Bei Unterlassung der Meldung macht sich der behandelnde Arzt strafbar (20).
Übertragbare Krankheiten
Das Epidemiengesetz (EpG) sieht vor, dass «Ärztinnen und Ärzte, Spitäler und andere öffentliche oder private Institutionen des Gesundheitswesens» ihre Beobachtungen im Zusammenhang mit übertragbaren Krankheiten der zuständigen kantonalen Behörde sowie in bestimmten Fällen direkt dem BAG melden. Die Meldung umfasst sämtliche Angaben, welche «zur Identifizierung der erkrankten, infizierten oder exponierten Personen sowie zur Feststellung des Übertragungswegs notwendig sind» (21). Eine Meldepflicht für übertragbare Krankheiten besteht ebenso für Labore: Diese sind zur Befundmeldung an die zuständige kantonale Behörde und an das BAG verpflichtet (22). Das EpG befindet sich aktuell im Prozess einer Teilrevision. Die Vernehmlassung wurde im März 2024 abgeschlossen. Im Verlauf wird auch die dazugehörige Verordnung einer Revision unterzogen werden (23).
Im Anhang 1 der Verordnung des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) über die Meldung von Beobachtungen übertragbarer Krankheiten des Menschen werden die Meldekriterien, die Meldefristen (Tab. 3), geforderte Angaben zur meldepflichtigen Beobachtung und der betroffenen Person und ob die Meldung zusätzlich zur kantonalen Behörde auch direkt beim BAG zu erfolgen hat, geregelt (24). Der Leitfaden zur Meldepflicht übertragbarer Krankheiten des BAG konkretisiert diese rechtlichen Grundlagen (25). Meldepflichtig sind je nach Erkrankung ein positiver laboranalytischer Befund (z.B. bei Gonorrhoe) (26), die klinische Diagnose einer Erkrankung (z.B. bei Tetanus) (27), erfüllte klinische Kriterien (z.B. bei Aids) (28), der klinische Verdacht einer Diagnose (z.B. bei der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit) (29) oder weitere krankheitsspezifische Kriterien. Meldepflichtige Krankheiten müssen innerhalb einer von der Krankheit abhängigen Frist gemeldet werden.
Während gewisse Meldungen den vollen Vor- und Nachnamen der erkrankten Person umfassen (z.B. bei Chikungunya-Fieber, Creutzfeldt-Jakob-Krankheit und Hepatitis A), werden bei anderen Krankheiten nur die Initialen des Vor- und Nachnamens gemeldet (z.B. bei Brucellose, Carbapenemase bildenden Enterobacteriaceae und Frühsommer-Meningo-Enzephalitis) (31). Bei HIV/Aids umfasst die Namensbezeichnung lediglich einen Code aus dem ersten Buchstaben und der Anzahl Buchstaben des Vornamens (32). Für gewisse Krankheiten wird nebst der beschriebenen Meldung zum klinischen Befund auch eine Ergänzungsmeldung von klinischen Befunden gefordert (33). Beispielsweise muss bei einem Tuberkulosefall bei Abschluss, Abbruch oder Wechsel der Behandlung oder wenn der Kantonsarzt dazu auffordert, das Behandlungsresultat (34) oder bei Masern der Spitalaustritt eines hospitalisierten laborbestätigten Falles oder der Tod eines Masern(verdachts-)falls gemeldet werden (35). Nebst den Meldepflichten zu krankheitsspezifischen Fallmeldungen gibt es auch eine Meldepflicht in Bezug auf Ausbrüche, Häufungen und aussergewöhnliche Befunde (36).
Sämtliche Meldeformulare können über die Website des BAG abgerufen werden (37). In Zukunft sollen die Meldeprozesse digitalisiert werden (38).
Vorsätzliche und fahrlässige Verletzungen der Meldepflicht werden mit Busse bestraft (39).
Erhebliche Verletzungen durch Hunde
Die Tierschutzverordnung (TSchV) legt fest, dass Tierärzte, Ärzte, Tierheimverantwortliche, Hundeausbildner und Zollorgane der zuständigen kantonalen Stelle Meldung erstatten müssen, wenn ein Hund ein übermässiges Aggressionsverhalten zeigt oder Menschen oder Tiere erheblich verletzt (40). Ärzte sind am ehesten bei Bissverletzungen an Menschen durch Hunde von dieser Meldepflicht tangiert. In vielen Kantonen ist das Veterinäramt Adressat entsprechender Meldungen (41). Vorsätzliche und fahrlässige Verletzungen der Meldepflicht werden mit Busse bestraft (42).
Unerwünschte Wirkungen und Vorkommnisse sowie Qualitätsmängel im Zusammenhang mit Heilmitteln
Unter dem Begriff Heilmittel gemäss Heilmittelgesetz (HMG) werden Arzneimittel und Medizinprodukte subsummiert (43). Das HMG sieht für Medizinalpersonen bezüglich Heilmittel für bestimmte unerwünschte Wirkungen und Vorkommnisse sowie für Beobachtungen bestimmter Tatsachen und Qualitätsmängel, welche für die Heilmittelsicherheit bedeutend sind, eine Meldepflicht an das «Institut» vor (44).
Der Begriff «Institut» bezeichnet das Schweizerische Heilmittelinstitut (45), also die «Swissmedic» (46), welche vom Bund unter Mitwirkung der Kantone als öffentlich-rechtliche Anstalt betrieben wird (47).
Bezüglich Arzneimittel konkretisiert die Arzneimittelverordnung (VAM), dass «Personen, die Arzneimittel berufsmässig anwenden, abgeben oder dazu berechtigt sind», die folgenden Beobachtungen an die durch Swissmedic bezeichneten Stellen melden müssen:
vermutete, bisher nicht bekannte unerwünschte Arzneimittelwirkungen;
vermutete Qualitätsmängel;
Beobachtungen schwerwiegender oder bisher nicht bekannter, die Arzneimittelsicherheit gefährdender Tatsachen» (48).
Handelt es sich um eine schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkung oder beobachtete Tatsache, muss die Meldung innerhalb von 15 Tagen erfolgen (49). Als schwerwiegend gelten unerwünschte Nebenwirkungen, welche zum Tod führen, lebensbedrohend sind, zu einer Hospitalisation führen oder eine solche verlängern, schwere oder bleibende Schäden verursachen oder anderweitig medizinisch wichtig sind (50). Bei nicht schwerwiegenden Nebenwirkungen ist eine Meldung innerhalb von 60 Tagen ausreichend (51). Gemeldet werden sollen auch unerwünschte Arzneimittelwirkungen, die als solche nur vermutet werden, auch wenn kein Nachweis eines Kausalzusammenhangs zwischen dem verabreichten Medikament und einem Ereignis vorhanden ist (52). Seit dem Jahr 2021 sollen medizinische Fachpersonen die Meldung unerwünschter Arzneimittelwirkungen direkt via das Elektronische Vigilance System (ElViS) an Swissmedic vornehmen (53). ElViS ist über die Homepage von Swissmedic abrufbar (54).
Meldungen betreffend Qualitätsmängel von Arzneimitteln (Tab. 4) müssen gemäss VAM unverzüglich, spätestens jedoch nach 15 Tagen erfolgen (55). Swissmedic präzisiert individuelle Meldezeiten abhängig von der Risikoklasse eines Qualitätsmangels (56). Das Formular zur Meldung von Qualitätsmängeln kann über die Homepage der Swissmedic abgerufen werden, oder die Meldung kann online erfolgen (57).
Die Meldepflicht betreffend Vorkommnisse bei Medizinprodukten (Tab. 5) wird durch die Medizinprodukteverordnung (MepV) (59) und bei In-vitro-Diagnostika durch die Verordnung über In-vitro-Diagnostika (IvDV) (60) konkretisiert. Schwerwiegende Vorkommnisse bei der Anwendung müssen durch die feststellende Fachperson oder eine Fachgesellschaft an den Lieferanten und an die Swissmedic gemeldet werden (61). Im Spital erfolgt die Meldung via eine Vigilance-Kontaktperson für Medizinprodukte (62). Beispiele für schwerwiegende Vorkommnisse sind das Abbrechen eines Führungsdrahtes während eines Transkatheter-Herzklappenersatzes, was zu einer Gefässverletzung oder einem Gefässverschluss führen kann, die zu schnelle Entleerung einer Elastomerpumpe mit einem Krebsmedikament (auch wenn der Patient keine Nebenwirkungen erleidet) sowie ein falsches labordiagnostisches Testergebnis von Troponin, welches zu einer Verzögerung in der Behandlung eines Patienten mit kardialen Beschwerden führt (63). Die Meldepflicht dient dazu, technische Ursachen von Zwischenfällen zu identifizieren, zum Schutz der Gesundheit von Patienten und Anwendern (64). Je nach Risiko eines Vorkommnisses gilt eine andere Meldefrist (65). Das Formular zur Meldung schwerwiegender Vorkommnisse an die Swissmedic kann über die Homepage der Swissmedic abgerufen werden (66).
Eine vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung der Meldepflichten gemäss HMG wird mit Busse bestraft (68).
«Off-Label-Use»
Gemäss Betäubungsmittelgesetz (BetmG) muss die Abgabe oder Verordnung von Betäubungsmitteln zu einer anderen als der zugelassenen Indikation innerhalb von 30 Tagen an die zuständige kantonale Behörde gemeldet werden. Auf Verlangen müssen der Behörde alle notwendigen Angaben zu Art und Zweck der Behandlung übermittelt werden (69). Die Meldepflicht dient der Übersicht über die Verschreibungspraxis der berechtigten Medizinalpersonen in Bereichen ohne anerkannte Regeln der medizinischen Wissenschaften, damit einem Missbrauch entgegengewirkt werden kann (70). Sie gilt ebenfalls für die Verwendung und Abgabe von Betäubungsmitteln durch Zahnärzte (71). Nicht gemeldet werden müssen Verschreibungen und Anwendungen im Rahmen von freigegebenen klinischen Versuchen gemäss HMG (72). Das fahrlässige Unterlassen der Meldung wird mit Geldstrafe, vorsätzliches Unterlassen mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft (73). Vorsätzlicher oder fahrlässiger Verstoss gegen eine Ausführungsvorschrift, deren Übertretung strafbar ist, wird ebenfalls mit Busse sanktioniert (74).
Krebserkrankungen
Ärzte, Spitäler und andere Institutionen des Gesundheitswesens sind zur Meldung an das zuständige Krebsregister verpflichtet (Tab. 6), wenn sie eine Krebserkrankung diagnostizieren oder behandeln (75). Die Erhebung der Daten zu Krebserkrankungen dient der Verbesserung von Prävention, Früherkennung und Behandlung (76). Die Krebsregistrierungsverordnung (KRV) listet die zu meldenden Krebserkrankungen (77), die Meldeinhalte werden durch das Krebsregistrierungsgesetz (KRG) und die KRV wiedergegeben (78).
Meldungen zu Krebserkrankungen von Patienten, welche zum Zeitpunkt der Diagnosestellung das 20. Altersjahr noch nicht vollendet haben, werden an das Kinderkrebsregister adressiert (85). Die übrigen Meldungen richten sich an das zuständige der 13 kantonalen Krebsregister (86). Die Meldefrist beträgt vier Wochen ab dem Zeitpunkt der Datenerhebung (87).
Die betroffenen Patienten respektive deren Vertretungsberechtigte (88) müssen mündlich über die Datenmeldung an das Krebsregister sowie deren jederzeitiges und ohne Begründung anwendbares Widerspruchsrecht gegen die Registrierung informiert werden (89). Weiter erhalten sie zusätzliche schriftliche Informationen gemäss KRG und KRV (90). Die Verantwortung für die Patienteninformation liegt bei dem die Diagnose eröffnenden Arzt (91). Ein patientenseitiger Widerspruch gegen die Datenbearbeitung führt zur unverzüglichen Anonymisierung bereits registrierter und zur Vernichtung noch nicht registrierter Daten (92).
Körperverletzung, Sexualdelikte, Verbrechen und Vergehen gegen die öffentliche Gesundheit
Ärztliche Melderechte und -pflichten bei Verdacht auf Verbrechen und Vergehen gegen Leib und Leben oder die sexuelle Integrität an die zuständige Behörde sind kantonal, vorwiegend in den Gesundheitsgesetzen, geregelt (93). Ebenso unterliegt das Meldewesen bei Verbrechen und Vergehen gegen die öffentliche Gesundheit kantonalen Regelungen (94).
Ärztliche Melderechte
Hilfsbedürftige Kinder und Erwachsene
Rechte und Pflichten hinsichtlich Meldungen an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) betreffend hilfsbedürftiger Kinder und Erwachsene werden im ZGB geregelt und wurden per 1. Januar 2019 angepasst (95). Das ZGB sieht vor, dass das kantonale Recht weitere Meldepflichten vorsehen kann (96). Diese finden sich sowohl in kantonalen Einführungserlassen zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht, im Schulrecht, Bildungsrecht, Sozialhilferecht, Gesundheitsrecht, Polizeirecht etc. Nach Ausweitung der bundesrechtlichen Meldepflichten im Kindesschutz im Rahmen der Anpassungen im Jahr 2019 kommt den kantonalen Regelungen insbesondere im Bereich des Erwachsenenschutzes eine grosse Bedeutung zu (97). Im Folgenden werden die bundesrechtlichen Regelungen gemäss ZGB mit Fokus auf deren Relevanz für die Ärzteschaft beleuchtet.
Für die beschriebenen Meldungen gilt sowohl im Kindes- wie auch im Erwachsenenschutz, dass die meldende Person keinen Beweis einer Gefährdung vorbringen muss, eine mögliche Gefährdung ist als Grundlage der Meldung ausreichend (98).
Kindesschutz
Bei Verdacht auf Gefährdung der körperlichen, psychischen oder sexuellen Integrität eines Kindes kann jede Person eine Meldung an die KESB vornehmen (99).
Das Melderecht gilt auch für Ärzte, welche dem Berufsgeheimnis gemäss StGB unterstehen, ohne dass diese sich erst davon entbinden lassen müssen, für Wahrnehmungen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit und sofern die Meldung im Interesse des Kindes liegt (100).
Anders verhält es sich für ebenfalls an das Berufsgeheimnis gebundene Hilfspersonen von Ärzten (z.B. Pflegefachpersonen, Sachbearbeiter in einem Spital oder einer Arztpraxis, medizinische Praxisassistenten, Sozialarbeiter in einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie etc.) (101, 102). Eine medizinische Praxisangestellte verfügt über kein selbstständiges Melderecht, sondern muss sich für eine Meldung an die KESB durch die zuständige Behörde vom Berufsgeheimnis entbinden lassen. Da dies einige Zeit in Anspruch nehmen kann, wird Hilfspersonen empfohlen, die Information zur Gefährdung dem primären Berufsgeheimnisträger weiterzugeben, welcher dann seinerseits Meldung bei der KESB erstatten kann (103).
Für übrige Fachpersonen aus den Bereichen Medizin, Psychologie, Pflege, Betreuung, Erziehung, Bildung, Sozialberatung, Religion und Sport, welche regelmässigen beruflichen Kontakt zu Kindern haben, sowie für Personen, die in amtlicher Tätigkeit von einem Fall erfahren, besteht, sofern sie nicht dem Berufsgeheimnis gemäss StGB unterstehen, eine Meldepflicht bei Hinweisen auf die Gefährdung eines Kindes, der sie im Rahmen ihrer Tätigkeit nicht Abhilfe schaffen können (104).
Bei Personen, welche amtlich tätig, aber ebenso dem Berufsgeheimnis nach StGB unterstellt sind (z.B. Amtsärzte, Schulpsychologen oder Ärzte im Kantonsspital), muss geprüft werden, ob im kantonalen Recht eine Kollisionsregel vorhanden ist. Ansonsten wird den Regeln für Berufsgeheimnisträger Vorrang gegeben, und die Personen haben im Kindesschutz ein Melderecht ohne Notwendigkeit der Entbindung vom Berufsgeheimnis (105). Für dem Berufsgeheimnis unterstehende Fachpersonen mit regelmässigem Kontakt zu Kindern (z.B. Kinderärzte) gilt ebenfalls das Melderecht (106).
Erwachsenenschutz
Bei Verdacht auf Hilfsbedürftigkeit einer erwachsenen Person kann jedermann eine Meldung erstatten (107). Als hilfsbedürftig gilt jemand, der aufgrund eines Schwächezustandes hinsichtlich Personensorge, Vermögenssorge oder Rechtsverkehr staatlichen Schutzes bedarf (108). Für entsprechende ärztliche Meldungen bleiben allerdings die Bestimmungen über das Berufsgeheimnis vorbehalten (109). Dies bedeutet, dass, wenn keine anderslautende kantonale Regelung vorhanden ist, Ärzte vor einer Meldung an die KESB die Einwilligung der betroffenen Person einholen oder sich von der zuständigen Stelle vom Berufsgeheimnis entbinden lassen müssen (110).
Für Personen, welche in amtlicher Tätigkeit von einem Fall erfahren und im Rahmen ihrer Tätigkeiten nicht Abhilfe schaffen können, gilt auch im Erwachsenenschutz eine Meldepflicht (111). Amtlich tätige Träger des Berufsgeheimnisses gemäss StGB müssen sich, bei fehlender kantonaler Kollisionsregelung, für eine Meldung bei der KESB vom Berufsgeheimnis entbinden lassen (112).
Notwendigkeit der Bestimmung einer vertretungsberechtigten Person bei Urteilsunfähigkeit
Das Zivilgesetzbuch (ZGB) regelt die Abfolge Vertretungsberechtigter von urteilsunfähigen Personen hinsichtlich Entscheidungen zu medizinischen Massnahmen (113). Ist keine vertretungsberechtigte Person vorhanden oder will keine Person das Vertretungsrecht ausüben, errichtet die Erwachsenenschutzbehörde eine Vertretungsbeistandschaft (114). Wenn Unklarheiten über die Vertretungsberechtigung bestehen, wenn gemeinsam Vertretungsberechtigte unterschiedliche Auffassungen haben oder wenn «die Interessen der urteilsunfähigen Person gefährdet oder nicht mehr gewahrt sind», wird die vertretungsberechtigte Person durch die Erwachsenenschutzbehörde festgelegt oder die Erwachsenenschutzbehörde errichtet eine Vertretungsbeistandschaft (115). Die Erwachsenenschutzbehörde wird aktiv aufgrund eines Antrags von einem Arzt oder einer nahestehenden Person oder von Amtes wegen (116). Der ärztliche Antrag erfordert keine Entbindung vom Berufsgeheimnis (117). Ob es sich beim ärztlichen Antrag um ein Melderecht oder eine Meldepflicht handelt, ist abhängig davon, ob kantonale Regelungen eine weiterführende Ausgestaltung im Sinne einer Meldepflicht vorgenommen haben, wie dies beispielsweise im Kanton Zürich der Fall ist (118).
Selbst- oder Fremdgefährdung hilfsbedürftiger Personen
Gemäss ZGB besteht zudem das Recht auf Meldung an die Erwachsenenschutzbehörde für dem Berufs- oder Amtsgeheimnis unterstehende Personen, sofern eine «ernsthafte Gefahr» besteht, «dass eine hilfsbedürftige Person sich selbst gefährdet oder ein Verbrechen oder Vergehen begeht, mit dem sie jemanden körperlich, seelisch oder materiell schwer schädigt» (119). Eine Gefahr ist als «ernsthaft» zu bezeichnen, wenn sie mit hoher Wahrscheinlichkeit eintrifft (120). Unter Selbstgefährdung werden im vorliegenden Zusammenhang beispielsweise Suizidalität, schwere physische oder psychische Selbstverletzung, menschenunwürdige Verwahrlosung oder materielle Selbstschädigung subsummiert (121).
Das Melderecht gilt sowohl bei einer Gefahr ausgehend von Erwachsenen als auch von Kindern (122). Es erfordert keine Entbindung vom Berufsgeheimnis (123). In der Praxis kann es sich dabei beispielsweise um Situationen handeln, welche die Prüfung einer fürsorgerischen Unterbringung erfordern, oder um schwerwiegende Kindeswohlgefährdungen (124). Das kantonale Recht kann Ärzte bezeichnen, die nebst der Erwachsenenschutzbehörde selbstständig eine fürsorgerische Unterbringung anordnen dürfen (125).
Unter den oben genannten Umständen eines wahrscheinlichen Risikos einer Gefahr für sich selbst oder andere, ausgehend von einem Hilfsbedürftigen, ist auch die Zusammenarbeit von Erwachsenenschutzbehörde, betroffenen Stellen (126) und Polizei gesetzlich zwingend vorgesehen (127). Diese Regelung dient dem Schutz von hilfsbedürftigen Personen unter Berücksichtigung des Schutzes der öffentlichen Sicherheit (128).
Notstandshilfe
Bei unmittelbarer Gefahr für Leib und Leben haben Personen, welche einer Geheimhaltungspflicht unterstehen, ein Melderecht auf Basis der Notstandshilfe (129) gemäss StGB. Spricht beispielsweise ein Patient in Gegenwart seines Arztes eine als ernst und gefährlich einzuordnende Drohung im Sinne einer Gefährdung einer Drittperson aus, ist der Arzt dazu berechtigt, die Polizei zu informieren (130). Eine mit Strafe bedrohte Tat zu begehen, «um ein eigenes oder das Rechtsgut einer anderen Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten», ist rechtmässig, sofern dadurch höherwertige Interessen gewahrt werden (131). Somit berechtigt beispielsweise die Abwendung eines Tötungsdelikts an einer Drittperson, welches ein Patient in Gegenwart eines Arztes androht, zur Missachtung des Rechts auf Persönlichkeitsschutz des Drohenden (132).
Gefährdung durch die Verwendung von Waffen
Besteht eine Gefährdung aufgrund einer Verwendung von Waffen, existieren Meldemöglichkeiten auf Grundlage des Bundesgesetzes über Waffen, Waffenzubehör und Munition (WG) oder bei Armeewaffen auf Grundlage des Bundesgesetzes über die Armee und die Militärverwaltung (MG) (133): Personen, welche dem Berufs- oder Amtsgeheimnis unterstehen, sind berechtigt, den zuständigen kantonalen und eidgenössischen Polizei- und Justizbehörden eine Meldung zu erstatten, wenn eine Person durch die Verwendung von Waffen sich selbst oder Dritte gefährdet oder damit droht (134). Diese Meldung erfordert keine Entbindung vom Berufsgeheimnis, was durch das von einer entsprechenden Situation ausgehende Gefahrenpotenzial gerechtfertigt wird (135). Existieren Anzeichen oder Hinweise, dass eine Person im Besitz einer persönlichen Armeewaffe sich selbst oder Dritte damit gefährden könnte oder dass die Person im Besitz der Waffe oder Dritte die Armeewaffe missbrauchen könnten, wird sie dem Armeeangehörigen unverzüglich entzogen (136). Entsprechende Anzeichen oder Hinweise sowie ein diesbezüglicher Verdacht darf durch Ärzte (137) ohne Entbindung vom Berufsgeheimnis an die zuständige Stelle des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) gemeldet werden (138).
Zweifel an der Fahreignung
Ist ein Patient aufgrund einer körperlichen oder psychischen Krankheit, eines Gebrechens oder einer Sucht nicht mehr zur sicheren Lenkung eines Motorfahrzeugs befähigt, darf eine ärztliche Meldung an die zuständige kantonale Strassenverkehrsbehörde oder an die Aufsichtsbehörde für Ärzte vorgenommen werden. Ärzte sind gemäss Strassenverkehrsgesetz (SVG) für diese Meldung vom Berufsgeheimnis entbunden (139). Es besteht das Instrument des Melderechts und nicht der Meldepflicht, da letztere dem Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient stark schaden würde und kaum durchsetzbar wäre (140).
Dr. med. Esther Schaffner
Assistenzärztin Prävention und Public Health
Kantonsärztlicher Dienst Zürich
Stampfenbachstrasse 30
8090 Zürich
schaffner.esther@bluewin.ch
Die Autorin hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
1. BÜCHLER ANDREA/MICHEL MARGOT, Medizin – Mensch – Recht Eine Einführung in das Medizinrecht der Schweiz, Zürich/Basel/Genf 2020, 88.
2. Art. 321 Abs. 1 ff. StGB.
3. Art. 253 Abs. 4 StPO.
4. DONZALLAZ YVES, Traité de droit médical – Volume II Le médecin et les soignants, Bern 2021, 3192.
5. § 28 Abs. 1 GesG/BS.
6. § 21 Abs. 1 GesG/BS.
7. Schweizerische Gesellschaft für Rechtsmedizin (SGRM), Legalinspektion, 2009, 5, (https://sgrm.ch/inhalte/Forensische-Medizin/Durchfuehrung_Legalinspektion_01.pdf [Besuch der Website am 3. Juni 2024]).
8. Schweizerische Gesellschaft für Rechtsmedizin (SGRM), Legalinspektion, 2009, 5 f., (https://sgrm.ch/inhalte/Forensische-Medizin/Durchfuehrung_Legalinspektion_01.pdf [Besuch der Website am 3. Juni 2024]).
9. Art. 35 Abs. 5 ZStV.
10. Schweizerische Gesellschaft für Rechtsmedizin (SGRM), Legalinspektion, 2009, 6, (https://sgrm.ch/inhalte/Forensische-Medizin/Durchfuehrung_Legalinspektion_01.pdf [Besuch der Website am 3. Juni 2024]).
11. Schulthess Kommentar/GRAF/HANSJAKOB, Art. 253 StPO, N 2 f..
12. Schulthess Kommentar/GRAF/HANSJAKOB, Art. 253 StPO, N 23.
13. Schulthess Kommentar/GRAF/HANSJAKOB, Art. 253 StPO, N 2 f..
14. Schulthess Kommentar/GRAF/HANSJAKOB, Art. 253 StPO, N 5.
15. Universität Bern Medizinische Fakultät Rechtswissenschaftliche Fakultät/Universität Luzern Rechtswissenschaftliche Fakultät JACKOWSKI CHRISTIAN, Skriptum Rechtsmedizin, 2023, 16, (https://www.irm.unibe.ch/unibe/portal/fak_medizin/ber_vkhum/inst_remed/content/e40010/e136547/e136554/section136559/files208443/online-SkriptumRechtsmedizin2023-25.04.2023_ger.pdf [Besuch der Website am 3. Juni 2024]).
16. Art. 253 Abs. 1 StPO.
17. Art. 253 Abs. 3 StPO.
18. Art. 119 Abs. 5 StGB.
19. https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/erhebungen/stativg/schwangerschaftsabbruch-melden.html [Besuch der Website am 3. Juni 2024].
20. Art. 120 Abs. 2 StGB.
21. Art. 12 Abs. 1 EpG.
22. Art. 12 Abs. 2 EpG.
23. https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/strategie-und-politik/politische-auftraege-und-aktionsplaene/revision-epidemiengesetz.html [Besuch der Website am 3. Juni 2024].
24. Anhang 1 VMüK.
25. Bundesamt für Gesundheit (BAG), Leitfaden zur Meldepflicht übertragbarer Krankheiten und Erreger, 2024.
26. Bundesamt für Gesundheit (BAG), Leitfaden zur Meldepflicht übertragbarer Krankheiten und Erreger, 2024, 27.
27. Bundesamt für Gesundheit (BAG), Leitfaden zur Meldepflicht übertragbarer Krankheiten und Erreger, 2024, 56.
28. Bundesamt für Gesundheit (BAG), Leitfaden zur Meldepflicht übertragbarer Krankheiten und Erreger, 2024, 9.
29. Bundesamt für Gesundheit (BAG), Leitfaden zur Meldepflicht übertragbarer Krankheiten und Erreger, 2024, 20.
30. Die Meldefristen für Labore können von den ärztlichen Meldefristen abweichen. (Bundesamt für Gesundheit (BAG), Leitfaden zur Meldepflicht übertragbarer Krankheiten und Erreger, 2024).
31. Anhang 1 VMüK; Bundesamt für Gesundheit (BAG), Leitfaden zur Meldepflicht übertragbarer Krankheiten und Erreger 2024.
32. Bundesamt für Gesundheit (BAG), Leitfaden zur Meldepflicht übertragbarer Krankheiten und Erreger, 2024, 9 & 34.
33. Art. 3 VMüK; Anhang 2 VMüK.
34. Bundesamt für Gesundheit (BAG), Leitfaden zur Meldepflicht übertragbarer Krankheiten und Erreger, 2024, 59.
35. Bundesamt für Gesundheit (BAG), Leitfaden zur Meldepflicht übertragbarer Krankheiten und Erreger, 2024, 43.
36. Diese umfassen die Meldungen zum Aussergewöhnlichen klinischen oder laboranalytischen Befund, zur Häufung von klinischen oder laboranalytischen Befunden, zum Ausbruch von Vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE) in Spitälern, zum Aussergewöhnlichen Ausbruch in Spitälern und zum Aussergewöhnlichen epidemiologischen Befund in Spitälern (Bundesamt für Gesundheit (BAG), Leitfaden zur Meldepflicht übertragbarer Krankheiten und Erreger, 2024, 4 ff.).
37. https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/infektionskrankheiten-bekaempfen/meldesysteme-infektionskrankheiten/meldepflichtige-ik/meldeformulare.html [wBesuch der Website am 3. Juni 2024].
38. https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/infektionskrankheiten-bekaempfen/meldesysteme-infektionskrankheiten/meldepflichtige-ik/meldeformulare1.html [Besuch der Website am 3. Juni 2024].
39. Art. 83 Abs. 1 f. EpG.
40. Art. 78 Abs. 1 TSchV.
41. Z.B. in den Kantonen Zürich (https://www.zh.ch/de/umwelt-tiere/tiere/haustiere-heimtiere/hunde/vorfaelle-mit-hunden-melden.html#-632331617), Bern (https://www.weu.be.ch/de/start/themen/veterinaerwesen/hunde-im-kanton-bern/vorfaelle-mit-hunden-melden.html), Appenzell Ausserrhoden (https://ar.ch/verwaltung/departement-gesundheit-und-soziales/veterinaeramt/hunde/vorfaelle-mit-hunden/), Waadt (https://www.vd.ch/population/veterinaires-et-animaux/police-des-chiens) [Besuch der Websiten am 3. Juni 2024].
42. Art. 206a TSchV; Art. 28 Abs. 3 TSchG.
43. Art. 2 Abs. 1a HMG.
44. Art. 59 Abs. 3 HMG.
45. Art. 68 ff. HMG.
46. https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home.html [Besuch der Website am 3. Juni 2024].
47. Art. 68 Abs. 1 f. HMG
48. Art. 63 Abs. 1 f. VAM.
49. Art. 63 Abs. 3 VAM.
50. https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/humanarzneimittel/marktueberwachung/pharmacovigilance.html [Besuch der Website am 3. Juni 2024].
51. Art. 63 Abs. 3 VAM.
52. https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/humanarzneimittel/marktueberwachung/pharmacovigilance.html [Besuch der Website am 3. Juni 2024].
53. https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/news/mitteilungen/neue_meldewege_nebenwirkungsmeldungen.html [Besuch der Website am 3. Juni 2024].
54. https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/humanarzneimittel/marktueberwachung/pharmacovigilance/elvis.html [Besuch der Website am 3. Juni 2024].
55. Art. 63 Abs. 3 VAM.
56. Swissmedic, Merkblatt Meldung von Qualitätsmängeln, 2023, 4, (https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/humanarzneimittel/marktueberwachung/qualitaetsmaengel-und-chargenrueckrufe/meldung-von-qualitaetsmaengeln.html [Besuch der Website am 3. Juni 2024]).
57. https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/humanarzneimittel/marktueberwachung/qualitaetsmaengel-und-chargenrueckrufe/meldung-von-qualitaetsmaengeln.html [Besuch der Website am 3. Juni 2024].
58. Swissmedic, Merkblatt Meldung von Qualitätsmängeln, 2023, 4, (https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/humanarzneimittel/marktueberwachung/qualitaetsmaengel-und-chargenrueckrufe/meldung-von-qualitaetsmaengeln.html [Besuch der Website am 3. Juni 2024]).
59. Art. 66 MepV.
60. Art. 59 IvDV.
61. Art. 66 Abs. 4 MepV; Art. 59 Abs. 4 IvDV.
62. Swissmedic, Wegleitung Vigilance-Kontaktperson für Medizinprodukte, 2023, 8, (https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/medizinprodukte/vorkommnisse—fsca-melden–materiovigilance-/anwender—betreiber.html [Besuch der Website am 3. Juni 2024]).
63. Swissmedic, Wegleitung Vorkommnismeldung Anwender, 2023, 4, (https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/medizinprodukte/vorkommnisse—fsca-melden–materiovigilance-/anwender—betreiber.html [Besuch der Website am 3. Juni 2024]).
64. Swissmedic, Wegleitung Vorkommnismeldung Anwender, 2023, 3, (https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/medizinprodukte/vorkommnisse—fsca-melden–materiovigilance-/anwender—betreiber.html [Besuch der Website am 3. Juni 2024]).
65. Swissmedic, Wegleitung Vorkommnismeldung Anwender, 2023, 6, (https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/medizinprodukte/vorkommnisse—fsca-melden–materiovigilance-/anwender—betreiber.html [Besuch der Website am 3. Juni 2024]).
66. https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/medizinprodukte/vorkommnisse—fsca-melden–materiovigilance-/anwender—betreiber.html [Besuch der Website am 3. Juni 2024]).
67. Swissmedic, Wegleitung Vorkommnismeldung Anwender, 2023, 6, (https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/medizinprodukte/vorkommnisse—fsca-melden–materiovigilance-/anwender—betreiber.html [Besuch der Website am 3. Juni 2024]).
68. Art. 87 Abs. 1c HMG; Art. 87 Abs. 3 HMG.
69. Art. 11 Abs. 1bis BetmG.
70. Parlamentarische Initiative. Teilrevision des Betäubungsmittelgesetzes. Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom 04.05.2006, BBl 2006 8609 Ziff. 3.1.10.3.
71. Art. 11 Abs. 2 BetmG.
72. Art. 49 Abs. 2 BetmKV.
73. Art. 21 Abs. 1 f. BetmG.
74. Art. 22 BetmG; Art. 84 BetmKV.
75. Art. 3 Abs. 1 KRG.
76. Botschaft des Bundesrates zum Krebsregistrierungsgesetz vom 29.10.2014, BBl 2014 8728.
77. Art. 5 Abs. 1 KRV; Anhang 1 KRV.
78. Art. 3 Abs. 1 KRG; Art. 1 ff. KRV.
79. Art. 5 Abs. 1 KRV; Anhang 1 KRV.
80. Art. 3 Abs. 1 KRG.
81. Art. 1 Abs. 1 KRV; Art. 2 Abs. 1 KRV.
82. Art. 1 Abs. 2 KRV; Art. 2 Abs. 2 KRV.
83. Art. 3 KRV; Art. 4 Abs. 1 KRV.
84. Art. 4 Abs. 1 f. KRV.
85. Art. 9 KRV.
86. Art. 8 Abs. 1 KRG; https://www.nkrs.ch/de/krebsregister [Besuch der Website am 3. Juni 2024].
87. Art. 6 Abs. 1 KRV.
88. Art. 5 Abs. 1 KRG.
89. Art. 13 Abs. 2 KRV.
90. Art. 5 Abs. 1 KRG; Art. 13 Abs. 3 f. KRV.
91. Art. 13 Abs. 1 KRV.
92. Art. 25 Abs. 3 KRG; Art. 15 Abs. 3 KRV.
93. Universität Bern Medizinische Fakultät Rechtswissenschaftliche Fakultät/Universität Luzern Rechtswissenschaftliche Fakultät JACKOWSKI CHRISTIAN, Skriptum Rechtsmedizin, 2023, 261 ff., (https://www.irm.unibe.ch/unibe/portal/fak_medizin/ber_vkhum/inst_remed/content/e40010/e136547/e136554/section136559/files208443/online-SkriptumRechtsmedizin2023-25.04.2023_ger.pdf [Besuch der Website am 3. Juni 2024]); DONZALLAZ YVES, Traité de droit médical – Volume II Le médecin et les soignants, Bern 2021, 3193 ff..
94. DONZALLAZ YVES, Traité de droit médical – Volume II Le médecin et les soignants, Bern 2021, 3196 f..
95. Art. 314c-e ZGB; Art. 443 ZGB.
96. Art. 314d Abs. 3; Art. 443 Abs. 3 ZGB.
97. Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz, Melderechte und Meldepflichten an die KESB nach Art. 314c, 314d, 443 sowie 453 ZGB, 2019, 7, (https://www.kokes.ch/de/dokumentation/empfehlungen/melderechte-und-meldepflichten [Besuch der Website am 3. Juni 2024]).
98. Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz, Melderechte und Meldepflichten an die KESB nach Art. 314c, 314d, 443 sowie 453 ZGB, 2019, 3, (https://www.kokes.ch/de/dokumentation/empfehlungen/melderechte-und-meldepflichten [Besuch der Website am 3. Juni 2024]).
99. Art. 314c Abs. 1 ZGB.
100. Art. 314c Abs. 2 ZGB; Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz, Melderechte und Meldepflichten an die KESB nach Art. 314c, 314d, 443 sowie 453 ZGB, 2019, 8 f., (https://www.kokes.ch/de/dokumentation/empfehlungen/melderechte-und-meldepflichten [Besuch der Website am 3. Juni 2024]).
101. Achtung: Hebammen und Assistenzärzte gelten nicht als Hilfspersonen von Ärzten. Für sie gelten die Regel für primäre Berufsgeheimnisträger. (Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz, Melderechte und Meldepflichten an die KESB nach Art. 314c, 314d, 443 sowie 453 ZGB, 2019, 9 f., (https://www.kokes.ch/de/dokumentation/empfehlungen/melderechte-und-meldepflichten [Besuch der Website am 3. Juni 2024])).
102. Art. 314c Abs. 2 ZGB.
103. Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz, Melderechte und Meldepflichten an die KESB nach Art. 314c, 314d, 443 sowie 453 ZGB, 2019, 9, (https://www.kokes.ch/de/dokumentation/empfehlungen/melderechte-und-meldepflichten [Besuch der Website am 3. Juni 2024]).
104. Art. 314d Abs. 1 ZGB.
105. Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz, Melderechte und Meldepflichten an die KESB nach Art. 314c, 314d, 443 sowie 453 ZGB, 2019, 5, (https://www.kokes.ch/de/dokumentation/empfehlungen/melderechte-und-meldepflichten [Besuch der Website am 3. Juni 2024]).
106. Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz, Melderechte und Meldepflichten an die KESB nach Art. 314c, 314d, 443 sowie 453 ZGB, 2019, 6, (https://www.kokes.ch/de/dokumentation/empfehlungen/melderechte-und-meldepflichten [Besuch der Website am 3. Juni 2024]).
107. Art. 443 Abs. 1 ZGB.
108. Berner Kommentar/ROSCH, Art. 388 ZGB, N 28.
109. Art. 443 Abs. 1 ZGB.
110. Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz, Melderechte und Meldepflichten an die KESB nach Art. 314c, 314d, 443 sowie 453 ZGB, 2019, 9, (https://www.kokes.ch/de/dokumentation/empfehlungen/melderechte-und-meldepflichten [Besuch der Website am 3. Juni 2024]).
111. Art. 443 Abs. 2 ZGB.
112. Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz, Melderechte und Meldepflichten an die KESB nach Art. 314c, 314d, 443 sowie 453 ZGB, 2019, 5, (https://www.kokes.ch/de/dokumentation/empfehlungen/melderechte-und-meldepflichten [Besuch der Website am 3. Juni 2024]).
113. Art. 378 Abs. 1 ZGB.
114. Art. 381 Abs. 1 ZGB.
115. Art. 381 Abs. 2 ZGB.
116. Art. 381 Abs. 3 ZGB.
117. Orell Füssli Kommentar/FASSBIND, Art. 381 ZGB, N 3.
118. § 2 Abs. 2 Patientinnen- und Patientengesetz/ZH.
119. Art. 453 Abs. 1 f. ZGB.
120. SCHWANDER MARIANNE, Bedrohungsmanagement bei Häuslicher Gewalt – rechtliche Rahmenbedingungen für die interdisziplinäre Zusammenarbeit, in: SCHWARZENEGGER/BRUNNER (Hrsg.), Bedrohungsmanagement – Gewaltprävention, Zürich/Basel/Genf 2017, 115, 135.
121. Orell Füssli Kommentar/FASSBIND, Art. 453 ZGB, N 2.
122. Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz, Melderechte und Meldepflichten an die KESB nach Art. 314c, 314d, 443 sowie 453 ZGB, 2019, 9, (https://www.kokes.ch/de/dokumentation/empfehlungen/melderechte-und-meldepflichten [Besuch der Website am 3. Juni 2024]).
123. Orell Füssli Kommentar/FASSBIND, Art. 453 ZGB, N 3.
124. Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz, Melderechte und Meldepflichten an die KESB nach Art. 314c, 314d, 443 sowie 453 ZGB, 2019, 9, (https://www.kokes.ch/de/dokumentation/empfehlungen/melderechte-und-meldepflichten [Besuch der Website am 3. Juni 2024]).
125. Art. 429 Abs. 1 ZGB.
126. Z.B. Sozial- und Psychiatriedienste, die Opferhilfe, die Spitex, die Schuldenberatung, Sozialversicherungsträger, Gerichte, Strafverfolgungs- und Strafvollzugsbehörden (Botschaft des Bundesrates zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht) vom 28.06.2006, BBl 2006 7091 Ziff. 2.3.4).
127. Art. 453 Abs. 1 ZGB.
128. GEISER THOMAS, Behördenzusammenarbeit im Erwachsenenschutzrecht, Aktuelle Juristische Praxis 2012, 1688, 1691.
129. Art. 17 StGB.
130. SCHWANDER, 115, 147.
131. Art. 17 StGB.
132. SCHWANDER, 115, 147 f..
133. SCHWANDER, 115, 148.
134. Art. 30b WG.
135. Botschaft des Bundesrates zur Änderung des Bundesgesetzes über Waffen, Waffenzubehör und Munition vom 11.01.2006, BBl 2006 2744 Ziff. 3.8.
136. Art. 113 Abs. 1 f. MG.
137. Gleiches gilt für Behörden des Bundes, der Kantone und der Gemeinden, Seelsorger, Psychologen, Sozialarbeiter und Angehörige der Betreuungsdienste der Armee: Eine Meldung darf erfolgen ohne Rücksicht auf ein bestehendes Amts- oder Berufsgeheimnis (Art. 113 Abs. 7 MG).
138. Art. 113 Abs. 7 MG.
139. Art. 15d Abs. 1e & 3 SVG.
140. Botschaft des Bundesrates zu Via sicura, Handlungsprogramm des Bundes für mehr Sicherheit im Strassenverkehr vom 20.10.2010, BBl 2010 8501 Ziff. 2.1.
Arzneimittel und Medizinprodukte können ein Risikopotenzial für die Gesundheit aufweisen. Sie dürfen daher nur in Verkehr gebracht werden, wenn ihre Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität belegt sind. Die Anforderungen an die Sicherheit sind dabei nicht absolut zu verstehen. Vielmehr liegt der Sicherheitsbewertung eine Nutzen-Risiko-Abwägung zugrunde. Für Arzneimittel und Medizinprodukte bestehen verschiedene Vorgaben, wonach Arzneimittel grundsätzlich einem Zulassungsverfahren unterliegen, während Medizinprodukte ein Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen müssen. Dieser Beitrag legt zunächst die Grundlagen und die Systematik des Heilmittelrechts in der Schweiz dar und geht auf die Kategorisierung von Arzneimitteln und Medizinprodukten sowie auf ihre Abgrenzung zu anderen Produkten, insbesondere Lebensmittel und Kosmetika, ein. Danach werden die Grundzüge des Inverkehrbringens vorgestellt, wobei der Fokus auf den Zulassungsverfahren für Arzneimittel liegt. Des Weiteren befasst sich dieser Beitrag in einem kurzen Überblick mit den Schutzrechten für Arzneimittel. Neben dem heilmittelrechtlichen Schutzrecht, dem Unterlagenschutz, sind dies immaterialgüterrechtliche Schutzrechte. Neben dem Patent gewährt das Immaterialgüterrecht ein weiteres Schutzrecht für Produkte, welche eine Zulassung für ihr Inverkehrbringen benötigen. Das Ergänzende Schutzzertifikat, welches nur Arzneimittel und Pflanzenschutzmittel als zulassungspflichtige Produkte gewährt wird, soll dabei teilweise die fehlende Nutzungsmöglichkeit der patentgeschützten Erfindung während des Zulassungsverfahrens kompensieren. Aufgrund des Umfangs der angesprochenen heilmittel- und immaterialgüterrechtlichen Regulierungen muss sich der vorliegende Beitrag in einem Überblick auf ausgewählte Bereiche beschränken.
Regulierung von Arzneimitteln und Medizinprodukten
Arzneimittel und Medizinprodukte als Produkte mit Risikopotenzial
Der Begriff Heilmittel umfasst als Oberbegriff Arzneimittel und Medizinprodukte (1). Sowohl Arzneimittel als auch Medizinprodukte dienen der Prävention und Heilung von Krankheiten, der Wiederherstellung der Gesundheit oder der Bekämpfung und Linderung von Schmerzen. Jedoch weisen diese Produkte auch ein besonderes Risiko- oder Gefährdungspotenzial auf, welches zu Gesundheitsgefährdungen oder zu Gesundheitsschäden führen kann (2). Dieses Risiko- oder Gefährdungspotenzial kann sich in zweifacher Hinsicht realisieren: Einerseits können – insbesondere bei Arzneimitteln – Nebenwirkungen und Wechselwirkungen auftreten, oder die Produkte können verunreinigt oder von mangelnder Qualität und mithin unsicher sein. Anderseits kann auch die gewünschte Wirkung ausbleiben, was ebenfalls zu einer Gesundheitsgefährdung führen kann, wenn sich Patienten auf eine entsprechende Wirkung von Arzneimitteln oder eine Funktion von Medizinprodukten verlassen, die jedoch nicht eintritt (2, 3). Hinzu kommt das Problem des Handels mit illegalen Heilmitteln, insbesondere mit gefälschten Arzneimitteln, die keine oder verunreinigte Wirkstoffe enthalten können (4).
Gewährleistung von Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität
Aufgrund ihres Risikopotenzials ist das Inverkehrbringen von Arzneimitteln und Medizinprodukten gesetzlich reguliert. Der Gesetzgeber sieht insbesondere bestimmte Verfahren für Arzneimittel und Medizinprodukte zum Schutz der Gesundheit vor. Die Grundlage für das Inverkehrbringen sowie weiterer Pflichten bildet das Heilmittelgesetz (HMG) (5), welches als Rahmengesetz durch eine Vielzahl verschiedener Rechtsverordnungen, sonstiger Verwaltungsverordnungen und Wegleitungen als Ausführungsrecht konkretisiert und ergänzt wird (6). Die Ziele des Heilmittelrechts sind in Art. 1 HMG festgelegt. In diesem Zweckartikel wird aufgeführt, was Gegenstand des Heilmittelrechts ist. So legt Art. 1 Abs. 1 HMG fest, dass das HMG gewährleisten soll, dass zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier nur qualitativ hochstehende, sichere und wirksame Heilmittel in Verkehr gebracht werden.
Daneben verfolgt das Heilmittelgesetz in Art. 1 Abs. 2 HMG noch weitere Ziele, wie etwa der Schutz von Konsumentinnen und Konsumenten von Heilmitteln vor Täuschungen, insbesondere aufgrund von nicht erwiesenen oder irreführenden Wirkaussagen (lit. a), oder das Ziel, dass die in Verkehr gebrachten Heilmittel ihrem Zweck entsprechend und massvoll verwendet werden sollen (lit. c). Zudem soll das HMG dazu beitragen, dass eine sichere und geordnete Versorgung mit Heilmitteln, einschliesslich der dafür benötigten fachlichen Informationen und Beratung, in der Schweiz angeboten wird (Art. 1 Abs. 2 lit. c HMG). Zudem sind beim Vollzug des HMG noch weitere Zwecke zu beachten, so die Leistungsfähigkeit und Unabhängigkeit der schweizerischen Heilmittelkontrolle, die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für die Forschung und Entwicklung im Heilmittelbereich sowie die Anwendung der gleichen gesetzlichen Sicherheits- und Qualitätsanforderungen für alle Marktpartner in der Schweiz (Art. 1 Abs. 3 HMG). Die genannten Zwecke werden jeweils durch spezifische Vorschriften im HMG und dem dazugehörigen Ausführungsrecht ausgestaltet und konkretisiert (7). Auch wenn die Kosten für Heilmittel für den Gesundheitssektor zu den wesentlichen Ausgaben gehören, sind sämtliche Fragen der Finanzierung, der Kostenerstattung oder der Preiskontrolle nicht Gegenstand des Heilmittelrechts, sondern ausschliesslich des Krankenversicherungsrechts (8). Daher sind sie im Krankenversicherungsgesetz (KVG) und dem dazugehörigen Ausführungsrecht geregelt (9).
Unterschiedliche Regulierung von Arzneimitteln und Medizinprodukten
Aufgrund ihrer unterschiedlichen Wirkweise sieht das HMG und das dazugehörige Ausführungsrecht unterschiedliche Vorgaben für Arzneimittel und Medizinprodukte insbesondere im Hinblick auf ihr Inverkehrbringen sowie für verschiedene Pflichten nach ihrem Inverkehrbringen vor. Daher enthält das HMG jeweils zwei spezifische Kapitel: für Arzneimittel Kapitel 2 (Art. 5I–44 HMG) und für Medizinprodukte Kapitel 3 (Art. 45I–51 HMG). Die Kapitel 1 und 4 enthalten Bestimmungen für beide Produktkategorien. Aufgrund des Umfangs der jeweiligen Artikel fällt bereits auf, dass Arzneimittel umfangreicher reguliert sind als Medizinprodukte. Neben einer Vielzahl von speziellen Bestimmungen zu Bewilligungen und Zulassungen sind insbesondere Vertrieb, Verschreibung, Abgabe und Anwendung sowie Werbung und Preisvergleiche für Arzneimittel geregelt. Speziell für Arzneimittel sieht das HMG eine vorgängige Prüfung in Form einer präventiven Zulassung durch verschiedene Zulassungsverfahren vor, welche sich grundsätzlich danach unterscheiden, ob das Arzneimittel neu ist und erstmals zugelassen werden soll oder ob es sich um ein sog. Nachfolgeprodukt eines bereits zugelassenen Arzneimittels handelt.
Begriffe der Arzneimittel und Medizinprodukte
Arzneimittel
Der Begriff des Arzneimittels umfasst verschiedene Arzneimittelformen. In Art. 4 Abs. 1 lit. a HMG sind Arzneimittel definiert als «Produkte chemischen oder biologischen Ursprungs, die zur medizinischen Einwirkung auf den menschlichen oder tierischen Organismus bestimmt sind oder angepriesen werden, insbesondere zur Erkennung, Verhütung oder Behandlung von Krankheiten, Verletzungen und Behinderungen», wobei zu den Arzneimitteln auch Blut- und Blutprodukte gehören (10). Die verschiedenen Arzneimittelformen umfassen zunächst Produkte chemischen oder biologischen Ursprungs (Biopharmazeutika). Chemischen Ursprungs sind chemische Elemente und ihre chemischen Verbindungen, wobei es nicht darauf ankommt, ob diese natürlich vorkommen oder synthetisch erzeugt werden (11). Als anorganisch gelten Stoffe und ihre Gemische, die aus der unbelebten Natur stammen, während organische Stoffe der belebten Natur zuzurechnen sind, so Menschen, Tiere und Pflanzen sowie Mikroorganismen (11). Unter Produkte biologischen Ursprungs fallen auch Stoffe und Stoffgemische, die mittels der Biotechnologie hergestellt worden sind, wie etwa Proteine, die mittels gentechnologischer Verfahren hergestellt werden (11).
Eine weitere Unterscheidung betrifft – neben den Human- und Veterinärarzneimitteln – die Anscheins- und Funktionsarzneimittel. Anscheinsarzneimittel werden auch als Präsentationsarzneimittel bezeichnet, Funktionsarzneimittel auch als Bestimmungsarzneimittel (12). Aus dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 lit. a HMG, «Produkte», die «zur medizinischen Einwirkung […] bestimmt sind oder angepriesen werden», wird aufgrund des Wortes «oder» deutlich, dass es sich um zwei verschiedene Produktformen handelt. Nach dieser Unterscheidung muss ein Produkt entweder zur medizinischen Einwirkung auf den menschlichen oder tierischen Organismus bestimmt sein oder es muss als solches angepriesen werden, damit ein Arzneimittel vorliegt. Der Zweck eines Arzneimittels bestimmt sich folglich entweder nach den Eigenschaften seiner Stoffe oder Stoffzusammensetzung oder nach der Anpreisung des Herstellers oder Inverkehrbringers.
Bei der Frage, ob eine Anpreisung vorliegt, wird auf die sog. subjektive Zweckbestimmung abgestellt, die durch die Aufmachung bzw. Präsentation des Produkts zum Ausdruck kommt, wie etwa das Anbieten, die Kennzeichnung oder die Bewerbung des Produkts als Arzneimittel, in dem ihm z. B. Wirkaussagen zugeschrieben werden (12). Hieraus ergibt sich, dass ein Produkt auch dann als Arzneimittel gilt, wenn es entsprechend angepriesen wird, also beworben oder aufgemacht ist, und dies selbst dann, wenn es an einer medizinischen Einwirkung fehlt. In diesem Fall ist das Produkt nicht wirksam und wird daher auch keine Zulassung erhalten oder abgegeben werden können. Infolgedessen wird das Produkt als Arzneimittel mangels Zulassung nicht verkehrsfähig sein und darf nicht abgegeben werden (12). Blut und Blutprodukte, wie z. B. Blutplasma und Zellpräparate, sind keine Produkte chemischen oder biologischen Ursprungs. Sie werden aber nach Art. 4 Abs. 1 lit. a HMG zu den Arzneimitteln gezählt und unterstehen damit den Regelungen des Heilmittelrechts und des einschlägigen Verordnungsrechts.
Medizinprodukte
Das Heilmittelgesetz enthält in Art. 4 Abs. 1 lit. b HMG eine Legaldefinition für Medizinprodukte. Danach sind Medizinprodukte «Produkte, einschliesslich Instru- mente, Apparate, In-vitro-Diagnostika, Software und andere Gegenstände oder Stoffe, die für die medizinische Verwendung bestimmt sind oder angepriesen werden und deren Hauptwirkung nicht durch ein Arzneimittel erreicht wird». Medizinprodukte werden näher in der Medizinprodukteverordnung (MepV) geregelt (13). Art. 3 Abs. 1 MepV enthält eine im Vergleich zu HMG 4 Abs. 1 lit. b weitergehende und detailliertere Legaldefinition. Medizinprodukte werden in unterschiedliche Gruppen und Risikoklassen eingeteilt, wonach sich die Anforderungen an Sicherheit, Gesundheitsschutz und Leistungsfähigkeit je nach Einteilung unterscheiden (14).
Abgrenzungsfragen
Abgrenzungsfragen stellen sich hinsichtlich Arzneimittel und Medizinprodukt sowie insbesondere im Hinblick auf Arzneimittel und Lebensmittel sowie Kosmetika (15). Für die Abgrenzung zwischen Arzneimittel und Medizinprodukt stellt bereits Art. 4 Abs. 1 lit. b HMG fest, dass ein Produkt sowohl Arzneimittel als auch Medizinprodukt sein kann (15). Gleichwohl muss jedoch ein Produkt einer Kategorie zugerechnet werden, da feststehen muss, ob es als Arzneimittel einzuordnen ist und mithin einer Zulassung für das Inverkehrbringen bedarf oder nicht (15). Für die Frage der Kategorisierung wird auf die Hauptwirkung des Produkts abgestellt. Massgebliches Kriterium für das Vorliegen eines Medizinprodukts ist danach, ob das Produkt zur Anwendung beim Menschen bestimmt ist (Art. 3 Abs. 1 lit. a MepV) und die bestimmungsgemässe Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper nicht durch ein Arzneimittel i.S.v. Art. 4 Abs. 1 lit. b HMG, d.h. durch pharmakologische, immunologische oder metabolische Mittel (Art. 3 Abs. 1 lit. b MepV), erreicht wird (15). Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein (15).
Noch schwieriger kann die Abgrenzung zwischen Arzneimittel und Lebensmittel oder Kosmetika sein. Dies betrifft beispielsweise angereicherte Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel sowie Lebensmittel oder Kosmetika mit einer höheren Dosierung, z. B. einer höheren Fluoridkonzentration bei Zahnpasta oder Mundspüllösungen (15). Lebensmittel können wie manche Arzneimittel in den menschlichen Körper aufgenommen werden und können dort ebenfalls eine Wirkung auf den Organismus entfalten (15). Hier stellt sich für die Abgrenzung die Frage, ob diese Wirkung auf den Organismus einer pharmakologischen Wirkung gleichkommt. Lebensmittel sind nach der Legaldefinition des Art. 4 Abs. 1 LMG (16) «alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen sich vernünftigerweise vorhersehen lässt, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden». Die Abgrenzung erfolgt über den Ausschluss des Heilmittels aus dem Anwendungsbereich des Lebensmittelrechts in Art. 2 Abs. 2 lit. d LMG. Die Abgrenzung zwischen Lebensmittel und Arzneimittel bestimmt sich folglich nach den Definitionen des Art. 4 Abs. 1 lit. a HMG: Erfüllt ein Stoff die Definition eines Arzneimittels, d.h., weist er eine medizinische Einwirkung auf, ist er kein Lebensmittel. Die medizinische Einwirkung, auch pharmakologische Wirkung, auf den Organismus ist daher das Entscheidungskriterium, was die Abgrenzungsschwierigkeiten im Einzelfall deutlich machen. Jedenfalls fallen Nahrungsergänzungsmittel, die zur medizinischen Einwirkung auf den Organismus angepriesen werden, unabhängig von ihrer Zusammensetzung unter den Begriff der Arzneimittel nach Art. 4 Abs. 1 lit. a HMG (17). Eine klare Einordnung der Produkte ist jedoch vor dem Hintergrund von Bedeutung, dass Arzneimittel grundsätzlich eine Zulassung benötigen (Art. 9 Abs. 1 HMG), Lebensmittel jedoch nicht. Ein Produkt kann daher nicht zugleich Lebensmittel und Arzneimittel sein. Es gilt insofern das Entweder-oder-Prinzip (15).
Umgang mit Heilmitteln
Das HMG regelt in Art. 2 Abs. 1 HMG den Umgang mit Arzneimitteln und Medizinprodukten und enthält für beide Bereiche allgemeine Vorschriften, welche durch spezifische Regelungen auf Verordnungsstufe konkretisiert werden. Der Begriff des Umgangs wird weder im HMG noch im Verordnungsrecht definiert. Entsprechend der Zielsetzung nach Art. 1 Abs. 1 HMG ist der Begriff des Umgangs mit Heilmitteln jedoch weit zu verstehen und umfasst die Herstellung, die Ein- und Ausfuhr sowie den Handel mit Heilmitteln. Mit dem Begriff des Umgangs werden sowohl staatliche als auch private Tätigkeiten im Zusammenhang mit Heilmitteln in der Schweiz erfasst (18). In Art. 4 Abs. 1 lit. c, d, e und f HMG finden sich Legaldefinitionen der Begriffe Herstellen, Inverkehrbringen, Vertreiben und Abgeben. Das Herstellen (Art. 4 lit. c HMG) von Heilmitteln umfasst nach Art. 4 Abs. 1 lit. c HMG Arbeitsgänge der Heilmittelproduktion und mithin auch Qualitätskontrollen, das Lagern und Verpacken sowie die Freigabe und die Auslieferung (18). Das Herstellen umfasst damit nicht nur den Herstellungsprozess eines Heilmittels. Die Herstellung muss nach Art. 3 lit. o AMBV den Internationalen Regeln der Guten Herstellungspraxis (Good Manufacturing Practice, GMP) entsprechen (20).
Die Abgrenzung zwischen Herstellen und Vertreiben ist folglich unscharf, da der weite Herstellungsbegriff auch Teile bzw. Vorstufen des Vertreibens umfasst. Das Inverkehrbringen meint nach Art. 4 Abs. 1 lit. d HMG das Vertreiben und das Abgeben. Das Vertreiben kann nach Art. 4 Abs. lit. e HMG als Übertragen oder Überlassen eines Heilmittels, mit Ausnahme des Abgebens, verstanden werden (21). Es kommt nur auf die tatsächliche faktische Zurverfügungstellung des Produkts an, sodass es unerheblich ist, ob das Übertragen oder Überlassen entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt. Das Abgeben umfasst nach Art. 4 Abs. 1 lit. f HMG die Übertragung oder Überlassung eines verwendungsfertigen Heilmittels an die Endverbraucher, welche das Heilmittel an sich oder anderen anwenden. Anders als die vorgenannten Schritte bezieht sich das Abgeben nur auf verwendungsfertige Heilmittel und nicht auf Vorstufen. Im Hinblick auf Arzneimittel kommt dem Abgeben die Bedeutung der Verabreichung zu, bei Medizinprodukten die Inbetriebnahme (22).
Systematik des Heilmittelrechts
Das Heilmittelgesetz regelt im ersten Kapitel in den Art. 1 bis 4 HMG die Zweckbestimmung, die Sorgfaltspflichten sowie Begriffsbestimmungen und somit allgemeine Bestimmungen, die sowohl für Arzneimittel als auch für Medizinprodukte gelten. Das zweite Kapitel regelt in den Art. 5 bis 44 HMG die Arzneimittel, während das dritte Kapitel in den Art. 45 bis 51 Vorschriften für Medizinprodukte umfasst. Das vierte Kapitel enthält in den Art. 52 bis 67 HMG wiederum gemeinsame Bestimmungen für Arzneimittel und Medizinprodukte, während das fünfte Kapitel in den Art. 82 und 83 HMG Vorschriften zum Eidgenössischen Heilmittelinstitut Swissmedic vorsieht. Schliesslich enthält das siebte Kapitel in den Art. 84 und 85 HMG Regelungen zum Verwaltungsverfahren, während das achte Kapitel in den Art. 91 bis 96 HMG Strafbestimmungen bei Verstössen normiert. Neben den Bestimmungen des HMG als Rahmengesetz ist das Heilmittelrecht durch eine Vielzahl von Verordnungen des Bundesrates sowie durch Verwaltungsverordnungen von Swissmedic geprägt. Hinzu kommen noch Anleitungen, Merkblätter und Informationen von Swissmedic (23). Bei der Systematik des HMG fällt auf, dass der grösste Anteil der Bestimmungen auf den Bereich der Arzneimittel fällt. Dies beruht darauf, dass Arzneimittel aufgrund ihres im Vergleich zu den Medizinprodukten grundsätzlich grösseren Risiko- bzw. Gefahrenpotenzials einer umfangreicheren Regulierung, so insb. eines Zulassungsverfahrens, bedürfen.
Arzneimittel
Grundsätze
Für Arzneimittel gelten separate Regulierungen, welche im HMG einen grösseren Raum einnehmen als jene für Medizinprodukte. So statuieren die Art. 5 bzw. 18 ff. HMG sowohl für die Herstellung als auch die Einfuhr, Ausfuhr und den Handel mit Arzneimitteln in der Schweiz Bewilligungspflichten. Daneben enthält Art. 9 Abs. 1 HMG den Grundsatz, wonach verwendungsfertige Arzneimittel nur in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie von Swissmedic zugelassen sind.
Aus rechtlicher Sicht handelt es sich sowohl bei den Bewilligungen als auch bei den Zulassungen um mitwirkungsbedürftige Verfügungen, d.h., eine Verfügung kann nur aufgrund eines Gesuchs ergehen. Es handelt sich zudem um Polizeiverfügungen, d.h., es besteht grundsätzlich kein Ermessen von Swissmedic, sodass eine Bewilligung bzw. Zulassung zu erteilen ist, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Erteilung vorliegen (24). Zudem dürfen andere als die gesetzlich genannten Voraussetzungen nicht eingebracht oder berücksichtigt werden (25). Der Unterschied zwischen Bewilligung und Zulassung besteht darin, dass sich die Bewilligung grundsätzlich auf den Inverkehrbringer bezieht, während die Zulassung für das Produkt (Arzneimittel) erforderlich ist.
Bewilligungen
Art. 5 Abs. 1 HMG sieht vor, dass für die Herstellung von Arzneimitteln eine Bewilligung von Swissmedic erforderlich ist. Die Herstellung stellt eine private Erwerbstätigkeit dar, welche unter den Schutz der Wirtschaftsfreiheit gem. Art. 27 BV fällt, da aufgrund der Bewilligungspflicht für die Herstellung von Arzneimitteln die Ausübung der Wirtschaftsfreiheit eingeschränkt wird. Diese Einschränkung ist jedoch nur dann zulässig, wenn sie gem. Art. 36 BV auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist. Die Vorschriften des Heilmittelrechts, welche den Schutz der öffentlichen Gesundheit bezwecken, genügen diesen Anforderungen, da die Bewilligungspflicht dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dient und gesundheitspolizeilich ausgerichtet ist (26). So ist nach Art. 6 Abs. 1 HMG eine Bewilligung zu erteilen, wenn die erforderlichen fachlichen und betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind (lit. a) und ein geeignetes Qualitätssicherungssystem vorhanden ist (lit. b). Die Einfuhr und Ausfuhr sowie der Handel im Ausland bestimmen sich nach Art. 18 HMG ff., welche ebenfalls eine Bewilligungspflicht vorsehen.
Zulassungspflicht und Ausnahmen
Art. 9 Abs. 1 HMG statuiert den Grundsatz, wonach verwendungsfertige Arzneimittel für ihr Inverkehrbringen grundsätzlich eine Zulassung durch Swissmedic benötigen (Grundsatz der Zulassungspflicht). Auch die Zulassungspflicht stellt einen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit nach Art. 27 BV dar, welche jedoch ebenfalls wie die Bewilligungspflicht zulässig ist (27). Dem Zulassungsentscheid geht ein aufwendiges Zulassungsverfahren voraus, welches als präventives Kontrollverfahren ausgestaltet ist, sodass eine Zulassung grundsätzlich präventiv, d.h. vor Abgeben oder Inverkehrbringen, erfolgen muss (28). Im Hinblick auf den Grundsatz der Zulassungspflicht nach Art. 9 Abs. 1 HMG gelten zahlreiche Ausnahmen, welche in Art. 9 Abs. 2 HMG normiert sind. Hierunter fallen insbesondere die sog. Formula-Arzneimittel (29).
Bei der Herstellung der Formula-Arzneimittel sind die anerkannten Regeln der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft zu beachten (30). So benötigen Arzneimittel, die in einer öffentlichen Apotheke oder in einer Spitalapotheke in Ausführung einer ärztlichen Verschreibung für eine bestimmte Person oder einen bestimmten Personenkreis hergestellt werden (Formula magistralis), nach Art. 9 Abs. 2 lit. a HMG keine Zulassung. Das Gleiche gilt nach Art. 9 Abs. 2 lit. b HMG für Arzneimittel, die in einer öffentlichen Apotheke, einer Spitalapotheke, einer Drogerie oder in einem anderen Betrieb, der über eine Herstellungsbewilligung verfügt, nach einem anerkannten Arzneibuch oder Formularium ad hoc oder defekturmässig hergestellt werden und die für die Abgabe an die eigene Kundschaft bestimmt sind (Formula officinalis). Ebenso keine Zulassung benötigen insbesondere Arzneimittel für klinische Versuche (Art. 9 Abs. 2 lit. d HMG) sowie Arzneimittel, die nicht standardisierbar sind (Art. 9 Abs. 2 lit. e HMG).
Zulassungsverfahren
Hintergrund
Nach dem Grundsatz der Zulassungspflicht nach Art. 9 Abs. 1 HMG dürfen Arzneimittel nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie vorgängig von Swissmedic zugelassen sind, sodass nur Arzneimittel auf den Markt kommen dürfen, die den gesetzlichen Anforderungen an Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität i.S.v. Art. 1 Abs. 1 HMG genügen. Der Zulassung geht grundsätzlich eine eingehende Prüfung voraus, ob ein Arzneimittel den gesetzlich vorgeschriebenen Anforderungen entspricht und zugelassen wird. Dazu muss für das Arzneimittel, für das eine Zulassung von Swissmedic beantragt wird, eine umfangreiche Dokumentation, das sog. Datendossier, mit den Ergebnissen der präklinischen und klinischen Studien (Phase I–III) bei Swissmedic eingereicht werden, aufgrund dessen die Wirksamkeit, die Qualität und die Sicherheit des Arzneimittels durch Swissmedic geprüft werden können. Die Zulassungsverfahren sind in den Art. 10-14 HMG sowie in der Arzneimittel-Zulassungsverordnung (AMZV) geregelt (31).
Sicherheit als Nutzen-Risiko-Abwägung
Eine Zulassung wird nur erteilt, wenn das Arzneimittel hinreichend sicher ist. Gefordert wird jedoch keine absolute Sicherheit, da ansonsten die Arzneimittelverfügbarkeit sehr eingeschränkt wäre. Selbst bei zugelassenen Arzneimitteln können bei bestimmungsgemässer Verwendung unerwünschte Wirkungen, insbesondere Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln, auftreten. Damit bleibt grundsätzlich ein sozialadäquates Restrisiko. Im Hinblick auf die Sicherheit kann daher nur eine relative Sicherheit verlangt werden, welche sich nach einer Nutzen-Risiko-Abwägung beurteilt (32). Die Sicherheit ist folglich nicht juristisch zu bestimmen, sondern ist ein medizinisch pharmakologischer Begriff.
Ordentliches Zulassungsverfahren
Für alle neuen Arzneimittel, die in der Schweiz erstmals in Verkehr gebracht werden sollen, bedarf es nach Art. 9 Abs. 1 HMG grundsätzlich einer Zulassung. Hier kommt das ordentliche Zulassungsverfahren, auch Erstzulassung genannt, zur Anwendung, welches in den Art. 10 und 11 HMG statuiert ist. So bestimmt Art. 10 HMG in abschliessender Weise die Voraussetzungen für das Inverkehrbringen von verwendungsfertigen Arzneimitteln i.S.v. Art. 4 Abs. 1 lit. a HMG. Aufgrund des Zulassungsgesuchs muss Swissmedic in der Lage sein zu beurteilen, ob das Arzneimittel oder das Verfahren i.S.v. Art. 1 HMG qualitativ hochstehend, sicher und wirksam ist. Danach muss der Gesuchsteller belegen, dass das Arzneimittel qualitativ hochstehend, sicher und wirksam ist (lit. a), er über eine entsprechende Herstellungs-, Einfuhr- oder Grosshandelsbewilligung (lit. b) sowie über einen Wohnsitz, Geschäftssitz oder Niederlassung in der Schweiz (lit. c) verfügt.
Für bereits zugelassene Wirkstoffe gilt je nach Art und Umfang der Neuerung das ordentliche Zusalleungsverfahren nach Art. 10 HMG oder das vereinfachte Verfahren nach Art. 14 HMG. Folglich kann auch bei bereits zugelassenen Arzneimitteln ein ordentliches Zulassungsverfahren in Betracht kommen, wenn sich beispielsweise die Indikation, die Dosierung oder die Verabreichungsform ändern. Bei der Zulassung handelt es sich um eine Polizeiverfügung, d.h., Swissmedic kommt kein Ermessen zu, vielmehr besteht ein Rechtsanspruch auf Zulassung, wenn die Voraussetzungen nach Art. 10 HMG erfüllt sind (33). Das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen ist durch den Gesuchsteller zu beweisen und durch Einreichung der entsprechenden Dokumentation im Zulassungsgesuch nach Art. 11 HMG nachzuweisen (33). Das Zulassungsgesuch muss nach Art. 11 Abs. 1 lit. a bis c HMG sämtliche für die Beurteilung wesentlichen Angaben und Unterlagen enthalten, so insbesondere die Indikation(en), die Bezeichnung des Arzneimittels (lit. a), den Hersteller oder den Vertreiber (lit. b) sowie die Herstellungsmethode, die Zusammensetzung, die Qualität und die Haltbarkeit (lit. c). Welche sonstigen Angaben und Unterlagen mit Gesuch auf Zulassung bei Swissmedic einzureichen sind, bestimmt sich nach Art. 11 Abs. 2 HMG, so insbesondere die Ergebnisse der präklinischen und klinischen Prüfungen, die Heilwirkungen und die unerwünschten Wirkungen, die Kennzeichnung, die Arzneimittelinformation sowie die Abgabe- und die Anwendungsart. Einzelheiten sind in der Verordnung des Schweizerischen Heilmittelinstituts über die Anforderungen an die Zulassung von Arzneimitteln AMZV geregelt (31). So bestimmen die Art. 3 ff. AMZV die Anforderungen an die Dokumentation für die Zulassung eines Humanarzneimittels.
Da die Entwicklung und Zulassung eines neuen Arzneimittels mit hohen Investitionskosten verbunden ist, wird ein sog. Unterlagenschutz, auch Erstanmelderschutz genannt, nach den Art. 1a ff. HMG gewährt, bei dem es sich um ein arzneimittelrechtliches Ausschliesslichkeitsrecht handelt (34). Der Erstanmelderschutz soll vertrauliche Daten, die ein Erstanmelder im Rahmen der Zulassung vorzulegen hat und die oft unter erheblichen Investitionen erstellt worden sind, vor unlauterer gewerblichen Verwendung schützen (35). Der Unterlagen- bzw. Erstanmelderschutz ist nicht mit den immaterialgüterrechtlichen Ausschliesslichkeitsrechten zu verwechseln, die sich nicht nach Heilmittelrecht, sondern nach Immaterialgüterrecht bestimmen.
Vereinfachtes Zulassungsverfahren
Für bestimmte Kategorien von Arzneimitteln ist nach Art. 14 HMG ein vereinfachtes Zulassungsverfahren vorgesehen, «wenn dies mit den Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit vereinbar ist». Die vereinfachte Zulassung beruht aus rechtlicher Sicht auf dem Verhältnismässigkeitsprinzip, da für bestimmte Arten von Arzneimitteln ein ordentliches Verfahren unverhältnismässig wäre. So listet Art. 14 Abs. 1 HMG eine Reihe von Arzneimittelkategorien auf, für die eine vereinfachte Zulassung gilt. Die Liste ist nicht abschliessend, wie durch den Hinweis «insbesondere» bei der Auflistung deutlich wird. Ein vereinfachtes Zulassungsverfahren nach Art. 14 Abs. 1 HMG ist beispielsweise für Arzneimittel mit bekannten Wirkstoffen (lit. a) oder Arzneimittel mit langjähriger medizinischer Verwendung (lit. ater) sowie für Komplementärarzneimittel (lit. b), Phytoarzneimittel (lit. cbis) und Arzneimittel für den Spitalbedarf (lit. d) vorgesehen. Zudem gilt ein vereinfachtes Verfahren auch für Arzneimittel für seltene Krankheiten (lit. f). Die vereinfachten Zulassungsverfahren sind sowohl auf Gesetzes- als auch auf Verordnungsstufe durch Verordnungen des Bundesrats und von Swissmedic detailliert geregelt.
Einer der wichtigsten Anwendungsfälle des vereinfachten Verfahrens gilt nach Art. 14 Abs. 1 lit. a HMG für Arzneimittel mit bekannten Wirkstoffen. Nach Art. 12 Abs. 1 VAZV kann ein Arzneimittel vereinfacht zugelassen werden, dessen Wirkstoff in einem Arzneimittel enthalten ist, das von Swissmedic zugelassen ist oder war (bekannter Wirkstoff). Es handelt sich hierbei um ein Arzneimittel, dessen Wirkstoff in einem Arzneimittel enthalten ist, welches von Swissmedic bereits zugelassen war, sodass damit in erster Linie Generika umfasst sind. Die Zulassung eines Arzneimittels im Rahmen eines ordentlichen Zulassungsverfahrens stellt aufgrund der umfangreichen Dokumentationspflichten und den damit verbundenen Nachweisen, insbesondere aufgrund des Erfordernisses der präklinischen und klinischen Studien, einen grossen zeitlichen Aufwand mit hohen Kosten dar.
Die Vereinfachung des Zulassungsverfahrens besteht darin, dass sich das Arzneimittel als Nachfolgeprodukt unter bestimmten Voraussetzungen auf die bereits eingereichten Zulassungsunterlagen der Erstzulassung abstützen, d.h. referenzieren, kann. Voraussetzung für eine vereinfachte Zulassung ist, dass das Nachfolgeprodukt mit dem bereits zugelassenen Produkt im Wesentlichen gleich i.S. der Bioverfügbarkeit ist und der sog. Erstanmelderschutz bzw. Unterlagenschutz entweder bereits abgelaufen ist oder der Inhaber der Erstzulassung der Referenzierung auf die Unterlagen seines Zulassungsgesuchs zustimmt (36). Die Referenzierung kann daher nicht uneingeschränkt vorgenommen werden.
Nach Art. 12 Abs. 1 HMG kann sich das Gesuch um Zulassung eines Arzneimittels, das im Wesentlichen gleich ist wie ein Arzneimittel, dessen Unterlagen nach Art. 11a und 11b HMG im Rahmen des Unterlagenschutzes geschützt ist, nur auf die Ergebnisse dessen pharmakologischer, toxikologischer und klinischer Prüfungen stützen, wenn der Inhaber der Zulassung des Arzneimittels mit Unterlagenschutz schriftlich zustimmt (lit. a) oder der Schutz der entsprechenden Unterlagen abgelaufen ist (lit. b). Der Unterlagenschutz legt vereinfacht dargelegt fest, in welchen Zeiträumen keine automatische Referenzierung auf die bei Swissmedic vorliegenden Unterlagen der Erstzulassung referenziert werden darf.
Hintergrund des Unterlagen- oder Erstanmelderschutzes ist, dass vertrauliche Daten, die ein Erstanmelder im Rahmen der Zulassung vorzulegen hat und die oft unter erheblichen Investitionen erstellt worden sind, vor unlauterer gewerblicher Verwendung geschützt werden sollen. Der Schutz soll so lange währen, bis ein Zweitanmelder sich zulässigerweise auf die Daten stützen darf, sei es auf- grund einer finanziellen Gegenleistung im Einvernehmen mit dem Erstanmelder, sei es nach Ablauf einer gewissen Zeitdauer (37).
Pharmakovigilanz
Trotz der umfassenden Prüfung der Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität von Arzneimitteln im Rahmen des Zulassungsverfahrens durch Swissmedic können Arzneimittel weitere Risiken aufweisen, die erst nach Inverkehrbringen, d.h. nach der Markteinführung aufgrund einer breiteren Anwendung, auftreten. (38) Dies betrifft insbesondere das Auftreten seltener Risiken, die im Rahmen der klinischen Studien aufgrund der begrenzten Probandenzahl nicht erkennbar waren (39). Die Sicherheit eines Arzneimittels i.S. der Nutzen-Risiko-Abwägung muss dsomit fortlaufend durchgeführt werden. Daher statuieren die Art. 58 ff. HMG verschiedene Überwachungspflichten, so die behördliche Marktüberwachung (Art. 58 HMG) sowie Meldepflichten, Meldesysteme und Melderechte, die sog. Pharmakovigilanzpflichten (Art. 59 HMG).
Medizinprodukte
Grundsätze
Medizinprodukte müssen entsprechend den Vorgaben nach Art. 1 Abs. 1 HMG ebenfalls qualitativ hochstehend, sicher und wirksam sein. Für ihr Inverkehrbringen bedarf es jedoch im Vergleich zu den Arzneimitteln keiner vorgängigen Zulassung. Damit können Medizinprodukte ohne vorherige behördliche Zulassung durch Swissmedic in Verkehr gebracht werden. Zudem können auch Medizinprodukte, welche sich in der EU rechtmässig in Verkehr befinden, grundsätzlich auch in die Schweiz importiert werden. Für Medizinprodukte stützt sich die Schweiz folglich auf die Vorgaben des Systems der Konformitätsbewertung der EU ab. Die Schweiz hat das Medizinprodukterecht der EU, mit welchem eine europäische Harmonisierung in den EU-Mitgliedstaaten erreicht wurde, in nationales Recht umgesetzt und in Detailfragen auf das EU-Recht verwiesen (40). Dies bedeutet, dass die Begriffsdefinition für Medizinprodukte in der Schweiz mit denen in den EU-Mitgliedstaaten übereinstimmen muss. Aus diesem Grund werden Medizinprodukte in unterschiedliche Kategorien, sog. Risikoklassen, eingeteilt, die sich nach dem jeweiligen Risikoprofil richten. Entsprechend sind unterschiedliche Bewertungsverfahren vorgesehen, sodass Anforderungen an Sicherheit und Gesundheitsschutz entsprechend der jeweiligen Klassifizierung verschieden sein können. Unterschieden wird entsprechend den EU-Regelungen zwischen Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika. Anders als Arzneimittel durchlaufen Medizinprodukte somit keine behördliche Zulassung, sodass sich die Aufgaben von Swissmedic im Bereich Medizinprodukte auf eine Marktüberwachung beschränken (41).
Inverkehrbringen
Die Anforderungen an Medizinprodukte sind in Art. 45 HMG normiert. Danach darf ein Medizinprodukt bei seiner bestimmungsgemässen Verwendung die Gesundheit der Anwenderinnen und Anwender, der Konsumentinnen und Konsumenten, Patientinnen und Patienten sowie Dritter nicht gefährden (Abs. 1). Zudem muss derjenige, der ein Medizinprodukt in Verkehr bringt, nachweisen können, dass es die grundlegenden Anforderungen erfüllt (Abs. 2). Das Inverkehrbringen von Medizinprodukten regeln des Weiteren die Bestimmungen der MepV. So enthält Art. 4 lit. b MepG eine Legaldefinition des Inverkehrbringens, wonach hierunter «jede erstmalige Bereitstellung eines Produkts auf dem Schweizer Markt» zu verstehen ist. Nach Art. 6 Abs. 1 MepV darf ein Medizinprodukt «nur in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, wenn es bei sachgemässer Lieferung, korrekter Installation und Instandhaltung und bei seiner Zweckbestimmung entsprechender Verwendung» den Vorgaben der MepV entspricht.
Konformitätsbewertungsverfahren
Für Medizinprodukte ist zwar kein Zulassungsverfahren vorgesehen, jedoch müssen Medizinprodukte ein Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen, welches in Art. 46 HMG geregelt ist. Der Inverkehrbringer eines Medizinprodukts muss nach Art. 46 Abs. 1 HMG nachweisen, dass die erforderlichen Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt worden sind. Die Konformität der Medizinprodukte zu den EU-Normen wird von privaten Stellen bewertet. Ist eine Konformitätsbewertung erfolgt, so erhält das Medizinprodukt das CE-Zeichen (42). Im Hinblick auf den freien Warenverkehr mit Medizinprodukten gilt eine einseitige Anerkennung des CE-Zeichens: Während Medizinprodukte, welche in der EU mit einem CE-Zeichen in Verkehr gebracht werden, aufgrund der Warenverkehrsfreiheit im EU-Binnenmarkt frei zirkulieren können, gilt dies für die Schweiz nur einseitig: Medizinprodukte aus der EU mit CE-Zeichen können auch in der Schweiz in Verkehr gebracht werden. Da das Konformitätsbewertungsverfahren durch private Stellen erfolgt, kommt Swissmedic nur die Aufgabe der Benennung und Überwachung der Konformitätsbewertungsstellen im Rahmen einer Marktüberwachung zu (42).
Innovationsschutz und Patente
Immaterialgüterrechte im Gesundheitssektor
Grundsätzlich ergeben sich im Gesundheitssektor keine Besonderheiten im Hinblick auf den Immaterialgüterschutz. So bestehen für Arzneimittel und Medizinprodukte die gleichen Schutzrechte wie auch für andere Produkte. Technische Erfindungen können unter den Voraussetzungen des Patentrechts patentiert werden, Bezeichnungen können unter den Schutz des Markenrechts fallen und u.U. kann auch ein urheberrechtlicher Schutz in Betracht kommen. Das häufigste und bedeutendste Immaterialgüterrecht, welches zum Schutz von Erfindungen im Heilmittelbereich zur Anwendung kommt, ist das Patent. Das Patentrecht sorgt durch Gewährung eines Ausschliesslichkeitsrechts an neuen, nicht naheliegenden und gewerblich anwendbaren Erfindungen für Anreize zum Tätigen von Erfindungen und für deren Offenlegung oder Vermarktung (43). Es folgt dem Erfinderprinzip und dem Prioritätsprinzip, wobei die materiellen Erteilungsvoraussetzungen durch das Eidgenössische Institut für geistiges Eigentum (IGE) nur eingeschränkt geprüft werden (43).
Innovationsförderung und Anreizfunktion
Immaterialgüterrechte, so insbesondere das Patent, weisen eine Schutz- und Anreizfunktion auf. Patente gewähren Rechte des geistigen Eigentums, verhindern dadurch Imitation der Erfindung und liefern somit einen Anreiz für Forschung und Entwicklung (F&E) durch die zeitlich begrenzte staatliche Garantie, Dritte von der Verwertung der Erfindung ausschliessen zu können (44). Ziel ist die Förderung von Innovation, die ohne den entsprechenden immaterialgüterrechtlichen Schutz unterbleiben würden. Ressourcen werden nur dann in die Forschung investiert, wenn die Forschungsergebnisse, namentlich Erfindungen, vor kommerzieller Verwendungen durch Nachahmer geschützt werden und die Möglichkeit besteht, die aufgewandten Ressourcen wieder einspielen zu können. Dies wird durch die Exklusivitätswirkung des Patents erreicht, welches Wettbewerber von der kommerziellen Nutzungsmöglichkeit der Erfindung ausschliesst. Patente stellen somit Ausschliesslichkeitsrechte dar, welche die kommerzielle Verwertung in Form einer gewerblichen Benützung ausschliesslich dem Patentinhaber zuweisen, sodass sie anderen übertragbaren absoluten Rechten, wie dem Urheberrecht, dem Markenrecht, dem Designrecht oder dem Sacheigentum, vergleichbar sind (45).
Aus ökonomischer Sicht soll ein Patent ein Marktfehler oder -versagen ausgleichen: Ohne Schutz durch die Exklusivitätswirkung unterbliebe die Investition und mithin die Innovation. Damit der Markt für Heilmittel nicht zum Erliegen kommt, sichert der Patentschutz den forschenden Unternehmen und Erfindern während der Patentlaufzeit ein Ausschliesslichkeitsrecht zu (46). Im Gegenzug für diese Exklusivität muss die Erfindung offengelegt werden, d.h., in der Patentschrift wird die Erfindung beschrieben, sodass es aufgrund dieser Offenlegung Dritten möglich ist, die Erfindung als Ausgangslage zu verwenden, um sie weiterzuentwickeln und zu forschen (46). Anstelle der Subventionierung z. B. von Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen im Gesundheitssektor kann der Staat somit durch die entsprechende Ausgestaltung des Immaterialgüterschutzes entsprechend eine Verhaltenslenkung erreichen (Lenkungsfunktion).
Patentschutz
Das Bundesgesetz über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) schützt patentierbare Erfindungen (47). Für neue gewerblich anwendbare Erfindungen werden nach Art. 1 Abs. 1 PatG Erfindungspatente erteilt. Was sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, ist keine patentierbare Erfindung (Art. 1 Abs. 2 PatG). Es muss sich also um eine neue Erfindung handeln. Nach Art. 7 Abs. 1 PatG gilt eine Erfindung als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Den Stand der Technik bildet alles, was vor dem Anmelde- oder dem Prioritätsdatum der Öffentlichkeit durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benützung oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht worden ist (Art. 7 Abs. 2 PatG). Das Patent verschafft seinem Inhaber das Recht, anderen zu verbieten, die Erfindung gewerbsmässig zu nutzen (Art. 8 Abs. 1 PatG). Als Benützung gelten insbesondere das Herstellen, das Lagern, das Anbieten, das Inverkehrbringen, die Ein-, Aus- und Durchfuhr sowie der Besitz zu diesen Zwecken (Art. 8 Abs. 2 PatG). Betrifft die Erfindung ein Herstellungsverfahren, so erstreckt sich die Wirkung des Patents auch auf die unmittelbaren Erzeugnisse des Verfahrens (Art. 8a PatG).
Die Erteilung eines Patents hat jedoch keine Erlaubniswirkung, d.h., es stellt keine Erlaubnis zur Anwendung der geschützten Erfindung dar. Ob eine Erfindung ausgeführt werden darf, ist eine Frage des Regulierungsrechts (48). Für Arzneimittel und Medizinprodukte ist dies das Heilmittelrecht. Vielmehr bietet das Patent die Möglichkeit der (gewerbsmässigen) Benützung der geschützten Erfindung und das Recht, andere während der Patentlaufzeit von dieser Nutzung auszuschliessen (Exklusivitätswirkung oder Ausschliesslichkeitsrecht). Das Recht, anderen die gewerbsmässige Nutzung des Patents zu verbieten, besteht jedoch grundsätzlich nur während der Patentlaufzeit. Die Schutzdauer eines Patents beträgt 20 Jahre (Art. 14 Abs. 1 PatG). Ob eine Erfindung auch tatsächlich wirtschaftlich genutzt werden kann, bestimmt sich nach anderen Gesetzen: Für Arzneimittel sind dies die Vorschriften für das Inverkehrbringen i.S. der Zulassungsregelungen nach den Art. 10 ff. HMG. Gegenstand eines Patents im Bereich des Arzneimittelrechts können nicht nur Wirkstoffe oder Wirkstoffkombinationen sein. Vielmehr kann die durch das Patent geschützte Erfindung auch u.a. auf das Herstellungsverfahren, die Galenik und in beschränktem Umfang auch auf die Verwendung des Heilmittels gestützt werden. Nach Art. 7c PatG können Stoffe oder Stoffgemische, die als solche, aber nicht in Bezug auf ihre Verwendung, in einem chirurgischen, therapeutischen oder diagnostischen Verfahren zum Stand der Technik gehören, als neu gelten, soweit sie nur für eine solche Verwendung bestimmt sind.
Forschungs-, Versuchs- und Zulassungsprivileg
Die Forschung mit patentgeschützten Wirkstoffen oder Wirkstoffkombinationen z. B. durch Hersteller von Nachfolgeprodukten verletzt das Patent grundsätzlich nicht, da sie keine kommerzielle Verwertung darstellen. Das Forschungs- und Versuchsprivileg nach Art. 9 PatG erlaubt es Generikahersteller, bereits während der Schutzdauer der noch patentgeschützten Originalarzneimittel Massnahmen für die Zulassung ihrer Generika vorzunehmen, so insbesondere Studien für die Vorbereitung des Zulassungsantrags im Wege des vereinfachten Verfahrens nach Art. 14 HMG. Mit der Revision des Patentrechts hat das Versuchsprivileg Eingang in das PatG gefunden. Nach Art. 9 Abs. 1 PatG erstreckt sich die Wirkung des Patents nicht auf Handlungen zu Forschungs- und Versuchszwecken, die der Gewinnung von Erkenntnissen über den Gegenstand der Erfindung einschliesslich seiner Verwendungen dienen. Des Weiteren ist jede wissenschaftliche Forschung am Gegenstand der Erfindung frei. Im Hinblick auf die Durchführung von präklinischen und klinischen Studien sieht Art. 9 Abs. 1 PatG ebenfalls eine Ausnahme vor: So erstreckt sich die Wirkung des Patents ebenso nicht auf Handlungen, die für die Zulassung eines Arzneimittels im Inland oder in Ländern mit vergleichbarer Arzneimittelkontrolle vorausgesetzt sind (Art. 9 Abs. 1 lit. d PatG).
Für Arzneimittel von besonderer Bedeutung ist das Zulassungsprivileg nach Art. 9 Abs. 1 lit. c PatG. Danach erstreckt sich die Wirkung des Patents nicht auf Handlungen, die für die Zulassung eines Arzneimittels im Inland oder in Ländern mit vergleichbarer Arzneimittelkontrolle vorausgesetzt sind. Da das patentrechtliche Ausschliesslichkeitsrecht des Patentinhabers nach Ablauf der immaterialgüterrechtlichen Schutzrechte endet, können am Tag nach dem Ablauf der Schutzdauer Dritte den Patentinhaber mit seiner eigenen Erfindung, zum Beispiel einem Generikum, konkurrieren (49). Dies gilt dann, wenn keine weiteren Rechte bestehen, wie etwa der Unterlagenschutz. Weil Arzneimittel jedoch einer Zulassungspflicht unterliegen, können Dritte nur dann ein Konkurrenzprodukt auf den Markt bringen, wenn sie an diesem Tag bereits über die arzneimittelrechtliche Zulassung für das betreffende Arzneimittel verfügen, sodass zulassungsrechtlich relevante Handlungen bereits vor Patentablauf vorgenommen werden dürfen (49).
Patentschutz und Unterlagenschutz
Der Patentschutz ist von der Zulassung zu unterscheiden: Das Patent schützt als gewerbliches Schutzrecht eine patentierbare Erfindung und gibt dem Inhaber ein Recht auf ausschliessliche Nutzung seiner Erfindung, indem er andere Nutzer während der Patentlaufzeit von einer Verwendung der Erfindung ohne Autorisierung durch den Patentinhaber ausschliessen kann. Die Nutzung des Patents richtet sich nach Privatrecht. Die Zulassung stellt dagegen das Recht zum Inverkehrbringen eines Produkts dar. Die Prüfung und Erteilung der Zulassung ist spezialpolizeiliche Aufgabe und richtet sich nach dem öffentlichen Recht. Dem Patentschutz kommt insbesondere im Pharmabereich eine sehr grosse Rolle zu: So können Patentinhaber die kommerzielle Verwertung z. B. generischer Produkte selbst dann verbieten, wenn der Unterlagenschutz bereits abgelaufen ist und Zulassungen im Rahmen des vereinfachten Zulassungsverfahrens nach Art. 14 HMG erteilt werden können, so lange wie ein immaterialgüterrechtlicher Schutz besteht.
Die Patentierung eines Arzneimittels ist daher nicht mit der Zulassung zu verwechseln: Auch ein patentgeschütztes Produkt benötigt eine Zulassung vor dem Inverkehrbringen. Umgekehrt prüft Swissmedic im Rahmen eines ordentlichen oder vereinfachten Zulassungsverfahrens nach den Art. 10 ff. HMG nicht, ob durch die Zulassung Patentrechte Dritter verletzt werden. Patentverletzungen müssen vom Patentinhaber auf zivilrechtlichem Weg geltend gemacht werden. Insgesamt sind daher zwei Schutzformen zu unterscheiden. Der regulatorische Schutz in Form des Unterlagenschutzes bestimmt sich nach dem Heilmittelrecht und mithin nach öffentlichem Recht. Der Patentschutz bestimmt sich nach Immaterialgüterrecht und folglich nach Privatrecht.
Ergänzendes Schutzzertifikat
Ausnahmen für einen zusätzlichen immaterialgüterrechtlichen Schutz bestehen für regulierte Bereiche, bei denen Produkte für das Inverkehrbringen einer Zulassung bedürfen: Dies betrifft neben Pflanzenschutzmitteln den Bereich der Arzneimittel. Produkte dieser beiden Bereiche müssen aufgrund ihres Risiko- oder Gefahrenpotenzials eine präventive (Polizei-)Kontrolle für ihr Inverkehrbringen im Rahmen eines Zulassungsverfahrens durchlaufen. Erst wenn ihre Wirkungen und Nebenwirkungen mittels Studien untersucht und nachgewiesen sind und eine Sicherheits- und Wirksamkeitsüberprüfung i.S. einer Risiko-Nutzen-Abwägung vorgenommen worden ist, wird über ihr Inverkehrbringen bzw. ihre Marktzulassung entschieden. Die Marktzulassung erfolgt i.d.R. in Form einer Polizeibewilligung. Damit muss bei zulassungspflichtigen Produkten eine Zulassung eingeholt werden, bevor die patentierte Erfindung kommerziell genutzt werden kann.
Da die Patentanmeldung i. d. R. vor dem Zulassungsverfahren erfolgt, um die Erfindung ausreichend zu schützen und um die Beanspruchbarkeit der Erfindung nicht zu gefährden, verkürzt die Dauer des Zulassungsverfahrens den Teil der Patentlaufzeit, der für die Kommerzialisierung der Erfindung genutzt werden kann. Damit wird die Anreizfunktion für Produkte, welche eine Zulassung bedürfen (Arzneimittel und Pflanzenschutzmittel), aufgrund der verkürzten nutzbaren Patentlaufzeit geschmälert. Da die Zulassungsverfahren zeitintensiv sind, fünf bis zehn Jahre dauern können und der Patentschutz während dieser Zeit bereits läuft, ohne dass der Patentinhaber die Erfindung aufgrund der noch nicht vorhandenen Zulassung kommerziell nutzen kann, wird ein Ausgleich geschaffen: Der Patentinhaber kann ein Ergänzendes Schutzzertifikat (ESZ) beantragen (50). Da es um einen immaterialgüterrechtlichen Schutz geht, ist die zuständige Behörde das Institut für Geistiges eigentum (IGE) und nicht Swissmedic. Das ESZ verlängert den immaterialgüterrechtlichen Schutz für ein zugelassenes Produkt um bis zu fünf Jahre ab dem Zeitpunkt, an dem der Patentschutz nach der maximalen Schutzdauer von 20 Jahren abgelaufen ist. Damit gleicht das ESZ teilweise den Zeitverlust aus, der sich für die Nutzung des Patents aufgrund des Zulassungsverfahrens ergeben hat. Das ESZ ist in Art. 140a PatG geregelt: Danach erteilt das IGE für Wirkstoffe und Wirkstoffzusammensetzungen von Arzneimitteln auf Gesuch hin ein ESZ (Art. 140a Abs. 1 PatG). Dazu enthält die Vorschrift Legaldefinitionen für die Begriffe Wirkstoff und Wirkstoffzusammensetzung: Ein Wirkstoff ist ein zur Zusammensetzung eines Arzneimittels gehörender Stoff chemischen oder biologischen Ursprungs, der eine neue medizinische Wirkung auf den Organismus hat. Eine Wirkstoffzusammensetzung wird dagegen als eine Kombination aus mehreren Stoffen verstanden, die alle eine medizinische Wirkung auf den Organismus haben. Das Verfahren zur Erteilung eines ESZ bestimmt sich nach den Art. 140b ff. PatG.
Zusammenfassung
Sowohl die Regulierungen von Arzneimitteln als auch von Medizinprodukten sind komplex und durch eine Vielzahl von Rechtsvorschriften auf Gesetzes- und Verordnungsstufe geregelt. Das Zulassungsverfahren für Arzneimittel ist zeit- und kostenintensiv. Daher spielen Schutzrechte, sowohl der Erstanmelder- bzw. Unterlagenschutz auf der Grundlage des Heilmittelrechts als auch Patente und das ESZ im Rahmen des Immaterialgüterrechts eine wichtige Rolle als Innovationsanreiz für die weitere Forschung. Die Schnittstelle zwischen der Zulassung von Arzneimitteln nach dem HMG und dem Patentrecht, einschliesslich Unterlagenschutz und Ergänzendem Schutzzertifikat, ist komplex und vielschichtig. Der Rechtsrahmen wird darüber hinaus durch viele, ganz unterschiedliche Rechtsfragen überlagert, so z. B. Pflichten zur Offenlegung von Informationen trotz Unterlagenschutz, die Geltendmachung und Durchsetzung des Unterlagenschutzes, Schutzlücken des Unterlagenschutzes, z. B. aufgrund von Veröffentlichung von Daten im Rahmen von wissenschaftlichen Publikationen, Zusammenhang mit Offenlegungspflichten in anderen Jurisdiktionen, die Berechnung des Zeitpunkts für die Laufzeit des ESZ und Bestimmung des Gegenstandes bzw. Umfangs eines ESZ. Dies wird noch durch unterschiedliche Anforderungen an die Schutzrechte und verschiedene Schutzfristen im internationalen Kontext erschwert, da eine internationale Harmonisierung in diesen Bereichen nicht besteht. Dies sind nur einige Beispiele von Rechtsfragen, welche die Komplexität zweier hochregulierter und technologiebasierter Bereiche mit sich bringt. Die Zulassung von Arzneimitteln unter Berücksichtigung von Patentrechten, Unterlagenschutz und Ergänzendem Schutzzertifikat bedarf daher einer rechtlichen und strategischen Planung.
Um die rechtlichen Probleme im Zusammenhang mit der Zulassung von Arzneimitteln nach Heilmittelrecht und dem Patentrecht, einschliesslich Unterlagenschutz und ESZ, anzugehen, sollten klare Richtlinien – auch auf internationaler Ebene – im Hinblick auf Datenveröffentlichungen unter Berücksichtigung des Unterlagenschutzes bestehen. Für das Versuchsprivileg sollten klare Rahmenbedingungen bestehen. Auf internationaler Ebene wären Harmonisierungen im Hinblick auf Schutzfristen und Standards sinnvoll, um die Rechtssicherheit zu erhöhen. Auch eine weitere Kooperation und Austausch der Zulassungsbehörden und Patentämter wäre hilfreich. Möglicherweise wären auch digitale Verwaltungssysteme zur effizienteren Handhabung von Zulassungs- und Patentanträgen sowie zur Überwachung der Einhaltung von Schutzrechten nützlich. Dies zeigt, dass die Regulierung in den dargestellten Bereichen dieses Beitrags nicht abgeschlossen sind, sondern sich vielmehr noch weiterentwickeln wird.
Prof. Dr. iur. M.A. Claudia Seitz
Professorin für Öffentliches Recht, Europarecht, Völkerrecht
und Life Sciences Recht
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Private Universität im Fürstentum Liechtenstein (UFL)
Dorfstrasse 24
FL-9495 Triesen
claudia.seitz@ufl.li
Die Autorin hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
1. Für die nachfolgenden Ausführungen wird auf das folgende Buch verwiesen: Seitz C, Gesundheitsrecht: Repetitorium. Zürich: Orell Füssli Verlag, 2023.
2. Seitz C, Gesundheitsrecht: Repetitorium. Zürich: Orell Füssli Verlag, 2023. 128-129.
3. Vgl. hierzu BAG, Bekämpfung von Heilmittelfälschungen, https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/medizin-und-forschung/heilmittel/heilmittelfaelschung-illegaler-handel.html.
4. Zur Problematik der Arzneimittelfälschungen und den daraus resultierenden Gesundheitsgefahren sowie Möglichkeiten der Prävention vgl. Europarat, Medicrime Konvention, Übereinkommen des Europarats über die Fälschung von Arzneimitteln und Medizinprodukten und über ähnliche die öffentliche Gesundheit gefährdende Straftaten, abgeschlossen in Moskau am 28. Oktober 2011, in Kraft seit 1. Februar 2019 (SR 0.812.41).
5. Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG) vom 15. Dezember 2000 (SR 812.21).
6. Für einen Überblick über die jeweils aktuellen Rechtsgrundlagen zum Heilmittelrecht und dem dazugehörigen Ausführungsrecht siehe Swissmedic, Rechtsgrundlagen für Heilmittel in der Schweiz, https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/legal/rechtsgrundlagen/rechtsgrundlagen-fuer-heilmittel-in-der-schweiz.html [besucht am 10.07.2024].
7. Seitz C, Gesundheitsrecht: Repetitorium. Zürich: Orell Füssli Verlag, 2023. 131-133.
8. Seitz C, Gesundheitsrecht: Repetitorium. Zürich: Orell Füssli Verlag, 2023. 132.
9. Bundesgesetz über die Krankenversicherung (Krankenversicherungsgesetz, KVG) vom 18. März 1994 (SR 832.10).
10. Zu den nachfolgenden Ausführungen siehe ausführlich Seitz C, Gesundheitsrecht: Repetitorium. Zürich: Orell Füssli Verlag, 2023. 139-142.
11. Eggenberger Stöckli E, Kesselring F, Art. 4. In: Eichenberger Th, Jaisli U, Richli P, editors. Basler Kommentar zum Heilmittelgesetz. 2. Auflage. Basel: Helbing Lichtenhahn Verlag, 2022, Rn. 10.
12. Eggenberger Stöckli E, Kesselring F, Art. 4. In: Eichenberger Th, Jaisli U, Richli P, editors. Basler Kommentar zum Heilmittelgesetz. 2. Auflage. Basel: Helbing Lichtenhahn Verlag, 2022, Rn. 10; Seitz C, Gesundheitsrecht: Repetitorium. Zürich: Orell Füssli Verlag, 2023. 141-142.
13. Medizinprodukteverordnung (MepV) vom 1. Juli 2020 (SR 812.213).
14. Eggenberger Stöckli E, Kesselring F, Art. 4. In: Eichenberger Th, Jaisli U, Richli P, editors. Basler Kommentar zum Heilmittelgesetz. 2. Auflage. Basel: Helbing Lichtenhahn Verlag, 2022, Rn. 116.
15. Seitz C, Gesundheitsrecht: Repetitorium. Zürich: Orell Füssli Verlag, 2023. 141-144.
16. Bundesgesetz über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG) vom 20. Juni 2014 (SR 817.0).
17. BGE 138 IV 57.
18. Seitz C, Gesundheitsrecht: Repetitorium. Zürich: Orell Füssli Verlag, 2023. 144-145.
19. BGer, Urt. v. 13.5.2019, 2C_600/2018, E 6.2.
20. Verordnung über die Bewilligung im Arzneimittelbereich (Arnzneimittel-Bewilligungsverordnung, AMBV) vom 14. November 2018 (SR 812.212.1).
21. BGer, Urt. v. 8.10.2019, EB_984/2019, E. 2.3.
22. Seitz C, Gesundheitsrecht: Repetitorium. Zürich: Orell Füssli Verlag, 2023. 137.
23. Für einen Überblick über die Verordnungen von Swissmedic (sog. Institutsratsverordnungen), siehe Rechtsgrundlagen für Heilmittel in der Schweiz, https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/legal/rechtsgrundlagen/rechtsgrundlagen-fuer-heilmittel-in-der-schweiz.html [besucht am 10.07.2024].
24. Eggimann S, Isler M, Wildi A, Art. 5. In: Eichenberger Th, Jaisli U, Richli P, editors. Basler Kommentar zum Heilmittelgesetz. 2. Auflage. Basel: Helbing Lichtenhahn Verlag, 2022, Rn. 9.
25. Eggimann S, Isler M, Wildi A, Art. 5. In: Eichenberger Th, Jaisli U, Richli P, editors. Basler Kommentar zum Heilmittelgesetz. 2. Auflage. Basel: Helbing Lichtenhahn Verlag, 2022, Rn. 3; Seitz C, Gesundheitsrecht: Repetitorium. Zürich: Orell Füssli Verlag, 2023. 145.
26. Eggimann S, Isler M, Wildi A, Art. 5. In: Eichenberger Th, Jaisli U, Richli P, editors. Basler Kommentar zum Heilmittelgesetz. 2. Auflage. Basel: Helbing Lichtenhahn Verlag, 2022, Rn. 3; Seitz C, Gesundheitsrecht: Repetitorium. Zürich: Orell Füssli Verlag, 2023. 145.
27. Schott M, Albert E, Vor Art. 8-17. In: Eichenberger Th, Jaisli U, Richli P, editors. Basler Kommentar zum Heilmittelgesetz. 2. Auflage. Basel: Helbing Lichtenhahn Verlag, 2022, Rn. 7.
28. Schott M, Albert E, Art. 9. In: Eichenberger Th, Jaisli U, Richli P, editors. Basler Kommentar zum Heilmittelgesetz. 2. Auflage. Basel: Helbing Lichtenhahn Verlag, 2022, Rn. 32; Seitz C, Gesundheitsrecht: Repetitorium. Zürich: Orell Füssli Verlag, 2023. 144.
29. Schott M, Albert E, Art. 9. In: Eichenberger Th, Jaisli U, Richli P, editors. Basler Kommentar zum Heilmittelgesetz. 2. Auflage. Basel: Helbing Lichtenhahn Verlag, 2022, Rn. 33; Für weitere Hinweise zu den Formula-Arzneimitteln siehe Swissmedicines inspectorate, Herstellung und Inverkehrbringen von Formula-Arzneimitteln, 12.10.2023.
30. BGer, 15.03.2019, 2C_424/218, E.4.
31. Verordnung des Schweizerischen Heilmittelinstituts über die Anforderungen an die Zulassung von Arzneimitteln (Arzneimittel-Zulassungsverordnung, AMZV) vom 9. November 2001 (SR 812.212.22).
32. Schott M, Albert E, Art. 11. In: Eichenberger Th, Jaisli U, Richli P, editors. Basler Kommentar zum Heilmittelgesetz. 2. Auflage. Basel: Helbing Lichtenhahn Verlag, 2022, Rn. 47; Seitz C, Gesundheitsrecht: Repetitorium. Zürich: Orell Füssli Verlag, 2023. 144.
33. Schott M, Albert E, Art. 10. In: Eichenberger Th, Jaisli U, Richli P, editors. Basler Kommentar zum Heilmittelgesetz. 2. Auflage. Basel: Helbing Lichtenhahn Verlag, 2022, Rn. 2.
34. Schott M, Albert E, Art. 11a. In: Eichenberger Th, Jaisli U, Richli P, editors. Basler Kommentar zum Heilmittelgesetz. 2. Auflage. Basel: Helbing Lichtenhahn Verlag, 2022, Rn. 2; Seitz C, Gesundheitsrecht: Repetitorium. Zürich: Orell Füssli Verlag, 2023. 151. Für weitere Informationen zum Unterlagenschutz vgl. Swissmedic, Fragen und Antworten zum Unterlagenschutz, https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/services/documents/faq-unterlagenschutz.html [besucht am 10.07.2024].
35. BGer, Urt. v. 17. September 2008, 2C-318/2008, E. 5.2.1.
36. Schmid G, Uhlmann F, Art. 14. In: Eichenberger Th, Jaisli U, Richli P, editors. Basler Kommentar zum Heilmittelgesetz. 2. Auflage. Basel: Helbing Lichtenhahn Verlag, 2022, Rn. 11.
37. Seitz C, Gesundheitsrecht: Repetitorium. Zürich: Orell Füssli Verlag, 2023. 151-152.
38. Swissmedic, Pharmacovigilance, https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/humanarzneimittel/marktueberwachung/pharmacovigilance.html [besucht am 10.07.2024].
39. Eichenberger Th, Art. 59. In: Eichenberger Th, Jaisli U, Richli P, editors. Basler Kommentar zum Heilmittelgesetz. 2. Auflage. Basel: Helbing Lichtenhahn Verlag, 2022, Rn. 18.
40. Meier A, Vor, Kapitel 3. In: Eichenberger Th, Jaisli U, Richli P, editors. Basler Kommentar zum Heilmittelgesetz. 2. Auflage. Basel: Helbing Lichtenhahn Verlag, 2022, Rn. 2.
41. Swissmedic, Medizinprodukte, https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/medizinprodukte.html [besucht am 10.07.2024].
42. Swissmedic, Regulierung Medizinprodukte, https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/medizinprodukte/regulierung-medizinprodukte.html [besucht am 10.07.2024].
43. Schweizer M, Zech H, Vor Art. 1. In: Schweizer M, Zech H, editors: Stämpflis Handkommentar zum Patentgesetz (PatG). Bern: Stämpfli Verlag, 2019, Rn. 1.
44. Vaterlaus St, Zenhäusern P, Schneider Y, Bothe D, Thrhal N, Riechmann C, Optimierungspotenzial des nationalen Schweizer Patentsystems. In: Eidgenössisches Insitut für Geistiges Eigentum. Bern. 2015, https://www.ige.ch/fileadmin/user_upload/dienstleistungen/publikationen_institut/Polynomics_Frontier_IGE_OptimierungPatentsystem_Schlussbericht_Gesamt_D_final.pdf [besucht am 10.07.2024], 21-22.
44. Schweizer M, Zech H, Vor Art. 1. In: Schweizer M, Zech H, editors: Stämpflis Handkommentar zum Patentgesetz (PatG). Bern: Stämpfli Verlag, 2019, Rn. 2.
46. Stamm H, Ohne Patente keine Pharma, Die Volkswirtschaft 2021, https://dievolkswirtschaft.ch/de/2021/11/ohne-patente-keine-pharma/ [besucht am 10.07.2024].
47. Bundesgesetz über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) vom 25. Juni 1954 (SR 232.14).
48. Schweizer M, Zech H, Vor Art. 1. In: Schweizer M, Zech H, editors: Stämpflis Handkommentar zum Patentgesetz (PatG). Bern: Stämpfli Verlag, 2019, Rn. 3.
49. Hess-Blumer A, Art. 9. In: Schweizer M, Zech H, editors: Stämpflis Handkommentar zum Patentgesetz (PatG). Bern: Stämpfli Verlag, 2019, Rn. 36.
50. Zum Ergänzenden Schutzzertifiikat für Arzneimittel siehe ausführlich IGE, Ergänzendes Schutzzertifikat (ESZ): Verlängerung des Schutzes für Arzneimittel und Pflanzenschutzmittel nach Ablauf des Patentschutzes, https://www.ige.ch/de/etwas-schuetzen/patente/nach-der-erteilung/ergaenzendes-schutzzertifikat [besucht am 10.07.2024].
Aufgrund der Entwicklung der Digitalisierung und der Informationstechnologie unterliegt die Medizin einer konstanten Veränderung. Diese Entwicklung wirft viele neue Rechtsfragen auf, von welchen die meisten noch unbeantwortet sind. Dieser Beitrag geht zuerst auf den Teilbereich der Telemedizin und deren Regulierung im Bundesrecht und im kantonalen Recht ein und auf die Frage, inwiefern die Telemedizin in rechtlicher Sicht zulässig ist. Der besondere Fokus ist dabei auf die Sicht des Arztes gerichtet. Des Weiteren befasst sich dieser Beitrag mit der digitalen Gesundheitsversorgung aus datenschutzrechtlicher Sicht. Aufgrund der zentralen Stellung personenbezogener Daten in der Medizin ist dieser Bereich aus dem medizinischen Alltag nicht mehr hinwegzudenken. Dabei wird ein streifartiger Überblick über das umfangreiche Gebiet geboten und die wichtigsten datenschutzrechtlichen Eckpunkte aufgezeigt. Zum Schluss thematisiert dieser Beitrag anhand eines Fallbeispiels die Frage, inwiefern digitale Gesundheitsanwendungen als Medizinprodukt zu gelten haben. Dabei ist es in der Praxis häufig sehr schwierig, bereits vorab festzulegen, ob eine solche digitale Gesundheitsanwendung als Medizinprodukt zu gelten hat und entsprechend schärferen Regulationen unterliegt. Diesbezüglich werden sodann die wichtigsten Bedingungen dargelegt und beleuchtet.
Die Telemedizin ist als ein Teilbereich von eHealth zu verstehen, wobei eHealth im Allgemeinen als Zielsetzung hat, die Kommunikations- und Informationstechnologien ins Gesundheitswesen zu integrieren. Anwendung findet die Telemedizin zum Beispiel in der Telediagnostik, -radiologie und -chirurgie sowie beim ärztlichen Rezept (1).
Keine einheitliche Definition besteht für die Begrifflichkeit der Telemedizin – entsprechend auch nicht in der Schweiz. Das primäre Ziel ist es jedoch, dass die zeitlich-räumliche Trennung im Rahmen der Patientenbehandlung (z. B. zwischen Patient und behandelndem Arzt sowie mehreren Ärzten) überwunden wird. Dies unter dem Einsatz von Telekommunikations- und Informationstechnologien im Gesundheitswesen (1, 2). Jedoch beschränkt sich die Telemedizin nicht bloss auf den Arzt oder Patienten als Kommunikationspartner, sondern auch Apotheker können Leistungen telemedizinischer Natur erbringen (1). Die deutsche Bundesärztekammer definiert Telemedizin als «ein Sammelbegriff für verschiedenartige ärztliche Versorgungskonzepte, die als Gemeinsamkeit den prinzipiellen Ansatz aufweisen, dass medizinische Leistungen der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in den Bereichen Diagnostik, Therapie und Rehabilitation sowie bei der ärztlichen Entscheidungsberatung über räumliche Entfernungen (oder zeitlichen Versatz) hinweg erbracht werden. Hierbei werden Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt» (3).
Rechtliche Rahmenbedingungen für Ärzte
Das Gesundheitswesen wird in private und staatliche Leistungserbringer zweigeteilt, wobei diese Einteilung auch im Medizinrecht einschlägig ist. Die Zuordnung bestimmt das anzuwendende Recht, wobei die privatrechtlichen Regelungen zur Anwendung gelangen, wenn die Berufstätigkeit in einem Privatspital oder einer Praxis ausgeübt wird. Die öffentlichen Normen finden ihre Anwendung, wenn die Tätigkeit in einem öffentlichen Spital, aber auch in einem privaten Listenspital mit Leistungsauftrag ausgeübt wird (1).
Hiernach werden die einschlägigen Erlasse aufgeführt, die aus telemedizinischer Sicht rechtlich relevant sein könnten, unabhängig davon, ob private oder öffentlich-rechtliche Normen zur Anwendung gelangen.
Bundesrecht
Medizinalberufegesetz
Mit Art. 95 Abs. 1 Bundesverfassung (BV) hat der Bund das Recht, Vorschriften über die Ausübung privatwirtschaftlicher Erwerbstätigkeit zu erlassen. Mit dem Medizinalberufegesetz (MedBG) wurde von der Kompetenz Gebrauch gemacht (1, 4). Dabei umfasst der persönliche Geltungsbereich all jene Personen, welche einen universitären Medizinalberuf in selbständiger Weise ausüben. Dies umfasst Ärzte, Zahnärzte, Chiropraktiker, Apotheker und Tierärzte (Art. 2 Abs. 1 MedBG).
Die Berufsausübungsbewilligung wird gemäss Art. 34 MedBG vom jeweiligen Kanton erteilt, auf dessen Gebiet der Medizinalberuf ausgeübt werden soll, und ist auf das jeweilige Kantonsgebiet beschränkt. Bezüglich der telemedizinischen Leistungserbringung wird im MedBG nichts geregelt, wodurch die bundesrechtlichen Parameter durch kantonale Vorgaben zu flankieren sind. Es liegt somit im Ermessen des jeweiligen Kantons zu entscheiden, inwiefern solche auf dem Kantonsgebiet zu erlauben sind (5). In Art. 40 MedBG werden die Berufspflichten der Medizinalpersonen einheitlich und in abschliessender Ordnung verankert. Art. 40 lit. a MedBG hält sodann fest, dass der Arzt seinen Beruf sorgfältig und gewissenhaft auszuführen hat und sich an die Grenzen seiner Kompetenz zu halten hat. Die Berufspflichten werden daher nur generell geregelt und bleiben bezüglich ihrer Konkretisierung unbestimmt. Somit müssen diese, besonders auch Art. 40 lit. a MedBG, durch die allgemeinen Bestimmungen des Bundesrechts, der Standesordnung der FMH (Foederatio Medicorum Helveticorum) sowie der elementaren Regeln der ärztlichen Kunst konkretisiert werden. Keine spezifische Regelung enthält das MedBG, inwiefern die Leistungserbringung auch mittels Telemedizin erbracht werden kann (1).
Obligationenrecht
Art. 394 ff. Obligationenrecht (OR) regelt das privatrechtliche Rechtsverhältnis zwischen dem Patienten und dem Arzt. Art. 394 Abs. 1 OR regelt, dass die der beauftragten Person übertragenen Dienste vertragsgemäss zu besorgen sind, wodurch die Hauptpflicht der beauftragten Person somit erst durch den vereinbarten Auftrag im Einzelnen bestimmt werden. Wenn der Umfang des jeweiligen Auftrages nicht ausdrücklich bezeichnet worden ist, hat er sich gemäss Art. 396 Abs. 1 OR aus der Natur des zu besorgenden Geschäfts zu ergeben. Somit wird die Zulässigkeit der Telemedizin nicht geregelt, jedoch ergibt sich aus dem Verweis «Natur des zu besorgenden Geschäfts», dass nach dem Standard des jeweiligen Berufes vorzugehen ist (1). Ein Arzt hat entsprechend nach den Regeln der ärztlichen Kunst beziehungsweise nach den allgemein anerkannten und gültigen Grundsätzen der medizinischen Wissenschaft1 vorzugehen, die in der Praxis angewendet werden (6). Der Standard ist jedoch nicht ohne Weiteres zu ermitteln, da sich das medizinische Wissen etwa alle 73 Tage verdoppelt (7). Entsprechend wird der Stand des medizinischen Wissens grundsätzlich erst von den angerufenen Gerichten festgelegt. Die Telemedizin erfährt diesbezüglich ebenfalls keine Regelung, jedoch ist die telemedizinische Leistungserbringung nicht ausdrücklich verboten, wodurch sie als zulässig zu erachten ist, solange bei ihrem Einsatz die berufsspezifischen Sorgfaltspflichten beachtet werden (1).
Wird ein Patient vorsätzlich oder fahrlässig geschädigt, haftet der freiberufliche Arzt aus Vertrag (Art. 398 Abs. 2 OR i.V.m. Art. 97 OR) oder aus deliktischer Haftung nach Art. 41 OR (5).
Heilmittelgesetz und Medizinprodukteverordnung
Telemedizinische Leistungen können in Form eines Medizinproduktes nach Art. 4 Abs. 1 lit. d Heilmittelgesetz (HMG) ergehen, wobei Art. 3 Abs. 1 Medizinprodukteverordnung (MepV) den Begriff weiter ausführt (5). Ebenso sind im HMG Bestimmungen zu den Berufspflichten der Ärzte und Apotheker vorgesehen, welche in Art. 24 ff. HMG geregelt werden. Handelt es sich sodann um ein Medizinprodukt oder ein ärztliches Rezept, müssen die gesetzlichen Bestimmungen des HMG eingehalten werden. Auf dieses Gesetz und die Verordnung wird unter dem Kapitel («DiGA und ihre Regulierung») noch näher eingegangen.
Zur telemedizinischen Verschreibung eines ärztlichen Rezepts finden sich im HMG jedoch keine gesetzlichen Bestimmungen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn hat die telemedizinische Ausstellung eines ärztlichen Rezepts dabei nicht per se als rechtswidrig gewertet (1, 8).
Krankenversicherungsgesetz
Die obligatorische Krankenversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen nach Art. 25–31 Krankenversicherungsgesetz (KVG). Die Krankenkasse erstattet jedoch nur diejenigen Leistungen, die in den Leistungskatalogen aufgeführt sind und von Leistungserbringern erbracht werden. Überdies hängt die Vergütungsfähigkeit davon ab, ob die Leistungen nach Art. 32 Abs. 1 KVG wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sind («WZW-Kriterien») (9). In der Literatur wird aber festgehalten, dass die Entschädigungsmodelle, die Abrechnung und die Vergütung im Bereich der Telemedizin im TARMED noch nicht gelöst wurden (10). Zudem können Leistungen auch aufgrund einer Zusatzversicherung erfolgen; dieses Rechtsverhältnis ist privatrechtlicher Natur und untersteht dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Die Zusatzleistungen gehen sodann über den gesetzlichen Leistungskatalog der OKP hinaus (9).
Datenschutzgesetz des Bundes
Das Datenschutzgesetz (DSG) findet gemäss Art. 2 Abs. 1 DSG seine Anwendung, wenn Personendaten natürlicher Personen bearbeitet werden. In der Telemedizin spielen Daten über die Gesundheit einer Person eine zentrale Rolle. Das DSG qualifiziert die Gesundheitsdaten in Art. 5 Bst. c Ziff. 2 DSG als besonders schützenswerte Personendaten. Ebenfalls – gemäss Art. 5 Bst. c Ziff. 3 und 4 DSG – als besonders schützenswerte Personendaten werden, seit der neuesten Revision des Datenschutzgesetzes, die genetischen und biometrischen Daten qualifiziert (11). Im Datenschutzgesetz gilt sodann das «Erlaubnisprinzip mit Verbotsvorbehalt» (12). Vertieft wird im Kapitel «Datenschutz in der digitalen Gesundheitsversorgung» noch auf datenschutzrechtliche Aspekte eingegangen.
Strafrechtliche Regulierung
Den bundesrechtlichen Medizingesetzen sind keine einschlägigen Gesetzesbestimmungen bezüglich der Telemedizin zu entnehmen, und die kantonalen Gesundheitsgesetze sehen diesbezüglich auch kein Verbot vor. Die Strafbestimmungen sind somit grundsätzlich nicht einschlägig, mit Ausnahme der Bestimmungen zum Berufsgeheimnis nach Art. 321 StGB und den kantonalen Gesundheitsgesetzen. Des Weiteren ist zu prüfen, inwiefern die Normen des «Soft Law» – die Standesregeln der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) und die medizinisch-ethischen Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) – Anwendung finden (13).
Einschlägig ist unter anderem Art. 7 FMH-Standesordnung (StaO). Der Normierung kann entnommen werden, dass die persönliche Beziehung zum Patienten grundsätzlich zu gewährleisten ist. Wenn die ärztliche Sorgfalt, insbesondere die Aufklärungs- und Dokumentationspflicht, gewährleistet wird, dann ist eine Beratung oder Behandlung über Informations- und Kommunikationstechnologien möglich. Entsprechend wird in dieser Bestimmung festgehalten, dass ein Arzt unter gewissen Voraussetzungen auch eine telemedizinische Behandlung/Beratung vornehmen kann, daher von der traditionellen «Face-to-Face»-Konsultation/Behandlung abweichen kann. Es ist weiter zu erwähnen, dass im Bereich der Telemedizin durch die SAMW noch keine Richtlinien erlassen wurden (13).
Kantonales Recht
Gesundheitsgesetze
Die kantonalen Gesundheitsgesetze sind für diejenigen Ärzte massgeblich, die ihre Tätigkeit unselbständig ausüben oder aber in einem staatlichen Spital tätig sind (1). In den kantonalen Gesundheitsgesetzen (14) lassen sich zum Teil implizit Bestimmungen zur Art und Weise der Berufsausübung ausmachen. Es scheint jedoch, als ob die telemedizinischen Behandlungsverhältnisse der gesetzlichen Anforderung nicht zu genügen vermögen; dies aufgrund der örtlichen Distanz, welche der Telemedizin zugrunde liegt. In den neueren kantonalen Gesetzen (15) wurde jedoch teilweise eine Regelung vorgesehen, wohingegen in den älteren kantonalen Gesetzen (16) die Telemedizin noch nicht vorgesehen wurde. Es scheint jedoch so, als ob die Regelungen zur unmittelbaren Berufsausübung am Patienten nicht erlassen worden sind, um die Telemedizin zu verbieten (1, 13).
Gemäss den Gesundheitsgesetzen der Kantone Zürich2 und Baselland ist zu erkennen, dass die Telemedizin durch den Gesetzgeber nicht ausgeschlossen werden sollte und genügend Freiraum für telemedizinische Leistungen besteht. Die Telemedizin ist somit grundsätzlich zulässig, da weder ein konkretes Verbot diesbezüglich besteht noch die besonderen (kantonalen) Regelungen bezüglich der unmittelbaren Patientenbehandlung auf die Telemedizin zugeschnitten sind. Gewisse Gesundheitsnormen gehen sogar ausdrücklich von der Zulässigkeit der Telemedizin aus (1, 13). Auch in Bezug auf die Telemedizin hat stets die berufliche Schweigepflicht zu gelten (17).
Haftungsgesetze
Wird eine ärztliche Tätigkeit in einem öffentlichen Spital ausgeübt, handelt es sich grundsätzlich um eine amtliche Tätigkeit. Wobei sich die Haftung der Ärzte des öffentlichen Spitals im Wesentlichen nach dem kantonalen Verantwortlichkeits- bzw. Staatshaftungsrecht richtet (18).
Standesordnung FMH und Richtlinien der SAMW
Wie bereits erläutert, statuiert Art. 7 StaO unter gewissen Voraussetzungen die Zulässigkeit der Beratung oder Behandlung mittels Informations- und Kommunikationstechnologie. Entsprechend wird die telemedizinische Leistungserbringung aufgrund dieser Bestimmung erlaubt. Wie bereits erwähnt, wurden im Bereich der SAMW noch keine Richtlinien bezüglich der Telemedizin erlassen. Jedoch decken sich die Standesordnung FMH und die Richtlinien der SAMW im Ergebnis grundsätzlich mit den kantonalen Gesundheitsgesetzen (1).
Datenschutz in der digitalen Gesundheitsversorgung
Datenschutzrecht des Bundes oder der Kantone
Erfüllen Spitäler öffentliche Aufgaben im Auftrag der Kantone, unterstehen sie in diesen Bereichen dem Datenschutzrecht und der Datenschutzaufsicht der Kantone. Öffentliche Aufgaben werden wahrgenommen, wenn Spitäler als Leistungsspitäler in diesem Zusammenhang krankenversicherungsrechtliche Leistungsaufträge, Notfalldienst im Zuge kantonalrechtlicher Leistungsaufträge oder ambulante Leistungen etc. erbringen. Werden privatrechtliche Leistungen erbracht, unterliegen die diesbezüglichen Bearbeitungen von Personendaten dem Datenschutzgesetz des Bundes und der Aufsicht des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) (19, 20). Privatwirtschaftliche Leistungen erbringen sodann private Leistungserbringer, dies können z. B. frei praktizierende Ärzte, Psychologen sowie Privatkliniken (Listenspitäler sind ausgeschlossen) etc. sein. Es gibt jedoch auch einige Kantone, die ihre kantonalen Spitäler für Datenbearbeitungen im öffentlichen sowie auch privatwirtschaftlichen Bereich vereinheitlicht der eigenen Datenschutzaufsicht unterstellen (19).
Das Datenschutzgesetz findet insofern seine Anwendung, wenn nach Art. 2 Abs. 1 DSG Personendaten bearbeitet werden. Als Personendaten sind dabei sämtliche Angaben zu verstehen, die sich auf eine bestimmte oder bestimmbare Person beziehen lassen (21). Als bestimmbar gilt eine Person dann, wenn der Personenbezug ohne unverhältnismässigen Aufwand hergestellt werden kann und diesbezüglich damit zu rechnen ist, dass dieser Bezug möglicherweise auch hergestellt werden könnte. Für die Bestimmbarkeit muss die Person nicht eindeutig identifizierbar sein. Es reicht bereits, wenn daraus eine Unterscheidung zu anderen Personen resultieren kann. Ebenfalls als Personendaten gelten pseudonymisierte Daten, wogegen Sachdaten und anonymisierte Daten keine Personendaten darstellen (22).
Besondere Schutzvorschriften wurden für «besonders schützenswerte Personendaten» erlassen. Im Gesundheitswesen gehören hier nach Art. 5 Bst. c Ziff. 2–3 DSG vor allem die Daten über die Gesundheit, die Intimsphäre und die Zugehörigkeit zu einer Rasse oder Ethnie dazu. Ebenso dazugehörend sind jegliche genetische wie auch biometrische Daten. Es handelt sich dabei um sogenannte privilegierte Datenkategorien, welche in Bezug auf die Grundrechte- und den Persönlichkeitsschutz besonders zu schützen sind. Für diese Datenkategorien werden dabei eigene gesetzliche Anforderungen vorgesehen, wobei die Datenbearbeitung entweder untersagt, eingeschränkt oder an strengere Voraussetzungen geknüpft wird (22, 23). Daten über die Gesundheit sind sodann Angaben, welche in toto als medizinischer Befund angesehen werden und «welche sich für die Betroffenen negativ auswirken» (23).
Bearbeitungsgrundsätze
Art. 6 Abs. 1 DSG sieht vor, dass die Personendaten nur rechtmässig bearbeitet werden dürfen. Dies wird in Art. 30 ff. DSG für private Datenbearbeiter weiter konkretisiert. Eine Datenbearbeitung darf die Persönlichkeit der betroffenen Person somit nicht widerrechtlich verletzen (24). Keine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung liegt vor, wenn folgende Punkte eintreten: Die betroffene Person hat eingewilligt, es besteht ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder es wird durch das Gesetz gerechtfertigt (Art. 31 Abs. 1 DSG). Die Einwilligung ist dabei der häufigste Rechtfertigungsgrund, wobei diese nur dann gültig ist, wenn sie nach einer angemessenen Information freiwillig erteilt wird (Art. 6 Abs. 6 DSG und Art. 19 DSG).
Nach Art. 6 Abs. 2 DSG hat die Bearbeitung sodann nach Treu und Glauben zu erfolgen und verhältnismässig zu sein. Entsprechend dürfen diesbezüglich nur geeignete Personendaten und nur so viele erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wie für den jeweiligen bestimmten Zweck notwendig sind (25). Diese Daten dürfen zudem nur so lange aufgehoben werden, bis der rechtmässig vorgesehene Zweck erfüllt wurde (22).
Gemäss Art. 6 Abs. 3 DSG muss der Zweck der Datenbeschaffung und -bearbeitung für die betroffene Person erkennbar sein. Damit der Betroffene seine Rechte wahrnehmen kann, muss die Bearbeitung dokumentiert werden. Diesbezüglich hat der Verantwortliche (z. B. ein Arzt etc.) nach Art. 12 DSG grundsätzlich ein Verzeichnis über seine Bearbeitungstätigkeiten zu führen (22).
Zudem verpflichtet Art. 8 Abs. 1 DSG die verantwortliche Person, mit geeigneten technischen und organisatorischen Massnahmen eine dem Risiko angemessene Datensicherheit zu gewährleisten. Ob die Datensicherheit angemessen ist, kann durch eine Risikobetrachtung beurteilt werden. Daher müssen in der Regel umso mehr Massnahmen getroffen werden, je sensitiver die Datenbearbeitung ist. Ebenso hat die Datenbearbeitung nach Art. 7 Abs. 1 DSG technisch und organisatorisch so ausgestaltet zu sein, dass die Datenschutzgrundsätze, im Besonderen Art. 6 DSG, eingehalten werden. Diese Mittel müssen zudem dem Stand der Technik (Art. 7 Abs. 2 DSG; «Privacy by design») entsprechen und datenschutzfreundliche Voreinstellungen (Art. 7 Abs. 3 DSG; «Privacy by default») beinhalten (26).
Art. 6 Abs. 5 DSG sieht sodann vor, dass sich der Bearbeiter von Personendaten über deren Richtigkeit vergewissert. Somit muss der Bearbeiter alle angemessenen Massnahmen treffen, um solche Daten zu berichtigen, zu löschen oder zu vernichten, die bezüglich des Zwecks ihrer Beschaffung oder Bearbeitung als unrichtig oder unvollständig qualifiziert wurden. Hiermit sollen Persönlichkeitsverletzungen durch unrichtig bearbeitete Personendaten verhindert werden (22). Durch Art. 25 DSG wird dem Verantwortlichen sodann ein Recht auf Auskunft zur Seite gestellt. Dieses Recht schafft die Grundlage, dass Personendaten berichtigt oder gelöscht werden können.
Datenschutz-Folgenabschätzung
Art. 22 DSG sieht sodann eine vorgängige Pflicht zur Datenschutz-Folgenabschätzung vor, «wenn eine Bearbeitung ein hohes Risiko für die Persönlichkeit oder die Grundrechte der betroffenen Personen mit sich bringen kann». Damit sollen Datenschutzrisiken erkannt und entsprechende Massnahmen definiert werden, wobei Digitalisierungsprojekte hier besonders im Fokus stehen (27). Ob ein hohes Risiko besteht, ergibt sich nach Art. 22 Abs. 2 DSG, wobei nach Ziff. a ein solches Risiko vorliegt, wenn besonders schützenswerte Personendaten umfangreichen Bearbeitungen unterliegen. Art. 22 Abs. 4 und 5 DSG sehen jedoch diverse Ausnahmen zur Pflicht einer vorgängigen Datenschutz-Folgenabschätzung vor.
Wenn sich aus der Datenschutz-Folgenabschätzung ergibt, dass die geplante Bearbeitung trotz der vorgesehenen Massnahmen vom Verantwortlichen auch weiterhin ein hohes Risiko für die Persönlichkeit oder die Grundrechte der betroffenen Person darstellt, so hat dieser vorgängig nach Art. 23 Abs. 1 DSG die Stellungnahme des EDÖB einzuholen.
Anonymisierung als Hilfe
Da anonymisierte Daten nicht unter das Datenschutzrecht fallen, ist dies eine bevorzugte Methode zur Vermeidung datenschutzrechtlicher Konflikte. Anonymisiert sind Daten, wenn ein Personenbezug unmöglich wird. Diese Anonymisierung muss irreversibel und endgültig sein, ansonsten lediglich eine rechtlich unzureichende Pseudonymisierung vorliegt (22). Das Problem diesbezüglich liegt in der Re-Identifizierung von Daten oder in einer De-Anonymisierung (28). Ist eine solche möglich, ist von einer Bearbeitung personenbezogener Daten auszugehen. Zudem wird mit neuen Technologien oder Big Data eine Re-Identifizierung oder De-Anonymisierung je länger, je wahrscheinlicher. Somit wird heutzutage davon ausgegangen, dass es, aus technischer Sicht, keine absolut sichere Anonymisierung gibt (22).
Werden Personendaten im Gesundheitswesen anonymisiert, gehen wichtige Informationen verloren, wodurch Datenbearbeitungsvorgänge nicht zielführend sind. Somit ist bezüglich der Art und Charakteristika der Daten und des Zwecks ihrer Bearbeitung festzulegen, inwieweit die Daten zu verändern sind, um anonymisierte und noch brauchbare Informationen zu generieren. Es geht dabei um das Gleichgewicht der Datenbrauchbarkeit und dem Schutz der Identität (22). Verschärfend tritt hinzu, dass in der Schweiz und international keine einheitlichen Anonymisierungsstandards herrschen; dies gilt auch für den Gesundheitsbereich. Bezüglich Forschung werden lediglich grundlegende Anforderungen im Humanforschungsgesetz geregelt, mehr nicht (22).
Bearbeitung durch Dritte
Bei digitalen medizinischen Anwendungen werden in unterschiedlichsten Konstellationen auch Dritte in den Prozess miteinbezogen. Dies können z. B. spezifische Plattformen für die Speicherung oder den Austausch als auch standardmässige Messenger- und Videodienste sein. Die Cloud-Anwendung ist daher sicherlich ein wichtiges Diskussionsthema (26).
Art. 9 DSG regelt die Datenbearbeitung durch Dritte und setzt diesbezügliche gewisse Rahmenbedingungen fest, wobei eine vertragliche Vereinbarung mit der Drittperson abgeschlossen werden muss, wenn nicht bereits eine gesetzliche Norm die Übertragung vorsieht. Eine Übertragung auf den Auftragsbearbeiter darf dabei nur erfolgen, wenn die lit. a und b kumulativ erfüllt werden. Mit der Auswahl eines Dienstleisters beginnt sodann die Sorgfaltspflicht des Übertragenden, wobei sich der Auftragsbearbeiter grundsätzlich in der Lage befinden muss, die datenschutzrechtlichen Vorgaben einzuhalten. Problematisch sind vor allem Standardprodukte, wobei auf den Anbieter kein Einfluss genommen werden kann und die allgemeinen Geschäftsbedingungen die Vertragsbedingungen festlegen.
Der Verantwortliche hat sicherzustellen, dass die Daten nicht für einen anderen als den vorgesehenen Zweck verwendet werden. Bei Standardprodukten kann dies nicht ausgeschlossen werden, weshalb technische Massnahmen wie die Verschlüsselung herangezogen werden müssen. Bezüglich des Geheimnisschutzes ist die Verschlüsselung auch heranzuziehen, da Dritte meistens nicht als Hilfspersonen des Verantwortlichen gelten und die Berufsgeheimnisse ebenfalls zu gewährleisten sind. Die Datensicherheit hat der Auftragsbearbeiter zudem durch geeignete technische und organisatorische Massnahmen zu gewährleisten, wobei solche aus den Vorgaben der FMH abgeleitet werden können. Die Zusicherung dieser Massnahmen reicht allein nicht aus, der Verantwortliche muss deren Umsetzung auch überprüfen. Beabsichtigt der Auftragsbearbeiter, einen Unterauftragsbearbeiter hinzuzuziehen, hat der Verantwortliche vorgängig zuzustimmen (26).
Strafbestimmungen
Werden Informations-, Auskunfts-, Mitwirkungs-, Sorgfalts- und berufliche Schweigepflichten verletzt, sieht das Datenschutzgesetz Bussen bis zu CHF 250 000 vor. Eine Sanktion erfolgt hierbei jedoch nur auf Antrag und wird gegen eine private Person ausgesprochen (Art. 60 ff. DSG). Ebenso wird die Missachtung von Verfügungen nach Art. 63 DSG mit CHF 250 000 bestraft.
DiGA und ihre Regulierungen
Ein Arzt hat eine Software entwickelt, die Diagnosen mittels Bildanalyse durchführt. Das Ziel dieser Anwendung ist es, dass Behandlungsentscheidungen bei Patienten mit akutem Schlaganfall getroffen werden.
Begriff digitale Gesundheitsanwendungen
Bis anhin wurde der Begriff «digitale Gesundheitsanwendung» im Schweizer Recht noch nicht definiert. Einen ersten Definitionsversuch hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) unternommen. Es werden darunter «Produkte, deren medizinischer Zweck durch die Hauptfunktion der digitalen Technologien erzielt wird» verstanden. Entsprechend fallen medizinische Leistungen, wie z. B. die Erkennung, Verhütung oder Behandlung von Krankheiten, Verletzungen und Behinderungen, in den begrifflichen Geltungsbereich. Diese werden dabei im Wesentlichen durch Technologie vermittelt, wobei diese auf (Computer-)Hardware, Vernetzungen sowie Software gründen. Als geläufige Erscheinungsform treten diese als Gesundheits-Apps für Tablets oder Smartphones in Erscheinung. Ebenso treten diese als browserbasierte Webanwendungen, als Software für die Nutzung auf herkömmlichen Desktop-Computern oder als digitale Überwachungstools (z. B. Telemonitoring) sowie als telemedizinische Dienstleistungen in Erscheinung. Unerheblich ist, ob die digitale Gesundheitsanwendung rein von medizinischen Fachpersonen als Hilfsmittel bezüglich ihrer beruflichen Tätigkeit, in Selbstanwendung des Patienten oder von beiden gemeinsam in Anspruch genommen wird (9).
Aufgrund des begrifflichen Einschlusses von Software als digitale Gesundheitsanwendung ist die entwickelte Softwareanwendung des Arztes als solche zu qualifizieren.
Medizinprodukt und Regulierung
Fraglich ist, inwiefern die entwickelte Software als Gesundheitsanwendung unter die Begrifflichkeit der Medizinprodukte fällt und entsprechenden Regulierungen unterliegt. Als Medizinprodukt zu qualifizieren sind «Produkte, einschliesslich Instrumente, Apparate, Geräte, In-vitro-Diagnostika, Software, Implantate, Reagenzien, Materialien und andere Gegenstände oder Stoffe, die für die medizinische Verwendung bestimmt sind oder angepriesen werden und deren Hauptwirkung nicht durch ein Arzneimittel erreicht wird» (Art. 4 Abs. 1 lit. a und b HMG). Diese Definition wird in Art. 3 Abs. 1 MepV weiter konkretisiert. In der MepV finden sich zudem diverse Verweise auf die Medizinprodukteverordnung 2017/745 der EU (Medical Device Regulation, «MDR»)3 (29).
Unsicherheiten bestehen häufig darin, ob eine Software als Medizinprodukt zu gelten hat. Swissmedic hat in ihrem Merkblatt festgehalten, dass z. B. Software/Apps im Bereich Wohlbefinden zur Auswertung klinischer Studien sowie elektronische Patientenakten etc. nicht als Medizinprodukte gelten (30, 31). Weitere Hilfestellung bietet das Bundesverwaltungsgericht im Urteil C-669/2016 vom 17. September 2018.4 Festgehalten werden die kumulativen Voraussetzungen, wann eine Software nach Schweizer Recht als Medizinprodukt zu qualifizieren ist. Es sind die Folgenden, wenn:
die Software/App über eine medizinische Zweckbestimmung verfügt (z. B. die Diagnose, Erkennung, Verhütung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten);
die Software/App Daten verarbeitet, um medizinische Angaben zu erzeugen oder zu modifizieren;
die medizinischen Angaben für einen individuellen Patienten bestimmt sind (31).
Die entwickelte Software des Arztes hat insofern eine medizinische Zweckbestimmung, als dass sie Diagnosen mittels Bildanalyse durchführt. Zudem verarbeitet die Software die gesammelten oder zur Verfügung gestellten Daten, um unter anderem Behandlungsentscheidungen bezüglich Patienten mit akutem Schlaganfall zu treffen. Da die Behandlungsentscheidungen auf den jeweiligen Patienten bezogen sind, ist folglich auch das kumulative Kriterium der Individualität vorliegend. Diese Software ist somit als Medizinprodukt zu qualifizieren.
Medizinproduktesicherheit
Die Konsequenz der Qualifikation der Software etc. als Medizinprodukt ist, dass strengere Voraussetzungen bezüglich des Inverkehrbringens gegenüber «allgemeiner» Software durch den Gesetzgeber vorgesehen wurden (31). Das Heilmittelgesetz sieht vor, dass ein Medizinprodukt bei seiner bestimmungsgemässen Verwendung die Gesundheit der Anwender, Konsumenten, Patienten sowie Dritter nicht gefährden darf (Art. 45 Abs. 1 HMG). Überdies muss derjenige, der ein Medizinprodukt in Verkehr bringt, belegen können, dass dieses die wesentlichen Voraussetzungen und die angepriesene Wirksamkeit bzw. Leistung erfüllt (Art. 46 HMG i.V.m. Art. 9 MepV). Der Nachweis, ob die grundlegenden Anforderungen erfüllt sind, erfolgt sodann im Rahmen eines sogenannten Konformitätsbewertungsverfahrens (Art. 46 Abs. 1 HMG) (31).
Konformitätsbewertungsverfahren bei Medizinprodukten
Das Gefährdungspotenzial des Medizinproduktes (der Software) ist ausschlaggebend für das Konformitätsbewertungsverfahren (31). Die klassischen Medizinprodukte können in vier Medizinprodukteklassen, nämlich in die Klassen I, IIa, IIb und III, unterteilt werden. Dabei steigt das Gefährdungspotenzial, je höher die jeweilige Klasse ist (32). Da die jeweiligen Medizinprodukte individuell und einzigartige Charakteristika aufweisen, lassen sie sich nicht pauschal in die einzelnen Klassen einteilen. Die Klasseneinteilung ist somit massgeblich, da unterschiedliche Anforderungen für das Konformitätsverfahren greifen. Swissmedic überwacht dabei den Markt (31).
Wenn das Medizinprodukt das Konformitätsbewertungsverfahren erfolgreich durchlaufen hat, stellt der Hersteller eine Konformitätserklärung aus. Bestätigt wird, dass das Medizinprodukt in Übereinstimmung mit der technischen Dokumentation angefertigt wurde und es die Voraussetzungen der MepV einhält (32, 33). Vor dem Inverkehrbringen ist das Produkt zudem mit einem Konformitätskennzeichen, in der Schweiz mit einem MD-Kennzeichen in Kombination mit der Kennnummer der involvierten Konformitätsbewertungstabelle oder in der EU mit einem CE-Kennzeichen, zu versehen (32, 34). Die Kennzeichnung ist zudem am Produkt bzw. an der Verpackung und der (elektronischen) Gebrauchsanweisung anzubringen (Art. 14 MepV).
Die entwickelte Software ist bezüglich ihrer Klassifizierung nach der EU-MDR zu beurteilen (siehe Art. 15 MepV). Es handelt sich nach Anhang VIII, Kapitel III, Regel 11, um eine Software, die dazu bestimmt ist, Informationen zu liefern, die zu Entscheidungen für diagnostische oder therapeutische Zwecke herangezogen werden. Vorliegend wird eine Diagnose mittels Bildanalyse durchgeführt. Zudem ist fraglich, ob diese Software den Tod oder eine irreversible Verschlechterung des Gesundheitszustandes einer Person verursachen könnte. Mit der Software werden zudem Behandlungsentscheidungen bei Patienten mit akutem Schlaganfall getroffen, wobei irreversible Verschlechterungen des Gesundheitszustandes oder sogar der Tod drohen könnten. Entsprechend ist die Software mit ihrem Anwendungszweck der Risikoklasse III zuzuordnen. Aufgrund der höchsten Risikoklasse hat der Arzt die spezifischen Anforderungen an das Inverkehrbringen, insbesondere an die Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahren, zu berücksichtigen.
Produktinformation und -beobachtung
Der Hersteller eines Medizinproduktes hat die Pflicht, die jeweiligen Produktinformationen, Kennzeichnung und Gebrauchsanweisung zur Verfügung zu stellen. Art. 16 Abs. 1 MepV verweist dabei auf den Anhang I, Kapitel III, EU-MDR. Dem Produkt sind adressatengerecht und gut lesbar die notwendigen Angaben, «die die Identifizierung des Produkts und des Herstellers ermöglichen sowie alle für den Anwender oder gegebenenfalls dritte Personen relevanten Informationen über die Sicherheit und Leistung des Produkts», hinzuzufügen. Die Kennzeichnung ist dabei grundsätzlich am Produkt selbst, dessen Verpackung oder in der Gebrauchsanweisung (auf der Website) anzubringen (32, 35). In der Schweiz und der EU herrscht sodann das Prinzip der Selbstkontrolle, wobei eine Pflicht zur Produktebeobachtung, ob die regulatorischen Anforderungen erfüllt sind, herrscht (vgl. Art. 56 MepV) (32). Müssen nach dem Inverkehrbringen Präventiv- oder Korrekturmassnahmen ergriffen werden oder wird ein schwerwiegendes Vorkommnis festgestellt, hat eine Meldung zu erfolgen (siehe Art. 57 Abs. 1 und 2 MepV).
Wenn der Arzt als Hersteller der Software diese in Verkehr bringt, hat er die Bestimmung von Art. 16 Abs. 1 MepV einzuhalten. Überdies hat er die Konformität auch nach dem Inverkehrbringen zu gewährleisten und wenn nötig die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen (Art. 56 f. MepV).
Das Produktsicherheitsgesetz
In erster Linie unterstehen die Medizinprodukte dem Medizinprodukterecht. Weist dieses jedoch eine echte Lücke auf – wenn zum Beispiel bestimmte Pflichten nicht geregelt wurden, dies durch den Gesetzgeber jedoch nicht gewollt wurde –, dann kommt das Produktesicherheitsgesetz (PrSG) subsidiär zur Anwendung. Jedoch müssen das Medizinprodukt als auch die entwickelte Software des Arztes gewerblich oder beruflich in den Verkehr gebracht worden sein (Art. 1 Abs. 2 und 3 PrSG) (36).
Haftung für fehlerhafte Medizinprodukte
Weder das Medizinprodukterecht noch das Produktesicherheitsrecht enthalten eigene Haftungsbestimmungen. Dementsprechend ist auf Medizinprodukte das allgemeine Haftpflichtrecht anzuwenden, dies, wenn ein Schaden im Sinne einer Vermögenseinbusse vorliegt. Hierbei lassen sich mögliche Haftungsnormen im Vertragsrecht, im Deliktsrecht (Art. 41 ff. OR) und im Produktehaftpflichtgesetz (PrHG) finden. Bezüglich des Geltungsbereichs des Produktehaftpflichtgesetzes ist noch anzumerken, dass aufgrund heute herrschender Lehre auch eine Software als Produkt im Sinne des PrHG gilt. Wenn die Voraussetzungen der Haftung nach Art. 41 Abs. 1 OR und derjenigen nach dem Produktehaftpflichtgesetz gegeben sind, können beide Haftungsgrundlagen angerufen werden (36).
Was heisst das in Bezug auf die Telemedizin für den Praktiker?
Wie vorab aufgezeigt wurde, tangieren diverse Rechtsbereiche die Thematik der Telemedizin. Da es sich bei der Thematik der Telemedizin um eine neuere, durch die Digitalisierung vorangetriebene Erscheinung handelt, sehen ältere Gesetze diesbezüglich noch keine Normen vor. Erst in neueren Gesetzen oder aufgrund von Revisionen finden nach und nach Bestimmungen Einzug in Gesetze, die die Telemedizin ausdrücklich regeln. Es ist somit erkennbar, dass sowohl die Rechtsprechung als auch die Gesetzgebung dem digitalen Fortschritt in der Medizin hinterherhinkt. Entsprechend haben viele Gesetze und Bestimmungen durch allgemeine Bestimmungen des Bundesrechts, der Standesordnung der FMH sowie durch die elementaren Regeln der ärztlichen Kunst konkretisiert zu werden. Somit kann festgehalten werden, dass die Telemedizin grundsätzlich nicht verboten wird, die Anwendung jedoch durch Auslegung ermittelt werden muss. Dies wird sich jedoch mit der Zeit ändern, wenn Bestimmungen bezüglich der Telemedizin in Gesetzen verankert werden.
Vorschläge de lege ferenda für die Telemedizin
Als mögliche Anpassung de lege ferenda wird sodann vorgeschlagen, dass die Telemedizin künftig in den entsprechenden Gesetzen aktiv vorgesehen wird und ihre Anwendung nicht mehr durch Auslegung ermittelt werden muss. Dies führt unter anderem zu mehr Rechtssicherheit. Des Weiteren sollte de lege ferenda vorgeschlagen werden, dass Telemedizin in Zukunft gleich wie nicht digitale ärztliche Leistungen abgerechnet wird. Bereits während der Coronapandemie wurde die Abrechnung telemedizinischer Leistungen forciert, sodass diese Leistungen gleich wie nicht digitale ärztliche Leistungen abgerechnet werden konnten. Diese Änderung wurde jedoch nach der Coronapandemie wieder zurückgenommen. Daher sollte wieder auf die Abrechnungspraxis wie während der Coronapandemie zurückgegriffen werden. Eine Möglichkeit bestünde insofern, als das Tarifwerk TARDOC vom Bundesrat genehmigt würde, obwohl dies bereits einmal abgelehnt wurde. Dieses Projekt zielt zumindest teilweise darauf ab, die Telemedizin in das Tarifwerk aufzunehmen.
Es wird sich mehr und mehr die Frage stellen, wie mit neuen Erscheinungsformen der Telemedizin umzugehen ist. Eine solche neue Erscheinungsform ist sicherlich das «Hospital at Home». Ein elementarer Bestandteil dieser Behandlungsform ist der telemedizinische Austausch zwischen den Ärzten im Krankenhaus und den Patienten zu Hause. Eine mögliche Behandlung kann hier z. B. die digital unterstützte 24-Stunden-Überwachung von Vitalparametern sein. Inwieweit hier konkrete Regelungen getroffen werden, wird die Zukunft zeigen.
MLaw Nicolas Jordi
Schindlerstrasse 7
8006 Zürich
jordi.nicolas95@gmail.com
Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
Die eingehende Untersuchung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Telemedizin in der Schweiz zeigt deutlich, dass das gegenwärtige Rechtssystem sowohl auf Bundes- als auch auf Kantonsebene noch nicht vollständig auf die Besonderheiten und Herausforderungen dieser fortschrittlichen medizinischen Praktiken ausgerichtet ist. Obwohl es keine expliziten Verbote der Telemedizin gibt und einige kantonale Gesetze die Möglichkeit ihrer Durchführung implizieren, bleibt die Anwendung in der Rechtspraxis oft unklar und erfordert eine sorgfältige Auslegung vorhandener Gesetze und Vorschriften.
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen und die Integration von Informations- und Kommunikationstechnologien stellen sowohl Chancen als auch Herausforderungen dar, insbesondere in Bezug auf Datenschutz, Sicherheit medizinischer Daten und die Einhaltung von Berufsgeheimnis-sen. Mit der zunehmenden Verbreitung und Akzeptanz der Telemedizin als gültige Form der medizinischen Versorgung wird es unerlässlich, dass die Gesetzgebung aktuell gehalten wird, um Rechtssicherheit zu bieten und die Qualität und Sicherheit der Patientenversorgung zu gewährleisten.
Vor diesem Hintergrund sollten zukünftige Gesetzesänderungen und -ergänzungen die telemedizinischen Praktiken ausdrücklich adressieren und regeln. Dies würde nicht nur die Rechtslage klarer gestalten, sondern auch den medizinischen Fachkräften ermöglichen, diese Technologien effektiver und sicherer einzusetzen. Des Weiteren sollte eine Gleichstellung der Abrechnungspraktiken für telemedizinische und traditionelle medizinische Leistungen angestrebt werden, um eine integrative und effiziente Gesundheitsversorgung zu fördern.
1. Poledna T, Vokinger K. Telemedizin und ärztliches Rezept. AJP. 2013:223-238.
2. Herzog-Zwitter I. Haftungsfragen in der Telemedizin – Inhaltliche Brennpunkte zur ärztlichen Sorgfaltspflicht und Aufklärungspflicht. In: Herzog-Zwitter I, Landolt H, Jorzig A, Herausgeber. Digitalisierung und Telemedizin im Gesundheitswesen. Zürich/Genf; 2022. 139-165.
3. Bundesärtzekammer. Telemedizin/Fernbehandlung. (Internet). (abgerufen am 28. April 2024). Verfügbar unter: https://www.bundesaerztekammer.de/themen/aerzte/digitalisierung/telemedizin-fernbehandlung/
4. Der Bund hat diesbezüglich auch das Bundesgesetz über die Gesundheitsberufe (Gesund-heitsberufegesetz, GesBG) und das Bundesgesetz über die Psychologieberufe (Psychologie-berufegesetz, PsyG) erlassen.
5. Donauer D, Kqira M. Telemedizin in der Schweiz. LSR. 2023:193-203.
6. BGE 120 II 248, E. 2c (S. 250).
7. Bayrisches Ärzteblatt. Regulierter Wissenstransfer in der Medizin (Internet). (abgerufen am 8. Juni 2024). Verfügbar unter: https://www.bayerisches-aerzteblatt.de/inhalte/details/news/detail/News/regulierter-wissenstransfer-in-der-medizin.html
8. Kanton Solothurn. Urteil vom 12. Juli des Verwaltungsgerichts des Kanton Solothurn (Inter-net). (abgerufen am 29. April 2024). Verfügbar unter: https://gerichtsentscheide.so.ch/cgi-bin/nph-omniscgi.exe?OmnisPlatform=WINDOWS&WebServerUrl=&WebServerScript=/cgi-bin/nph-omni-scgi.exe&OmnisLibrary=JURISWEB&OmnisClass=rtFindinfoWebHtmlService&OmnisServer=7001&Parametername=WEB&Schema=JGWEB&Source=&Aufruf=getMarkupDocument&cSpra-che=DE&nF30_KEY=118845&W10_KEY=7609429&nTrefferzeile=1&Template=/simple/search_result_document.html
9. Kohler S, Rau A. Vergütung von digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) in der Schweiz. Eine regulatorische Auslegeordnung – mit Blick auf die Entwicklung in Deutschland. LSR 2023;1:13-22.
10. Kieser U. Telemedizin- Blick auf einige Anwendungsfragen in der Krankenversicherung. In: Herzog-Zwitter I, Landolt H, Jorzig A, Herausgeber. Digitalisierung und Telemedizin im Gesundheitswesen. Zürich/Genf; 2022. 109-137.
11. Beat R. Kommentar zu Art. 5 DSG. In: Baeriswyl B, Pärli K, Blonski D, Herausgeber. Daten-schutzgesetz (DSG). Bundesgesetz vom 25. September 2020 über den Datenschutz (DSG). SHK – Stämpflis Handkommentar. 2. Aufl. Zürich/Basel; 2023. 64-87.
12. Bühlmann L, Metin H. Totalrevision des Schweizer Datenschutzgesetzes vor dem Hintergrund der DS-GVO. Reichweite der europarechtlichen Vorgaben in der Schweiz. ZD 2019;8:356-362.
13. Häring D, Olah M. Telemedizin und Strafrecht. ZStrR. 2012;130:195-228.
14. Z.B. im zürcherischen und basellandschaftlichen Gesundheitsgesetz.
15. Z. B. § 8 GesG BL.
16. Z.B. § 12 Abs. 3 GesG ZH.
17. Berger Kurzen B, Herausgeber. E-Health und Datenschutz (Publikationen aus dem Zentrum für Informations- und Kommunikationsrecht der Universität Zürich (ZIK)). Zürich; 2004.
18. BGE 115 Ib 175, E. 2.
19. Steiner T. Digitalisierter Arztbesuch und Cloud-Nutzung im Lichte des Datenschutzrechts des Bundes und der Kantone. Sic!. 2020:677-688.
20. BGE 122 I 153, E. 2c.
21. Botschaft zum Bundesgesetz über die Totalrevision des Bundesgesetzes über den Daten-schutz und die Änderung weiterer Erlasse zum Datenschutz vom 15. September 2017 (BBl 2017 6941, 7019.).
22. Sprecher F. Datenschutz und Big Date im Allgemeinen und im Gesundheitsrecht im Besonde-ren. ZBJV. 2018;8:482-552.
23. Botschaft zum Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG) vom 23. März 1988 (BBl 1988 II 413, 446).
24. Nicht abschliessende Auflistung von Persönlichkeitsverletzungen in Art. 30 Abs. 2 DSG.
25. Es handelt sich dabei um den Grundsatz der Datenminimierung und Datenvermeidung.
26. Baeriswyl B, Sojer R. Technische und organisatorische Massnahmen beim Einsatz von Tele-medizin. In: Herzog-Zwitter I, Landolt H, Jorzig A, Herausgeber. Digitalisierung und Telemedizin im Gesundheitswesen, Zürich/Genf; 2022. 93-108.
27. Blonski D. Kommentar zu Art. 22 DSG. In: Baeriswyl B, Pärli K, Blonski D, Herausgeber. Datenschutzgesetz (DSG). Bundesgesetz vom 25. September 2020 über den Datenschutz (DSG). SHK – Stämpflis Handkommentar, 2 Aufl. Zürich/Basel; 2023. 270-278.
28. Eine De-Anonymisierung darf es nach datenschutzrechtlich nicht geben, da eine Anonymi-sierung stets irreversibel zu sein hat.
29. Unter anderem Art. 5 MepV ist diesbezüglich zu nennen.
30. Swissmedic. AW-Merkblatt Eigenständige Medizinprodukte-Software (Internet). (abgerufen am 11. Mai 2024). Verfügbar unter: https://www.johner-institut.de/blog/wp-con-tent/uploads/2015/03/MU101_30_008d_MB_Eigenstaendige_Medizinprodukte_Software.pdf
31. Vokinger K. Die digitale Bekämpfung von Covid-19 und die Rolle des Bundes(rates). SJZ. 2020;116:412-423.
32. Leins-Zurmühle S. Mobile Applikationen als Medizinprodukte. LSR. 2021:137-147.
33. Art. 23 MepV i.V.m. Anhang IX MDR; vgl. auch Art. 19 MDR.
34. Art. 13 Abs. 1 MepV i.V.m. Anhang V MDR.
35. Für Einzelheiten siehe Anhang I Kapitel III MDR (Abs. 23. 1 und 2).
36. Klett B, Verde M. Medizinprodukt- und haftpflichtrechtliche Aspekte bei Medizinal-Apps. Sicherheit & Recht. 2016;1:45-54.
Der Schweizer Rechtsrahmen in Bezug auf die Medizin und die Gesundheit ist komplex. Die Schweiz kennt kein einheitliches nationales Medizinal- oder Gesundheitsgesetz. Stattdessen gelten zahlreiche gesetzliche Bestimmungen für sehr unterschiedliche medizinische Situationen. Einschlägige Regelungen finden sich auf verschiedenen hierarchischen Rechtsebenen mit einer Vielzahl von internationalen, nationalen und kantonalen Vorschriften, ergänzt durch sog. Soft Law. Im Rahmen des Föderalismus und des Subsidiaritätsprinzips ist der nationale Gesetzgeber nur dort für die bundesrechtlichen Regelungen zuständig, wo ihm die Bundesverfassung die entsprechende Kompetenz dazu erteilt. Für alle anderen Angelegenheiten sind die 26 Kantone der Schweiz zuständig. Daher haben die Kantone spezifische Gesundheitsgesetze, Patientengesetze und andere für den Medizin- und Gesundheitsbereich relevante Vorschriften erlassen.
Auf nationaler Ebene ist zudem das Strafgesetzbuch für medizinische Behandlungen von besonderer Bedeutung. Es stellt u. a. Angriffe auf das Leben und die körperliche Unversehrtheit unter Strafe. Die strafrechtliche Verantwortung betrifft die individuelle Verantwortlichkeit des Einzelnen und richtet sich danach, ob die Voraussetzungen für ein strafbares Verhalten im Einzelfall gegeben sind.
Rechtliche Rahmenbedingungen für medizinisches Handeln
Überblick
Die Medizin untersteht, wie alle Lebensbereiche, dem Recht und damit auch dem Strafrecht. Das Medizin- und Gesundheitsrecht der Schweiz ist nicht in einem einheitlichen Gesetz geregelt, vielmehr gibt es eine Vielzahl von nationalen und kantonalen Regelungen, die zusammenwirken und zu beachten sind. Zudem sind die von privaten Organisationen erlassenen Regelungen, wie z. B. die Standesordnung der FMH (Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte) oder die medizinisch-ethischen Richtlinien der SAMW (Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften) von Bedeutung (1).
Ausgangspunkt der gesetzgeberischen Zuständigkeit ist die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV). Sie kennt keine umfassende Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Medizin- und Gesundheitsrecht, vielmehr regelt der Bund im Rahmen seiner Zuständigkeiten einzelne Befugnisse (2). Ansonsten sind die Kantone zuständig, um entsprechende Regelungen zu erlassen (3). Dies zeigt sich u.a. darin, dass in Ergänzung zu den bundesrechtlichen Rechtsquellen, wie dem Medizinalberufegesetz, alle Kantone Gesundheits- und Patientengesetze erlassen haben.
Strafbestimmungen finden sich einerseits im Strafgesetzbuch (StGB), andererseits gibt es eine Vielfalt an nebenstrafrechtlichen Bestimmungen, die sowohl im nationalen wie auch im kantonalen Recht festgeschrieben sind. Das Strafgesetzbuch kennt kein Sonderstrafrecht für die ärztlichen respektive medizinischen Tätigkeiten, vielmehr sind grundsätzlich (4) die allgemeinen Straftatbestände anwendbar (5). Dies gilt unabhängig davon, ob das Behandlungsverhältnis dem Zivilrecht oder dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist (6). Bedeutsam im Medizinrecht sind insbesondere die im Besonderen Teil des Strafgesetzbuches (StGB) normierten strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben (Art. 111 ff. StGB) und die strafbaren Handlungen gegen die Amts- und Berufspflicht (Art. 312 ff. StGB), namentlich das falsche ärztliche Zeugnis (Art. 318 StGB) und die Verletzung des Amts- und Berufsgeheimnisses (Art. 320 f. StGB). Aber auch Straftaten gegen das Vermögen (Art. 137 ff. StGB), insbesondere der Abrechnungsbetrug (Art. 146 StGB), gegen die Ehre und den Geheim- oder Privatbereich (Art. 173 ff. StGB), gegen die Freiheit (Art. 180 ff. StGB) und die sexuelle Integrität (Art. 187 ff. StGB) können Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Abklärungen sein (7). Daneben sind die allgemeinen Bestimmungen des Strafrechts (8) und das Strafverfahrensrecht von grosser Relevanz.
Sind die Verfolgung und Beurteilung von Verstössen einer Verwaltungsbehörde des Bundes übertragen, so findet nicht das Strafgesetzbuch, sondern das Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR) Anwendung (Art. 1 VStrR). Das gilt z. B. für die Strafverfolgung gemäss dem Heilmittelgesetz (HMG) im Vollzugsbereich des Bundes durch das Schweizerische Heilmittelinstitut und das Bundesamt für Gesundheit, Art. 90 HMG.
Strafrechtliche Grundlegung
Einordnung – Überschneidungen mit anderen Rechtsgebieten
Das Medizinstrafrecht bewegt sich oftmals nahe am Zivil- und öffentlichen Recht. Denn Fehler bei der Diagnose, Therapie und Nachsorge, aber auch Geheimnisverletzungen und Verstösse im Nebenstrafrecht berühren regelmässig mehrere Rechtsgebiete und können dort verschiedene Folgen bzw. Sanktionen auslösen. Strafrechtliche Ermittlungsverfahren und zivilrechtliche bzw. öffentlich-rechtliche Streitigkeiten überlappen sich und sind vielfach miteinander verknüpft. Im Rahmen des strafprozessualen Adhäsionsverfahrens können überdies unter bestimmten Voraussetzungen zivilrechtliche Haftungsansprüche geltend gemacht werden, Art. 122 ff. Strafprozessordnung (StPO). Patientinnen und Patienten können sich zudem an die FMH-Gutachterstelle wenden, wenn sie infolge eines ärztlichen Fehlers oder eines Organisationsverschuldens ggf. einen gesundheitlichen Schaden erlitten haben und sie hierzu eine ärztliche Begutachtung wünschen. Erforderlich in dem Fall ist jedoch, dass kein gerichtliches Verfahren hängig oder bereits abgeschlossen ist und das Anliegen nicht mit dem Haftpflichtversicherer des betroffenen Spitals oder der betroffenen Ärztin/des betroffenen Arztes geregelt werden konnte (9). Zudem steht es den Patientinnen und Patienten offen, sich beim Verdacht einer Fehlbehandlung von einer Patientenorganisation beraten zu lassen (10).
Strafantragsdelikte – Offizialdelikte
Ein möglicher Behandlungsfehler oder ein Fehler bei der Einwilligung und Aufklärung des Patienten kann je nach Einzelfall strafrechtlich relevant sein. Wenn Strafantragsdelikte (11) (Art. 30 ff. StGB) zur Diskussion stehen, wie z. B. die vorsätzliche oder fahrlässige Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 1 resp. Art. 125 Abs. 1 StGB), muss von der antragsberechtigten Person der Strafantrag innerhalb dreier Monate gestellt werden, gerechnet ab dem Tag, an welchem ihr der Täter bekannt wird. Bei Fristablauf besteht ein Strafverfolgungshindernis, der Sachverhalt wird nicht mehr von der Strafverfolgungsbehörde abgeklärt. Im Unterschied dazu erfordern die Offizialdelikte keinen Strafantrag, vielmehr wird die Untersuchung durch die Strafverfolgungsbehörden von Amtes wegen aufgenommen, sobald sie vom fraglichen Sachverhalt Kenntnis haben. Strafanträge werden oftmals dann gestellt, wenn der Patient über die Kommunikation und die Abklärung eines möglichen Behandlungsfehlers enttäuscht ist oder die Einsicht in das Patientendossier oder die Schadensregulierung hinausgezögert wird. Zudem werden im Strafverfahren die relevanten Tatsachen von Amtes wegen abgeklärt (Art. 6 StPO) und die erforderlichen Beweise von Amtes wegen erhoben. Dies hat grosse Relevanz im Hinblick auf die damit verbundenen Kosten, die im zivilrechtlichen Verfahren zunächst von dem klagenden Patienten (12) resp. der Patientin getragen werden. Soweit Antragsdelikte Gegenstand des Medizinalstrafverfahrens sind, ist zudem ein besonderes Augenmerk auf Art. 316 StPO zu legen. Denn die Staatsanwaltschaft kann die antragstellende und die beschuldigte Person zu einer Verhandlung vorladen mit dem Ziel, einen Vergleich zu erzielen. Bleibt die antragstellende Person der Verhandlung fern, so gilt der Strafantrag als zurückgezogen.
Keine Strafe ohne Gesetz
Im Strafrecht gilt der Grundsatz «nulla poena sine lege» oder anders ausgedrückt «Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt» (Art. 1 StGB). D.h., ein Verhalten darf nur dann verfolgt und abgeurteilt werden, wenn ein Straftatbestand das konkrete Verhalten pönalisiert. Das Strafrecht soll zudem die geschützten Rechtsgüter gegen die konkret bezeichneten Angriffsarten schützen. Dies wird auch als fragmentarischer Charakter des Strafrechts bezeichnet. Bei der strafrechtlichen Überprüfung eines Sachverhalts sind die geschützten Rechtsgüter und die konkreten Tatobjekte auseinanderzuhalten. Tatobjekt der Tötungsdelikte (Art. 111–117 StGB) ist ein Mensch, geschütztes Rechtsgut ist das menschliche Leben; Tatobjekt der Körperverletzungsdelikte (Art. 122–126 StGB) sind der Körper und die physische sowie psychische Gesundheit eines Menschen, Rechtsgut ist die körperliche und psychische Unversehrtheit.
Elemente eines strafbaren Verhaltens
Tatbestand
Die Prüfung eines potenziell strafbaren Verhaltens folgt festen Regeln. Ausgehend vom Beispiel eines möglichen Behandlungsfehlers wird geklärt, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Deliktes, z. B. der Körperverletzung (Art. 123 StGB), gegeben sind. Anschliessend erfolgt die Prüfung der Rechtswidrigkeit der Tat und letztlich der Schuld des Täters. Obgleich der Gesetzgeber die Straftatbestände möglichst klar formuliert, kommt es immer wieder vor, dass der Begriffsinhalt eines konkreten, vom Gesetz geforderten Merkmals nicht eindeutig ist. In diesem Fall sind die allgemeinen Auslegungsmethoden heranzuziehen (13), um den Inhalt zu ermitteln. Ein Beispiel aus dem Medizinstrafrecht betrifft die Frage, wann ein Fötus im strafrechtlichen Sinne zum Menschen wird, was für die Abgrenzung des Schwangerschaftsabbruchs von den Tötungsdelikten Bedeutung hat. Hier gibt der Tatbestand der Kindestötung (Art. 116 StGB) den zentralen Hinweis. Wenn eine Mutter ihr Kind während der Geburt tötet, dann zählt dieses Verhalten bereits zu den Tötungsdelikten. Die strafrechtliche Zäsur vom Fötus zum Menschen findet daher vorher statt, und zwar mit dem Beginn der Eröffnungswehen resp. der Öffnung der Bauchdecke zum Zwecke der Schnittgeburt. Vorher ist das heranwachsende Kind lediglich über die Regelungen des nur vorsätzlich begehbaren Schwangerschaftsabbruchs geschützt (14). Ein anderes Auslegungsbeispiel betrifft die strafrechtliche Qualifikation des Skalpells, geführt durch die Hand eines Arztes/einer Ärztin als «gefährlicher Gegenstand» im Sinne der qualifizierten Körperverletzung nach Art. 123 Ziff. 2 Abs. 2 StGB. Bei der Auslegung des Rechtsbegriffs «gefährlicher Gegenstand» kommt es darauf an, ob die Beschaffenheit des Gegenstandes oder die konkrete Art und Weise seiner Anwendung die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung (Art. 122 Ziff. 1 StGB) in sich trägt (15). Der lege artis Einsatz eines Skalpells in der Hand einer (ausgebildeten) ärztlichen Person beinhaltet diese Gefahr in der Regel nicht, es kann aber Fälle geben, in denen die Situation anders bewertet wird (16).
Legaldefinitionen
Das Strafgesetzbuch hält zudem einige Legaldefinitionen, das sind Umschreibungen von Tatbestandsmerkmalen durch den Gesetzgeber, bereit. In Art. 12 Abs. 2 und 3 StGB definiert der Gesetzgeber, was unter Vorsatz und Fahrlässigkeit zu verstehen ist. Art. 110 StGB umschreibt z. B., wer unter «Angehörige» oder «Beamte» fällt und welche Voraussetzungen an eine «Urkunde» im Sinne des Strafrechts gestellt werden.
Tun und Unterlassen
Die überwiegende Mehrzahl der strafbaren Tathandlungen, wie z. B. die Körperverletzung oder die Tötung, sind durch ein aktives Tun umschrieben: «Wer vorsätzlich einen Menschen tötet […]» (Art. 111 StGB), «Wer vorsätzlich einen Menschen […] an Körper oder Gesundheit schädigt» (Art. 123 Ziff. 1 StGB). Das Strafgesetzbuch kennt aber auch Unterlassungsdelikte. Ist das strafbewehrte Unterlassen direkt im Tatbestand umschrieben, handelt es sich um ein echtes Unterlassungsdelikt, wie bei dem Vorsatzdelikt der Unterlassung der Nothilfe (Art. 128 Abs. 1 2. Alt. StGB): «Wer […] einem Menschen, der in unmittelbarer Lebensgefahr schwebt, nicht hilft, obwohl es ihm den Umständen nach zugemutet werden könnte […]» (17). Jede Person ist daher verpflichtet, bei einer lebensbedrohlichen Situation zu helfen, wenn ihr die Hilfe zumutbar ist, einerlei, ob die Hilfe Erfolg versprechend ist oder nicht. Es ist aber auch möglich, z. B. eine Tötung durch Unterlassen zu begehen. Das «Begehen durch Unterlassen» wird als «unechtes Unterlassen» bezeichnet und ist wie folgt geregelt (Art. 11 StGB): «Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden (Abs. 1). Pflichtwidrig untätig bleibt, wer die Gefährdung oder Verletzung eines strafrechtlich geschützten Rechtsgutes nicht verhindert, obwohl er aufgrund seiner Rechtsstellung dazu verpflichtet ist, […]» (Abs. 2). Das Gesetz umschreibt hier die Voraussetzungen, die an ein unechtes Unterlassen gestellt werden. Wichtig sind insbesondere die Garantenstellung und die Garantenpflicht, die aus verschiedenen Rechtsquellen stammen können, so z. B. aus Gesetz oder Vertrag. Garant ist, wer für den Schutz eines Rechtsgutes einzutreten hat, wie z. B. der Pfleger oder der behandelnde Arzt eines Patienten. Garant ist aber auch, wer eine bestimmte Gefahrenquelle unter Kontrolle halten muss, wie z. B. der technische Mitarbeitende in Bezug auf das ihm anvertraute medizinisch-technische Gerät (18).
Wenn bei einem beatmeten Patienten, der leben möchte und eine reelle Chance hat, seine momentane gesundheitliche Einschränkung zu überleben, die Behandlung ohne Rücksprache mit ihm resp. seiner Stellvertretung auf eine Palliativbehandlung mit Sauerstoffentzug umgestellt wird und er in der Folge verstirbt, so stellt sich die Frage, ob die involvierten Medizinalpersonen sich einer Tötung durch Unterlassen strafbar gemacht haben. Denn sie sind aufgrund des Behandlungsvertrages als Garanten verpflichtet, entsprechend der lege artis und unter Wahrung des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten diesem die angemessene Behandlung zukommen zu lassen (19).
Wenn dem Garanten für ein Unterlassen sowohl die Unterlassung der Nothilfe als auch z. B. eine Körperverletzung durch Unterlassen zur Last gelegt wird, verdrängt letztere das allgemeinere Delikt des Art. 128 Abs. 1 StGB (20).
Vorsatz – Fahrlässigkeit
Die im Strafgesetzbuch normierten Straftatbestände sind Vorsatzdelikte, Fahrlässigkeit wird nur dann bestraft, wenn dies ausdrücklich im Gesetz so festgeschrieben ist (Art. 12 Abs. 1 StGB). Die Verletzung des Berufsgeheimnisses ist beispielsweise ein Vorsatzdelikt, die fahrlässige Begehung ist mangels gesonderter gesetzlicher Anordnung nicht strafbar (Art. 321 StGB).
Vorsatz bedeutet verkürzt gesagt «Wissen und Wollen» der Tatbestandsverwirklichung (Art. 12 Abs. 2 S. 1 StGB), wobei der Vorsatz des Täters sich auf jedes einzelne Tatbestandsmerkmal beziehen muss. Die Verantwortlichkeit wegen Fahrlässigkeit hingegen beruht auf einer unbewussten oder bewussten Pflichtwidrigkeit (Art. 12 Abs. 3 StGB). Vorausgesetzt wird, dass die Handlung des Täters den nach der konkreten Situation und seiner persönlichen Verhältnisse geforderten Pflichten und Umsicht widerspricht. Der Eintritt des schädlichen Erfolgs, z. B. der Körperverletzung, muss die Folge gerade des sorgfaltspflichtwidrigen Verhaltens sein (21). Im Medizinalbereich kann es viele Quellen eines sorgfaltswidrigen Verhaltens geben. Sei es, dass nach einer Differenzialdiagnose, die sich im Nachhinein als unzutreffend herausgestellt hat, die Therapie nicht umgestellt wird, dass irrtümlich eine zu hohe Dosis eines Medikaments verabreicht wird, ein Patient betreffend einer Operation verwechselt wird oder ein nicht zureichend sterilisiertes Medizinalprodukt beim Patienten zu einer Infektion führt. Bewirkt der pflichtwidrige Verstoss gegen die lege artis kausal und zurechenbar einen gesundheitlichen Schaden oder den Tod des Patienten und ist das Verhalten dem Arzt/der Ärztin persönlich vorwerfbar, so ist eine fahrlässige Körperverletzung bzw. eine fahrlässige Tötung gegeben (Art. 117, Art. 125 StGB).
Wer pflichtwidrig nicht weiss, dass bei einer Schwangeren mit starken Bauchschmerzen bereits Eröffnungswehen vorliegen, die strafrechtlich gesehen den «Fötus» zum «Menschen» machen, ist bei einer sorgfaltswidrigen Behandlung mit tödlichem Ausgang für das Kind nicht wegen dessen Tötung (Art. 111, 117, 13 Abs. 1 StGB) strafbar. Denn handelt der Arzt, wie hier, in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, da er irrtümlich von einem Fötus als Tatobjekt ausgeht, so beurteilt das Gericht die Tat zugunsten des Arztes nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat (Art. 13 Abs. 1 StGB). Der Schwangerschaftsabbruch ist aber nur vorsätzlich begehbar (Art. 118 StGB). Der Arzt muss sich zudem ggf. wegen einer Körperverletzung zulasten der Gebärenden verantworten.
Täterschaft – Teilnahme
Wer die Tat selbst begeht, ist Täter. Sind mehrere Personen an einer Tat beteiligt, kann einerseits eine Mit- oder mittelbare Täterschaft vorliegen, andererseits eine Teilnahme im Sinne einer Anstiftung oder Gehilfenschaft (Art. 24 f. StGB) (22). Von Mittäterschaft wird gesprochen, wenn mehrere Personen gemeinsam Tatherrschaft über eine Tat innehaben, d.h., sie die Tat gemeinsam planen und ausführen. Mittelbare Täterschaft liegt vor, wenn eine Person mittels einer anderen Person Tatherrschaft über die Tat hat, weil sie diese z. B. täuscht und der Getäuschte dann als «Werkzeug» des mittelbaren Täters die Tat begeht (23). Ein Beispiel findet sich in einem vom deutschen Bundesgerichtshof entschiedenen Fall. Eine an dem sog. Münchhausen-Stellvertretersyndrom erkrankte Frau hatte den Ärzten erfolgreich vorgespiegelt, dass ihre Tochter an Verstopfung leide, bis schliesslich der zuständige Arzt vorübergehend einen künstlichen Darmausgang für das eineinhalb Jahre alte Kind legen liess, um die Symptome abzuklären. Die Frau war mittelbare Täterin der vom Arzt im guten Glauben begangenen qualifizierten Körperverletzung zulasten des Kindes (24).
Anstiftung liegt dann vor, wenn jemand bei einem anderen den Entschluss, eine konkrete Vorsatztat zu begehen, vorsätzlich hervorruft (Art. 24 StGB). Gehilfenschaft ist gegeben, wenn eine Person dem vorsätzlich handelnden Täter lediglich vorsätzlich Unterstützung leistet (Art. 25 StGB). Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein. Die Teilnahme ist nur vorsätzlich begehbar und setzt stets eine Haupttat voraus, aus welcher sie auch ihr Unrecht ableitet.
Täterschafts- und Teilnahmefragen stellen sich im Medizinstrafrecht häufig, da die Medizin arbeitsteilig ist und in der Regel mehrere Personen bei der Behandlung der Patientinnen und Patienten zusammenwirken. Sollte es dabei zu einem Todesfall oder einem sonstigen Fehlgehen der Behandlung kommen, ist für jeden einzelnen Beteiligten, sei es eine Arztperson, sei es eine weitere Gesundheitsfachperson, die allfällige strafrechtliche Verantwortlichkeit zu prüfen. Letztendlich kann es zur Verurteilung mehrerer Personen wegen einer Tat kommen. Das Strafgesetzbuch kennt jedoch keine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Anstiftung oder fahrlässiger Gehilfenschaft. In diesem Fall kann aber ein eigenständiges Fahrlässigkeitsdelikt vorliegen, so z. B. bei einer sorgfaltswidrigen Mitwirkung bei einer tödlich verlaufenden Fehlbehandlung, die zur Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung führt (Art. 117 StGB). Eine pflichtwidrige Verletzung des ärztlichen Berufsgeheimnisses hingegen ist nicht nach Art. 321 StGB strafbar, da der Straftatbestand nur vorsätzlich begehbar ist.
Sonderdelikte
Im Bereich der Teilnahme sind die echten und unechten Sonderdelikte zu unterscheiden. Die echten Sonderdelikte setzen voraus, dass der Täter eine besondere Pflichtenstellung innehat, die Missachtung der hieraus resultierenden Sonderpflicht begründet – neben den weiteren geforderten Voraussetzungen – die Strafbarkeit. Dies ist z. B. bei der Verletzung des ärztlichen Berufsgeheimnisses der Fall, da Täter nur sein kann, wer den in Art. 321 StGB abschliessend aufgezählten Berufsgruppen angehört, wozu eine Arztperson zählt (25). Demgegenüber können unechte Sonderdelikte zwar von jedermann erfüllt werden, die besondere Pflichtenstellung des Täters ist jedoch strafschärfend. Die Teilnahme am Sonderdelikt ist aber möglich, ohne die Sondereigenschaft der dort genannten Berufsgruppen in eigener Person aufweisen zu müssen (Art. 26 StGB) (26). Auf den konkreten Fall bezogen führt dies zu folgendem Ergebnis: Eine interessierte vom Täterkreis des Art. 321 StGB nicht erfasste Person kann zwar nicht Täterin der Geheimnisverletzung sein, aber strafbar sein, weil sie den Arzt erfolgreich angestiftet oder ihm geholfen hat, sein Berufsgeheimnis zu verletzen.
Erfolgsdelikt – Tätigkeitsdelikt
Das Strafrecht unterscheidet weiterhin nach Erfolgs- und Tätigkeitsdelikten. Die Erfolgsdelikte setzen neben der strafbaren Tathandlung einen davon abgrenzbaren Erfolg in der Aussenwelt voraus, die Tätigkeitsdelikte erschöpfen sich in der Vornahme des strafbewehrten Tuns bzw. Unterlassens (27). Ein typisches Tätigkeitsdelikt ist das Ablegen eines falschen Zeugnisses resp. die Abgabe eines falschen Gutachtens vor Gericht (Art. 307 StGB) (28). Die Tat ist vollendet, wenn die Aussage erfolgt resp. das Gutachten abgegeben wurde. Für die Strafbarkeit ist nicht notwendig, dass das Gericht den Ausführungen Glauben schenkt. Ein Erfolgsdelikt stellt die Tötung (Art. 111 StGB) dar. Neben der Tathandlung, z. B. der Injektion des tödlichen Mittels, ist ein schädlicher Erfolg, d.h. im Rahmen von Art. 111 StGB, der Tod eines anderen Menschen erforderlich.
Kausalität
Bei den Erfolgsdelikten muss zudem eine enge Beziehung zwischen der strafbaren Handlung und dem schädlichen Taterfolg gegeben sein. Dies wird im Strafrecht durch die «conditio-sine-qua-non-Formel» und die objektive Zurechnung festgestellt. Dies bedeutet, dass der strafbare Erfolg bei der Tötung, der Körperverletzung oder dem Ausstellen eines unrichtigen ärztlichen Zeugnisses kausal durch die pflichtwidrige Handlung verursacht worden und objektiv zurechenbar sein muss (29). Ursache ist bei einem aktiven Tun jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (30) entfiele. Ist die Kausalität eines pflichtwidrigen Unterlassens zu prüfen, wird die pflichtgemässe Handlung hypothetisch hinzugedacht – wenn dann der Erfolg höchstwahrscheinlich (31) entfallen würde, liegt die erforderliche Kausalität vor. Um diese Voraussetzungen im konkreten Fall festzustellen, wird von den Strafverfolgungsbehörden in der Regel ein medizinisches Gutachten benötigt. Bei Behandlungsfehlern und ganz besonders im Bereich des pflichtwidrigen Unterlassens ist es oftmals nicht möglich nachzuweisen, dass bei Hinzudenken der gebotenen Handlung die Kausalität höchstwahrscheinlich entfiele. Das bedeutet zugleich, dass keine Kausalität festgestellt werden kann und eine Strafbarkeit wegen des vollendeten Deliktes nicht gegeben ist.
Versuch
«Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern» (Art. 22 Abs. 1 StGB). Diese Konstellation wird als Versuch eines Straftatbestandes bezeichnet. Er ist nur bei Vorsatzdelikten und nur unter engen Voraussetzungen unter Strafe gestellt (Art. 22 f. StGB) (32). Ist z. B. die Kausalität zwischen einer Fehlhandlung und dem Gesundheitsschaden des Patienten nicht nachweisbar, hatte der Arzt aber den Gesundheitsschaden zumindest mit Eventualvorsatz in Kauf genommen, so liegt eine versuchte Körperverletzung vor.
Rechtfertigungsgründe
Einheit der Rechtsordnung
Art. 14 StGB besagt: «Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat nach diesem oder einem anderen Gesetz mit Strafe bedroht ist.» Diese Regelung beruht auf dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung und bedeutet, dass Rechtfertigungsgründe allen Rechtsbereichen entstammen können. So können u.a. zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe auch im Strafrecht Wirkung entfalten.
Das Strafgesetzbuch selbst regelt die Rechtfertigungsgründe der Notwehr (Art. 15 StGB) und des rechtfertigenden Notstandes (Art. 17 StGB).
Einwilligung – Urteilsfähigkeit
Nach der Rechtsprechung und grossen Teilen der Literatur erfüllt der ärztliche Eingriff den Tatbestand der Körperverletzung. Er bedarf zu seiner Rechtfertigung der wirksamen Einwilligung des urteilsfähigen Patienten resp. bei einem urteilsunfähigen Patienten von dessen Stellvertretung. Auch wenn diese Betrachtungsweise sehr holzschnittartig ist, da sie den ärztlichen Eingriff jeder beliebigen Körperverletzung gleichstellt, ist sie doch seit vielen Jahren Rechtspraxis (33). Der Rechtfertigungsgrund der Einwilligung wurde nicht im Strafgesetzbuch, wohl aber in anderen Gesetzen verschriftlicht. Im Zivilgesetzbuch (Art. 28 ZGB) und in den kantonalen Gesetzen finden sich Regelungen zu den Voraussetzungen der Einwilligung, z. B. § 13 des Patientinnen- und Patientengesetzes des Kantons Zürich. Das Erfordernis der Einwilligung bei einem Eingriff in die Individualrechtsgüter Körper und Gesundheit ist eng verknüpft mit dem Selbstbestimmungsrecht und damit dem Recht auf persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV, Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention) (34) sowie der Menschenwürde (Art. 7 BV). Die wirksame Einwilligung des Patienten in die medizinische Behandlung setzt u.a. seine Urteilsfähigkeit (Art. 16 ZGB) voraus, ihre Ausübung ist ein relativ höchstpersönliches Recht (Art. 19c ZGB). Urteilsunfähige Patienten können nicht wirksam einwilligen, an ihre Stelle tritt die von ihnen im Zustand der Urteilsfähigkeit erstellte gültige Patientenverfügung resp. die Entscheidung durch die zur Stellvertretung berufene Person (Art. 378 ZGB).
Der Gesetzgeber definiert nicht, wann Urteilsfähigkeit vorliegt, sondern stellt widerlegbare Vermutungen auf, wann sie fehlt: «Urteilsfähig im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln» (Art. 16 ZGB). Die Urteilsfähigkeit einer Person wird stets in Bezug auf eine konkrete Angelegenheit beurteilt (35). Es kann daher sein, dass sie für die eine Angelegenheit urteilsfähig ist, z. B. was die Patientin gern essen oder anziehen möchte, für eine andere hingegen nicht, z. B. ob bei der Patientin die Amputation einer Gliedmasse vorgenommen werden soll. Die Urteilsfähigkeit bestimmt sich danach, ob die betreffende Person vernunftgemäss handeln kann, nicht aber, ob ihr Entscheid nach allgemeinen Massstäben als vernünftig bewertet wird. Indem die urteilsfähige Person rechtswirksam ihren Willen bildet und ihn z. B. im Rahmen der Einwilligung äussert, trägt sie rechtlich auch die Verantwortung für ihre Entscheidung.
Obgleich die Urteilsfähigkeit ein Rechtsbegriff ist, entscheidet im medizinischen Alltag oftmals der Arzt resp. die Ärztin über die Urteilsfähigkeit der Patientinnen und Patienten (36).
Die Einwilligung in die medizinische Behandlung muss rechtzeitig vor dem Eingriff vorliegen, ist grundsätzlich formfrei gültig und kann mündlich, schriftlich oder konkludent erteilt werden. Aus Beweisgründen ist jedoch eine schriftliche Einwilligung anzuraten. Sie muss zudem vom freien Willen des Patienten/der Patientin getragen sein, wozu es insbesondere der vorgängigen Aufklärung durch die zuständige Arztperson bedarf. Im Vordergrund steht dabei die Eingriffsaufklärung. Sie bezieht sich auf die Diagnose, den Verlauf mit und ohne Behandlung, die in Aussicht genommene Therapie und die damit verbundenen Risiken (37). Das Bundesgericht sagt zum Umfang der Aufklärung: «Der Patient soll über den Eingriff oder die Behandlung so- weit unterrichtet sein, dass er seine Einwilligung in Kenntnis der Sachlage geben kann» (38).
Mutmassliche Einwilligung
Kann die Einwilligung in die Behandlung nicht oder nicht rechtzeitig eingeholt werden, ist nach dem mutmasslichen Willen und den Interessen des Patienten zu entscheiden (Art. 379 ZGB). Strafrechtlich betrachtet ist die mutmassliche Einwilligung ein gewohnheitsrechtlich anerkannter Rechtfertigungsgrund, der zur Einwilligung subsidiär ist. Bei der Erforschung des mutmasslichen Willens sind frühere mündliche oder schriftliche Äusserungen des Patienten ebenso wie seine religiöse Überzeugung und sonstige persönlichen Wertvorstellungen zu beachten, soweit sie bekannt sind bzw. in der Zeit, die zur Verfügung steht, abgeklärt werden können. Die Arztperson, die sich nach Abklärung der Umstände im mutmasslichen Willen und den Interesse des Patienten für den lege artis durchgeführten Eingriff entscheidet, im Nachhinein aber erkennt, dass der Patient mit dem Eingriff nicht einverstanden war, handelte zum Tatzeitpunkt dennoch gerechtfertigt.
Hypothetische Einwilligung
Die fehlende oder fehlerhafte Einwilligung/mutmassliche Einwilligung bewirkt nicht die Rechtfertigung des Eingriffs. Ob im Strafrecht dann die hypothetische Einwilligung Anwendung findet, ist nicht abschliessend geklärt (39). Im Zivilrecht gestattete das Bundesgericht (40) dem beklagten Arzt den Einwand, der Patient hätte auch dann in die Behandlung eingewilligt, wenn er zuvor ordnungsgemäss aufgeklärt worden wäre. Diesen Einwand kann der Patient widerlegen, indem er substanziiert darlegt, dass er sich – bezogen auf den Zeitpunkt der fehlerhaften Aufklärung – bei ordnungsgemässer Aufklärung in einem echten Entscheidungskonflikt darüber befunden hätte, ob er in den Eingriff einwilligen solle oder nicht. Gelingt dem Patienten dieser Nachweis, obliegt dem Arzt die Beweislast dafür, dass der Patient trotz dieses Entscheidungskonflikts in den Eingriff eingewilligt hätte. Im Strafrecht überzeugt die hypothetische Einwilligung als Rechtfertigungsgrund nicht (41). Vielmehr greift bei verbleibenden Zweifeln der Grundsatz in dubio pro reo.
Schuld
Schuldfähigkeit
Das StGB geht vom Grundsatz aus, dass der erwachsene Mensch grundsätzlich schuldfähig ist (42). Dementsprechend bestimmt es negativ: «War der Täter zur Zeit der Tat nicht fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so ist er nicht strafbar» (Art. 19 Abs. 1 StGB). Die Schuldfähigkeit kann z. B. aufgehoben oder eingeschränkt (Art. 19 Abs. 2 StGB) sein, wenn ein Patient an einer schweren Bewusstseinsstörung leidet und in diesem Zustand eine Pflegefachperson verletzt. Bei der strafrechtlichen Würdigung sind die Umstände des Einzelfalles massgebend (43), wobei die Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt i.d.R. durch ein psychiatrisches Gutachten abgeklärt wird (Art. 20 StGB). Wer in Bezug auf eine bestimmte Tat schuldunfähig ist, kann für diese Tat nicht bestraft werden. Aber es kann eine Massnahme angeordnet werden (Art. 19 Abs. 3 StGB). Zudem kennt das Gesetz Ausnahmen, so z. B. bei der actio libera in causa (44) (Art. 19 Abs. 4 StGB) oder wenn der Straftatbestand der «Verübung einer Tat in selbst verschuldeter Unzurechnungsfähigkeit» (Art. 263 StGB) eingreift.
Entschuldigungsgründe
Die Schuld kann zudem entfallen, wenn der Täter sich auf einen Schuldausschliessungsgrund berufen kann. Hier sind namentlich der entschuldbare Notstand (Art. 18 StGB), die Unzumutbarkeit normgerechten Verhaltens, der unvermeidbare Irrtum über die Rechtswidrigkeit (Art. 21 StGB) oder der entschuldigende Nötigungsnotstand zu nennen. Die jemandem durch Gewalt oder Drohung abgenötigte Straftat kann entschuldbar sein, wenn dem Täter nicht zuzumuten war, den unmittelbar drohenden oder in Gang befindlichen Eingriff in seine eigenen oder fremden Rechtsgüter hinzunehmen und zu diesem Zweck die Verübung des von ihm verlangten Deliktes zu verweigern. Dies wäre der Fall, wenn ein Arzt von einem Patienten unter Androhung schwerer Gewalt gezwungen würde, ein verschreibungspflichtiges Betäubungsmittel herauszugeben. Ergibt sich, dass das Verhalten des Arztes nicht bereits gerechtfertigt ist, kommt die Annahme eines entschuldbaren Nötigungsnotstandes infrage. Hiervon ist die Handlung aufgrund rechtswidriger Weisung zu unterscheiden. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass sich der erwachsene Mensch der Aufforderung einer Autoritätsperson, eine Straftat begehen, widersetzen kann. Führt ein stark übermüdeter Arzt beispielsweise weisungsgemäss eine Operation durch und lässt er aufgrund der Übermüdung die Sorgfaltspflichten mit der Folge ausser Acht, dass der Patient einen gesundheitlichen Schaden erleidet, ist das Handeln nach Weisung kein Entschuldigungsgrund. Eine solche Situation kann aber zur Strafmilderung führen (Art. 48 lit. a Nr. 4 StGB).
Einige relevante Straftatbestände
Körperverletzungsdelikte
Das Strafgesetzbuch schützt das Leben und die körperliche Integrität sowie die physische und psychische Gesundheit mittels verschiedener Straftatbestände. Die Körperverletzung ist sowohl vorsätzlich wie fahrlässig begehbar. Sie ist ein Vergehen, der Strafrahmen beträgt bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Die schwere Körperverletzung stellt ein Verbrechen dar mit einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. Die vorsätzliche Tätlichkeit ist eine mit Busse bedrohte Tat (45). Sie stellt eine physische Einwirkung auf einen Menschen dar, die zwar die Schwelle der körperlichen oder gesundheitlichen Schädigungen nicht erreicht, aber das übliche und gesellschaftlich geduldete Mass überschreitet (46). Hierunter fallen z. B. die Entnahme einer kleinen Hautprobe oder auch eine lege artis durchgeführte Venenpunktion und die daran anknüpfende wenige Milliliter umfassende, geringfügige Blutentnahme im Rahmen einer medizinischen Diagnostik. Die ohne Einwilligung vorgenommene Verkürzung einer zweiten Zehe während einer Operation wird als einfache Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 1 StGB) qualifiziert, da dies die körperliche Unversehrtheit dauerhaft beeinträchtigt (47). Eine schwere Körperverletzung liegt u.a. vor, wenn der Täter das Opfer entweder lebensgefährlich verletzt oder ein wichtiges Organ bzw. Glied des Geschädigten verstümmelt oder unbrauchbar macht oder eine andere schwere Schädigung des Körpers bzw. der körperlichen oder geistigen Gesundheit verursacht (Art. 122 StGB). Die lege artis und mit wirksamer Einwilligung der Patientin durchgeführte Entfernung der Gebärmutter aufgrund einer Krebsdiagnose unterfällt nicht Art. 122 StGB. Geschlechtsanpassende Eingriffe bei urteilsunfähigen Kindern mit Disorder of Sex Development (DSD) können – bei fehlender Dringlichkeit zur Abwendung von Gefahren für das Leben oder schweren Gefahren für die Gesundheit – je nach Sachlage den Tatbestand der schweren Körperverletzung erfüllen.
Art. 124 StGB stellt die Verstümmelung weiblicher Genitalien unter Strafe. Das Delikt gilt auch bei Handeln im Ausland, wenn die Täterschaft sich in der Schweiz befindet und nicht ausgeliefert wird. Den Tatbestand erfüllt, wer die Genitalien einer weiblichen Person verstümmelt, in ihrer natürlichen Funktion erheblich und dauerhaft beeinträchtigt oder sie in anderer Weise schädigt. Die Verstümmelung umfasst die teilweise oder vollständige Entfernung der äusseren weiblichen Genitalien und sonstige Verletzungen derselben aus nicht medizinischen Gründen. Nicht hierunter fallen medizinisch indizierte Operationen, die mit Einwilligung der urteilsfähigen Patientin durchgeführt werden, wie etwa die Entfernung der Gebärmutter oder (Teile) der äusseren Genitalien aufgrund einer Krebserkrankung. Schönheitsoperationen an den weiblichen Genitalien können trotz der weiten Gesetzesfassung durch die Einwilligung der urteilsfähigen Patientin gerechtfertigt sein (48).
Tötungsdelikte
Tötung
Im Rahmen des Medizinstrafrechts sind auch Situationen zu beurteilen, in denen es um den Vorwurf der vorsätzlichen oder fahrlässigen Tötung und die Abgrenzung zum straflosen Verhalten geht. Die Tötungsdelikte sind Offizialdelikte. Die vorsätzliche Tötung hat einen Strafrahmen von fünf bis zwanzig Jahren Freiheitsstrafe (Art. 111 StGB). Beim Totschlag, d.h., wenn der Täter in einer nach den Umständen entschuldbaren heftigen Gemütsbewegung oder unter grosser seelischer Belastung handelt, beträgt der Strafrahmen Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren (Art. 113 StGB). Die Strafrahmen der Tötung auf Verlangen (Art. 114 StGB) und der fahrlässigen Tötung (Art. 117 StGB) reichen je bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.
Die Tötung setzt voraus, dass der Täter einen anderen Menschen tötet. Die Einwilligung des Opfers in die Tötung durch einen anderen, der das Tatgeschehen in der Hand hält, hat keine rechtfertigende Wirkung. Würde der Arzt der Bitte der Patientin, ihr das tödlich wirkende Gift zu injizieren, nachkommen, so ist dies eine nach Schweizer Recht strafbare Tötung resp. Tötung auf Verlangen, mithin eine strafbare aktive Sterbehilfe. Die Tötung auf Verlangen setzt voraus, dass jemand eine andere Person aus achtenswerten Beweggründen, namentlich aus Mitleid, auf deren ernsthaftes und eindringliches Verlangen tötet (Art. 114 StGB). Die indirekte aktive Sterbehilfe ist nicht geregelt und straflos. Sie liegt vor, wenn zur Linderung von Leiden Mittel eingesetzt werden, deren Nebenwirkungen die Lebensdauer herabsetzen können. Auch die passive Hilfe zum Sterben ist, selbst wenn dadurch der Sterbeprozess beschleunigt wird, unter engen Voraussetzungen zulässig. Sie wird als ein Unterlassen der Arztperson gewertet, das den Eintritt des Todes beim Patienten zur Folge hat. Zu den lebenserhaltenden Massnahmen, die hierbei eingestellt werden, gehören insbesondere die künstliche Wasser- und Nahrungszufuhr, die künstliche Beatmung, die kardiopulmonale Reanimation und – je nach Situation – die Sauerstoffzufuhr, Medikation, Transfusion oder Dialyse. Zwar hat der behandelnde Arzt dem Patienten gegenüber eine Garantenstellung und damit auch die Garantenpflicht, das Leben sowie die Gesundheit des Patienten durch die medizinisch angezeigte Behandlung zu erhalten. Allerdings kann diese Pflicht durch den Sterbewilligen im Rahmen seiner Selbstbestimmung beeinflusst werden. Hat er sich frei verantwortlich, d.h. in urteilsfähigem Zustand, gegen lebensverlängernde Massnahmen entschieden oder liegt eine dementsprechende, wirksame Patientenverfügung vor, so ist der Arzt daran gebunden. Werden gegen den Willen des urteilsfähigen Patienten bzw. gegen die Anordnungen in der Patientenverfügung lebenserhaltende Massnahmen durchgeführt, so ist dieses Verhalten eigenmächtig, rechtswidrig und erfüllt den Unrechtstatbestand der Körperverletzung.
Suizid
Ein Suizid liegt vor, wenn sich eine Person selbst tötet. Dieses Verhalten ist nicht strafbar, denn es gibt zwar ein Recht auf Leben (Art. 10 BV), aber keine dementsprechende Pflicht. Die Personen, die bei einem Suizid hilft, der von einer urteilsfähigen Person eigenverantwortlich begangen wird, ist ebenfalls nicht strafbar. Etwas anders gilt, wenn die Suizidhilfe aus selbstsüchtigen Beweggründen geleistet wird. Hier greift der Straftatbestand des Art. 115 StGB ein (49). Im Medizinrecht stellt sich immer wieder die Frage, inwieweit Ärztinnen und Ärzte Suizidhilfe leisten dürfen. Die medizinisch-ethische SAMW-Richtlinie «Umgang mit Sterben und Tod» ist Teil des ärztlichen Standesrechts und macht deutlich, dass es weder zu den Aufgaben des Arztes/der Ärztin gehört, von sich aus Suizidhilfe anzubieten, noch ist er/sie verpflichtet, diese zu leisten. Sollte er/sie die Hilfe leisten, ist zuvor der Wunsch des Patienten/der Patientin nach Suizidhilfe sorgfältig abzuklären, zudem sind die weiteren in der Richtlinie festgehaltenen Voraussetzungen einzuhalten. In jüngerer Zeit wurde die Legitimation der FMH und der SAMW, in diesem Bereich Vorgaben zu machen, angezweifelt (50), und es bleibt abzuwarten, wie sich die Diskussion in diesem Bereich entwickelt.
Neben den Delikten zum Schutz von Leib und Leben können weitere Straftatbestände des Kernstrafrechts im Arztstrafrecht von Bedeutung sein, deren Darstellung aber den Rahmen des vorliegenden Beitrages sprengen würde.
Fazit
Das Strafrecht und das Medizinrecht sind zwei Rechtsbereiche, die eng miteinander verknüpft sind. Für den juristischen Laien ist es oftmals nicht einfach zu verstehen, warum sich Ärzte/Ärztinnen und Gesundheitsfachpersonen wegen eines Behandlungs- oder Aufklärungsfehlers nicht nur mit dem Schadensmanagement befassen müssen, sondern sich ggf. auch einem Strafverfahren ausgesetzt sehen. Beide Verfahren verfolgen unterschiedliche Zwecke, wobei insbesondere das Strafverfahren oft sehr belastend ist und lange dauern kann. Daher ist es hilfreich, wenn die Arzt- resp. Gesundheitsfachperson zumindest die grossen Leitplanken des Medizin(straf)rechts kennt und sich rechtzeitig Rat und Unterstützung in solchen Situationen holt. Letztlich ist eine einvernehmliche Lösung eines allfälligen Konfliktes mit dem Patienten/der Patientin oftmals für alle Beteiligten zielführend.
Prof. Dr. iur. utr. Brigitte Tag
Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Medizinrecht Universität Zürich
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Freiestrasse 15
CH-8032 Zürich
Lst.tag@ius.uzh.ch
Die Autorin hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
1. Die FMH ist ein privatrechtlicher Verein, Art. 1 Statuten [Internet]. [abgerufen am 13.06.2024]. Verfügbar unter: https://www.fmh.ch/files/pdf29/statuten-fmh—september-2023—d.pdf; die SAWM ist eine privatrechtliche Stiftung, Art. 1 Statuten [Internet].[abgerufen am 13.06.2024]. Verfügbar unter: https://www.samw.ch/de/Portraet/Grundlagendokumente.html.
2. Vgl. z. B. Art. Art. 117 ff. BV.
3. Art. 3 und Art. 42 BV.
4. Bei den Sonderdelikten wird gefordert, dass der Täter eine besondere Pflichteinstellung aufweist, vgl. Donatsch A, Godenzi G, Tag B. Strafrecht I, Verbrechenslehre. 10. Aufl. 2022. § 8 Ziff. 2.1.
5. Aebi-Müller R, Fellmann W, Gächter T, Rütsche B, Tag B. Arztrecht. 2. Aufl. 2024. § 7 f.
6. Näher Aebi-Müller R, Fellmann W, Gächter T, Tag B. Arztrecht. 2. Aufl. 2024. § 2 I.
7. Diese Bestimmungen im Einzelnen zu erläutern, würde den Rahmen des vorliegenden Beitrages sprengen. Einen praxisorientierten Überblick geben SAMW/FMH, Rechtliche Grundlagen im medizinischen Alltag [Internet]. [abgerufen am 13.06.2024]. Ein Leitfaden für die Praxis (2020) [Internet]. [abgerufen am 13.06.2024]. Verfügbar unter: https://www.samw.ch/de/Publikationen/Leitfaden-fuer-die-Praxis.html. sowie Aebi-Müller R, Fellmann W, Gächter T, Tag B. Arztrecht. 2. Aufl. 2024. § 7 f.
8. Der sog. Allgemeine Teil des Strafrechts, Art. 1 – 110 StGB (1. Buch) und ab Art. 333 StGB (3. Buch).
9. Allgemeine Informationen zur FMH-Gutachterstelle [Internet]. [abgerufen am 13.06.2024]. Verfügbar unter: https://www.fmh.ch/ueber-die-fmh/organisation/fmh-gutachterstelle.cfm.
10. Z.B. Schweizerische Stiftung SPO [Internet]. [abgerufen am 13.06.2024]. Verfügbar unter: https://www.spo.ch/ueber-uns-spo/.
11. Donatsch A, Godenzi G, Tag B. Strafrecht I, Verbrechenslehre. 10. Aufl. 2022. § 39 Ziff. 1 ff.
12. Resp. seiner Rechtsschutzversicherung nach deren Bedingungen.
13. Donatsch A, Godenzi G, Tag B. Strafrecht I, Verbrechenslehre. 10. Aufl. 2022. § 4 Ziff. 3.
14. Näher Schwarzenegger C, Stössel J. BSK-StGB zu Vor Art. 111. In: Niggli MA, Wiprächtiger H, editors. Basler Kommentar Strafrecht. 4. Aufl. 2019. Rz. 27. Ob diese Auslegung in Anbetracht der hoch entwickelten Medizin noch zeitgemäss ist, ist Gegenstand etlicher medizinrechtlicher Diskussionen.
15. BGE 101 IV 285 S. 286. Der deutsche BGH 19.12.2023 – 4 StR 325/24 hat auch bei einer lege artis durchgeführten Operation das Skalpell als gefährliches Werkzeug eingestuft. Vgl. hierzu bereits Tag B. Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Lex artis. 2012. S. 424 ff.
16. Etwas anders kann gelten, wenn der Arzt über den wahren Hintergrund des Eingriffs getäuscht wurde. BGH 19.12.2023 – 4 StR 325/23. w
17. Donatsch A, Godenzi G, Tag B. Strafrecht I, Verbrechenslehre. 10. Aufl. 2022. § 28.
18. Näher Donatsch A, Godenzi G, Tag B. Strafrecht I, Verbrechenslehre. 10. Aufl. 2022. § 30 Ziff. 2.
19. Hier wird nicht auf den Fall der knappen Beatmungsgeräte eingegangen, wie sie sich zur Zeit der COVID-19 Pandemie stellte. Dies ist eine sehr komplexe Situation, zu der sich die SAMW in ihren medizinisch-ethischen Richtlinie geäussert hat und Kritik erfuhr. Postulat Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit, Amtl. Bull. SR 2023. S. 351.
20. Zum unechten Unterlassen: Donatsch A, Godenzi G, Tag B. Strafrecht I, Verbrechenslehre. 10. Aufl. 2022. § 30; Zur Konkurrenz von echtem und unechtem Unterlassen vgl. Niggli MA, Muskens LF. BSK-StGB zu Art. 11. In: Niggli MA, Wiprächtiger H, editors. Basler Kommentar Strafrecht. 4. Aufl. 2019. Rz. 150.
21. Donatsch A, Godenzi G, Tag B. Strafrecht I, Verbrechenslehre. 10. Aufl. 2022. § 31 Ziff. 2.
22. Die nachfolgenden Ausführungen sind aufgrund des vorgegebenen Umfangs sehr holzschnittartig, eine vertiefte Darstellung findet sich bei Donatsch A, Godenzi G, Tag B. Strafrecht I, Verbrechenslehre. 10. Aufl. 2022. § 13 – 15.
23. Donatsch A, Godenzi G, Tag B. Strafrecht I, Verbrechenslehre. 10. Aufl. 2022. § 15 Ziff. 3.
24. BGH 19.12.2023 – 4 StR 325/23.
25. Donatsch A, Godenzi G, Tag B. Strafrecht I, Verbrechenslehre. 10. Aufl. 2022., § 8 Ziff. 2.12; Oberholzer N. BSK-StGB zu Art. 321. In: Niggli MA, Wiprächtiger H, editors. Basler Kommentar Strafrecht. 4. Aufl. 2019. Rz. 4, 21.
26. Forster M. BSK-STGB ZU ART. 26. In: Niggli MA, Wiprächtiger H, editors. Basler Kommentar Strafrecht. 4. Aufl. 2019. RZ. 1.; Oberholzer N. BSK-StGB zu Art. 321. In: Niggli MA, Wiprächtiger H, editors. Basler Kommentar Strafrecht. 4. Aufl. 2019. Rz. 9.
27. Donatsch A, Godenzi G, Tag B. Strafrecht I, Verbrechenslehre. 10. Aufl. 2022. § 8 Ziff. 2.22.
28. Donatsch A, Godenzi G, Tag B. Strafrecht I, Verbrechenslehre. 10. Aufl. 2022. § 8 Ziff. 2.21
29. Vgl. z.B. Donatsch A, Godenzi G, Tag B. Strafrecht I, Verbrechenslehre. 10. Aufl. 2022. § 7 Ziff. 2.24.
30. BGE 135 IV 56 E. 2.1 und E. 5.1.
31. Aus Platzgründen wird darauf verzichtet, die Adäquanztheorie oder die Risikoerhöhungslehre dazustellen. Näher Donatsch A, Godenzi G, Tag B. Strafrecht I, Verbrechenslehre. 10. Aufl. 2022. § 30 Ziff. 2.15 m.w.N.
32. Zum Versuch vgl. Donatsch A, Godenzi G, Tag B. Strafrecht I, Verbrechenslehre. 10. Aufl. 2022., § 12.
33. Statt vieler Hausherr H, Aebi-Müller R. Das Personenrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches. 4. Aufl. 2020. Rz. 592 ff.; BGE 117 Ib 197 E. 2a; Aebi-Müller R, Fellmann W, Gächter T, Rütsche B, Tag B. Arztrecht. 2. Aufl. 2024. § 7 III.
34. Z.B. BGE 133 III 121 E 4.1; 136 V 117 E. 4.2.2.1; 138 IV 13 E. 7.1.
35. Aebi-Müller R, Fellmann W, Gächter T, Tag B. Arztrecht. 2. Aufl. 2024. § 5.
36. SAMW, Medizinisch-ethische Richtlinien, Urteilsfähigkeit in der medizinischen Praxis [Internet]. [abgerufen am 13.06.2024]. Verfügbar unter: https://www.samw.ch/de/Ethik/Themen-A-bis-Z/Beurteilung-der-Urteilsfaehigkeit.html; SAMW, Hilfsmittel zur Evaluation und Dokumentation der Urteilsfähigkeit. [Internet]. [abgerufen am 13.06.2024]. Verfügbar unter: https://www.samw.ch/de/Ethik/Themen-A-bis-Z/Beurteilung-der-Urteilsfaehigkeit.html.
37. Im Einzelnen Aebi-Müller R, Fellmann W, Gächter T, Rütsche B, Tag B. Arztrecht. 2. Aufl. 2024. § 3 IV, § 7 III.
38. BGE 117 Ib 197 E. 3b. Im Einzelnen ist die Frage sehr strittig und komplex, über welche Risiken aufgeklärt werden muss.
39. Näher Hirschi S. Die hypothetische Einwilligung im Strafrecht. 2024. S. 156 ff; BGer 6B_788/2015 vom 13. Mai 2016; 6B_902/2015 vom 8. Januar 2020 E. 3.1 mit Hinweis auf die zivilrechtliche Entscheidung BGE 133 III 121 E. 4.1.3.
40. BGer 4A_499/2011 vom 20. März 2012 E. 5.2.2; BGer 4A_415/2023 vom 11. Oktober 2023 E. 4.5.2.
41. Zum deutschen Recht vgl. Tag B. ZStW 2015;128:73-88.
42. Im Einzelnen vgl. Donatsch A, Godenzi G, Tag B. Strafrecht I, Verbrechenslehre. 10. Aufl. 2022. § 24 ff.
43. Zur strafrechtlichen Haftung wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger actio libera in causa vgl. Art. 19 Abs. 4 StGB sowie Donatsch A, Godenzi G, Tag B. Strafrecht I, Verbrechenslehre. 10. Aufl. 2022. § 24 Ziff. 4.2 und § 25 Ziff. 4.2.
44. Donatsch A, Godenzi G, Tag B. Strafrecht I, Verbrechenslehre. 10. Aufl. 2022.§ 24 Ziff. 4.2.
45. Bestimmt es das Gesetz nicht anders, so ist der Höchstbetrag der Busse CHF 10 000 gem. Art. 106 Abs. 1 StGB.
46. BGE 117 IV 14 E. 2a/cc; 134 IV 189 E. 1.2; vgl. auch Donatsch A. Strafrecht III, Delikte gegen den Einzelnen. 11. Aufl. 2018. § 3 Ziff. 4.1.
47. BGE 99 IV 208 E. 5.
48. Niggli MA, Germanier F. BSK-StGB zu Art. 124 In: Niggli MA, Wiprächtiger H, editors. Basler Kommentar Strafrecht. 4. Aufl. 2019. Rz. 36ff.
49. Näher zur Suizidhilfe vgl. Aebi-Müller R, Fellmann W, Gächter T, Rütsche B, Tag B. Arztrecht. 2. Aufl. 2024.§ 7.
50. Näher Schweizerische Ärztezeitung. Standesrecht und die SAMW-Richtlinien «Umgang mit Sterben und Tod». 2024. [Internet]. [abgerufen am 13.06.2024]. Verfügbar unter: https://saez.swisshealthweb.ch/de/article/doi/saez.2024.1332283096/.
In der aktuellen Ausgabe ist es mir eine Freude, Prof. Dr. med. Jan Borovicka als Mitglied unseres Redaktionsteams vorzustellen.
Prof. Dr. med. Jan Borovicka hat in Zürich Medizin studiert. Seit 1997 ist er am Kantonsspital St. Gallen tätig, zuerst als Oberarzt, dann als Leitender Arzt und nun als Fachbereichsleiter der Endoskopie und stellvertretender Chefarzt der Klinik für Magen-Darm-Krankheiten (Gastroenterologie). Neben der Medizin liegt ihm das Bildungswesen sehr am Herzen. Er ist Professor an der Universität Zürich und doziert an der HSG im Rahmen des Medical Masters St. Gallen Medizinstudenten mit Schwerpunkt Hausarztmedizin. Der Kanton St. Gallen benötigt mehr Hausärzte, die unsere Bevölkerung betreuen, daher ist diese Ausbildungsinitiative sehr wichtig. Auch in der ärztlichen Bildung setzt Jan Borovicka sich ein und leitet die Weiter- und Fortbildung der schweizerischen Gastroenterologen. Sein Engagement erstreckt sich auch auf standespolitische Vorstandsarbeit innerhalb der Fachgesellschaft, sowie schweizweit im SIWF (Schweizerisches Institut für Weiter- und Fortbildung des Bundesamtes für Gesundheitswesen).
In dieser Ausgabe finden Sie den Teil 1 des Artikels von Prof. Dr. med. Uwe Güth über den assistierten Suizid in der Schweiz. Die Schweiz hat die längste Tradition der organisierten Sterbehilfe weltweit. Gerade ist bei uns das Thema aufgrund des «Sarco» wieder sehr aktuell und führt zu vielen Reflexionen und Diskussionen. Im Artikel geht es in erster Linie um das in der Medizinethik bekannte Dammbruchargument, oder in Englisch slippery slope argument. Es handelt sich um eine Argumentationsfigur, mit der eine Handlung, die für sich genommen eigentlich moralisch akzeptiert werden könnte oder wird, in der vertieften Betrachtung als moralisch unzulässig betitelt wird, da sie moralisch nicht-akzeptable Konsequenzen hat. Ein Artikel somit, der zum Reflektieren anregt. Zudem finden Sie in diesem Heft wieder spannende Praxis-Fälle.
Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre unserer aktuellen Ausgabe PRAXIS.
Prof. Dr. med. Dagmar Keller Lang
Chefärztin, Leiterin Notfall
Klinik Gut
7500 St. Moritz