Politische Interessenvertretung ist ein legitimer Bestandteil des demokratischen Meinungsbildungsprozesses in der Schweiz. Die Krebsliga engagiert sich seit Jahren für die Anliegen von Krebsbetroffenen und setzt sich zurzeit im Verband mit der politischen Interessenvertretung auseinander.
Gespannt wurde in der Wintersession 2019 die neue Zusammensetzung des Parlaments beobachtet: Stimmen die Mitglieder des National- und Ständeräts «linker» oder «rechter» im Vergleich zur letzten Legislatur? Wird konservativer entschieden, was wird unter «liberal» verstanden und welche Bündnisse bilden sich? In gesundheits- und sozialpolitischen Fragen sind die Mehrheitsverhältnisse noch nicht eindeutig. Die Veränderungen scheinen aber weniger stark ausgeprägt zu sein als erwartet.
20 Jahre bis zum neuen Gesetz
Das Schweizer Politsystem ist geprägt von Stabilität. Dazu tragen auch die staatspolitischen Prozesse bei. Bis eine Gesetzesänderung oder ein neues Gesetz und damit verbundene Massnahmen umgesetzt sind, dauert es nicht selten Jahre. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Krebsregistrierung: 1998 verlangte der damalige Nationalrat Franco Cavalli «auf der Basis der kantonalen und regionalen Register über Tumore ein einheitliches statistisches Informationssystem betreffend die Krebsmorbidität in der Schweiz zu schaffen» (1). Die entsprechende Motion wurde vom Nationalrat in Form eines Postulats an den Bundesrat überwiesen. Das neue Bundesgesetz (2), das schlussendlich im Grundsatz unumstritten war, ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten – notabene über 20 Jahre später. Seit diesem Jahr werden in der Schweiz nun Daten zu allen Krebsfällen einheitlich erfasst, um künftig Präventionsmassnahmen, Früherkennungsprogramme sowie Behandlung und Versorgung besser planen zu können. Ein Anliegen, für das sich die Krebsliga seit über 20 Jahren eingesetzt hat. Dies zeigt, dass es Geduld und Durchhaltewillen braucht und sich diese auch lohnen. Das Ziel ist allerdings noch nicht erreicht – eine Evaluation des Gesetzes ist bereits gestartet, eine Revision der Verordnung wohl absehbar.
Zur richtigen Zeit das politisch Machbare ausschöpfen
Gut vorbereitet kann zur richtigen Zeit und in geeigneter Formation das maximal politische Machbare ausgeschöpft werden. Feuerwehrübungen sind hingegen in unserem Politsystem meist nicht zielführend oder nur mit grossem Aufwand erfolgreich. Hier braucht es das richtige «Gspüri», wie die Deutschschweizer so schön sagen. Eine Gelegenheit muss korrekt erkannt und sinnvoll genutzt werden. Eine Organisation braucht bisweilen auch den Mut, sich proaktiv für ein relevantes Anliegen einzusetzen, selbst wenn die Zeit noch nicht reif dafür ist, und gleichzeitig die Bereitschaft, neue Allianzen einzugehen. Auch dazu gibt es ein aktuelles Beispiel: Seit Jahren setzt sich die Krebsliga für eine Verbesserung der Situation der betreuenden Angehörigen ein. In der Wintersession hat das Parlament nun das Bundesgesetz über die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung verabschiedet. Unter anderem erhalten erwerbstätige Eltern von krebskranken Kindern Anspruch auf einen Betreuungsurlaub von maximal 14 Wochen, der wochen- oder tageweise bezogen werden kann und über die Erwerbsersatzordnung finanziert wird. Die Verabschiedung der Vorlage ist unumstritten ein wichtiger, wenn auch nur erster Schritt in die richtige Richtung. Im Rahmen der «Interessensgemeinschaft betreuende Angehörige» wird sich die Krebsliga für weitere Schritte einsetzen.
Die Krebsliga bleibt dran
Jede dritte Person erkrankt in der Schweiz an Krebs. Beispielsweise aufgrund des demografischen Wandels steigt die Zahl der Betroffenen kontinuierlich an. Dank dem medizinischen Fortschritt verläuft eine Krebserkrankung nicht mehr zwingend tödlich. So wird es voraussichtlich im Jahr 2030 in der Schweiz eine halbe Million «Cancer Survivors» geben – unumstritten eine grosse Herausforderung für das Schweizer Sozial- und Gesundheitssystem wie auch für unsere Wirtschaft. Damit haben Krebserkrankungen nicht nur eine hohe gesellschaftliche und ökonomische, sondern auch eine politische Relevanz. Aufgrund des hochkomplexen gesundheitspolitischen Umfelds in der Schweiz und den zahlreichen politischen Regulierungsprozessen, welche Krebsbetroffene und ihre Angehörige betreffen, ist ein professionelles und fokussiertes politisches Engagement gefragt. Deshalb hat sich die Krebsliga, die den Dachverband «Krebsliga Schweiz» und die 18 kantonalen und regionalen Ligen vereint, Ziele für die politische Interessensvertretung gesetzt. Sie engagiert sich in der Politik und der Gesellschaft dafür, dass
Risikofaktoren von Krebs bekannt sind und wirksame Gegenmassnahmen umgesetzt werden,
die Chancengerechtigkeit beim Zugang zu Informationen sowie zu sinnvollen Früherkennungsmassnahmen und Behandlungen gewährleistet ist,
Anliegen von Krebsbetroffenen sowie deren Angehörigen berücksichtigt werden,
die Krebsforschung gefördert wird.
Die direkte Demokratie und der Föderalismus erfordern mehrheitsfähige Lösungen. Diese basieren auf durchdachten Kompromissen, deren Zustandekommen Zeit braucht. Demgegenüber stehen die schnellen gesellschaftlichen Entwicklungen und eine zunehmend globale und digitale Welt. Geduld und Durchhaltewillen, aber auch Mut und «Gspüri» wird es auch in Zukunft brauchen.
Franziska Lenz
Leiterin Politik und Public Affairs Krebsliga Schweiz
1. siehe Curia Vista 98.3286 (https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=19983286)
2. siehe SR 818.33 (https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20121618/index.html)
Im Jahr 2018 haben die Stiftung Krebsforschung Schweiz, die Krebsliga Schweiz und die kantonalen und regionalen Ligen 175 verschiedene Forschungsinstitutionen und -vorhaben mit insgesamt 30,1 Mio. Franken unterstützt. Dies geht aus dem neu publizierten Bericht «Krebsforschung in der Schweiz» hervor.
Um die Ursachen von Krebs besser zu verstehen, die Entstehung von Krebserkrankungen zu vermeiden und Krebs wirksamer zu behandeln, ruht auf der Forschung grosse Hoffnung –nur dank einem vertieften Verständnis von Krebserkrankungen lassen sich letztlich bessere Behandlungsmethoden entwickeln. Deshalb kommt gerade auch der Forschungsförderung eine tragende Rolle zu. Im vergangenen Jahr erreichte die Fördersumme, die in vielversprechende Projekte investiert wurde, einen neuen Spitzenwert.
Der Bericht «Krebsforschung in der Schweiz» gewährt vertieften Einblick in die geförderten Projekte in den Bereichen klinische, psychosoziale, epidemiologische, Grundlagen- und Versorgungsforschung. Die Bandbreite an Themen in der neuen Publikation ist gross: Es geht um die neuen zellulären Therapien und deren Potenzial zur Heilung von bisher nicht behandelbaren Erkrankungen, um regionale Unterschiede in der Versorgung von Krebspatienten oder um die psychischen Herausforderungen, die Betroffene und ihre Partner nach dem Ende der Behandlung meistern müssen, um wieder an ihr Leben vor der Erkrankung anzuknüpfen.
Intensiver Wettbewerb
Mit dem grössten Teil der Fördergelder unterstützen Krebsforschung Schweiz (KFS) und die Krebsliga Schweiz (KLS) die freie Projektforschung, bei der die Forschenden bestimmen, welcher Fragestellung zu Krebs sie nachgehen wollen. Im Jahr 2018 sind bei den beiden Partnerorganisationen insgesamt 185 Forschungsgesuche eingegangen. Nach der sorgfältigen Prüfung aller Projekte hat die dafür zuständige Wissenschaftliche Kommission (WiKo) 110 Projekte als solid und erfolgsverheissend eingestuft und deshalb zur Finanzierung empfohlen.
Aufgrund der begrenzten Fördermittel konnten der Stiftungsrat der KFS und der Vorstand der KLS allerdings nur 73 Projekten die Bewilligung erteilen, das sind knapp 40 % aller eingereichten Projekte. Für die anderen 37 qualitativ hochstehenden Projekte reichten die Mittel in der freien Projektförderung leider nicht aus: Obwohl die Vorhaben bei der Evaluation durch die WiKo sehr gut abgeschnitten hatten, mussten KFS und KLS den Projektleitenden eine Absage erteilen.
Der Wettbewerb um die beschränkten Fördergelder war auch im KFS-Förderprogramm Versorgungsforschung zu spüren. Dort haben im Jahr 2018 acht von 33 Projekten eine Förderung erhalten. Die Projekte im Bereich Versorgungsforschung werden nicht wie alle anderen von der WiKo, sondern von einem eigens für das KFS-Förderprogramm eingesetzten Expertenpanel begutachtet, in dem auch Personen mit ausgewiesenen Fachkenntnissen in Gesundheitsökonomie oder Pflegewissenschaften Einsitz haben.
Der 108-seitige Bericht ist in gedruckter Form kostenlos in Deutsch, Französisch und Englisch erhältlich und auch als PDF-Datei abrufbar unter www.krebsliga.ch/forschungsbericht.
Dr. Rolf Marti, PhD
Leiter des Bereichs Forschung, Innovation & Entwicklung der Krebsliga Schweiz &
Leiter der Geschäftsstelle der Stiftung Krebsforschung Schweiz
Am 23.10. wurden in Zürich die diesjährigen Preisträger des SWISS BRIDGE AWARD gekürt. Den Preis im Wert von 500 000 Franken durften sich ein Forschungsteam aus Genf und eines aus Heidelberg teilen. Beide Gruppen beschäftigen sich mit der Weiterentwicklung von zellulären Immuntherapien, die eine Verringerung der Nebenwirkungen und eine Ausweitung der Anwendung von zellulären Immuntherapien zum Ziel haben. Die Laudatio hielt Prof. Gordon McVie, Präsident der wissenschaftlichen Jury, nach einer Einführung durch den Präsidenten des Stiftungsrates, Prof. Jakob Passweg, Basel.
Insgesamt 52 junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sich um den Swiss Bridge Award 2019 beworben. Die aus international renommierten Expertinnen und Experten zusammengesetzte Jury wählte in einem zweistufigen Verfahren zwei Projekte aus. Die Projektleiter Dr. med. Denis Migliorini, Genf und Dr. med. Lukas Bunse, Heidelberg, erhielten die Preise zur Realisierung ihrer Forschungsvorhaben. Der diesjährige Preis der privaten Stiftung Swiss Bridge ging an Projekte zur zellulären Immuntherapie. Bei dieser neuen Therapieform werden körpereigene Abwehrzellen von Tumorpatientinnen und -patienten ex vivo gentechnisch verändert und vervielfacht dem Körper zurücktransfundiert, wo sie dank der genetischen Aufrüstung verstärkt gegen die Tumorzellen vorgehen können. Diese neue Anwendung der zellulären Immuntherapie hat bei einigen Patienten zu spektakulären Erfolgen geführt. Diese Therapien können aber mit schwerwiegenden Nebenwirkungen einhergehen und sie haben sich bislang vor allem bei verschiedenen Arten von Blutkrebs als erfolgreich erwiesen. Der Preis ging deshalb an eine Forschungsgruppe, die sich vorwiegend mit den Nebenwirkungen befasst und eine, die eine Ausweitung der Therapie auf Hirntumore untersucht.
Neurotoxische Nebenwirkungen verringern
Die Forschungsgruppe um Dr. med. Denis Migliorini am Laboratory of Tumor Immunology and Department of Oncology, am Universitätsspital Genf arbeitet daran, die beträchtlichen neurotoxischen Nebenwirkungen, die mit den aktuell zugelassenen zellulären Immuntherapien einhergehen, zu verringern. Bei bis zu 30 bis 50 Prozent der behandelten Patientinnen und Patienten treten neurotoxische Nebenwirkungen auf. Diese reichen von vorübergehenden neurologischen Ausfällen, wie Beschwerden beim Gehen oder Sprechen, bis zu schweren Anfällen mit komatösen Zuständen, die in einigen wenigen Fällen sogar tödlich enden können.
Dr. Migliorini und sein Team haben herausgefunden, dass das Zielmolekül der genetisch veränderten Abwehrzellen nicht nur auf der Oberfläche von Krebszellen vorhanden ist, sondern auch auf der Oberfläche der Perizyten. Diese sind zusammen mit den Endothelzellen und den Astrozyten für Funktion sowie Aufbau und Entwicklung der Blut-Hirn-Schranke von grosser Bedeutung. Die Gruppe um Dr. Migliorini hat in ihrem Forschungsprojekt das Ziel, die Abwehrzellen mit einem zusätzlichen Gen auszurüsten, welches den gentechnisch veränderten Zellen erlaubt, zwischen den Krebszellen und den Perizyten zu unterscheiden. Dadurch würden nur noch die Krebszellen abgetötet.
Immuntherapien für Hirntumoren
Zelluläre Immuntherapien haben bisher vor allem bei der Bekämpfung verschiedener Arten von Blutkrebs Erfolge gezeitigt. Dr. med. Lukas Bunse und sein Team sind nun daran, die Behandlungsmethode auf Gliome auszuweiten. Das sind Hirntumoren, die umgebendes Gewebe infiltrieren und aufgrund ihres invasiven Wachstums mit einer operativen Entfernung derzeit nicht zu heilen sind. Die Forscher um
Dr. Bunse haben in bisherigen Studien vielversprechende Zielmoleküle in den Gliomzellen ausfindig gemacht und beabsichtigen, im geplanten Forschungsprojekt neue genetisch veränderte Abwehrzellen herzustellen, die sich gezielt gegen diese Strukturen der Hirntumorzellen richten. Anschliessend planen die Wissenschaftler – zunächst an Mäusen und anschliessend bei Patienten – zu überprüfen, ob diese Abwehrzellen in der Lage sind, die Ausbreitung der Gliome zu verhindern.
Dr. Lukas Bunse leitet die Gruppe Translationale Vakzinentwicklung und zelluläre Therapien in den neuroimmunologischen Laboratorien von Prof. Dr. Michael Platten, dem Direktor der Neurologischen Klinik der UMM und der Klinischen Kooperationseinheit «Neuroimmunologie und Hirntumorimmunologie» am DKFZ.
Am 1. Dezember endet die 50. Legislatur des eidgenössischen Parlaments (2015-2019). Das Ende einer Legislatur bietet Gelegenheit, einen Blick zurück wie auch in die Zukunft zu werfen. Die grösste Errungenschaft der letzten vier Jahre ist aus onkologischer Perspektive das Krebsregistrierungsgesetz.
Bis im Juni 2019 hat die Bundesversammlung in dieser Legislatur 123 Bundesgesetze verabschiedet, etwas weniger als in den vorgängigen Legislaturperioden (1). Im gleichen Zeitraum haben die Schweizer Stimmbürger/-innen über 16 Volksinitiativen abgestimmt – sie wurden allesamt abgelehnt (2). Aus gesundheitspolitischer Sicht waren die letzten vier Jahre geprägt von der Frage über die Kosten und Finanzierung im Gesundheitswesen. Weil die Krankenkassen-Prämien stetig steigen, sucht die Politik eifrig nach wirkungsvollen Massnahmen zur Kostendämpfung. Diese Diskussionen werden in der 51. Legislatur fortgeführt.
Kostendämpfung zur Entlastung der OKP
Ende 2016 hat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) eine Expertengruppe (geleitet von alt Ständerätin Verena Diener) beauftragt, nationale und internationale Erfahrungen zur Steuerung des Mengenwachstums auszuwerten und möglichst rasch umsetzbare kostendämpfende Massnahmen zur Entlastung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) vorzuschlagen. Gestützt auf diese Empfehlungen hat der Bundesrat im März 2018 ein Kostendämpfungsprogramm verabschiedet, welches laufende und neue Massnahmen umfasst. Es nimmt alle Akteure des Gesundheitswesens in die Verantwortung. Die neuen Massnahmen sollen in zwei Paketen bis Herbst 2018 bzw. Ende 2019 geprüft und umgesetzt werden. Das erste Paket – das insgesamt neun Massnahmen mit Anpassungen im Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) sowie der Sozialversicherungsgesetze umfasst – hat der Bundesrat im August 2019 zuhanden des Parlaments verabschiedet. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Experimentierartikel, der innovative und kostendämpfende Pilotprojekte ausserhalb des «normalen» Rahmens des KVG ermöglichen soll. Der Nationalrat wird sich damit als Erstrat Anfang 2020 befassen. Im nächsten Jahr soll ein zweites Paket folgen. Ziel dieses Pakets ist es, die Kosten bei allen Akteuren transparent und so das Gesundheitssystem effizienter zu machen sowie die koordinierte Versorgung zu stärken (3). In diesem Kontext sind auch die Kostenbremse-Initiative der CVP (4) sowie die Prämien-Entlastungs-Initiative der SP (5) zu sehen.
Nationales Krebsregister
Aus onkologischer Sicht ist insbesondere das neue Krebsregistrierungsgesetz (KRG) sowie dessen wirkungsvolle Umsetzung in der Praxis von grosser Bedeutung. Die landesweite und einheitliche Erfassung aller Krebserkrankungen ist eine unentbehrliche Grundlage, um die zukünftige Krebsversorgung der Schweizer Bevölkerung optimal zu planen. Dank den registrierten Daten können die Ursachen der Krankheit besser verstanden, präventive Massnahmen gezielter geplant und Rückschlüsse auf bestmögliche Therapien gezogen werden. Das Parlament hat im März 2016 das neue Gesetz und der Bundesrat im April 2018 die entsprechende Verordnung (KRV) mit den Bestimmungen für die Umsetzung verabschiedet. Gesetz und Verordnung treten Anfang 2020 in Kraft, ab dem 1. Januar werden alle Krebsfälle in der Schweiz einheitlich erfasst (6).
Schutz vor nichtionisierender Strahlung
In der Sommersession 2017 hat das Parlament das Bundesgesetz über den Schutz vor Gefährdungen durch nichtionisierende Strahlung und Schall (NISSG) verabschiedet. Mit diesem neuen Gesetz soll die Bevölkerung besser vor Gesundheitsschäden geschützt werden, die durch nichtionisierende Strahlung wie Laserpointer, Medizinlasern und Solarien entstehen können. Der Handlungsbedarf bei starken Laserpointern war in den Räten unbestritten. Für Diskussionen im Nationalrat sorgten weiterführende Massnahmen betreffend Behandlungen mit Produkten, die sehr hohe Belastungen verursachen. Diese dürfen nur noch durch Personen vorgenommen werden, die nachweislich über genügend Sachkunde verfügen. Zudem wird kontrolliert, ob Anbieter von Solarien die Benutzer/-innen genügend über die Gefahren informieren und die Sicherheitsvorgaben der Hersteller einhalten (7).
Genetische Untersuchungen beim Menschen
Das Gesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG) regelt unter anderem Untersuchungen zur Abklärung von Erbkrankheiten. Um Missbräuchen vorzubeugen und den Schutz der Persönlichkeit zu gewährleisten wurde das Gesetz umfassend revidiert. Ein Aspekt war aus Sicht von Krebsbetroffenen äusserst heikel: Bisher durften Versicherungsanbieter für keine Versicherung nach genetischen Daten aus früheren präsymptomatischen Untersuchungen fragen noch solche Daten verwerten. Die vorberatende Kommission wollte diesen Schutz bei privaten Versicherungen streichen. Der Nationalrat lehnte dies ab, weil er erkannte, dass ein erhöhtes familiäres oder ein aufgrund anderweitiger genetischer Veränderungen mittels Gentest festgestelltes erhöhtes Risiko für eine (Krebs-)Erkrankung noch keine Diagnose bedeutet – und nicht zu einer Diskriminierung beim Zugang zu Versicherungsleistungen führen darf. Im Juni 2018 hat das Parlament das revidierte GUMG verabschiedet, die Inkraftsetzung des Gesetzes und seiner Verordnungen, die noch überarbeitet werden, ist im Verlauf des Jahres 2021 vorgesehen (8).
Schutz der Kinder und Jugendlichen vor den schädlichen Folgen des Tabakkonsums
Im Bereich der Prävention tat sich das Parlament auch in dieser Legislatur grundsätzlich schwer. Allerdings müssen die Anforderungen an Tabakprodukte nach der Revision des Lebensmittelrechts in einem neuen Gesetz geregelt werden. Der Bundesrat schlug in seinem Entwurf von November 2015 neben dem schweizweiten Verkaufsverbot von Tabakwaren an Minderjährige auch strengere Regelung im Bereich Werbung und Sponsoring für Tabakprodukte vor. Das Parlament war allerdings der Meinung, dass die freie Marktwirtschaft höher zu gewichten sei als die Prävention und wies die Vorlage an den Bundesrat zurück. Dieser schickte die überarbeite Vorlage im November 2018 wieder ins Parlament.
Weil das Parlament keinen Willen zeigte, ein Tabakproduktegesetz (TabPG) mit wirkungsvollem Jugendschutz zu schaffen, hat die Krebsliga Schweiz gemeinsam mit zahlreichen weiteren Gesundheitsorganisationen im März 2018 die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» lanciert. Ziel der Volksinitiative ist, dass Kinder und Jugendliche in ihrer gesunden Entwicklung bestmöglich unterstützt und gefördert werden und deshalb Werbung für Tabakprodukte, die sie erreicht, verboten wird. Die grosse Mehrheit der Raucher/-innen beginnt nämlich unter 18 Jahren mit dem Konsum und Tabakwerbung hat nachweislich einen grossen Einfluss auf diese Altersgruppe. Im September 2019 konnte die Volksinitiative mit über 100 000 Unterschriften eingereicht werden – nur ein paar Tage, bevor der Ständerat den neuen Entwurf beraten hat. Und dieser will nun die Schrauben im Umgang mit Tabakprodukten doch anziehen mit der Erfüllung der Mindestanforderungen der Rahmenkonvention der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Eindämmung des Tabakgebrauchs. Damit könnte diese von der Schweiz endlich ratifiziert werden. Der Nationalrat wird die Vorlage in der neuen Legislatur beraten (9).
Bessere Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung
Die Arbeit von betreuenden Angehörigen ist ein wichtiger Beitrag für die Gesellschaft und deckt einen erheblichen Teil der Gesundheitsversorgung ab. Um erwerbstätige Personen, die gleichzeitig Angehörige betreuen, zu entlasten hat der Bundesrat die Botschaft zum Bundesgesetz über die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung zuhanden des Parlaments verabschiedet. Dieser umfasst unter anderem den Anspruch auf kurzzeitige Arbeitsabwesenheiten inkl. Lohnfortzahlung für die Betreuung von Familienangehörigen sowie ein Betreuungsurlaub für Eltern von schwer erkrankten oder verunfallten Kindern mit Entschädigung durch die Erwerbsersatzordnung. Der Nationalrat hat erfreulicherweise im September 2019 mehrheitlich dem bundesrätlichen Vorschlag zugestimmt. Stimmt der Ständerat in der neuen Legislatur ebenfalls zu, ist dies ist ein wichtiger – aber erst ein erster – Schritt in die richtige Richtung (10).
Einheitliche Finanzierung der Leistungen im ambulanten und stationären Bereich
Die Leistungen im stationären und ambulanten Bereich werden derzeit unterschiedlich finanziert, was zu Fehlanreizen führt. Leistungen im ambulanten Bereich werden vollständig von den Krankenkassen bezahlt und damit über Prämien finanziert. Leistungen im stationären Bereich werden zu mindestens 55 Prozent von den Kantonen und damit aus Steuergeldern finanziert, den Rest bezahlen die Krankenkassen. Die Gesundheitskommission hat nun einen Gesetzesentwurf erarbeitet, wonach die Krankenkassen und die Kantone Behandlungen einheitlich finanzieren, unabhängig davon ob diese ambulant oder stationär durchgeführt werden. Der Bundesrat befürwortet grundsätzlich die einheitliche Finanzierung, gleichzeitig fordert er, dass die Anliegen der Kantone bei der Reform stärker berücksichtigt werden. Der Nationalrat ging allerdings in der Herbstsession 2019 auf Konfrontationskurs mit den Kantonen. Streitpunkte waren die Rolle der Krankenkassen, der Einbezug der Langzeitpflege, Beiträge für Privatspitäler sowie Steuerungsmöglichkeiten für die Kantone im ambulanten Bereich. Die Kantone drohen mit dem Referendum, sollten die Räte die Vorlage nicht nachbessern. Der Ständerat wird sich in der neuen Legislatur dazu äussern (11).
Wünsche für die 51. Legislatur
Mit einer neuen Legislatur gehen Herausforderungen und gleichzeitig Chancen einher. Die Wahlen 2019 – mit den Gewinnern Grüne und Grünliberale – bringen für Schweizer Verhältnisse grosse Änderung der Machtverteilung im Parlament. Die Mehrheitsverhältnisse in den beiden Räten, den Kommissionen und Delegationen verschieben sich. Aber auch in der 51. Legislatur gilt: Mehrheiten müssen über Parteigrenzen hinweg geschmiedet werden. Mit grosser Spannung erwarten wir, welche Köpfe die Gesundheits- und Sozialpolitik der nächsten vier Jahre prägen werden.
Zugangs- und Chancengerechtigkeit zur bestmöglichen Behandlung und Versorgung ist für Krebsbetroffene das zentralste Anliegen. Die Zahl der Menschen, die mit Krebs leben, steigt aufgrund des demografischen Wandels und der verbesserten diagnostischen Verfahren sowie neuen erfolgreichen Therapiemöglichkeiten. Im Jahr 2030 wird es in der Schweiz laut Hochrechnungen etwa eine halbe Million sogenannte «Cancer Survivors» geben. Damit steht unser solidarisches Gesundheitssystem vor grossen Herausforderungen. Seitens Krebsliga ist deshalb zu wünschen, dass die dringendsten heute angepackt werden, beispielsweise der gefährdete Zugang durch die hohen Preise neuer Krebstherapien, die steigende Zahl der Off-Label-Fälle und deren Vergütungsregelung, die Förderung der integrierten Versorgung und der Nachsorge sowie wirkungsvolle Massnahmen gegen das Armutsrisiko Krebs.
Franziska Lenz
Leiterin Politik und Public Affairs Krebsliga Schweiz
1. siehe auch Statistiken zur 50. Legislatur der Parlamentsdienste Stand: August 2019 (https://www.parlament.ch/de/über-das-parlament/fakten-und-zahlen/bilanz-50-legislatur)
2. siehe auch Artikel der Aargauer Zeitung von Sven Altermatt « Fünfjährige Durststrecke: Volksinitiativen haben derzeit keine Chancen» vom 27. Mai 2019 (https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/fuenfjaehrige-durstrecke-volksinitiativen-haben-derzeit-keine-chancen-134535264)
3. siehe auch Website des BAG: Krankenversicherung Kostendämpfung (https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/versicherungen/krankenversicherung/kostendaempfung-kv.html) sowie Curia Vista 19.046 (https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20190046)
4. siehe auch Website der Initiative «Für tiefere Prämien – Kostenbremse im Gesundheitswesen» (https://www.cvp.ch/de/kampagnen/initiative-fuer-tiefere-praemien-kostenbremse-im-gesundheitswesen)
5. siehe auch Website der Initiative «Maximal 10 % des Einkommens für die Krankenkassenprämien» (https://bezahlbare-praemien.ch)
6. siehe auch Website des BAG: Gesetzgebung Krebsregistrierung (https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/gesetze-und-bewilligungen/gesetzgebung/gesetzgebung-mensch-gesundheit/gesetzgebung-krebsregistrierung.html) sowie Curia Vista 14.074 (https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20140074)
7. siehe auch Curia Vista 15.084 (https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20150084)
8. siehe auch Website des BAG: Revision Gesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen (https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/medizin-und-forschung/genetische-untersuchungen/aktuelle-rechtsetzungsprojekte1.html) sowie Curia Vista 17.048 (https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20170048)
9. siehe auch Curia Vista 15.075 (https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20150075)
10. siehe auch Curia Vista 19.027 (https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20190027)
11. siehe auch Curia Vista 09.528 (https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20090528)
Qualität ist ein Schwerpunktthema der Nationalen Strategie gegen Krebs (NSK), das sich in fast allen Projekten spiegelt und explizit in zwei Projekten im Lead der SGMO und der KLS fokussiert wird. «Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit» hiess die Vorlage zum KVG (Art. 58), die in der Sommersession vom Parlament nach einer mehr als zehnjährigen Vorgeschichte entschieden wurde. In diesem Artikel soll zu beidem kurz informiert werden.
Bei der Klärung der Schwerpunkte der NSK für die Phase 2017 – 2020 war es klar, dass das Thema Qualität eine zentrale Rolle spielen muss. Denn es ist ein Thema, das die Fachleute, die Krebspatientinnen und Krebspatienten behandeln und betreuen, tagtäglich betrifft, dies auch aus dem Blickwinkel der Fehlerkultur und Patientensicherheit. Onkologische Organzentren und Krebszentren sowie Spitäler sind bezüglich Qualitätssicherung gefordert und sind bereit, die entsprechenden Kosten zu tragen. Es ist aber auch ein deklariertes politisches Ziel des Bundesrates in «Gesundheit 2020» und zeigt sich in der Qualitätsstrategie des Bundes mit folgender Vision:
«Der Bund will eine hohe Qualität in der ambulanten und stationären Gesundheitsversorgung zu angemessenen und für die ganze Bevölkerung tragbaren Kosten. Der Bund übernimmt in der Qualitätssicherung die führende Rolle und sorgt für eine klare und eindeutige Rollenverteilung, welche die Zuständigkeiten, Verantwortungsbereiche und die Koordination zwischen den Akteuren (Bund – Kantone – Versicherer – Leistungserbringer – Patienten – andere) regelt».
Aus der Vision wurden folgende Ziele abgeleitet:
Die Qualität im Schweizerischen Gesundheitswesen wird laufend, nachhaltig und nachweislich verbessert.
Die Massnahmen zur Steigerung der Qualität folgen einem institutionalisierten, vom Bund vorgegebenen Prozedere.
Der Bund formuliert qualitätspolitische Ziele, die sich auf die explizite Setzung von Schwerpunkten und Prioritäten für eine bestimmte Periode fokussieren.
Der Bund sorgt dafür, dass für die nachhaltige Umsetzung der Qualitätsstrategie die erforderlichen Mittel bereitgestellt und Strukturen geschaffen werden.
Diese Grundüberlegungen zur Qualitätsstrategie, die in mehreren Anläufen immer wieder neu ausgerichtet wurden, wurden der «Vorlage Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit» zu Grunde gelegt und bestimmen Artikel 58 KVG, der voraussichtlich am 1.1.2021 in Kraft treten wird.
Dieser Artikel hält fest, dass der Bundesrat nach Anhörung der interessierten Organisationen jeweils für 4 Jahre Qualitätsentwicklungsziele festlegt. Er sieht eine Eidgenössische Qualitätskommission vor, welche aus der Optik der Umsetzung der bundesrätlichen Qualitätsziele tätig wird. Dabei übernimmt die Kommission neben ihrer beratenden Funktion auch die Unterstützung von nationalen und regionalen Projekten und finanziert systematische Studien. Der Betrieb und die Aufgaben der Eidgenössischen Qualitätskommission werden von Bund, Kantonen und Versicherern finanziert. Hier könnte sich gerade für die Onkologie in der Entwicklung von Projekten zur Qualitätssicherung vernetzter Versorgung von Krebspatientinnen und -patienten Chancen ergeben.
Der Artikel 58 KVG bestimmt weiter, dass zwischen Leistungserbringern und Versicherern Qualitätsverträge abgeschlossen und dem Bundesrat zur Genehmigung vorgelegt werden müssen. Qualitätsverträge müssen die Qualitätsmessung, Massnahmen zur Qualitätsentwicklung, deren Veröffentlichung, das Zusammenwirken bei Verbesserungsmassnahmen regeln. Diese Qualitätsverträge sind verbindlich. Können sich Verbände von Leistungserbringern und Versicherern nicht auf einen Qualitätsvertrag einigen, legt der Bundesrat diesen fest. Vertragsverletzungen werden sanktioniert. (https://www.admin.ch/opc/de/federal-gazette/2019/4469.pdf)
Wie sich nun die Fachgesellschaften als Träger der fachlichen Qualitätsdiskussion und Verantwortungsträger für die fachliche Qualitätsentwicklung in diesen Mechanismus einbringen können, muss unbedingt mit dem Berufsverband FMH / SAQM geklärt werden.
Fakt ist, dass es wichtig sein wird, pro Fachgesellschaft eine eigene Qualitätsstrategie zu haben und diese auch zu verbriefen.
Es ist zu betonen, dass wir hier bisher von Qualität im Sinne des KVG aus einer Pflichtleistungsoptik sprechen, die Qualität im Gesundheitssystem wird jedoch noch durch viele andere Faktoren und Gesetze bestimmt. Aus der Optik der Kompetenzen der Fachleute spielt hier das Medizinalberufegesetz, Gesundheitsberufegesetz, Psychologieberufegesetz und das Berufsbildungsgesetz eine Rolle. Fällt die Optik auf die Heilmittel (also Arzneimittel und Medizinprodukte), so gelten die Vorgaben in der Heilmittelgesetzgebung.
Qualität – wie hat die NSK das Thema aufgenommen?
Der primäre Ansatz war Bemühung um Transparenz. Der Bericht «Onkologische Qualitätssicherung in der Schweiz» versucht, eine Übersicht über den Stand der Qualitätssicherung der Onkologie in der Schweiz zu schaffen. Sie finden den von der Krebsliga Schweiz in Auftrag gegebenen Bericht von Hermann Amstad auf der Homepage der NSK (https://www.nsk-krebsstrategie.ch/wp-content/uploads/2019/02/Bericht-Onkologische-Qualit%c3%a4tssicherung.pdf). Weiter gingen die Arbeiten in zwei Richtungen: Eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Hermann Amstad nahm im Auftrag der KLS das Thema «Qualitätssicherung im onkologischen Netzwerk» auf. Die Gruppe fokussierte im Konzept den Ansatz von Minimalstandards zur Qualitätssicherung im onkologischen Netzwerk. Als erstes musste bestimmt werden, was unter einem onkologischen Netzwerk zu verstehen ist. Erst dann konnten Kriterien für die Prozess- und Strukturqualität im Netzwerk formuliert werden. Aktuell ist dieses Konzept samt Minimalstandards in einer fachlichen Vernehmlassung. Die Projektgruppe wird die Rückmeldungen sammeln und das Konzept entsprechend anpassen, das Ende Jahr dem Oncosuisse-Board vorgelegt wird. Das definitive Konzept wird veröffentlicht werden.
In der zweiten Richtung verfolgte man im Auftrag der SGMO das Thema «Qualitätssicherung, Qualitätsentwicklung mit dem Fokus Outcome» und organisierte dazu einen Roundtable. Präsentationen und Unterlagen dazu finden sich auf der Homepage der NSK (https://www.nsk-krebsstrategie.ch/). Ziel der Veranstaltung war es auf die Tatsache einzugehen, dass für die Qualitätsmessung in der Behandlung von Krebs zunehmend Erkenntnisse, Erfahrungen und Beobachtungen der Patienten und Patientinnen unerlässlich sind und zwar als Outcomes, die messbar und vergleichbar sind. Hier drängt sich die Diskussion der Anwendung von PROMs (Patient-Reported-Outcome-Messungen) und allenfalls PREMs auf. Prof. Isabelle Peytremann-Bridevaux führte mit einem wissenschaftlichen Vortrag in das Thema ein. Sie lieferte die Definition von PROs, PROMs und PREMs und deren Anwendungsgebiete und stellte in einer Übersicht die aktuelle empirische Evidenz aus systematischen Reviews vor. Nach den darauffolgenden Einschätzungen von Dr. Tanja Volm zur Ergebnis- und Outcomequalität in Zusammenhang mit PROMs und deren Anwendungsgebieten wurde die Brücke zur internationalen ICHOM-Initiative geschlagen, wie diese am Universitätsspital Basel angewendet wird. Der ärztliche Direktor, Prof. Christoph A. Meier, erläuterte warum er sich auf ICHOM, «International Consortium for Health Outcomes Measurement», stützt. Das Ziel dieser Non-Profit-Organisation besteht darin, Behandlungsergebnisse von Patienten standardisiert zu messen und setzt die Ideen von M. Porter und E.Teissberg zu value-based-care um. ICHOM wird seit 2017 auch von der OECD propagiert und unterstützt. Prof. Meier sieht darin den Weg, mit international anerkannten Standards, die eine Outcomemessung und eine internationale Vergleichbarkeit erlauben, den Behandlungserfolg beim Patienten abzuholen und damit in eine eigentliche Qualitätsentwicklung zu kommen. Die konkrete Anwendung und den Mehrwert dieser Standards wurde vom Chefarzt Brustchirurgie am Universitätsspital Basel, Prof. Walter Weber, vorgestellt. Interessant waren die schriftlichen Rückmeldungen der Teilnehmenden, Vertreter von Krebszentren an Universitätsspitälern, kantonalen und regionalen sowie öffentlichen und privaten Spitälern, als auch Vertreter der KLS, der SAQM/FMH, des BAG und der GDK.
Die grosse Mehrheit der Teilnehmenden beantwortete die Frage, ob für sie die Anwendung von PROMs in der Schweiz ein Muss sei mit einem klaren Ja. Dies bezugnehmend auf die Wichtigkeit der Ganzheitlichkeit von Qualitätsmessung und mit Hinweis auf die Wichtigkeit, den Patienten ins Zentrum zu stellen. Grundsätzlich wurde von der Mehrheit der Teilnehmenden gutgeheissen, dass man sich – mit Blick auf die Vergleichbarkeit – an internationalen Standards orientieren oder diese anwenden sollte. Verschiedentlich wurde festgehalten, dass es notwendig sei, nationale Standards anzuwenden, um die hiesigen Gegebenheiten adäquat aufnehmen zu können. So oder so wurde jedoch auf die Wichtigkeit der Anwendung von validierten und/oder abgestimmten Standards hingewiesen. Praktisch alle Rückmeldungen gingen in die Richtung, dass PROMs in Zukunft andere Qualitätssicherungs- und Qualitätsentwicklungsmassnahmen ergänzen sollten und voraussichtlich auch werden. Ein Ersetzen bestehender Qualitätssicherungsmassnahmen mit einer strikten Fokussierung auf PROMS wurde jedoch als zu wenig umfassend erachtet. Einig war man sich darüber, dass ein koordiniertes Vorantreiben der Implementierung von PROMs wünschbar wäre. Wer hier jedoch den Lead übernehmen sollte, blieb ungeklärt. Im Rahmen der NSK wird das Thema im Frühling 2020 wieder aufgenommen und dabei werden hoffentlich auch die Diskussionen in der Romandie im Cycle COLLOQUES du DESS 2019 Unisanté einfliessen. (https://www.iumsp.ch/fr/node/9711)
Die Nationale Strategie gegen Krebs wird in unregelmässigen Abständen Interviews mit Vertretern und Vertreterinnen der verschiedenen Handlungsfelder im Krebsbereich veröffentlichen. Den Anfang macht der Leiter der Young Oncology Academy der SAKK, Prof. Dr. med. Miklos Pless zum Thema Nachwuchsförderung in der klinischen onkologischen Forschung.
Zählen akademische Erfolge in der klinischen Krebsforschung nichts mehr?
Miklos Pless: Doch, doch. Die klinische Krebsforschung wird in den kommenden Jahren sogar an Bedeutung gewinnen: Die Krebserkrankungen steigen, weil die Menschen aufgrund der medizinischen Fortschritte älter werden und weil mit den Babyboomern die geburtenstarken Jahrgänge in ihren 60ern und 70ern ankommen. Das stellt die Onkologie und auch die akademische Forschung vor grosse Herausforderungen.
Prof. Dr. med. Miklos Pless
Weshalb mangelt es trotz steigender Nachfrage an Onkologinnen und Onkologen in der klinischen Forschung an Nachwuchs?
Die Generation Y legt andere Gewichtungen bei der Work-Life-Balance: Freizeit und Familienzeit haben mehr Gewicht, der Beruf und die Karriere verlieren. Viele Assistenzärztinnen und -ärzte sind nicht mehr bereit, nach einer intensiven Arbeitswoche noch an einem Samstag und Sonntag zu forschen. Und dann verschärfen paradoxerweise ausgerechnet die Fortschritte in der Forschung den Mangel an Nachwuchskräften: Krebsbehandlungen werden immer komplexer, die Subspezialisierung nimmt zu. Zukünftig muss für viele neue spezialisierte Teilgebiete gut ausgebildetes Personal zur Verfügung stehen.
Bei der Grundversorgung wird der Ärztemangel öffentlich diskutiert. Warum nicht bei der klinischen Forschung?
Der Mangel betrifft alle medizinischen Gebiete proportional ähnlich. In der Grundversorgung macht er sich aber als erstes bemerkbar und ist deshalb gesellschaftlich ein Thema. Wer jetzt nicht mit dazu beiträgt, dass genügend Ärztinnen und Ärzte akademische
klinische Forschung betreiben, darf nicht jammern, wenn das Niveau der Forschung sinkt und wir in 15 Jahren Professuren nur noch mit Schwierigkeiten besetzen können. Wir müssen deshalb rechtzeitig Gegenmassnahmen ergreifen.
Um dem zukünftigen Mangel entgegenzuwirken, hat die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK) ein Förderungs- und Mentorenprogramm für junge Onkologinnen und Onkologen ins Leben gerufen. Sie sind der Leiter der Young Oncology Academy. Wen sprechen Sie mit dem Programm an?
Das Programm richtet sich an motivierte junge Ärztinnen und Ärzte, die einen aktiven Beitrag zur klinischen und translatio-
nalen Forschung leisten möchten. Der Fokus ist die Krebsmedizin, egal ob Medizinische Onkologie, Hämatologie oder Radio-Onkologie.
Wie fördern Sie die Talente?
Wir vermitteln den jungen Onkologinnen und Onkologen das Rüstzeug, um eine klinische, akademische Karriere anzugehen. Sie werden in der Young Oncology Academy fast ein Jahr lang von einem renommierten Fakultätsmitglied der YOA betreut. Dabei geben wir den Talenten einen Einblick in die erfolgreiche Entwicklung, Leitung, Durchführung und Veröffentlichung einer klinischen Studie. Als Teil der Academy besuchen sie den ESMO-Kongress, beziehungsweise den EHA bei den Hämatologen und den ESTRO-Kongress bei den Radio-Onkologen. Wir zeigen ihnen, wie sie sich an einem unübersichtlich grossen Kongress wirkungsvoll bewegen, wie sie unter den vielen parallelen Angeboten die richtigen für sich auswählen und wie sie netzwerken können.
Dem Netzwerken wird in der Young Oncology Academy ebenfalls viel Raum beigemessen, richtig?
Ja. Viele der heutigen Chefärztinnen und -ärzte von mittelgrossen und grossen Kantons- und Universitätsspitälern haben ihre Karriere der SAKK zu verdanken. Dank der Arbeitsgemeinschaft sind wir stark miteinander vernetzt. Wir wollen, dass die Jungen diese Chance auch haben und ermöglichen ihnen das Netzwerken mit wichtigen Akteuren in der Krebs-Community, national, international und das teilweise in bewusst lockerem Rahmen. Und dann führen wir die Teilnehmenden bei den SAKK-Arbeitssitzungen ein. Wie gesagt: Wir geben den Talenten einen Einblick in die erfolgreiche Entwicklung, Leitung, Durchführung und Veröffentlichung einer klinischen Studie. Damit ist der eigentliche Startschuss ihrer Karriere gegeben.
Für 2019 gingen 16 Bewerbungen ein. Sind Sie zufrieden mit dem Interesse?
Sehr sogar. Die Bewerberinnen und Bewerber haben einen guten Hintergrund und sind motiviert. Leider können wir nur ungefähr die Hälfte nehmen, um sie wirklich aktiv zu begleiten. Wir gehen davon aus, dass sich etwa die Hälfte der Teilnehmenden in der akademischen Forschung halten können. Drei bis vier Neue pro Jahr wäre eine gute Ausbeute.
Wen haben Sie 2019 ausgewählt?
Wir nehmen dieses Jahr vier Frauen und drei Männer in unserem Programm auf. Darunter sind vier medizinische Onkologinnen/Onkologen, zwei Hämatologinnen, eine Radioonkologin. Die Zusammenstellung kann je nach Bedürfnis im kommenden Jahr leicht anders ausfallen, z.B. ist es denkbar, dass sich auch Chirurginnen und Chirurgen für die YOA interessieren.
Was macht das Programm aus der Sicht der Bewerbenden attraktiv?
Was alle sagen: Die SAKK rollt ihnen einen Teppich aus. Sie erfahren eine intensive, aktive Unterstützung, und das gratis. Und danach besteht eine reelle Aussicht auf eine eigene Studie innert drei bis fünf Jahren. Wer sich anstrengt und einen gesunden Ehrgeiz mitbringt, geht diese Herausforderung gerne an.
Schreckt die Herausforderung neben einer dichten Ärztewoche viele ab?
Einen Teil gewiss, was schade ist. In der Onkologie werden die Patientinnen und Patienten zumeist ambulant behandelt. Die Ärztinnen und Ärzte müssen also keinen Nacht- oder Wochenenddienst leisten, arbeiten pro Woche dennoch rund 50 Stunden. Für die klinische Forschung müssen sie nochmals fünf bis zehn Stunden pro Woche aufwenden. Wir verlangen aber, dass ihre Chefin oder ihr Chef sich mit der Bewerbung einverstanden erklärt und sie zeitlich unterstützt, dass sie also an ihrem Arbeitsort die nötige freie Zeit für das Programm erhalten.
Verkommt das Einverständnis angesichts des hohen finanziellen Drucks in den Spitälern nicht leicht zu einem Lippenbekenntnis?
Der Druck in allen Abteilungen eines Spitals ist tatsächlich enorm hoch. Immer weniger Leute müssen mehr leisten. Bislang hat sich aber niemand beklagt, dass sie oder er keine Zeit für die Forschung erhalten habe. Vielleicht müssen wir die Frage in unsere Evaluation einbinden. Was klar ist: Wenn jemand die Stelle wechselt, können Schwierigkeiten entstehen, weil die neue Chefin oder der neue Chef sich ja nicht zur Teilnahme an der Young Oncology Academy äussern konnte. Doch bislang hat sich keiner der Teilnehmenden beschwert.
Forschen dauert lange – ohne Garantie auf einen Erfolg. Ist die klinische Forschung bei der Planung einer onkologischen Karriere ein Hochrisikospiel?
Wer in der Onkologie klinisch forscht, muss neben dem nötigen Talent Freude daran haben, fleissig sein und durchhalten können. Es ist deshalb eine Frage des Willens und der intrinsischen Motivation, ob jemand eine Karriere anstrebt. Und es sind Eigenschaften, die dazu gehören, wenn jemand Chefärztin oder Professorin respektive Chefarzt oder Professor werden will.
Die Onkologie wird feminisiert. Risiko oder Chance?
Chance: die Onkologie ist ein Superfach für Frauen und allgemein Personen, die Familie und Beruf unter einen Hut bringen wollen, weil sie fast ausschliesslich in einem ambulanten Rahmen stattfindet und Teilzeitarbeiten und Subspezialisierungen möglich sind. Zudem erfordert die Arbeit mit den Krebsbetroffenen neben dem Wissen auch Empathie und Verständnis für soziale und psychische Belange, da sind die Frauen häufig besser als die Männer. Deshalb ist die Onkologie bei Frauen beliebt, und es gibt immer mehr hervorragende Frauen in wichtigen Positionen.
Etwa?
Ein jüngeres Beispiel ist das Präsidium der ESMO, das mit einem richtigen Shootingstar besetzt wurde: mit der Waadtländerin Solange Peters.
Trotzdem fehlen beim Nachwuchs auch Frauen. Was müsste geschehen, um sie für die klinische Forschung zu gewinnen?
Wir müssen den Frauen die Möglichkeit geben, die gleiche Karrierechancen zu haben, wie sie die Männer haben.
Konkret?
Viele Frauen wollen ab 30 ihre Familienplanung angehen. Das kann man nicht ignorieren, sonst wird das Fach entwertet. Die Onkologie und die klinische Forschung müssen attraktiv sein für alle, die sich in ihr engagieren wollen.
Ihre Forderung?
Teilzeitarbeit muss in allen Positionen möglich sein. Die Kinderbetreuung muss besser werden. Momentan ist es schwierig, mit Kindern eine akademische Karriere erfolgreich anzugehen. Zudem muss unsere Gesellschaft umdenken: Eine Frau, die eine Karriere macht, ist keine schlechte Mutter. Solche Vorurteile sind nicht mehr zeitgemäss.
Was raten Sie jemandem, der bei der Karriereplanung unschlüssig ist, ob die klinische Forschung für sie oder ihn das Richtige ist?
Ich kann nur aus meiner persönlichen Warte sprechen. Ich sehe Patientinnen und Patienten tagein, tagaus, was ich als sehr befriedigend empfinde. Zudem erhält meine Arbeit durch die Forschung eine neue Ebene. Forschen ist eine intellektuelle Herausforderung, die einhergeht mit einem Wissenszuwachs. Es freut mich persönlich, wenn eine neue Therapie einem Krebsbetroffenen etwas bringt. Und man kommt in Kontakt mit neuen Leuten. Man vernetzt sich national und international. Vor allem aber ist diese wichtige Bereicherung meines Alltags nicht Selbstzweck, sondern kommt letztlich meinen Patientinnen und Patienten zugute.
Behandeln Spitäler mit klinischer Forschung ihre Patientinnen und Patienten besser?
Ja, zweifelsfrei. Insbesondere Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer profitieren. Sie werden engmaschiger kontrolliert, der Zeitaufwand für sie ist höher. Untersuchungen zeigen: Wer an einer Studie teilnimmt, hat eine höhere Lebenserwartung. Auch wenn fairerweise gesagt werden muss, dass das auch an den strengen Auswahlkriterien für eine Studienteilnahme liegen kann. Häufig sind die Teilnehmenden die etwas Fitteren.
Warum liegt es im Interesse eines Akutspitals, klinische Forschung zu betreiben?
Lassen Sie mich in zwei Teilen antworten: Jeder dritte Mensch erkrankt im Lauf seines Lebens in der Schweiz an Krebs. Die Wahrscheinlichkeit nach fünf Jahren noch zu leben beträgt für die Gesamtgruppe aller Krebskranken 60 bis 70 Prozent. Dabei gibt es riesige Unterschiede je nach Krebsart. Auf den ersten Blick sehen diese Zahlen nicht schlecht aus. Aber das kann uns nicht genug sein! Kein Mensch in der Medizin kann zufrieden sein, dass noch immer so viele an Krebs sterben. Wir können die Chancen auf ein Überleben von Krebs nur erhöhen, indem wir Forschung betreiben. Als Arzt betrachte ich es als Imperativ, das zu versuchen. Wenn ein Spital also eine gewisse Grösse hat, sollte es versuchen, an einer Verbesserung der Prognose der Erkrankten beizutragen.
Und zweitens?
Heute ist es unbestritten, dass die klinische Forschung ein Qualitätsmerkmal eines Spitals ist. Spitäler mit klinischer Forschung sind auf einem aktuelleren Wissensstand. Sie verfügen über mehr Kontrollmechanismen, dokumentieren genauer, haben Zugang zu neuen Therapien und Medikamenten. Das macht ein Spital im Wettbewerb mit anderen Spitälern attraktiver für die Patientinnen und Patienten.
Krebs schert sich nicht um Landesgrenzen. Klinische Studien können in Indien und im Osten Europas günstiger erstellt werden als in der Schweiz. Warum lohnt es sich, in der Schweiz weiterhin in die klinische Forschung zu investieren?
In anderen Ländern mit mehr Leuten und nur einer Landessprache sind Ergebnisse tatsächlich schneller und günstiger zu haben als in der Schweiz, so dass man sich tatsächlich fragen könnte, warum wir den Aufwand betreiben…
Und warum betreiben wir ihn?
Krebsbetroffene profitieren von der Teilnahme an Programmen mit neuen, allenfalls wirkungsvollen Therapien. Und aus Sicht unseres hervorragenden Gesundheitswesens ist es die Stärkung des Forschungsplatzes. Die Schweiz ist ja mitunter in der medizinischen Grundlagenforschung sehr stark. Und die braucht einen klinischen Partner, der die neusten Behandlungsmöglichkeiten jenseits der Standardverfahren anwendet, zugunsten der Patientinnen und Patienten überprüft und nachweist, dass die Forschungsergebnisse aus dem Labor in der Klinik wirklich relevant sind. So kann eine bestmögliche Betreuung und Forschung gewährleistet werden. Und nicht zuletzt haben wir in der Schweiz die Bereitschaft zu forschen, so dass es bedauernswert wäre, wenn wir die klinische Forschung aufgeben würden.
Patentierbare Erkenntnisse stellen für die Patientinnen und Patienten einen grossen Nutzen dar. Sind Pharmamunternehmen nicht prädestinierter fürs Forschen als Spitäler?
Innovative Therapiekonzepte kommen leider hauptsächlich von der Pharmaindustrie. Sie hat das Geld und den Manpower dafür. Entdeckt ein kleines Start-up etwas Interessantes, wird es aufgekauft. Trotzdem braucht es die unabhängige akademische Forschung – die notabene bei gewissen Projekten gut mit den Krankenkassen zusammenarbeitet. So untersuchen wir in der SAKK ob ein reduzierter Einsatz gewisser teurer Krebsmedikamente gleich wirksam ist wie die volldosierte Gabe. Natürlich hat die Pharmaindustrie an solchen Studien kein Interesse, aber die Patienten und die Kostenträger sehr wohl.
Was für Massnahmen benötigt es zukünftig, um die klinische Krebsforschung in der Schweiz zu stärken?
Wir müssen unsere Hausaufgaben machen. Sprich: Die SAKK stärken, Kontakte ausbauen, Strukturen schaffen, die den Zugang zur klinischen Forschungstätigkeit für alle relativ leicht und niederschwellig machen. Zudem müssen wir verstärkt vor die Öffentlichkeit treten und darauf aufmerksam machen, dass die klinische Forschung etwas Gutes und Nützliches ist. Dass sie nicht für experimentelle Zwecke da ist, oder für eine angestrebte Professur, sondern dass sie dazu dient, die Prognose der Patientinnen und Patienten zu verbessern.
Was haben sie persönlich aufgrund ihrer Arbeit über das Menschsein gelernt?
Als Onkologe ist man häufig der letzte Arzt, der eine Patientin oder einen Patienten begleitet. Es beeindruckt mich immer wieder, wie Betroffene und ihre Familien mit ihrer Situation umgehen, wie sie weit über sich herauswachsen, wie sie mit schlechten Nachrichten umgehen, und mit dem Leiden. Wie sie sich aufs Wesentliche konzentrieren und versuchen, ein schönes Leben zu gestalten. Meine Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen sind unbekannte Helden: Niemand schreibt ein Buch über sie, sie kommen in keinem Film vor. Aber ich kann nur hoffen, dass ich, wenn ich in ihrer Situation sein sollte, etwas von ihrem Mut und ihrer Zuversicht und ihrem Vertrauen verfügen könnte. Es ist für mich ein absolutes Privileg, sie begleiten zu dürfen. Onkologe zu sein ist für mich einer der wichtigsten und schönsten Berufe, und darum haben wir auch die Verpflichtung, besser zu werden und zu forschen.