Angst und Furcht am Lebensende

Einleitung

Der vorliegende Artikel befasst sich mit Ängsten und Befürchtungen von Menschen am Lebensende.1 Zunächst werden die Begriffe Angst und Furcht definiert und ihre Prävalenz am Lebensende dargestellt. Anschliessend werden die wichtigsten Angststörungen besprochen, und es wird auf die klinische Diagnostik von Angst und Furcht eingegangen. Wichtige Differenzialdiagnosen werden zusammenfassend dargestellt. Schliesslich werden pharmakologische, psychotherapeutische und andere nicht pharmakologische Behandlungen von Angst und Furcht am Lebensende besprochen.

Wenn sie unbehandelt bleiben, können Ängste und Befürchtungen zu erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen und psychosozialen Funktionen sowie zu einer verminderten Lebensqualität führen (3). Angststörungen korrelieren zudem beispielsweise mit erhöhtem Alkoholkonsum, Beziehungsproblemen, arbeitsbezogenen Problemen und Suizid (4–5).

Definition von Angst und Furcht

Angst und Furcht sind gleichzeitig sehr ähnliche, aber unterschiedliche Zustände (6). Furcht ist eine unangenehme emotionale Reaktion, die durch die Erwartung einer Gefahr ausgelöst wird (6) und Personen dazu motiviert, eine Bedrohung zu vermeiden. Im Gegensatz dazu wird Angst durch verallgemeinerte, unspezifische Bedrohungen des «Selbst» ausgelöst und geht mit Hypervigilanz einher (6). Anders formuliert ist Angst eine verallgemeinerte Reaktion auf eine unbekannte Bedrohung oder einen inneren Konflikt, während Furcht sich auf eine bekannte äussere Gefahr bezieht (7). Die evolutionäre Funktion sowohl von Angst als auch von Furcht bestand darin, vor einer Gefahr zu warnen oder auf die Notwendigkeit der Bewältigung eines Stressors hinzuweisen (8).

In der Palliative Care reicht das Spektrum von der Furcht vor dem Sterbeprozess im Zusammenhang mit einer fortschreitenden und/oder lebensbedrohlichen Erkrankung (z.B. Angst vor unaushaltbaren Schmerzen) bis hin zur Todesangst in Bezug auf das Unvorhersehbare. Der Tod wird in existenziellen Ansätzen der Psychotherapie auch als eines der «vier letzten Dinge» respektive der vier ultimativen Grundprobleme der menschlichen Existenz (engl. ultimate concerns – neben Freiheit, Isolation und Sinnlosigkeit) beschrieben (9), die man nicht einfach wegreden, wegerklären oder wegtherapieren kann, sondern gefühlt, durchlebt und ausgehalten werden müssen (10).

Pathologische Angst ist eine übermässige Reaktion auf externe Stressoren und/oder eine Reaktion auf nicht identifizierte interne Stressoren, die oft nicht vorübergehend, sondern dauerhaft ist und zu beeinträchtigter Bewältigung wie Vermeidung oder Rückzug führt (z.B. (11)). Die Symptome pathologischer Angst sind körperlicher (z.B. Tachykardie, Tachypnoe, Schwitzen, Durchfall, Schwindel), emotionaler (z.B. Nervosität, Angstgefühl, Gefühl des drohenden Untergangs), verhaltensbezogener (Vermeidung, Zwänge, psychomotorische Unruhe) und kognitiver Natur (z.B. Sorgen, Befürchtungen, Unsicherheit).

Prävalenz von Angststörungen

Angststörungen sind die häufigsten psychischen Erkrankungen in der Allgemeinbevölkerung, wobei je nach Studie zwischen 30 und 40 % aller Menschen irgendwann in ­ihrem Leben an einer Angststörung leiden (12). Die Prävalenz von Angstzuständen am Lebensende ist hoch: 70 % der Krebspatienten im fortgeschrittenen Stadium berichten über mässige bis schwere Angstzustände und bis zu 25 % der Patienten erfüllen die Kriterien für eine Angststörung (13–14). Oft gibt es jedoch keine Vorgeschichte einer dia­gnostizierten Angststörung, und es scheint so zu sein, dass nur ein kleiner Prozentsatz der Menschen vor einer Krebsdiagnose oder -behandlung Angstsymptome hat (15). Die spezifischen Angststörungen am Lebensende sind vielfältig, wobei häufige Störungen und Risikofaktoren in Tabelle 1 aufgeführt sind.

Arten von Angststörungen

Es existieren unterschiedliche Arten von Angststörungen. Zu den häufigsten Angststörungen, die am Lebensende auftreten, gehören Anpassungsstörungen mit Angst, Panikstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen und generalisierte Angststörungen.
Nach dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (19) ist eine generalisierte Angststörung ein Zustand übermässiger Angst und Sorge (ängstliche Erwartung), der an mehr als sechs Tagen über mindestens sechs Monate hinweg auftritt und sich auf eine Reihe von Ereignissen oder Aktivitäten bezieht (z.B. Arbeits- oder Schulleistungen).

Eine Panikattacke ist das plötzliche Auftreten intensiver Angst, Besorgnis, Furcht, Schrecken oder eines Gefühls des drohenden Unheils, das in der Regel mit Symptomen wie Kurzatmigkeit, Herzklopfen, Brustschmerzen, einem Gefühl des Erstickens und der Angst, «verrückt zu werden» oder die Kontrolle zu verlieren, einhergeht, oft unerwartet «aus heiterem Himmel» und ohne erkennbaren Auslöser oder Hinweis (19). Panikattacken sind zeitlich begrenzt und dauern in der Regel 15 bis 20 Minuten. Eine Panikstörung wird diagnostiziert, wenn mehrere Panikattacken auftreten oder die Angst vor einer weiteren Attacke das psychosoziale Funktionieren erheblich einschränkt (19).

Eine Anpassungsstörung ist charakterisiert durch eine psychische Reaktion auf einen identifizierbaren Stressor, die zur Entwicklung klinisch signifikanter emotionaler Verhaltenssymptome führt, die jedoch für die Diagnose einer Angststörung nicht ausreicht (19). Viele Personen mit schweren medizinischen Erkrankungen können Schwierigkeiten haben, sich mental auf ihre Diagnose, Prognose oder auf Behandlungsmethoden einzustellen, was zu Angstsymptomen führt, die nicht das Niveau einer diagnostizierbaren Angststörung erreichen, aber dennoch Aufmerksamkeit durch Fachpersonen und möglicherweise eine Intervention erfordern.

Einige Menschen können im Zusammenhang mit ihrer Diagnose oder Behandlung eine Übererregung (engl. hyper­arousal) entwickeln und Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) aufweisen oder sogar die Kriterien für die Diagnose erfüllen, d.h., sie erleben ein traumatisches Ereignis erneut mit Symptomen wie Übererregung, Albträumen, intrusiven Gedächtnisinhalten, Wiedererleben von Ereignissen, Hypervigilanz und Vermeidung von Erinnerungen an das traumatische Ereignis (19).

Angststörungen haben erhebliche Auswirkungen auf kranke Menschen am Lebensende, sowohl in Bezug auf das Erleben von Symptomen als auch auf ihre medizinische Versorgung. Angstpatienten berichten beispielsweise oft über ein geringeres Vertrauen in medizinische Fachpersonen, beeinträchtigte Interaktionen mit Fachpersonen, mehr Zweifel an Behandlungen und eine schlechtere körperliche Leistungsfähigkeit (18). Oft ist es schwierig, Angstzustände von anderen psychischen Störungen wie Depressionen oder medizinischen Symptomen der Grunderkrankung oder deren Behandlung zu unterscheiden. Gängige Symptome einer Depression wie Appetitlosigkeit, verminderte Libido, Reizbarkeit, Isolation und Schlaflosigkeit können auch Teil von Angstzuständen sein (20). Weitere körperliche Symptome, die mit Krankheiten in Verbindung stehen, sind bei Angstzuständen zudem häufig anzutreffen, darunter Herzklopfen, Dyspnoe und Hyperventilation, Magen-Darm-Beschwerden, Schwitzen, Kopfschmerzen, Muskelverspannungen, Benommenheit oder Schwindel und Müdigkeit (13, 21).

Angst und Furcht erkennen

Angstzustände werden oft immer noch entweder gar nicht oder nur unzureichend diagnostiziert. Das Erkennen von Angstzuständen kann schwierig sein, da Patientinnen und Patienten oft eine komplexe Mischung aus körperlichen und psychischen Symptomen präsentieren (20). Bei Patienten mit einer fortgeschrittenen, lebensbedrohlichen Krankheit und Angstsymptomen kann die Verunsicherung mit körperlichen, psychischen, sozialen, existenziellen, das Lebensende oder den Verlust bezogenen Problemen zusammenhängen (20). Darüber hinaus geht die Angst vor unkontrollierbaren Symptomen oder zunehmender Abhängigkeit manchmal einher mit einem verstärkten Wunsch nach einem frühzeitigen Tod (engl. hastened death) (22). Bei diesen Menschen stehen die somatischen Symptome der Angst oftmals im Vordergrund, sodass die Angststörung nicht primär als solche erkannt wird. Psychiatrische Fachpersonen können Palliative-Care-Teams dabei unterstützen, solche Symptome und deren Ursachen zu verstehen, oder helfen, eine allfällig zugrunde liegende Angststörung zu diagnostizieren und zu behandeln.

Angst und Furcht diagnostizieren

Interdisziplinäre Teams können dazu beitragen, die Beurteilung zu erleichtern. Eine ausführliche Anamnese und gezielte körperliche Untersuchung plus Laboruntersuchung bilden den Goldstandard bei der Diagnostik. Nicht nur die Informationen der Betroffenen, sondern auch Angaben ihrer Verwandten und Freunde können von unschätzbarem Wert sein. Eine solche Informationssammlung braucht Zeit, weshalb es bedeutsam ist, dass man wichtige Fragen stellt. Einige Ärztinnen und Ärzte verwenden Screening-Instrumente, wie zum Beispiel die Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS), das am häufigsten untersuchte und auch in deutscher Sprache validierte Instrument (23–24); (deutsche Version siehe (25)), obwohl sich die meisten Fachpersonen auf gezielte Interviewfragen und erfahrene interdisziplinäre Teammitglieder verlassen, um wichtige Patienteninformationen zu erhalten.

Tabelle 2 enthält Fragen, die – in einem ruhigen Setting gestellt – als Unterstützung für Gespräche dienen und Fachpersonen bei der Beurteilung von Ängsten und Befürchtungen sowie anderen damit verbundenen Themen unterstützen können.


Bei Betroffenen mit positivem Angstscreening müssen normale Ängste und Sorgen von pathologischen Ängsten unterschieden werden (13). Es sollte ein ausführliches Gespräch folgen, bei dem die Diagnosekriterien für Angststörungen und andere psychische Störungen geprüft werden und eine Überweisung an eine psychiatrische Fachperson erfolgt, falls diagnostische Klarheit erforderlich ist. Wichtig ist, dass eine Angststörung erst dann diagnostiziert werden sollte, wenn somatische Ursachen der Angst ausgeschlossen sind (Tab. 1).

Nach Schlüsselwörtern suchen

Obwohl Menschen mit schweren Erkrankungen häufig Angst und Furcht empfinden (13, 28), äussern viele Betroffene ihre Symptome gegenüber Fachpersonen nicht direkt und artikulieren ihre Erfahrungen nicht in Form leicht identifizierbarer Diagnosekriterien. Daher sollten Kliniker auf Schlüsselwörter achten, die oft auf zugrunde liegende Ängste und Befürchtungen hinweisen. Anderson und Kollegen (29) haben 415 Gespräche zwischen Patientinnen und Patienten mit Krebserkrankungen im fortgeschrittenen Stadium und Onkologen aufgezeichnet und festgestellt, dass Angst und Furcht die am häufigsten geäusserten Gefühle in diesen Gesprächen waren. Die Erkrankten benutzten dabei am häufigsten die Wörter «besorgt», «verängstigt», «betroffen» und «nervös», um ihre Erfahrung von Angst oder Furcht auszudrücken. Sich dieser Schlüsselwörter bewusst zu sein und darauf zu achten, ob sie in Gesprächen mit kranken Menschen vorkommen, kann dem Arzt helfen, das Vorhandensein von Ängsten zu erkennen.

Es ist zudem wichtig, die zwischenmenschlichen Verhaltensmuster von Menschen zu beachten, die wegen einer schweren Krankheit behandelt werden. Betroffene mit Angstzuständen können teilweise verwirrt und unfähig erscheinen, Informationen zu verarbeiten. Diese Menschen stellen möglicherweise immer wieder dieselben Fragen, haben Aufmerksamkeits- oder Gedächtnisprobleme oder zeigen Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung, was bei ihnen selbst, ihren Angehörigen und beim Behandlungsteam zu Frustrationen führen kann. Menschen mit Angstzuständen können auch widersprüchliche Aussagen machen oder sogar misstrauisch erscheinen (26). Wie Betroffene auf das Behandlungsteam wirken und welche Reaktionen sie bei den sie betreuenden Fachpersonen auslösen, kann hinweisend sein für die zugrunde liegende Störung. Natürlich müssen bei den oben beschriebenen Verhaltensauffälligkeiten auch andere Differenzialdiagnosen, wie z.B. ein Delirium, erwogen werden.

Risikofaktoren und Ursachen von Angstzuständen

Angstsymptome können entweder im Rahmen somatischer Erkrankungen oder primärer Angststörungen oder auch anderer psychischer Störungen auftreten (13, 16–18), was die Unterscheidung noch schwieriger macht. Es lohnt sich, somatische Ursachen sorgfältig auszuschliessen, wenn keine persönliche oder familiäre Vorgeschichte von Angststörungen vorliegt und/oder wenn die Person auf frühere anxiolytische Behandlungen nicht angesprochen hat. Häufige Risikofaktoren und Ursachen von Angstzuständen am Lebensende finden sich in Tabelle 1.

Bei ernster Erkrankung können körperliche Beschwerden (oder somatische Symptome) Angst und Furcht auslösen. Zum Beispiel können Krebserkrankungen mit Veränderungen des Körperbildes einhergehen, die zu Angstsymptomen oder -störungen führen können. Bei Betroffenen mit Erkrankungen mit einem gewissen Rezidivrisiko werden ebenfalls oft Ängste ausgelöst, da diese Menschen sich immer wieder fragen, wann der «Krebs zurückkehren wird» oder ob der «Krebs wieder da ist» (30).

Das Symptom der Dyspnoe verdient besondere Aufmerksamkeit, da Atemnot Unbehagen, Angst und Beklemmung auslösen kann (31). Die Erfahrung von Atemnot löst nachweislich Angst und Furcht aus, selbst bei gesunden Probanden, die sich vollkommen bewusst sind, dass sie sich nicht in unmittelbarer Gefahr befinden (32). Das Symptom der Atemnot ist für Betroffene äusserst belastend. Daher ist es unabdingbar, die Auswirkungen der Atemnot auf die erkrankten Menschen regelmässig zu prüfen und entsprechende Massnahmen einzuleiten (31).

Behandlung von Angstzuständen bei Menschen am Lebensende

Wenn sie gezielt behandelt wird, bessert sich Angst oder Furcht bei den meisten Erkrankten; nur bei wenigen Menschen gelingt es jedoch, die Symptome vollständig zum Verschwinden zu bringen. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit fortschreitenden, lebenslimitierenden Erkrankungen, was die Bedeutung einer kontinuierlichen Evaluation und Anpassung der Therapie unterstreicht (33). Fachpersonen können mit nicht pharmakologischen oder pharmakologischen Massnahmen arbeiten, wobei häufig eine Kombination am wirksamsten ist (26–27).

Auf die Grundhaltung kommt es an

Bei der Behandlung von schwer kranken ängstlichen Menschen kann die Bedeutung der Grundhaltung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Der Zugang zu den Betroffenen mit Empathie und Respekt ist die Grundlage einer wirksamen Behandlung und Betreuung (34). Die Grundhaltung der Arztpersonen stärkt auch das Selbstwertgefühl und die Resilienz der Patientinnen und Patienten und mildert so deren Angstzustände. In einer Studie wurden die spezifischen Auswirkungen eines empathischen, patientenzentrierten Behandlungsansatzes bei Erkrankten mit fortgeschrittenem Dickdarmkrebs untersucht (35): Die patientenzentrierte Behandlung beinhaltete häufige Treffen mit der Arztperson, die Möglichkeit für die Betroffenen, an Behandlungsentscheidungen mitzuwirken (Shared Decision Making), umfassende Informationen über Diagnose und Prognose sowie nach Bedarf psychologische Unterstützung für die Erkrankten und deren Angehörige. Es wurde festgestellt, dass diese Art von engagiertem und personalisiertem Ansatz nicht nur die Lebensqualität verbessert, sondern auch Ängste verringert.

Psychotherapie und andere nicht ­pharmakologische Interventionen

Da es nur wenige spezifische Daten zur Wirksamkeit einer spezifischen Pharmakotherapie für Angst und Furcht am Lebensende gibt, werden Psychotherapie und psychosoziale Interventionen gegen Angst oft bevorzugt (36). Eine Psychotherapie kann für Personen mit leichten bis mittelschweren Angstsymp­tomen besonders hilfreich sein, wenn diese zuvor schon erfolgreich psychotherapeutisch behandelt wurden, unzureichend auf eine Pharmakotherapie ansprechen oder eine Abneigung gegen Medikamente haben sowie keine kognitiven Beeinträchtigungen aufweisen (17).

Eine Psychotherapie kann unter anderem das Gefühl der Selbstwirksamkeit und die Bewältigungsmöglichkeiten von Betroffenen verbessern und bietet gleichzeitig den Vorteil, dass eine Polypharmazie vermieden wird. Infrage kommen Einzel- oder Gruppenpsychotherapien, wobei es insbesondere auch um Beratung bezüglich Ernährung, Bewegung und Schlaf geht. Zu den evidenzbasierten Psychotherapien, die zur Behandlung von Angst und Furcht eingesetzt werden, gehören supportive Psychotherapie, kognitive Verhaltenstherapie und interpersonelle Therapie (26, 37); allerdings muss die Wirksamkeit dieser Behandlungen bei Menschen mit schweren Erkrankungen am Lebensende noch besser untersucht werden.

Für die Behandlung schwer kranker Menschen am Lebensende wurden spezifische Psychotherapieansätze entwickelt (38). Dazu gehören Managing Cancer and Living Meaningfully (CALM) (39), Dignity Therapy (40–41), Meaning-Centered Therapy (42) und Mindfulness-Based Supportive Therapy (MBST) (43). Der Vorteil dieser Behandlungen liegt in der gezielten Anwendbarkeit für schwer kranke Patientinnen und Patienten. CALM hat sich als vorteilhaft bei Todesangst erwiesen (39); in der Meaning-Centered Group Therapy zeigten die Erkrankten einen signifikanten Rückgang von Angst und dem Wunsch nach einem beschleunigten Tod (44); die Dignity Therapy führte zu einem signifikanten und nachhaltigen Rückgang der Angstsymptome (45).

Je näher der Zeitpunkt des Sterbens rückt, desto enger werden die Ziele der Psychotherapie und desto eher wird auch dabei ein palliativer Ansatz verfolgt (38), um das psychische und physische Wohlbefinden zu maximieren, indem Patientinnen und Patienten sowie ihre Familien im Rahmen der emotionalen und praktischen Vorbereitung auf den Tod unterstützt werden (17). Die Abbruchquoten von Psychotherapie am Lebensende sind hoch, weshalb die Häufigkeit und Dauer der geplanten Therapie sorgfältig abgewogen werden sollten (46).

Neben Psychotherapie können zahlreiche weitere nicht pharmakologische Interventionen eingesetzt werden, um Angst und Furcht von Menschen mit schweren Erkrankungen zu verringern. Zu den möglichen ergänzenden Therapien gehören Musiktherapie (47), Entspannungstraining (31), Achtsamkeitsmeditation (48) oder Kunsttherapie (49). Musiktherapie scheint vielversprechend zu sein, wenn es darum geht, Ängste abzubauen und die Lebensqualität von Patienten in der Palliative Care zu verbessern (47). Entspannungstraining ist weitverbreitet, zumal es oft relativ kostengünstig angeboten werden kann und langfristige Auswirkungen hat, wenn das Training über einen längeren Zeitraum hinweg konsequent praktiziert wird (31).

Auch körperliche Betätigung kann sich als nützlich erweisen, selbst bei Schwerkranken. Bewegung kann Sorgen und Ängste verringern und gleichzeitig das allgemeine Befinden verbessern. Bewegung kann auch dazu dienen, ein Gefühl von Autonomie, Selbstwirksamkeit, Kontrolle oder Erfolg zu vermitteln. Bettlägerige Erkrankte können ebenso von Bewegungen profitieren, selbst wenn es sich dabei oftmals nur um passive Bewegungsabläufe handelt.

Es lohnt sich auch, sich gemeinsam mit den Betroffenen anzuschauen, ob eine Reduktion des Konsums von Kaffee und Alkohol einen Einfluss auf das Symptom der Angst hat. Dies kann dazu beitragen festzustellen, ob eine ­Verringerung des Konsums dieser Substanzen die begleitenden Ängste verringern könnte.
Ein Schlafhygieneprotokoll kann hilfreich sein, um Schlafstörungen zu erfassen, die wiederum Auswirkungen auf die Angstsymptomatik haben können. Schliesslich kann eine Psychoedukation über den allgemeinen Verlauf einer schweren Krankheit und darüber, was in den einzelnen Stadien zu erwarten ist, das Ausmass der Angst und Sorge der Patientinnen und Patienten weiter verringern (27).

Pharmakologische Interventionen

Die Behandlung von Angstzuständen ist in der Regel am wirksamsten, wenn psychotherapeutische und pharmakologische Ansätze kombiniert werden. Einen Überblick über die medikamentöse Behandlung von Angstzuständen am Lebensende einschliesslich differenzierter Indikationen und Risiken gibt Tabelle 3. Die Dosierung und die Verabreichungswege einiger der gängigsten Medikamente für Menschen mit schweren Erkrankungen und Angstzuständen sind in Tabelle 4 aufgeführt.

Wie in allen Bereichen der Palliative Care müssen die Funktionseinschränkungen der Betroffenen, ihre Lebenserwartung und die im Vordergrund stehenden Symptome berücksichtigt werden, um die optimale Behandlung der Angstzustände zu ermitteln.

Bisher gibt es keine sorgfältig durchgeführten und aussagekräftigen Studien, die es erlauben würden, bestimmte Pharmaka spezifisch bei Angstzuständen in der Palliative Care zu empfehlen (36). Daher basieren aktuelle Empfehlungen auf Studien, in denen die Behandlung von Angstzuständen bei anderen Erkrankungen (z.B. bei Tumorerkrankungen) untersucht wurde, allerdings nicht in palliativen Situationen (13, 16, 18). Begrenzt veröffentlichte Literatur und Expertenmeinungen positionieren Benzodiazepine und selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) als Erstlinienbehandlung von Angstsymptomen bei progressiven und/oder lebensbedrohlichen Erkrankungen sowie Krebs (2, 24, 36).

Selektive Serotonin-Wiederaufnahme- hemmer (SSRI)

Wie bei depressiven Störungen gibt es für SSRI auch eine Evidenzbasis für Angstzustände im Allgemeinen. Zudem sind sie generell gut verträglich. Daher gelten sie heute als Mittel der Wahl bei der Behandlung chronischer Angstzustände. Allerdings ist der Nutzen von Antidepressiva einschliesslich SSRI zur Behandlung von Angstzuständen bei Menschen am Lebensende oft ­begrenzt, da es in der Regel 4–6 Wochen dauert, bis sie ihre maximale Wirkung entfalten (56). Bei diesen Erkrankten müssen Ärztinnen und Ärzte abwägen zwischen der Notwendigkeit, die Symptome kurzfristig zu lindern, und der Wahl einer Medikamentenklasse, die erst nach mehreren Wochen ihre Wirkung entfaltet. Bei schweren Angstzuständen können SSRI und Benzodiazepine zusammen gestartet werden, wobei die Benzodiazepine ausgeschlichen werden, sobald die SSRI ihre therapeutische Wirkung entfaltet haben.

Paroxetin (10–50 mg täglich) wird im Vergleich zu einigen anderen SSRI häufig zur Behandlung chronischer Angstzustände eingesetzt, da es eher sedierend und beruhigend wirkt. Andere SSRI, die in dieser Gruppe häufig eingesetzt werden, sind Citalopram (10–60 mg täglich) und Escitalopram (5–20 mg täglich). Eine weitere Möglichkeit sind selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) wie Venlafaxin (35–300 mg täglich). Sedierende Antidepressiva wie Trazodon oder Mirtazapin können Menschen mit anhaltenden Angstzuständen und Schlaflosigkeit helfen.

Benzodiazepine

Benzodiazepine haben viele Indikationen in der Onkologie und Palliative Care. Sie zeigen einen raschen Wirkungseintritt und Wirksamkeit bei generalisierten Angstzuständen, Panik und Schlaflosigkeit sowie einen potenziellen Nutzen bei Übelkeit und Dyspnoe (2, 24). Während das Risiko einer Abhängigkeit am Lebensende keine grosse Rolle spielt, sollte das Risiko für kognitive und motorische Nebenwirkungen ernst genommen werden, z.B. Sedierung, Stürze, Verwirrung und Aufmerksamkeitsdefizite (2, 20). Wie bei Medikamenten mit anticholinerger Wirkung besteht zudem das Risiko, dass Benzodiazepine ein Delirium auslösen respektive Symptome eines bestehenden Deliriums oder einer Demenz verschlimmern (23). Weitere Risiken von Benzodiazepinen bestehen darin, dass andere Medikamente mit dämpfender Wirkung auf das zentrale Nervensystem diese Wirkung von Benzodiazepinen verstärken können. Zudem können einige Benzodiazepine bei Erkrankten mit Leberfunktionsstörungen akkumulieren (z.B. Diazepam).

In den meisten Fällen werden Benzodiazepine auf der Grundlage der Halbwertszeit ausgewählt. Je länger die Halbwertszeit, desto nachhaltiger ist die Wirkung des Medikaments (z.B. Clonazepam (t1/2 = 30–40 Stunden; 0.5–2 mg p.o. täglich bis 2x täglich nach Bedarf). Medikamente mit einer Halbwertszeit von mehr als ein oder zwei Tagen wie Clonazepam oder Diazepam können akku

mulieren, was zu zunehmenden Nebenwirkungen und Toxizität führt; sie gehen jedoch weniger oft mit Entzugssymptomen einher.
Kürzer wirkende Benzodiazepine (z.B. Lorazepam, t1/2 = 12 Stunden; 0.25–2 mg p.o., s.l. 6x täglich nach Bedarf; Alprazolam t1/2 = 11.2 Stunden) können öfter verabreicht werden und sind nicht nur bei Angst- und Panikattacken nützlich, sondern können auch antizipatorisch Übelkeit lindern. Benzodiazepine mit sehr kurzen Halbwertszeiten (z.B. Oxazepam t1/2 = 2.8–8.6 Stunden; Midazolam t1/2 = 0.8–1 Stunde) sind für die Behandlung der meisten Angstzustände am Lebensende nicht geeignet, da sie nur für kurze Zeit wirken und mit einem höheren Risiko von Rebound-Angst- und Entzugssymptomen einhergehen.

Betroffene mit eingeschränkter Leberfunktion sollen mit Lorazepam, Oxazepam oder Temazepam behandelt werden, da diese Medikamente durch Konjugation metabolisiert werden und keine aktiven Metaboliten haben.

Manchmal können Angstsymptome auch durch andere ­Prozesse ausgelöst werden, etwa durch ein Delirium oder Dyspnoe. In diesen Fällen kann die Angst durch spezifische Behandlungen angegangen werden, z.B. durch die Behebung der Ursache eines Deliriums, die Behandlung der Symptome eines Deliriums mit einem Antipsychotikum oder durch den Einsatz von Opioiden zur Behandlung von Dyspnoe.

Andere Medikamente

Häufig bergen Standard-Anxiolytika entweder ein erhebliches Risiko für unerwünschte Wirkungen bei Menschen mit fortgeschrittener, lebensbedrohlicher Krankheit oder wirken nicht schnell genug. Gabapentin (100 mg, 1x stündlich nach Bedarf bis zu einer Tageshöchstdosis von 3600 mg täglich) und Trazodon (25 mg, 1x täglich vor dem Schlafengehen nach Bedarf bei Angst oder Unruhe, und 25–100 mg vor dem Schlafengehen bei Schlaflosigkeit) sind oft wirksame Alternativen und bergen ein geringeres Risiko für unerwünschte Wirkungen.

Trotz des nach wie vor relativen Mangels an evidenzbasierten Medikamenten zur Behandlung von Angstzuständen in der Palliative Care zeigten einige Substanzen wie Ketamin, Psilocybin und medizinisches THC/CBD ermutigende Ergebnisse in einigen kleineren Studien zur Behandlung von Angstzuständen am Lebensende (2, 52–53, 55).

PD Dr. med. Dr. phil. Manuel Trachsel

Leiter Abteilung Klinische Ethik
Spitalstrasse 22
4031 Basel
Schweiz

manuel.trachsel@usb.ch

Prof., MD, PhDScott A. Irwin

Cedars-Sinai Cancer and Department of Psychiatry and Behavioral Neurosciences,
Cedars-Sinai Health System,
Los Angeles,
USA

Prof., MD, PhD, FRCPC Harvey Max Chochinov

Department of Psychiatry
University of Manitoba
CancerCare Manitoba
Winnipeg
Canada

Die Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

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Schmerztherapie in der Palliative Care

Einleitung

Palliative Care setzt sich zum Ziel, die Lebensqualität von chronisch erkrankten Personen mit einer reduzierten Lebenserwartung zu verbessern (1). Schmerz ist ein Symptom, unter dem Patienten im Verlauf einer Erkrankung unterschiedlich stark leiden, eine Reevaluation der Therapie sowie eine Adaption der Massnahmen im Krankheitsverlauf sind wichtig (2). Schmerz ist unabhängig von der Grunderkrankung eines der belastendsten und häufigsten Symptome am Lebensende (3). So leiden ca. 66 % der Betroffenen mit fortgeschrittener oder terminaler Krebserkrankung unter Schmerzen. Dies führt zu Beeinträchtigung der Lebensqualität, der Funktionalität und zu psychischer Belastung. Bestimmte Krebstypen wie Pankreas- oder ORL-Tumoren sind besonders häufig mit Schmerzen assoziiert (4).

Die meisten Empfehlungen und Leitlinien gründen auf Therapien bei Patienten mit malignen Erkrankungen. Die AWMF-Leitlinie für Palliativmedizin/S3-Leitlinie bezieht sich explizit auf die Therapie bei onkologischen Erkrankungen. In der Einleitung ist folgender Hinweis zu lesen: «… inwiefern die Empfehlungen auf Patienten mit nicht onkologischen Erkrankungen angewendet werden können, muss im Einzelfall geprüft werden» (5). In der Medizin und auf den Notfallstationen überwiegt jedoch die Anzahl älterer, multimorbider Patienten mit nicht onkologischen, akuten oder chronisch-progredienten lebenslimitierenden Erkrankungen. Zu letzteren gehören u. a. Herzinsuffi­zienz, chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD), fortgeschrittene Niereninsuffizienz oder neurologische Erkrankungen, wie z.B. die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) und der M. Parkinson (6). Zu Beginn einer Parkinson-Erkrankung beispielsweise leiden 20 % der Betroffenen unter Schmerzen, im Verlauf der Erkrankung bis zu 80 % (7). Für Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenen ischämischen Herzerkrankungen gehören Schmerzen oft zum Alltag (8).

Trotz der langjährigen Verfügbarkeit von Leitlinien, wie z. B. der WHO-Stufenleiter, ist die Behandlung bei einem Drittel der Betroffenen nach wie vor unzureichend (9). Schmerz in der Palliative Care ist ein komplexes Symptom, welches im Rahmen des bio-psycho-sozialen und spirituellen Konzeptes eingeordnet und behandelt werden muss.

Definitionen

Schmerz ist ein subjektives «unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis» (10). Die Definition der IASP (International Association for the Study of Pain) schliesst die emotionalen Anteile des Schmerzes mit ein, unabhängig von der Ursache und dem Ort der Entstehung der Schmerzen. Subjektiv bedeutet, dass die Beurteilung, ob ein Schmerz stark oder schwach ist, ob adäquat erscheinend, immer nur vom Patienten selbst beurteilt werden kann und durch die persönliche Erfahrung geprägt ist.
Je nach Ursache des Schmerzreizes spricht man von nozizeptivem und neuropathischem Schmerz (Tab. 1). Nozizeptoren sind rezeptive Strukturen auf der Oberfläche freier Nervenendigungen, welche die Stärke und den zeitlichen Verlauf u.a. von mechanischen und thermischen Reizen messen, welche kortikal als Schmerz wahrgenommen werden (11). Nozizeptoren kommen nahezu in allen Organen vor, mit grösster Dichte in der Haut, nicht aber im Gehirn und in der Leber. Die Nozizeptoren der inneren Organe vermitteln einen oft dumpfen, schlecht lokalisierbaren Schmerz, der auf Hautareale übertragen werden kann, die von demselben Rückenmarkssegment innerviert werden wie das schmerzende Organ. Diese Hautzonen werden als Head-Zonen bezeichnet (12).

Bei den neuropathischen Schmerzen kommt es zu einer Schädigung im Nervensystem, die unter anderem zu salvenartigen Impulsbildungen im Versorgungsgebiet führen und von den Patienten als blitzartig und einschiessend bezeichnet werden (11). Mögliche Ursachen sind neben mechanischen Verletzungen und einwachsenden Metastasen bspw. auch Stoffwechselstörungen und systemische Noxen (u.a. Diabetes mellitus oder ­Chemotherapeutika) mit daraus folgender Polyneuropathie. Diese Einteilung ist wichtig für die Therapieplanung.

Der Begriff Durchbruchschmerz beschreibt eine vorübergehende Schmerzexazerbation, die bei Patienten mit relativ konstanten und angemessen kontrollierten Dauerschmerzen auftritt (13).

Palliative Care beugt Leiden und Komplikationen vor. Sie umfasst medizinische Behandlungen, pflegerische Interventionen sowie psychologische, soziale und spirituelle Unterstützung (14). Die spirituelle Komponente ergänzt das bio-psycho-soziale Schmerzmodell nach Engel (15). Palliative Patienten sprechen nicht nur von Schmerzen und anderen Symptomen, sondern äussern zusammen mit diesen Beschwerden auch seelische, soziale und spirituelle Not (16). Schenkt man diesen Einflussfaktoren keine oder zu wenig Beachtung, bringt die medikamentöse Behandlung womöglich nicht den gewünschten Effekt. Cicely Saunders, Pionierin der modernen Hospizbewegung und Begründerin unseres heutigen Verständnisses von Palliative Care, hat in diesem Zusammenhang in den 1960er- Jahren den Begriff des Total Pain (Abb. 1) geprägt.

In der Palliativmedizin wird Schmerz mehrdimensional gesehen. Schmerz entsteht durch physische, psychische, soziale und spirituelle Stressoren (17). Das Konzept Total Pain bezieht sich auf einen refraktären Schmerz, ein Leiden, das über die physische Dimension hinausgeht (18, 19, 20).

Belastungen in den vier Dimensionen des Total-Pain-Konzeptes können somatisch bedingte Schmerzen verstärken. Dank des multiprofessionellen Ansatzes in der Palliative Care kann lindernd auf Total Pain eingewirkt werden.

Erfassung

Für die Erfassung der Schmerzstärke gibt es verschiedene Messmodelle (21). Am häufigsten wird die Numeric Rating Scale (NRS) mit einer 10-Punkte-Skala von 0 bis 10 verwendet. Die Erfassung sollte routinemässig und in festen Zeitabständen erfolgen, immer auch nach Gabe eines Schmerzmittels, damit dessen Effektivität beurteilt werden kann. Bei älteren Menschen, Patientinnen und Patienten mit eingeschränkter Kommunikationsfähigkeit und/oder kognitiver Beeinträchtigung ist die Selbsteinschätzung mittels NRS oft nicht zuverlässig anwendbar. Hier greift man auf Fremdbeobachtungsskalen zurück, welche insbesondere drei Verhaltenskategorien berücksichtigen. Diese sind Mimik, Lautäusserungen und Körperbewegungen bzw. -haltung. Ein Fragebogen, der diese Elemente aufnimmt, ist z.B. der Doloplus-2, welcher auch in vielen Sprachen verfügbar ist (22).

Für die Schmerzanamnese ist das Akronym SOCRATES hilfreich:
– Site (Ort)
– Onset (Beginn)
– Character (Schmerzcharakter)
– Radiation (Ausstrahlung)
– Associated Factors (assoziierte Faktoren)
– Timing (Zeitpunkt)
– Exacerbating and Relieving Factors (verschlimmernde und lindernde Faktoren)
– Severity (Ausprägung/Schweregrad) (23, 24)

Parallel soll bei der Anamnese die Schmerzart eingeschätzt werden: nozizeptiv oder neuropathisch. Eine Kombination von nozizeptivem und neuropathischem Schmerzcharakter ist möglich und häufig. Auch sollte eingeordnet werden, ob der Schmerz in Zusammenhang mit der Grunderkrankung steht, also z.B. als Tumorschmerz, oder einer anderen Erkrankung zugeordnet werden kann, wie z.B. einer Post-Zoster-Neuralgie oder durch die Rigidität bei Morbus Parkinson.
Zusätzlich zur klinischen Untersuchung soll eine umfassende Anamnese im Sinne des Konzeptes von Total Pain mit dem Erkrankten und den Angehörigen erfolgen: Körperliche und kognitive Ressourcen, kommunikative Fähigkeiten, kultureller Hintergrund, Religionszugehörigkeit und Krankheitssicht beeinflussen den Umgang mit Schmerzen. Die Erwartungen von Patientinnen und Patienten sowie ihren Angehörigen sollten erfasst und, sofern unrealistische Erwartungen bestehen, in einem Gespräch die Ursachen, Therapiemöglichkeiten und Therapieziele gemeinsam besprochen werden.

Essenziell ist, dass die Schmerzerfassung repetitiv erfolgt, damit auf Veränderungen, wie sie z. B. mit Fortschreiten der Grunderkrankung erfolgen, reagiert werden kann (4).

Therapie

Verschiedene Schmerzzustände erfordern verschiedene Massnahmen. Patientinnen und Patienten der Palliative Care benötigen einen individuellen Therapieansatz. Ein multidisziplinäres und multimodales Vorgehen ist häufig erforderlich. Es ist wichtig, Etappenziele in der Schmerzbehandlung zu definieren, wie beispielsweise:

1. Verbesserung des Schlafs
2. Verbesserung der Schmerzkontrolle in Ruhe
3. Verbesserung bei körperlicher Aktivität

Die Verbesserung bei körperlicher Aktivität kann leider nicht immer komplett erreicht werden (24, 20). Wenn passend, gewünscht und möglich, sollte die Behandlung der Grunderkrankung, wie z.B. in der Onkologie die Therapie des Gewebeschadens durch die Neoplasie mit Radiotherapie, Chemotherapie, Biologicals und/oder Chirurgie, erfolgen. Diese Massnahmen haben dann oft Schmerzlinderung zur Folge. In der Neurologie kann die Anpassung der Parkinson-Therapie eine solche schmerztherapeutische Intervention darstellen.

Nicht pharmakologische Massnahmen

In einem kürzlich erschienenen Review beschreibt van Veen als schmerzlindernde, nicht pharmakologische Massnahmen den Einsatz von Massage und Virtual Reality. Wohingegen für Kunsttherapie keine hinreichende Evidenz nachgewiesen werden konnte, ebenso im Hinblick auf mindful breathing interventions. Vielversprechende Resultate zeigten Hypnose, Progressive Muskelrelaxation, cognitive-behavioral audiotapes, warmes Fussbad mit Wickel, Reflexzonenmassage und Musiktherapie.

Musiktherapie und Körperanwendungen/Massage werden häufig angewendet, aber auch Akupunktur, Physiotherapie und Aromatherapie. Wenngleich nicht immer wissenschaftlich bewiesen, soll man sich bei nicht medikamentösen harmlosen Massnahmen individuell durch das Wohlbefinden des kranken Menschen leiten lassen.
Die Anwendung von Transcutaneous Electric Nerve Stimulation (TENS) kann bei neuropathischen Schmerzen sehr erfolgreich sein (26, 27).

Pharmakologische Massnahmen

Die sechs wichtigsten Schritte, welche bei der Verwendung von Analgetika bei palliativen Patientinnen und Patienten mit Krebs oder anderen fortgeschrittenen Krankheiten angewendet werden sollten, entsprechen den WHO-Leitlinien (28, 29, 30, 31):
1. By the clock: Die Einnahme sollte in fixen Intervallen entsprechend der Wirkdauer des Medikaments erfolgen. Bis das Wohlbefinden erreicht ist, sollte die Dosis schrittweise gesteigert werden.
2. By the mouth: Wenn immer möglich sollte das Arzneimittel oral verabreicht werden.
3. For the individual: Die Einordnung des Schmerzes nach: a) Schmerzcharakter (nozizeptiv versus neuropathisch versus gemischt); b) Ursprungsort des Schmerzbildes. Die Dosis soll nach individuellem Bedarf auftitriert werden, bis das persönlich akzeptable Schmerzniveau erreicht ist.
4. As Required: Es sollten immer Reservemedikamente verordnet werden.
5. Effektivität messen und dokumentieren, wie bereits im Abschnitt «Erfassung» beschrieben.
6. Attention to detail: Berücksichtigung der Tagesstruktur bei Festlegung des Einnahmezeitpunkts der Analgetika. Erstellung eines Medikamentenplans mit Basis- und Reservemedikation. Nebenwirkungen sollten besprochen, erfasst und wenn möglich behandelt werden.

Für die Einteilung der Analgetika hat sich die WHO-Stufenleiter bewährt (Abb. 2). Diese wurde 1986 erstmals als Hilfsmittel bei Tumorschmerzen empfohlen und seither stetig weiterentwickelt. Der Einsatz hat sich auch ausserhalb des Bereichs der Tumorschmerzen etabliert. Hierbei entspricht Stufe 1 Non-Opioiden, Stufe 2 und 3 den schwachen bzw. starken Opioiden. Zu den drei genannten Stufen wurde eine vierte hinzugefügt, welche interventionelle analgetische Verfahren beinhaltet, wie bsp. die intra­thekale Schmerztherapie. Zudem wurde die Medikamentengruppe der Co-Analgetika hinzugefügt. Von einem initial unidirektionalen Einsatz ist man zu ­einem bidirektionalen Einsatz übergangen (32).

WHO-Stufe 1: Non-Opioide (Tab. 2)

Paracetamol, ein schwacher Hemmer der Cyclooxygenase COX-2 und/oder COX-3, wirkt analgetisch und antipyretisch (33). Paracetamol verfügt über eine eher schwache analgetische Potenz, lässt sich aber gut mit Opioiden kombinieren (34). Bei 4 x täglicher Einnahme kommt es allerdings zu einer erheblichen Tablettenlast. Die langfristige Anwendung sollte somit auf die Patientinnen und Patienten beschränkt werden, die innert eines kurzen Zeitfensters einen klaren Nutzen zeigen (35). Bei älteren, untergewichtigen oder kachektischen Menschen oder bei Leberinsuffizienz resp. Äthylabusus soll die Dosis reduziert und die intravenöse Verabreichung vermieden werden. Die maximale Tagesdosis von 3 bis 4 g/d soll nicht überschritten werden. Paracetamol ist immer noch eine wichtige Ursache von akutem Leberversagen.

Metamizol (Dipyrone) ist bereits seit 1992 auf dem Markt (23). Der genaue Wirkmechanismus ist nach wie vor unklar. Es wirkt analgetisch, antipyretisch und schwach antiphlogistisch. Zudem hat es auch eine spasmolytische Wirkung, weswegen es oft bei viszeralen (kolikartigen) Schmerzen eingesetzt wird. Der Einsatz erfolgt in Monotherapie oder in Kombination mit Opioiden. Die Wirksamkeit auch in niedrigeren Dosen ist belegt. Die Kombination von Morphin und Metamizol kann eine verbesserte Schmerzlinderung erzielen. Obwohl es mit der seltenen, aber gravierenden Nebenwirkung der Agranulozytose assoziiert ist, gilt Metamizol bezüglich gastrointestinaler und nephrologischer Nebenwirkungen viel sicherer als die NSAR (30, 36, 37, 38, 39).

NSAR, Inhibitoren der COX-2 und COX-1, wie bspw. Ibuprofen oder Diclofenac, werden wegen ihrer potenziellen nephrologischen und gastrointestinalen Toxizität weniger häufig angewendet (38, 39). Ein gezielter Einsatz kann wegen der starken antientzündlichen Wirkung sinnvoll sein bei z.B. Knochenmetastasen, Weichteiltumoren oder Metastasen mit einer inflammatorischen Komponente. Für die Indikation Tumorschmerz ist kein NSAR dem anderen überlegen (40). NSAR haben zu der analgetischen auch eine gute antipyretische Wirkung (24, 29). Die selektiven Inhibitoren der COX-2 werden in der Palliativmedizin nur selten angewendet.

WHO-Stufe 2 und 3: Opioide

Opium ist ein Extrakt aus Mohn (Papaver somniferum), das Morphin und andere verwandte Alkaloide enthält. Es wird schon seit Tausenden von Jahren benützt zur Verbesserung des Schlafs, zum Auslösen von Euphorie, zur Analgesie und Behandlung von Diarrhoe. Die Struktur von Morphin wurde 1902 entdeckt, und seither wurden viele synthetische Opioide entwickelt (33). Opioide interagieren mit den Opioidrezeptoren. Es gibt vier verschiedene Opioidrezeptoren: µ, κ, δ und Opioid-like 1 (OPRL-1). Alle klinisch relevanten opioidhaltigen Analgetika sind Agonisten des µ-Rezeptors. Die Affinität für die übrigen Rezeptoren ist von Molekül zu Molekül unterschiedlich. Buprenorphin ist ein «mixed Agonist-Antagonist»-Analgetikum: Agonist am OPRL-1 und am µ-Rezeptor, Antagonist am κ- und δ-Rezeptor (29, 33, 43).

Auch die Nebenwirkungen, hauptsächlich gastrointestinal und zerebral, werden durch Interaktion mit den zentralen und peripheren µ-Rezeptoren verursacht und sind bei allen Molekülen ähnlich (33, 43). Insbesondere zu nennen sind die Nausea, vor allem zu Beginn der Therapie, und die Obstipation, welche unter der Behandlung bestehen bleibt. Zentrale Nebenwirkungen wie Sedation, Delir und Atemdepression oder auch Myoklonien weisen auf Erreichen des toxischen Bereichs hin. Sie bedingen eine Dosisreduktion oder allenfalls eine Antagonisierung mit Naloxon. Bei sorgfältiger Titration in das analgetisch therapeutische Fenster ist das Risiko einer Atemdepression gering (44).

Nach Twycross 2021 (44) steht bei Patientinnen und Patienten mit einer kurzen Überlebensprognose von Wochen bis Monaten die Schmerzlinderung im Vordergrund.
Zu den schwachen Opioiden der WHO-Stufe 2 zählen Codein, Tramadol und Tapentadol. Diese Stufe spielt in der Palliativmedizin nur eine untergeordnete Rolle (begrenzter Effekt, Maximaldosis, zahlreiche Nebenwirkungen, Interaktionen und Unmöglichkeit der Kombination mit Stufe 3). Deshalb ist der Einsatz von niedrig dosierten Stufe-3-Präparaten oft grösser und führt schneller zum Ziel. Aufgrund fehlender Verfügbarkeit von Stufe-3-Präparaten in vielen Ländern wurde die zweite Stufe jedoch belassen (29, 30, 31, 35, 45).

Die starken Opioide der WHO-Stufe 3 sind die Eckpfeiler der palliativmedizinischen Schmerztherapie. Als reine µ-Rezeptoragonisten stehen Morphin, Oxycodon +/– Naloxon, Hydromorphon, Fentanyl und Methadon zur Verfügung. Keines der genannten Präparate zeigte in systematischen Übersichtsarbeiten eine Überlegenheit gegenüber dem anderen (46). Es gibt grundsätzlich keine Kontraindikationen für starke Opioide, falls man mit der richtigen Dosis startet. Alle starken Opioide haben eine ähnliche Wirkung und Verträglichkeit. Bei der Wahl des Moleküls soll man die Verfügbarkeit und patienteneigenen Faktoren berücksichtigen. Morphin, Hydromorphon und Oxycodon sind die Moleküle der ersten Wahl (45). Ohne Kontraindikationen startet man meistens mit Morphin (47). Zu beachten sind die unterschiedlichen Potenzen. Fentanyl ist als potentestes der genannten Opioide zu werten, gefolgt von Hydromorphon, Oxycodon und Morphin. Dieses spiegelt sich in den Äquipotenzen wider, so entsprechen z.B. 4 mg Hydromorphon oral ca. 30 mg Morphin oral.

Ein paar Faustregeln sind bei Therapiebeginn insbesondere bei opioidnaiven Patientinnen und Patienten zu beachten (29):
01) Perorale Gabe von Morphin, wenn möglich
02) Start low – go slow: Mit tiefer Dosis starten, eintitrieren, bis das therapeutische Fenster (gute Analgesie mit minimalen Nebenwirkungen) erreicht ist (Tab. 3)
03) Kombination eines langwirksamen Präparats mit einem kurzwirksamen als Reserve (Bolus).
04) Dosis der Reserve = 1/10 bis 1/6 der Tagesdosis (z.B. bei einer Tagesdosis von 2 x 15 mg retardiertem Morphin ist die Dosis der Reserve 3 bis 5 mg kurzwirksames Morphin, 5 mg eher bei starken Durchbruchschmerzen, z.B. NRS ≥5). Diese Reserveboli können jede Stunde verabreicht werden. Die Wirksamkeit des Reservebolus soll dokumentiert werden, idealerweise 30 bis 45 Minuten nach der Verabreichung.
05) Die benötigte Gesamtdosis der Reserveboli pro 24 Stunden kann am nächsten Tag zur fixen Tagesdosis dazugerechnet werden. Bsp.: Wenn ein Patient mit 2 x 15 mg retardiertem Morphin die letzten 24 Stunden 3 Reserveboli à 3 mg Morphin benötigte, kann die Tagesdosis auf 2 x 20 mg des retardierten Morphins erhöht und die Reservedosis auf 4 mg kurzwirksames Morphin angepasst werden. Die Tagesdosis soll maximal um 50 % erhöht werden.
06) Bei Umstellung von peroral (p.o.) nach intravenös (i.v.) oder subkutan (s.c.) liegt der Umstellungsfaktor zwischen 1:2 und 1:3. Im Alltag hat es sich bewährt, wie folgt umzurechnen (BOX 1):
– p.o. nach s.c.1:2
– p.o. nach i.v. 1:3
07) Starke Opioide (Stufe 3) mit Analgetika der Stufe 1 kombinieren
08) Keine Kombination von Stufe-2- und -3-Analgetika
09) Mit einer laxativen Therapie starten zur Vorbeugung von Obstipation
10) Die Nierenfunktion kontrollieren: bei Niereninsuffizienz wenn möglich Hydromorphon oder Fentanyl (transdermal) einsetzen
11) Zu Beginn der Opioidtherapie entwickeln Patientinnen und Patienten oft vorübergehend Nausea. Man kann während den ersten Tagen Antiemetika wie Domperidon oder Metoclopramid dazugeben, alternativ eine tiefe Dosis Haloperidol oder ein Kortikoid erwägen.

Im Folgenden soll noch auf zwei der starken Opioide gesondert eingegangen werden. Methadon ist wegen seiner stark variablen Halbwertszeit, seiner komplexen Dosierung, seiner unter anderem kardialen Nebenwirkungen und möglicher Stigmatisierung (Einsatz bei Opioid-Agonisten-Therapie) ein Molekül, das nur von Ärztinnen und Ärzten mit entsprechender Erfahrung angewendet werden soll (29). Buprenorphin als gemischter Agonist-Antagonist wird zur Analgesie in der Palliativmedizin sehr selten angewendet.

Falls bei ausgebauter Opioidtherapie eine suboptimale Schmerzkontrolle besteht und/oder unerträgliche Nebenwirkungen auftreten, kann eine Opioidrotation durchgeführt werden: Man rotiert das Molekül oder die Applikationsform. Bei Wechsel des Moleküls erfolgt eine Reduktion der Dosis um 20–30 %. Es gibt auch Karten mit Umrechnungstabellen oder gute Onlineapplikationen wie die des Universitätsspitals Zürich (48).

Liegen Organinsuffizienzen vor, soll vorsichtig und in reduzierter Dosis eintitriert werden. Bei schwerer Leberinsuffizienz gilt es, den Einsatz schwacher Opioide (Stufe 2) zu vermeiden. Generell findet sich eine höhere systemische Exposition der meisten Opioide, sodass eine Dosisreduktion um 50–75 % empfohlen wird. Beim Einsatz eines Oxycodon-Naloxon-Kombinationspräparats muss beachtet werden, dass bei mässiger bis schwerer Leberinsuffizienz Naloxon in der Leber weniger eliminiert wird und somit systemische Wirkung entfalten könnte, was die Wirkung des Oxycodons mindert. Hier sollte das Monopräparat Oxycodon genutzt werden.

Bei Niereninsuffizienz kumulieren Hydromorphon, Oxycodon und Fentanyl weniger bzw. gar nicht. Beachtet werden sollte der Einsatz geringerer Initialdosen, vorsichtige Titration und ein längeres Dosisintervall. Beim Einsatz von Morphin hingegen kommt es zur Kumulation von Metaboliten. Wenn ein Einsatz unumgänglich ist, kann eine sehr vorsichtige Titration (1.25–2.5 mg p.o./s.c. bei Bedarf) mit Wechsel auf ein Fentanyl TTS nach Erreichen der Schmerzkontrolle erwogen werden (35). In der Sterbephase ist der Einsatz von Morphin oft sinnvoll, da einfach verfügbar, i.v. und s.c. applizierbar.

Co-Analgetika in verschiedenen Indikationen

Die Behandlung neuropathischer Schmerzen kann he­rausfordernd sein. Als Erstlinientherapie gelten die selektiven Serotonin-Noradrenalin-Reuptake-Inhibitoren (SNRI) Duloxetin und Venlafaxin, die trizyklischen Antidepressiva (TZA), von denen einige auch in Tropfenform gegeben werden können, sowie die Antiepileptika Gabapentin und Pregabalin. Als Zweitlinientherapie werden die topischen Therapeutika Capsacin und Lidocain empfohlen. Zudem wird der Einsatz von Tramadol vorgeschlagen. Allerdings zeigt letztgenanntes oft nicht eine ausreichende analgetische Wirkung trotz der zusätzlichen Serotonin-Reuptake-Hemmung. Somit sind die starken Opioide als dritte Linie eine bessere Option. Kombinationen zwischen den Sub­stanzklassen sind sinnvoll (49).

Die Anwendung in dieser Indikation ist meistens «practice-based» und off-label, obwohl es mittlerweile viele randomisierte Studien zu verschiedenen Indikationen gibt, wie z.B. bei Taxan-induzierten neuropathischen Schmerzen (50). Neben Depression und Angststörung sind auch die diabetische und Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie Indikationen für den Einsatz von Duloxetin (51, 62). Wegen der Metabolisierung via CYP2D6 gibt es für Amitryptilin, Venlafaxin und Duloxetin viele Interaktionen und je nach Enzymaktivität verschiedene Phänotypen (slow, rapid intermediate Metabolizer), die beachtet werden müssen (52, 53).

Pregabalin und Gabapentin blockieren zentrale Calciumkanäle und hemmen so die Freisetzung von Neurotransmittern wie Glutamat und Noradrenalin. Obwohl als Antiepileptika entwickelt, werden sie aktuell hauptsächlich für die registrierten Indikationen bei neuropathischem Schmerz eingesetzt. Diese Substanzen werden wenig metabolisiert; daher sind Interaktionen seltener. Bei Niereninsuffizienz muss die Dosis reduziert werden, Gabapentin bietet in diesem Fall mehr Möglichkeiten (54, 55).

Bei Leberkapselschmerz, Kopfschmerzen wegen Hirnmetastasen, Obstruktion oder anderen Schmerzen als Folge von Überdruck und Ödem sind Kortikoide (Dexamethason oder Methylprednisolon) sehr hilfreich (24). Beim Einsatz von Dexamethason hat sich eine Dosis zwischen 4 und 16 mg/d bewährt.
Trotz manchmal euphorischer medialer Berichterstattungen gibt es bis jetzt keine Evidenz für Cannabis in der Schmerztherapie (56, 57).

Applikationsformen

Die orale Applikation ist vorzuziehen. Gewisse Arzneimittel können als Schmelztabletten (auf die Zunge, z.B. Lorazepam oder Domperidon) oder sublingual (unter die Zunge, z.B. Buprenorphin oder Nitroglycerin) verabreicht werden. Wenn Erkrankte schwächer werden, verwirrt sind, unter Nausea/Erbrechen oder an einer intestinalen Ob­struktion leiden, muss eine alternative Applikationsform gewählt werden. In der Palliativmedizin, vor allem zu Hause, ist dabei oft Kreativität gefragt. Siehe auch Fallbeispiel (BOX 2).

Die transdermale Verabreichung (Transdermale Therapeutische Systeme, TTS) ist für z.B. Buprenorphin und Fentanyl eine elegante und effiziente Lösung, wobei letztgenanntes häufiger genutzt wird. Wichtig ist, dass man genau weiss, welche Dosis notwendig ist, da das Eintitrieren wegen der langen Latenzzeit anspruchsvoll ist. Sie sind nicht für eine unkontrollierte Akutschmerzsituation als erstes Opioid geeignet. Für die Resorption muss ein ausreichendes subkutanes Fettpolster vorhanden sein. Für terminal erkrankte Menschen wird diese Anwendung nicht empfohlen.

Der subkutane Applikationsweg hingegen wird in der Palliativmedizin sehr häufig angewendet. Die Vorteile sind der einfache Zugang und die geringe benötigte Flüssigkeitsmenge. Mittels einer s.c.-Pumpe kann das Arzneimittel kontinuierlich verabreicht werden, die Reserven können als Boli s.c. gespritzt werden. Dieser Zugangsweg ist für sehr viele Moleküle geeignet, wenn auch meistens «off-label». Es besteht jedoch eine jahrelange Erfahrung in der Anwendung (58, 59, 60, 61). Als analgetische Substanzen werden Morphin und Hydromorphon verwendet. Für letzteres muss im ambulanten Einsatz eine Kostengutsprache gestellt werden. Nur bei Erkrankten mit ausgeprägten Ödemen, peripheren Durchblutungsverhältnissen (Resorptionsproblemen) oder Gerinnungsstörungen (Hämatomrisiko) wird die subkutane Verabreichung nicht empfohlen. Bis zu einer Thrombozytenzahl von 10 000/μl ist die s.c.-Gabe problemlos möglich (Erfahrungswert). Die intravenöse Verabreichung ist eine Alternative bei hohen Dosen mit zu grosser Flüssigkeitsmenge für die s.c.-Gabe. Für Notfallsituationen ist die in­travenöse Applikation vorzuziehen.

Kopfschmerzen aufgrund von primären Hirntumoren oder Metastasen sprechen häufig sehr gut auf Stufe-1-Analgetika an (Paracetamol/Ibuprofen/Novalgin). Können Betroffene nicht mehr schlucken, ist die rektale Gabe in Erwägung zu ziehen. Fixe Gaben können mit der Körperpflege oder dem Frischmachen nach Wasserlösen oder Stuhlgang verbunden werden.

WHO Stufe 4: Interventionelle Verfahren

Die intrathekale Schmerztherapie mit Opioiden über ein implantiertes Kathetersystem wird der WHO-Stufe 4 zugeordnet. Diese soll als Beispiel für interventionelle Therapien herangezogen werden. Sie kann eine Option bei komplexen Tumorschmerzen sein. Als mögliche Indikationen gelten:
– Therapierefraktäre Schmerzen mit nicht tolerierbarer Schmerzintensität und Beeinträchtigung der Lebensqualität
– Ungenügende Schmerzlinderung oder deutliche Nebenwirkungen durch konservative Opioidtherapie und Co-Analgetika
– Prognose einer kontinuierlichen/fortschreitenden Schmerzproblematik aufgrund des Tumorwachstums oder postinterventioneller Therapiefolgen

Vor einer Implantation müssen psychiatrische Erkrankungen ausgeschlossen bzw. stabilisiert sein, ebenso sollte eine Total-Pain-Komponente beachtet werden. Für eine Implantation ist immer ein stationärer Aufenthalt mit Abstimmung der involvierten Disziplinen notwendig. Auch muss die weitere ambulante Betreuung durch spezialisierte Pflegedienste und ein schmerztherapeutisch anästhesiologisches Team gewährleistet sein (BOX 3) (4).

Dr. med.Mirjam Buschor-Bichsel

Zentrumsleiterin
Palliativzentrum
Leitende Ärztin
Schmerzzentrum
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St. Gallen

mirjam.buschor-bichsel@kssg.ch

Dr. med. MScAndrea Berendes

Leitende Ärztin Palliativzentrum
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St. Gallen

Prof. Dr. med. Katelijne De Nys

Leitende Ärztin, Stv. Zentrumsleiterin
Palliativzentrum
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St. Gallen

Die Autorinnen haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

1) Schmerzen sind in der Palliative Care bei unterschiedlichen Grunderkrankungen häufig und sollen unter dem bio-psycho-sozialen-spirituellen Aspekt erfasst und beurteilt werden.
2) Für die Schmerzanamnese kann das Akronym SOCRATES ­genutzt werden.
3) Die Klassifikation des vorliegenden Schmerzmechanismus ­(nozizeptiv, neuropathisch, gemischt) ist wichtig für die Wahl der Medikamente. Hierbei ist die WHO-Stufenleiter nach wie vor ein Hilfsmittel.
4) Die Erstellung eines Schmerzmanagementplans mit medikamentösen und nicht medikamentösen Massnahmen und
die Besprechung desselben mit den Betroffenen und ihren ­Angehörigen ist ein wichtiger Teil der Schmerztherapie.
5) Eine umfassende Schmerztherapie beinhaltet, wenn immer möglich und sinnvoll, eine Behandlung der Grunderkrankung (z.B. Bestrahlung von Metastasen, Parkinson-spezifische ­Therapie).
6) Zur Schmerzlinderung sollte ein schrittweises Vorgehen ­angestrebt werden, z.B. als erster Schritt eine Verbesserung der Beschwerden in der Nacht.
7) Bei unzureichender Beschwerdelinderung oder herausfordernden Situationen sollte eine spezialisierte schmerztherapeutische ­Expertise beigezogen werden. «Never say: There’s nothing more I can do for you» (44).

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Mundschleimhautprobleme in der Palliative Care

Einführung

Der Mund gehört zu den lebenswichtigen Organen mit körperlichen wie auch psychischen Funktionen, dem ein ganzes Leben lang und vor allem in der letzten Lebensphase besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte. Er dient dem Kauen, Atmen, ermöglicht zwischenmenschlichen Austausch mittels Sprache, ist aber auch Organ für Geschmackssinne und letztendlich eng mit Sinnlichkeit verbunden. Die Mimik und insbesondere der Ausdruck von Emotionen werden in hohem Mass vom Mund bestimmt.
Probleme im Bereich der Mundhöhle wirken sich daher – über funktionale und gesellschaftliche Aspekte hi­naus – auch auf die Lebensqualität der Betroffenen aus.

Mundschleimhautprobleme treten in der Palliative Care sehr häufig auf; bis zu 80 % der Menschen sind davon betroffen (7). Dennoch wird dem Mund nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Die Beurteilung und Erfassung des Zustandes der Mundhöhle sollte aber systematisch, standardisiert und regelmässig erfolgen. Mit geeigneten Massnahmen können bei den betroffenen Menschen Funktionen wie Kauen, Schlucken und Sprechen verbessert werden, was auch zu neuer Freude bei der Teilnahme an Mahlzeiten und zur sozialen Integration bis hin zu besserem Selbstwertgefühl verhelfen kann.

Im anschliessenden Text werden kurz die wichtigsten Aufgaben des Mundes erläutert, um danach auf die häufigsten pathologischen Veränderungen bei Menschen in palliativen Situationen einzugehen. Der letzte Teil ist der Erfassung des Gesundheitszustandes des Mundes gewidmet sowie den präventiven und therapeutischen Massnahmen zur Linderung und Behebung der Symptome.

Der gesunde Mund

Der Mund kann seine vielfältigen Funktionen nur wahrnehmen, wenn die einzelnen Strukturen und Abläufe in einem Gleichgewicht zueinanderstehen. Da aber viele Komponenten eine Rolle spielen, kann es schnell zu einem Ungleichgewicht und zu Störungen kommen. Einen gesunden Mund erkennt man an den gut befeuchteten rosafarbigen Schleimhäuten, Gaumen und Zunge ohne jegliche Ablagerung. Die Zunge hat eine leicht raue Oberfläche.

Die grossen Speicheldrüsen produzieren in einem gesunden Mund ca. 1.5 Liter Speichel täglich; dieser ist klar und wässrig und hat zur Aufgabe, die Mundschleimhaut zu befeuchten, sodass Zunge und Gaumen sich korrekt bewegen können. Er reguliert den pH-Wert, remineralisiert die Zähne und reinigt die Mundhöhle. Beim Schlucken unterstützt er das problemlose Gleiten des Nahrungsbolus. Er enthält Enzyme, welche die erste Verdauungsphase einleiten und Immunoglobuline, die antibakteriell wirken. Seine Zusammensetzung kann variieren, wobei Regulation und die Produktion sehr komplex sind und vom sympathischen und parasympathischen Nervensystem beeinflusst werden.

Ätiologie, Symptome und klinische Untersuchung von Erkrankungen im ­Bereich der Mundschleimhaut

Ursachen von Mundschleimhautproblemen in Palliative-Care-Situationen

Die Ätiologien von Mundschleimhautproblemen in der Palliative Care sind vielfältig, häufig aber spielt der Faktor Mundtrockenheit (Xerostomie) dabei eine wesentliche Rolle. In Tabelle 1 sind die drei häufigsten Entitäten von Mundschleimhautproblemen bei Palliativpatienten zusammengefasst.

Xerostomie

Dieses subjektive Gefühl von Mundtrockenheit kann mit einer Reduktion der Speichelflüssigkeit (Hyposalivation) einhergehen oder auch nicht. Bei einer Hyposalivation entsteht dieses unangenehme Gefühl, sofern weniger als 50 % des Speichels gebildet werden. Xerostomie führt zu Problemen beim Schlucken trockener Nahrungsmittel; Betroffene unterstützen den Schluckakt durch das gleichzeitige Trinken von Flüssigkeit oder fügen den Esswaren Saucen bei. Die in Tabelle 1 genannten Ursachen sind vielfältig, in Palliative-Care-Situationen aber meistens auf Medikamente und deren Nebenwirkungen zurückzuführen. Obwohl die Xerostomie per se keine Erkrankung darstellt, führt sie beim betroffenen Menschen zu einem unangenehmen Gefühl bis hin zu Schmerzen. Bei den meisten wird die Intensität dieses Symptoms als mittelschwer bis schwer eingeschätzt (4, 7). Zudem verhindert die Xerostomie das korrekte Einnehmen von Nahrungsmitteln, kann den Schlaf stören, ist aber vor allem ein grosser Risikofaktor für die Entwicklung von weitaus schwerwiegenderen Mundschleimhautproblemen wie Läsionen, Infektion (bis hin zu systemischen Infektionen) oder Zahnleiden. Je nach Grunderkrankung besteht in der Palliative Care eine Prävalenz der Mundtrockenheit von 38 bis 92 % (9).

Kurz vor dem Lebensende nimmt die Häufigkeit der Mundschleimhautprobleme sogar noch zu, was eine longitudinale prospektive Studie in Langzeitpflegeinstitutionen in Norwegen gezeigt hat (13). Dies kann teilweise auf die Einnahme von Opiaten und Benzodiazepinen zurückzuführen sein: Studien haben gezeigt, dass praktisch alle Patienten (97 %) unter Opiaten an Xerostomie leiden, unter Benzodiazepinen sind es 87 % (1).

Bei der Xerostomie finden sich in der klinischen Untersuchung eine trockene Mundschleimhaut inklusive Zunge (eventuell mit Belag manchmal in Form einer Haarzunge), Zahnbelag sowie Zahnstein; der Speichel erscheint verdickt und weisslich; oft finden sich rissige Lippen mit Ablagerungen, und zudem besteht häufig ein Mundgeruch (Halitosis).

Stomatitis

Die Stomatitis tritt häufig bei Menschen mit Tumorerkrankungen (15–40 %) auf und stellt eine entzündliche Reaktion auf Läsionen im Mund dar, die wiederum meistens durch Chemo- und/oder Strahlentherapien verursacht werden. So ist es auch nicht erstaunlich, dass die am häufigsten betroffenen Menschen an einem Karzinom im HNO-Bereich oder Verdauungstrakt, einem Mammakarzinom oder einem Non-Hodgkin-Lymphom leiden (11). Weitere Ursachen für Entzündungsreaktionen im Mund können Verletzungen jeglichen Ursprungs sein, oder diese können auch im Rahmen von systemischen, meist viralen Infektionen auftreten (vor allem unter Immunsuppression).
Typische Zeichen einer Stomatitis sind Wunden und Ulzera begleitet von Ödemen bis hin zu Blutungen der Schleimhaut. Diese offenen Wunden in der Mundhöhle sind bei 48–67 % aller Betroffenen mit starken Schmerzen verbunden (7).

Mundsoor oder Candidose

Diese Pilzerkrankung wird durch Candida albicans ausgelöst und wird in der Palliative Care ebenfalls häufig diagnostiziert. Prävalenzen von 6.6 bis 44 % werden berichtet (4, 7). Candida albicans ist ein natürlich vorkommender Pilz im Verdauungstrakt (inklusive Mund). Bei lang anhaltender Immunsuppression (z.B. bei Behandlung mit Kortikosteroiden oder Zytostatika) kommt es zu einem Ungleichgewicht der Magen-Darm-Flora. Ein übermässiges Wachstum von Candida albicans mit entsprechender entzündlicher Reaktion ist die Folge. Auch ohne Immunsuppression kann bei Menschen mit folgenden Risikofaktoren ein Mundsoor entstehen: Mundtrockenheit, Antibiotikabehandlung, Diabetes mellitus, Mangelernährung, schlechte Mundhygiene, Zahnprothesen.

Klinisch treten typische gräulich-weissliche Beläge auf, welche sich fleckenartig auf der Mundschleimhaut, der Zunge, dem Zahnfleisch und den Lippen ausbreiten. Der Belag kann nur schwer entfernt werden, und darunter findet sich eine entzündete tiefrote, manchmal auch blutende Mundschleimhaut. Der betroffene Mensch beklagt sich über eine schmerzhafte Zunge, manchmal begleitet von einem metallischen Geschmack, sowie ein brennendes Gefühl im Mundbereich, bis hin zur Dysphagie oder Odynophagie.

Auswirkungen auf den betroffenen ­Menschen

Mundschleimhautprobleme haben nicht nur funktionelle Konsequenzen, sondern beeinflussen weit darüber hi­naus auch die Lebensqualität und das allgemeine Befinden eines Menschen.
Die Tabelle 2 vermittelt einen groben Überblick über die verschiedenen Probleme (von lokal über funktional bis hin zu global), die bei Menschen mit Verlust der enoralen Integrität auftreten können.

Beurteilung des Mundes

Obwohl die oben beschriebenen Probleme und Erkrankungen Auswirkungen auf den ganzen Menschen und seine Lebensqualität haben, wird dem Mund im klinischen Alltag leider nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Eine systematische und standardisierte Untersuchung ist aber unerlässlich und kann bereits mit wenig Aufwand vom Pflegepersonal, aber auch von Arztpersonen durchgeführt werden. Dies ist umso wichtiger, da einfache Präventivmassnahmen das Auftreten von weitaus schwerwiegenderen lokalen und systemischen Problemen verhindern können. Durch eine gezielte Anamnese werden bereits lokale Beschwerden wie Schmerzen oder Wunden sowie Sprach- oder Schluckprobleme erfasst. Eine klinische Untersuchung der Mundhöhle ergänzt die Anamnese. Bei dieser Inspektion und Gesamtbeurteilung kann es hilfreich sein, Bewertungsskalen zu benutzen, dies vor allem, um Verlaufskontrollen und Therapieerfolge dokumentieren zu können. Eine der weitverbreitetsten Skalen ist der «Oral Assessment Guide – OAG» (5); dieser wurde speziell für Menschen mit Tumorerkrankungen entwickelt und mittlerweile in mehrere Sprachen übersetzt.

Diese Skala beurteilt acht verschiedene Komponenten und Funktionen des Mundes und graduiert die Stärke der Beeinträchtigung von 1 (= gesund/normal) bis 3 (= stark beeinträchtigt): Es werden die Stimme, das Schlucken, die Lippen, die Zunge, der Speichel, die Schleimhäute, das Zahnfleisch und die Zähne respektive die Zahnprothesen beurteilt. Was nicht in dieser Skala erfasst wird, sind Geschmacksveränderungen und das Vorhandensein von Mundgeruch; auch Veränderungen oder Probleme mit Zahnprothesen werden nur marginal berücksichtigt, was jedoch bei älteren Menschen ein schwerwiegendes Problem darstellen kann. Es wird deshalb empfohlen, in der Palliative Care diese 3 Punkte ergänzend zu der OAG-Skala zu erfassen. Je nach Gesamtpunktzahl werden Präventivmassnahmen oder therapeutische Interventionen angeordnet. Auch zur Verlaufskontrolle kann die Gesamtpunktzahl der OAG-Bewertungsskala (minimal 8 Punkte = keine Probleme; maximal 24 Punkte = schwerwiegende Mundschleimhautprobleme) benutzt werden. Es wird empfohlen, je nach Zustand der Mundhöhle mindestens alle drei Tage die Beurteilung zu wiederholen, bei starker Beeinträchtigung sogar häufiger. Bei einem gesunden Mund reicht die Evaluation einmal wöchentlich.
In Box 1 finden sich Hinweise, wann der Einbezug von spezialisierten Fachpersonen (Fachpersonen für Mundschleimhaut-, Ohren-, Nasen-, Hals- oder Zahnerkrankungen) in Betracht gezogen werden sollte.

Prävention und Behandlung von ­Erkrankungen der Mundschleimhaut

Allgemeine Massnahmen und Prävention

Eine gesunde Mundhygiene ist die beste Strategie, um Mundschleimhautprobleme zu vermeiden. Mundpflege gehört wie die allgemeine Körperhygiene zur Standardbetreuung von Menschen in Palliative-Care-Situationen. Diese kann von Pflegepersonen ausgeführt werden und auf Wunsch auch den Angehörigen vermittelt werden. Sofern und solange wie möglich sollte aber die Selbstständigkeit des betroffenen Menschen angestrebt werden, auch in der Mundpflege. Dies hat unter anderem ebenso eine positive Wirkung auf das Selbstwertgefühl und soziale Interaktionen (3).

Die Mundpflege ist ein Eingriff in die Intimsphäre des kranken Menschen und sollte deshalb mit grösster Sorgfalt und Rücksicht ausgeführt werden. Das Einholen von Informationen über die Gewohnheiten bezüglich Mundhygiene und Ernährungspräferenzen helfen dabei, die individuellen Bedürfnisse des Menschen bestmöglich zu respektieren.

Zu den Grundmassnahmen gehört die Zahnpflege 2–3-mal täglich entweder mit einer weichen Zahnbürste und Fluorid-Zahnpasta oder mit einem Pflegestäbchen anstelle der Zahnbürste. Die Zahnprothesen werden gleich wie die natürlichen Zähne gepflegt. Anschliessend sollte der Mund mit Wasser ausgespült werden oder mit dem mit Wasser befeuchteten Pflegestäbchen nachgereinigt werden.

Es ist hervorzuheben, dass eine korrekte Mundhygiene nicht viel Zeit in Anspruch nimmt. Dies wurde in einer wissenschaftlichen Untersuchung erfasst: Im Schnitt waren 5.3 Minuten Mundpflege 2-mal täglich ausreichend, um nach drei Tagen eine signifikante Verbesserung der Mundtrockenheit (und eine Reduktion des OAG-Scores) zu erreichen; eindrücklich ist auch die Tatsache, dass mehr als 80 % der Teilnehmenden 10 Minuten nach der Mundpflege ihr Mundgefühl als sehr gut bewertet haben (10).

Medikamentöse und nicht medikamentöse ­Behandlungsmöglichkeiten

Xerostomie

Zur Verringerung von Mundtrockenheit hilft am besten die regelmässige und häufige Befeuchtung der Schleimhaut (manchmal mehrmals pro Stunde). Das natürlichste Produkt hierfür ist Wasser. Bei schweren Schluckstörungen kann die Applikation mittels Pflegestäbchen oder eines Zerstäubers erfolgen.
Anstelle von Wasser können, je nach Wunsch und Vorlieben der Betroffenen, auch andere Flüssigkeiten benutzt werden. Speiseöle (Olivenöl, Kokosnussöl, Haselnussöl etc.) können bedingt durch ihre Konsistenz Mundtrockenheit nachhaltig über eine längere Zeitdauer lindern, finden aber nicht bei allen Menschen Anklang. Dafür sind Eiswürfel aus Fruchtsaft (z. B. Ananas) als angenehmer und erfrischender Durststiller sehr beliebt. Kürzlich konnte wissenschaftlich aufgezeigt werden, dass Eiswürfel mit oder ohne Minze das Gefühl der Mundtrockenheit günstig beeinflussen, wobei diejenigen mit Minze verstärkt und länger anhaltend wirkten (12).

Bei im Handel erhältlichen Produkten handelt es sich um Speichelersatzprodukte basierend auf wässriger oder ­glycerinhaltiger Lösung oder um Sialagoga (speichelanregende Substanzen), welche cholinerge Stoffe oder natürliche Essenzen (Zitrone, Ascorbin etc.) enthalten. In einer systematischen Review ergab sich allerdings keine ausreichende Evidenz, um diese Medikamente zu empfehlen (8). Es ist hervorzuheben, dass zuckerfreie Kaugummis oder Bonbons ebenso erfolgreich den Speichelfluss anregen, dass diese aber bei Palliativpatienten und vor allem am Lebensende nicht einsetzbar sind.

Schlussendlich bieten viele Apotheken eigene Mischungen und Magistralrezepturen teils mit einem Fruchtaroma für Mundpflegelösungen an. Diese Mischungen enthalten häufig Bikarbonat (zur Alkalinisierung des Mundes), antifugale, antivirale und/oder antibakterielle Substanzen mit oder ohne Kortikoide und Lokalanästhetika. Auch hier kann für keine Mischung eine signifikante Überlegenheit nachgewiesen werden.
Zur Lippenpflege können fetthaltige Cremes oder Lippenpomaden benutzt werden.

Stomatitis

Zusätzlich zu den Basismassnahmen der Mundhygiene können Mundspülungen, welche entzündungshemmende Kortikosteroide und Lokalanästhetika enthalten, zur Symptomlinderung beitragen. Da der Schmerz bei dieser Erkrankung im Vordergrund steht, ist oft die Behandlung mit Schmerzmedikamenten wie Opiaten notwendig. Diese können systematisch oder lokal mittels einer Mundspülung verabreicht werden (14).

Substanzen basierend auf Bismutsalicylat und Sucrulfat oder andere Antacida wurden in verschiedenen Studien getestet, ohne dass ein Vorteil gegenüber den oben genannten Wirkstoffen erwiesen werden konnte. Es gibt bis heute noch keine Gold-Standard-Behandlung der Stomatitis, aber die allgemeine Strategie beinhaltet eine möglichst rasche Wiederherstellung der normalen Mundflora mittels Elimination von Pathogenen, falls solche vorhanden sind (6, 15).
Frühzeitig sollte der Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr bei Stomatitis Aufmerksamkeit gewidmet werden, da diese rasch unzureichend werden kann, vor allem bei Menschen mit Tumorerkrankungen unter zytostatischer Therapie. Je nach Behandlungsziel, Prognose und Allgemeinzustand der Betroffenen sollte vorübergehend eine künstliche Ernährung in Betracht gezogen werden.

Mundsoor

Standardtherapie bei Mundsoor ist die Behandlung mit einem Antimykotikum. Bei einem lokalen Infekt reicht die Behandlung mit z.B. einer Nystatin-Mundspülung. Bei einer schweren respektive ausgedehnten Infektion sollte das Antimykotikum oral (oder intravenös) verabreicht werden, mit z.B. 100 mg Fluconazol einmal täglich über 7 bis 10 Tage. Dabei ist auf Interaktionen von Fluconazol mit anderen Arzneimitteln (Zytochrom P450 Stoffwechseleinwirkungen) und auf dessen Hepatotoxizität zu achten.

Dr. med. Petra Vayne-Bossert

Hôpitaux Universitaires de Genève, Hôpital de Bellerive
Service de médecine palliative
11 chemin de la Savonnière
1245 Collonge-Bellerive

petra.vayne-bossert@hcuge.ch

Die Autorin hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

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Sprechen und Entscheiden bei schwerer Erkrankung

«Tag für Tag, so will es unser Pakt, geben wir uns in diesem Krankenhauszimmer terminologisch mit Details ab, unter Umgehung der unbeantwortbaren Fragen.

Die Bedeutung der Blutwerte, der T-Zellen-Zahl, des Vorhandenseins von Antigenen, die Eigenarten von Virusmutationen und körperlicher Reaktionen …» – so beschreibt der im Jahr 1996 an einem HIV-Infekt verstorbene amerikanische Schriftsteller Harold Brodkey in seinem Buch «Die Geschichte meines Todes» die Gespräche mit seinem ihm vertrauten Arzt drei Jahre vor seinem Tod (1). Und die unter einem metastasierenden Melanom leidende australische Journalistin Cory Taylor schildert in ihrem Buch mit dem Titel «Sterben – eine Erfahrung» ihre Wahrnehmung der medizinischen Betreuung im Spital folgendermassen: «In den Krankenhäusern sprechen wir nicht über den Tod, dort sprechen wir über Behandlungen. Ich gehe aus den Gesprächen immer mit dem Gefühl heraus, als sei meine Menschlichkeit, mein Menschsein durch die Begegnung gemindert, als ob man mich allein auf meine Krankheit reduziert hätte, als sei alles andere, das mich ausmacht, von mir abgefallen» (2).

Menschen mit lebensbedrohlichen Erkrankungen werden in der Regel von ärztlichen Fachpersonen über die Natur ihrer Erkrankung und entsprechende Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt. Immer wieder konnte allerdings gezeigt werden, dass sich Erkrankte kurz nach einer entsprechenden Information für oder gegen eine Behandlung entscheiden müssen und kaum eine Möglichkeit haben, die Informationen zu reflektieren oder nachzufragen. Wie Cory Taylor dies erlebt hat, geht es bei den Gesprächen überwiegend um Symptome und Behandlungsmöglichkeiten, kaum aber einmal um die von den Betroffenen oftmals nicht ausgesprochenen Sorgen und Ängste im Zusammenhang mit Sterben und Tod. Auch erwarten Patient/-innen in einem zunehmend fragmentierten und oftmals von technischen Untersuchungen dominierten Gesundheitssystem, dass alle an der Behandlung Beteiligten denselben Kenntnisstand haben. Zudem möchten sie wissen, wer die medizinische Hauptansprechperson ist. Schliesslich wünschen Betroffene, dass der Einbezug von nahestehenden Menschen diskutiert wird und dass diesen die Möglichkeit gegeben wird, eigene Fragen zu stellen (3). Trotz ärztlicher Aufklärung haben Menschen mit ernsten Erkrankungen oft keine richtige Vorstellung des Behandlungsziels und häufig allzu optimistische Erwartungen bezüglich der zu erwartenden Überlebenszeit (4, 5). Und nicht selten werden schwierige Nachrichten wohl übermittelt, was aber nicht bedeutet, dass sie auch aufgenommen und verstanden werden: So konnten sich von 200 Menschen mit einer angeborenen Herzkrankheit, deren Ärzt/-innen der Ansicht waren, mit ihnen über ihre Lebenserwartung, über Möglichkeiten der Gesundheitlichen Vorausplanung und über Reanimationswünsche gesprochen zu haben, nur insgesamt zwei an ein solches Gespräch erinnern (6).
Wenn Ärzt/-innen im Gespräch den Bedürfnissen von Menschen mit einer fortgeschrittenen Erkrankung gerecht werden möchten, empfiehlt sich hierfür ein strukturiertes Vorgehen (Abb. 1) (7).

Kranke Menschen als Palliativpatienten/-innen erkennen: Eine Aufgabe für Ärzt/-innen in der Grundversorgung

Noch immer ist auch in Fachkreisen die Ansicht weitverbreitet, dass ernstlich erkrankte Menschen dann zu Palliativpatienten/-innen werden, wenn sie sterbend sind und alle erdenklichen kurativen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Die Unsicherheit darüber, welche Menschen sich in einer palliativen Situation befinden, ist nach wie vor ein wesentliches Hindernis für den Zugang insbesondere zu allgemeiner und zu spezieller Palliative Care (8). Gemäss dem im Rahmen der Nationalen Strategie Palliative Care 2010–2015 entstandenen Dokument «Allgemeine Palliative Care – Empfehlungen und Instrumente für die Umsetzung» ergibt sich eine Palliativsituation aus den Bedürfnissen der Erkrankten und der ihnen nahestehenden Menschen. Diese Bedürfnisse bestehen oftmals schon in einer Phase, in der durchaus noch Behandlungen in kurativer Absicht angezeigt sind und auch vorgenommen werden: Konkret geht es um die Linderung belastender Symptome, das möglichst lange Bewahren der Autonomie, eine sorgfältige gesundheitliche Vorausplanung und die Unterstützung bei schwierigen Entscheidungen; zudem ist eine Koordination der an der Behandlung beteiligten Fachpersonen sowie der aktive Einbezug der nahestehenden Menschen angezeigt und nicht zuletzt auch schon frühzeitig eine Unterstützung bei der Auseinandersetzung mit Sterben und Tod, dem Umgang mit Sterbewünschen und der Gestaltung der letzten Lebensphase (9).

Es gehört zu den Aufgaben von in der Grundversorgung tätigen Ärzt/-innen sowie Pflegenden, bei fortschreitenden Erkrankungen daran zu denken, dass eine Palliativsituation vorliegen könnte, und entsprechende Schritte einzuleiten. Am ehesten wird man bei einem Menschen mit einem fortgeschrittenen Tumorleiden daran denken, dass die oben genannten Bedürfnisse vordringlich werden; daran denken sollte man aber auch unter anderem bei Menschen mit einer höhergradigen chronischen Herzinsuffizienz, mit einer raschen atembedingten Erschöpfung bei einer COPD, gehäuften Stürzen bei einem Morbus Parkinson oder auch einem ungewollten nennenswerten Gewichtsverlust bei einer Demenzerkrankung.

Nicht selten möchten kranke Menschen oder auch die ihnen nahestehenden Personen wissen, wie lange die Betroffenen noch zu leben haben. Daher versuchen Fachpersonen, die zu erwartende Überlebenszeit zu prognostizieren. Abgesehen von der Tatsache, dass in solchen Situationen oft ein Best-Case-Szenario kommuniziert und die Möglichkeit eines ungünstigen Verlaufs ausgeklammert wird, bedeutet das Abschätzen der Prognose noch immer eine grosse Herausforderung. Einigermassen korrekt bestimmen Ärzt/-innen die zu erwartende Überlebenszeit von Menschen, die nur noch wenige Tage leben, und auch von Menschen mit einer Lebenserwartung von über einem Jahr; dies gilt nicht nur für Patienten/-innen mit Tumorerkrankungen, sondern auch für solche mit z.B. einer Demenzerkrankung. Viel schwieriger ist die Prognosestellung bei Menschen, die voraussichtlich mehr als Tage und weniger als Monate oder mehr als Wochen, aber weniger als ein Jahr überleben werden (10). Vor über 20 Jahren wurden hierzu mehrere Scores, wie z.B. die Palliative Performance Scale (PPS) und der Palliative Prognostic Score (PaP Score), entwickelt, die es Fachpersonen erleichtern sollen, die Überlebensprognose abzuschätzen (11, 12). Diese Instru­mente eigenen sich zur Beschreibung von Patientengruppen und dann insbesondere für Studienzwecke, nicht aber als Grundlage für ein Gespräch mit einem einzelnen kranken Menschen. Komorbiditäten und individuelle Besonderheiten werden in diesen Scores nicht berücksichtigt, was ihre Aussagekraft für das einzelne Individuum deutlich schmälert.

Die sogenannte Überraschungsfrage «Wäre ich überrascht, wenn mein Patient innerhalb der kommenden 6–12 Monate versterben würde?» eignet sich ohne weitere Abklärung ebenfalls nur sehr beschränkt zur Identifikation von Palliativpatient/-innen; in einer systematischen Review und Metaanalyse ergab sich für die Überraschungsfrage eine Sensitivität von 11.6–96.6 % und eine Spezifität von 13.8–98.2 % (13). Weitaus geeigneter sind Instrumente, welche die
– individuelle Krankheitssituation des kranken Menschen berücksichtigen;
– die Perspektive der Betroffenen selbst miteinbeziehen;
– ein multidimensionales Assessment ermöglichen;
– die palliativen Bedürfnisse erfassen
– und zugleich eine Unterstützung zur Kommunikation anbieten.

Bewährt zur Identifikation von Menschen mit palliativen Bedürfnissen haben sich der nur in englischer Sprache verfügbare Gold Standards Framework (GSF) https://www.goldstandardsframework.org.uk/, der insbesondere auch die Perspektive resp. den Überlebenswillen der Betroffenen miteinbezieht, sowie der an der Universität Edinburgh entwickelte und mittlerweile am Institut für Allgemeinmedizin und Palliativmedizin der Universität Hannover angepasste und in die deutsche Sprache übersetzte Supportive & Palliative Care Indicators Tool (SPICT) https://www.spict.org.uk/the-spict/spict-de/. Dieser SPICT-DETM ist ein Leitfaden zur Identifikation von Menschen, die von einer Palliativversorgung profitieren können und bei denen ein palliatives Basis-Assessment sowie eine gesundheitliche Vorausplanung angezeigt sind. Ein begleitender Anwendungsleitfaden ermöglicht die Einschätzung von Bedürfnissen der betroffenen Person und bietet zugleich Unterstützung und Tipps zur Einleitung von Gesprächen über die Verschlechterung der Gesundheit und für Gespräche zur vorausschauenden Versorgungsplanung (14).

Multidimensionales Basis-Assessment

Damit nach Identifikation eines Menschen als Palliativpatient/-in die Behandlungsziele und ein Behandlungsplan gemäss dem Willen der betroffenen Person definiert werden können, empfiehlt sich ein Basis-Assessment: Sehr geeignet ist hierfür das vor über zehn Jahren von S. Eychmüller entwickelte SENS-Modell (15):
– Symptommanagement
Was macht aktuell am meisten Sorgen (körperliche, psychische Symptome, soziale Stressoren)? Welche sind die persönlichen Ressourcen?
– Entscheidung bzw. vorausschauende Planung
Persönliche Vorgeschichte, spirituelle und kulturell bestimmte Bedürfnisse, Erwartungen und Ziele des erkrankten Menschen, anstehende Entscheidungen, individuelle Planung der kommenden Lebensphase
– Netzwerk
Aktuelle Lebensumstände, privates Netzwerk, Netzwerk der Fachpersonen
– Support

Sorgen um Angehörige, Belastbarkeit von Angehörigen und nahestehenden Personen, finanzielle Belastungen von Angehörigen und nahestehenden Personen
Je nach Zustand und Verfassung des erkrankten Menschen kann dieses Basis-Assessment mit ihm selbst oder auch mit ihm nahestehenden Personen oder involvierten Fachpersonen erfolgen.

Das Team des Universitären Zentrums für Palliative Care am Inselspital Bern hat für den alltäglichen Gebrauch des SENS-Modells eine sehr hilfreiche Pocket Card entwickelt https://sens-plan.com/wp-content/uploads/2023/02/SENS-Pocket-Card_DE.pdf. Das Modell eignet sich nicht nur als Basis-Assessment, sondern auch zur Vorbereitung eines «Runden Tisches» im interprofessionellen Team und von Diskussionen über die Bedürfnisse und Grenzen, aber auch über Ressourcen der Patient/-innen und ihrer Angehörigen, als Werkzeug zur Erstellung eines Behandlungsplans sowie als Grundlage für Fallbesprechungen und Unterricht.
Zur Abgabe an Betroffene, insbesondere zur Vorbereitung von Gesprächen, eignet sich das ebenfalls vom Palliative Care Team des Inselspitals entwickelte Arbeitsblatt (Prompt-Sheet): https://sens-plan.com/wp-content/uploads/2022/07/SENS_Prompt-Sheet_Betroffene_de.pdf

Der richtige Zeitpunkt für ein Gespräch

Wenn ein erkrankter Mensch als Palliativpatient/-in identifiziert wurde und ein Basis-Assessment für angezeigt erachtet wird, geht es darum, den geeigneten Augenblick für ein entsprechendes Gespräch zu finden. Mittlerweile weiss man, dass es je nach Krankheitsbild und Verlauf eigentliche Schlüsselmomente gibt, die geeignet sind für Gespräche über die Natur der Erkrankung, die Prognose sowie die anstehenden Entscheidungen. Murray SA et al. lehnen sich in ihren Empfehlungen an die schon 1965 von Glaser und Strauss beschriebenen sogenannten death trajectories an (16, 17):

Krankheiten mit einer raschen funktionellen Verschlechterung kurz vor dem Lebensende

Diesen Verlauf beobachtet man typischerweise bei Erkrankten mit einem Tumorleiden. Zu einer Einschränkung ihres psychischen Wohlbefindens kommt es bei diesen Menschen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung, nach der Spitalentlassung im Anschluss an die erste Therapie, bei einem Fortschreiten der Erkrankung unter Behandlung und schliesslich Tage bis Wochen vor dem Lebensende. Das sind diejenigen Situationen, in denen die Betroffenen oftmals verunsichert sind und empfänglich für vertiefende Gespräche. Dann sind auch Diskussionen über den zu erwartenden Verlauf der Erkrankung mit eventuell vorwegzunehmenden Entscheidungen angezeigt. Dies gilt insbesondere auch für Stadien der Erkrankung, in denen noch ein kurativer Ansatz verfolgt wird.

Erkrankungen mit intermittierenden funktionellen ­Verschlechterungen

Es sind dies in der Regel Menschen mit chronischem Organversagen, wie zum Beispiel bei COPD, fortgeschrittener Herz- oder Niereninsuffizienz oder auch einer Leberinsuffizienz. Diese Erkrankten werden häufig nicht oder viel zu spät als Palliativpatienten/-innen identifiziert, weshalb im Gespräch oftmals nur Therapiemöglichkeiten besprochen werden und kaum einmal potenzielle Entscheidungen über das Unterlassen oder Erbringen von lebensverlängernden Massnahmen. Bei diesen Menschen bietet sich insbesondere der Moment nach einer Spitalentlassung an, um Gespräche über die Prognose und sich daraus ableitende Entscheidungen zu führen. Wichtig ist es auch in Erfahrung zu bringen, ob Patient/-innen bei einer erneuten Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes nochmals hospitalisiert werden möchten.

Erkrankungen mit einer allmählichen, oftmals sich über Jahre hinziehenden funktionellen Verschlechterung

Hierzu gehören Menschen mit einer Demenz, aber auch Patienten und Patientinnen mit einer chronisch fortschreitenden neurodegenerativen Erkrankung oder auch mit einer zunehmenden Invalidisierung aufgrund Erkrankungen des Bewegungsapparates. Auch diese Menschen werden häufig nicht oder viel zu spät als Palliativpatienten/-innen erkannt. Der entscheidende Augenblick für ein Gespräch über die Prognose der Erkrankung wird oft verpasst, weswegen insbesondere bei Menschen mit Demenzerkrankungen Entscheidungen stellvertretend für urteilsunfähige Menschen gefällt werden müssen. Bei diesen Erkrankten gilt es, Gespräche über das weitere Vorgehen bei eventuell ungünstigem Verlauf so früh als möglich anzusetzen.

Allerdings sind diese Gespräche sehr behutsam zu führen: Antizipierte Entscheidungen zu einem sehr frühen Zeitpunkt einer Demenzerkrankung sind oftmals geprägt durch die gesellschaftliche Stigmatisierung der Demenz. Daher ist in der Beratung das sogenannte Behinderungsparadoxon zu berücksichtigen und den Erkrankten darzulegen, dass viele Menschen trotz aller Widrigkeiten durchaus Lebensqualität empfinden können (18). Man weiss auch, dass Menschen sich in einem frühen Stadium einer Demenzerkrankung nicht mit der Möglichkeit auseinandersetzen möchten, eines Tages nicht mehr zur Nahrungsaufnahme in der Lage zu sein. Daher sind sie zum Zeitpunkt der Diagnosestellung mehrheitlich auch nicht bereit, Entscheidungen bezüglich künstlicher Zufuhr von Flüssigkeit und Nahrung zu fällen (19).

Das patientenzentrierte Vorgehen nach dem Prinzip «Hope for the best, and prepare for the worst»

Zur Strukturierung eines entsprechenden Gesprächs kann z.B. das an der Universität von Edinburgh entwickelte REDMAP-Konzept https://www.spict.org.uk/wp-content/uploads/2023/10/REDMAP-Framework-Sept-2023.pdf verwendet werden:

R = Ready
Können wir über Ihre Krankheit und die Behandlung sprechen? Wer soll sonst noch an diesem Gespräch teilnehmen?
E = Expect
Was wissen Sie über Ihre Erkrankung? Was hat sich möglicherweise verändert? Manche Menschen machen sich Gedanken darüber …
D = Diagnosis
Was wir wissen ist …; wir wissen aber nicht …; wir hoffen natürlich, machen uns zugleich aber Gedanken darüber …Gibt es von Ihrer Seite offene Fragen oder Sorgen über den möglichen Verlauf Ihrer Krankheit?
M = Matter
Was erachten Sie als wichtig für Sie und Ihre Familie? Wozu möchten Sie in Zukunft in der Lage sein? Wie möchten Sie behandelt und betreut werden? Gibt es Dinge, die Sie keinesfalls möchten? Was würde (eine Ihnen nahestehende Person) zu dieser Situation sagen, wenn wir sie fragen würden? Warum würde sie dies sagen?
A = Action
Was wir tun können, ist …; Möglichkeiten zur Unterstützung sind …; das wird kaum hilfreich sein, weil …; das wird nicht funktionieren, wenn …
P = Plan
Lassen Sie uns im Voraus planen für die Situation, dass …; eine sorgfältige Vorausplanung ist ein ganz wichtiges Element zur guten Gesundheitsversorgung.

Murray SA et al. (17) geben einige ganz konkrete Empfehlungen, wie ein solches Gespräch geführt werden könnte:
«Wenn einer meiner Patienten eine Erkrankung wie die Ihrige hat, führe ich in der Regel ein Gespräch mit ihm über die Prognose resp. die zu erwartenden Verläufe. Es ist ja erfreulich, dass die Therapie diesmal erfolgreich war; auf der anderen Seite mache ich mir Gedanken, was sein wird, wenn Ihre Krankheit eines Tages nicht mehr wirksam behandelt werden kann.»

«Möchten Sie mit mir allein darüber sprechen, oder sollen wir noch jemanden aus Ihrem Familien- oder Freundeskreis beiziehen?»

«In diesem Gespräch sollten wir erfassen, wozu Sie jetzt und in Zukunft in der Lage sein möchten; auch möchte ich mit Ihnen über Ihre aktuelle Situation sprechen, welche Informationen Sie zu Ihrer Krankheit benötigen und welche Gedanken und Sorgen Sie sich machen, wenn Sie an Ihre Zukunft denken.»

«Darf ich Sie fragen, was Ihnen bisher zu Ihrer Krankheit mitgeteilt wurde und wie ein möglicher Verlauf aussehen könnte?»

«Was ist Ihnen wichtig, im Voraus festzulegen resp. zu entscheiden?»

«Es ist mir ein Anliegen, dass Ihre Lebensqualität so gut als möglich ist; ich habe auch die Möglichkeit, zum Erreichen dieses Ziels einen Spezialisten auf dem Gebiet der Palliative Care beizuziehen.»

Wichtig ist es, in diesen Gesprächen die Hoffnung des kranken Menschen auf eine Verbesserung ihres Gesundheitszustandes nicht zu zerstören und ihn gleichzeitig auf einen möglicherweise ungünstigen Verlauf vorzubereiten. Das Prinzip «Hope for the best, and prepare for the worst» wurde erstmals im Jahr 2003 von A.L. Back, einem Onkologen aus Seattle, beschrieben (20). Im Verlauf dieses Gesprächs ist es von Bedeutung, immer wieder Pausen einzulegen, in denen Betroffene sich Fragen überlegen und Emotionen wie Angst und Wut zum Ausdruck bringen können.

Im medizinischen Alltag werden die Krankheitsverläufe immer weniger den oben beschriebenen klassischen death trajectories entsprechen, da vor allem ältere Menschen nicht nur unter einer Tumorerkrankung oder einer Organinsuffizienz oder einer zunehmenden Altersgebrechlichkeit leiden, sondern multimorbid sind mit einer Überlagerung der death trajectories. So werden Menschen mit einer fortgeschrittenen Organinsuffizienz oftmals auch gleichzeitig unter Beschwerden bei ausgeprägten degenerativen Veränderungen des Bewegungsapparates leiden, kognitiv beeinträchtigt sein und im Verlauf eine Schenkelhalsfraktur und eine Pneumonie erleiden. Neben diesen somatischen Problemen werden sie psychische Belastungen erleben, unter Umständen eine Depression oder eine Angststörung entwickeln, möglicherweise einen Umzug in eine Langzeitpflegeinstitution akzeptieren müssen und zugleich eine Veränderung ihrer Rolle und zunehmenden Kontrollverlust beklagen (7). Dies bedeutet auch, dass im Verlauf die multidimensionalen Behandlungsziele und -wünsche immer wieder neu zu klären sind und die Gesundheitliche Vorausplanung einem kontinuierlichen Prozess entsprechen sollte.

Auch gilt es zu berücksichtigen, dass der Verlauf von Tumorerkrankungen angesichts der neuesten therapeutischen Entwicklungen immer weniger regelhaft verlaufen wird. Gezielte onkologische Behandlungen, wie die Behandlung von fortgeschrittenen nicht kleinzelligen Lungentumoren mit Tyrosinkinase-Inhibitoren oder auch von metastasierenden Melanomen mittels Immuntherapie, werden dazu führen, dass auch bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen gewisse Menschen eine sehr günstige Prognose haben, währenddem dies bei anderen nicht der Fall ist (21). Bei prognostischer Unsicherheit empfehlen sich zum Beispiel folgende Sätze (22):
– «Aktuell ist es ausgesprochen schwierig zu sagen, wie sich Ihre Erkrankung entwickeln wird; wäre es hilfreich für Sie, mit mir darüber zu sprechen, wie es Menschen in einer ähnlichen Krankheitssituation wie der Ihrigen ergangen ist?»
– «Können wir gemeinsam über den Umgang mit der Ungewissheit, wie der Verlauf Ihrer Erkrankung sein wird, reden?»

Gesundheitliche Vorausplanung – Advance Care Planning (ACP)

Die genannten Gespräche sind zugleich Grundlage und elementarer Bestandteil einer sorgfältigen Gesundheitlichen Vorausplanung. Aus den Diskussionen werden sich die Behandlungsziele ergeben: Was soll mit der Behandlung erreicht werden? Was steht dabei im Vordergrund – ein langes Überleben oder eine möglichst gute Lebensqualität? Welche Belastungen werden zur Erreichung des Behandlungsziels in Kauf genommen? Erst wenn kranke Menschen Gelegenheit hatten, mit einer Fachperson über ihre Erkrankung, die möglichen Verläufe, die Prognose und die infrage kommenden Behandlungen zu sprechen und Behandlungsziele zu definieren, soll über gewünschte oder nicht durchzuführende medizinische Massnahmen wie Wiederbelebung, Behandlung auf einer Intensivstation oder auch ganz konkret über den bevorzugten Ort der Behandlung bei sich verschlechternder Situation gesprochen und entschieden werden. Im Rahmen der Besprechung dieser potenziell lebenserhaltenden Massnahmen kann darauf eingegangen werden, was eine Reanimation oder auch eine Beatmung auf einer Intensivstation für diesen Menschen in der konkreten Krankheitssituation bedeutet und welche die Chancen und die Risiken sind.

Gemäss dem mittlerweile in vielen Regionen der Schweiz eingeführten Konzept der Gesundheitlichen Vorausplanung empfiehlt es sich, bei ernstenw fortgeschrittenen Erkrankungen neben einer Patientenverfügung auch eine sogenannte Ärztliche Notfallanordnung (ÄNO) und einen Behandlungsplan zu erstellen (23).

Eine Ärztliche Notfallanordnung kommt in einer lebensbedrohlichen Notfallsituation zur Anwendung, in der das medizinische Personal zur Lebensrettung oder Vermeidung ernsthafter Schäden sofort handeln muss. Die in einer Ärztlichen Notfallanordnung angeordneten Massnahmen orientieren sich an konkreten Behandlungszielen (Lebensverlängerung oder Leidenslinderung). Sowohl das Behandlungsziel wie auch die angeordneten Massnahmen müssen zwingend mit der betroffenen resp. der stellvertretend für sie entscheidenden Person in einem ärztlichen Gespräch festgelegt werden. Im Gegensatz zu einer Patientenverfügung, die sogenannt vertretungsfeindlich ist und daher nicht von einer Drittperson für einen urteilsunfähigen Menschen erstellt werden kann, kann eine Ärztliche Notfallanordnung auch von einer stellvertretend für einen urteilsunfähigen Menschen entscheidenden Person unterzeichnet werden. Selbstverständlich sind Ärztliche Notfallanordnung und Patientenverfügung inhaltlich aufeinander abzustimmen.

Koordination von Behandlung und ­Betreuung

Auch ein Behandlungsplan, der ebenfalls abgestimmt sein muss auf eine evtl. vorliegende Patientenverfügung und eine Ärztliche Notfallanordnung, kann von einer ärztlichen oder auch nicht ärztlichen Fachperson für urteilsfähige und auch für urteilsunfähige Menschen erstellt werden. Der Behandlungsplan dient über die Gesundheitliche Vo-­ rausplanung hinaus der Koordination und Kommunikation unter den verschiedenen an der Behandlung beteiligten Fachpersonen. Neben den Personalien des betroffenen Menschen enthält er Angaben zu den wichtigsten Bezugspersonen, zu den in die Behandlung involvierten Fachpersonen, den relevanten Diagnosen, den Behandlungszielen und -wünschen sowie den antizipierten Entscheidungen zu den lebenserhaltenden medizinischen Massnahmen; er enthält bei ernster Erkrankung aber auch Angaben zum gewünschten Betreuungsort (Sterbeort) bei Verschlechterung des Gesundheitszustandes und insbesondere auch Angaben zur Dauer- und zur Reservemedikation. Für die medizinische Behandlung in den zu erwartenden Notfallsituationen eignet sich ein sogenannter Notfallplan, der – nicht zu verwechseln mit der Ärztlichen Notfallanordnung – einem Extrakt aus dem Behandlungsplan entspricht mit den Angaben über im Notfall zu avisierende Bezugs- und Fachpersonen, über Wünsche betreffend Spitaleinweisung und über die wichtigsten Notfallmedikamente, die für diese Situationen bereitgestellt sein müssen und vom kranken Menschen selbst resp. den ihn betreuenden Fach- und Bezugspersonen verabreicht werden können. Ein Beispiel für einen Behandlungsplan mit entsprechenden Angaben zu Reservemedikamenten findet sich auf der Homepage von «Gesundheitliche Vorausplanung beider Basel»: https://www.gesundheitliche-vorausplanung-bb.ch/formulare

PD em Dr. med. Klaus Bally

Facharzt für Allgemeine Innere Medizin FMH
Universitäres Zentrum für Hausarztmedizin beider Basel, uniham-bb
Kantonsspital Baselland
Rheinstrasse 26
4410 Liestal

Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

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Herausforderung Ernährung in palliativen Situationen

Einleitung

Die Ernährung ist in allen Lebensphasen bedeutsam, die Nahrungsaufnahme gehört zu den grundsätzlichen menschlichen Aktivitäten (1) und ist für das menschliche Überleben unerlässlich. Essen berührt nicht nur die physische Dimension, sondern auch die soziale, spirituelle und psychische. Als soziales Ereignis ist es in den Alltag eingebettet. Es beinhaltet Aspekte wie Geselligkeit, Kommunikation, Zuwendung und Fürsorge für andere (2). Essgewohnheiten werden meist in der Familie erlernt und durch individuelle Werte, Routine, Traditionen und Rituale, die alle Teil unseres soziokulturellen und/oder religiösen Hintergrunds sind, geprägt (3). Essen ist für viele Menschen auch sinnlicher Genuss und somit Quelle für Lebensfreude und Lebensqualität.

Essen hat somit in unserem Leben oft eine zentrale Rolle, welche im Rahmen einer unheilbaren Erkrankung nochmals ganz anders Raum im Leben des Patienten/der Patientin und der Angehörigen einnehmen kann. Oftmals wird in dieser Situation das Essen mehr für seine Abwesenheit als für seine Anwesenheit bemerkt (4). Nicht selten entstehen vielfältige Ernährungsprobleme über alle Stadien des Krankheitsverlaufs hinweg (5).

Die in der Palliative Care etablierte Multidimensionalität, welche neben körperlichen auch die psychischen, sozialen und spirituellen Aspekte von Leiden und Ressourcen erfasst, kommt auch bei Fragen rund um die Ernährung zum Tragen (6, 7).
Der Artikel beschreibt die möglichen Herausforderungen, mit welchen Menschen in palliativen Krankheitssituationen sowie auch ihre Angehörigen in Bezug auf Ernährung konfrontiert sind, den Prozess der klinischen Entscheidungsfindung und die Ziele der Ernährungstherapie.

Malnutrition

In der Literatur werden die Begriffe der Malnutrition und Mangelernährung synonym verwendet. Malnutrition ist eine Diagnose, welche sich auf verschiedene Kriterien stützt.

Prävalenz

Da chronische und/oder fortschreitende Erkrankungen verschiedenste Diagnosen mit einschliessen, lässt sich die Prävalenz der Malnutrition in palliativen Situationen nicht mit einer Zahl darstellen. Die Prävalenz ist neben der Grunderkrankung und deren Stadium auch von anderen Faktoren, wie z.B. Alter, soziale Situation und Funktionsstatus, abhängig. Zudem spielen die verwendete Definition für Malnutrition, die diagnostischen Kriterien und die verwendeten Assessmentinstrumente eine Rolle (8). Sicher ist aber, dass die Prävalenz für Malnutrition für Menschen in palliativen Situationen sehr hoch ist und aufgrund dessen bei der Betreuung immer mitgedacht werden sollte. Je nach Literatur und Krankheitssituation variiert sie von 20–80 % (9, 10, 11, 12).

Multifaktorielle Entstehung

Menschen in einer palliativen Situation haben ein hohes Risiko für eine multifaktorielle Malnutrition (9). Sie kann durch eine beeinträchtigte Zufuhr oder Aufnahme von Nährstoffen verursacht werden. Eine reduzierte Nahrungsaufnahme resultiert zum einen aus einer verminderten Aufnahme von Nährstoffen aufgrund malabsorptiver Störungen wie Kurzdarmsyndrom, Pankreasinsuffizienz oder durch Erkrankungen wie Ösophagusstrikturen, Gastroparese und intestinale Obstruktionen oder paralytischem Ileus. Zum anderen können gastrointestinale Beschwerden wie Dysphagie, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, Obstipation und abdominelle Schmerzen oder eine schlechte Mundgesundheit, Nebenwirkungen von Medikamenten, Depression und eine unzureichende Ernährungsunterstützung die Nahrungsaufnahme beeinflussen. Aber auch krankheitsbedingte Veränderungen des Metabolismus mit erhöhtem Ruheenergieverbrauch und/oder erhöhtem Muskelabbau können (Mit-)Ursache sein (13).

Diagnosestellung

Bis 2019 gab es keine einheitlichen diagnostischen Kriterien für Malnutrition, und in der Literatur wurden unterschiedliche Definitionen verwendet (13, 14). Die Global Leadership Initiative on Malnutrition (GLIM) erarbeitete einen zweistufigen Ansatz (Tab. 1). Nach einem Screening zur Ermittlung des Risikostatus mithilfe eines validierten Screening-Assessments folgt als zweiter Schritt die Bewertung bestimmter Kriterien zur Diagnose der Malnutrition und zur Einstufung des Schweregrads der Mangelernährung (13).

Folgen von Mangelernährung

Lebensqualität ist bei Menschen in palliativen Krankheitssituationen ein zentraler Teil des Therapieziels. Somit sind die potenziellen Folgen einer Malnutrition bei palliativen Patient/-innen relevant und müssen vom Behandlungsteam mitgedacht werden. Das Erkennen und Behandeln einer Malnutrition können den Funktionsstatus, die Behandlung der Grunderkrankung, das Auftreten von Komplikationen positiv beeinflussen und somit in den verschiedenen Phasen der Erkrankung zu einer möglichst guten Lebensqualität beitragen.

Folgen von Malnutrition können neben höheren Infektions- und Komplikationsraten auch Wundheilungsstörungen und eine veränderte Thermoregulation sein (17). Malnutrition führt zum Verlust von Muskel- und Fettmasse, einer Abnahme der Herz- und Atemfunktion und dadurch zu einer verminderten körperlichen Leistungsfähigkeit, was die Selbstständigkeit beeinträchtigen kann (17, 12, 18). Zudem sind häufige und längere Krankenhausaufenthalte, eine höhere Mortalität und höhere Behandlungskosten potentielle Folgen von Malnutrition (12, 17, 18, 16, 19).

Entscheidungsfindung

Bei jeder medizinischen Intervention ist, unabhängig von der Diagnose und des Stadiums der Erkrankung, die Frage nach der «Angemessenheit» einer Invention im Prozess der Entscheidungsfindung zentral. Dies gilt auch für ernährungstherapeutische Interventionen.
In der Palliative Care wird darauf geachtet, dass die Entscheidungsfindung den verschiedenen Dimensionen des Leidens und der Ressourcen der Patient/-innen gerecht wird. So fliessen idealerweise neben den körperlichen auch die psychischen, sozialen und spirituellen Aspekte in den Prozess der Entscheidungsfindung mit ein. Oft gelingt dies am besten, wenn die Geschichte des Patienten (auch was Essen für ihn bedeutet), seine Wünsche und seine Ziele (Therapien, Reisen …) genügend Raum im Prozess der Entscheidungsfindung erhalten.

Indikation

Behandlungsmassnahmen müssen immer mit Blick auf das bestimmte Therapieziel beurteilt werden. Es muss also zunächst die Wirksamkeit der Massnahme geprüft werden. Das heisst, ist die vom Patienten/von der Patientin gewünschte Massnahme in der Lage, das angestrebte Therapieziel zu erreichen? Wenn dies nicht der Fall ist, ist diese Massnahme nicht indiziert (20, 21), auch wenn diese vom Patienten/von der Patientin oder den Angehörigen gewünscht wird.
Kann die Massnahme das Therapieziel des Patienten/der Patientin erreichen, dann ist es notwendig, Nutzen und Schaden dieser Massnahme unabhängig vom Patientenwunsch zu bewerten. Darauf aufbauend muss die Person durch das Behandlungsteam über die Erreichbarkeit des Therapieziels und den Nutzen bzw. die Belastung der Massnahme informiert und aufgeklärt werden, damit sie für sich selbst Nutzen bzw. Schaden abwägen kann (20).

In der Palliative Care stellt sich die Frage nach der Angemessenheit einer Therapie hinsichtlich der ernährungstherapeutischen Behandlung vor allem dann, wenn es um die enterale Ernährung über eine Sonde, eine perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) oder Jejunostomie (PEJ) oder eine parenterale Ernährung bei fortgeschrittener, unheilbarer Erkrankung geht. Diese Ernährungsinterventionen sind medizinische Interventionen, werden zur ärztlichen Therapie gezählt (1) und bedürfen meist einer engen Begleitung durch die Ernährungsberatung. Voraussetzungen für eine dieser Therapieformen sind (1) eine Indikation für eine medizinische Behandlung, (2) die Definition eines zu erreichenden Therapieziels und (3) der Wille des Patienten/der Patientin beziehungsweise seine/ihre informierte Zustimmung (22).

Es bedarf also einer vorsichtigen Abwägung von Diagnose, Phase der Erkrankung, Prognose und Komorbiditäten. Zudem sollten die Therapieziele im Verlauf regelmässig überprüft und der geänderten Krankheits- und Behandlungssituation bzw. den geänderten Wünschen, Werten und Zielen des Patienten/der Patientin angepasst werden (21, 22).
Bei fehlender Indikation und Nichterreichen eines Behandlungsziels oder bei fehlender Einwilligung wird ein Abbruch der Ernährungstherapie empfohlen (22).

Therapieziel

Die Klärung des Therapieziels sollte als Prozess verstanden werden, an dem die betroffene Person und ihre Angehörigen aktiv beteiligt sind. Idealerweise handelt es sich also um eine partizipative Entscheidungsfindung, in der Konsens suchend vorgegangen wird (21). Ein solcher Prozess braucht Zeit – Zeit für Informationsvermittlung, Zeit für Gespräche, in denen die verschiedenen Aspekte der Entscheidung und deren potenzielle Folgen reflektiert werden können. Die Betroffenen benötigen eine wiederholte Aufklärung, um eine realistische Einschätzung ihrer Situation entwickeln zu können (20). Menschen in palliativen Situationen sind in komplexen Krankheitssituationen, was das Abwägen der verschiedenen Aspekte der anstehenden Entscheidung oft kompliziert macht (20). Die Entscheidungsfindung kann durch unterschiedliche Interpretationen eines angemessenen oder realistischen Therapieziels und damit der möglichen Indikation für verschiedene medizinische Interventionen erschwert werden. Selbst der mutmassliche Wille und das Wohl eines Patienten/einer Patientin können von den an der Entscheidung beteiligten Personen unterschiedlich interpretiert werden (22). Dies kann zu individuellen emotionalen und/oder ethischen Konflikten bei Familienangehörigen oder Teammitgliedern führen (22). Bei hoher Komplexität kann es hilfreich sein, die Situation mit anderen Personen aus dem Behandlungsteam zu besprechen. Die verschiedenen Blickwinkel können bei der Einschätzung der Situation, der Abwägung von Nutzen und Belastung einer ernährungstherapeutischen Massnahme und auch in der Beratung des kranken Menschen und der Angehörigen unterstützend sein (21).
Erschwerend kommt für die Patient/-innen oft eine hohe Symptomlast dazu, welche Einfluss auf das Denken/die Kognition und somit das Verstehen komplexer Zusammenhänge haben kann.

Prognose

Ob Ziele, wie zum Beispiel die Stabilisierung des Körpergewichts und die Verlangsamung des Kraftverlusts durch Ernährungsinterventionen, realisiert werden können, ist auch von der Phase der unheilbaren Erkrankung und somit von der Prognose abhängig. So werden die Empfehlungen für ernährungsmedizinische Interventionen in Bezug zur erwarteten Überlebenszeit genannt (14).

Geht man von einer Prognose von mehreren Monaten aus, zielen die Ernährungs- und Stoffwechselinterventionen darauf ab, die Nahrungsaufnahme aufrechtzuerhalten, das Körpergewicht zu stabilisieren, Stoffwechselstörungen abzumildern sowie die Muskelmasse und körperliche Leistungsfähigkeit zu erhalten. Das Decken des Protein- und Energiebedarfs steht an oberster Stelle, und es wird empfohlen, das gesamte Spektrum der ernährungsmedizinischen Massnahmen einzusetzen (1, 11, 14).

Bei einer Prognose von wenigen Monaten steht der Erhalt der Lebensqualität im Mittelpunkt (1). Eine bedürfnisorientierte Behandlung und eine individuell angepasste, nicht belastende Ernährungstherapie sind sinnvoll. Eine enterale Ernährung über eine Sonde oder eine parenterale Ernährung sind nicht ausgeschlossen. Für Personen mit einer Tumorerkrankung sollen beispielsweise Ernährungsinterventionen nur dann empfohlen werden, wenn gemeinsam mit dem Patienten/der Patientin die Prognose der Tumorerkrankung und der erwartete Nutzen für die Lebensqualität und das potenzielle Überleben als auch die mit der Intervention verbundenen Belastung abgewogen wurden. Es werden Massnahmen empfohlen, die weniger invasiv sind, und es soll der Beratung und den oralen Nahrungssupplementen der Vorzug gegeben werden (14, 23).

Wird die Prognose auf Tage bis wenige Wochen geschätzt, konzentriert sich die Behandlung auf die Symptomlinderung, einschliesslich Linderung von Hunger und Durst (1, 11, 21). Eine zusätzliche ernährungstherapeutische Intervention kann in dieser Phase mehr schaden als nutzen (14, 24).

Ergänzende Aspekte

Auch ethische Aspekte finden Eingang in den Prozess der Entscheidungsfindung. Unverhältnismässige Behandlungen müssen vermieden werden. Lebensverlängerung darf nicht das alleinige Ziel sein und muss immer im Verhältnis zum Wohlbefinden der Person gesetzt werden (22). Die ESPEN-Leitlinie zu ethischen Aspekten der künstlichen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr bietet eine kritische Zusammenfassung für die Behandlungsteams. Besondere Berücksichtigung finden auch Fragen zu palliativen Situationen inkl. Lebensende, zu Demenz und zu spezifischen Situationen in der Pflege oder auf Intensivstationen (22).

Auch kulturelle und spirituelle Aspekte beeinflussen die Entscheidungsfindung hinsichtlich Ernährungsinterventionen. Essgewohnheiten werden durch individuelle Werte, Traditionen und Rituale geprägt, die alle Teil unseres soziokulturellen und/oder religiösen Hintergrunds sind (3). Somit sollten Patient/-innen immer im Kontext der erreichbaren oder indizierten medizinischen Optionen sowie ihrer sozialen und kulturellen Werte betrachtet werden. Für die Gesundheitsfachpersonen ist ein Grundwissen über die verschiedenen Kulturen unerlässlich, und es ist wichtig, mit den Patient/-innen und den Angehörigen zu sprechen, um angemessene Informationen zu ihren kulturellen Werten zu erhalten. Dies muss vom Behandlungsteam respektiert werden, solange das kulturelle Autonomieverständnis den freien Willen des Patienten/der Patientin nicht beeinträchtigt (22).

Therapie

Menschen in palliativen Situationen haben oft individuelle, komplexe und sich im Verlauf der Erkrankung verändernde Bedürfnisse in Bezug auf ihre Ernährung. Da Malnutrition bei schwer kranken Menschen oft multifaktoriell ist, bedarf es meist auch einer Behandlung, welche möglichst viele der Faktoren berücksichtigt.
Von der European Society for Clinical Nutrition and Metabolism (ESPEN) wird ein multimodales Therapiekonzept empfohlen. Dazu gehören unter anderem eine optimale medizinische Therapie der Grunderkrankung und der Begleitsymptome, ein frühzeitiger Einbezug der Ernährungsberatung, Anpassung/Anreicherung der oralen Kost und orale Nahrungsergänzungsmittel (ONS). Wenn orale Ernährungsmassnahmen nicht ausreichen, können eine enterale Ernährung über eine Sonde sowie eine parenterale Ernährung indiziert sein (11, 25, 26).

Behandlung von Begleitsymptomen

Ein wichtiger Teil in der Therapie der Malnutrition ist die Behandlung von potenziell die Malnutrition verstärkenden Faktoren. Beschwerden, welche die Nahrungsaufnahme und/oder den Appetit beeinträchtigen können, sollten somit stets mitgedacht und behandelt werden. Neben Nausea, Dyspnoe, Mundtrockenheit, Geschmacksveränderungen, Ulzerationen, Schluckstörungen und Dyspepsie (11, 27, 28, 29) können auch Probleme mit Zähnen/Zahnprothesen Ernährungsprobleme (mit-)verursachen. Auch mechanische Hindernisse, wie zum Beispiel eine gastrointestinale Obstruktion, Obstipation (1, 11) können sich auf die Nahrungsaufnahme auswirken. Aber auch psychische (z.B. Depression, psychosozialer Stress), medikamentöse (z.B. Polypharmazie) sowie altersbedingte Ursachen (z.B. soziale Isolation, geistige Beeinträchtigungen, eingeschränkte Mobilität, Beeinträchtigung der oberen Ex-
tremitäten, soziale Unterstützung) sollten eingeschätzt und nach Möglichkeit therapiert werden (1, 8, 13, 14, 30).

Ernährungstherapeutische Massnahmen

Das Therapieziel entscheidet, ob ernährungstherapeutische Massnahmen angeboten werden oder auf diese bewusst verzichtet wird. Ist das Ziel, den Ernährungszustand zu erhalten oder zu verbessern, steht ein breites Spektrum verschiedener
ernährungstherapeutischer Massnahmen zur Verfügung.

Das oberste Ziel der Ernährungstherapie besteht darin, die orale Ernährung zu erhalten, indem nahrungsmittelbedingte Beschwerden minimiert und der Genuss von Lebensmitteln maximiert wird. Deshalb kann eine Begleitung durch die Ernährungsberatung schon früh im Verlauf einer Erkrankung begonnen werden und ist auch im ambulanten Setting möglich (16, 18, 30). Im Vordergrund steht die Beratung, wie die orale Kost angepasst und angereichert werden kann. Hierfür werden das aktuelle Essensmuster und der Kalorienbedarf eingeschätzt sowie etwaige Geschmacks- oder Geruchsveränderungen beachtet. Die Ernährungstherapeut/-innen berücksichtigen ebenso individuelle Wünsche, Vorlieben und die Situation der Patient/-innen (30). Sie tragen häufig bei den Betroffenen zu einem besseren Verständnis für die Gesamtsituation und zu einer höheren Gesamtzufriedenheit bei (31). Auch über oralen Nahrungsergänzungsmittel (ONS) werden Patient/-innen und Angehörige durch die Ernährungsberatung informiert (30, 32). In der Praxis zeigt sich allerdings, dass ONS von den Patient/-innen oft nicht vertragen und verbraucht werden und sich dann zu Hause ansammeln (32). Dies kann unterschiedliche Ursachen haben, wie z.B. Magen-Darm-Nebenwirkungen, Geschmacksaversionen, Völlegefühl, und Anorexie erschwert ebenso die Einnahme von ONS (31).

Auch wenn die enterale Sondenernährung und die pa­renterale Ernährung gängige Therapieformen in der modernen Medizin sind, ist es insbesondere in der Palliative Care von grösster Bedeutung, ernährungstherapeutische Massnahmen auf die spezifischen Bedürfnisse des Patienten/ der Patientin und die aktuelle Krankheitssituation abzustimmen. Neben den möglichen Vorteilen kann eine Sondenernährung auch mit schwerwiegenden Komplikationen verbunden sein. Dazu gehören u.a. gastrointestinale (z.B. Durchfall), infektiöse (z.B. Aspirationspneumonie) und metabolische Komplikationen (z.B. Refeeding-Syndrom) (14). Auch eine parenterale Ernährung birgt Risiken, wie z.B. katheterbedingte Komplikationen, Störungen der Substrat- und Elektrolytspiegel, Refeeding-Syndrom, Flüssigkeitsüberlastung sowie chronische Hepato- und Osteopathie (14, 24).

Die Entscheidung, eine Sonden- oder parenterale Ernährung anzubieten, ist häufig komplex und muss von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der Grunderkrankung, Behandlung, voraussichtlichen Dauer und Reversibilität des Ernährungsdefizits, der Prognose und der Präferenzen der Patient/-innen entschieden werden. Ziel sollte stets die in der aktuellen Situation bestmögliche Lebensqualität sein (11, 18, 31).

Ernährung in palliativen Situationen

Allgemein

In der Praxis zeigt es sich heute immer noch, dass in der frühen Phase einer unheilbaren Erkrankung eine ernährungsmedizinische Betreuung häufig unterbleibt, und wenn die Erkrankung deutlich fortgeschritten ist und die klinischen Effekte einer Ernährungsintervention meist fraglich sind, kommt es dann zu einem unreflektierten Aktionismus mit entsprechender Überversorgung (1). Um zu ermöglichen, dass ernährungstherapeutische Massnahmen mit den Betroffenen diskutiert werden können, braucht das Gesundheitsfachpersonal gutes Fachwissen. Die Betroffenen sind darauf angewiesen, genügend Informationen zu erhalten, um Risiken, Vor- und Nachteile der Interventionen abwägen zu können (22). Hierzu gehören auch ganz praktische und personelle Voraussetzungen für die Verabreichung einer enteralen oder parenteralen Ernährung zu Hause.

Bei Gesprächen zur Entscheidungsfindung, insbesondere im Hinblick auf medizinische Entscheidungen am Ende des Lebens, muss eine angemessene, für den Betroffenen verständliche Terminologie gewählt werden. Worte prägen unser Denken, und unsere Gedanken leiten unsere Handlungen (22).
Bei Vorliegen einer lebenslimitierenden, unheilbaren Erkrankung ist das Ziel der Ernährungstherapie primär auf den Erhalt der Lebensqualität ausgerichtet. Ob und in welcher Form ein Patient von einer zur Verfügung stehenden Massnahme profitiert, muss jeweils für jede Krankheitssituation wieder neu abgewogen werden. Da dies sehr individuelle Entscheide sind, gibt es dazu keine allgemeingültigen Entscheidungskriterien oder Algorithmen (1).

In palliativen Situationen ist es wichtig, dass bei Beginn einer «künstlichen» Ernährung (über Sonde oder parenteral) auch über die Ziele dieser gesprochen wird. Oft ist es hilfreich, bei Beginn einer künstlichen Ernährung darüber zu sprechen, ob es Situationen gibt, in denen ein Abbruch der Ernährung evaluiert werden sollte (zum Beispiel Progress der Erkrankung, Prognose, Komplikationen, Nebenwirkungen, Aufwand) (11). Gelegentlich empfiehlt es sich, ein Ziel und einen Zeitraum zu definieren, in dem die künstliche Ernährung gegeben wird (22). So kann zum Beispiel nach einem Monat darüber nachgedacht werden, ob das Ziel «Kraftaufbau» erreicht wurde, und falls nein, ob die Ernährung weitergeführt werden soll.

Die zur Klärung des Therapieziels führenden Gespräche brauchen oft viel Raum und Zeit, ermöglichen aber eine auf die individuelle Patientensituation angepasste Therapie.
Wichtig ist, dass Gespräche zu Wünschen und vereinbartem Prozedere, insbesondere auch in Bezug auf künstliche Ernährung, nach Möglichkeit schriftlich in der gesundheitlichen Vorausplanung dokumentiert werden, dass diese für alle Behandler/-innen zugänglich sind. Das Ziel sollte sein, zu jedem Zeitpunkt der Erkrankung den Wünschen und Bedürfnissen des Patienten/der Patientin möglichst gerecht zu werden.

Multidimensionalität

Die physischen Aspekte einer Malnutrition werden meist gut erkannt und in der Behandlung berücksichtigt. Psychische, soziale und spirituelle Aspekte werden oft weniger gut gesehen und finden selten Berücksichtigung im Behandlungskonzept. Im Sinne der in der Palliative Care etablierten Multidimensionalität sollten aber alle Dimensionen berücksichtigt werden.

Sich verändernde Essgewohnheiten und die daraus häufig resultierende unzureichende Nahrungszufuhr verursachen potenziell Angst und Stress bei den Patient/-innen (2, 3, 27, 33, 34) und ihren Angehörigen (2, 27, 33, 34). Dies beinhaltet die Sorge über negative Auswirkungen wie zunehmende körperliche Schwäche und vermehrte Abhängigkeit von anderen. Ebenso resultiert Angst durch die Vorstellung, dass aufgrund der eingeschränkten Nahrungsaufnahme der Tod beschleunigt werden könnte. Das veränderte Aussehen durch den Gewichtsverlust hat für manche einen negativen Einfluss auf ihr Körperbild und symbolisiert das Fortschreiten der Erkrankung (2, 27, 28). Manche Betroffene ziehen sich zurück und isolieren sich, um dem kontinuierlichen Fokus und dem Druck bzw. den Erwartungen der Angehörigen auszuweichen (3, 27). Es kann das Gefühl ausgelöst werden, konstant in einer Umgebung zu sein, in der das Essen im Fokus steht (2, 27, 33). Dadurch können Konflikte entstehen (27, 33, 35).

Angehörige fühlen sich möglicherweise inkompetent in ihrer Rolle als pflegende Angehörige, weil sie die Nahrungsaufnahme nicht beeinflussen und verbessern können (2, 33). Aber auch Gefühle wie Wut, Ärger, Betroffenheit und Bedauern werden von Angehörigen geäussert, wenn die veränderten Essgewohnheiten die Beziehungen, die für den Alltag wesentlich sind, stören (2). Angehörige erleben Hilflosigkeit und Schuldgefühle, weil sie die Patient/-innen nicht überzeugen können zu essen (33). Sie engagieren sich häufig bzgl. des Angebots und der Nahrungszubereitung. Sie berücksichtigen veränderte Essgewohnheiten, Vorlieben und Geschmacksveränderungen. Ebenso versuchen sie, mit unterschiedlichen Massnahmen (Grösse der Portionen, Zutaten, Geschmacksrichtungen, Konsistenz und Beschaffenheit der Nahrungsmittel) den Bedürfnissen der Patient/-innen zu entsprechen, um trotz der Beschwerden oder Einschränkungen eine ausreichende Nahrungsaufnahme zu erreichen (27, 36).
Eine Ernährungsberatung bzw. Beratungsgespräche durch andere Gesundheitsfachpersonen sollten auch die Angehörigen miteinbeziehen. Es ermöglicht ihnen, möglicherweise die Beschwerden, wie z.B. den Appetitverlust und dessen Auswirkungen, besser zu verstehen, sich nicht selbst die Schuld für die schlechte Nahrungsaufnahme des Patienten/der Patientin zu geben und den Schwerpunkt auf das Wohlbefinden und die mit den Familienmitgliedern verbrachte Zeit zu lenken (37). Denn Fürsorge kann auch durch Massnahmen erfolgen, die ausserhalb des Themas Essen liegen. Dies können z.B. das «Dasein», eine Massage und gemeinsame Aktivitäten sein (2, 27). Ziel ist es, die Zeit, die verbleibt, gemeinsam geniessen zu können und Konflikte möglichst zu vermeiden. Das Erleben der Betroffenen und ihrer Angehörigen zeigt, dass es ein multidimensionales Therapieangebot benötigt, um den verschiedenen Bedürfnissen gerecht zu werden.

Sterbephase

In der Sterbephase können sich die Bedürfnisse der Betroffenen in Bezug auf Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme nochmals stark verändern, und die Therapien/Angebote müssen entsprechend angepasst werden. Da die Kommunikation mit dem Patienten/der Patientin am Lebensende erschwert sein kann, ist es hilfreich, wenn die Wünsche des Patienten/der Patientin dem Behandlungsteam bekannt sind und dieses dadurch die Möglichkeit hat, auf diese Wünsche einzugehen und in den Behandlungsplan zu integrieren (38).

Essen kann für einen Menschen am Lebensende kräftezehrend und erschöpfend sein. Nicht selten ist aufgrund von Schwäche der Schluckakt beeinträchtigt, das Aspirationsrisiko erhöht. Sondennahrung kann am Lebensende zu belastenden Symptomen wie Nausea und/oder Völlegefühl führen, erhöht das Risiko für Aspiration (11) und geht mit einer für die aktuelle Krankheitsphase zu hohen Flüssigkeitsmenge einher. Das Lebensende verlangt somit auch im Sinne einer guten Symptomkontrolle eine Anpassung der Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme.
Sterbende Patient/-innen sollten vor belastenden Massnahmen geschützt werden (22). Die intravenöse Flüssigkeitsgabe kann am Lebensende zu einem Lungenödem und somit zu einer Akzentuierung der Dyspnoe führen. Auch die Rasselatmung kann durch viel Flüssigkeitsgabe verstärkt werden (38). Da Angehörige oft Sorge haben, dass sie ihre Angehörigen verhungern und/oder verdursten lassen, bedarf es oft einer engen Begleitung und Information der Angehörigen (38), dass die veränderte oder gar fehlende Nahrungs- und/oder Flüssigkeitsaufnahme am Lebensende Teil des natürlichen Prozesses des Sterbens sein kann.

MSc Silke Walter

Kantonsspital Baselland
Mühlemattstrasse 26
4410 Liestal

silke.walter@ksbl.ch

Dr. med. Christine Zobrist

Fachärztin für Innere Medizin
Leitende Ärztin Palliative Care am Kantonsspital Baselland, Liestal

Die Autorinnen haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

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Dyspnoe bei Patienten in palliativen Situationen – das unsichtbare Symptom

Hintergrund und Definitionen

Dyspnoe ist bei Patient/-innen mit fortgeschrittenen malignen und nicht malignen Erkrankungen ein häufiges und belastendes Symptom, welches die Lebensqualität massiv einschränken kann. Die Prävalenz wird zwischen 10–70 % bei fortgeschrittenen malignen und 60–95 % bei fortgeschrittenen kardiorespiratorischen Erkrankungen beschrieben und nimmt am Lebensende zu (1–3). Dabei ist Dyspnoe nach der Definition der American Thoracic Society «eine subjektive Erfahrung einer unangenehmen Atmung, die in ihrer Ausprägung schwanken kann. Die Erfahrung wird von einem komplexen Zusammenspiel physischer, psychischer, sozialer und umweltbedingter Faktoren beeinflusst und kann sekundäre physiologische und verhaltensbezogene Reaktionen auslösen» (4). Angst und Panik können als Folge von Dyspnoe auftreten und diese wiederum die Dyspnoe verstärken.

Von refraktärer Dyspnoe wird gesprochen, wenn die Atemnot trotz adäquater Therapie anhält. Eine internationale Expertengruppe hat 2017 den Begriff «chronisches Atemnotsyndrom» oder «chronic breathlessness syndrome» für Patient/-innen mit therapierefraktärer Atemnot geprägt, wenn das Symptom trotz optimaler Behandlung der pathophysiologisch zugrunde liegenden Ursache fortbesteht und die Funktionsfähigkeit im Alltag einschränkt ist (5). Ziel ist es, den Krankheitscharakter des Symptoms darzustellen und damit den Zugang zu adäquater Behandlung zu fördern. Bei akuter Verschlechterung eines chronischen Atemnotsyndroms wird in der Literatur dementsprechend von «akuter auf chronische Dyspnoe» (acute-on-chronic dyspnea) gesprochen.

Dyspnoe kann als kontinuierliche Atemnot oder Atemnotattacken auftreten. Die kontinuierliche Atemnot beschreibt eine konstante Belastung durch Atemnot, die in ihrer Intensität üblicherweise variiert. Im Gegensatz dazu sind Atemnotattacken durch plötzliche und starke Anstiege der Atemnotsymptome gekennzeichnet. Diese Attacken können von wenigen Sekunden bis hin zu mehreren Stunden dauern, treten intermittierend auf und können unabhängig von kontinuierlicher Atemnot auftreten. Die Auslöser für Atemnotattacken können vielfältig sein und reichen von körperlicher Anstrengung über emotionale Belastungen bis hin zu Umgebungsfaktoren (11, 12).
Obwohl die Prävalenz hoch und die Bedeutung von Dyspnoe bekannt sind, haben Gesundheitsfachpersonen Schwierigkeiten, das Symptom zu erkennen, einzuschätzen und adäquat zu behandeln. Patient/-innen mit chronischem Atemnotsyndrom haben wiederholte, ungeplante Spitaleintritte, jedoch kaum vorausschauende Behandlungsplanung (5–8, 3).

Es handelt sich also um ein komplexes Symptom, das nur von Patient/-innen selbst beschrieben werden und mit einer hohen und multidimensionalen Einschränkung der Lebensqualität einhergehen kann. Dabei betrifft es nicht nur die Patient/-innen selbst, sondern auch ihr soziales Umfeld und Gesundheitsfachpersonen.

Ätiologie

Die zugrunde liegende Ätiologie der Dyspnoe ist sehr vielfältig. Tabelle 1 zeigt Beispiele auf. Häufig, gerade bei Fortschreiten der Grunderkrankung liegen auch mehrere Ursachen vor (Tabelle 1).

Multidimensionales Modell bei ­komplexer Belastung

Die Intensität der subjektiv erlebten Dyspnoe lässt sich nicht zuverlässig aufgrund der Schwere der zugrunde liegenden Pathologie vorhersagen. Es kann eine hohe affektive Komponente bestehen, die durch persönliche, emotionale und erwartungsbezogene Faktoren beeinflusst wird (12, 15).
Das subjektive Erleben der Dyspnoe, die damit verbundene Funktionseinschränkung und multidimensionale Belastung begünstigen die Entstehung und den Erhalt eines Circulus vitiosus. Dieser komplexe Zusammenhang wird im Modell breathing–thinking–functioning (9, 10) anschaulich beschrieben und ermöglicht mit diesem Verständnis auch einen Behandlungsansatz:
Dyspnoe (breathing): führt zu dysfunktionalen Atemmustern mit Einsatz von Atemhilfsmuskulatur, Steigerung der Atemfrequenz, relativer Erhöhung des Totraumvolumens und Verringerung der alveolären Ventilation, was wiederum zu ineffizienter Atmung und erhöhter Atemarbeit führt.
Denken (thinking): Angst und Panik, die durch Dyspnoe ausgelöst werden, verstärken die Wahrnehmung der Dyspnoe und führen weiterhin zu einer Steigerung der Atemfrequenz und Erhöhung der Muskelspannung.
Funktionsfähigkeit (functioning): Um Dyspnoe zu vermeiden, reduzieren Patient/-innen häufig ihre körperliche Aktivität, dies führt zu muskulärer Dekonditionierung und begünstigt damit wiederum die Dyspnoe. Vermehrter Unterstützungsbedarf und soziale Isolation sind die Folgen und begünstigen ihrerseits das Vermeidungsverhalten.

Bedeutung für die Patient/-innen

Bei fortschreitender unheilbarer Erkrankung sowohl bei onkologischen als auch bei nicht onkologischen Erkrankungen gilt Dyspnoe als prognostisch ungünstiger Parameter.
Das Symptom wird häufig als massiv belastend und bedrohlich erlebt und ist mit Angst und Erstickungsängsten verbunden. Der Alltag der Patient/-innen ist stark durch die Limitationen der Dyspnoe geprägt und neben der Erschöpfung und eingeschränkten Mobilität hat das Symp­tom einen grossen Einfluss auf die eigene soziale Rolle, die nur eingeschränkt oder nicht mehr gelebt werden kann, und kann bis hin zur sozialen Isolation führen. Folgen können existenzielle Belastungssituationen, Hoffnungslosigkeit und Depression sein und sind gehäuft mit dem Wunsch einer palliativen Sedierung oder Sterbewunsch assoziiert (31).

Beurteilung und Erfassung, oder ­Dyspnoe ist das, was Patient/-innen sagen

In Anbetracht der massiven Auswirkungen der Dyspnoe auf die Lebensqualität und Lebenszeit der Patient/-innen ist die frühzeitige Erfassung und die individuelle Bedeutung der Dyspnoe von hoher Relevanz. Dennoch wird Dyspnoe beim chronischen Atemnotsyndrom oder bei akuter auf chronischer Atemnot als ein unterbehandeltes Symp­tom beschrieben, dessen Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Patient/-innen und deren Angehörigen, im Gegensatz zu Schmerzen, massiv unterschätzt und damit zum unsichtbaren Symptom wird (6, 8).

Da es sich gemäss Definition um eine subjektive Erfahrung handelt, soll dementsprechend eine subjektive Erfassung des Symptoms erfolgen. Weiterhin ist es wichtig, neben der physischen und funktionalen Dimension auch die affektive und soziale Dimension zu erfassen, um Faktoren, die die Dyspnoe verstärken, zu identifizieren. Die Erfassung soll dabei regelmässig wiederholt werden (Box 1).

Als einfache Instrumente im ambulanten Setting oder im Stationsalltag eignen sich kategoriale Instrumente wie die Visuelle-Analog-Skala, VAS (keine–leichte–moderate–schwere Dyspnoe), oder numerische wie die Numerische-Rating-Skala, NRS (0–10). Diese eignen sich auch, um den Behandlungserfolg von eingeleiteten Massnahmen zu überprüfen. Wenn Patienten kognitiv eingeschränkt sind, ist eine Fremdeinschätzung durch die Angehörigen oder die Gesundheitsfachpersonen im Versorgungsnetz relevant (3–5, 10, 12).

Leitfragen beim Assessment können sein:
– Wie schwer/stark ist Ihre Luftnot? Jetzt? In den letzten 24 Stunden? Bei Anstrengung?
– Leiden Sie unter Atemnotattacken? Wie stark sind diese? Wie häufig und in welchen Situationen treten sie auf?
– Wie stark/schwer sind mit der Luftnot unangenehme Gefühle (z. B. Angst, Panik) verbunden?
– Wie stark sind Sie durch die Luftnot in Ihrem täglichen Leben beeinträchtigt?

Offene empathische Fragen können das individuelle Bild der Dyspnoe vervollständigen, dabei kann es hilfreich sein, Redewendungen zu verwenden, wie «für Ihre Behandlung möchte ich besser verstehen, welche Belastungen bei Ihnen mit der Luftnot einhergehen» oder «Was ist besonders belastend für Sie?»:
– Wie sieht Ihr Alltag mit der Luftnot aus? Können Sie sich selbst versorgen? Können Sie an sozialen Aktivitäten teilnehmen?
– Haben Sie Situationen erlebt, in denen Sie Angst, Panik oder Erstickungsangst hatten?
– Haben Sie Sorge, durch die Luftnot und die damit verbundenen Einschränkungen Ihre Angehörigen zu belasten?

Wichtig ist neben den Belastungen und Defiziten, auch mögliche Strategien zu erfragen, die die Patient/-innen bereits als positiv erlebt haben.
– Gibt es Massnahmen, die Ihnen bereits geholfen haben?
Objektive Parameter, wie zum Beispiel Sauerstoffsättigung, Lungenfunktionstests oder Atemfrequenz korrelieren nur mässig mit dem subjektiven Erleben der Dyspnoe (12, 15).
Um eine adäquate Behandlungsplanung zu ermöglichen, ist es weiterhin bedeutend, Krankheitsverständnis und Behandlungswünsche der Patient/-innen zu erfragen (18–20, 32).
– Wurde die Prognose ausreichend verstanden?
– Welche Ängste und Sorgen bestehen?
– Welche Ziele sollen erreicht werden?
– Welche Belastungen durch Diagnostik und Therapie werden hierfür in Kauf genommen?

Behandlung und Management

Grundsätzlich sollte immer überlegt werden, welche Ursachen der Dyspnoe zugrunde liegen können und welche ursächlichen Behandlungsmöglichkeiten bestehen. Tabelle 1 gibt einen Überblick möglicher Therapiemassnahmen.
Diagnostik und therapeutische Massnahmen sollen dabei immer auch die individuelle Situation und die Behandlungswünsche bzw. das gewünschte Therapieziel der Patient/-innen berücksichtigen. Gerade bei fortgeschrittener Erkrankungssituation oder am Lebensende sind die Belastungen, die mit Diagnostik und Therapie der Ursachen verbunden sind, sorgfältig abzuwägen (Box 2). So sind beispielsweise interventionelle Massnahmen bei einer Tage–Wochen dauernden Lebensdauer zu hinterfragen, ob die mit der Intervention verbundene Belastung überhaupt zumutbar ist und der mögliche Nutzen tatsächlich in der verbleibenden Lebenszeit erreichbar ist. Bei fortschreitender Erkrankung sollen die Behandlungswünsche in Bezug auf Diagnostik und Interventionen wie lebensverlängernde Massahmen regelmässig evaluiert werden. Symptomatische Therapiemassnahmen sind parallel empfohlen (12).

Die im folgenden genannten Therapieempfehlungen beziehen sich auf die symptomatische Linderung von therapierefraktärer Dyspnoe/chronischem Dyspnoesyndrom.
Aufgrund der oben beschriebenen multidimensionalen Belastung, die nicht notwendigerweise mit dem Ausmass der Pathologie korreliert, ist die alleinige Behandlung der ursächlichen Pathologie oft nicht ausreichend und ein multidimensionaler Therapieansatz von grundlegender Bedeutung, damit die Dyspnoe effektiv gelindert werden kann. Dabei sind allgemeine Massnahmen, nicht pharmakologische und pharmakologische Therapiemassnahmen zu berücksichtigen. Die Edukation von Patient/-innen zu Techniken und Verhaltensweisen, die ihnen ein Selbstmanagement der Dyspnoe ermöglichen, ist enorm wichtig. Durch die Fähigkeit, Situationen mit schwerer Atemnot oder Atemnotattacken zu kontrollieren, können Selbstvertrauen, Eigeninitiative und Sicherheitsgefühl gefördert und damit die Lebensqualität verbessert werden. Ausserdem sollen aufgrund der hohen affektiven Komponente der Dyspnoe Massnahmen zur Angstreduktion Teil des Therapiekonzeptes sein (16, 17).

Ziel ist es, eine gute Symptomkontrolle für die Patient/-innen zu ermöglichen und den oben beschriebenen Circulus vitiosus zu unterbrechen.
Es ist empfehlenswert, gemeinsam mit den Patient/-innen und Angehörigen einen Behandlungsplan für Notfallsituationen zu erstellen. Dieser Plan sollte neben medikamentösen Massnahmen auch allgemeine Massnahmen und ggf. einfach durchzuführende Übungen umfassen, die Patient/-innen allein oder mit Unterstützung von Angehörigen durchführen können (Box 3). Dies kann massgeblich zur Verbesserung der Symptomkontrolle und zu Verringerung von Hektik und Angst beitragen (10, 17, 20, 21).
Eine innovative Entwicklung in der multimodalen Behandlung von Atemnot ist die Einführung von sogenannten Atemnotservices oder Atemnotambulanzen, welche alle drei Pfeiler der Therapie (Allgemeinmassnahmen, nicht medikamentöse und medikamentöse Therapien) integrieren und individuell auf die Patient/-innen abstimmen (18–20).

Allgemeine und nicht pharmakologische Massnahmen (17, 22–24)

– Edukation und Information zu Selbstmanagement fördern Selbstwirksamkeit und können Ängste vermindern
– Anpassung Tagesplan mit Priorisierung von Aktivitäten und gutem Verhältnis von Aktivität und Pausen
– Selbst ruhig bleiben und Sicherheit für Patient/-innen und Angehörige vermitteln
– Kühlung des Gesichts durch frische Luft, Handfächer, Ventilator
– Erlernen von Atemtechniken
– Bequeme Sitz- oder Liegeposition finden
– Gehhilfen wir Rollator, Gehstock fördern zum einen die Mobilisierung und verlängern die Gehstrecke, vermutlich durch Unterstützung der Atemhilfsmuskulatur aufgrund Stabilisierung des Schultergürtels
– Entspannungsübungen zur Modulation der affektiven Komponente
– Erstellung Behandlungsplan/Notfallplan

Pharmakologische Massnahmen

Opioide

Derzeit sind Opioide die einzige Substanzgruppe mit ausreichender Evidenz in Studien zur symptomatischen Behandlung der therapierefraktären Dyspnoe bei Patient/-innen mit Tumoren oder ALS (25, 26). Dabei führen Opioide zu einer veränderten Wahrnehmung der Dyspnoe und zu einer Ökonomisierung der Atmung. Es gibt zahlreiche Studien, die die positive Wirkung von Opioiden bei der Linderung von Dyspnoe bei Patient/-innen mit malignen Erkrankungen belegen (28). Es gibt keinen Hinweis, dass eine adäquat durchgeführte Therapie der therapierefraktären Atemnot mit Opioiden zu einer klinisch relevanten Atemdepression führt (26, 27).

Bei Patient/-innen mit COPD oder Herzinsuffizienz war bislang auch von einem Benefit ausgegangen worden, der vor dem Hintergrund neuer Studien neu bedacht werden muss. So konnte gezeigt werden, dass es bei Patient/-innen mit COPD zwar eine Untergruppe von «Super-Respondern» gibt, die stark von der Opioidtherapie profitiert haben, andere jedoch keinen positiven Effekt bei Nebenwirkungen hatten (29). Für Patient/-innen mit Herzinsuffizienz konnte eine Metaanalyse zeigen, dass Opioide nicht zuverlässig wirken, keine der eingeschlossenen Studien zeigte eine signifikante Linderung der belastenden Atemnot durch Opio­ide, wobei keine Subgruppenanalyse der stark betroffenen Patient/-innen Stadium IV (NYHA) durchgeführt werden konnte (30). Für die Patient/-innen mit kardiorespiratorischen Erkrankungen und chronischem Atemnotsyndrom ergibt sich hieraus die Empfehlung einer sorgfältigen Patientenauswahl und vorsichtigem Titrationsversuch.

Die für die Linderung von Atemnot erforderlichen Opioiddosierungen sind in der Regel niedriger als in der Schmerztherapie. Übliche Anfangsdosierungen liegen bei 2.5 mg Morphin alle vier–sechs Stunden für Tumorpatienten und bei 1 mg alle vier–sechs Stunden für Nichttumorpatienten. Eine Symptomlinderung bei einer Tagesdosis von 10–20 mg Morphin p. o. kann für die Mehrheit der Patient/-innen erreicht werden (12) (Tabelle 2).

Gesundheitsfachpersonen und Patient/-innen können Sorge vor sedierender Nebenwirkung der Opioide haben, hier soll aktiv informiert werden, dass dies bei niedrigen Dosierungen und einer vorsichtigen Titration nicht zu erwarten ist.
Bei Atemnotattacken bzw. Verstärkung der Dyspnoe bei Belastung soll geprüft werden, ob eine Einnahme der Opioidreserve vor der (zu erwartenden) Belastung hilfreich sein kann.

Bei Patient/-innen mit Niereninsuffizienz muss auf Nebenwirkungen durch Kumulation der Morphinmetabolite geachtet werden. Es sollte die Wahl des Opioids anhand der klinischen Situation und dem Schweregrad der Niereninsuffizienz angepasst werden, wobei die Dosis reduziert und/oder das Dosierungsintervall verlängert werden kann. In der klinischen Praxis kann Hydromorphon für Patient/-innen mit Niereninsuffizienz empfohlen werden, wobei die Studienlage hier begrenzt ist (12).
Bei der Anwendung von Opioiden zur Linderung von Atemnot gelten die gleichen präventiven Massnahmen zur Vermeidung von Nebenwirkungen wie bei der Schmerztherapie. Dazu gehören beispielsweise eine dauerhafte Prophylaxe gegen Verstopfung und gegebenenfalls Antiemetika.

Benzodiazepine

Benzodiazepine wie Lorazepam und Midazolam werden seit Langem in der klinischen Praxis zur Behandlung von Atemnot bei fortgeschrittenen Erkrankungen eingesetzt und von vielen Therapierichtlinien empfohlen. Die klinische Erfahrung wird positiv bewertet, insbesondere bei Patient/-innen mit hoher affektiver Komponente. Jedoch konnte in einer systematischen Literaturübersicht und Metaanalyse keine statistisch signifikante Wirksamkeit nachgewiesen werden, obwohl eine Tendenz zur Linderung erkennbar ist (33). Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass Benzodiazepine möglicherweise weniger die Intensität der Atemnot reduzieren (wie es in den Studien gemessen wurde), sondern eher den Umgang mit Atemnot verbessern.

Es besteht ein enger klinischer Zusammenhang zwischen Atemnot und Angst, und oft verbessert sich subjektiv die Atemnot nach einer Behandlung der Angst. Dies wird auch durch die gute Wirksamkeit von Entspannungstechniken zur Behandlung von Atemnotattacken bestätigt. Daher kann es sinnvoll sein, den oben beschriebenen Circulus vitiosus zwischen Angst und Atemnot, gerade bei Atemnotattacken, zu durchbrechen, indem man die Behandlung der Dyspnoe mit Opioiden mit Benzodiazepinen ergänzt. Dies ist auch in der fortgeschrittenen Krankheitssituation oder in der Sterbephase bei hoher affektiver Komponente sinnvoll. Prinzipiell sollten niedrige Startdosen gewählt werden und vorsichtig unter Berücksichtigung der Wirkung und möglichem sedierenden Effekt titriert werden. Am Lebensende sind, insbesondere bei gleichzeitig bestehender Unruhe, möglicherweise höhere Dosierungen notwendig (Tabelle 3).

Sauerstoff und Beatmung

Patient/-innen mit schwerer Hypoxämie, wie etwa in der Langzeittherapie der COPD, können von der Verabreichung von Sauerstoff profitieren. Derzeit wird der Benefit von hoch dosierten Sauerstoffgaben (high flow) untersucht. Die Indikation zur Sauerstoffgabe wird jedoch oft zu häufig und ohne genügende kritische Überlegung gestellt. Es konnte gezeigt werden, dass bei Krebspatient/-innen ohne Hypoxämie keine signifikanten Vorteile durch Sauerstoff im Vergleich zur Verwendung von Raumluft zur Symptomlinderung erreicht werden.

Die Entscheidung zur Sauerstofftherapie sollte strengen Kriterien folgen, da die Sauerstoffgabe auch potenzielle Nebenwirkungen wie Austrocknung der Schleimhäute, Bewegungseinschränkungen und unnötige Hospitalisierungen mit sich bringen kann. In der Sterbephase ist selten ein Benefit der Sauerstofftherapie zu erwarten. Es wird daher empfohlen, Sauerstoff, falls überhaupt, individuell bei jedem Patienten zu testen (34).
Manche Patientengruppen können von nicht invasiver Maskenbeatmung (beispielsweise COPD, ALS) profitieren, dies sollte in enger Zusammenarbeit mit den behandelnden Pneumologen evaluiert werden.

Dyspnoe in der Sterbephase

Dyspnoe und Angst stellen die häufigsten und äusserst belastende Symptome in der Sterbephase dar, sowohl für die Patienten selbst als auch für ihre Angehörigen und die Gesundheitsfachpersonen. Etwa 70–80 % der Patient/-innen mit fortgeschrittener Krebserkrankung leiden in den letzten Lebenstagen unter Dyspnoe (12, 14). Aufgrund der oft eingeschränkten Kommunikationsfähigkeit in diesem Stadium ist die Einschätzung der Symptomlast durch Angehörige und Gesundheitsfachpersonen von entscheidender Bedeutung. Klinische Anzeichen wie Unruhe, Mimik, Schwitzen, erhöhte Atemfrequenz und Anstrengung sind wichtige Faktoren bei der Beurteilung. Es ist wichtig, die Angehörigen über normale Veränderungen der Atmung in der Sterbephase aufzuklären, wie z.B. Rasselatmung, und sie professionell zu unterstützen.
Bei Unruhezuständen ist es entscheidend, mögliche körperliche Ursachen wie Schmerzen, Harnverhalt, Obstipation und Delir zu identifizieren und gegebenenfalls zu behandeln. Informationen über die Biografie und Vorerkrankungen der Patient/-innen oder der Angehörigen können dabei wertvoll sein. Neben der Behandlung behebbarer Ursachen bei Angst- und Unruhezuständen ist es wichtig, für eine ruhige Umgebung, vertrauensvolle Kommunikation und Kontinuität in der Betreuung zu sorgen.
Die medikamentöse Therapie erfolgt in der Regel mit Opioiden sowie Benzodiazepinen bei Angst und Unruhe. Dabei soll die Dosis unter regelmässiger Evaluation der Wirkung und möglicher Nebenwirkungen titriert werden. Die Applikation erfolgt meist parenteral, entweder subkutan oder intravenös.
Patient/-innen mit Krankheiten, bei denen Dyspnoe am Lebensende wahrscheinlich ist, benötigen eine einfühlsame und offene Kommunikation im Vorfeld, dabei stehen die Ängste und Wünsche der Patient/-innen im Mittelpunkt. Information und Diskussion über die Möglichkeit einer palliativen Sedierung bei unaushaltbarem Leiden kann für die Patient/-innen und Angehörigen entlastend sein.

Dr. med. Sandra Eckstein

Abteilung für Palliative Care, Departement Theragnostik, Universitätsspital Basel, Basel

Die Autorin hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

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