Was wissen Schweizerinnen und Schweizer über ­kardiovaskuläre Risikofaktoren?

Einleitung

Kardiovaskuläre Erkrankungen stellen in der Schweiz die häufigste nicht übertragbare Erkrankung dar und sind zudem auch die häufigste Todesursache. Die individuelle Krankheitslast durch körperliche Beeinträchtigungen und frühzeitigen Tod ist ebenso erheblich wie die gesundheitsökonomischen Belastungen. So summierten sich die direkten und indirekten Kosten in der Schweiz im Jahr 2021 geschätzt etwa auf 27.8 Mrd CHF, somit 4 % des Bruttoinlandsprodukts (1).

Dabei sind die präventiven und therapeutischen Massnahmen sowohl interventioneller als auch medikamentöser Art so umfangreich und wirksam wie in keinem anderen Krankheitsgebiet. Ausser Alter und Geschlecht lassen sich nahezu alle weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren derart beeinflussen, dass es zu einer starken und signifikanten Reduzierung des kardiovaskulären Risikos kommt (2). Neben einem allfälligen Rauchstopp und körperlicher Aktivität ist vor allem die leitliniengerechte Einstellung von Blutdruck, Lipiden und einem eventuellen Diabetes von entscheidender Bedeutung. Studien zeigen hier aber sowohl auf europäischer Ebene wie auch in der Schweiz erhebliches Verbesserungspotential (3–8). Wichtig für die Akzeptanz und Adhärenz von primär- und sekundärpräventiven Massnahmen, sowohl medikamentöser wie auch nichtmedikamentöser Art, ist sicher auch das Wissen der Patienten über die einzelnen Risikofaktoren. Zwar existieren in vielen Ländern nationale Gesundheitssurveys etwa zur Prävalenz von kardiovaskulären Erkrankungen, aber erstaunlicherweise finden sich relativ wenig Studien, die gezielt das Wissen von Menschen zu kardiovaskulären Risikofaktoren und deren Beeinflussbarkeit untersucht haben. Vorhandene Studien deuten darauf hin, dass das Rauchen, der Blutdruck und ein eventuell vorhandener Diabetes mellitus als Risikofaktoren wahrgenommen werden, dass aber insbesondere die Lipide, respektive das Cholesterin, als Risikofaktor eher zu wenig wahrgenommen oder unterschätzt werden – nicht zuletzt auch aufgrund kontroverser Medienberichte (9, 10).

Das Ziel der vorliegenden Arbeit war es daher zu untersuchen, welche Faktoren in der Allgemeinbevölkerung als Risikofaktoren wahrgenommen werden und wie die Einschätzung über deren Beeinflussbarkeit ausfällt. Dies sind zentrale Erkenntnisse, um künftige Präventionskampagnen effektiver zu gestalten, aber auch um die individuelle Arzt-Patienten-Kommunikation gezielter auf unterschätzte Risiken und Interventionsmassnahmen abzustellen und die Adhärenz zu erhöhen.

Methodik

Via die Zeitschrift «Doktor Stutz», eine etablierte Schweizer Zeitschrift, die sich an medizinische Laien richtet, wurde ein Link zu einem Online-Survey versandt. Zudem war der Link via die Online-Ausgabe der Zeitschrift erreichbar. Der Fragebogen war von 28.11.24 bis 8.1.25 verfügbar. Die Umfrage war vollständig anonymisiert, eine Identifikation der Teilnehmer nicht möglich, daher kam das Schweizer Humanforschungsgesetz (HFG) nicht zur Anwendung und ein Ethikvotum war nicht notwendig. Der Survey erfasste neben soziodemographischen Angaben auch Informationen zum individuellen Gesundheitszustand und kardiovaskulären Vorerkrankungen. Abgefragt wurden zudem Aussagen zu kardiovaskulären Erkrankungen im Allgemeinen, denen mit «ja», «eher ja», «eher nein» und «nein» zugestimmt, respektive widersprochen werden konnte, zudem gab es die Antwortmöglichkeit «ich weiss es nicht».

In einer weiteren Frage wurde erhoben, ob die Teilnehmenden ihre eigenen Werte für Blutdruck, Blutzucker, Cholesterin und den Body Mass Index (BMI) «sehr genau», «ungefähr» oder «gar nicht» kennen.

Der Frage nach den Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen wurde ein aufsteigender Zahlenwert zugeordnet, je nach der Einschätzung des potentiellen Einflusses auf das kardiovaskuläre Risiko durch die Befragten, von 1 für «gar nicht» bis 5 für «sehr stark». Diese Gewichtung seitens der Befragten wurde mit der Anzahl der jeweiligen Antworten multipliziert und aufaddiert um so eine Gesamtgewichtung der einzelnen Risikofaktoren zu erreichen. Zudem erfolgte die Berechnung des Mittelwerts, des Medians und des Interquartilsabstandes (IQR).

Ergebnisse

Insgesamt wurden 3166 Antworten erfasst, in 2671 Fällen wurde der Fragebogen vollständig ausgefüllt. Frauen waren mit 79.5 % (2.149) deutlich überrepräsentiert gegenüber Männern mit 20.5 % (554). 3108 Teilnehmende beantworteten die Frage zum Gesundheitszustand. 1025 (32.9 %) Personen gaben an, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu leiden, 2059 (66.2 %) verneinten dies. Mit 61.2 % (1902) war die Mehrheit der Teilnehmenden zwischen 59 und 79 Jahren alt, 513 (16.5 %) Personen waren zwischen 39 und 58 Jahren, 266 (8.6 %) über 79 Jahre und 24 (0.8 %) unter 39 Jahren alt. Hinsichtlich des Bildungsstands gab die Mehrheit (1542, 49.6 %) an, die obligatorische Schulpflicht absolviert zu haben, 1435 (46.2 %) Personen verfügten über eine höhere Berufsausbildung (eidgenössische Berufs-/Fachprüfung), 302 (9.7 %) Personen über einen Fachholschulabschluss und 174 (5.6 %) über einen Universitäts- oder ETH-Abschluss.

Die Mehrheit 1871 (60.2 %) schätzte den persönlichen Gesundheitszustand als gut ein, 804 (25.8 %) als mittel, 387 (12.4 %) als sehr gut und nur 46 (1.5 %) als schlecht (Abb. 1).

Aussagen zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Diese Frage wurde von 2793 Teilnehmenden beantwortet. 2560 (91.6 %) Personen stimmten der Aussage zu, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen häufig sind (ja: 1587, eher ja: 973) und nur ganz wenige negierten dies vollständig (34, 1.2 %). Ähnlich wurde die Frage zur medikamentösen Behandlungsmöglichkeit eingeschätzt, die Mehrheit stimmte der Aussage voll 1505 (53.9 %) oder überwiegend 1079 (38.6 %) zu, dass kardiovaskuläre Erkrankungen gut medikamentös behandelbar sind. 70 (2.5 %) Befragte negierten dies. Bei der Frage, ob es sich bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen um eine normale Alterserscheinung handelt, waren 1289 (46.1 %) Personen der Meinung dies träfe (eher) zu, während nahezu ähnlich viele 1210 (43.3 %) dies völlig oder eher verneinten. Der positiven Beeinflussbarkeit durch Bewegung (2720; 97.3 %) oder gesunde Ernährung (2413; 86.4 %) wurde überwiegend zugestimmt. 78.5 % (2194 Personen) lehnten die Aussage ab, kardiovaskuläre Erkrankungen wären überwiegend eine Erfindung der Pharmaindustrie (Abb. 2).

Kenntnis der eigenen Werte

2766 Befragte machten Angaben hierzu. Der eigene Blutdruck war den meisten Befragten bekannt: 1781 (64.3 %) gaben an, ihn sehr genau zu kennen, 913 (33 %) kennen ihn immerhin ungefähr. Der zweitgeläufigste Wert war der Body Mass Index, den 1543 (55.7 %) sehr genau kannten. Nur 217 (7.8 %) war er völlig unbekannt. Den Blutzucker kannten 1031 (37.2 %) respektive 891 (32.2 %) Personen sehr genau oder zumindest ungefähr. Beim Cholesterin gaben 1086 (39.2 %) an, den Wert sehr genau zu kennen, während 697 (25.2 %) Personen angaben, ihnen sei ihr Cholesterinwert gar nicht bekannt (Abb. 3).

Risikofaktoren für Herz- und Kreislauf-Erkrankungen

2706 Befragte gaben ihre Einschätzung zu den kardiovaskulären Risikofaktoren ab. Mit einem aufaddierten Gesamtwert von 10 687, respektive einem Mittelwert von 3.97 war Rauchen der am stärksten gewichtete Risikofaktor (Abb. 4). Mit 1366 Befragten (50.5 %) werteten knapp über 50 % diesen Faktor als sehr starken Risikofaktor, allerdings waren auch 16.1 % (435 Personen) der Meinung, Rauchen sei überhaupt kein Risikofaktor. Cholesterin und Blutdruck wurden nahezu gleichauf als starke Risikofaktoren eingestuft, mit Summenwerten von 10 706, respektive 10 650 und Durchschnittswerten von 3.97 und 3.95 (Median jeweils 4, IQR 4–5). Mit einem Summenwert von 10 641 (Durchschnitt 3.95) folgte Bewegungsmangel (Median 4, IQR 4–5), hier waren 1073 (39.7 %) der Befragten der Meinung, dies sei ein sehr starker Risikofaktor. Geringer gewichtet wurde ein Diabetes mellitus als kardiovaskulärer Risikofaktor mit einem Summenwert von 9465 und einem Durchschnittswert von 3.51 (Median 4, IQR 3–5). Immerhin 367 (13.6 %) Befragte werteten Diabetes überhaupt nicht als Risikofaktor. In der weiteren Rangfolge folgte eine familiäre Vorbelastung (9509, 3.52), Konsum von Fast Food (9105, 3.39), Stress (8861, 3.28), Konsum von Alkohol (8542, 3.16) und erhöhtes Körpergewicht (8301, 3.08). In Abb. 5 werden die Angaben in einer Likert-Skala abgebildet, die die Abweichung von einer neutralen Einschätzung des jeweiligen Risikofaktors darstellt.

Diskussion

Die vorliegende Umfrage ist nach unserem Wissen die erste Erhebung in der Schweiz unter medizinischen Laien, die Einschätzungen zum kardiovaskulären Risiko im Allgemeinen, Kenntnisse über individuelle Risikofaktoren und die grundsätzliche Beeinflussbarkeit dieser Risikofaktoren erfasst. Die Ergebnisse zeigen eine erfreulich gute Orientierung über die Risikofaktoren, aber auch einige Ansatzpunkte für eine vertiefte Aufklärung in der Primär- und Sekundärprävention von kardiovaskulären Erkrankungen.

Die Ergebnisse unseres Surveys sind im Kontext des befragten Samples zu betrachten. Dieses reflektiert hinsichtlich der Altersverteilung die typische Leserschaft eines Gesundheitsmagazins, so waren über 60 % der Teilnehmenden zwischen 59 und 79 Jahren alt, einem Alter, in dem das Interesse an Gesundheitsthemen und insbesondere hochprävalenten kardiovaskulären Erkrankungen in den Vordergrund rückt. Studien zeigen, dass der Bildungsstand, nicht aber das Einkommen, Einfluss auf kardiovaskuläre Risikofaktoren und hier insbesondere wohl via Ernährung auf den Cholesterinspiegel hat (9). Auch wenn der Bildungsstand unseres Samples keine Verzerrung zu Akademikern (15.3 %) hin erkennen lässt, so ist doch davon auszugehen, dass bei den meisten Teilnehmenden bereits eine Auseinandersetzung mit dem Thema stattgefunden hat und die Teilnehmer diesbezüglich als gebildeter gelten müssen. Die selbstdeklarierte Prävalenz der Herz-Kreislauf-Erkrankung liegt mit 33.9 % im zu erwartenden Bereich, so leiden laut Schweizer Gesundheitssurvey 27.6 % der 55–64-jährigen und 45.8 % der 65–74-jährigen an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung (11). Zu berücksichtigen ist auch, dass der Frauenanteil mit fast 80 % bei den Teilnehmenden stark überwog, was deren höheres Interesse an Gesundheitsthemen widerspiegeln dürfte.

Zwiegespalten waren die Teilnehmenden bei der Frage, ob kardiovaskuläre Erkrankungen eine natürliche Alterserscheinung darstellen. Dies mag daran liegen, dass ein hoher Prozentsatz der Überzeugung war, man könne diese Erkrankungen durch einen aktiven Lebensstil (97.3 %) und gesundheitsbewusste Ernährung (86.4 %) positiv beeinflussen. Auch diese hohe Selbstwirksamkeitseinschätzung dürfte ein Spezifikum des befragten Samples sein. Adhärenz-Probleme sind im ärztlichen Alltag häufig, daher hatten wir eine skeptische Haltung gegenüber medikamentösen Therapien, respektive gegenüber der Pharmaindustrie erwartet. In unserem Survey zeigt sich allerdings eine grosse Mehrheit von der medikamentösen Beeinflussbarkeit der Herz-Kreislauf-Erkrankungen überzeugt.

Besser denn erwartet, aber immer noch ungenügend, ist auch die Orientierung der Befragten über die eigenen Werte: 64.3 % kannten ihren Blutdruck nach eigener Angabe «sehr genau». In einer Studie von Oliveiria et al. unter Hypertonikern gaben beispielsweise 91 % an, dass ihnen bewusst sei, dass eine Blutdrucktherapie für sie wichtig ist, aber nur 41 % kannten ihren eigenen Blutdruck (12). In einer älteren Studie von Murdoch et al. befragte man Patienten, die eine Cholesterinmessung erhalten hatten, zu ihrem Lipidstatus und Cholesterinwerten, nur 19 % konnten ihren Wert genau erinnern, dies war insbesondere der Fall, wenn er mit Diätempfehlungen verbunden war (13). Dieses Ergebnis passt zu den qualitativen Ergebnissen von Goldman et al., die zeigen, dass insbesondere konkrete Behandlungsempfehlungen für Patienten wichtig sind (14).

Zum Kenntnisstand der Bevölkerung bezüglich kardiovaskulärer Risikofaktoren existieren erstaunlicherweise nur wenige Studien jüngeren Datums aus Westeuropa, und wenn beziehen sie sich meist auf Personengruppen, die beispielsweise ein höheres Risiko mitbringen, wie Menschen mit familiärer Hypercholsterinämie oder einem Schwangerschaftsbluthochdruck (15).

Bisherige Studien, etwa an US Veteranen, haben ein deutliches Verbesserungspotential hinsichtlich des Kenntnisstands kardiovaskulärer Risikofaktoren auch unter betroffenen Patienten gezeigt (16). Aber auch Studien mit jüngeren Personen, meist selbst mit einem hohen kardiovaskulären Risiko behaftet, zeigten eher geringe Kenntnisse über die Risikofaktoren (15, 17, 18).

Im Widerspruch zu der von uns gefundenen guten Orientierung über Risikofaktoren und eigene Werte mag die Aussage aus unserem Surevy erscheinen, dass 435 (13.5 %) Befragte das Rauchen nicht oder nur als geringen (29; 1.1 %) Risikofaktor bewerteten. In einer ähnlichen Befragung aus den Arabischen Emiraten beispielsweise werteten 91 % Rauchen als Risikofaktor und nur 9 % negierten dies, in einer Studie in Äthopien beurteilten nur 12 % Rauchen nicht als Risikofaktor (18, 19).

Die in der Literatur beschriebene und durch die Medien gelegentlich weiter angetriebene Skepsis und damit einhergehenden Adhärenz-Probleme in Bezug auf die Statine (10, 20), bilden sich in unseren Ergebnissen nicht ab, so wurde Cholesterin als Risikofaktor hoch gewertet. Insgesamt stehen unsere Ergebnisse fast etwas im Widerspruch zu Daten, die zeigen, dass ein relevanter Prozentsatz der kardiovaskulären Risikopatienten nicht die von den Leitlinien geforderten Grenzwerte für Blutdruck und insbesondere das LDL-Cholesterin erreicht – in der Schweiz wie auch in ganz Europa (5, 7, 21, 22).

Limitationen

Unsere Ergebnisse weisen teilweise eine bessere Orientierung über Risikofaktoren aus als sonst in der Literatur widergespiegelt, zudem ist insbesondere die Skepsis hinsichtlich medikamentöser Behandlungsmöglichkeiten geringer ausgeprägt. Ursächlich hierfür dürfte ein selection bias sein – ein Gesundheitsmagazin, über das die Befragung kommuniziert wurde, adressiert per se eine eher gesundheitsbewusstere und besser informierte Population mit besonderem Interessen an dem Thema. Von daher sind unsere Ergebnisse sicherlich nicht auf die Schweizer Bevölkerung generell übertragbar. Eine Stärke des Surveys ist jedoch seine vergleichsweise grosse Zahl an Teilnehmenden und die Tatsache, dass sie genau jene Altersgruppe adressierte, die das höchste kardiovaskuläre Risiko aufweist.

Schlussfolgerungen

Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Wissen um die Bedeutung kardiovaskulärer Risikofaktoren in für die kardiovaskuläre Prävention relevanten Bevölkerungsgruppen grösser ist als angenommen. Wissen allein garantiert noch keine Therapieadhärenz, ist aber dennoch eine entscheidende Voraussetzung. Vielleicht unterschätzen viele Ärzte die Bereitschaft der Patienten evidenzbasierte Therapien umzusetzen. Unsere Ergebnisse sind dahingehend ermutigend, als dass das vorhandene Grundwissen ergänzt um eine umfassende Aufklärung, beispielsweise mittels Risikoscores (14), die Voraussetzung schaffen sollte, höhere Zielerreichungsgrade umzusetzen, als dies derzeit noch der Fall ist.

Prof. Dr. Dr. med.Thomas Rosemann

Institut für Hausarztmedizin
Universitätsspital Zürich
Pestalozzistrasse 24
8091 Zürich

thomas.rosemann@usz.ch

Prof. Dr. med. Thomas F. Lüscher

– MediS – Medizin im Schauspielhaus
Rämistrasse 34
8001 Zürich
– Royal Brompton & Harefield Hospitals
77 Wimpole Street Outpatients and Diagnostics
London W1G 9RU

Dr. med. Andrea Rosemann

Institut für Hausarztmedizin Universitätsspital Zürich (IHAMZ)
Pestalozzistrasse 24
8091 Zürich

andrea.rosemann@usz.ch

Thomas F. Lüscher hat – unabhängig von der vorliegenden Umfrage – Forschungsgrants von folgenden Firmen erhalten: Abbott, Amgen, AstraZeneca, Boehringer-Ingelheim, Daichi-Sankyo, Menarini Foundation, Novartis, Novo Nordisk, Roche Diagnostics, Sanofi sowie Honorare von Amgen, Dacadoo, Daichi-Sankyo, Menarini Foundation, Novartis, Novo Nordisk, Philips and Pfizer.

Schweizerinnen und Schweizer sind vergleichsweise gut über Herz-Kreislauf-Erkrankungen orientiert, unterschätzen aber Risiken wie Rauchen und sind über ihren Cholesterinwert zu selten orientiert. Die Überzeugung, diese Erkrankungen durch Bewegung, Ernährung aber auch Medikamente positiv beeinflussen zu können, sollte Ärztinnen und Ärzte motivieren, all diese präventiven Massnahmen zu adressieren.

1. Rosemann T, Bachofner A, Strehle O. [Cardiovascular diseases in Switzerland – Prevalence and care]. Praxis (Bern 1994). 2024;113(3):57-66.
2. Roth GA, Johnson C, Abajobir A, Abd-Allah F, Abera SF, Abyu G, et al. Global, Regional, and National Burden of Cardiovascular Diseases for 10 Causes, 1990 to 2015. J Am Coll Cardiol. 2017;70(1):1-25.
3. Marz W, Dippel FW, Theobald K, Gorcyca K, Iorga SR, Ansell D. Utilization of lipid-modifying therapy and low-density lipoprotein cholesterol goal attainment in patients at high and very-high cardiovascular risk: Real-world evidence from Germany. Atherosclerosis. 2018;268:99-107.
4. Aminorroaya A, Yoosefi M, Rezaei N, Shabani M, Mohammadi E, Fattahi N, et al. Global, regional, and national quality of care of ischaemic heart disease from 1990 to 2017: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2017. European Journal of Preventive Cardiology. 2021;29(2):371-9.
5. Ray KK, Molemans B, Schoonen WM, Giovas P, Bray S, Kiru G, et al. EU-Wide Cross-Sectional Observational Study of Lipid-Modifying Therapy Use in Secondary and Primary Care: the DA VINCI study. Eur J Prev Cardiol. 2021;28(11):1279-89.
6. Huber CA, Meyer MR, Steffel J, Blozik E, Reich O, Rosemann T. Post-myocardial Infarction (MI) Care: Medication Adherence for Secondary Prevention After MI in a Large Real-world Population. Clin Ther. 2019;41(1):107-17.
7. Di Ganghi SB, R. Grischott, T. Burgstaller, J. Senn O., Rosemann, T. Markun S. Arterial Hypertension Control and Treatment in Swiss General Practice – cross sectional study using routine data from the FIRE primary care database. . submitted.
8. Rosemann T, Bachogner, A. Strehle, O. Kardiovaskuläre Erkrankungen in der Schweiz – Prävalenz und Versorgung. Praxis (Bern 1994). 2024;in press.
9. Potvin L, Richard L, Edwards AC. Knowledge of cardiovascular disease risk factors among the Canadian population: relationships with indicators of socioeconomic status. Cmaj. 2000;162(9 Suppl):S5-11.
10. Nielsen SF, Nordestgaard BG. Negative statin-related news stories decrease statin persistence and increase myocardial infarction and cardiovascular mortality: a nationwide prospective cohort study. Eur Heart J. 2016;37(11):908-16.
11. 2023;Pages. Accessed at OBSAN at https://ind.obsan.admin.ch/indicator/monam/herz-kreislauf-erkrankungen-praevalenz-alter-15 on 26.06.2023 2023.
12. Oliveria SA, Chen RS, McCarthy BD, Davis CC, Hill MN. Hypertension knowledge, awareness, and attitudes in a hypertensive population. J Gen Intern Med. 2005;20(3):219-25.
13. Murdoch M, Wilt TJ. Cholesterol awareness after case-finding: do patients really know their cholesterol numbers? Am J Prev Med. 1997;13(4):284-9.
14. Goldman RE, Parker DR, Eaton CB, Borkan JM, Gramling R, Cover RT, Ahern DK. Patients’  perceptions of cholesterol, cardiovascular disease risk, and risk communication strategies. Ann Fam Med. 2006;4(3):205-12.
15. Slater K, Taylor R, Collins CE, Hutchesson M. Awareness of cardiovascular disease risk and care received among Australian women with a history of hypertensive disorders of pregnancy: a cross-sectional survey. BMC Pregnancy Childbirth. 2025;25(1):15.
16. Batie CM, Axon RN, Pope C. Challenges to Cardiovascular Health Among Female U.S. Veterans and Future Implications: A Scoping Review. Mil Med. 2025.
17. Plisyuk AG, Orlova IA, Zimakova EI, Begrambekova YL, Krasilnikova ES, Daudov IS, et al. The Frequency of Occurrence of Cardiovascular Risk Factors and Awareness of Them Among Young People in Higher Education Institutions. Kardiologiia. 2024;64(12):19-26.
18. Birarra MK, Baye E, Tesfa W, Kifle ZD. Knowledge of cardiovascular disease risk factors, practice, and barriers of community pharmacists on cardiovascular disease prevention in North West Ethiopia. Metabol Open. 2022;16:100219.
19. Syed W, Samarkandi O, Alanazi AA, Alotaibi N, Al-Rawi MBA. Assessment of myocardial infarctions knowledge, attitudes and beliefs among adults living in Riyadh Saudi Arabia – insights from cross-sectional study. Sci Rep. 2024;14(1):31457.
20. Rosenberg J, Lampridou S, Moores A, Garfield S, Wingfield D, Judah G. A Systematic Review Uncovering Modifiable Influences on Statin Adherence. Patient Prefer Adherence. 2025;19:29-48.
21. Rachamin Y, Markun S, Grischott T, Rosemann T, Meier R. Guideline Concordance of Statin Treatment Decisions: A Retrospective Cohort Study. J Clin Med. 2020;9(11).
22. Meier R, Rachamin Y, Rosemann T, Markun S. The Impact of the 2019 European Guideline for Cardiovascular Risk Management: A Cross-Sectional Study in General Practice. J Clin Med. 2020;9(7).

«ESC-Guidelines 2024 for the ­management of elevated blood pressure and hypertension»

Das Paradoxon Hypertonie

Bluthochdruck ist der bedeutendste singuläre Risikofaktor für die Gesamtsterblichkeit weltweit, verantwortlich für etwa 13 % aller Todesfälle (1, 2). Uns stehen über 50 gebräuchliche antihypertensive Substanzen zur Verfügung, welche allesamt generisch sind. Die Tagestherapiekosten belaufen sich für den durchschnittlichen Hypertoniker auf weit unter 1 CHF/Tag. Dennoch erreichen in der Schweiz nur 60.9 % von einem Idealkollektiv, welches diagnostiziert, behandelt und wahrscheinlich therapieadhärent ist, und nur 39.4 % von allen Patienten mit Hypertonie das liberalste aller Blutdruckziele (< 140/90 mmHg) (3). Der niedrige Leidensdruck, komplexe Therapieschemata sowie die häufigen Nebenwirkungen der antihypertensiven Therapie und die damit verbundene niedrige Therapieadhärenz, Schwierigkeiten einer validen Blutdruckmessung und auch die Trägheit der Ärzte, eine notwendige Therapieintensivierung vorzunehmen («physicians` inertia»), sind die grössten Hürden, eine adäquate Blutdruckkon­trolle zu erreichen (4, 5).

Die neuen ESC-Guidelines – das Wichtigste für die tägliche Praxis eines Kardiologen

Wie ist Bluthochdruck definiert?

Bei der Benennung der diagnostischen Blutdruckkategorien wurde einerseits zur Kenntnis genommen, dass der Begriff «Normotonie» schwierig zu definieren ist, da das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse bereits ab 90 mmHg systolisch zu steigen beginnt. Bei indigenen Bevölkerungen, die unserem Lebensstil nicht ausgesetzt sind, können auch in späteren Lebensdekaden systolische Blutdruckwerte von 100 mmHg dokumentiert werden (6). Unter anderem hat auch durch den Einbezug von Patienten-Repräsentanten eine Vereinfachung der Klassifizierung stattgefunden, wie in Abb. 1 gezeigt (7).

Screening und Diagnose

Es wird empfohlen, den Blutdruck mit einem validierten und kalibrierten Gerät zu messen, die korrekte Messtechnik durchzusetzen und bei jedem Patienten einen einheitlichen Ansatz für die Blutdruckmessung anzuwenden (Klasse I) (7). Für diagnostische Zwecke wird die ambulante Blutdruckmessung (Heim- oder 24-h-Blutdruckmessung) empfohlen, vor allem, weil damit sowohl die Weisskittelhypertonie als auch die maskierte Hypertonie erkannt werden können. Opportunistisches Screening wird, auch bei Personen mit nicht erhöhtem Blutdruck, alle 3 Jahre empfohlen, bei allen anderen Personen/Patienten sind mindestens jährliche BD-Messungen empfehlenswert.

Nicht pharmakologische Therapie

Lifestyle-Massnahmen wurden bei allen Patienten, inklusive Patienten mit nicht erhöhten Blutdruck, empfohlen. Dazu gehören: eine gesunde Ernährung (z. B. mediterrane Diät), die Kaliumzufuhr zu erhöhen, ein regelmässiges aerobes Training (150 min/Woche), ein stabiler und normaler «body mass index» (BMI 20–25 kg/m2), die Salzaufnahme (< 2 g/Tag) und den Alkoholkonsum (< 100 g/Woche) zu reduzieren und das Rauchen zu stoppen.

Ab wann sollte eine Pharmakotherapie initiiert werden?

Während eine sofortige Einleitung einer Pharmakotherapie bei einem bestätigten Praxis-Blutdruck von ≥ 140/90 mmHg (oder den korrespondierenden Heim- oder 24-h-Blutdruckwerten, Abb. 1) weiterhin indiziert ist, geben die aktuellen Leitlinien viel detaillierter Aufschluss da­rüber, welche Patientengruppen mit erhöhtem Blutdruck (120–139 mmHg systolisch) eine medikamentöse Therapie erhalten sollten. Da etwa die Hälfte aller Patienten mit manifester Hypertonie nicht von ihrer Erkrankung weiss und der Grossteil der Patienten mit manifester Hypertonie in Europa, inklusive Schweiz, weit entfernt von einer Blutdruckzielerreichung ist, stellt sich die Frage, welche Berufsgruppe sich mit dieser Nischenkategorie in dem geforderten Detail auseinandersetzen soll (8–10). Konkret empfehlen die Leitlinien bei Patienten mit erhöhtem Blutdruck

1) festzustellen, ob eine etablierte kardiovaskuläre Erkrankung, mässige bis schwere Niereninsuffizienz, ein Hypertonie-assoziierter Endorganschaden oder eine familiäre Hypercholesterinämie vorliegen.

2) Falls nicht, sollte der SCORE2 oder der SCORE2-OP («older persons») ausgerechnet werden, zur Abschätzung des 10-Jahres-Risiko für tödliche und nicht tödliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

3) Liegt dieser bei ≥ 10 %, sollte nach 3-monatiger Lebensstilintervention eine Pharmakotherapie begonnen werden, wenn weiterhin ein bestätigter Blutdruck von ≥ 130/80 mmHg vorliegt.

4) Liegt dieser zwischen 5 und 10 %, sollten entweder weitere «risk modifiers» oder «risk tools» evaluiert werden (Auflistung siehe Legende Abb. 1).

Diese ausgesprochen detaillierte Aufarbeitung von Patienten hat dann eine therapeutische Konsequenz, wenn ein systolischer Blutdruck von 130–139 mmHg oder ein diastolischer Blutdruck von 80–89 mmHg mittels mehrmaliger Praxis-Messung bestätigt werden kann bzw. idealerweise eine Weisskittelhypertonie mittels Heim- oder 24-h-Blutdruckmessung ausgeschlossen wurden. Da die Messschwankungen diesen Korridor oft übersteigen, die Kapazitäten der Allgemeinmedizin in Europa/der Schweiz hierfür limitiert (bzw. inexistent) sind und solche Patienten selten den Weg zu Kardiologen oder Nephrologen mit hypertensiologischem Einschlag finden, erscheint der praktische Impact dieses neuen Algorithmus gering auszufallen.

Welches Blutdruckziel sollte im Fall einer ­Therapieindikation angestrebt werden?

Die vorherige Auflage der ESC-Guidelines aus dem Jahr 2018 hat enge Blutdruckzielkorridore für verschiedene Komorbiditäten (Diabetes, Niereninsuffizienz, koronare Herzerkrankung, stattgehabter Schlaganfall oder TIA) vorgegeben, stratifiziert nach Alterskategorien. Diese komplexen Grenzwerte in einem Band von 10-mmHg-Breite waren aufgrund der oft darüber hinausgehenden intraindividuellen Messschwankungen und realistischen (individuellen sowie flächendeckenden) Erreichbarkeit mehr akademischer als praktischer Natur (11).

Basierend auf metaanalytischer Evidenz konnte bis zu einem systolischen Blutdruck von 120 mmHg kein Blutdruckziel identifiziert werden, welches nicht mit einer Risikoreduktion für kardiovaskuläre Ereignisse assoziiert wäre (12–14). Eine Kontroverse besteht, bei welchem therapienaivem Ausgangsblutdruck (d.h. absoluten kardiovaskulären Risiko) eine Blutdrucksenkung tatsächlich zu einer relevanten Risikoreduktion beiträgt.

Diesen Umständen geschuldet und auch aufgrund des Einflusses von Patienten-Repräsentanten liegen nun Empfehlungen vor, die in der Praxis umsetzbarer erscheinen.

Es wird das ALARA-Prinzip («as low as reasonably achievable»), welches wir aus dem Strahlenschutz kennen, genannt. Die Leitlinien nennen nun eine Klasse-I-Indikation für ein systolisches Blutdruckziel von 120–129 mmHg, sofern dieses toleriert wird. Eine Blutdrucksenkung < 140 mmHg systolisch sollte jedenfalls angestrebt werden, und es werden klinische Limitationen aufgeführt welche ein darüber hinaus weniger aggressiveres Vorgehen befürworten (Abb. 1). Erfreulicherweise ist durch das Wegfallen der weniger stark evidenzbasierten diastolischen Blutdruckgrenzwerte die Empfehlung noch konziser (7).

Pharmakotherapie

Für die meisten Patienten mit manifester Hypertonie betonen die Leitlinien einmal mehr den Einsatz von Kombinationspräparaten (initial ACE-Hemmer / Angiotensinrezeptorblocker + Kalziumkanalblocker oder Diuretikum, Klasse I), mit Intensivierung auf eine Tripel-Kombination nach 1–3 Monaten (Klasse I), und Betablocker bei relevanter koexistenter Indikation (Angina, nach Myokardinfarkt, systolische Herzinsuffizienz, Frequenzkontrolle).
Betablocker als antihypertensive Erstlinientherapie sind aufgrund der geringen bzw. fehlenden Risikoreduktion für Schlaganfälle nicht empfohlen (15). Gemäss ganz aktueller Daten verbessert eine Betablockertherapie auch unmittelbar nach Myokardinfarkt mit normaler systolischer LV-Funktion sowie in der chronischen Phase nach Myokardinfarkt das Outcome nicht (16, 17).

Es kann nicht oft genug betont werden, dass aus hausärztlicher Sicht die Verschreibung von Kombinationspräparaten die effizienteste Massnahme ist, zur Verbesserung der individuellen und populationsbasierten Blutdruckkontrolle beizutragen. Durch die Reduktion von Polypharmazie und nicht notwendigen mehrfach täglichen Gaben wird die Therapieadhärenz wesentlich verbessert (18).

An dieser Stelle muss auch mit der Misskonzeption aufgeräumt werden, dass eine Dosissteigerung von Erstliniensubstanzen zu einer weiteren Senkung des Blutdrucks führt. Die Dosis-Wirkungs-Beziehung von Erstlinien-Antihypertensiva ist marginal. Eine Vervierfachung der Dosis führt zu einer systolischen Blutdrucksenkung von ca. 2 mmHg (19–21). Deswegen sind Konsultationen zur Blutdruckeinstellung, bei denen mit Dosierungen und Morgen-Abend-Gaben gespielt wird (auch basierend auf den Halbwertszeiten der Präparate, z.B. Amlodipin mit ca. 40 h Halbwertszeit), wirkungslos, folglich sowohl für Patient als auch Arzt letztendlich frustrierend. Wenig überraschend hat eine am ESC-Kongress präsentierte Metaanalyse von 5 Studien, welche Patienten zu einer Morgen- oder Abendgabe aller Antihypertensiva randomisiert haben, keinen Unterschied in kardiovaskulären Outcomes oder hypotensiven Episoden zeigen können (22).

Selbstverständlich ist die Dosismaximierung in der Indikation Herzinsuffizienz ein Eckpfeiler des Therapiekonzeptes.

Therapieresistente Hypertonie

Weiterhin ist diese Entität mit einem Blutdruck ≥ 140/90 mmHg unter Behandlung mit 3 verschiedenen antihypertensiven Substanzklassen inklusive eines Diuretikums definiert. Die häufigste Ursache ist die Pseudoresistenz in bis zu zwei Drittel der Fälle aufgrund von Non-Adhärenz (23). Erfreulicherweise nennen die Leitlinien nebst Urinsampling die beobachtete Medikamenteneinnahme als Massnahme zur Überprüfung der Adhärenz. Aus eigener Erfahrung sollte ein Venenzugang für eine etwaige Katecholamingabe und intensivmedizinische Betreuung zur Verfügung stehen, besonders wenn 5–6 Antihypertensiva auf einmal beobachtet eingenommen werden.
Zu den weiteren häufigsten Ursachen gehört der Hyperaldosteronismus, speziell bei adipösen Patienten. Deshalb sollte als 4. Substanzklasse (nach Dreifachkombination mit ACE-Hemmer / Angiotensinrezeptorblocker, Kalziumkanalantagonist und Diuretikum) Spironolacton oder alternativ Eplerenon hinzugegeben werden (Klasse-IIa-Indikation). Nebst Betablocker und Reservemedikamenten erhielt die renale Denervation nach einem «shared decision making» eine Klasse-IIb-Indikation (7).

Fazit

Etwa die Hälfte aller Personen mit manifester arterieller Hypertonie ist nicht diagnostiziert (4). Zudem wurde weltweit gezeigt, dass selbst Patienten, welche in observierenden oder randomisierten Studien zur Blutdruckkontrolle teilgenommen haben, nach Studienende nur in 40–50 % der Fälle das liberalste aller Blutdruckziele erreichen (3, 9, 10, 24–26). Die aktuellen ESC-Leitlinien erleichtern zwar die Zielerreichung per se nicht, aber die Vereinfachung mancher diagnostischer und therapeutischer Algorithmen ist sicherlich hilfreich bei der Problembewältigung.

Historie:
Manuskript eingegangen: 05.12.2024
Angenommen nach Revision: 20.01.2025

PD Dr. med. univ. Miklos Rohla

Inselspital, Universitätsspital Bern
Universitätsklinik für Kardiologie
Herz Gefäss Zentrum
Freiburgstrasse 20
3010 Bern

miklos.rohla@insel.ch

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

1. Kintscher U. The burden of hypertension. EuroIntervention 2013; 9 Suppl R: R12-5.
2. Chobanian AV. Shattuck Lecture. The hypertension paradox–more uncontrolled disease despite improved therapy. N Engl J Med 2009; 361(9): 878-87.
3. Damianaki A, Wang W, Beaney T, et al. May Measurement Month 2017-2019: results from Switzerland(). Eur Heart J Suppl 2022; 24(Suppl F): F38-F40.
4. Mills KT, Bundy JD, Kelly TN, et al. Global Disparities of Hypertension Prevalence and Control: A Systematic Analysis of Population-Based Studies From 90 Countries. Circulation 2016; 134(6): 441-50.
5. Ogedegbe G. Barriers to optimal hypertension control. J Clin Hypertens (Greenwich) 2008; 10(8): 644-6.
6. Carvalho JJ, Baruzzi RG, Howard PF, et al. Blood pressure in four remote populations in the INTERSALT Study. Hypertension 1989; 14(3): 238-46.
7. McEvoy JW, McCarthy CP, Bruno RM, et al. 2024 ESC Guidelines for the management of elevated blood pressure and hypertension. Eur Heart J 2024.
8. Weber T, Protogerou A. Assessing blood pressure and arterial aging in pharmacies-New hope for blood pressure control in the community? J Clin Hypertens (Greenwich) 2019; 21(6): 822-4.
9. Rohla M, Haberfeld H, Sinzinger H, et al. Systematic screening for cardiovascular risk at pharmacies. Open Heart 2016; 3(2): e000497.
10. Rohla M, Haberfeld H, Tscharre M, Huber K, Weiss TW. Awareness, treatment, and control of hypertension in Austria: a multicentre cross-sectional study. J Hypertens 2016; 34(7): 1432-40.
11. Williams B, Mancia G, Spiering W, et al. 2018 ESC/ESH Guidelines for the management of arterial hypertension. Eur Heart J 2018; 39(33): 3021-104.
12. Blood Pressure Lowering Treatment Trialists C. Pharmacological blood pressure lowering for primary and secondary prevention of cardiovascular disease across different levels of blood pressure: an individual participant-level data meta-analysis. Lancet 2021; 397(10285): 1625-36.
13. Thomopoulos C, Parati G, Zanchetti A. Effects of blood pressure lowering on outcome incidence in hypertension: 2. Effects at different baseline and achieved blood pressure levels–overview and meta-analyses of randomized trials. J Hypertens 2014; 32(12): 2296-304.
14. Kreutz R, Brunstrom M, Thomopoulos C, Carlberg B, Mancia G. Do recent meta-analyses truly prove that treatment with blood pressure-lowering drugs is beneficial at any blood pressure value, no matter how low? A critical review. J Hypertens 2022; 40(5): 839-46.
15. Lindholm LH, Carlberg B, Samuelsson O. Should beta blockers remain first choice in the treatment of primary hypertension? A meta-analysis. Lancet 2005; 366(9496): 1545-53.
16. Yndigegn T, Lindahl B, Mars K, et al. Beta-Blockers after Myocardial Infarction and Preserved Ejection Fraction. N Engl J Med 2024; 390(15): 1372-81.
17. Silvain J, Cayla G, Ferrari E, et al. Beta-Blocker Interruption or Continuation after Myocardial Infarction. N Engl J Med 2024.
18. Gupta AK, Arshad S, Poulter NR. Compliance, safety, and effectiveness of fixed-dose combinations of antihypertensive agents: a meta-analysis. Hypertension 2010; 55(2): 399-407.
19. Wald DS, Law M, Morris JK, Bestwick JP, Wald NJ. Combination therapy versus monotherapy in reducing blood pressure: meta-analysis on 11,000 participants from 42 trials. Am J Med 2009; 122(3): 290-300.
20. Law MR, Wald NJ, Morris JK, Jordan RE. Value of low dose combination treatment with blood pressure lowering drugs: analysis of 354 randomised trials. BMJ 2003; 326(7404): 1427.
21. Makani H, Bangalore S, Supariwala A, Romero J, Argulian E, Messerli FH. Antihypertensive efficacy of angiotensin receptor blockers as monotherapy as evaluated by ambulatory blood pressure monitoring: a meta-analysis. Eur Heart J 2014; 35(26): 1732-42.
22. Turgeon R. Meta-analysis of trials of antihypertensive medication bedtime dosing including individual-patient data from BedMed and BedMed-Frail. Presented at ESC Congress 2024.
23. De Geest S, Ruppar T, Berben L, Schonfeld S, Hill MN. Medication non-adherence as a critical factor in the management of presumed resistant hypertension: a narrative review. EuroIntervention 2014; 9(9): 1102-9.
24. Rohla M, Tscharre M, Huber K, Weiss TW. Lowering blood pressure in primary care in Vienna (LOW-BP-VIENNA) : A cluster-randomized trial. Wien Klin Wochenschr 2018; 130(23-24): 698-706.
25. Rohla M, Haberfeld H, Tscharre M, Huber K, Weiss TW. Pharmacist interventions to improve blood pressure control in primary care: a cluster randomised trial. Int J Clin Pharm 2023; 45(1): 126-36.
26. Beaney T, Burrell LM, Castillo RR, et al. May Measurement Month 2018: a pragmatic global screening campaign to raise awareness of blood pressure by the International Society of Hypertension. Eur Heart J 2019; 40(25): 2006-17.

Vitamin D – Was gilt heute?

Grundlagen der Vitamin-D-Versorgung

Vitamin D spielt in jedem Alter eine wichtige Rolle im Erhalt unserer Knochengesundheit und bei der Regulation des Kalziumspiegels im Blut. Während der Kalziumbedarf mit einer gesunden Ernährung gedeckt werden kann, ist es wichtig festzuhalten, dass dies für Vitamin D nicht gilt. Es ist nahezu unmöglich, genügend Vitamin D aus der Nahrung zu sich zu nehmen, da nur wenige Nahrungsmittel namhafte Mengen an Vitamin D enthalten (Lachs, fetter Fisch). Der grösste Teil von Vitamin D wird mithilfe von Sonnenlicht über die Haut gebildet (1). Diese hauteigene Vitamin-D-Produktion nimmt jedoch mit dem Alter ab, und ältere Menschen vermeiden oft wegen der Hitze eine direkte Sonnenexposition. Weitere Faktoren, die unabhängig vom Alter die Wirkung der Sonnenexposition als Hauptquelle von Vitamin D einschränken, sind die Saisonalität und die Anwendung von Sonnenschutzprodukten. Auch ein ausreichender Vitamin-D-Spiegel nach einem sonnenreichen Sommer kann nicht über den Winter hinweg aufrechterhalten werden. Die Halbwertszeit von Vi­tamin D (25-Hydroxy-Vitamin-D) beträgt nur 2–3 Wochen (2).
Da durch gesunde Ernährung und direkte Sonneneinstrahlung im Winter nicht genügend Vitamin D produziert werden kann, zeigen Studien, dass etwa 50 % der Kinder und Erwachsenen an einem Vitamin-D-Mangel, mit Blutwerten von unter 20 ng/ml für das 25-Hydroxy-Vitamin- D (25[OH]D), aufweisen (3–5). Vitamin-D-Supplemente sind daher altersunabhängig im Winter eine zu erwägende Massnahme zum Ausgleich eines saisonalen Vitamin-D-Mangels. Bei älteren Erwachsenen ist eine Prävention des Vitamin-D-Mangels mit Vitamin-D-Supplementen nach den Erkenntnissen unabhängig von der Jahreszeit (3–5).

Vitamin-D-Supplementation bezüglich Knochenbruchprävention

Ein Vitamin-D-Mangel erhöht das Risiko für Stürze und Knochenbrüche. Für ältere Erwachsene (Alter 65+) mit erhöhtem Risiko für einen Vitamin-D-Mangel und Osteoporose führt eine tägliche Supplementierung mit 800 IE, insbesondere in Kombination mit einer ausreichenden Kalziumzufuhr, belegtermassen zu einer Verminderung des Sturz- und Hüftbruchrisikos (6–9). Hingegen ist die Evidenz zur Wirkung von Vitamin-D-Supplementen, um das Knochenbruchrisiko und Sturzrisiko bei gesunden alten Menschen zu senken, unklar (10, 11).

In den Jahren 2016 bis 2018 wurden vier Metaanalysen durchgeführt, um den Nutzen von Vitamin D für die Frakturprävention zu untersuchen. Zwei dieser Metaanalysen konzentrieren sich auf die Primärprävention von Frakturen bei Erwachsenen ab 50 Jahren, bei denen kein Risiko für Frakturen und kein Vitamin-D-Mangel besteht (12, 13). Eine weitere Metaanalyse konzentrierte sich auf die Kombination von Vitamin D plus Kalzium (9) und die zuletzt publizierte Metaanalyse auf die individuelle Wirkung von Vitamin D ohne Kalzium (14). Die neueren Metaanalysen unterstützen keinen primärpräventiven Schutz einer Vitamin-D-Supplementation vor Frakturen bei Erwachsenen im Alter 50+ ohne Vitamin-D-Mangel und ohne Osteoporose (12, 13). Allerdings ist die Anzahl von grossen Interventionsstudien in dieser Niedrigrisiko-Zielgruppe limitiert (12, 13). Erwachsene im Alter von 65 und darüber mit einem hohen Risiko für Vitamin-D-Mangel und Osteoporose sollte eine Vitamin-D-Supplementation mit 800 IE Vitamin D pro Tag (mit [9] und ohne [15] zusätzliche Kalzium-Supplementation) anhand der bestehenden Evidenz nicht vorenthalten werden. Allerdings sollten bei der Hochrisikopopulation älterer Erwachsener mit erhöhtem Sturzrisiko die grossen Vitamin-D-Bolusgaben wegen gegenteiliger Wirkung mit Frakturzunahme vermieden werden (16, 17).

Bezüglich neuer Resultate der VITAL- und DO-HEALTH- Studie mit zusätzlich 2000 IE Vitamin D am Tag zeigte sich bei generell gesunden Menschen im Alter von 50+ (VITAL) und 70+ (DO-HEALTH) eine neutrale Wirkung auf das Knochenbruchrisiko. In der Einordnung der Resultate dieser Studien ist wichtig festzuhalten, dass in VITAL nur 12 % und in DO-HEALTH nur 36 % der Teilnehmer zum Studienbeginn einen Vitamin-D-Mangel hatten und alle Teilnehmer in beiden Studien zusätzlich zur Studienmedikation 800 IE Vitamin D einnehmen durften (10, 11, 18).

Insbesondere für ältere Erwachsene mit einem erhöhten Risiko für Frakturen und/oder Vitamin-D-Mangel ist es weiterhin sinnvoll, 800 IE Vitamin D pro Tag einzunehmen, analog den Empfehlungen der International Osteoporosis Foundation (19), der US Endocrine Society (20) und NOF (21). Wie bereits erwähnt, sollten grosse monatliche oder jährliche Bolusapplikationen von Vitamin D bei älteren Erwachsenen mit einem Risiko für Frakturen wegen Zunahme des Frakturrisikos in der klinischen Versorgung nicht fortgesetzt werden (6).

Heutige Empfehlungen

In den heutigen Empfehlungen zu Vitamin D (Institute of Medicine [22], DGE [23], BAG Schweiz [24], US Endocrine Society [25], IOF [19]) wird die tägliche Vitamin-D-Zufuhr altersabhängig definiert: 400 IE (Internationale Einheiten) pro Tag im ersten Lebensjahr, 600 IE pro Tag zwischen dem 2. und 64. Lebensjahr und 800 IE/Tag ab dem 65. Lebensjahr (in der Schweiz 800 IE/Tag ab dem 60. Lebensjahr). Es ist gut belegt, dass im Erwachsenenalter 600 bis 800 IE/Tag in über 97 % der Fälle den Vitamin-D-Mangel korrigieren können (26, 27). Diese Dosis ist zudem auf die Population bezogen sicher und ohne vorherige Messung der 25-Hydroxy-Vitamin-D-Blutkonzentration anwendbar (Institute of Medicine [22], DGE [23], BAG Schweiz [24], US Endocrine Society [25], IOF [19]).

Angesichts der hohen Winterprävalenz des Vitamin-D-Mangels bei Kindern und älteren Erwachsenen und der beschränkten Möglichkeiten, eine ausreichende Vitamin-D-Zufuhr über eine gesunde Ernährung sicherzustellen, ist in ganz Europa unabhängig vom Alter eine Indikation zur Supplementierung in den Wintermonaten November bis Ende April zu erwägen. Älteren Menschen wird aufgrund der verminderten hauteigenen Vitamin-D-Produktion bei Sonnenexposition sowie der belegten Prävention von Stürzen und Hüftbrüchen eine Supplementierung mit Vitamin D auch im Sommer empfohlen. Die empfohlenen Tagesdosen zur Supplementierung entsprechen den oben genannten Angaben zur Vitamin-D-Zufuhr.

Der Dachverband Osteologie (DVO) hat im Septemer 2023 eine überarbeitete Version der Osteoporose-Leitlinie he­rausgegeben (https://dv-osteologie.org/osteoporose-leitlinien). Sie fasst die aktuelle Evidenz zu Prophylaxe, Dia­gnostik und Therapie der Krankheit bei postmenopausalen Frauen und bei Männern ab dem 50.Lebensjahr zusammen.

Wie wirkt Vitamin D bezüglich Knochenbruchprävention?

Neben der antiresorptiven Wirkung von Vitamin D am Knochen hat Vitamin D mechanistisch gesehen einen zweiten relevanten muskelzentrierten Wirkungspfad in der Knochenbruchprävention. Der Hauptrisikofaktor für eine Hüftfraktur ist ein Sturz, und über 90 % aller Frakturen treten nach einem Sturz auf (28). Daher ist es für das Verständnis und die Prävention von Frakturen im höheren Alter wichtig, den engen Zusammenhang von Muskelschwäche (29) und Stürzen (30, 31) zu berücksichtigen. Tatsächlich kann eine antiresorptive Behandlung allein bei Personen über 80 Jahren mit nicht skelettalen Risikofaktoren für Frakturen trotz einer Verbesserung des Knochenstoffwechsels die Anzahl der Frakturen nicht verringern (32).

Die Muskelschwäche ist ein wichtiger Risikofaktor für Stürze und ein Merkmal des klinischen Syndroms eines schweren Vitamin-D-Mangels. Muskelschwäche aufgrund eines Vitamin-D-Mangels kann das Frakturrisiko durch eine erhöhte Sturzanfälligkeit erhöhen. Der Vitamin-D-Rezeptor (VDR) wird im menschlichen Muskelgewebe exprimiert, wie in den meisten Studien gezeigt wurde (79). An seinen Rezeptor im Muskelgewebe gebundenes Vitamin D kann zu einer De-novo-Proteinsynthese führen (80), gefolgt von einer relativen Zunahme des Durchmessers und der Anzahl der schnellen Typ-II-Muskelfasern (80). Bemerkenswert ist, dass die schnellen Typ-II-Muskelfasern im Vergleich zu den langsamen Typ-I-Muskelfasern mit zunehmendem Alter abnehmen, was zu einer erhöhten Sturzneigung führt. Darüber hinaus erhöht eine Supplementierung mit Vitamin D im Vergleich zu einem Placebo die Anzahl der Vitamin-D-Rezeptoren im Muskelgewebe sowie die Anzahl und den Durchmesser der Typ-II-Muskelfasern bei postmenopausalen Frauen (80).

Schliesslich ist es wichtig zu beachten, dass Vitamin D mehrere Komponenten des Sturz-Fraktur-Konstrukts beeinflussen kann, darunter Kraft (8), Gleichgewicht (81), Funktion der unteren Extremitäten (82), Stürze (77), Knochendichte (83, 84), das Risiko von Hüft- und nicht verte­bralen Frakturen (85, 86) und das Risiko der Einweisung in ein Pflegeheim (87).

Sicherheit der Vitamin-D-Supplementation

Um die schützende Wirkung von Vitamin D auszuschöpfen, sollte anhand der heutigen Datenlage eine tägliche Supplementierung gewählt werden (6). Alternativ zeigt eine umfassende Literatur, dass Vitamin-D-Bolusgaben (ab 60 000 IE monatlich oder ab 300 000 IE jährlich), insbesondere bei älteren Erwachsenen, sowohl das Sturz- als auch das Knochenbruchrisiko erhöhen können. Eine Erklärung ist, dass der Körper bei zu hohen Vitamin-D-Gaben gegenregulierende Mechanismen in Gang setzt, die Vitamin D akut abbauen und dann eher zu einem Vitamin-D-Mangel führen (6).

Ist es sinnvoll, den Blutspiegel des 25-Hydroxy-Vitamin-D zu messen?

Ob eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung vorliegt, lässt sich über die Bestimmung des 25(OH)D-Wertes im Blut ermitteln. Ein 25(OH)D-Blutwert von weniger als 20 ng/ml (< 50 nmol/l) wird als Vitamin-D-Mangel bezeichnet. Werte unter 10 ng/ml (< 25 nmol/l) gelten als schwerer Mangel und können negative Folgen wie Rachitis bei Kleinkindern und Osteomalazie bei Erwachsenen hervorrufen (2). Ein 25(OH)D-Zielwert zwischen 20 und 30 ng/ml wird bezüglich Fraktur- und Sturzprävention als optimal angesehen, wobei Werte über 45 ng/ml mit einem erhöhten Sturzrisiko in Verbindung gebracht wurden (26).

Die 25(OH)D-Bestimmung wird nicht als Routineuntersuchung empfohlen, wenn keine Risiken für einen schweren Vitamin-D-Mangel vorliegen. Hier kann eine direkte Supplementation mit der Standarddosis erfolgen (600–800 IE/d; bei jüngeren Menschen vor allem im Winter, ab dem 65. Lebensjahr unabhängig von der Jahreszeit).

Diese Empfehlung stützt sich darauf, dass ein Vitamin-D-Mangel weitverbreitet ist (siehe oben). Für ältere Erwachsene mit erhöhtem Risiko für einen Vitamin-D-Mangel und Osteoporose stützt sich diese Empfehlung auf hochqualitative klinische Interventionsstudien mit über 30 000 Menschen, in denen nachgewiesen wurde, dass Vitamin-D-Supplemente in einer Dosis von 800 IE/d das Sturzrisiko und das Hüftbruchrisiko um ca. 20–30 % vermindern (6–9). Die Sicherheit bzgl. Nebenwirkungen und Risiken dieser täglichen Empfehlung sind gut belegt bei Menschen mit und ohne Vitamin-D-Mangel (6).

Vitamin-D-Dosierung in den VITAL- und DO-HEALTH-Studien

Anhand der VITAL-Studie bei gesunden Menschen im Alter von 50 Jahren und darüber und der DO-HEALTH-Studie bei gesunden Menschen im Alter von 70 Jahren und darüber kann die Sicherheit auf eine tägliche Zufuhr von 2000 IE am Tag ausgeweitet werden (10, 33). Allerdings brachte die höhere Dosierung keine weiteren Vorteile für die Sturz- und Knochenbruchprävention in VITAL (33, 34) oder DO-HEALTH (10, 35). Ein Vorteil auf die Knochendichte an der Hüfte (36), Krebsprävention (37) und Prävention von frühzeitiger Gebrechlichkeit (38) konnte für die tägliche Dosierung von 2000 IU Vitamin D in DO-HEALTH jedoch nicht ausgeschlossen werden. Konsistent zeigt VITAL für die tägliche Dosierung von 2000 IU Vitamin D eine Reduktion schwerer Krebserkrankungen (39), Reduktion von Krebsmortalität (40) und Reduktion von Autoimmunerkrankungen (41).

Prof. Dr. med. Heike A. Bischoff-Ferrari, MPH, DrPH

Universität Basel, Dept. Universitäre Altersmedizin Felix Platter, Basel
Dept. Geriatrie und Altersforschung, Universität Zürich, Zürich
Tièchestrasse 99
8037 Zürich

heikea.bischoff-ferrari@uzh.ch

Die Autorin hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

1. Holick, M.F., Sunlight, UV-radiation, vitamin D and skin cancer: how much sunlight do we need? Adv Exp Med Biol, 2008. 624: p. 1-15.
2. Holick, M.F., Vitamin D status: measurement, interpretation, and clinical application. Ann Epidemiol, 2009. 19(2): p. 73-8.
3. Kunz, C., et al., No improvement in vitamin D status in German infants and adolescents between 2009 and 2014 despite public recommendations to increase vitamin D intake in 2012. Eur J Nutr, 2019. 58(4): p. 1711-1722.
4. Lips, P., et al., Current vitamin D status in European and Middle East countries and strategies to prevent vitamin D deficiency: a position statement of the European Calcified Tissue Society. Eur J Endocrinol, 2019. 180(4): p. P23-P54.
5. Lips, P., R.T. de Jongh, and N.M. van Schoor, Trends in Vitamin D Status Around the World. JBMR Plus, 2021. 5(12): p. e10585.
6. Mazess, R.B., H.A. Bischoff-Ferrari, and B. Dawson-Hughes, Vitamin D: Bolus Is Bogus-A Narrative Review. JBMR Plus, 2021. 5(12): p. e10567.
7. Bischoff-Ferrari, H.A., et al., Fall prevention with supplemental and active forms of vitamin D: a meta-analysis of randomised controlled trials. Bmj, 2009. 339: p. b3692.
8. Bischoff-Ferrari, H.A., et al., A pooled analysis of vitamin D dose requirements for fracture prevention. N Engl J Med, 2012. 367(1): p. 40-9.
9. Weaver, C.M., et al., Kalzium plus vitamin D supplementation and risk of fractures: an updated meta-analysis from the National Osteoporosis Foundation. Osteoporos Int, 2016. 27(1): p. 367-76.
10. Bischoff-Ferrari, H.A., et al., Effect of Vitamin D Supplementation, Omega-3 Fatty Acid Supplementation, or a Strength-Training Exercise Program on Clinical Outcomes in Older Adults: The DO-HEALTH Randomized Clinical Trial. JAMA, 2020. 324(18): p. 1855-1868.
11. Bischoff-Ferrari, H.A., S. Bhasin, and J.E. Manson, Preventing Fractures and Falls: A Limited Role for Kalzium and Vitamin D Supplements? JAMA, 2018. 319(15): p. 1552-1553.
12. Zhao, J.G., et al., Association Between Kalzium or Vitamin D Supplementation and Fracture Incidence in Community-Dwelling Older Adults: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA, 2017. 318(24): p. 2466-2482.
13. Force, U.S.P.S.T., et al., Vitamin D, Kalzium, or Combined Supplementation for the Primary Prevention of Fractures in Community-Dwelling Adults: US Preventive Services Task Force Recommendation Statement. JAMA, 2018. 319(15): p. 1592-1599.
14. Bolland, M.J., A. Grey, and A. Avenell, Effects of vitamin D supplementation on musculoskeletal health: a systematic review, meta-analysis, and trial sequential analysis. Lancet Diabetes Endocrinol, 2018. 6(11): p. 847-858.
15. Bischoff-Ferrari, H.A., et al., Vitamin D supplementation and musculoskeletal health. Lancet Diabetes Endocrinol, 2019. 7(2): p. 85.
16. Bischoff-Ferrari, H.A., et al., Effect of high-dosage cholecalciferol and extended physiotherapy on complications after hip fracture: a randomized controlled trial. Arch Intern Med, 2010. 170(9): p. 813-20.
17. Sanders, K.M., et al., Annual high-dose oral vitamin D and falls and fractures in older women: a randomized controlled trial. JAMA, 2010. 303(18): p. 1815-22.
18. Hsu, S., et al., Effects of Vitamin D 3 Supplementation on Incident Fractures by eGFR in VITAL. Clin J Am Soc Nephrol, 2024. 19(5): p. 638-640.
19. Dawson-Hughes, B., et al., IOF position statement: vitamin D recommendations for older adults. Osteoporos Int, 2010. 21(7): p. 1151-4.
20. Holick, M.F., et al., Evaluation, treatment, and prevention of vitamin D deficiency: an Endocrine Society clinical practice guideline. J Clin Endocrinol Metab, 2011. 96(7): p. 1911-30.
21. Cosman, F., et al., Clinician‘s Guide to Prevention and Treatment of Osteoporosis. Osteoporos Int, 2014. 25(10): p. 2359-81.
22. IOM, Dietary Reference Ranges for Kalzium and Vitamin D. http://www.iom.edu/Reports/2010/Dietary-Reference-Intakes-for-Kalzium-and-Vitamin-D.aspx (access Feb13.2012), 2010.
23. Linseisen, J.B.A., Bischoff-Ferrari, H.A.; Hintzpeter, B.; , Leschik-Bonnet, E.; Reichrath, J.; Stehle, P.; Volkert, D.; Wolfram, G.; Zittermann, A., Vitamin D und Prävention ausgewählter chronischer Krankheiten. https://www.dge.de/fileadmin/public/doc/ws/stellungnahme/DGE-Stellungnahme-VitD-111220.pdf, 2011. Access: January 5th 2016.
24. Bischoff Ferrari, H.A.e.a., Vitamin D Summary Report BAG. http://www.blv.admin.ch/themen/04679/05108/05869/index.html, 2012.
25. Holick, M.F., et al., Guidelines for preventing and treating vitamin D deficiency and insufficiency revisited. J Clin Endocrinol Metab, 2012. 97(4): p. 1153-8.
26. Bischoff-Ferrari, H.A., et al., Benefit-risk assessment of vitamin D supplementation. Osteoporos Int, 2010. 21(7): p. 1121-32.
27. Gallagher, J.C., et al., Dose response to vitamin D supplementation in postmenopausal women: a randomized trial. Ann Intern Med, 2012. 156(6): p. 425-37.
28. Cummings, S.R. and M.C. Nevitt, Non-skeletal determinants of fractures: the potential importance of the mechanics of falls. Study of Osteoporotic Fractures Research Group. Osteoporos Int, 1994. 4 Suppl 1: p. 67-70.
29. Cummings, S.R., et al., Risk factors for hip fracture in white women. Study of Osteoporotic Fractures Research Group. N Engl J Med, 1995. 332(12): p. 767-73.
30. Centers, et al., Fatalities and injuries from falls among older adults—United States, 1993–2003 and 2001–2005. MMWR: Morbidity and mortality weekly report, 2006. 55(45): p. 1221-1224.
31. Schwartz, A.V., et al., Increased Falling as a Risk Factor for Fracture among Older Women: The Study of Osteoporotic Fractures. American Journal of Epidemiology, 2005. 161(2): p. 180-185.
32. McClung, M.R., et al., Effect of risedronate on the risk of hip fracture in elderly women. Hip Intervention Program Study Group. N Engl J Med, 2001. 344(5): p. 333-40.
33. Manson, J.E., et al., Principal results of the VITamin D and OmegA-3 TriaL (VITAL) and updated meta-analyses of relevant vitamin D trials. J Steroid Biochem Mol Biol, 2020. 198: p. 105522.
34. LeBoff, M.S., et al., Effects of Supplemental Vitamin D on Bone Health Outcomes in Women and Men in the VITamin D and OmegA-3 TriaL (VITAL). J Bone Miner Res, 2020. 35(5): p. 883-893.
35. Bischoff-Ferrari, H.A., et al., Effects of vitamin D, omega-3 fatty acids, and a simple home strength exercise program on fall prevention: the DO-HEALTH randomized clinical trial. Am J Clin Nutr, 2022. 115(5): p. 1311-1321.
36. Kistler-Fischbacher, M., et al., Effects of vitamin D3, omega-3s, and a simple strength training exercise program on bone health: the DO-HEALTH randomized controlled trial. J Bone Miner Res, 2024. 39(6): p. 661-671.
37. Bischoff-Ferrari, H.A., et al., Combined Vitamin D, Omega-3 Fatty Acids, and a Simple Home Exercise Program May Reduce Cancer Risk Among Active Adults Aged 70 and Older: A Randomized Clinical Trial. Front Aging, 2022. 3: p. 852643.
38. Gagesch, M., et al., Effects of Vitamin D, Omega-3 Fatty Acids and a Home Exercise Program on Prevention of Pre-Frailty in Older Adults: The DO-HEALTH Randomized Clinical Trial. J Frailty Aging, 2023. 12(1): p. 71-77.
39. Chandler, P.D., et al., Effect of Vitamin D3 Supplements on Development of Advanced Cancer: A Secondary Analysis of the VITAL Randomized Clinical Trial. JAMA Netw Open, 2020. 3(11): p. e2025850.
40. Limonte, C.P., et al., Effects of Vitamin D(3) Supplementation on Cardiovascular and Cancer Outcomes by eGFR in VITAL. Kidney360, 2022. 3(12): p. 2095-2105.
41. Hahn, J., et al., Vitamin D and marine omega 3 fatty acid supplementation and incident autoimmune disease: VITAL randomized controlled trial. BMJ, 2022. 376: p. e066452.

Prämenopausale Osteoporose: Ätiopathologie, ­Diagnostik und Behandlung

Einleitung

Die Epidemiologie der Osteoporose und die Frakturrate bei prämenopausalen Frauen sind undurchsichtig. Die Prävalenz der Osteoporose bei prämenopausalen Frauen ist sehr variabel und hängt von der untersuchten Population, der Definition der Osteoporose und dem jeweiligen Referenzzentrum ab (1). In der Regel sind Frakturen und eine niedrige Knochenmineraldichte (KMD) bei prämenopausalen Frauen deutlich seltener und werden auf einen unvollständigen Aufbau der maximalen Knochenmasse oder das Vorhandensein sekundärer Ursachen eines Knochenverlustes zurückgeführt (2). Die Beziehung zwischen der KMD und dem Frakturrisiko unterscheidet sich zwischen prämenopausalen und postmenopausalen Frauen. Dies stellt eine Herausforderung für die Diagnose und Behandlung der Osteoporose bei prämenopausalen oder perimenopausalen Frauen dar, was durch den fehlenden Konsens zwischen den Osteoporoseleitlinien deutlich wird. Eine prämenopausale Frau mit einer Fragilitätsfraktur in der Vergangenheit hat ein 35 % bis 75 % höheres Risiko, in der Postmenopause eine Fraktur zu erleiden als eine prämenopausale Frau ohne vorherige Fraktur (3). Daher können eine frühzeitige Diagnose und Behandlung von Vorteil sein. In dieser Übersichtsarbeit sollen die diagnostischen Kriterien, die Pathophysiologie, die diagnostische Abklärung und die Behandlung der Osteoporose bei prämenopausalen Frauen diskutiert werden.

Definitionen

Die meisten Leitlinien stimmen darin überein, dass die Diagnose der Osteoporose bei prämenopausalen Frauen nicht allein auf der Grundlage der KMD gestellt werden kann. Eine prämenopausale Osteoporose liegt vor beim Vorhandensein von klinisch relevanten Fragilitätsfrakturen, z. B. Femurfrakturen oder Wirbelkörperfrakturen oder bei anderen Fragilitätsfrakturen in Kombination mit einer niedrigen Knochenmasse. Die Internationale Gesellschaft für klinische Densitometrie (ISCD) empfiehlt die Verwendung von KMD-Z-Scores (Vergleich mit altersentsprechenden Normen) zur Klassifizierung der KMD bei prämenopausalen Frauen. Die ISCD schlägt vor, dass ein KMD-Z-Score > –2.0 als normale KMD und ein BMD-Z-Score ≤ –2.0 als «unterhalb des erwarteten Altersbereichs» eingestuft werden sollten. Die ISCD empfiehlt ausserdem, T-Werte nicht für die Diagnose von Osteopenie oder Osteoporose bei prämenopausalen Frauen zu verwenden bzw. die Diagnose «Osteoporose» bei prämenopausalen Frauen nur im Beisein von Fragilitätsfrakturen oder sekundären Ursachen der Osteoporose zu stellen (4). Die Internationale Osteoporose Stiftung (IOF) empfiehlt die Verwendung des Z-Scores bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen unter 20 Jahren und bei Personen über 20 Jahren im Falle einer verzögerten Pubertät. Bei Personen ab 20 Jahren empfiehlt die IOF, einen T-Score < –2,5 als Diagnosekriterium für die Osteoporose zu verwenden. Die IOF empfiehlt, die Diagnosekriterien vor allem bei prämenopausalen Frauen mit Fragilitätsfrakturen oder sekundären Ursachen für eine Osteoporose einzusetzen, schliesst aber nicht aus, die Diagnose allein auf der Grundlage der KMD zu stellen (5). In der klinischen Praxis sollte die KMD nur bei prämenopausalen Frauen mit klinisch bedeutsamen Frakturen oder sekundären Ursachen für eine geringe Knochenmasse bestimmt werden.

Klinische Relevanz
Die Diagnose der Osteoporose bei prämenopausalen Frauen sollte auf dem Vorhandensein von klinisch relevanten Fragilitätsfrakturen in Kombination mit einer niedrigen KMD gestellt werden.

Ätiopathologie

Eine niedrige Knochenmasse bei Frauen in der Prämenopause steht in Zusammenhang mit einem unzureichenden Aufbau der maximalen Knochenmasse (peak bone mass), der durch einen zusätzlichen Knochenverlust aufgrund einer Erkrankung, die zum Knochenverlust prädisponiert, verstärkt wird.

Unzureichende maximale Knochenmasse

Der Knochenaufbau findet in der Kindheit und Jugend statt und erreicht seinen Höhepunkt im Alter von 20 Jahren, wobei die Zuwächse je nach Skelettlage bis zum Alter von 30 Jahren geringer ausfallen (6). Das bedeutet, dass Frauen, die jünger als 30 Jahre sind, möglicherweise noch nicht an allen Skelettlagen die maximale Knochenmasse erreicht haben, und dies sollte bei der Interpretation von KMD-Messungen berücksichtigt werden. Viele Faktoren beeinflussen physiologisch das Knochenwachstum, einschliesslich genetischer Variationen in der Mikroarchitektur der Knochen, des Körperhabitus und der sexuellen Entwicklung. In der Folge beeinflussen Lebensstil und Umweltfaktoren den Aufbau der Knochenmasse.

Erblichkeitsanalysen und genomweite Assoziationsstudien (GWAS) haben die Bedeutung der genetischen Prädisposition zur Pathogenese der Osteoporose hervorgehoben (7, 8). Durch grosse Einzel-GWAS und Metaanalysen solcher GWAS wurden über 500 genetische Loci identifiziert worden, die das Risiko für Osteoporose regulieren (8, 9). Die meisten dieser häufig vorkommenden Varianten oder Loci erklären jedoch zusammengenommen weniger als 20 % der Varianz der KMD (10). Interessanterweise sind seltene genetische Varianten mit grosser Wirkung, einschliesslich in Genen, die bekanntermassen monogene Formen der Osteoporose verursachen, auch mit niedriger KMD und Frakturrisiko assoziiert (11). Zu letzteren gehören Erkrankungen wie die Osteogenesis imperfecta, das Marfan-Syndrom und das Ehlers-Danlos-Syndrom, die in unterschiedlichen Schweregraden auftreten können und als mögliche Ursachen für Osteoporose bei jungen Erwachsenen betrachtet werden können (12). Bestimmte familiäre Erkrankungen wie die Zöliakie und idiopathische Hyperkalziurie können ebenfalls dazu beitragen, dass die maximale Knochenmasse nicht erreicht wird (2).

Sexualsteroide spielen eine grundlegende Rolle bei der Entwicklung der Knochenmasse. Dies wird durch die negativen Auswirkungen einer verzögerten Menarche oder einer Amenorrhö auf die Knochengesundheit belegt (13). Ös­trogene zum Beispiel verringern die Osteoklastenaktivität, während sie die Osteoblastenaktivierung bewirken (13). Ein prämenopausaler Östrogenmangel ist daher eine der Hauptursachen für eine niedrige Knochenmasse. Östrogenarme Zustände können entweder durch eine verminderte Gonadotropin-Stimulation der Ovarien (zentraler Hypogonadismus) oder durch vorzeitige Ovarialinsuffizienz mit daraus resultierender hypergonadotroper Stimulation (primärer Hypogonadismus) verursacht werden. Weitere Beispiele für zentralen und primären Hypogonadismus sind in Tab. 1 aufgeführt. Hormonelle Empfängnisverhütung in der Jugend wurde in der Vergangenheit als ein kontroverses Thema bezüglich der Knochengesundheit angesehen. Eine kürzlich durchgeführte retrospektive Fall-Kontroll-Studie mit 12 970 Frauen vor der Menopause zeigte jedoch eine signifikante Abnahme des Frakturrisikos bei der Verwendung von kombinierten oralen Kontrazeptiva (14). Das Ausmass der Risikoreduktion war grösser mit zunehmender Dauer der Einnahme kombinierter oraler Kontrazeptiva (14).

Weitere Ursachen für eine suboptimale maximale Knochenmasse können ein in der Vergangenheit liegender Ernährungsmangel sowie eine eingeschränkte körperliche Aktivität in der Kindheit und im jungen Erwachsenenalter sein. Zu den Ernährungsdefiziten gehören eine niedrige Kalziumzufuhr und eine suboptimale Vitamin-D-Supplementierung; sie stehen häufig im Zusammenhang mit malabsorptiven Störungen, die zu einer geringeren Knochenmasse beitragen. Ein übermässiger Alkoholkonsum und Tabakkonsum werden ebenfalls mit einer Beeinträchtigung der Knochengesundheit in Verbindung gebracht. Körperliche Aktivität und Muskelkraft korrelieren signifikant mit verbesserten Knocheneigenschaften, insbesondere bei jüngeren Erwachsenen. Körperlich aktive Frauen entwickeln eine höhere KMD und einen höheren Trabekelgehalt als inaktive prämenopausale Frauen (15).

Anhaltender Knochenverlust

Die Identifizierung einer niedrigen Knochenmasse oder einer Fragilitätsfraktur bei jüngeren Frauen erfordert eine gründliche Untersuchung und Evaluation, da die meisten dieser Fälle auf sekundäre Ursachen, zugrunde liegende Medikamente oder Erkrankungen, die zum Knochenschwund beitragen, zurückzuführen sind (2, 16).

Verschiedene Endokrinopathien werden mit einem vorzeitigen Knochenverlust in Verbindung gebracht und sind oft reversibel, wie z. B. ein niedriger Östrogenspiegel. Eine Hyperthyreose beschleunigt den Knochenumsatz aufgrund eines hypermetabolischen Zustands. Ein Cushing-Syndrom, gekennzeichnet durch einen pathologischen Überschuss an adrenokortikotropem Hormon und/oder Cortisol aus der Hypophyse bzw. Nebenniere, beeinträchtigt die Knochengesundheit erheblich. Ein primärer Hyperpara­thyreoidismus aufgrund eines Nebenschilddrüsenadenoms oder einer Nebenschilddrüsenhyperplasie stimuliert eine übermässige Knochenresorption. Die idiopathische Hyperkalziurie ist eine zunehmend anerkannte Ursache für niedrige KMD bei jungen Erwachsenen. Diese Erkrankung ist durch eine übermässige Kalziumausscheidung im Urin gekennzeichnet, ohne dass eine erkennbare Ursache, wie z. B. ein primärer Hyperparathyreoidismus, identifiziert werden kann. Kalziumverluste im Urin führen zu einer negativen Kalziumbilanz, die wiederum das Risiko für Knochenverlust und -frakturen erhöht.

Malabsorptive Störungen wie Zöliakie sind mit einem erhöhten Frakturrisiko und einer abnormalen Knochenmi­kroarchitektur assoziiert durch eine verringerte Aufnahme von essenziellen Nährstoffen wie Vitamin D und Kalzium. Andere malabsorptive Störungen umfassen bariatrische Operationen, zystische Fibrose und entzündliche Darmerkrankungen. Die beiden letztgenannten Erkrankungen begünstigen den Knochenabbau zusätzlich durch die Behandlung mit Steroiden und die Kalzium- und Vitamin-D-Malabsorption. Eine umfassende Liste von zusätzlichen Ursachen, die zum Knochenverlust beitragen, ist in der Tab. 2 aufgeführt.

Bestimmte Medikamente, die in der Tab. 3 aufgeführt sind, werden durch verschiedene Mechanismen mit einem Knochenverlust in Verbindung gebracht (17).

Glukokortikoide beispielsweise verstärken den Knochenabbau durch verminderte Osteoblastenreifung und beeinträchtigte Osteoklastenapoptose (18). Prämenopausale Frauen, die wegen rheumatologischer Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen oder transplantationsbedingter Immunsuppression mit Glukokortikoiden behandelt werden, haben ein erhöhtes Risiko für eine erniedrigte KMD und/oder Fragilitätsfrakturen, die als Glukokortikoid-induzierte Osteoporose bezeichnet wird. Eine weitere Kategorie von Medikamenten mit schädlichen Auswirkungen auf die Knochen wird bei Frauen im Rahmen einer Brustkrebserkrankung eingesetzt. Adjuvante Therapien, einschliesslich Chemotherapie und Gonadotropin-Releasing-Hormon(GnRH)-Analoga, können eine sekundäre Amenorrhö und eine vorzeitige Menopause verursachen. Ausserdem Tamoxifen, ein selektiver Östrogen-Rezeptor Modulator, der bei postmenopausalen Frauen eine schützende Rolle für die Knochen spielt, wirkt bei prämenopausalen Frauen als Antiöstrogen und wurde mit einem um 75 % erhöhten Frakturrisiko bei prämenopausalen Patientinnen mit Mammakarzinom im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen assoziiert (19). Schliesslich wurde im Jahr 2018 Elagolix, ein oral verabreichter nicht peptidischer GnRH-Antagonist, für die Behandlung von Endometriose-assoziierten Schmerzen zugelassen. Bei einer Verabreichung von 6 bis maximal 12 Monaten war dieses Medikament mit einem KMD-Verlust verbunden, insbesondere bei höheren Dosierungen (20).

Besondere Konditionen

Eine niedrige KMD ohne fassbare Ursache für den Knochenverlust wird als idiopathisch niedrige Knochenmasse definiert. In ähnlicher Weise wird von einer idiopathischen Osteoporose bei einer prämenopausalen Frau mit einer Vorgeschichte skelettaler Fragilität bzw. ohne sekundäre Ursache für eine Osteoporose gesprochen. Die genauen Mechanismen, die dieser Krankheit zugrunde liegen, sind noch nicht vollständig geklärt. Zu den vorgeschlagenen Mechanismen gehören gestörter Knochenumbau, osteoblastische Dysfunktion und Störungen der Knochenmi­kroarchitektur (21).

Schliesslich ist die normale Laktation mit einem vorübergehenden Knochenverlust verbunden, der auf die physiologische Amenorrhö und der Sekretion von Parathormon (PTH)-verwandtem Protein (PTHrP) durch die laktierende Brustdrüse zurückzuführen ist (22). Das Ausmass des Knochenverlustes korreliert mit der Dauer der Laktation (und der anschliessenden Amenorrhö) und kehrt sich mit dem Abstillen weitgehend um (23). Die schwangerschafts- und laktationsassoziierte Osteoporose (PLAO) ist ein Begriff für eine früh einsetzende Osteoporose mit Fragilitätsfrakturen, die im Zusammenhang mit den Veränderungen der Knochenmasse und des Stoffwechsels während der Schwangerschaft und Stillzeit auftreten. In einigen Fällen, die als PLAO identifiziert werden, kommt es zu einer Wirbelkörperfraktur. Symptome treten in der Regel während der Laktation und nicht während der Schwangerschaft auf. Sehr niedrige KMD mittels Dual Energy X-ray Absorptiometry (DXA) und volumetrische/strukturelle Knochendefizite sind dokumentiert worden (24). Die genaue Ursache dieser seltenen Störung ist nicht vollständig geklärt, insbesondere bleibt unklar, ob sie bei bestimmten Frauen ausschliesslich durch die Schwangerschaft selbst verursacht wird und/oder ob eine Schwangerschaft einen Status vorheriger Knochenfragilität aufzeigt. In einer grossen PLAO-Genetikstudie (n = 42) wurden mittels Gen Panel-Screening in 50 % der Fälle heterozygote Varianten, die als relevant für die Erkrankung angesehen werden, dokumentiert (25). In 26 % der Frauen wurden relevante Varianten in LRP5 oder WNT1, die mit dem für die Knochenbildung entscheidenden WNT-Signalweg zusammenhängen, dokumentiert (25). Die Gruppe mit relevanten genetischen Varianten wies einen schwereren Verlauf mit einer höheren Anzahl von Frakturen auf (25). Eine Studie bei Frauen mit PLAO, bei der Knochenbiopsien 12 Monate nach der Geburt durchgeführt wurden, zielte darauf ab, den Ausgangszustand des Knochenumbaus zu beurteilen (26). Transiliakale Knochenbiopsien dieser Frauen zeigten einen geringen Knochenumsatz im Vergleich zu Patientinnen mit idiopathischer Osteoporose, die an sich schon ein Zustand geringer Knochenbildung ist (26). Diese Befunde wurden durch niedrigere Knochenumbaumarker im Serum bestätigt und deuten auf die Möglichkeit eines zugrunde liegenden Defekts in der Osteoblastenfunktion hin (26).

Diagnostik/weitere Abklärung bei ­prämenopausalen Frauen mit Fragilitäts­frakturen und/oder sehr ­niedriger ­Knochenmasse

Wie bereits erwähnt, ist es wichtig, mögliche sekundäre Ursachen für geringe Knochenmasse/Fragilitätsfrakturen zu ermitteln, da einige korrigiert oder behandelt werden können. Darüber hinaus können einige Medikamente auf andere Substanzen ohne negative Auswirkungen auf den Knochenstoffwechsel umgestellt werden.

Die Untersuchung sollte eine vollständige Anamnese umfassen mit besonderem Fokus auf Frakturen, Nierensteinen, Oligomenorrhoe oder anderen Anzeichen eines Östrogenmangels, Schwangerschaften und Stillzeit, menstrualen Zyklus, Ernährungsgewohnheiten, Bewegung und Körpergewicht im Laufe der Zeit (2, 27). Ausserdem sind Informationen über die Familienanamnese in Bezug auf Frakturen und andere Erkrankungen des Knochenmetabolismus wichtig (27). Eine eingehende körperliche Untersuchung kann helfen, Anzeichen, wie zum Beispiel blaue Skleren oder schlechtes Gebiss (Osteogenesis imperfecta), Akanthose, Striae, zentrale Adipositas (Cushing-Syndrom), Schmetterlingsausschlag oder Gelenkschwellungen (rheumatologische Erkrankungen), zu erkennen (2). Die biochemische Untersuchung sollte auf Krankheiten, die mit einer erniedrigten Knochenmasse oder Fragilitätsfrakturen einhergehen, fokussieren (Tab. 4). Die Bildgebung umfasst die Untersuchung der KMD mittels DXA und bei Verdacht auf Wirbelkörperfrakturen Röntgen der Wirbelsäule oder Beurteilung von Wirbelkörperfrakturen mittels DXA (VFA). Anspruchsvollere Bildgebungsmodalitäten, wie zum Beispiel die hochauflösende periphere quantitative Computertomographie (HR-pQCT), können die Mikroarchitektur des Knochens beurteilen, was auch bei der Identifizierung von Patientinnen mit hohem Frakturrisiko helfen kann (28). Ein Gentest sollte in Erwägung gezogen werden bei Patientinnen mit Kleinwuchs, wiederkehrenden Frakturen, multiplen Wirbelkörperfrakturen, Knochendeformitäten, Frakturen an ungewöhnlichen ­Stellen, früh manifestierter Osteoporose, sehr niedriger KMD und einer Familienanamnese, die auf eine monogenetische Form der Osteoporose hinweist (12).

Klinische Relevanz
Bei prämenopausalen Frauen mit erniedrigter Knochenmasse/Fragilitätsfrakturen sollte eine Untersuchung auf sekundäre Ursachen, die in dieser Altersgruppe überwiegend zu skelettaler Fragilität beitragen, initiiert werden.

Management

Die Behandlung der prämenopausalen Osteoporose ist herausfordernd, da es an soliden Erkenntnissen darüber fehlt, wie das zukünftige Frakturrisiko am besten vorhergesagt und gesenkt werden kann. Die derzeit verfügbare Osteoporoseforschung und die Strategien zur Behandlung der Osteoporose konzentrieren sich auf postmenopausale Frauen und ältere Männer. Ein Flussdiagramm für das Gesamtmanagement von prämenopausalen Frauen mit Osteoporose und Fragilitätsfrakturen ist in Abb. 1 dargestellt.

Nicht pharmakologische Ansätze

Eine 2-jährige randomisierte kontrollierte Studie, in die 470 prämenopausale Frauen im Alter von 25 bis 44 Jahren eingeschlossen wurden, zeigte, dass die Aufklärung junger Frauen über klassische Osteoporoserisikofaktoren mit einer langfristigen Verbesserung bezüglich Osteoporosepräventionsverhalten verbunden war (29). Dies ist von besonderer Bedeutung, wenn man bedenkt, dass eine Untersuchung über Wissen, Überzeugungen und Praktiken in Bezug auf Osteoporose bei jungen Erwachsenen ergab, dass sie sich der Krankheit nicht bewusst waren (30).

Es gibt einige Evidenz für die positiven Auswirkungen von körperlicher Aktivität bei Frauen vor der Menopause. 40 junge Frauen im Alter von 30 bis 45 Jahren mit kürzlich diagnostizierter Osteoporose wurden in 4 Gruppen aufgeteilt über einen Zeitraum von 10 Wochen: Trainingsgruppe (Aerobic-Widerstand) plus Milchkonsum (500 ml täglich), nur Milchkonsum, nur Training und Kontrollen. Diese Studie zeigte, dass signifikante Unterschiede der KMD an der Lendenwirbelsäule und am Femur gab, wobei die Gruppe Training plus Milchkonsum höhere KMD Werten aufwies (31). Eine randomisierte kontrollierte Studie, an der 206 prämenopausale Frauen teilnahmen, bei denen die Dia­gnose Mammakarzinom vor dem 55. Lebensjahr gestellt wurde, zeigte, dass eine Kombination aus Widerstandstraining und aerobem Training innerhalb von 2 Jahren nach Erhalt einer adjuvanten Chemotherapie den Knochenverlust an der Lendenwirbelsäule während einer 12-monatigen Nachbeobachtungszeit verhinderte (32). Die Patientinnen sollten jedoch darauf hingewiesen werden, dass sie übermässige körperliche Betätigung vermeiden sollten, da diese den Knochenabbau durch Gewichtsverlust oder eine funktionelle hypothalamische Amenorrhö weiter fördern kann. Obwohl es dringend empfohlen wird, den Tabak- und Alkoholkonsum zu beenden, haben keine Studien bis dato die Auswirkungen dieser Massnahme auf KMD/Frakturrisiko bei prämenopausalen Frauen nachgewiesen.

Hinsichtlich der Supplementierung mit Kalzium und Vitamin D liegen keine Studien über eine Fraktursenkung vor, es wurde allerdings in einigen kleineren Studien ein Anstieg der KMD beobachtet (33, 34). Die Supplementierung umfasst eine angemessene tägliche Kalziumzufuhr von 1000 bis 1200 mg, in geteilten Dosen, vorzugsweise über die Ernährung, und eine Vitamin-D-Supplementierung zur Erreichung des Zielwerts für den 25-OH-Spiegel > 30 ng/ml bzw. einen 25-OH-Spiegel, der eine Hypokalziurie und einen sekundären Hyperparathyreoidismus verhindert. Diese Empfehlung sind von Leitlinien der postmenopausalen Osteoporose übernommen (35).

Die Behandlung von Grunderkrankungen oder sekundären Faktoren scheint sich darüber hinaus positiv auf die Knochen auszuwirken. So wurde zum Beispiel ein Anstieg der KMD mit einer Diät bei Zöliakie, Anti-TNF-Behandlung bei chronischen inflammatorischen Darmerkrankungen, Östrogenen bei Amenorrhö, Operationen bei primärem Hyperparathyreoidismus und Morbus Cushing, Behandlung von Hyperthyreose und Unterernährung dokumentiert (1).

Pharmakologische Ansätze

Wenn eine Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung nicht möglich oder nicht wirksam ist und das Frakturrisiko hoch erscheint, können antiresorptive und anabole Medikamente in Betracht gezogen werden, wobei die potenziellen unerwünschten Wirkungen bei Schwangerschaften bei Frauen im gebärfähigen Alter berücksichtigt werden sollten. Die bisher durchgeführten Studien waren in der Regel klein und hatten kurze Nachbeobachtungszeiträume, und sie bewerteten KMD-Veränderungen als primären Endpunkt, während die Verringerung des Frakturrisikos sowohl durch antiresorptive und knochenbildende Behandlung bis dato nicht nachgewiesen werden konnte (1).

Die Verwendung von Zoledronat bei prämenopausalen Patientinnen mit Mammakarzinom hat in der Studie der Austrian Breast and Colorectal Cancer Study Group 12 (ABCSG-12) eindeutig gezeigt, dass sie den mit der adjuvanten endokrinen Therapie verbundenen Knochenverlust verhindert, die Evidenz für die Verhinderung von Frakturen ist jedoch begrenzt (36). Ein Behandlungsalgorithmus für Patientinnen mit Mammakarzinom im Frühstadium, einschliesslich prämenopausaler Frauen, die eine adjuvante endokrine Therapie erhalten, wurde im Jahr 2021 veröffentlicht (37). Die Behandlung mit Bisphosphonaten verbessert nachweislich auch die KMD bei verschiedenen anderen Grunderkrankungen bei jungen Menschen wie Anorexia nervosa (hauptsächlich an der Lendenwirbelsäule), chronische inflammatorische Darmerkrankungen, Mukoviszidose, Thalassämie major und Glukokortikoid-induzierter Osteoporose, aber Daten zu Frakturen fehlen weitgehend (38). Für Leitlinien zur Behandlung der Glukokortikoid-induzierten Osteoporose bei jungen Menschen ist auf die aktuelle Leitlinie der European Calcified Tissue Society (ECTS) von 2024 verwiesen (39). Eine retrospektive, multizentrische Studie mit 52 Patientinnen mit PLAO zeigte, dass die KMD ohne pharmakologische Behandlung anstieg, wobei grössere KMD-Anstiege unter eine Behandlung mit Bisphosphonaten und Teriparatid zu verzeichnen waren (40). Nichtsdestotrotz erlitten etwa 19 % der Patientinnen in allen drei Gruppen eine neue Fraktur während der Nachbeobachtungszeit von 36 Monaten (40). Eine ähnlich grössere Zunahme der KMD an der Lendenwirbelsäule wurde dokumentiert in einer retrospektiven Studie an Frauen mit PLAO und multiplen Frakturen, die ein Jahr lang mit Teriparatid behandelt wurden (15.5 % ± 6.6), verglichen mit Kontrollen (7.5 % ± 7.1) (41). Ähnliche KMD-Anstiege wurden bei Patientinnen mit idiopathischer Osteoporose durch die Behandlung mit Teriparatid beobachtet (42).

Mögliche teratogene Wirkungen von Osteoporosetherapeutika

Bei jungen Frauen mit bekannter Osteoporose und Fragilitätsfrakturen, die eine zukünftige Schwangerschaft wünschen, ist es wichtig, die Auswirkungen der Schwangerschaft und insbesondere der Stillzeit auf die Knochengesundheit und den Zeitpunkt der Einnahme knochenaktiver Medikamente zu besprechen. In einer kleinen Fall-Kontroll-Studie wurden keine schwerwiegenden teratogenen Wirkungen von Bisphosphonaten festgestellt, aber eine mögliche negative Auswirkung auf die Rate der neonatalen Komplikationen und die Lebendgeburtenrate konnte nicht ausgeschlossen werden (43). Wegen der Retention von Bisphosphonaten in den Knochen wird im Allgemeinen davon abgeraten, eine Behandlung mit Bisphosphonaten zu beginnen, wenn innerhalb von 1 Jahr eine Schwangerschaft geplant ist (27). Es gibt keine Daten beim Menschen über die Sicherheit von Teriparatid, Denosumab oder Romosozumab bei schwangeren Frauen, aber da diese Medikamente nicht in den Knochen retiniert werden, kann davon ausgegangen werden, dass wenn sie vor einer Schwangerschaft abgesetzt werden, keine teratogenen Wirkungen haben (27, 44). Es ist weder bekannt, ob ihre Wirkungen bestehen bleiben, wenn keine Nachbehandlung mit Bisphosphonaten angeschlossen wird, noch ist bekannt, ob beim Absetzen von Denosumab das gleiche Risiko für ein Rebound-Phänomen wie bei postmenopausalen Frauen besteht (44).

Klinische Relevanz
Die Behandlung der prämenopausalen Osteoporose umfasst die Behandlung der Grunderkrankung, die nicht pharmakologische Optimierung der Knochengesundheit und die Erwägung einer pharmakologischen Behandlung bei anhaltendem Knochenverlust / Fragilitätsfrakturen.

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Die prämenopausale Osteoporose stellt nach wie vor eine diagnostische Herausforderung dar. Eine sorgfältige ­klinische, radiologische und biochemische Evaluation ist wichtig, um zugrunde liegende sekundäre Ursachen zu erkennen. Diese sollten immer vor dem Verdacht auf eine monogenetische Form der Osteoporose vorausgehen. Neue Entwicklungen bezogen auf fortschrittlichen radiologischen Bildgebungsverfahren sowie Gentests könnten in Zukunft mehr Einblick in die zugrunde liegenden Knochendefekte geben und den Bedarf an invasiven Knochenbiopsien verringern. Die genetische Diagnostik gibt den betroffenen Personen und ihren Familien Informationen über die Ursache der Osteoporose und über die Art der Vererbung. Die Ergebnisse werden auch Auswirkungen auf die medizinische Versorgung und Nachsorge haben. Weil es nur sehr wenige Belege für die Wirksamkeit von knochenaktiven Medikamenten gibt, ist es wichtig, ihren Einsatz im Rahmen eines personalisierten Ansatzes zu erwägen. In der Regel werden pharmakologische Therapien nach einer Optimierung des Lebensstils, einer ausreichenden Kalzium- und Vitamin-D-Supplementierung und einer Behandlung der Grunderkrankung und unter Berücksichtigung der Pläne für eine zukünftige Schwangerschaft bei Frauen im gebärfähigen Alter angesetzt.

Elena Tsourdi führt klinische Studien mit Alexion, Amgen, Amolyt, Ascendis, Kyowa Kirin und UCB durch und erhielt Honorare für Vorträge oder Erstellung von Lehrmaterial von Alexion, Amgen, Ascendis und UCB.

1. Pepe J, Body JJ, Hadji P, McCloskey E, Meier C, Obermayer-Pietsch B, et al. Osteoporosis in premenopausal women: a clinical Narrative Review by the ECTS and the IOF. J Clin Endocrinol Metab. 2020;105:dgaa306.

2. Ali M, Camacho PM. Workup and management of premenopausal osteoporosis. Endocrinol Metab Clin North Am. 2024;53:597-606.
3. Hosmer WD, Genant HK, Browner WS. Fractures before menopause: a red flag for physicians. Osteoporos Int. 2002;13:337-341.
4. Lewiecki EM, Gordon CM, Baim S, Binkley N, Bilezikian JP, Kendler DL, et al. Special report on the 2007 adult and pediatric Position Development Conferences of the International Society for Clinical Densitometry. Osteoporos Int. 2008;19:1369-1378.
5. Ferrari S, Bianchi ML, Eisman JA, Foldes AJ, Adami S, Wahl DA,Ramchand, S.K. and Leder, B.Z. Sequential therapy for the long-term treatment of postmenopausal osteoporosis. J Clin Endocrinol Metab, 2024. 109(2) : p. 303-311.
6. Bonjour JP, Theintz G, Buchs B, Slosman D, Rizzoli R. Critical years and stages of puberty for spinal and femoral bone mass accumulation during adolescence. J Clin Endocrinol Metab. 1991;73:555-563.

7. Chen S, Jain M, Jhangiani S, Akdemir ZC, Campeau PM, Klein RF, et al. Genetic burden contributing to extremely low or high bone mineral density in a senior male population from the Osteoporotic Fractures in Men Study (MrOS). JBMR Plus. 2020;4:e10335.
8. Rivadeneira F, Styrkársdottir U, Estrada K, Halldórsson BV, Hsu YH, Richards JB, et al. Twenty bone-mineral-density loci identified by large-scale meta-analysis of genome-wide association studies. Nat Genet. 2009;41:1199-1206.
9. Zhu X, Bai W, Zheng H. Twelve years of GWAS discoveries for osteoporosis and related traits: advances, challenges and applications. Bone Res. 2021;9:23.
10. Morris JA, Kemp JP, Youlten SE, Laurent L, Logan JG, Chai RC, et al. An atlas of genetic influences on osteoporosis in humans and mice. Nat Genet. 2019;51:258-266.
11. Lu T, Zhou S, Wu H, Forgetta V, Greenwood CMT, Richards JB. Improved prediction of fracture risk leveraging a genome-wide polygenic risk score. Genome Med. 2021;13:16.
12. Busse E, Lee B, Nagamani SCS. Genetic evaluation for monogenic disorders of low bone mass and increased bone fragility: what clinicians need to know. Curr Osteoporos Rep. 2024;22:308-317.
13. Khosla S, Monroe DG. Regulation of Bone Metabolism by Sex Steroids. Cold Spring Harb Perspect Med. 2018 Jan 2;8(1):a031211
14. Dombrowski S, Jakob L, Hadji P, Kostev K. Oral contraceptive use and fracture risk-a retrospective study of 12,970 women in the UK. Osteoporos Int. 2017;28:2349-2355.
15. Duckham RL, Baxter-Jones AD, Johnston JD, Vatanparast H, Cooper D, Kontulainen S. Does physical activity in adolescence have site-specific and sex-specific benefits on young adult bone size, content, and estimated strength? J Bone Miner Res. 2014;29:479-486.
16. Moreira Kulak CA, Schussheim DH, McMahon DJ, Kurland E, Silverberg SJ, Siris ES, et al. Osteoporosis and low bone mass in premenopausal and perimenopausal women. Endocr Pract. 2000;6:296-304.
17. Panday K, Gona A, Humphrey MB. Medication-induced osteoporosis: screening and treatment strategies. Trends Endocrinol Metab. 2014;25:197-211.
18. Henneicke H, Gasparini SJ, Brennan-Speranza TC, Zhou H, Seibel MJ. Glucocorticoids and bone: local effects and systemic implications. Trends Endocrinol Metab. 2014;25:197-211.
19. Kyvernitakis I, Kostev K, Hadji P. The tamoxifen paradox-influence of adjuvant tamoxifen on fracture risk in pre- and postmenopausal women with breast cancer. Osteoporos Int. 2018;29:2557-2564.
20. Surrey E, Taylor HS, Giudice L, Lessey BA, Abrao MS, Archer DF, et al. Long-term outcomes of elagolix in women with endometriosis: results from two extension studies. Obstet Gynecol. 2018;132:147-160.
21. Cohen A, Dempster DW, Recker RR, Stein EM, Lappe JM, Zhou H, et al. Abnormal bone microarchitecture and evidence of osteoblast dysfunction in premenopausal women with idiopathic osteoporosis. J Clin Endocrinol Metab. 2011;96:3095-3105.
22. Kalkwarf HJ, Specker BL. Bone mineral changes during pregnancy and lactation. Endocrine. 2002;17:49-53.
23. Kovacs CS, Ralston SH. Presentation and management of osteoporosis presenting in association with pregnancy or lactation. Osteoporos Int. 2015;26:2223-2241.
24. Cohen A. Bone metabolism, bone mass, and bone structure during pregnancy and lactation: normal physiology and pregnancy and lactation-associated osteoporosis. Endocrinol Metab Clin North Am. 2024;53:453-470.
25. Butscheidt S, Tsourdi E, Rolvien T, Delsmann A, Stürznickel J, Barvencik F, et al. Relevant genetic variants are common in women with pregnancy and lactation-associated osteoporosis (PLO) and predispose to more severe clinical manifestations. Bone. 2021;147:115911.
26. Cohen A, Kamanda-Kosseh M, Dempster DW, Zhou H, Müller R, Goff E, et al. Women with pregnancy and lactation-associated osteoporosis (PLO) have low bone remodeling rates at the tissue level. J Bone Miner Res. 2019;34:1552-1561.
27. Langdahl BL. Osteoporosis in premenopausal women. Curr Opin Rheumatol. 2017;29:410-415.
28. Rozental TD, Johannesdottir F, Kempland KC, Bouxsein ML. Characterization of trabecular bone microstructure in premenopausal women with distal radius fractures. Osteoporos Int. 2018;29:409-419.
29. Wu F, Wills K, Laslett LL, Riley MD, Oldenburg B, Jones G, et al. Individualized fracture risk feedback and long-term benefits after 10 years. Am J Prev Med. 2018;54:266-274.
30. Chan CY, Mohamed N, Ima-Nirwana S, Chin KY. A review of knowledge, belief and practice regarding osteoporosis among adolescents and young adults. Int J Environ Res Public Health. 2018;15:1727.
31. Arazi H, Samadpour M, Eghbali E. The effects of concurrent training (aerobic-resistance) and milk consumption on some markers of bone mineral density in women with osteoporosis. BMC Womens Health. 2018;18:202.
32. Tabatabai LS, Bloom J, Stewart S, Sellmeyer DE. A randomized controlled trial of exercise to prevent bone loss in premenopausal women with breast cancer. J Womens Health (Larchmt). 2019;28:87-92.
33. Peris P, Monegal A, Martinez MA, Moll C, Pons F, Guanabens N (2007) Bone mineral density evolution in young premenopausal women with idiopathic osteoporosis. Clin Rheumatol. 2007;26:958-961.
34. Islam MZ, MZ, Shamim AA, Viljakainen HT, Akhtaruzzaman M, Jehan AH, Khan HU et al. Effect of vitamin D, calcium, and multiple micronutrient supplementation on vitamin D and bone status in Bangladeshi premenopausal garment factory workers with hypovitaminosis D: a double-blinded, randomised, placebo-controlled 1-year intervention. Br J Nutr. 2010;104:241-247.
35. Kanis JA, Cooper C, Rizzoli R, Reginster JY; Scientific Advisory Board of the European Society for Clinical and Economic Aspects of Osteoporosis (ESCEO) and the Committees of Scientific Advisors and National Societies of the International Osteoporosis Foundation (IOF). Executive summary of the European guidance for the diagnosis and management of osteoporosis in postmenopausal women. Calcif Tissue Int. 2019;104:235-238.
36. Gnant M, Mlineritsch B, Luschin-Ebengreuth G, Kainberger F, Kassmann H, Piswanger-Solkner JC et al. Adjuvant endocrine therapy plus zoledronic acid in premenopausal women with early-stage breast cancer: 5-year follow-up of the ABCSG-12 bone-mineral density substudy. Lancet Oncol. 2008;9:840-849.
37. Waqas K, Lima Ferreira J, Tsourdi E, Body JJ, Hadji P, Zillikens MC. Updated guidance on the management of cancer treatment-induced bone loss (CTIBL) in pre- and postmenopausal women with early-stage breast cancer. J Bone Oncol. 2021;28:100355.
38. Ferrari S, Bianchi ML, Eisman JA, Foldes AJ, Adami S, Wahl DA, et al. Osteoporosis in young adults: pathophysiology, diagnosis, and management. Osteoporos Int. 2012;23:2735-2748.
39. Paccou J, Yavropoulou MP, Naciu AM, Chandran M, Messina OD, Rolvien T, et al. Prevention and treatment of glucocorticoid-induced osteoporosis in adults: recommendations from the European Calcified Tissue Society. Eur J Endocrinol. 2024;191:G1-G17.
40. Laroche M, Talibart M, Cormier C, Roux C, Guggenbuhl P, Degboe Y. Pregnancy-related fractures: a retrospective study of a French cohort of 52 patients and review of the literature. Osteoporos Int. 2017;28:3135-3142.
41. Hong N, Kim JE, Lee SJ, Kim SH, Rhee Y. Changes in bone mineral density and bone turnover markers during treatment with teriparatide in pregnancy- and lactation-associated osteoporosis. Clin Endocrinol (Oxf). 2018;88:652-658.
42. Cohen A, Kousteni S, Bisikirska B, Shah JG, Manavalan JS, Recker RR, et al. IGF-1 receptor expression on circulating osteoblast progenitor cells predicts tissue-based bone formation rate and response to teriparatide in premenopausal women with idiopathic osteoporosis. J Bone Miner Res. 2017;32:1267-1273.
43. Sokal A, Elefant E, Leturcq T, Beghin D, Mariette X, Seror R. Pregnancy and newborn outcomes after exposure to bisphosphonates: a case-control study. Osteoporos Int. 2019;30:221-229.
44. Mäkitie O, Zillikens MC. Early-onset osteoporosis. Calcif Tissue Int. 2022;110:546-561.

Glukokortikoid-induzierte Osteoporose

Geschichte und Hintergründe

Therapieindikationen für Glukokortikoide (GC) sind vielfältig. So werden GC zur Behandlung von entzündlich-rheumatischen Systemerkrankungen, Allergien, Lungenerkrankungen, Hauterkrankungen, Krankheiten des Nervensystems, onkologischen Krankheiten oder nach Organtransplantation eingesetzt. Nebst der ausgezeichneten Wirkung sind Nebenwirkungen insbesondere auf den Muskel und Knochen häufig.

Diese Übersichtsarbeit beleuchtet die Pathogenese und Therapie der Glukokortikoid-induzierten Osteoporose (GIOP). Die Assoziation zwischen erhöhtem endogenem GC-Spiegel und vertebraler Osteoporose wurde erstmals 1937 durch Harvey Williams Cushing beschrieben. In den 1950er-Jahren wurde dieses Phänomen bei Patienten unter Therapie mit synthetischen GC beobachtet (1). Lange Zeit war jedoch umstritten, ob auch niedrig dosierte GC-Therapien das Osteoporose- und Frakturrisiko erhöhen (2). Heute gilt die GIOP als dritthäufigste Ursache für Osteoporose, nach postmenopausalem und altersassoziiertem Knochenverlust. Weiter stellt die GIOP die häufigste Form der sekundären und iatrogenen Osteoporose dar (1, 3). Die GIOP ist problematisch, denn sie erhöht sowohl Morbidität als auch Mortalität und stellt dadurch eine erhebliche gesellschaftliche Belastung dar (4).

Epidemiologie

Die Prävalenz einer oralen GC-Therapie liegt je nach Population bei 0.8–1.2 % (5–7) und steigt bei Personen über 70 Jahren auf 2.5–3.1 % (8). Von den Patienten mit Langzeit-GC-Therapie erleiden 30–50 % eine osteoporotische Fraktur (9).

Einfluss der unterschiedlichen ­Darreichungsformen

Zahlreiche nationale und internationale Richtlinien (10–15) und Frakturrisiko-Berechnungsmodelle berücksichtigen wohl die Verabreichung von systemischen GC, nicht aber inhalative, topische und lokal infiltrierte GC-Verabreichungen (10–12, 14, 15).

Systemische Therapien umfassen sowohl orale als auch intravenöse Präparate. Intravenöse GC tragen hauptsächlich zur kumulativen Gesamtdosis bei, werden sie bei Systemerkrankungen bis zu grammweise pro Tag verabreicht, während für Langzeittherapien vor allem orale GC eingesetzt werden. Bereits tägliche Dosierungen von 2.5–7.5 mg Prednison-Äquivalente sind mit einem relativen Risiko (RR) von 2.59 für vertebrale und 1.36 für nicht vertebrale Frakturen assoziiert (16). Die Substitution mit Hydrocortison < 30 mg/Tag bildet eine Ausnahme und führt nicht zu einer GIOP (17). Das Frakturrisiko ist während der ersten drei bis sechs Monate einer GC-Therapie am grössten (18). Es steigt ausserdem mit zunehmendem Alter, höherer Dosierung und längerer Dauer der GC-Therapie (19). Nach Absetzen der GC nimmt das Frakturrisiko zwar ab, bleibt jedoch weiterhin erhöht und kehrt nicht auf das Ausgangsniveau zurück (4). Patienten, die mit GC behandelt werden, haben bei gleicher Knochendichte ein mehrfach erhöhtes Frakturrisiko im Vergleich zu Patienten ohne GC-Behandlung (9). Das RR liegt bei 1.98 im Alter von 50 Jahren und 1.66 im Alter von 85 Jahren (9). Zudem gibt es Hinweise darauf, dass eine orale GC-Therapie mit einer erhöhten Gesamtmortalität assoziiert ist (20).

Selbst bei Therapie mit inhalativen GC bei Asthmatikern konnten Chalitsios et al. zeigen, dass das Risiko für das Auftreten einer Osteoporose und Fraktur im Vergleich zu Asthmatikern ohne inhalative GC signifikant erhöht ist (21). Egeberg et al. beschrieben weiter eine dosisabhängige Erhöhung des Risikos für Osteoporose und osteoporotische Frakturen unter Therapie mit starken und sehr starken topischen GC (22). Anastasilakis et al. fanden zudem Hinweise für einen dosisabhängigen Effekt von epiduralen GC-Injektionen auf die Knochenmineraldichte (23).

Aufgrund der Datenlage darf zusammengefasst werden, dass die nicht systemisch applizierten GC weniger de­struktiv auf den Knochen wirken und somit eine sinnvolle Alternative bei der Vermeidung einer GIOP darstellen.

Pathophysiologie der GIOP

Zelluläre Effekte auf den Knochenmetabolismus

Auf zellulärer Ebene aktivieren GC Osteoklasten und hemmen Osteoblasten sowie Osteozyten. Dies führt zu einem vermehrten Knochenabbau und zu einer verminderten Knochenneubildung, wie schematisch in Abb. 1 dargestellt.

(IGF)-1, die für diesen Prozess entscheidend sind, hemmen. Gleichzeitig fördern GC die Bildung von WNT-Inhibitoren wie Dickkopf-1 und Sklerostin, was die Differenzierung von Osteoblasten zusätzlich reduziert (1). Weiter führen GC zu einer geringeren Differenzierung von Osteoblasten, indem sie einerseits das Differenzierungsverhältnis von multipotenten Stammzellen des Knochenmarks zugunsten von Adipozyten und zulasten der Osteoblasten verschieben und andererseits den Zellzyklus verlangsamen (1). Dieser Effekt beruht unter anderem auf Cyclin A und D, Cyclin-abhängigen Kinasen und auch auf Apoptose-induzierenden Faktoren wie p53, p21 und p27 sowie Aktivierung von Caspase-3 (1, 24). Weiter führen GC zu einer verminderten Sekretion von Kollagen und Osteocalcin (1). Insgesamt führen GC so zu einer reduzierten Knochenbildung und -qualität.

Osteozyten
GC beeinträchtigen weiter auch die Funktion der Osteozyten und induzieren deren Apoptose. Sie beeinflussen einerseits das Lakunen-Canaliculi-System: Die Knochenmatrix um die Osteozyten wird weniger mineralisiert, die Lakunen vergrössern sich, und die Dendriten der Osteozyten werden kürzer (1). Andererseits gibt es Hinweise, dass GC die intraossären Blutgefässe negativ beeinflussen, was zu einer Reduktion der interstitiellen Flüssigkeit und einer schlechteren Versorgung der Osteozyten mit Mineralien und Nährstoffen führt (1). GC-induzierte Abschnürung von apoptotischen Osteozytenbläschen, sogenannten Apoptose-Bodies, aktivieren weiter die Osteoklasten (25) und steigern so indirekt den Knochenabbau. GC führen hierdurch nebst dem Verlust der Knochenmineraldichte und der gestörten Mikrostruktur auch zu einer verminderten Belastbarkeit und Reparationsfähigkeit, was die mehrfach erhöhte Brüchigkeit bei gleicher Knochenmineraldichte erklärt.

Systemische Effekte auf die Muskel-Knochen-Einheit

Systemische GC verringern weiter Muskelmasse und -funktion sowie die Empfindlichkeit des Vitamin D-Rezeptors (3). Darüber hinaus hemmen sie die Synthese und Sekretion von Sexual- sowie Wachstumshormonen (2). Schliesslich kommt es zu einer negativen Calciumbilanz, da GC die intestinale Calciumaufnahme hemmen und gleichzeitig die renale Calciumausscheidung erhöhen (3). All diese Effekte tragen zu einer verminderten Knochenmineralisation bei und erhöhen somit das Risiko für Osteoporose und osteoporotische Frakturen.

Pathogenese der GIOP bei entzündlichen Grunderkrankungen

Bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen, wie beispielsweise der rheumatoiden Arthritis oder Morbus Crohn, ist die Pathophysiologie der Osteoporose multifaktoriell (26). Hierbei spielen lokale und systemische Entzündungsprozesse der Grunderkrankung eine zentrale Rolle (26). Proinflammatorische Zytokine wie Tumornekrosefaktor (TNF) alpha, Interleukin(IL)-1 und IL-6 fördern die Aktivität von Osteoklasten, was die Knochenresorption erhöht, während sie die Osteoblastenfunktion und damit die Knochenbildung hemmen (26). Erhöhte Konzentrationen von hochsensitivem C-reaktivem Protein (hs-CRP), einem Marker für Entzündungsaktivität, wurden als unabhängiger Risikofaktor für nicht traumatische Frakturen identifiziert. Dies gilt selbst bei geringfügigen hs-CRP-Erhöhungen (27). Weitere Faktoren wie Malabsorption und reduzierte körperliche Aktivität sind zudem für die Entstehung einer entzündungsbedingten Osteoporose ursächlich (26).

Abklärungsalgorithmus

Patienten mit geplanter oder bereits laufender GC-Therapie aller Applikationsformen sind im Hinblick auf eine mögliche GIOP abzuklären. Einerseits gilt es, anamnestisch sekundäre Risikofaktoren zu erfassen, und andererseits zum Ausschluss anderer sekundärer Osteoporoseformen eine laboranalytische Bestimmung von Albumin-korrigiertem Calcium, Phosphat, Kreatinin, alkalischer Phosphatase (AP), Gamma-GT, Blutbild, Blutsenkungsreaktion, CRP, TSH und 25(OH)Vitamin D3 durchzuführen (3). Bei Verdacht auf Multiples Myelom ist zudem eine Serumeiweiss­elektrophorese angezeigt (3). Die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) deckt bei Osteoporoseverdacht Vitamin D-Messungen alle drei Monate (28).

Weiter empfehlen wir bei Patienten über 40 Jahren das Berechnen des individuellen 10-Jahres-Risikos einer Osteoporose-typischen Fraktur (MOF = major osteoporotic fracture: hüftnahe Frakturen, klinische Wirbelkörperfrakturen, Humerusfrakturen und Unterarmfrakturen). In der Schweiz stehen dazu zwei Instrumente zur Verfügung: Erstens FRAX® (https://frax.shef.ac.uk/FRAX/tool.aspx?lang=de), welches international validiert ist, und zweitens das Berechnungsmodul der Osteoporose-Plattform (https://www.osteorheuma.ch/top/) (8, 12). Beide basieren auf Daten aus der Schweiz. FRAX® berücksichtigt aktuelle und frühere Gaben von ≥ 5 mg Prednison-Äquivalente/Tag über mindestens drei Monate. Ergänzend empfehlen wir, das MOF-Risiko bei Prednison-Äquivalenzdosierungen > 7.5 mg täglich um den Faktor 1.15 anzupassen (29). Bei GIOP-Patienten mit entzündlichen Grunderkrankungen gilt ausserdem zu beachten, dass FRAX® stellvertretend für alle entzündlichen Erkrankungen die rheumatoide Arthritis als Risikofaktor hinterlegt hat.

Ergänzend zur Risikoberechnung ist baldmöglichst eine Knochendichtemessung mittels dual energy X-ray absorptiometry (DXA) in Kombination mit einer vertebralen Frakturanalyse (VFA) empfohlen (10, 11). Die OKP übernimmt die Kosten bei einer Langzeit-GC-Therapie (30), darunter wird üblicherweise eine Therapie mit einem Prednison-Äquivalent ≥ 5 mg während ≥ drei Monaten verstanden.

Gemäss den schweizerischen Richtlinien (10, 11) können postmenopausale Patientinnen und Patienten ab 40 Jahren anhand der klinischen und diagnostischen Parameter mithilfe des Algorithmus in Abb. 2 in Risikogruppen eingeteilt werden. Patienten unter 40 Jahren sowie prämenopausale Frauen werden in den schweizerischen Richtlinien nicht berücksichtigt. Laut US-amerikanischen Leitlinien fallen diese bei vorangegangener MOF, täglichen Prednison-Äquivalenzdosen von ≥ 30 mg/Tag oder kumulativ > 5 g/Jahr in die Kategorie «sehr hohes Risiko» (12).

Patienten mit GIOP sind im Vergleich zu Patienten mit anderen Osteoporoseformen jünger, häufiger männlich, häufiger ohne abgeschlossene Familienplanung und haben durch GC-Therapien in der Jugend und aufgrund der entzündlichen Grunderkrankungen häufiger eine tiefere maximale Knochenmasse. Diese Faktoren gilt es, bei der Wahl der Therapie weiter zu berücksichtigen.

Therapie der GIOP

Alle Patienten mit einer langfristigen GC-Therapie benötigen eine adäquate Osteoporoseprophylaxe bzw. -therapie (10). Dazu existieren, wie bereits erwähnt, verschiedene nationale und internationale Richtlinien, unter anderem von der Schweizerischen Gesellschaft für Rheumatologie (SGR) (10), der Schweizerischen Vereinigung gegen Osteoporose (SVGO) (11), dem American College of Rheumatology (ACR) (12), dem Dachverband Osteologie e.V. (13) sowie von Tanaka et al. für Japan (14) und van den Bergh et al. für die Niederlande (15). Vergleicht man diese untereinander, finden sich einerseits Gemeinsamkeiten, wie zum Beispiel die Einteilung in prä- oder postmenopausal bzw. in Altersgruppen. Eine weitere Gemeinsamkeit stellen die Empfehlungen betreffend den allgemeinen Massnahmen dar. Andererseits fällt auf, dass die internationalen Richtlinien im Gegensatz zu den schweizerischen eine tiefere Interventionsschwelle haben. Zum Beispiel empfiehlt das ACR bereits bei T-Werten von < –1.0 eine Therapie, während die SVGO eine solche erst bei T-Werten < –1.5 empfiehlt. Schliesslich empfehlen die internationalen Richtlinien bei GIOP prinzipiell eine Therapie mit Teriparatid. Dies basiert auf Daten, wie denen einer Metaanalyse von Liu et al., die kürzlich zeigen konnten, dass Teriparatid im Vergleich zu Alendronat bei GIOP-Patienten Wirbelkörperfrakturen signifikant stärker verringert und die Knochenmineraldichte signifikant erhöht (31).

Allgemeine Massnahmen

Folgende Massnahmen (Tab. 1) werden allen GIOP-Patienten, ungeachtet deren Alter und Frakturrisiko, empfohlen (10–15).

Empfehlungen betreffend osteologischer ­Therapie

Bei der GIOP kommen die üblichen antiresorptiven und osteoanabolen Wirkstoffe zum Einsatz, diese sind in Tab. 2 aufgeführt. Die Wahl der spezifischen Therapie orientiert sich an den nationalen Richtlinien, der Zulassung und den Limitationen zur Vergütung der Medikamente. Dabei gibt es Diskrepanzen, welche dadurch zustande kommen, dass die Zulassungsstudien hauptsächlich an postmenopausalen Frauen durchgeführt werden, wie zum Beispiel die ­HORIZON-Studie für Zoledronat (34). Da die Limitationen laufend angepasst werden, empfehlen wir, diese vor einem Therapiebeginn zu überprüfen (35). Ausserdem gilt es, das Alter des Patienten, das individuelle Frakturrisiko, die Komorbiditäten sowie die Compliance bzw. die Patientenwünsche zu beachten.

Da das Frakturrisiko bei GIOP insbesondere zu Beginn der Therapie sehr hoch ist, könnte, sofern die Wartezeit auf eine DXA länger ist, bereits eine vorübergehende Therapie mit einem oralen Bisphosphonat, z. B. Alendronat, erwogen werden.

Osteologische Therapie bei Männern ≥ 40 Jahre und postmenopausalen Frauen

Sehr hohes Risiko
Bei Patienten mit sehr hohem Frakturrisiko sollte eine osteoanabole Therapie mit Teriparatid oder Romosozumab in Betracht gezogen werden (10, 11). Für beide Wirkstoffe ist jedoch eine Konsultation bzw. eine Kostengutsprache durch einen Facharzt FMH Rheumatologie oder Endokrinologie an die OKP erforderlich (35). Alternativ kann eine potente antiresorptive Therapie, z. B. Zoledronat, angewendet werden (10, 11).

Hohes Risiko
Bei hohem Frakturrisiko wird eine potente antiresorptive Therapie empfohlen (10, 11). In der Schweiz ist Denosumab nicht zur Behandlung von GIOP zugelassen, entsprechend handelt es sich um eine Off-label-Anwendung (11). Bei sehr tiefen T-Scores soll eine osteoanabole Therapie evaluiert werden.

Moderates/niedriges Risiko
Falls keine Östrogenersatztherapie besteht, kann der Einsatz eines selektiven Östrogen-Rezeptor-Modulators (SERM) geprüft werden. Eine Therapie mit Bisphosphonaten kann gemäss den Empfehlungen der SVGO erwogen werden (11).

Osteologische Therapie bei Männern < 40 Jahre und prämenopausalen Frauen

Prämenopausale Frauen und Patienten < 40 Jahre stellen einen wesentlichen Anteil der GIOP-Patienten dar, sind jedoch in klinischen Studien zur Osteoporosetherapie stark unterrepräsentiert (31). Während Studien zeigen, dass gängige Therapien die Knochenmineraldichte erhöhen (36), sind uns keine Analysen zum Frakturrisiko dieser Patientengruppe bekannt. Wohl daher sprechen die meisten Leitlinien keine spezifischen Empfehlungen aus. Eine Ausnahme bildet die ACR-Richtlinie, die in Hochrisikosituationen Bisphosphonate empfiehlt – bei Frauen jedoch nur in Kombination mit wirksamer Kontrazeption (12). Weiter sind Bisphosphonate sechs Monate vor geplanter Schwangerschaft abzusetzen. Bei dieser Patientengruppe ist eine individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung, die Frakturrisiko, potenziellen Kinderwunsch und Sicherheitsprofile der Therapien berücksichtigt, sinnvoll (36). Ungeachtet davon sollten die oben genannten allgemeinen Massnahmen konsequent umgesetzt werden.

Empfehlungen zur Folgetherapie

Eine Wiederholung der DXA wird alle zwei Jahre empfohlen, danach und bei neu aufgetretenen MOF oder nach Absetzen der GC sollte eine Reevaluation der Therapie erfolgen (10–12). Die Wahl der Folgetherapie hängt vom Frakturrisiko und der initialen Therapie ab. Ziel ist es, die erreichte Knochenmineraldichte langfristig zu konsolidieren und das Frakturrisiko weiter zu reduzieren.

Nach Absetzen von Denosumab oder dem Auslassen einer Dosis kommt es zu einem raschen, massiven Knochenverlust (Rebound-Phänomen) (13). Auch nach dem Absetzen von Teriparatid und Romosozumab wird ein schneller Verlust an Knochenmineraldichte beobachtet (13). Deshalb ist nach Therapie mit Denosumab, Teriparatid oder Romosozumab eine antiresorptive Folgetherapie unerlässlich (10, 13). Darüber sind Patienten bereits vor der initialen Therapie aufzuklären (13).

Der Zeitpunkt des Übergangs zur Folgetherapie variiert je nach initial eingesetztem Wirkstoff (12):
– nach Romosozumab: Beginn der Folgetherapie einen Monat nach letzter Gabe
– nach Teriparatid: Beginn der Folgetherapie einen Tag nach letzter Gabe
– nach Denosumab: Beginn der Folgetherapie sechs Monate nach letzter Gabe

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass GC, selbst in niedriger Dosierung, zu einem Verlust an Knochenmasse und -qualität führen. Daher sollte ihr Einsatz auf die niedrigste wirksame Dosierung und die kürzeste mögliche Dauer begrenzt werden. Prophylaktisch sollten Calcium und Vitamin D supplementiert werden, ergänzt durch regelmässige körperliche Aktivität und Sturzprophylaxe. Bei geplanter GC-Therapie von ≥ drei Monaten sollten eine Knochendichtemessung mittels DXA sowie eine klinische Einschätzung des Frakturrisikos durchgeführt werden. Die Wahl der spezifischen Osteoporosetherapie richtet sich nach dem Alter des Patienten und dem individuellen Frakturrisiko.

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

1. Gado M, Baschant U, Hofbauer LC, Henneicke H. Bad to the Bone: The Effects of Therapeutic Glucocorticoids on Osteoblasts and Osteocytes. Front Endocrinol (Lausanne). 2022;13:835720.
2. van Staa TP. The pathogenesis, epidemiology and management of glucocorticoid-induced osteoporosis. Calcified tissue international. 2006;79(3):129-37.
3. Amann J, Lang A, Hoff P, Buttgereit F. Glukokortikoidinduzierte Osteoporose. In: Kurth A, Lange U, editors. Fachwissen Osteologie. München: Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH; 2018. 96-9.
4. Urquiaga M, Saag KG. Risk for osteoporosis and fracture with glucocorticoids. Best Pract Res Clin Rheumatol. 2022;36(3):101793.
5. Fardet L, Petersen I, Nazareth I. Prevalence of long-term oral glucocorticoid prescriptions in the UK over the past 20 years. Rheumatology. 2011;50(11):1982-90.
6. Overman RA, Yeh JY, Deal CL. Prevalence of oral glucocorticoid usage in the United States: a general population perspective. Arthritis care & research. 2013;65(2):294-8.
7. Einarsdottir MJ, Ekman P, Trimpou P, Olsson DS, Johannsson G, Ragnarsson O. High prescription rate of oral glucocorticoids in children and adults: A retrospective cohort study from Western Sweden. Clin Endocrinol (Oxf). 2020;92(1):21-8.
8. Chen JF, Yu SF, Chiu WC, Ko CH, Hsu CY, Lai HM, et al. Development and Comparison of Treatment Decision Tools for Glucocorticoid-Induced Osteoporosis. Diagnostics (Basel). 2024;14(4).
9. Rizzoli R, Biver E. Glucocorticoid-induced osteoporosis: who to treat with what agent? Nat Rev Rheumatol. 2015;11(2):98-109.
10. Schweizerische Gesellschaft für Rheumatologie. Glukokortikoid-Osteoporose Vorbeugung und Behandlung (Internet). (abgerufen am 31. Dezember 2024). Verfügbar unter: https://www.rheuma-net.ch/de/doc/glukokortikoid-osteoporose-vorbeugung-und-behandlung/viewdocument/616
11. Ferrari S, Lippuner K, Lamy O, Meier C. 2020 recommendations for osteoporosis treatment according to fracture risk from the Swiss Association against Osteoporosis (SVGO). Swiss Med Wkly. 2020;150:w20352.
12. Humphrey MB, Russell L, Danila MI, Fink HA, Guyatt G, Cannon M, et al. 2022 American College of Rheumatology Guideline for the Prevention and Treatment of Glucocorticoid-Induced Osteoporosis. Arthritis Rheumatol. 2023;75(12):2088-102.
13. Dachverband Osteologie e.V. DVO Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Osteoporose 2023 (Internet). (abgerufen am 31. Dezember 2024). Verfügbar unter: https://leitlinien.dv-osteologie.org/
14. Tanaka Y, Soen S, Hirata S, Okada Y, Fujiwara S, Tanaka I, et al. The 2023 Guidelines for the management and treatment of glucocorticoid-induced osteoporosis. J Bone Miner Metab. 2024;42(2):143-54.
15. van den Bergh JP, Geusens P, Appelman-Dijkstra NM, van den Broek HJG, Elders PJM, de Klerk G, et al. The Dutch multidisciplinary guideline osteoporosis and fracture prevention, taking a local guideline to the international arena. Arch Osteoporos. 2024;19(1):23.
16. van Staa TP, Leufkens HG, Abenhaim L, Zhang B, Cooper C. Use of oral corticosteroids and risk of fractures. Journal of bone and mineral research : the official journal of the American Society for Bone and Mineral Research. 2000;15(6):993-1000.
17. Furman K, Gut P, Sowińska A, Ruchała M, Fichna M. Predictors of bone mineral density in patients receiving glucocorticoid replacement for Addison’s disease. Endocrine. 2024;84(2):711-9.
18. van Staa TP, Leufkens HGM, Cooper C. The Epidemiology of Corticosteroid-Induced Osteoporosis: a Meta-analysis. Osteoporosis international : a journal established as result of cooperation between the European Foundation for Osteoporosis and the National Osteoporosis Foundation of the USA. 2002;13(10):777-87.
19. Sato AY, Peacock M, Bellido T. Glucocorticoid Excess in Bone and Muscle. Clin Rev Bone Miner Metab. 2018;16(1):33-47.
20. Einarsdottir MJ, Ekman P, Molin M, Trimpou P, Olsson DS, Johannsson G, et al. High Mortality Rate in Oral Glucocorticoid Users: A Population-Based Matched Cohort Study. Front Endocrinol (Lausanne). 2022;13:918356.
21. Chalitsios CV, Shaw DE, McKeever TM. Corticosteroids and bone health in people with asthma: A systematic review and meta-analysis. Respir Med. 2021;181:106374.
22. Egeberg A, Schwarz P, Harslof T, Andersen YMF, Pottegard A, Hallas J, et al. Association of Potent and Very Potent Topical Corticosteroids and the Risk of Osteoporosis and Major Osteoporotic Fractures. JAMA Dermatol. 2021;157(3):275-82.
23. Anastasilakis AD, Naciu AM, Yavropoulou MP, Paccou J. Risk and management of osteoporosis due to inhaled, epidural, intra-articular or topical glucocorticoids. Joint Bone Spine. 2023;90(6):105604.
24. Compston J. Management of glucocorticoid-induced osteoporosis. Nat Rev Rheumatol. 2010;6(2):82-8.
25. Aeberli D, Oertle S. Glucokortikoid-induzierte Osteoporose: Pathogenese und Therapie. Schweiz Med Forum. 2013;13(40):789–93.
26. Buttgereit F, Palmowski A, Bond M, Adami G, Dejaco C. Osteoporosis and fracture risk are multifactorial in patients with inflammatory rheumatic diseases. Nat Rev Rheumatol. 2024;20(7):417-31.
27. Schett G, Kiechl S, Weger S, Pederiva A, Mayr A, Petrangeli M, et al. High-Sensitivity C-Reactive Protein and Risk of Nontraumatic Fractures in the Bruneck Study. Archives of internal medicine. 2006;166(22):2495-501.
28. Bundesamt für Gesundheit. Analysenliste per 1. Januar 2025 (Internet). (abgerufen am 31. Dezember 2024). Verfügbar unter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/versicherungen/krankenversicherung/krankenversicherung-leistungen-tarife/Analysenliste.html
29. Kanis JA, Johansson H, Oden A, McCloskey EV. Guidance for the adjustment of FRAX according to the dose of glucocorticoids. Osteoporosis international : a journal established as result of cooperation between the European Foundation for Osteoporosis and the National Osteoporosis Foundation of the USA. 2011;22(3):809-16.
30. Bundesamt für Gesundheit. Krankenpflege-Leistungsverordnung Anhang 1 per 1.1.2025 (Internet). (abgerufen am 31. Dezember 2024). Verfügbar unter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/versicherungen/krankenversicherung/krankenversicherung-leistungen-tarife/Aerztliche-Leistungen-in-der-Krankenversicherung/anhang1klv.html
31. Liu ZM, Zhang M, Zong Y, Zhang D, Shen ZB, Guan XQ, et al. The efficiency and safety of alendronate versus teriparatide for treatment glucocorticoid-induced osteoporosis: A meta-analysis and systematic review of randomized controlled trials. PloS one. 2022;17(5):e0267706.
32. Sanders KM, Stuart AL, Williamson EJ, Simpson JA, Kotowicz MA, Young D, et al. Annual High-Dose Oral Vitamin D and Falls and Fractures in Older Women A Randomized Controlled Trial. JAMA. 2010;303(18):1815-22.
33. EFSA NDA Panel (EFSA Panel on Dietetic Products NaA. Scientific Opinion on Dietary Reference Values for calcium. EFSA Journal. 2015;13(5):4101.
34. Black DM, Delmas PD, Eastell R, Reid IR, Boonen S, Cauley JA, et al. Once-Yearly Zoledronic Acid for Treatment of Postmenopausal Osteoporosis. The New England journal of medicine. 2007;356(18):1809-22.
35. Bundesamt für Gesundheit. Spezialitätenliste (Internet). (abgerufen am 31. Dezember 2024). Verfügbar unter: www.spezialitätenliste.ch
36. Chakrabarti K, McCune WJ. Glucocorticoid-induced osteoporosis in premenopausal women: management for the rheumatologist. Curr Opin Rheumatol. 2023;35(3):161-9.

Osteoporosetherapie – Update 2025, Teil 2: Sequenzielle Osteoporosetherapie

Einführung

Durch die Verfügbarkeit verschiedener, durch unterschiedliche Wirkmechanismen gekennzeichnete Präparate zur Osteoporosetherapie haben sich die Behandlungsstrategien in den letzten Jahren wesentlich verändert. Aufgrund potenzieller Behandlungsrisiken unter langjähriger Monotherapie und der Tatsache, dass die bei Patientinnen mit hohem Frakturrisiko eingesetzten osteoanabolen Therapien zeitlich limitiert sind (12–24 Monate), kommen heute vermehrt sequenzielle Therapiestrategien zum Einsatz.

Um die möglichen Auswirkungen bestimmter Behandlungssequenzen zu verstehen (Tab. 1 und Tab. 2), ist es entscheidend, die Folgen des Absetzens von Medikamenten zu vergleichen. Bedingt durch deren hohe Knochenaffinität und damit einhergehenden residuellen Wirkung kann nach Absetzen von Bisphosphonaten der antiresorptive Behandlungseffekt (inkl. der Frakturrisikoreduktion) zumindest über einige Jahre bestehen bleiben (1, 2). Im Gegensatz dazu führt ein Absetzen von Denosumab, welches als monoklonaler Antikörper für die Dauer der Behandlung wirksam bleibt, zu einem raschen Wirkverlust bzw. zu einer raschen Stimulation der Osteoklasten-vermittelten Knochenresorption (3). Dieses sog. Rebound-Phänomen geht mit einem akzelerierten Knochenmassenverlust einher und kann zum Auftreten multipler vertebraler Frakturen führen (4–6).

Nach Absetzen knochenanaboler Therapien geht der neu gewonnene Knochen (v.a. Osteoid) ohne eine Folgetherapie durch Ausbleiben einer genügenden Mineralisation wieder verloren. Um eine sekundäre Mineralisation zu fördern, ist daher eine sequenzielle antiresorptive Behandlung notwendig (7).

Im vorangegangenen Artikel haben wir die Wirkmechanismen und die klinische Wirksamkeit antiresorptiv und osteoanabol wirkender Präparate zusammengefasst. In diesem Übersichtsartikel soll auf den Stellenwert der verschiedenen Behandlungssequenzen in der Osteoporosetherapie eingegangen werden.

Sequenzieller Einsatz von antiresorptiven Präparaten nach antiresorptiver Therapie

Unter fortgesetzter Behandlung mit Östrogenen kann ein knochenerhaltender und frakturreduzierender Effekt beobachtet werden. Werden Östrogene abgesetzt, nimmt der Knochenumsatz zu, die Knochendichte sinkt, und der Frakturschutz nimmt ab. Ist ein antiresorptiver Effekt weiterhin notwendig, können Patientinnen entweder auf Raloxifen oder Bisphosphonate umgestellt werden. Wie eingehend erläutert, stellt Raloxifen ein ideales Präparat zur Verhinderung des Mineralgehaltsverlustes insbesondere bei jüngeren postmenopausalen Frauen mit einem familiären Mammakarzinomrisiko dar (8). Es bleibt zu beachten, dass gemäss Studienlage Raloxifen v.a. das vertebrale Frakturrisiko senkt. Ist eine sequenzielle Therapie bei Frauen über 60 Jahren notwendig, insbesondere wenn auch nicht vertebrale Frakturen verhindert werden sollen, ist eine antiresorptive Behandlung mit einem Bisphosphonat (Alendronat, Zoledronat) zu favorisieren.

Innerhalb der Gruppe der Antiresorptiva ist ein Wechsel von einem oralen auf ein intravenöses Bisphosphonat indiziert, wenn die orale Therapie nicht toleriert wird oder wenn die Adhärenz oder intestinale Absorption ungenügend ist (9, 10). Dies kann u.a. mit der Bestimmung der Knochenumbauparameter im Serum (CTX oder P1NP) eruiert werden. Wenn mit oralen oder parenteralen Bisphosphonaten eine Therapiedauer von 5–6 Jahren erreicht ist, kann bei Personen mit mässig erhöhtem Frakturrisiko eine Therapiepause («drug holiday») erwogen werden, da dann keine weitere Zunahme der Knochendichte bzw. keine zusätzliche Frakturreduktion erwartet werden kann.

Ausserdem führen Bisphosphonate in der Langzeitanwendung (> 5–7 Jahre) zu seltenen, aber schweren Nebenwirkungen wie atypischen Femurfrakturen (11, 12). Bei Personen mit hohem Frakturrisiko sollte die Therapie weitergeführt oder ein Wechsel auf eine osteoanabole Therapie bzw. auf Denosumab erwogen werden.

Nach Denosumab ist zwingend eine sequenzielle Bisphosphonattherapie angezeigt. Aufgrund der reversiblen Wirkung und des oben erwähnten Rebound-Effektes sollte Denosumab nicht ohne Nachbehandlung abgesetzt werden. Zur Verhinderung oder zumindest Abschwächung dieses Rebounds nach Absetzen von Denosumab wird der Einsatz von Bisphosphonaten empfohlen, und Zoledronat (erste Infusion 6 Monate nach der letzten Denosumab-Spritze) ist aktuell das am besten untersuchte Medikament in dieser Situation (6, 13). Möglicherweise kann auch Alendronat als Anschlusstherapie verwendet werden, sofern die Adhärenz gegeben ist. In diesem Fall empfehlen wir den Beginn bereits 5 Monate nach der letzten Denosumab-Injektion. Es gelingt nicht bei allen Personen mit Denosumab, diesen Rebound mit einer einzelnen Zoledronat-Infusion zu verhindern. Insbesondere bei einer Langzeitbehandlung von über 3 Jahren wird nach Absetzen von Denosumab und Umstellung auf eine Bisphosphonattherapie ein erhöhtes Risiko für einen Knochendichteverlust und, wenn auch seltener, für Wirbelfrakturen beobachtet (14, 15). Im klinischen Alltag versucht man, mit dreimonatlicher Bestimmung der Knochenumbauparameter (CTX oder P1NP) den Rebound frühzeitig zu erkennen und diesem mit allenfalls mehreren Zoledronat-Infusionen innerhalb eines Jahres entgegenzuwirken (14, 16). Bei betagten Personen oder bei denjenigen, bei denen eine Umstellung auf eine Bisphosphonattherapie nicht möglich ist (z.B. schwere Niereninsuffizienz), kann Denosumab bis ans Lebensende eingesetzt werden, wobei auf eine strikte Therapieadhärenz geachtet werden muss.

Sequenzieller Einsatz von anti­resorptiven Präparaten nach osteoanaboler Therapie

Wie vorangehend erwähnte «head-to-head»-Studien bei Patienten mit hohem Frakturrisiko zeigen, reduzieren osteoanabole Präparate (VERO, Teriparatid; ARCH, Romosozumab) das Risiko vertebraler und z.T. nicht vertebraler Frakturen stärker als Risedronat bzw. Alendronat (17, 18). Entsprechend sollten osteoanabol wirkende Medikamente als Erstlinientherapie bei Patienten mit sehr hohem Risiko eingesetzt werden (19). Einschränkend ist festzuhalten, dass in der Schweiz Teriparatid nur als Zweitlinientherapie bei Patienten mit inzidenten Wirbelkörperfrakturen unter mindestens 6-monatiger antiresorptiver Vortherapie kassenpflichtig ist. Eine Erstlinienbehandlung mit Teriparatid wird bei klinischer Begründung im Einzelfall jedoch ebenfalls vergütet. Im Gegensatz dazu ist Romosozumab in der Schweiz bei Patientinnen mit imminentem bzw. sehr hohem Frakturrisiko zur Erstlinienbehandlung zugelassen.

Weil osteoanabole Präparate entsprechend der Limitatio in der Regel nur für 12 bis 24 Monate eingesetzt werden und das Potenzial osteoanaboler Medikamente auf den Mineralgehaltsgewinn und die Frakturrisikoreduktion mit einer anschliessenden antiresorptiven Therapie aufrechterhalten werden kann, gehören antiresorptive Folgetherapien (Bisphosphonate, Denosumab) zum integralen Behandlungskonzept bei osteoanabol vorbehandelten Patienten. Beispielsweise konnten Black et al. den Nutzen einer sequenziellen Alendronat-Therapie nach vorangegangener Parathormontherapie aufzeigen: Während der Mineralgehalt nach Umstellung einer 12-monatigen Behandlung mit Parathormon auf Placebo abnahm, konnte dieser Verlust durch eine Folgetherapie mit Alendronat verhindert werden bzw. der Mineralgehalt über die folgenden 12 Monate noch weiter verbessert werden (20). In ähnlicher Weise zeigte sich in der DATA-Switch-Studie ein günstiger mineralgehaltsaufbauender Effekt einer Folgetherapie mit Denosumab nach vorangegangener 24-monatiger Therapie mit Teriparatid (21).

In der FRAME-Studie, in der postmenopausale Frauen mit fortgeschrittener Osteoporose ein Jahr lang Romosozumab und dann ein weiteres Jahr Denosumab erhielten, war das vertebrale und nicht vertebrale Frakturrisiko gegenüber Placebo reduziert. Die Reduzierung des Frakturrisikos wurde während des zweiten Folgejahres mit Denosumab nachhaltig fortgesetzt (22). Die Folgetherapie mit dem antiresorptiv wirkenden Denosumab verhinderte den zu erwartenden Mineralgehaltsverlust, was auch in einer anderen Studie mit einer Bisphosphonatsequenztherapie (Zoledronat) gezeigt werden konnte (23). In der ARCH-Studie wurde dieser nachhaltige Effekt auch auf die Reduktion des Frakturrisikos in Patientinnen, welche nach einer Behandlung mit Romosozumab eine Folgetherapie mit Alendronat erhielten, bestätigt (18).

Sequenzieller Einsatz von osteoanabolen Präparaten nach antiresorptiver Therapie

Die meisten Studien, welche die Wirkung von osteoanabolen Präparaten nach vorangegangener antiresorptiver Therapie untersucht haben, sind durch kleine Untersuchungsgruppen und Bestimmung des Mineralgehaltsverlaufes ohne Frakturdaten charakterisiert.

Im klinischen Alltag ist dies eine nicht seltene Konstellation, beispielsweise wenn Patientinnen unter einer Bisphosphonattherapie neue Frakturen erleiden. Im Falle inzidenter vertebraler Frakturen entspricht diese Konstellation in der Schweiz einer Zweitlinientherapie mit Teriparatid.

Interessanterweise ist die Wirkung von osteoanabolen Medikamenten von den spezifischen Eigenschaften des zuvor verwendeten antiresorptiv wirkenden Medikamentes abhängig. Bei Patientinnen, die mit Raloxifen (24) oder Risedronat (25) vorbehandelt wurden, führte Teriparatid zu einem Mineralgehaltsanstieg, der mit dem für therapienaive Patienten vergleichbar war. Im Gegensatz dazu war eine Vorbehandlung mit Alendronat mit einem geringeren Anstieg der Knochendichte assoziiert (26). Gemäss der DATA-Switch-Studie kam es bei Patienten, welche im Gegensatz dazu mit Denosumab vorbehandelt waren, unter der nachfolgenden Sequenztherapie mit Teriparatid zu einem vorübergehenden Mineralgehaltsverlust, vorwiegend am Schenkelhals (21).

Ebenfalls scheint eine Vorbehandlung mit antiresorptiv wirkenden Präparaten den Effekt von Romosozumab abzuschwächen. Verglichen zu therapienaiven Patienten führte eine Vorbehandlung mit Alendronat oder Denosumab bei postmenopausalen Frauen mit Osteoporose zu einem geringeren Mineralgehaltsanstieg unter Romosozumab (27, 28).

Dennoch kann gefolgert werden, dass für Hochrisikopatienten, die unter einer antiresorptiven Therapie eine vertebrale oder nicht vertebrale Fraktur erleiden oder eine anhaltend niedrige Knochendichte aufweisen, die Umstellung auf Romosozumab zu einer Verbesserung der skelettalen Widerstandskraft führt, was für eine Folgetherapie mit Teriparatid nicht vollumfänglich gezeigt ist.

Kombinationstherapien

Studien zur Untersuchung der Wirkung einer kombinierten Behandlung mit antiresorptiv und osteoanabol wirkenden Präparaten haben inkonklusive Resultate ergeben. Beispielsweise konnte in der Behandlung von rhPTH(1–84) in Kombination mit Alendronat kein stärkerer Effekt auf den Knochenmineralgehalt beobachtet werden als mit den entsprechenden Monotherapien (20).

Im Gegensatz dazu führte bei Frauen mit postmenopausaler Osteoporose eine Kombinationsbehandlung von Zoledronat und Teriparatid zu einem grösseren und rascheren Mineralgehaltszuwachs als die jeweiligen Monotherapien, wenn sowohl die Wirbelsäule als auch die Hüfte berücksichtigt wurde (29). Leder et al. konnten in einer randomisierten Studie den superioren Effekt einer Kombinationsbehandlung von Teriparatid mit Denosumab bei postmenopausalen Frauen mit hohem Frakturrisiko nachweisen. Der Mineralgehaltsgewinn nach einer 12-monatigen Behandlung war stärker als die jeweilige Therapie mit Teriparatid bzw. Denosumab (30).

Es bleibt aber festzuhalten, dass die genannten Studien den Knochenmineralgehalt als Surrogatmarker der Knochenwiderstandsfähigkeit untersucht haben. Studien zur Beurteilung der Wirksamkeit einer kombinierten antiresorptiven und osteoanabolen Therapie auf das Frakturrisiko liegen nicht vor (31). Entsprechend ist der Einsatz einer Kombinationsbehandlung im Sinne einer Einzelfallentscheidung für Patienten mit sehr hohem Frakturrisiko reserviert.

Prof. Dr. med. Christian Meier

Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Metabolismus
Universitätsspital Basel
Endonet Praxis und Osteologisches Universitätsforschungszentrum DVO
Aeschenvorstadt 57
4051 Basel

christian.meier@unibas.ch

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

1. Reid IR, Horne AM, Mihov B, Bava U, Stewart A, Gamble GD. Duration of fracture prevention after zoledronate treatment in women with osteopenia: observational follow-up of a 6-year randomised controlled trial to 10 years. The lancet Diabetes & endocrinology. 2024;12(4):247-56.
2. Dennison EM, Cooper C, Kanis JA, Bruyere O, Silverman S, McCloskey E, et al. Fracture risk following intermission of osteoporosis therapy. Osteoporos Int. 2019;30(9):1733-43.
3. Ferrari S, Langdahl B. Mechanisms underlying the long-term and withdrawal effects of denosumab therapy on bone. Nat Rev Rheumatol. 2023;19(5):307-17.
4. Burckhardt P, Faouzi M, Buclin T, Lamy O, The Swiss Denosumab Study G. Fractures After Denosumab Discontinuation: A Retrospective Study of 797 Cases. J Bone Miner Res. 2021;36(9):1717-28.
5. Cummings SR, Ferrari S, Eastell R, Gilchrist N, Jensen JB, McClung M, et al. Vertebral Fractures After Discontinuation of Denosumab: A Post Hoc Analysis of the Randomized Placebo-Controlled FREEDOM Trial and Its Extension. J Bone Miner Res. 2018;33(2):190-8.
6. Anastasilakis AD, Papapoulos SE, Polyzos SA, Appelman-Dijkstra NM, Makras P. Zoledronate for the Prevention of Bone Loss in Women Discontinuing Denosumab Treatment. A Prospective 2-Year Clinical Trial. J Bone Miner Res. 2019;34(12):2220-8.
7. Meier C, Uebelhart B, Aubry-Rozier B, Birkhaeuser M, Bischoff-Ferrari H, Frey D, et al. Osteoporosis drug treatment: duration and management after discontinuation Swiss Med Wkly. 2017;in press.
8. Cosman F, Langdahl B, Leder BZ. Treatment Sequence for Osteoporosis. Endocr Pract. 2024;30(5):490-6.
9. Hamel ME, Sebaldt RJ, Siminoski K, Adachi JD, Papadimitropoulos E, Petrie A, et al. Influence of fracture history and bone mineral density testing on the treatment of osteoporosis in two non-academic community centers. Osteoporos Int. 2005;16(2):208-15.
10. Dempster DW, Zhou H, Recker RR, Brown JP, Recknor CP, Lewiecki EM, et al. Differential Effects of Teriparatide and Denosumab on Intact PTH and Bone Formation Indices: AVA Osteoporosis Study. J Clin Endocrinol Metab. 2016;101(4):1353-63.
11. Black DM, Eastell R, Adams AL. Atypical Femur Fracture Risk versus Fragility Fracture Prevention with Bisphosphonates. Reply. N Engl J Med. 2020;383(22):2189-90.
12. Bauer DC, Black DM, Dell R, Fan B, Smith CD, Ernst MT, et al. Bisphosphonate Use and Risk of Atypical Femoral Fractures: A Danish Case Cohort Study with Blinded Radiographic Review. J Clin Endocrinol Metab. 2024.
13. Everts-Graber J, Reichenbach S, Ziswiler HR, Studer U, Lehmann T. A Single Infusion of Zoledronate in Postmenopausal Women Following Denosumab Discontinuation Results in Partial Conservation of Bone Mass Gains. J Bone Miner Res. 2020;35(7):1207-15.
14. Solling AS, Harslof T, Langdahl B. Treatment with Zoledronate Subsequent to Denosumab in Osteoporosis: a Randomized Trial. J Bone Miner Res. 2020;35(10):1858-70.
15. Cosman F, Huang S, McDermott M, Cummings SR. Multiple Vertebral Fractures After Denosumab Discontinuation: FREEDOM and FREEDOM Extension Trials Additional Post Hoc Analyses. J Bone Miner Res. 2022;37(11):2112-20.
16. Tsourdi E, Zillikens MC, Meier C, Body JJ, Gonzalez Rodriguez E, Anastasilakis AD, et al. Fracture risk and management of discontinuation of denosumab therapy: a systematic review and position statement by ECTS. J Clin Endocrinol Metab. 2020.
17. Kendler DL, Marin F, Zerbini CAF, Russo LA, Greenspan SL, Zikan V, et al. Effects of teriparatide and risedronate on new fractures in post-menopausal women with severe osteoporosis (VERO): a multicentre, double-blind, double-dummy, randomised controlled trial. Lancet. 2018;391(10117):230-40.
18. Saag KG, Petersen J, Brandi ML, Karaplis AC, Lorentzon M, Thomas T, et al. Romosozumab or Alendronate for Fracture Prevention in Women with Osteoporosis. N Engl J Med. 2017;377(15):1417-27.
19. Ferrari S, Lippuner K, Lamy O, Meier C. 2020 recommendations for osteoporosis treatment according to fracture risk from the Swiss Association against Osteoporosis (SVGO). Swiss Med Wkly. 2020;150:w20352.
20. Black DM, Greenspan SL, Ensrud KE, Palermo L, McGowan JA, Lang TF, et al. The effects of parathyroid hormone and alendronate alone or in combination in postmenopausal osteoporosis. N Engl J Med. 2003;349(13):1207-15.
21. Leder BZ, Tsai JN, Uihlein AV, Wallace PM, Lee H, Neer RM, et al. Denosumab and teriparatide transitions in postmenopausal osteoporosis (the DATA-Switch study): extension of a randomised controlled trial. Lancet. 2015;386(9999):1147-55.
22. Lewiecki EM, Dinavahi RV, Lazaretti-Castro M, Ebeling PR, Adachi JD, Miyauchi A, et al. One Year of Romosozumab Followed by Two Years of Denosumab Maintains Fracture Risk Reductions: Results of the FRAME Extension Study. J Bone Miner Res. 2019;34(3):419-28.
23. McClung MR, Bolognese MA, Brown JP, Reginster JY, Langdahl BL, Maddox J, et al. A single dose of zoledronate preserves bone mineral density for up to 2 years after a second course of romosozumab. Osteoporos Int. 2020;31(11):2231-41.
24. Ettinger B, San Martin J, Crans G, Pavo I. Differential effects of teriparatide on BMD after treatment with raloxifene or alendronate. J Bone Miner Res. 2004;19(5):745-51.
25. Boonen S, Marin F, Obermayer-Pietsch B, Simoes ME, Barker C, Glass EV, et al. Effects of previous antiresorptive therapy on the bone mineral density response to two years of teriparatide treatment in postmenopausal women with osteoporosis. J Clin Endocrinol Metab. 2008;93(3):852-60.
26. Miller PD, Delmas PD, Lindsay R, Watts NB, Luckey M, Adachi J, et al. Early Responsiveness of Women with Osteoporosis to Teriparatide Following Therapy with Alendronate or Risedronate. J Clin Endocrinol Metab. 2008.
27. Ebina K, Hirao M, Tsuboi H, Nagayama Y, Kashii M, Kaneshiro S, et al. Effects of prior osteoporosis treatment on early treatment response of romosozumab in patients with postmenopausal osteoporosis. Bone. 2020;140:115574.
28. Cosman F, Kendler DL, Langdahl BL, Leder BZ, Lewiecki EM, Miyauchi A, et al. Romosozumab and antiresorptive treatment: the importance of treatment sequence. Osteoporos Int. 2022;33(6):1243-56.
29. Cosman F, Eriksen EF, Recknor C, Miller PD, Guanabens N, Kasperk C, et al. Effects of intravenous zoledronic acid plus subcutaneous teriparatide [rhPTH(1-34)] in postmenopausal osteoporosis. J Bone Miner Res. 2011;26(3):503-11.
30. Tsai JN, Uihlein AV, Lee H, Kumbhani R, Siwila-Sackman E, McKay EA, et al. Teriparatide and denosumab, alone or combined, in women with postmenopausal osteoporosis: the DATA study randomised trial. Lancet. 2013;382(9886):50-6.
31. Foessl I, Dimai HP, Obermayer-Pietsch B. Long-term and sequential treatment for osteoporosis. Nat Rev Endocrinol. 2023;19(9):520-33.