Alzheimer-Krankheit – Systembereitschaft im Kontext neuer Entwicklungen

Eine mögliche Zulassung neuer monoklonaler Antikörpertherapien für die Alzheimer-Krankheit stellt die Gesundheitssysteme weltweit vor Herausforderungen. In der vorliegenden Arbeit werden durch den Verein Swiss Memory Clinics (SMC) eine Analyse der vorhandenen Ressourcen vorgenommen und mögliche Versorgungsengpässe identifiziert. Die Bewältigung möglicher Kapazitätsengpässe stellt eine Herausforderung dar, die Massnahmen auf verschiedenen Ebenen erfordert. Unsere Analyse zeigt aber auch auf, dass wir in der Schweiz über gute Voraussetzungen verfügen, neue Entwicklungen in die bestehenden Versorgungsstrukturen zu integrieren.

Schlüsselwörter: Alzheimer-Krankeit, Demenz, Therapie, Versorgung

Hintergrund

Aktuell leben rund 156 900 Menschen mit Demenz in der Schweiz, im Jahr 2050 werden dies voraussichtlich 315 000 Menschen sein. Jährlich kommt es zu 33 800 neu dia­gnostizierten Demenzen (1). SMC engagiert sich seit seiner Gründung am 20. Mai 2008 schweizweit für eine qualitativ hochstehende und breit verfügbare Diagnose- und Behandlungsqualität neurokognitiver Störungen – insbesondere der verschiedenen Demenzformen (2, 3, 4, 5).

Anti-Amyloid-Therapien (AAT) sind in der Schweiz bisher nicht zugelassen. Zwei Phase-3-Studien mit den monoklonalen Antikörpern Lecanemab (6) und Donanemab (7) haben bei der Behandlung der leichten kognitiven Störung (MCI) und der leichten Demenz bei Alzheimer-Krankheit (AK) über einen Zeitraum von 18 Monaten signifikante positive Ergebnisse in allen klinischen und paraklinischen (bspw. Lebensqualität) Endpunkten zeigen können. Die Medikamente werden bereits in einigen Ländern (z.B. USA, Japan, China) eingesetzt. Die Australische Zulassungsbehörde hat sich gegen eine Zulassung von Lecanemab ausgesprochen. In Grossbritannien hat sich die Zulassungsbehörde unter Ausschluss der Personen mit dem höchsten Risiko für Nebenwirkungen für eine Zulassung ausgesprochen, aber das National Institute for Health and Care Excellence hat sich aus medizinisch-ökonomischen Gründen gegen eine Kostenübernahme durch den National Health Service ausgesprochen. Auch die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hat sich schliesslich nach einem Reevaluationsverfahren am 14.11.2024 unter Ausschluss der Personen mit dem höchsten Risiko für Nebenwirkungen für eine Zulassung von Lecanemab ausgesprochen. In der Schweiz durchlaufen die Präparate aktuell das Zulassungsverfahren bei Swissmedic.

Die AAT erfordern bezüglich Diagnostik, Applikation der Therapien und Monitoring zahlreiche Ressourcen des Gesundheitssystems. Eine Analyse von Hlavka et al. in sechs europäischen Ländern zeigt auf, dass Kapazitätsengpässe dazu führen könnten, dass über eine Million Patientinnen und Patienten mit einer leichten kognitiven Störung aufgrund einer Alzheimer-Krankheit in das Stadium einer Demenz fortschreiten könnten, während sie auf einer Warteliste für eine spezialisierte Behandlung stehen (8). Diese Zahl fällt allerdings deutlich zu hoch aus, da wir mittlerweile wissen, dass nur eine Minderheit der infrage kommenden Population für die AAT geeignet ist (siehe unten).
Im Folgenden möchten wir ausführen, wie gut nach unserer Einschätzung das Schweizer Gesundheitssystem die Einführung einer solchen Therapie bewerkstelligen könnte.

Überblick Swiss Memory Clinics (SMC)

Die im Folgenden aufgeführten Angaben beruhen mehrheitlich auf einer Mitgliederumfrage des Vereins SMC zwecks Erfassung struktureller und prozeduraler Merkmale der interdisziplinären Behandlung.

Hausärztinnen und Hausärzte sind häufig die erste Anlaufstelle für die Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen und funktionieren als Hauptzuweisende für die Diagnostik und Therapie in den Memory Clinics (MC). Die Abläufe dieser Zusammenarbeit wurden im Rahmen der SMC Diagnostikempfehlungen im Sinne einer «Case finding»-Strategie beschrieben (3, 4).

Die Schweiz hat mit ca. 5.44 MCs pro 1 000 000 Einwohner eine im internationalen Vergleich hohe Dichte an spezialisierten interdisziplinären Versorgungseinheiten. Hinzu kommen Angebote ausserhalb des SMC-Netzwerks.

Die folgende Tab. 1 orientiert über die Entwicklung innerhalb des SMC-Netzwerks von 2018 bis 2023. Es lässt sich eine klare Zunahme der Anzahl an MC sowie der Personalressourcen pro MC festhalten bei allerdings gleichzeitig ansteigenden Wartezeiten.

Verfügbarkeit Diagnostik
Der Zugang zur Diagnostik ist insgesamt sehr gut. Neuropsychologische Untersuchungen pro MC und pro Jahr werden in 83 % aller Fälle durchgeführt. Alle MC haben innerhalb ihrer Institution oder über Kooperationen Zugang zu Laboruntersuchungen, MRI, FDG-PET, Liquordiagnostik und EEG, 89 % auch zu Amyloid-PET.

Diagnoseverteilung
Die Verteilung der Diagnosen im Jahr 2023 wird in der Abbildung 1 dargestellt. Die Angaben basieren auf Schätzungen. In 65 % aller Fälle wird eine AK festgestellt. In 39 % der Fälle werden die Diagnosen MCI oder leichte Demenz bei AK gestellt.

Potenzielle Versorgungslücke im Kontext von AAT

Trotz der relativ hoch entwickelten Schweizer Infrastruktur im Hinblick auf die Versorgung von Demenzbetroffenen stellt sich die Frage, inwieweit durch die Zulassung einer AAT eine Versorgungslücke entstehen könnte. Hier gibt es noch einige Unbekannte, beispielsweise liegen noch wenige Daten zu klinischen Langzeiteffekten und zur Sicherheit bei längerer Anwendung vor. Dennoch ist bereits jetzt eine Einschätzung erforderlich, um abzuschätzen, ob die Schweiz in der Lage sein wird, diese Behandlungen zeitgerecht bereitzustellen.

Diagnostik
In der Schweiz wird von einer jährlichen Inzidenzrate von 32 900 Demenzerkrankungen ausgegangen. In den MC werden ca. 15 000 Fälle pro Jahr abgeklärt. Im Falle zunehmender Zuweisungen zur Frühdiagnostik im Kontext der neuen Therapiemöglichkeiten gehen die MC davon aus, dass durch Effizienzsteigerung und Ausbau der Angebote schätzungsweise 3000 zusätzliche Abklärungen schweizweit pro Jahr durchgeführt werden könnten.
Eine graduelle Erhöhung der Nachfrage an MC-Abklärungen auf 20 000 bis 25 000 pro Jahr (60–75 % der Jahresinzidenz) ist ein realistisches Szenario, was zunächst zu längeren Wartezeiten bis zur Erstabklärung führen könnte.

Therapie
Erste Daten aus der Versorgung zeigen, dass angesichts der aktuellen Anwendungsempfehlungen zum Einsatz der neuen Substanzen in einer AK-Population in den MC je nach angewandten Ein- und Ausschlusskriterien möglicherweise nur ca. 8 bis 17 % der Fälle für eine AAT infrage kommen (9, 10, 11). Für die MC in der Schweiz würde das aktuell bei einer Population mit beginnender AK von ca. 5850 Fällen (39 % der 15 000 MC-Fälle) näherungsweise 468 bis 995 potenzielle neue AAT-Patientinnen und -Patienten pro Jahr bedeuten. Diese Zahl könnte in der Folge zunehmender Frühdiagnostik im Verlauf ansteigen (siehe oben). Wie viele hiervon sich dann tatsächlich für eine Therapie entscheiden, kann gegenwärtig noch nicht abgeschätzt werden und wird stark von den Nutzen-Risiko-Bewertungen der Patientinnen und Patienten abhängen. Es ist wahrscheinlich, dass sich nur ein Bruchteil der infrage kommenden Patientinnen und Patienten auf eine AAT einlassen würde.

Ressourcen für die Durchführung von Infusionstherapien sind derzeit bei Weitem nicht in allen MC verfügbar. Inwiefern die Möglichkeit eines Aufbaus von Therapieplätzen in den MC-Netzwerken besteht, ist in 65 % noch unklar. In 32 % der MC werden 15 wöchentliche Therapieplätze direkt oder indirekt als verfügbar angezeigt, was einer durchschnittlichen Kapazität von ca. 180 Infusionstherapien pro Woche entspricht. Das ergibt in Abhängigkeit der Applikationsfrequenz eine Kapazität von jährlich 360 bis 720 AAT-Patientinnen und -Patienten. Die Infusionskapazität im MC-Netzwerk würde sich im Verlauf durch organisatorische Massnahmen und gezielte Kooperationen voraussichtlich erhöhen lassen. Darüber hinaus könnten zeitlich limitierte Anwendungen sowie sich in Entwicklung befindende subkutane Applikationsformen die Situation entlasten.

Überblick
Der antizipierte steigende Ressourcenbedarf für spezialisierte Abklärungen im Falle einer Zulassung neuer AAT steht im Kontrast zu den Ressourcenengpässen im Bereich Fachpersonal mit tendenziell steigenden Wartezeiten und der limitierten Ausbaukapazität auf ca. 18 000 Abklärungen pro Jahr. Die Schätzungen potenzieller Versorgungslücken betreffend die Kapazitäten für Infusionstherapien sind unsicher und reichen von 0 bis 635. Hier gehen wir aber längerfristig nicht von erheblichen Lücken aus. Der Zugang zur apparativen oder laborchemischen Zusatzdiagnostik scheint in der Schweiz wenig problematisch zu sein. Massnahmen, die zu einer Kompensation fehlender Ressourcen beitragen können, umfassen die Intensivierung der Kooperationen innerhalb und ausserhalb der jeweiligen Institutionen sowie diagnostische und therapeutische Weiterentwicklungen (siehe unten) (Tab. 2).

Massnahmen und Rahmenbedingungen

Aufgrund der notwendigen Fachkenntnisse, die lange Aus- und Weiterbildungszeiten erfordern, sowie dem generellen Fachkräftemangel im Gesundheitswesen erscheint eine rasche personelle Aufstockung zum Ausgleich der Versorgungslücke unrealistisch. Kontinuierliche Verbesserungsprozesse zur Erhöhung der Produktivität der bestehenden Fachkräfte wie Digitalisierung oder Delegation sowie das Eingehen von Kooperationen erscheinen zielführender. Zentral wird es sein, inwiefern eine präzise und effiziente Indikationsstellung bei schlanken Abklärungsprozessen gelingt und die Infusionskapazitäten ausgeweitet werden können. Hierzu sind unter anderem folgende Aspekte zu berücksichtigen:

  • Nutzung neuer Biomarkertechnologien, wie z. B. Blutbiomarker und Augmentation durch künstliche Intelligenz
  • Neue Formen der Zusammenarbeit zwischen der Grundversorgung und den MC
  • Auf- und Ausbau von Infusionskapazitäten durch gezielte Kooperationen
  • Zeitlich limitierte und subkutane Applikationsformen
  • Effizientes Management möglicher Nebenwirkungen durch gezielte Kooperationen

Notwendige Rahmenbedingungen:

  • Zentrale koordinierende Rolle der Demenzexpertinnen und -experten zur Sicherstellung der Behandlungs- und Indikationsqualität sowie hoher Stellenwert der sorgfältigen und patientenzentrierten Aufklärung sowie medizinethischer Aspekte
  • Fachempfehlungen betreffend geeignete Diagnostik und Therapie sowie Erstellung von standardisierten Abläufen (Standard Operation Procedures)
  • Verbesserte Datengrundlagen mittels Förderung der Versorgungsforschung sowie Entwicklung eines Registers
  • Einheitliche Vorgehensweise bezüglich Kostengutspracheprozess für den Zeitraum zwischen einem allfälligen positiven Entscheid der Swissmedic und der Aufnahme auf die Spezialitätenliste

Schlussfolgerungen

Das Schweizer Gesundheitswesen wird nicht ohne Weiteres in der Lage sein, im Falle einer Zulassung einer AAT allen Patientinnen und Patienten innerhalb eines angemessenen Zeitraums den Zugang zu ermöglichen. Wichtige Anpassungen werden erforderlich sein. In Anbetracht unserer Analyse zeigt sich aber auch, dass wir über Strukturen und Massnahmen verfügen, um das Risiko zu minimieren, dass Patientinnen und Patienten ein Fortschreiten der Erkrankung erfahren, während sie auf eine spezialisierte Behandlung warten.

Die Bewältigung möglicher Kapazitätsengpässe stellt eine Herausforderung dar, die Massnahmen auf verschiedenen Ebenen erfordert. Insbesondere mangelnde personelle ­Ressourcen erschweren die Umsetzung des Auf- und Ausbaus weiterer Angebote. Hier sind Politik (national und kantonal), Universitäten, Spitäler/Kliniken, Fachgesellschaften, Weiterbildungsstätten und Führungskräfte gefordert.
Die Autorinnen und Autoren sind der Ansicht, dass im Fall einer Zulassung der Zugang zur AAT allen geeigneten und interessierten Patientinnen und Patienten ermöglicht werden sollte.

Key Messages
• Die (mögliche) Zulassung neuer monoklonaler Antikörpertherapien für die Alzheimer-Krankheit stellt die Gesundheitssysteme vor Herausforderungen, auch in der Schweiz.
• Unsere Analyse zeigt auf, dass wir in der Schweiz über gute Voraussetzungen verfügen, neue Entwicklungen in die bestehenden Versorgungsstrukturen zu integrieren.
• Im Fall einer Zulassung sollte der Zugang zur AAT allen geeigneten und interessierten Patientinnen und Patienten ermöglicht werden.

Abkürzungen
SMC Verein Swiss Memory Clinics
AAT Anti-Amyloid-Therapie
MCI Leichte kognitive Störung
AK Alzheimer-Krankheit
MC Memory Clinics
FTLD Frontotemporale Lobärdegeneration
LBD Lewy Body Disease
SCD Subjective Cognitive Declin


Version française

L’ autorisation éventuelle de nouvelles thérapies à base d’ anticorps monoclonaux pour la maladie d’ Alzheimer pose des défis aux systèmes de santé du monde entier. Dans le présent travail, l’ association Swiss Memory Clinics (SMC) procède à une analyse des ressources disponibles et identifie les éventuels points de tension dans leur déploiement. La gestion d’ éventuelles limitations en matière de capacités représente un défi qui nécessite des mesures à différents niveaux. Notre analyse montre aussi que nous disposons en Suisse de bonnes conditions pour intégrer de nouveaux développements dans les structures de soins existantes.

Mots clés: Maladie d’ Alzheimer, démence, thérapie, soins

Contexte

Actuellement, environ 156 900 personnes vivent avec une démence en Suisse, et ce chiffre devrait atteindre 315 000 personnes en 2050. Chaque année, 33 800 nouvelles démences sont diagnostiquées (1). Depuis sa création le 20 mai 2008, la SMC s’ engage dans toute la Suisse en faveur d’ un diagnostic et d’ un traitement de haute qualité et largement disponible des troubles neurocognitifs – en particulier des différentes formes de démence (2, 3, 4, 5).

Les thérapies anti-amyloïdes (AAT) ne sont pas encore disponibles en Suisse. Deux études de phase 3 avec les anticorps monoclonaux lecanemab (6) et donanemab (7) ont pu montrer des résultats positifs significatifs sur tous les critères d’ évaluation cliniques et paracliniques (p. ex. qualité de vie) dans le traitement des troubles cognitifs légers (MCI) et de la démence légère de la maladie d’ Alzheimer (MA) sur une période de 18 mois. Ces médicaments sont déjà utilisés dans certains pays (par exemple aux États-Unis, au Japon et en Chine). L’ Agence australienne des mèdicaments s’ est prononcée contre l’ autorisation du lecanemab. En Grande-Bretagne, l’ autorité d’ homologation s’ est prononcée en faveur d’ une autorisation en excluant les personnes présentant le plus grand risque d’ effets secondaires, mais le National Institute for Health and Care Excellence s’ est prononcé contre une prise en charge par le National Health Service pour des raisons médico-économiques. L’ Agence européenne des médicaments (EMA) s’ est elle aussi finalement prononcée en faveur d’ une autorisation du lecanemab après une procédure de réévaluation le 14 novembre 2024, en excluant les personnes présentant le plus grand risque d’ effets secondaires. En Suisse, les préparations sont actuellement soumises à la procédure d’ autorisation auprès de Swissmedic.
Les AAT nécessitent de nombreuses ressources du système de santé en ce qui concerne le diagnostic, l’ application des thérapies et le monitoring. Une analyse de Hlavka et al. menée dans six pays européens montre que des limitations au niveau des capacités pourraient conduire à ce que plus d’ un million de patients souffrant de troubles cognitifs légers dus à la MA évoluent vers le stade de la démence, alors qu’ ils sont sur une liste d’ attente pour un traitement spécialisé (8). Ce chiffre est toutefois nettement surestimé, car nous savons désormais que seule une minorité de la population éligible est susceptible de bénéficier de l’ AAT (voir ci-dessous).
Nous aimerions expliquer ci-dessous dans quelle mesure nous estimons que le système de santé suisse pourrait gérer l’ introduction d’ une telle thérapie.

Aperçu des Swiss Memory Clinics (SMC)

Les données présentées ci-après reposent pour la plupart sur une enquête menée par l’ association SMC auprès de ses membres afin de recenser les caractéristiques structurelles et procédurales du traitement interdisciplinaire.

Les médecins de famille sont souvent le premier point de contact pour les patients et leurs proches et fonctionnent comme les principaux référents pour le traitement dans les cliniques de la mémoire (MC). Les processus de cette collaboration ont été décrits dans le cadre des recommandations diagnostiques SMC au sens d’ une stratégie de « case finding » (3, 4).

Avec environ 5.44 MC pour 1 000 000 d’ habitants, la Suisse présente une densité élevée d’ unités de soins interdisciplinaires spécialisées en comparaison internationale. S’ y ajoutent des offres en dehors du réseau SMC.

Le tab. 1 ci-dessous présente l’ évolution au sein du réseau SMC entre 2018 et 2023. On constate une nette augmentation du nombre de MC et des ressources en personnel par MC accompagnée d’ une augmentation des délais d’ attente.

Disponibilité du diagnostic
L’ accès au diagnostic est globalement très bon. Des examens neuropsychologiques par MC et par an sont réalisés dans 83 % des cas. Tous les MC ont accès, au sein de leur institution ou par le biais de coopérations, aux examens de laboratoire, à l’ IRM, au FDG-PET, au diagnostic du LCR et à l’ EEG, 89 % ont également accès au PET amyloïde.

Répartition des diagnostics
La répartition des diagnostics en 2023 est présentée dans la fig. 1. Les données sont basées sur des estimations. Une MA représente 65 % des cas. Dans 39 % la MA est un stade de MCI ou de démence légère.

Manque potentiel de soins dans le contexte de l’ AAT

Malgré l’ infrastructure suisse relativement développée en ce qui concerne les soins aux personnes atteintes de démence, la question se pose de savoir dans quelle mesure l’ autorisation d’ une AAT pourrait entraîner une limite dans la trajectoire des soins. Il y a encore quelques inconnues à ce sujet, par exemple on dispose encore de peu de données sur les effets cliniques à long terme et sur la sécurité en cas d’ utilisation prolongée. Néanmoins, une évaluation est d’ ores et déjà nécessaire pour estimer si la Suisse sera en mesure de fournir ces traitements en temps voulu.

Diagnostic
En Suisse, on estime que le taux d’ incidence annuel des démences est de 32 900. Environ 15 000 cas sont examinés chaque année dans les MC. En cas d’ augmentation des orientations vers le diagnostic précoce dans le contexte des nouvelles possibilités thérapeutiques, les MC estiment que l’ amélioration de l’ efficacité et l’ extension de l’ offre permettraient de réaliser 3000 examens supplémentaires par an dans toute la Suisse.

Une augmentation progressive de la demande de bilans MC jusqu’ à 20 000 à 25 000 par an (60–75 % de l’ incidence annuelle) est un scénario réaliste, ce qui pourrait dans un premier temps avoir une influence négative sur les délais d’ attente jusqu’ au premier bilan.

Traitement
Les premières données issues de la prise en charge montrent que, compte tenu des recommandations actuelles d’ utilisation des nouvelles substances dans une population de MA dans les MC, seuls environ 8 à 17 % des cas pourraient éventuellement être éligibles pour une AAT, selon les critères d’ inclusion et d’ exclusion appliqués (9, 10, 11). Pour les MC en Suisse, cela signifierait actuellement, pour une population initiale de MA d’ environ 5850 cas (39 % des 15 000 cas de MC), approximativement 468 à 995 nouveaux patients éligibles pour une AAT par an. Ce nombre pourrait augmenter au fur et à mesure que le diagnostic précoce se développe (voir ci-dessus). Il n’ est pas encore possible d’ estimer combien d’ entre eux consentiront effectivement pour un traitement et cela dépendra fortement des évaluations du rapport bénéfice/risque des groupes d’ intérêt concernés. Il est probable que seule une fraction des patients éligibles accepterait de suivre une AAT.

Les ressources pour la mise en œuvre de thérapies par perfusion sont loin d’ être disponibles dans toutes les MC. Dans 65 % des cas, on ne sait pas encore dans quelle mesure il est possible d’ implémenter des places de thérapie dans les réseaux MC. Dans 32 % des MC, 15 places de thérapie hebdomadaires sont directement ou indirectement indiquées comme disponibles, ce qui correspond à une capacité moyenne d’ environ 180 thérapies par perfusion par semaine. En fonction de la fréquence d’ application, cela donne une capacité annuelle de 360 à 720 patients AAT. La capacité de perfusion dans le réseau MC pourrait vraisemblablement être augmentée au fil du temps par des mesures organisationnelles et des coopérations ciblées. En outre, une durée de traitement limitée dans le temps ainsi que des formes d’ application sous-cutanées en cours de développement pourraient améliorer la situation.

Aperçu
L’ augmentation anticipée des besoins en ressources pour les examens spécialisés en cas d’ autorisation de nouvelles AAT contraste avec les pénuries de ressources dans le domaine du personnel spécialisé, avec une tendance à l’ augmentation des temps d’ attente et une capacité d’ extension limitée à environ 18 000 de bilans par an. Les estimations des lacunes potentielles en matière de capacités pour les thérapies par perfusion sont incertaines et vont de 0 à 635. Nous ne prévoyons toutefois pas de lacunes importantes à long terme. L’ accès aux diagnostics complémentaires par appareillage ou par chimie de laboratoire semble poser peu de problèmes à la Suisse. Les mesures qui peuvent contribuer à compenser le manque de ressources comprennent l’ intensification des coopérations à l’ intérieur et à l’ extérieur des institutions respectives ainsi que les développements diagnostiques et thérapeutiques (voir ci-dessous, Tab. 2).

Mesures et conditions-cadres

En raison des connaissances spécialisées nécessaires, qui requièrent de longues périodes de formation et de perfectionnement, ainsi que de la pénurie générale de personnel qualifié dans le secteur de la santé, une augmentation rapide du personnel pour compenser le manque de soins semble irréaliste. Des processus d’ amélioration continue visant à augmenter la productivité des professionnels existants, tels que la numérisation ou la délégation, ainsi que la mise en place de coopérations semblent plus appropriés. Il sera essentiel de savoir dans quelle mesure il sera possible de poser des indications précises et efficaces avec des processus d’ évaluation allégés et d’ étendre les capacités de perfusion. Les aspects suivants doivent notamment être pris en compte :

  • Utilisation de nouvelles technologies de biomarqueurs, comme les biomarqueurs sanguins et l’ augmentation par l’ intelligence artificielle.
  • Nouvelles formes de collaboration entre les soins primaires et les MC.
  • Mise en place et développement de capacités de perfusion par des coopérations ciblées.
  • Formes d’ administration limitées dans le temps et par voie sous-cutanée.
  • Gestion efficace des effets secondaires potentiels grâce à des coopérations ciblées.

Conditions cadres nécessaires :

  • Rôle central de coordination des experts en démence pour garantir la qualité du traitement et de l’ indication, et grande importance accordée à une information minutieuse et centrée sur le patient ainsi qu’ aux aspects médico-éthiques.
  • Recommandations professionnelles concernant le diagnostic et le traitement appropriés ainsi que l’ élaboration de procédures opératoires standard.
  • Amélioration des données de base par la promotion de la recherche sur les soins et le développement d’ un registre.
  • Procédure uniforme de garantie de prise en charge des coûts pour la période entre une éventuelle décision positive de Swissmedic et l’ admission sur la liste des spécialités.

Conclusions

Le système de santé suisse ne sera pas facilement en mesure d’ offrir un accès à tous les patients dans un délai raisonnable en cas d’ autorisation d’ une AAT. Des ajustements importants seront nécessaires. Au vu de notre analyse, il apparaît toutefois que nous disposons de structures et de mesures permettant de minimiser le risque que les patientes et les patients connaissent une progression de leur maladie en attendant un traitement spécialisé.
La gestion d’ éventuelles limitations en termes de capacités constitue un défi qui nécessite des mesures à différents niveaux. Le manque de ressources en personnel, notamment, rend difficile la mise en œuvre de la création et de l’ extension d’ autres offres. La politique (nationale et cantonale), les universités, les hôpitaux/cliniques, les sociétés de discipline médicale, les établissements de formation postgraduée et les cadres sont ici sollicités.
Les auteurs sont d’ avis qu’ en cas d’ autorisation, l’ accès à l’ AAT devrait être possible pour tous les patients éligibles et intéressés.

Messages à retenir
• L’ autorisation (éventuelle) de nouvelles thérapies à base d’ anticorps monoclonaux pour la maladie d’ Alzheimer pose des défis aux systèmes de santé, aussi en Suisse.
• Notre analyse montre que nous disposons en Suisse de bonnes conditions pour intégrer de nouveaux développements dans les structures de soins existantes.
• En cas d’ autorisation l’ accès à l’ AAT devrait être possible pour tous les patients éligibles et intéressés.

Abréviations
SMC Association Swiss Memory Clinics
AAT Thérapie anti-amyloïde
MCI Trouble cognitif léger
MA Maladie d’ Alzheimer
MC Memory Clinics
FTLD Dégénérescence lobaire frontotemporale
LBD Démence à corps de Lewy
SCD Déclin cognitif subjectif


Dr. med. Rafael Meyer

Psychiatrische Dienste Aargau AG
Klinik für Konsiliar-, Alters- und Neuropsychiatrie
Husmatt 1
5405 Baden-Dättwil

rafael.meyer@pdag.ch

Prof. Dr. phil. Andreas Monsch

Schweizerische Vereinigung der Neuropsychologinnen und Neuropsychologen (SVNP)

Pr Gilles Allali MD, PhD

Centre Leenaards de la mémoire
Département des neurosciences cliniques,
CHUV et UNIL
Chemin de Mont-Paisible 16
1011 Lausanne

Dr. med. Nadège Barro-Belaygues

Swiss Memory Clinics (SMC)
Schweizerische Fachgesellschaft für Geriatrie (SFGG)

Dr. med. Stefanie Becker

Alzheimer Schweiz

Dr. med. Markus Bürge

Berner Spitalzentrum für Altersmedizin Siloah BESAS

Prof. Dr. med. Giovanni B. Frisoni

Hôpitaux Universitaires de Genève

Dr. med. Dan Georgescu

Klinik für Konsiliar-, Alters- und Neuropsychiatrie
Psychiatrische Dienste Aargau AG
Königsfelderstrasse 1
5210 Windisch

Dr. med. Anton Gietl

Swiss Memory Clinics (SMC)

Prof. Dr. med. Hans H. Jung

Memory Clinic
Klinik für Neurologie
Universitätsspital Zürich

Dr. med. et phil. Aurelien Lathuiliere

Swiss Memory Clinics (SMC)
Schweizerische Neurologische Gesellschaft (SNG)
Hôpitaux Universitaires de Genève

Dr. med. Kathrin Lindheimer

Spital Affoltern

Prof. Dr. med. Karl-Olof Lovblad

Hôpitaux Universitaires de Genève

Dr. med. Tatjana Meyer-Heim

Société Professionnelle Suisse de Gériatrie (SPSG)
Swiss Memory Clinics (SMC)

Prof. Dr. med. Julius Popp

Swiss Memory Clinics (SMC)
Schweizerische Gesellschaft für Alterspsychiatrie (SGAP)

Department of Adult Psychiatry and Psychotherapy
University of Zürich
Lenggstrasse 31
CH-8032 Zürich

DrOlivier Rouaud

Centre Leenaards de la mémoire
Département des neurosciences cliniques,
CHUV et UNIL
Chemin de Mont-Paisible 16
1011 Lausanne

PD Dr. med. Dr. phil. Daniel Sollberger

Erwachsenenpsychiatrie Baselland
Bienentalstrasse 7, 4410 Liestal

daniel.sollberger@pbl.ch

Dr. med. Ansgar Felbecker 

Swiss Memory Clinics (SMC)
Schweizerische Neurologische Gesellschaft (SNG)

Die Autorinnen und Autoren dieser Publikation haben alle relevanten Informationen über mögliche Interessenkonflikte offengelegt. Sollten Sie weitere Informationen wünschen, wenden Sie sich bitte an die Geschäftsstelle unter: info@swissmemoryclinics.ch.

1. https://www.alzheimer-schweiz.ch/fileadmin/dam/Alzheimer_Schweiz/Dokumente/Ueber_Demenz/Zahlen-Fakten/Factsheet_DemenzCH_2024_DE.pdf
2. https://www.swissmemoryclinics.ch/smc-ueber-uns/portraet/
3. Bürge M, Bieri G, Brühlmeier M, Colombo F, et al. Die Empfehlungen der Swiss Memory Clinics für die Diagnostik der Demenzerkrankungen [Recommendations of Swiss Memory Clinics for the Diagnosis of Dementia]. Praxis (Bern 1994). 2018;107(8):435-451
4. Popp J, Meyer-Heim T, Bürge M, Ehrensperger M, et al. Die Empfehlungen der Swiss Memory Clinics für die Diagnostik der Demenzerkrankungen – ein Update. Swiss Memory Clinics, Nationale Plattform Demenz. 2024
5. Klöppel S, Meyer-Heim T, Ehrensperger M, Rüttimann A, et al. Therapieempfehlunwgen Demenz. Swiss Memory Clinics, Nationale Plattform Demenz. 2024
6. Van Dyck CH, Swanson CJ, Aisen P, Bateman RJ, et al. Lecanemab in Early Alzheimer’s Disease. N Engl J Med. 2023;388(1):9-21
7. Sims JR, Zimmer JA, Evans CD, Lu M, et al. Donanemab in Early Symptomatic Alzheimer Disease: The TRAILBLAZER-ALZ 2 Randomized Clinical Trial. JAMA. 2023;330(6):512-527
8. Hlavka JP, Mattke S, Liu JL. Assessing the Preparedness of the Health Care System Infrastructure in Six European Countries for an Alzheimer’s Treatment. Rand Health Q. 2019;8(3):2
9. Pittock RR, Aakre JA, Castillo AM, Ramanan VK, et al. Eligibility for Anti-Amyloid Treatment in a Population-Based Study of Cognitive Aging. Neurology. 2023;101(19):e1837-e1849
10. Chiabotti PS, Rouaud O, Allali G. Reader Response: Eligibility for Anti-Amyloid Treatment in a Population-Based Study of Cognitive Aging. Neurology. 2024;102(9):e209375.
11. Dobson R, Patterson K, Malik R, et al. Eligibility for antiamyloid treatment: preparing for disease-modifying therapies for Alzheimer’s disease. Journal of Neurology, Neurosurgery & Psychiatry. 2024;95:796-803.

Vaccination in adult patients with chronic lung diseases

In Switzerland, additional vaccinations against influenza, COVID-19, Streptococcus pneumoniae and varicella zoster virus (VZV), are recommended for patients with chronic lung diseases such as COPD, asthma or interstitial lung disease, since infectious diseases often lead to exacerbation of lung diseases resulting in increased disease burden and mortality. In this review we give an overview on recommended vaccinations for patients with chronic lung diseases, also including vaccinations against pertussis and RSV, which are recommended in international guidelines. While continuous development of vaccines against S. pneumoniae has given rise to high-valency vaccines covering up to 68% of S. pneumoniae variants in individuals aged ≥65 years, vaccination rates in this age group remain low in Switzerland (<10% in 2020). Vaccination rates are higher for influenza, and particularly high-dose vaccines account for high vaccination efficacy in years of low strain matching in individuals at risk. Although mortality of COVID-19 decreased since the emergence of the first SARS-CoV-2 variant, patients with chronic lung disease are still at increased risk for exacerbation, unless vaccinated with variant-adjusted vaccines. VZV and Bordetella pertussis vaccination has also significantly countered reactivation and infection rates, respectively, and subunit vaccines against VZV show long duration. However, pertussis vaccination is still limited by its fast waning. A glimpse into the future presumes the introduction of new higher-valence vaccinations against S. pneumoniae, and several types of RSV vaccines are expected to enter the Swiss market soon.

Key words: Vaccine efficacy, chronic lung diseases, viral infections, exacerbation prevention

Introduction

Chronic lung diseases present a significant health and economic burden worldwide (1). Exacerbations of chronic lung diseases particularly pose a risk for patients with pulmonary disorders, as they can lead to functional impairment, severe pneumonia, hospitalization, and death (2). For chronic obstructive pulmonary disease (COPD), repeated acute exacerbations may lead to an accelerated decline in lung function, impaired quality of life, disease progression, and higher mortality. Thus, COPD exacerbations account for 50% to 75% of COPD-associated health care costs (3). Patients with immunosuppression and/or lung transplantation, asthma, COPD or interstitial lung disease (ILD) are at increased risk of complicated infections (2, 3). Indeed, a majority of acute exacerbations of chronic lung diseases are caused by infections, particularly viral ones (4, 5). Viral detection rates range from 22-64%, and rhinoviruses are reported to be the most commonly detected viral triggers (up to 60%), followed by influenza (up to 36%) and respiratory syncytial virus (RSV; up to 28%) with other viral infections reported less frequently (parainfluenza, human metapneumovirus [HMPV], coronaviruses, adenoviruses) (3). Bacterial co-infections, which occur in about 6-27% of cases, may prolong hospitalization even further, and lead to more severe impairments of lung function (3, 6). Thus, prevention of infections through vaccination is a key management concept to reduce acute infection-driven exacerbations and associated worsening of chronic lung disease (7). Since influenza and Streptococcus pneumoniae lead to increased hospitalization rates and mortality in patients with chronic lung diseases, current international guidelines, as well as the Swiss vaccination plan, recommend influenza and pneumococcus vaccinations in this patient group (7, 8, 9). Similarly, a vaccination against the Severe Acute Respiratory Syndrome coronavirus 2 (SARS-CoV-2) is recommended for individuals at risk in Switzerland (8, 9). Reflecting the fact that other viral infections such as RSV may also contribute to exacerbations, and show similar or even high-er mortality rates than influenza, the Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) recommends a vaccination with existing RSV vaccines in all patients with COPD (9, 10, 11). Correspondingly, the Federal Office of Public Health (FOPH) has most recently released a recommendation for the RSV vaccination in individuals ≥ 75 years of age and for individuals at high risk of complications, including those with chronic lung disease, above the age of 60 years (12).

This article aims to summarize data on vaccine efficacy (VE) for populations with chronic lung diseases and provides a glimpse into future vaccination options for individuals at risk.

Chronic pulmonary diseases

Chronic obstructive pulmonary disease (COPD)
COPD is the third leading cause of death worldwide, accounting for 3.23 million deaths in 2019 (7, 13). In Switzerland, around 400 000 individuals are affected by COPD (14). It is the 4th most prevalent cause of death in Switzerland, and its incidence is rising (15, 16). COPD affects smokers in particular. However, it can also develop in non-smokers and is characterized by chronic inflammation of lung tissue and loss of lung function, often caused by exacerbations (2). COPD puts a high burden on patients and healthcare systems, with exacerbations causing a decreased quality of life and a negative impact on survival prognosis. In the context of the high burden of COPD, prevention of exacerbation frequently triggered by viral infections is paramount to improve the prognosis of the disease (3).

Asthma
Asthma is a heterogeneous pulmonary inflammation characterized by fluctuating bronchial hyper-responsiveness and variable airflow obstruction. Globally, about 300 million individuals of all ages are affected. This amounts to every 14th person in Switzerland, and incidences are increasing (2, 17). According to the hygiene hypothesis, the increasing prevalence of asthma may be due to a lower incidence of infections and thus less challenges for the immune system (18). However, other theories claim that RSV or rhinovirus infection early in life may also be associated with a higher risk of developing asthma later in life (19, 20).

Interstitial lung disease (ILD)
The term ILD encompasses a wide range of fibrotic and inflammatory lung diseases, the prevalence of which is difficult to estimate due to the lack of standardized definitions (21). Thus, less evidence exists regarding the role of viral infections in the acute exacerbation of fibrotic lung disease (2). However, one report recorded a 30-day inpatient mortality of 20.6% after a viral infection in selected patients with ILD emphasizing the importance of early infection prevention also in this patient population (22). Mortality rates may however vary between different forms of ILD: for example, acute exacerbation of idiopathic pulmonary disease is associated with very high in-hospital mortality (>50%), as opposed to desquamative interstitial pneumonia, which generally comes with a better prognosis (23, 24).

Swiss Vaccination plan for the general population and specific groups

In Switzerland, there are currently 11 recommended basic vaccinations starting in childhood: tetanus, diphtheria, pertussis, poliomyelitis, Haemophilus influenzae type B, hepatitis B, S. pneumoniae, varicella zoster virus (VZV) and the trivalent vaccine against measles, mumps, and rubella. Vaccination against human papilloma virus follows in adolescence. Additional vaccinations in adulthood are recommended against herpes zoster, influenza, and pneumococcus and it is highly encouraged to stay up to date with all vaccinations according to the Swiss vaccination schedule – see link at the end of the article (8).

For at risk groups (incl. elderly and patients with cardiovascular, respiratory or other comorbidities), the Swiss vaccination plan recommends a yearly vaccination against influenza and coronavirus disease 19 (COVID-19) as well as a single dose vaccination against S. pneumoniae and a two-dose vaccination against herpes zoster for individuals aged ≥50 years depending on the classification of the lung disease (8). Indeed, COPD and asthma may be independent risk factors for herpes zoster. Since November 2024, the RSV vaccination is explicitly recommended for individuals aged ≥75 and individuals at high risk aged ≥60, in particular those with chronic lung disease (12).

International guidelines on vaccinations in COPD

The GOLD guidelines, which focus on individuals with COPD, have similar recommendations. However, they do not only emphasize the need for vaccination against influenza, COVID-19, S. pneumoniae, and herpes zoster (in individuals aged ≥50 years), but also RSV vaccination for individuals aged ≥60 years and pertussis vaccination in individuals with chronic lung diseases (9).
In the following chapter, incidences of several important infections in patients with chronic lung diseases as well as evidence for vaccination recommendations in this population will be summarized. Our review is limited to adults.

Pneumococcus vaccination

Streptococcus pneumoniae can cause parenchymal infections in many organs, particularly in the lower respiratory tract, and is a major cause of community-acquired pneumonia (CAP) (25). Exacerbations of COPD in combination with CAP are associated with reduced survival rates and an increased likelihood of subsequent exacerbations (26). Particularly, adults >65 years are affected by invasive pneumococcal disease (IPD) with highly increased incidence in those adults with at risk conditions such as asthma, COPD, and cardiovascular comorbidities. Indeed, two-thirds of pneumococcal disease cases are found in 25% of the population with high-risk and at-risk conditions (25, 27). The reported odds ratios from different cohorts to develop IPD in patients with chronic respiratory diseases range between 1.3 and 4.7 compared to healthy individuals (28). These numbers are concerning, since exacerbations of chronic lung disease with concomitant pneumonia are associated with worse outcomes compared to exacerbations without pneumonia. The length of hospital stay is prolonged (7 vs. 4 days), admission rates to intensive care unit (ICU) are higher (12.5% vs. 7.7%; hazard ratio [HR]: 1.63), there is a higher need for mechanical/non-invasive ventilation (6.9%/9.7% vs. 3.3%/6.7%; HR: 2.10/1.45), and both 30-day mortality in first-time cases (12.1% vs. 8.3%; HR: 1.20) as well as mortality at second exacerbation (15% vs. 10.2.0%; HR: 1.14) are increased (29).

A study from 2005 estimated the incidences for pneumococcal infection at 8.8/100,000 in healthy adults and 62.9/100,000 in adults with chronic lung disease (30). How-ever, more recent data from England reported declining incidences probably due to the introduction of new vaccines in the previous decade (25). In Switzerland, pneumococcal conjugate vaccines (PCVs) are the only pneumococcal vaccines recommended since 2014. They are more effective than the previously used 23-valent pneumococcal polysaccharide vaccine (since 2014, PPV23 [Pneumovax®-23] is not recommended in Switzerland) due to many advantages (31, 32). PCVs elicit a T-cell dependent immune response, are effective also in children under the age of 2 years, generate immune memory, a booster effect, and herd immunity. In addition, they have a higher efficacy in risk-groups compared to the former PPV23 (32, 33). The efficacy of PCV13 vaccination (Prevenar 13®) was tested in the CAPiTA study (details see Table 1A) and suggests a number needed to vaccinate (NNV) of 1031 to prevent one case of CAP and a NNV of 2041 to prevent one case of IPD (33, 34). Since 2023, pneumococcal vaccination with a PCV is recommended for all individuals ≥ 65 years (in addition to children and adults with risk factors) by the FOPH, the Federal commission for Vaccinations, and also by international guidelines (8, 9, 35). Beyond PCV13 (33), the newer higher valency vaccines PCV15 (Vaxneuvance®) (36) and PCV20 (Prevenar 20®) (37) have been recently introduced in Switzerland and approved for use in individuals ≥65 years (35). High valency PCVs are important due to serotype replacement in recent years towards non-vaccine serotypes causing an increasing proportion and incidence of pneumococcal disease (38). In Switzerland, there is a considerable difference in the percentage of covered serotypes between the available vaccines in 2023 – 31% (PCV13), 40% (PCV15), and 68% (PCV20) respectively (39). Even though risk for pneumonia, exacerbation, and death are highly elevated in individuals with chronic lung diseases, the awareness for pneumococcal infections and the requirement for PCV vaccination is still rather low in Switzerland. The vaccination rate among individuals with asthma or chronic pulmonary disease was estimated at about 14.8% in 2020, and even lower at 9.6% in those aged 65 to 85 years, leaving many patients at risk unprotected (40).

Influenza vaccination

The influenza virus infects about 10-20% of the global population each year, causing 3-5 million hospitalizations annually. It is a leading cause for mortality, particularly in individuals at risk (41). Influenza also causes a high economical and individual burden in Switzerland, leading to a seasonal average of 4944 (standard error: ± 785) influenza-caused hospitalizations and direct medical costs of up to 77.3 million euros per season (42). A less appreciated danger of the virus lies in complications affecting the cardiovascular system (myocarditis, heart failure), the central nervous system (stroke, encephalitis) or other organs such as the kidneys and liver (acute kidney/liver injury). For example, it is estimated that up to 13% of hospitalized adult patients with influenza develop myocarditis (41). Another study reported acute cardiac injury within the first 3 days of influenza infection in 24% of high-risk patients (43, 44). Several meta-analyses and reviews have summarized evidence that a vaccination against influenza attenuates the severity of an influenza infection in individuals at risk and can prevent such complications. Evidence supporting flu vaccination is mostly based on case-control studies and cohort studies. Indeed, a meta-analysis identified only four randomized controlled trials (RCTs) including patients with COPD. Vaccination against influenza showed long-term benefits for patients with COPD regarding influenza-related respiratory infections, number of exacerbations, hospitalization rates, all-cause mortality, and respiratory mortality (45). Further, it was shown in a meta-analysis of RCTs (vaccination versus placebo) that influenza vaccination was able to decrease the rate of severe adverse cardiovascular events (RR: 0.64; 95% CI: 0.48-0.86) particularly in high-risk patients, giving a favorable NNV of 58 (46). Moreover, vaccination leads to a decrease in stroke occurrence (odds ratio [OR]: 0.81; 95% CI: 0.77-0.86), a reduction of mortality among stroke patients (OR: 0.50; 95% CI: 0.37-0.68) and a decrease of stroke occurrence in COPD (OR: 0.70; 95% CI: 0.61-0.81) (47). Additionally, all-cause mortality was reduced by 4.6% and hospitalization rates for pneumonia and influenza were reduced by 8.5% in individuals ≥65 years, and by 12.4% in individuals aged 50-64 years
(48, 49). Besides reducing direct health risks in a vulnerable population, influenza vaccination may also decrease antibiotic use due to prevention of CAP: Seasonal influenza vaccination averts about 1014.7 (95% CI: 803.3-1219.7) million defined daily doses of antibiotics (50).

Recent studies on the efficacy of different available influenza vaccines are summarized in table 1B. Notably, the US HAIVEN study reported an adjusted VE of 38% (95% CI: 17-53) against hospitalization for influenza-associated pneumonia, varying between strains (51). A multicenter study from the US showed a similar VE of 37% (95% CI: 27–46) against hospitalization, also reporting variations depending on strain and age (52). Different results were reported in another prospective study from the US, which found that the adjusted VE against influenza-related hospitalizations was 63.1% (95% CI: 43.8-75.8) in the pooled study population, and 68.2% (95% CI: 44.8-81.7) against hospitalization for exacerbation or acute respiratory infection (ARI) among those with congestive heart failure (CHF) or COPD (53). However, VE is estimated to have varied annually from 19% – 60% in the last 15 years, mainly due to differences in matching of vaccine strains with circulating strains (54). High-dose (HD) vaccines improve VE, particularly in seasons of low matching between the vaccine and the circulating virus strains and in older individuals or those at risk (55). Current Swiss recommendations emphasize the importance of influenza vaccination in individuals at risk, including those with chronic lung diseases (56). In Switzerland, the quadrivalent inactivated vaccines Fluarix Tetra® (57) and Vaxigrip Tetra® (approved from the age of 6 months) (58) are available and reimbursed for individuals ≥65 years and for all individuals with at least one risk factor (56). Recently, the HD quadrivalent influenza vaccine showed a relative VE of 64.4% regarding the prevention of hospitalizations due to influenza or pneumonia and of 48.9% regarding all-cause death, corresponding to a NNV of 346 and 311 respectively (see Table 1B for details) (59). Accordingly, the HD Efluelda® vaccine (60) is available in Switzerland for individuals ≥65 years and reimbursed in all individuals ≥75 years or ≥65 with at least one risk factor (56). Compared to the aforementioned pneumococcal vaccination, the rate of influenza vaccination among people with chronic lung diseases is higher in Switzerland, reaching 21.6% (95% CI: 18.68-24.85) in all age groups and 49.85% (95% CI: 41.61-58.09) in those aged ≥65 (61). For the coming influenza season 2024/2025, the US has decided on a transition back to the trivalent vaccine, as the B/Yamagata strain (included in the quadrivalent vaccines) is no longer circulating (62).

Severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 (SARS-CoV-2) vaccination

Despite the decreasing media interest in SARS-CoV-2, the rates of the circulating virus are still high in 2024 (63). With the emergence of new variants, the mortality of a SARS-CoV-2 infection decreased, but is still 35% higher compared to an influenza infection (HR: 1.35; 95% CI: 1.10-1.66) (64). During earlier waves, the rate of severe COVID-19 was significantly higher in individuals who had a lung transplantation (OR: 4.62; 95% CI: 2.71-7.89) or chronic lung disease (OR: 2.11; 95% CI: 1.36-3.30) compared to the general population (65). Although severe COVID-19 cases have decreased in the Omicron era, individuals with asthma and COPD still had a significantly higher risk for developing severe COVID-19 (HR: 1.31; 95% CI: 1.10-1.55 and HR: 1.36; 95% CI: 1.12-1.66, respectively), but booster vaccinations reduced this risk (66). Administration of ≥3 doses of vaccination conferred a significantly reduced risk for a severe infection (OR: 0.35; 95% CI: 0.21-0.60) (65).

A study on the VE of SARS-CoV-2 vaccines is summarized in table 1C. In general, XBB.1.5 vaccines against omicron subvariants showed limited duration against preventing infection, with a VE of 52.2% (95% CI: 44.6-58.7) after 4 weeks, and 32.6% (95% CI: 28.1-36.8) after 10 weeks. However, VE against hospitalization and death was sustained over a longer period (67). Thus, protection against SARS-CoV-2 infection itself is only modest, but protection against severe COVID-19 leading to hospitalization remains high after vaccination. Accordingly, the FOPH currently recommends a SARS-CoV-2 vaccination for all individuals at risk, ideally with variant-adjusted vaccines (8). Similarly, also the GOLD-guidelines recommend a yearly COVID-19 vaccination for patients with COPD (9). Currently, the mRNA vaccines Comirnaty® (68) and Spikevax® (69) are available and approved for use in Switzerland. In general, the FOPH recommends the use of an mRNA vaccine targeting the current SARS-CoV-2 variants, regardless of previously administered vaccinations (70).

Varicella-zoster virus (VZV) vaccination

VZV causes varicella (chickenpox) and herpes zoster (shingles). Varicella typically manifests in childhood, characterized by a highly contagious vesicular rash and mild fever. Herpes zoster occurs due to reactivation of latent VZV, usually in older adults or immunocompromised individuals causing a painful, localized rash and severe nerve pain (postherpetic neuralgia) (71, 72). Worldwide, almost 84 million people are affected annually, leading to around 14,500 deaths per year. Although death rates appear to be rather low, the disease burden in affected people is high (72). The risk for developing herpes zoster is 24% higher in patients with asthma, and 41% higher in patients with COPD. This risk is further increased by the use of corticosteroid medication. Moreover, an exacerbation of COPD seems to be coupled with herpes zoster appearance and there is a higher risk for herpes zoster complications (postherpetic neuralgia, zoster ophthalmicus) in patients with asthma and COPD (73). Even though incidences are rising due to increased aging of the population, disease burden and death rates have decreased during the last decades. This is mostly attributable to vaccination, in particular with subunit vaccines (Shingrix®) (72, 74). Table 1D provides a summary on the VE of this recombinant VZV vaccination from two randomized controlled trials (RCTs). One study suggests a NNV of 35 (95% CI: 29-43) to prevent herpes zoster infection in ≥70-year-old patients, and a NNV of 32 (95% CI: 28-39) in ≥50-year-old patients (75). A 7-year follow-up on the cohort of patients ≥50 years reported a NNV of 51 (95% CI: 41-68) (76). In contrast, the protection of the live, attenuated vaccine waned over this time period (77). In Switzerland, vaccination with the recombinant subunit vaccine Shingrix® (78) is recommended for individuals aged ≥ 65 years, for individuals aged ≥ 50 years with severe asthma, COPD or immunodeficiency, and for individuals aged ≥ 18 years with severe immunosuppression (8).

Pertussis vaccination

Pertussis, or whooping cough, is a highly contagious disease characterized by severe coughing. It is caused by the bacterium Bordetella pertussis and affects about 50 million people worldwide every year, causing 300,000 deaths annually (79). Incidence in healthy people amounts to 0.5 per 100,000 and is significantly increased among patients with COPD (2.47 per 100,000; incidence rate ratio [IRR]: 4.94; 95% CI: 4.0-6.1;). Pertussis incidence in asthma patients is even higher with 3.35 per 100,000 (IRR: 6.70; 95% CI: 5.7-7.9) (79). Thus, specifically in patients with chronic lung disease, pertussis events cause a significant increase in health care resource utilization and direct medical costs (80). With the introduction of vaccines, mortality was ­significantly reduced, but there are still surges of the disease, which may be countered with up-to-date booster vaccinations (81). The surges may be attributable to the rather fast waning of protection from acellular vaccine as reported by a study on the Tdap-vaccines (tetanus, diphtheria, acellular pertussis) Boostrix® (82) and Adacel® (83). While VE was 75.3% (95% CI: 55.2-86.5) within 1 year, it decreased to 11.9% (95% CI: -11.1-30.1) within 4-5 years (84).
The FOPH currently recommends a basic pertussis vaccination in infants and boosters in childhood and adolescence. Moreover, a booster vaccination with either Boostrix® (82) or Adacel® (83) is recommended in adults who are in contact with infants and pregnant women. However, patients with COPD and asthma are not particularly mentioned (8). Also GOLD recommends a pertussis booster only in COPD patients who were not vaccinated in adolescence (9).

Future perspectives in Switzerland

In this section, we aim to provide a view of the future vaccination landscape in Switzerland, with a focus on new pneumococcus vaccines with higher serotype coverage and the first RSV vaccines already and soon to be available in Switzerland.

New pneumococcus vaccines

Currently, PCV15 and PCV20 are recommended for use in Switzerland (35). The US Federal Drug Administration (FDA) recently approved PCV21 for people aged ≥65 years, which represents a new concept of PCVs as it targets the majority of serotypes which currently affect adults. PCV21 does not include all pediatric serotypes, but it currently covers up to 85% of serotypes in those aged ≥65 years (85, 86). The U.S. Advisory Committee on Immunization Practices has already recommended this PCV21 as an option for adults. This recommendation also applies to individuals who had already received PCV13 in the past (86). Due to the coverage of 11 different serotypes, it is expected to bring benefits in terms of quality of life for the older population and a potential benefit for patients at risk for IPD (87). This approval is based on a recent study on the PCV21 vaccine in adults, which had proven a good tolerability and safety profile, while showing a non-inferior response to all included serotypes in comparison to previous PCV vaccinations covering fewer serotypes (88). Additionally, there are ongoing studies on a novel 24-valent PCV, which aims to increase even further serotype coverage (89).

Respiratory syncytial virus (RSV) vaccines

RSV is an RNA-virus, with its infections peaking in the winter months, causing a range of respiratory tract symptoms, and sometimes even pneumonia. Severe cases affect mostly infants, young children, and the elderly, leading to higher mortality in those age groups (90, 91). There are already two approved protein-based RSV vaccines available in Switzerland (92), and a third mRNA-based vaccine is currently in the approval process. Vaccination recommendations for older individuals and patients at high risk for complications, including those with chronic lung disease, have recently been published by the FOPH (93). Similarly, the GOLD guidelines recommend RSV vaccination for patients with COPD (9). This recommendation is based on the fact, that RSV is associated with more severe disease outcomes in comparison to influenza or SARS-CoV-2, even though less people are hospitalized with RSV (94). However, chronic lung diseases are among the major predictors for hospitalization of patients, infected with RSV (95). A recent modeling study reported a 2- to 4-fold increased risk of hospitalization for adults with COPD and RSV infection and a 1.5- to 3-fold increased risk for adults with asthma and RSV infection (96). Moreover, hospitalization due to RSV infection is associated with acute cardiac events, particularly in patients at risk (97).

In recent years, many RSV-vaccinations were studied in clinical trials, aiming to elicit an immune response against the RSV fusion protein F in its prefusion conformation (preF) (98). Besides the adjuvant RSVPreF3-antigen vaccination mentioned above (99), there is also a bivalent vaccine including the preF from both RSV A and B (100) as well as an mRNA vaccine (101) already available in some markets, albeit not approved in Switzerland yet. Several RCTs testing those different vaccines are summarized in table 1E. For the AS01E-adjuvanted RSV preF based candidate vaccine (RSVPreF3 OA) a NNV of 379 (95% CI: 247-811) was reported regarding the prevention of RSV-related lower respiratory tract disease (LRTD) (99). For the bivalent RSV preF based vaccine (bivalent RSVpreF) a NNV of 773 (95% CI: 429-3878) for RSV-associated LRTD with ≥2 signs/symptoms, and a NNV of 472 (95% CI: 284-1402) for RSV-associated ARI was reported (100). Lastly, the mRNA vaccine mRNA-1345 show-ed a NNV of 381 (95% CI: 264-683) against RSV-associated LRTD with ≥2 signs/symptoms and a NNV of 312 (95% CI: 209-616) for RSV-associated ARI (101). The immunization against preF was able to maintain a high VE against LRTD over a period of at least two to three seasons (102, 103). While the VE regarding severe RSV and LRTD is well studied in current RSV vaccines, data on VE regarding the prevention of hospitalizations is still limited. In the US, three RSV vaccines (one adjuvant RSVPreF3, one bivalent RSVpreF, and the mRNA vaccine) are already approved for adults ≥60 years, and the first safety data were recently presented (104). So far, injection site and systemic reactions were more frequently reported among patients receiving the adjuvant RSVPreF3 vaccine compared to the available bivalent RSVpreF. How-ever, the estimated rates for Guillain-Barré syndrome (GBS), which had been raised as a safety concern, were higher in people vaccinated with the bivalent vaccine (4.4 per 1 million administered doses) compared to the adjuvant one (1.8 per 1 million doses administered) (104). Even though GBS rates were more commonly reported than initially expected, the high efficacy in reducing severe RSV cases and exacerbations of chronic lung disease still suggests the importance of those RSV vaccines in at-risk patients.

Discussion

In summary, the Swiss vaccination plan provides specific recommendations for the vaccination of individuals at risk, including patients with chronic lung diseases (8). Still, the vaccination rate among patients with chronic lung diseases, particular for S. pneumoniae, remains low in Switzerland, highlighting the need for more awareness in clinics and among general practitioners (40). Moreover, due to serotype replacement in pneumococcal disease observed in recent years, recommendation for newer PCVs covering more serotypes, especially for individuals at risk, should be made (38). This may include the PCV21 in the near future, as it has recently been approved by the FDA (86). While the GOLD guidelines have already recommended RSV and pertussis vaccinations for patients with COPD, the recommendations regarding RSV were only recently anchored in the Swiss recommendations (8, 9, 12). This recent update reflects the potential severity of an RSV infection for patients with chronic lung diseases (94). Indeed, the FDA has already approved three RSV vaccines in the last years (104). Also, Switzerland has recently introduced two vaccines on the market for adults aged ≥60 years (93). Several impor-tant questions remain regarding RSV vaccination, such as the efficacy of repeated vaccination, duration of response and most importantly the effectiveness in populations with comorbidities (105). Moreover, safety and immunogenicity of coadministration with for example influenza vaccines are still under investigation. Current studies suggest that coadministration is probably acceptable, even though a slight reduction in RSV antibody responses was observed (106). In general, even though RSV vaccinations are associated with certain risks such as GBS, those are outweighed by the successful prevention of exacerbations and cardiovascular events in individuals at risk (107). This goes in line with the protective properties of for example influenza and S. pneumoniae vaccines, which have shown to reduce the risk for myocardial infarction and cardiovascular additionally to pulmonary exacerbations (107).
Our review has several limitations. It is not a systematic review and meta-analysis, as we incorporated only selected studies evaluating the NNV and VE of various vaccin-es recommended for patients with chronic lung diseases. Furthermore, most of those vaccination studies were not explicitly performed in patients with chronic lung diseases. While some of the mentioned studies assessed the percentage of patients with chronic lung diseases, COPD and asthma in particular, there was almost no record of ILD. In general, a lot of the recommendations for vaccination in patients with chronic lung diseases focus on COPD (9). Although there are some studies on the role of infection-driven exacerbations in asthma, data on the impact of res-piratory infections on the exacerbation of ILD are scarce (21).

In conclusion, aiming for a higher vaccination rate among individuals with chronic pulmonary diseases is crucial in preventing exacerbations and thus morbidity and mortality in this vulnerable population. The introduction of new and more effective vaccines, such as updated PCVs and RSV vaccines in Switzerland as well as the constant variant-adjustment of influenza and SARS-CoV2 vaccines will be pivotal in ensuring protection in comorbid patients in the future. Strategies to improve vaccination rates may include the identification of drivers of and barriers to vaccinations to make informed decisions, as well as patient education and training for healthcare providers and national authorities (108).

Abbreviations
ARI acute respiratory illness
CAP community acquired pneumonia
CI confidence interval
CHF congestive heart failure
COPD chronic obstructive pulmonary disease
COVID-19 coronavirus disease 19
FEV1 Forced Expiratory Volume in one second
FOPH Swiss federal office of public health
GOLD Global initiative for chronic obstructive lung disease
HD high dose
HMPV human metapneumovirus
HR hazard ratio
ILD interstitial lung disease
IPD invasive pneumococcal disease
IRR incidence rate ratio
LRTD lower respiratory tract disease
mRNA-1345 mRNA-based RSV vaccine encoding the stabilized RSV prefusion F glycoprotein
NC not calculable
NE not estimable
NEDSS Nebraska Electronic Disease Surveillance System
NESIIS Nebraska State Immunization Information System
NS not specified
NNV number needed to vaccinate (rounded to unit)
OR odds ratio
PBO placebo»
PCV pneumococcal conjugate vaccine
PPV pneumococcal polysaccharide vaccine
PY person years
QIV quadrivalent influenza vaccine
RCT randomized controlled trial
RR risk ratio
RSV respiratory syncytial virus
RSVpreF bivalent RSV prefusion F protein-based vaccine
RSVPreF3 OA AS01E-adjuvanted RSV prefusion F protein–based vaccine
RZV glycoprotein E (gE)-based adjuvanted recombinant zoster vaccine
SARS-CoV-2 severe acute respiratory syndrome coronavirus 2
SD standard dose
VE vaccine efficacy
VZV varicella zoster virus

Dr. med. univ. Maria Boesing

Medicine & University Affairs
Cantonal Hospital Baselland
Medical Faculty
University of Basel, Basel, Switzerland

Prof. Dr. med. Werner Albrich

Klinik für Infektiologie/Spitalhygiene
KSSG und Ostschweizer Kinderspital
St. Gallen

PD Dr. med. Pierre-Olivier Bridevaux

Service de pneumologie
Centre Hospitalier du Valais Romand
Hôpital du Valais
Sion

Faculté de médecine, Université de Genève

Dr. med. Florian Charbonnier

Service de pneumologie
Hôpitaux universitaires de Genève
Switzerland

Prof. Dr. med. Christian Clarenbach

Department of Pneumology
University Hospital Zurich

Prof. Dr. med. Jean-Marc Fellrath

Réseau hospitalier neuchâtelois
Neuchâtel
Switzerland

Dr. med. Pietro Gianella

Ente Ospedaliero Cantonale
Lugano
Switzerland

Dr. med. Lukas Kern

Department of Pneumology
Cantonal Hospital St. Gallen

PD Dr. med. Tsogyal Latshang

Division of Pneumology
Cantonal Hospital Graubünden
Chur

Dr. med. Nikolay Pavlov

Department of Pneumology
University Hospital Bern
Bern

Prof. Dr. med. Michael Osthoff

Department of Internal Medicine
Cantonal Hospital Winterthur
Winterthur
Switzerland

Prof. Dr. med. Claudia Steurer-Stey

University of Zurich
Zurich
Switzerland

Prof. Dr. med. Christophe von Garnier

Lausanne University Hospital
(CHUV) and University of Lausanne
Lausanne
Switzerland

Prof. Dr. med.Jörg D. Leuppi

Facharzt Allgemeine Innere Medizin und Pneumologie
Klinischer Professor für Innere Medizin Universität Basel
Chief Medial Officer und Leiter Universitäres Instiut Innere Medizin
Kantonsspital Baselland

joerg.leuppi@ksbl.ch

The manuscript was financially supported by GSK AG Switzerland and Moderna AG Switzerland. The sponsors did not have any influence on the content of the scientific review.

Jörg D. Leuppi has received unrestricted grants from AstraZeneca AG Switzerland, GSK AG Switzerland, OM Pharma SA Switzerland, and Sanofi AG Switzerland. Werner Albrich received funding from Swiss National Science Foundation (33IC30_201300), Cantonal Hospital St. Gallen, OM Pharma, FUNGINOS, Gilead, received payment for lectures and presentations by Pfizer, GSK, MSD, Gilead, paid to his institution, received payment for travel to meetings from Pfizer, GSK, Gilead, paid to his institution, and participated in the advisory boards of MSD, Sanofi, Pfizer, GSK, OM Pharma, Moderna, Aurovir Pharma, and Janssen.

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Der assistierte Suizid in der Schweiz (Teil 2)

Im 5-Jahres-Zeitraum 2018–2022 kam es nach Angaben des Schweizerischen Bundesamtes für Statistik (BFS) in der Schweiz zu 6608 assistierten Suiziden; von diesen erfolgte in 4766 Fällen (72%) die Suizidbegleitung durch Mitarbeiter der grössten Sterbehilfeorganisation EXIT. Nach den Daten von EXIT bildet die altersbedingte Multimorbidität mit 27 % aller Fälle nach den Krebserkrankungen die zweithäufigste Krankheitsgruppe beim assistierten Suizid. Aus formalen Gründen kann dieser symptomorientierte assistierte Alterssuizid in der ICD-basierten Todesursachenstatistik des BFS nicht adäquat erfasst werden. Diese «Statistikschwachstelle» führt dazu, dass die Schweiz zu dem medizinethisch und gesellschaftspolitisch kontrovers diskutierten Phänomen des assistierten Alterssuizids keine zuverlässigen Daten vorlegen kann. Es wäre daher angezeigt, ein nationales Register einzurichten, welches alle Fälle des assistierten Suizids präzise dokumentiert und kritisch begleitet.

Schlüsselwörter: Assistierter Suizid, Alterssuizid, Sterbehilfeorganisation, nationale Gesundheitsregister

Einleitung

Im zweiten Teil unserer Abhandlung zur Langzeitentwicklung der Fälle von assistierten Suiziden in der Schweiz wenden wir uns dem assistierten Alterssuizid zu. Diese Fälle sind nicht zu vernachlässigen, bilden sie doch seit vielen Jahren die nach Krebserkrankungen zweitgrösste Krankheitsgruppe unter den Fällen von assistiertem Suizid. Diese Fälle sind den symptomorientierten assistierten Suiziden zuzuordnen, d.h., zum Zeitpunkt des Todes lag keine Erkrankung vor, die in absehbarer Zeit auch zum natürlichen Tod geführt hätte. Da der assistierte Alterssuizid bisher weder national noch international mit der geltenden ICD-Klassifikation codiert werden kann, werden diese Fälle auch nicht adäquat in der vom Schweizerischen Bundesamt für Statistik (BFS) veröffentlichten Todesursachenstatistik abgebildet. In der Schweiz liegen damit zu dem medizinethisch und gesellschaftspolitisch brisanten Thema «assistierter Alterssuizid» keine «offiziellen» Daten vor.

Der assistierte Suizid in der Schweizer Todesursachenstatistik

Die vom BFS jährlich veröffentlichte Todesursachenstatistik ist eine obligatorische Vollerhebung und basiert auf den Angaben der Zivilstandsämter und der die Todesfälle meldenden Ärzte (Todesfallbescheinigung) (1). Die Daten liefern einen Überblick über das Sterbegeschehen und dokumentieren die Ursachen der Sterblichkeit in der Schweiz. Sie lassen Veränderungen im Zeitverlauf erkennen und geben Hinweise, durch welche präventiven oder medizinisch-kurativen Massnahmen sich die Lebenserwartung der Bevölkerung verbessert hat bzw. diese in der Zukunft weiter erhöht werden könnte. Erfasst werden dabei alle verstorbenen Personen der ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz. Die Erhebung umfasst neben Angaben zu Alter, Geschlecht, Zivilstand, Beruf, Wohngemeinde und Staatsangehörigkeit des Verstorbenen auch die Todesursachen; letztere werden nach der derzeit gültigen durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegebene International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD; bis anhin Version ICD-10) erfasst (2). Da es bis heute in der ICD-Klassifikation keinen eigenen Code für den assistierten Suizid gibt, hat das BFS diese Fälle anfangs als Selbstmord durch Vergiftung eingestuft. Seit 2009 wurden die Fälle mit assistiertem Suizid dann durchgehend mit dem Code X61.8 als Begleitumstand des Todesfalls erfasst. Dabei handelte es sich um eine durch das BFS vorgenommene, das heisst auch nur in der Schweiz so praktizierte Erweiterung des bestehenden ICD-10-Codes X61 («Vorsätzliche Selbstvergiftung durch und Exposition gegenüber Antiepileptika, Hypnotika, Antiparkinsonmittel[n] und psychotrope[n] Substanzen») (3–8).

Die Daten zur Todesursache, welche in die Statistiken des BFS eingehen, stammen aus den Angaben der Sterbeurkunden. In diesem Dokument werden die Todesursachen von den Ärzten/Ärztinnen aus der Rechtsmedizin bzw. vom amtsärztlichen Dienst, welche die Todesfälle untersuchen, hinterlegt. Dazu liegt ihnen in fast allen Fällen ein von den Sterbehilfeorganisationen zusammengestelltes Dossier vor, welches auch die ärztlichen Berichte derjenigen, die den Sterbewilligen das tödliche Medikament rezeptiert haben, enthält. In diesen Berichten werden relevante Inhalte der Konsultationen und Beratungsgespräche festgehalten. Dokumentiert ist neben der dem Sterbewunsch zugrunde liegenden Erkrankung bzw. Situation auch eine Einschätzung über die vorhandene Urteilsfähigkeit desjenigen, der um die Sterbehilfe ersucht, sowie die Feststellung, dass der Wunsch zu sterben wohlerwogen, dauerhaft und ohne äusseren Druck entstanden ist. Bei bestimmten Indikationen, z.B. bei assistierten Suiziden wegen psychiatrischen Erkrankungen, liegen zudem in der Regel fachpsychiatrische Gutachten vor (7).

Das ICD-Regelwerk der WHO definiert diejenige Krankheit als Todesursache, welche am Anfang des zum Tode führenden Verlaufs steht. In diesem Sinne ist der assistierte Suizid in der Regel die Ultima Ratio am Ende eines schweren Krankheitsverlaufs (9). Wenn als Hauptkriterium zur Gewährung der Sterbehilfe das terminal illness requirement erfüllt ist, erlaubt diese Klassifikationspraxis in den meisten Fällen auch eine eindeutige Erfassung des Falles. Als Beispiel dazu können die Fälle angeführt werden, bei denen der assistierte Suizid im Spätstadium einer fortgeschrittenen Krebserkrankung erfolgt. Mit einer eher symp­tomorientierten Ausweitung der Einschlusskriterien, die auch einen Zustand «unerträglichen Leidens» als Rechtfertigung zum assistierten Suizid akzeptiert, stösst die ICD-Klassifikation aber an ihre Grenzen. Schon bei chronischen Schmerzsyndromen (z.B. schwere rheumatische Erkrankungen, Polyneuropathie) oder Erkrankungen, die sich mit neurologisch bedingten schweren Einschränkungen der Mobilität bis hin zu Lähmungen manifestieren (z.B. Morbus Parkinson, Multiple Sklerose, Zustand nach Schlaganfall, Unfallfolgen mit Tetraplegie), ist die ICD-Klassifikation kaum in der Lage, den Hintergrund des assistierten Suizids bzw. die Motivation des Sterbewilligen ausreichend darzustellen (7, 8). Die genannten Erkrankungen stellen in der Regel schwere, invalidisierende chronische Erkrankungen dar. Diese bedeuten für die betroffenen Patienten einen hohen Leidensdruck, meistens ohne Hoffnung auf eine Besserung ihrer Situation. Direkte Todesursachen im Sinne der Todesursachenstatistik sind sie aber nicht.

Der assistierte Alterssuizid, eine «unsichtbare» Entität in der Todesursachenstatistik

EXIT, die grösste Schweizer Sterbehilfeorganisation, unterstützt seit Jahren den «Altersfreitod» für Menschen in Fällen, «wenn die Summe ihrer Schmerzen und Gebrechen als unerträglicher Leidenszustand» empfunden wird (10, 11). Beim assistierten Alterssuizid scheitert das ICD-basierte Klassifikationssystem aber nun vollends. Hier liegen dem Sterbewunsch eine Vielzahl von Einflussfaktoren zugrunde: körperlich bedingte wie eine eingeschränkte Mobilität und ein vermindertes Seh- und Hörvermögen, aber auch soziale Faktoren wie eine Heimunterbringung oder die Einsamkeit nach Verlust des Ehepartners oder von Freunden (12–18). In manchen Fällen mögen auch finanzielle Aspekte, z.B. die Kosten eines langjährigen Aufenthalts in einer Pflegeeinrichtung, und generell das Gefühl, den Angehörigen nur noch «eine Last» zu sein (19), bei der Entscheidung, sterben zu wollen, eine Rolle spielen.

Wie sollte ein medizinisches Diagnosesystem wie das ICD gar das Gefühl eines Hochbetagten abbilden, der sein Leben gelebt hat und, jetzt «lebenssatt», aus dem Leben scheiden möchte? Welcher Code drückt eine Lebenssituation aus, in der die Aussicht auf die Zukunft bedeutet, dass die bereits jetzt vorhandenen Beschwerden, Einschränkungen und Abhängigkeiten sich nie wieder bessern, sondern sich im Gegenteil sogar verschlimmern werden?

Die ICD-Klassifikation kann bereits das natürliche Sterben eines hochbetagten, gebrechlichen und multimorbiden Menschen ohne assistierten Alterssuizid kaum adäquat abbilden. Der «Tod an Altersschwäche» ist in der ICD-10-Klassifikation gar nicht als eigenständiger Code für eine Todesursache vorgesehen, und die ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health, 20) wird bei Todesfällen nicht festgehalten. Dementsprechend kann für den assistierten Alterssuizid die für den Sterbewunsch zugrunde liegende «Kumulation von Altersbeschwerden» in der Todesursachenstatistik auch nicht erfasst werden. Wenn man derzeit die Fälle des assistierten Alterssuizids in einer ICD-basierten Todesfallstatistik erfassen will, muss in Ermangelung einer Codierungsmöglichkeit irgendeine der bei dem jeweiligen Patienten vorliegenden Erkrankungen als zugrunde liegend erfasst werden (7, 8). Hier ist es bei hochbetagten, multimorbiden Patienten auch meist pro­blemlos möglich, je nach klinischer Gewichtung, eine der bestehenden Erkrankungen praktisch als Stellvertreter für die «Kumulation von Altersbeschwerden» anzugeben. Eine Analyse der vom BFS erfassten nicht krebsbedingten Fälle mit assistiertem Suizid der Jahre 2018–2022 – diese machen etwa 60 % der Fälle aus – zeigt, dass die Mehrheit dieser Menschen zum Zeitpunkt ihres Todes im 9. Lebensjahrzehnt standen (medianes Alter: 84 Jahre). So betrug zum Beispiel in den Kategorien «Herz-Kreislauf-Erkrankungen» (11.7 % aller assistierten Suizide), «Muskuloskelettale Erkrankungen» (10 % aller assistierten Suizide) und «Andere Erkrankungen» (12.7 % aller assistierten Suizide) das mediane Alter zum Zeitpunkt des Todes jeweils 86 Jahre. Zweifellos muss eine beträchtliche Zahl dieser Fälle dem Alterssuizid zugeordnet werden.

Der hohe Anteil des Alterssuizids in der Schweiz kann auch noch über eine Analyse der Geschlechterverteilung der Sterbehilfefälle rückgeschlossen werden. In der Schweiz besteht seit mehr als 20 Jahren bei den assistierten Suiziden ein «Frauenüberhang». Der Anteil von Frauen an Sterbehilfefällen liegt konstant bei 57–58 % (4, 21). Ein Vergleich mit anderen Ländern, die ebenfalls eine lange Sterbehilfetradition bzw. einen ähnlich hohen Prozentsatz von Sterbehilfefällen an der Gesamtzahl aller Todesfälle haben, zeigt, dass diese über die Jahre hinweg konstant eine nahezu ausgeglichene Geschlechterverteilung, sogar mit einer leichten Mehrheit an Männern, aufweisen (entsprechende Daten des Jahres 2022 für Männer in den Niederlanden: 50.6 % aller Sterbehilfefälle, in Belgien: 50.4 %, in Kanada: 51.4 %; in den US-Staaten Kalifornien: 51.6 %, Washington: 53 %, Oregon: 49.6 %) (22–27). Gleichzeitig liegt der Anteil krebsbedingter Fälle bezogen auf die Gesamtzahl aller Sterbehilfefälle in diesen Ländern bzw. US-Bundesstaaten mit 55–65 % deutlich höher als der entsprechende Schweizer Vergleichswert von 40 %. Schweizer Daten der Jahre 2018–2022 machen den Einfluss des Anteils krebsbedingter assistierter Suizide auf die Geschlechterverteilung bei der Suizidhilfe deutlich (28):

  • Männer sterben häufiger an Krebs als Frauen (im oben genannten 5-Jahres-Zeitraum: männlich: n = 46 666 vs. weiblich: n = 38 916); die Rate der krebsbedingten Todesfälle in Bezug zur Gesamtzahl aller Todesfälle lag bei Männern bei 27 %, bei Frauen lag diese Rate bei 21 %.
  • Innerhalb der assistierten Suizide betrug der Anteil krebsbedingter Sterbehilfefälle bei Männern 46 %, der der Frauen lediglich 35 %.

Der hohe Anteil männlich dominierter krebsbedingter Fälle führt zu einer ausgeglichenen Geschlechterverteilung innerhalb der Sterbehilfefälle. Anders als im internationalen Vergleich gilt dann für die Schweiz: je höher der Anteil nicht krebsbedingter Suizidhilfefälle, desto höher der Anteil an Frauen. Dass eine niedrige Rate krebsbedingter Fälle als Surrogatmarker für eine hohe Rate an assistiertem Alterssuizid herangezogen werden kann, macht ein Vergleich der BFS-Daten der Jahre 2018–2022 mit denen von EXIT deutlich. In diesem 5-Jahres-Zeitraum erfolgten in der Schweiz 6608 assistierte Suizide; von diesen erfolgte in 4766 Fällen (72 %) die Suizidbegleitung durch Mitarbeiter von EXIT. Der Verein EXIT publiziert seit 1987 die Anzahl der jährlich von ihm betreuten Sterbehilfefälle; seit 2010 berichtet der Verein auch die den assistierten Suiziden zugrunde liegenden Krankheiten bzw. Situationen (21). Anders als die rein ICD-basierte Todesursachenstatistik des BFS präsentiert EXIT diese Daten aber in einer Mischung aus krankheitsspezifischen und symptomorientierten Kategorien. Die »klassische» krankheitsspezifische und damit auch ICD-kompatible Kategorie betrifft die Krebserkrankungen. Nicht überraschend zeigen sich trotz unterschiedlicher Klassifikationspraxen hier weitgehend übereinstimmende Zahlen (BFS: 39 % aller assistierten Suizide; EXIT: 36 % aller von ihnen geleisteten Freitodbegleitungen, Abb. 1). Wenn der Sterbewunsch aber nicht auf fassbaren, in absehbarer Zeit zum natürlichen Tod führenden Erkrankungen beruhte, sondern eher auf symptomorientierten Beschwerden, so wurden diese Fälle in den EXIT-Statistiken in eigenen Kategorien zusammengefasst. Eine klar symptomorientierte Kategorie, das «chronische Schmerzsyndrom», stellt mit 10 % der Fälle die vierthäufigste Kategorie in der EXIT-Statistik dar. Die «Polymorbidität» machte sogar mehr als ein Viertel der Suizidhilfefälle aus; das mit 89 Jahren hohe mediane Alter der Menschen, deren assistierter Suizid in dieser Kategorie zusammengefasst wurde, verdeutlicht, dass hier im Wesentlichen das Phänomen des assistierten Alterssuizids abgebildet ist.

(Abb. 1) Die Gegenüberstellung beider Klassifikationssysteme zeigt, dass eine reine ICD-basierte Todesursachenstatistik keine klar nachvollziehbare und allen Fällen gerecht werdende Codierung leisten kann; die Klassifikation in «Stellvertreter»-Kategorien führt dann eher zu einer den wahren Sachverhalt verschleiernden Chiffrierung. Dieses könnte man verschmerzen, wenn diese Fehldokumentationen nur wenige Einzelfälle beträfen. Es betrifft aber etwa die Hälfte aller Fälle mit Suizidhilfe in der Schweiz (7, 8). Die Klassifikationsproblematik stellt also keine vernachlässigbare theoretisch-akademische «Statistikschwachstelle» dar. Sie führt dazu, dass die Schweiz in einer wichtigen gesellschaftlichen und essenziellen medizinethischen Kontroverse, nämlich der Frage, wie Fälle von Patienten behandelt werden sollen, die nicht an einer in naher Zukunft zum Tode führenden Erkrankung leiden, aber dennoch aufgrund ihrer für sie als unerträglich empfundenen Leidenssituation Sterbehilfe in Anspruch nehmen möchten, über keine genügenden Daten verfügt (7, 8).

Notwendigkeit eines zentralen Registers für assistierte Suizide

Insbesondere das in ICD-basierten, d.h. krankheitsorientierten Statistiken «unsichtbare» Phänomen des assistierten Alterssuizids verdient es aber, in den nächsten Jahren zuverlässiger erfasst zu werden. Die ICD-basierte offizielle schweizerische Todesursachenstatistik des BFS kann dieses Phänomen noch nicht adäquat abbilden, und die von EXIT publizierten Daten umfassen lediglich etwa drei Viertel aller in der Schweiz erfolgten Sterbehilfefälle. Die anderen in der Schweiz aktiven Sterbehilfeorganisationen publizieren keine detaillierten Daten hinsichtlich der von ihnen begleiteten Suizide. Diese Schwachstelle macht deutlich, dass die Schweiz ein nationales Register einrichten sollte, in dem die derzeit noch ausschliesslich bei den Amtsärzten bzw. in den rechtsmedizinischen Instituten archivierten Unterlagen zu den jeweiligen Sterbehilfefällen gesammelt und zentral nach einheitlichen Kriterien ausgewertet werden. Die Organisation eines solchen Registers läge dann wohl eher nicht beim BFS, sondern beim Bundesamt für Gesundheit. Die Jahresberichte aus Kanada und den Niederlanden zeigen exem­plarisch, wie ausführlich und auf welch hohem Niveau dort die Zahlen zur Sterbehilfe der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden (23, 24). Offenbar besteht in diesen Ländern, anders als in der Schweiz, die Auffassung, dass der Staat und seine Organe mit der Legalisierung der Sterbehilfe auch eine gesellschaftliche Verantwortung übernehmen muss, dieses Phänomen sorgfältig zu dokumentieren, kritisch zu begleiten und, wenn nötig, auch zu steuern.
Tab. 1 zeigt einen Vorschlag, die Fälle des assistierten Suizids in sieben Kategorien, krankheits- und symptomorientiert, systematisch in einem Register zu erfassen. Auch mit diesem System kann es in Einzelfällen schwierig sein, eine eindeutige Zuordnung in eine der Kategorien vorzunehmen. Es gibt Erkrankungen und Zustände, deren komplexe Symptomatik Überschneidungen der Kategorien beinhalten. So besteht zum Beispiel ein gewisser Interpretationsspielraum, ob Fälle von Patienten, bei denen der assistierte Suizid im Rahmen einer Polyneuropathie oder schweren immobilisierenden rheumatischen Erkrankungen der Kategorie 3 (assistierter Suizid bei schweren neurologisch bedingten Symptomen) oder der Kategorie 5 (Chronische Schmerzzustände) zuzuordnen sind. Grundsätzlich bildet dieses System in Kombination mit krankheitsspezifischen ICD-Codes aber ein einfach anzuwendendes Instrument, das es erlaubt, das Phänomen des assistierten Suizids weit umfangreicher und aussagekräftiger abzubilden, als es mit der derzeit gültigen ICD-Klassifikation allein möglich ist.

Key Messages
• In der Schweiz erfolgen 25–30 % der assistierten Suizide wegen altersbedingter Multimorbidität.
• Aus formalen Gründen können diese symptomorientierten Sterbehilfefälle in der ICD-basierten Todesursachenstatistik des Bundesamtes für Statistik aber nicht adäquat erfasst werden.
• Diese «Statistikschwachstelle» führt dazu, dass die Schweiz keine zuverlässigen Daten zu dem medizinethisch und gesellschaftspolitisch kontrovers diskutierten Phänomen des assistierten Alterssuizids hat.
• Es wäre daher angezeigt, ein nationales Register einzurichten, welche alle assistierten Suizide sorgfältig dokumentiert; damit könnten dann auch die Fälle des assistierten Alterssuizids monitorisiert und, wenn nötig, auch kritisch begleitet werden.

Abkürzungen
BFS Schweizerisches Bundesamt für Statistik
WHO World Health Organization (Weltgesundheitsorganisation)
ICD International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems

Danksagung
Die Autoren danken dem Schweizerischen Bundesamt für Statistik für die Zurverfügungstellung der Daten der Todesursachenstatistik mit besonderer Berücksichtigung des Assistierten Suizids (AS). Besonderer Dank für jahrelange engagierte Unterstützung gebührt Christoph Junker, Epidemiologie und langjähriger Leiter der Vitalstatistik beim BwFS.
Ebenso danken wir EXIT für die Bereitstellung ausgewählter Daten bezüglich der Fälle des Assistierten Suizids, die von ihren Mitarbeitern begleitet wurden (jährliche Zahl der AS-Fälle, für jeden Fall: Alter zum Zeitpunkt des AS und zugrundeliegende Erkrankung/Situation).
Der Erstautor (U.G.) dankt Shaun McMillan für ihre enthusiastische Unterstützung im Rahmen des Gesamtpublikationsprojektes «Assisted suicide in Switzerland», insbesondere bei dem stilistischen Lektorat der englischsprachigen Originaltexte.
Dank gebührt Franziska Maduz für ihren wertvollen Beitrag bei der grafischen Darstellung der Daten.

Prof. Dr. med. Uwe Güth

Universität Basel
Medizinische Fakultät
Klingelbergstrasse 61
4056 Basel

uwe.gueth@unibas.ch

Prof. Dr. med. FACP Edouard Battegay

Facharzt Allgemeine Innere Medizin, ESH Specialist in Hypertension, Fellow SSPH+
Leiter International Center for Multimorbidity and Complexity in Medicine (ICMC)
Universität Zürich, Universitätsspital Basel (Klinik für Psychosomatik), Merian Iselin Klinik Basel

edouard.battegay@uzh.ch

Prof. Dr. med. Dr. phil. Ralf Jox

– Unité d’éthique clinique,
Institut des Humanités en Médecine, CHUV-UNIL

– Chaire de soins palliatifs gériatriques,
Service de soins palliatifs et de support CHUV-UNIL,

Dr. Karim Abawi

Schweizerisches Bundesamt für Statistik
Sektion Gesundheit der Bevölkerung
Neuchâtel
Schweiz

PD Dr. Rolf Weitkunat

Schweizerisches Bundesamt für Statistik
Sektion Gesundheit der Bevölkerung
Neuchâtel, Schweiz

PD Dr. med. Andres R. Schneeberger

Department for Psychiatry
University of California
San Diego, USA

Die Autoren bestätigen, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Keiner der Autoren ist Mitglied in einer der Schweizer Sterbe­hilfeorganisationen.

• In der Schweiz erfolgen 25–30 % der assistierten Suizide wegen altersbedingter Multimorbidität.
• Aus formalen Gründen können diese symptomorientierten Sterbehilfefälle in der ICD-basierten Todesursachenstatistik des Bundesamtes für Statistik aber nicht adäquat erfasst werden.
• Diese «Statistikschwachstelle» führt dazu, dass die Schweiz keine zuverlässigen Daten zu dem medizinethisch und gesellschaftspolitisch kontrovers diskutierten Phänomen des assistierten Alterssuizids hat.
• Es wäre daher angezeigt, ein nationales Register einzurichten, welche alle assistierten Suizide sorgfältig dokumentiert; damit könnten dann auch die Fälle des assistierten Alterssuizids monitorisiert und, wenn nötig, auch kritisch begleitet werden.

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Metatarsalgie

Zusammenfassung: Die Metatarsalgie ist ein Oberbegriff für Beschwerden am Vorfuss im Bereich der Metatarsophalangealgelenke II–V. Sie beschreibt kein konkretes Krankheitsbild, sondern einen Symptomkomplex, welcher unterschiedliche Ursachen haben kann. Ursächlich infrage kommen mechanische (meist eine relative Überlänge des 2. und 3. Metatarsales), neurologische (Morton-Neurinom) und systemische Erkrankungen (rheumatoide Arthritis, Gicht). Seltenere Ursachen sind Stressfrakturen, Infekte und aseptische Nekrosen. Beschrieben wird die Metatarsalgie mit belastungsabhängigen Schmerzen im Vorfussballen, welche oft einen brennenden oder stechenden Charakter haben. Manchmal wird auch von einen Fremdkörpergefühl berichtet, als laufe man auf einem «Kieselstein». Das Tragen von engen und harten Schuhen provoziert die Beschwerden zusätzlich. Die Therapie ist in den meisten Fällen konservativ und umfasst das Tragen von angepasstem Schuhwerk, Fussgymnastik/Dehnungsübungen und orthopädische Schuheinlagen. Chirurgisch können Morton-Neurinome entfernt werden und Fehlstellungen und Überlängen der Metatarsalia korrigiert werden.

Schlüsselwörter: Metatarsalgie, Vorfussbeschwerden, konservative Therapie, chirurgische Behandlung, Morton-Neurinome

Einleitung

Die Metatarsalgie, eine der häufigsten Ursachen für Fussbeschwerden, ist durch einen belastungsabhängigen Schmerz im Bereich des Vorfussballens charakterisiert. Meist entsteht sie durch eine Überlastung des Vorfusses. Sie kann jedoch auch durch eine Reizung der Metatarsophalangealgelenke oder der interdigitalen Nerven (Morton-Neurinom) auftreten.

Typischerweise klagen die Betroffenen über stechende oder brennende Schmerzen am Vorfussballen, der Bereich an der Fusssohle unmittelbar proximal der Zehen. Der Schmerz lässt sich durch Stehen/Gehen auf hartem Untergrund und Zehenspitzenstand provozieren. In der Regel sind die Beschwerden beim Barfussgehen am ausgeprägtesten und nehmen beim Tragen von (weichen, breiten) Schuhen und in Ruhe ab. Einige Patienten beschreiben ein Fremdkörpergefühl (Kieselstein im Schuh oder Falz im Strumpf), Taubheit oder Dysästhesien.

Zunächst sollte versucht werden, die Beschwerden mit konservativen Massnahmen zu behandeln. Dazu gehören Übungen zur Stärkung der kleinen (intrinsischen) Fussmuskeln und das Dehnen der Wadenmuskulatur. Unterstützend können orthopädische Schuheinlagen verschrieben werden. Bei ausbleibender Besserung kann mittels Infiltrationstherapie die Reizung lokal antiphlogistisch angegangen werden. Helfen diese Massnahmen nicht, gibt es operative Möglichkeiten, um die Drucküberlastung im Vorfuss zu reduzieren.

Ursachen

Die Ursachen der Metatarsalgie können angeboren, erworben oder iatrogen verursacht sein. Man spricht auch von primärer, sekundärer und iatrogener Metatarsalgie, wobei bei der primären Metatarsalgie die Ursachen am Fuss selbst zu suchen sind. Dazu gehören diverse Fussformen (z.B. Hallux valgus, Spreizfuss, Brachimetatarsale I).
Die sekundären Ursachen sind in systemischen Erkrankungen wie Gicht und rheumatoider Arthritis zu finden.

Mechanische Ursache

Bei den mechanischen Ursachen besteht meist eine relative Überlänge des 2. Metatarsales relativ zum ersten Metatarsale oder eine Instabilität der Metatarsophalangealgelenke (Abb. 1). Diese führen zu einer unphysiologischen Belastung des Vorfusses. Die Fehl- oder Überlastung wird zusätzlich noch begünstigt durch das regelmässigen Tragen von ungedämpften Schuhen, hohen Absätzen und das Gehen auf hartem Boden. Das Gewebe reagiert darauf mit funktionellen Einschränkungen und strukturellen Veränderungen (1).

Durch die oben beschriebene Zunahme der Belastung unter dem 2. und 3. Metatarsale bildet sich am Vorfussballen eine druckempfindliche Hornhaut oder gar Hühneraugen, und das schützende plantare Fettpolster unter den Mittelfussgelenken nimmt ab.

Beim gesunden Fuss verteilt sich die Last beim Abrollvorgang harmonisch von der Ferse bis zum Vorfuss. Das Gewicht verteilt sich auf alle Metatarsaleköpfchen, wobei das erste doppelt so viel Last übernimmt wie die restlichen vier zusammen (1). Ist nun diese Lastverteilung gestört, kann eine Metatarsalgie auftreten.
Auch plötzliches oder intensives Training, vor allem Lauf- und Stop-and-Go-Sportarten, kann zu einer Überlastung und Reizung der Metatarsophalangealgelenke führen. Die Reizung kann passager sein, aber auch eine sekundäre Instabilität der betroffenen Gelenke mit anhaltender Schmerzentwicklung nach sich ziehen.

Weitere Risikofaktoren sind High-impact-Sportarten und Übergewicht.
Beim Hallux valgus führt die Fehlstellung des 1. Metatarsophalangeal (MTP)-Gelenks zu einer vermehrten Belastung der benachbarten MTP-Gelenke (2), was sich Transfermetatarsalgie nennt und sich unterhalb vom 2. und 3. (Abb. 1) MTP-Gelenk bemerkbar macht. Der Hallux valgus tritt häufiger bei Frauen auf. Frauen über 65 Jahre leiden mit einer Wahrscheinlichkeit von 35% an einer Hallux-valgus-Fehlstellung (3).
Ein sehr kurzes erstes Metatarsale, sog. Brachimetatarsale I, kann die Überlastung vom MTP-II- und -III-Gelenk zusätzlich verstärken (Abb. 1). Dieses führt ebenfalls zu einer relativen Überlänge der lateralen Strahlen im Verhältnis zum Metatarsale I.

Eine weitere Ursache, welche zu einer Transfermetatarsalgie führen kann, ist der Hallux rigidus, die Arthrose im Grosszehengrundgelenk. Durch die zunehmende Bewegungseinschränkung im MTP-I-Gelenk kommt es zur Überlastung der benachbarten MTP-Gelenke, einer Transfermetatarsalgie.
Beim Spreizfuss (Pes transversoplanus), welcher oft mit dem Hallux valgus vergesellschaftet ist, weichen die Mittelfussknochen auseinander, und das Quergewölbe flacht sich ab (Abb. 2).

Der Verlust des Quergewölbes führt zu einer Überdehnung oder gar Ruptur der plantaren Platte. Diese stabilisiert das MTP-Gelenk von plantar und kann bei Läsionen zu Verformungen der Zehen, Hammer-, Krallenzehen und Über-/Unterkreuzung der Zehen führen (11).

Durch eine zusätzliche Fehlstellung der Kleinzehen (Hammer-, Krallenzehen) kann es zu Entzündungen der kleinen Gelenke kommen (Abb. 3). Die Fehlstellung der Kleinzehen kann ausserdem durch die Überstreckung der Grundgelenke zu einer Verlagerung des plantaren Fettpolsters, weg von den Mittelfussköpfchen, führen, sodass die Dämpfung für die Köpfchen wegfällt.

Neurologische Ursache – das Morton-Neurinom

Eine unphysiologische Druckbelastung der Mittelfussknochen und der Raum zwischen den Metatarsalia kann zu einer Verdickung und Entzündung des darin verlaufenden Nervs führen (Abb. 4). Man spricht dann von einer Morton-Neuralgie oder einem Morton-Neurinom.

Dies ist ein gutartiger Tumor, welcher perineural auftritt und damit zu einem Nervenkompressionssyndrom führt. Am häufigsten betroffen ist der 3. Intermetatarsalraum (Interdigital III/IV) gefolgt vom 2. Intermetatarsalraum (Interdigital II/III). Selten finden sich diese Neurome im 1. und 4. Intermetatarsalraum (4).

Systemisch entzündliche Erkrankungen

Die rheumatoide Arthritis, die am weitesten verbreitete entzündliche Gelenkerkrankung (5), betrifft meist die ­kleinen Gelenke der Hände und Füsse. Andere Erkrankungen, die zu Entzündungen an diesen Gelenken führen können, sind die Psoriasis oder seltener eine Kristallarthropathie (Gicht, Pseudogicht). Die Gelenkentzündungen machen sich mit schmerzhaften geschwollenen Gelenken bemerkbar. Da die Erkrankung nicht nur die Knochen, sondern auch Knorpel, Bänder und Sehnen betrifft, kommt es im weiteren Verlauf zu Kontrakturen, Fehlstellungen und Funktionsverlust der Gelenke (6).

Aseptische Nekrosen, Frakturen

Beim Morbus Köhler II, auch Morbus Köhler-Freiberg genannt, handelt es sich um eine aseptische Knochennekrose der Metatarsalköpfchen II–V, wobei das 2. Metatarsalköpfchen am meisten betroffen ist. Durch die Nekrose kommt es zum Einbruch des Knochens und Deformität des Metatarsalköpfchens, was zur Arthrose im Metatarsophalangealgelenk führt (Abb. 5). Die Ursache für diese Durchblutungsstörung ist nicht schlüssig geklärt. Mikrotraumta und systemische Erkrankungen sind die häufigsten Erklärungen (7).
Durch Frakturen an den Metatarsalia kann es zu Fehlstellungen und ebenfalls nicht physiologischen Belastungen in den MTP-Gelenken kommen (Abb. 6).

Iatrogene Ursachen

Iatrogene Ursachen der Metatarsalgie sind bedingt durch chirurgische Voreingriffe, zum Beispiel einer Hallux-valgus-Korrektur mit Verkürzung des Metatarsale I (Abb. 6), Versteifung des Grosszehengrundgelenks, diverse Zeheneingriffe sowie wiederholte Steroidinfiltrationen. Steroide zeigen neben der gewünschten antiinflammatorischen Wirkung auch negative Effekte wie Schwächung der Sehnenstrukturen, Knorpelschädigungen sowie Ruptur der Gelenkkapsel mit daraus folgender Gelenkinstabilität (8).

Verkürzung der Wadenmuskulatur

Die Verkürzung der Achillessehne/Wadenmuskulatur führt zu einer verstärkten Belastung des Vorfusses beim Gehen (analog dem Gehen mit hohen Absätzen). Grund dafür ist die fehlende Dorsalextension am Sprunggelenk: Die Last wird statt auf das Sprunggelenk auf die Mittelfussköpfchen übertragen.

Diagnostik

Die Diagnostik beginnt mit einer gründlichen Untersuchung der Füsse. Bei der Inspektion sucht man nach Schwellungen, Rötungen, Hornhautbildung und Fehlstellungen. Beim Gangbild achtet man auf ein Hinken, eine asymmetrische Belastung und/oder einen unnatürlichen Abrollvorgang. Zudem wird auf einen verfrühten «heel lift off» geachtet: Bei der verkürzten Achillessehne verliert die Ferse im Gangzyklus früh den Bodenkontakt.

Eine verkürzte Gastrocnemiusmuskulatur wird mittels Silfverskjöld-Test ermittelt (9). Dabei testet man die maximale Dorsalextension des Fusses bei 90° gebogenem Knie und vergleicht dies mit der maximalen Dorsalextension bei gestrecktem Knie. Dieser Test ist positiv bei verkürztem M. Gastrocnemius, was zu einer vermehrten Belastung des Vorfussballens beim Gehen führt. Die Inspektion der Schuhsohlen gibt, bei asymmetrischem Abnutzungsprofil, Hinweise auf das Gangbild und mögliche Fussüberlastungen des Patienten.

Einzelne klinische Test können auf eine spezifische Pathologie hindeuten. Dazu gehört der Daumen-Zeigefinger-Kompressionstest (dabei wird der Daumen dorsal und der Zeigefinger plantar in den Intermetatarsalraum gepresst), der Mulder’s-click-Test sowie der Vorfuss-Kompressionstest, welche hinweisend für ein Morton-Neurom sein können (4).

Der «Schubladen-Test» der MTP-Gelenke beschreibt eine mögliche Läsion der plantaren Platte, wie sie zum Beispiel nach mehrfacher Steroidinfiltration des Gelenkes auftritt. Dabei wird die Zehe bei Fixation des Metatarsalköpfchens nach plantar und dorsal bewegt. Der Test ist positiv, wenn die Beweglichkeit erhöht ist, und zeigt eine Instabilität im MTP-Gelenk auf (10).

Ein konventionelles, im Stehen durchgeführtes, Röntgenbild der Füsse in drei Ebenen (dorso-plantar, lateral und schräg) kann anatomische Ursachen der Metatarsalgie erfassen. Dieses wird auf eine Hallux-valgus-Fehlstellung/ Arthrose im MTP-I-Gelenk, eine Überlänge vom 2. Strahl bzw. kurzes Metatarsale I, Stressfrakturen, Arthrose oder Nekrosen sowie (Sub-)Luxationen der Metatarsophalan­gealgelenke beurteilt.
Gibt das Röntgenbild keine Hinweise für mögliche Ursachen der Symptome, kann die Diagnostik mittels MRT erweitert werden. Dies soll jedoch nicht standardmässig erfolgen.

In der MRT kann zusätzlich eine Überlastung oder beginnende Stressfraktur, welche im konventionellen Röntgen noch nicht ersichtlich ist, diagnostiziert werden. Die MRT eignet sich zudem für den Nachweis eines Morton-Neuroms, Überlastung der MTP-Gelenke, Läsionen der plantaren Platte und intermetatarsale Bursitiden.

Die Diagnostik mittels Ultraschall ist kostengünstig, aber untersucherabhängig. Geübte Untersucher können eine Läsion der plantaren Platte, Fehlstellung in den MTP-Gelenken und auch ein Morton-Neurinom diagnostizieren.

Therapie

Die meisten Ursachen der Metatarsalgien können durch Patientenschulung/Physiotherapie und Anpassung des Schuhwerkes erfolgreich therapiert werden. In seltenen Fällen muss ein Morton-Neurinom entfernt werden oder eine Fehlstellung operativ angegangen werden.

Konservativ

Die meisten Ursachen der Metatarsalgie können konservativ therapiert werden, wobei sich die Therapie nach der Ursache der Metatarsalgie richtet.
Die Dehnung der Wadenmuskulatur ist ein wichtiger Therapieansatz, welcher jeder Patient mit wenig Aufwand und selbständig durchführen kann (11).

Neben der Dehnung der Muskulatur sollen die kleinen Muskeln im Fuss, die intrinsische Muskulatur, regelmässig gekräftigt und massiert werden. Übungen sind zum Beispiel das «Handtuchgreifen» (Handtuch wird auf den Boden gelegt und mit dem Fuss aufgenommen) oder die «Ball-/Rollmassage» (z.B. wird ein Golfball sanft mit der Fusssohle hin- und hergerollt). Dies kann Verklebungen der Faszie und Verspannungen lösen, und es regt die Durchblutung an.

Ein zentraler Punkt der Therapie ist das Tragen von angepasstem Schuhwerk. Die Patienten werden darauf hingewiesen, Schuhe zu tragen, welche im Vorfussbereich genügend breit sind und den Zehen ausreichend Platz lassen. Ausserdem sollen sie eine weichbettende Sohle aufweisen, um Druckbelastungen zu minimieren. Auf Schuhe mit hohen Absätzen sollte verzichtet werden.
Reichen diese Massnahmen nicht aus, können orthopädische Einlagen verschrieben werden, welche den Fuss entsprechend unterstützen und den Vorfuss z.B. mit einer re­trokapitalen Pelotte entlasten (Abb. 7).

Infiltration

Eine etablierte Therapie, v.a. beim Morton-Neurinom, stellt die lokale Infiltration dar. Die Infiltration kann ultraschallgesteuert oder anhand von Landmarken ohne Bildgebung geschehen. Infiltriert wird in der Regel ein Gemisch von Steroiden und einem lokalen Anästhetikum, oder man benutzt Arnika anstelle von Cortison. Die entzündungshemmende Wirkung von Cortison und Arnika reduziert den Schmerz und den Druck auf den Nerven (6).

Aufgrund der unerwünschten Wirkungen von Cortison (Schädigung von Sehnen, Bändern, Knorpel) empfehlen wir primär die Verwendung von einem Phytotherapeutikum, zum Beispiel Traumeel®.

Operativ

In seltenen Fällen führt die konservative Therapie nicht zum Erfolg. Wird bei diesen Patienten eine Fehlstellung, Instabilität oder ein Morton-Neurinom nachgewiesen, kann durch einen operativen Eingriff eine Linderung erreicht werden. Ein solcher Eingriff ist indiziert, wenn die Vorfussbeschwerden aufgrund eines Hallux valgus/rigidus, einer Überlänge der Metatarsalia oder eines Morton- Neurinom vorliegt.
Ist eine Metatarsalgie aufgrund oder mit einer Hallux-valgus-Fehlstellung vorhanden, sollte man die Fehlstellung der Grosszehe ebenfalls korrigieren, auch wenn sie nicht die Hauptschmerzquelle darstellt, da ansonsten das Rezidivrisiko erhöht ist.

Diverse operative Möglichkeiten wurden beschrieben, um die Überlastung im Vorfuss zu reduzieren. Ein Beispiel ist die Osteotomie nach Weil, bei der man das Metatarsale, meist das 2. und 3., distal osteotomiert und dabei das Köpfchen nach oben und proximal versetzt. Ziel des Eingriffes ist es, den plantaren Druck auf das Metatarsalköpfchens zu minimieren (12). Die Osteotomie wird mit einer Schraube fixiert, die in der Regel keine Entfernung benötigt.

Bei einem Morton-Neurinom wird die Nervenverdickung exzidiert. Daraus resultiert in den meisten Fällen eine Hypo- bis Asensibilität zwischen den Zehen, worauf man den Patienten präoperativ aufmerksam machen muss.

Das postoperative Procedere hängt davon ab, ob nur ein Weichteileingriff durchgeführt wurde oder ob man mittels Osteotomien die ossären Strukturen korrigieren musste. Die postoperative Ruhigstellung ist in beiden Fällen ein Verbandsschuh (Hallux-Schuh, Abb. 8). Die Tragedauer variiert je nach Eingriff zwischen zwei und sechs Wochen.

Dr. med.Fabienne Inglin

Mein Fusszentrum AG
Allschwilerstrasse 14
CH-4054 Basel

fabienne.inglin@meinfusszentrum.ch

Prof. Dr. med. Markus Knupp

Mein Fusszentrum AG
Allschwilerstrassse 14
4055 Basel

markus.knupp@meinfusszentrum.ch

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert

1. Herausgeber. Fuss [Internet]. Heidelberg: Steinkopff; 1999 [zitiert 3. Juni 2024]. S. 30–5. Verfügbar unter: http://link.springer.com/10.1007/978-3-642-58708-5_4
2. Hofmann UK, Götze M, Wiesenreiter K, Müller O, Wünschel M, Mittag F. Transfer of plantar pressure from the medial to the central forefoot in patients with hallux valgus. BMC Musculoskelet Disord. Dezember 2019;20(1):149.
3. Gutteck N, Schilde S, Delank KS. Pain on the Plantar Surface of the Foot. Deutsches Ärzteblatt international [Internet]. 8. Februar 2019 [zitiert 3. Juni 2024]; Verfügbar unter: https://www.aerzteblatt.de/10.3238/arztebl.2019.0083
4. Bhatia M, Thomson L. Morton’s neuroma – Current concepts review. Journal of Clinical Orthopaedics and Trauma. Mai 2020;11(3):406–9.
5. Rheumaliga Schweiz [Internet]. [zitiert 3. Juni 2024]. Rheumaliga Schweiz. Verfügbar unter: https://www.rheumaliga.ch/
6. Jaakkola JI, Mann RA. A Review of Rheumatoid Arthritis Affecting the Foot and Ankle. Foot Ankle Int. Dezember 2004;25(12):866–74.
7. Carter KR, Chambers AR, Dreyer MA. Freiberg Infraction. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2024 [zitiert 3. Juni 2024]. Verfügbar unter: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK537308/
8. Kamel SI, Rosas HG, Gorbachova T. Local and Systemic Side Effects of Corticosteroid Injections for Musculoskeletal Indications. American Journal of Roentgenology. März 2024;222(3):e2330458.
9. Barske HL, DiGiovanni BF, Douglass M, Nawoczenski DA. Current Concepts Review: Isolated Gastrocnemius Contracture and Gastrocnemius Recession. Foot Ankle Int. Oktober 2012;33(10):915–21.
10. Coughlin MJ, Baumfeld DS, Nery C. Second MTP Joint Instability: Grading of the Deformity and Description of Surgical Repair of Capsular Insufficiency. The Physician and Sportsmedicine. September 2011;39(3):132–41.
11. Cortina RE, Morris BL, Vopat BG. Gastrocnemius Recession for Metatarsalgia. Foot and Ankle Clinics. März 2018;23(1):57–68.
12. Barouk LS. Die Metatarsalosteotomie nach Weil zur Behandlung der Metatarsalgie. Der Orthopäde. 23. August 1996;25(4):338–44.

Medizin und Recht: eine Einführung – Teil 1

Die Entwicklung des schweizerischen Medizinrechts ist eng mit der gesellschaftlichen und medizinischen Entwicklung verknüpft. In der Frühzeit und im Mittelalter prägten Heilkundige und Klöster die medizinische Versorgung, wobei das kanonische Recht eine wichtige Rolle spielte. In der frühen Neuzeit entstanden erste regionale Regelungen der ärztlichen Berufsausübung. Mit der Gründung des Bundesstaates 1848 begann die Modernisierung des Medizinrechts; wichtige Gesetze wie das Fabrikgesetz (1877) und das erste Krankenversicherungsgesetz (1911) wurden eingeführt. Jahrhundert setzte mit der Einführung der AHV/IV (1948) und des Krankenversicherungsgesetzes (KVG, 1996) eine weitere Professionalisierung ein. Gegenwärtig wird das Medizinrecht durch Gesetze wie das Humanforschungsgesetz (2014) auf die modernen ethischen und rechtlichen Herausforderungen ausgerichtet und bleibt ein dynamisches Gebiet.

Schlüsselwörter: Medizinrecht, Gesundheitspolitik, Geschichte, Soziale Sicherheit, Berufshaftung

Historische Entwicklung des ­schweizerischen Medizinrechts

Die Entwicklung des Medizinrechts in der Schweiz ist ein langer und komplexer Prozess, der eng mit den Veränderungen in Medizin, Gesellschaft und Politik verbunden ist. Sie zeigt, wie sich die rechtlichen Rahmenbedingungen an neue medizinische Erkenntnisse und gesellschaftliche Bedürfnisse angepasst haben. Historisch gut aufgearbeitet ist die Geschichte der sozialen Sicherheit in der Schweiz (1).

Tab. 1 fasst die historische Entwicklung des Medizinrechts in der Schweiz und die wichtigsten gesetzlichen Entwicklungen zusammen, die zur heutigen rechtlichen Grundlage für das Gesundheitswesen beigetragen haben.

Wichtige Persönlichkeiten in der Entwicklung des Medizinrechts

Die Entwicklung des Medizinrechts in der Schweiz wurde von verschiedenen Persönlichkeiten geprägt, deren Beiträge von grosser Bedeutung waren:

  • Ignaz Paul Vital Troxler (1780–1866): Schweizer Arzt und Philosoph, der sich stark für die Verbesserung der medizinischen Ausbildung und des Gesundheitswesens einsetzte.
  • Gustav von Hirsch (1814–1886): Als Pionier des schweizerischen Gesundheitswesens war er massgeblich an der Einführung des Fabrikgesetzes beteiligt, das die Arbeitsbedingungen in den Fabriken regelte und den Gesundheitsschutz der Arbeiter verbesserte.
  • Gottlieb Burckhardt (1836–1907): Schweizer Psychiater, der als einer der Ersten in der Schweiz gesetzliche Regelungen für den Umgang mit psychisch Kranken forderte und massgeblich zur Entwicklung des Psychiatriegesetzes beitrug.
  • Adolf F. Meyer (1866–1950): Bedeutender Psychiater, dessen Arbeiten zur Psychiatrie und zur ärztlichen Ethik Einfluss auf die gesetzliche Regelung der ärztlichen Praxis hatten.

Entwicklung von Seuchenrecht und ­Seuchenpolizei

Ein besonders wichtiger Bereich des Medizinrechts ist das Seuchenrecht, das Massnahmen zur Bekämpfung und Verhütung von Epidemien und Pandemien regelt. Die Seuchenpolizei, eine besondere Form der Gesundheitspolizei, spielte in der Schweiz eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung von Epidemien.

Die Choleraepidemien des 19. Jahrhunderts machten deutlich, wie wichtig koordinierte Massnahmen zur Seuchenbekämpfung sind. Um rasch und wirksam auf Epidemien reagieren zu können, wurde die Seuchenpolizei eingeführt. Dazu gehörten Quarantäne, Hygienekontrollen und Impfkampagnen (2).

Das ursprüngliche Epidemiengesetz von 1928 legte den Grundstein für die moderne Seuchenbekämpfung in der Schweiz. Es wurde 2012 grundlegend revidiert, um den aktuellen Herausforderungen besser gerecht zu werden und eine wirksame Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu gewährleisten. Es regelt die Meldepflichten, die Massnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Epidemien sowie die Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und internationalen Organisationen.

Heutige Entwicklungen und Herausforderungen

In den letzten Jahrzehnten hat sich das Medizinrecht weiterentwickelt, um den neuen Herausforderungen einer sich wandelnden Gesellschaft und der fortschreitenden medizinischen Innovation gerecht zu werden.
Beispiele sind:

  • Humanforschungsgesetz (HFG, 2014) regelt die ethischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für die medizinische Forschung am Menschen und stellt sicher, dass die Würde und die Rechte der teilnehmenden Personen geschützt werden.
  • Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG, 2001) regelt die medizinisch unterstützte Fortpflanzung und den Umgang mit Embryonen, um ethische Standards und den Schutz der betroffenen Personen zu gewährleisten.
  • Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier (EPDG, 2017) fördert die Einführung und Anwendung des elektronischen Patientendossiers, um die Qualität und Effizienz der Gesundheitsversorgung zu verbessern und den Schutz der Patientendaten zu gewährleisten.

Die historische Entwicklung des Medizinrechts in der Schweiz demonstriert die kontinuierliche Weiterentwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen, um den sich wandelnden Anforderungen der Gesellschaft gerecht zu werden. Die Geschichte des Medizinrechts ist geprägt von den Bemühungen um eine gerechte, sichere und qualitativ hochstehende medizinische Versorgung. Diese manifestieren sich in frühen städtischen Medizinalordnungen, der Modernisierung im 19. Jahrhundert sowie spezialgesetzlichen Regelungen im 20. und 21. Jahrhundert. Bedeutende Persönlichkeiten haben durch ihre Beiträge und ihr Engagement das Medizinrecht massgeblich mitgestaltet. Die Einführung der Seuchenpolizei sowie die Entwicklung des Seuchenrechts veranschaulichen die Fähigkeit des schweizerischen Rechtssystems, auf gesundheitliche Krisen zu reagieren und sich an neue Herausforderungen anzupassen.

Was ist «Recht»?

Recht ist ein System von Regeln und Normen, die das Verhalten von Individuen und Institutionen in einer Gesellschaft bestimmen. Diese Regeln sind durchsetzbar und werden von staatlichen Behörden wie Gerichten und Verwaltungsbehörden überwacht. Das Recht dient dazu, soziale Ordnung und Gerechtigkeit zu gewährleisten, Konflikte zu lösen und die Rechte und Pflichten der Mitglieder einer Gesellschaft festzulegen. Es schafft die Grundlage für ein geordnetes Zusammenleben und ermöglicht den Ausgleich von Freiheit und Sicherheit (3, 4).

Immanuel Kant (1724–1804), einer der bedeutendsten Philosophen der Aufklärung, formulierte das Zitat: «Das Recht ist der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit vereinigt werden kann.» Dieses Zitat verdeutlicht Kants Verständnis von Recht und Freiheit in einer Gesellschaft (5).

Kant beschreibt das Recht als eine Gesamtheit von Bedingungen oder Regeln, die notwendig sind, um eine geordnete und gerechte Gesellschaft zu gewährleisten. Mit «Willkür» meint Kant die freie Entscheidung oder den freien Willen jedes Einzelnen. Er erkennt an, dass jeder Mensch seine eigenen Wünsche und Ziele hat. Gleichzeitig betont er, dass diese individuellen Willensfreiheiten so koordiniert werden müssen, dass sie nach allgemeinen, für alle geltenden Gesetzen funktionieren. Diese Gesetze der Freiheit müssen so beschaffen sein, dass die Freiheit des einen nicht die Freiheit des anderen einschränkt.

Zusammenfassend beschreibt Kant ein Grundprinzip des Rechts: Es geht darum, Bedingungen zu schaffen, unter denen die Freiheit jedes Einzelnen mit der Freiheit aller in Einklang gebracht werden kann. Ziel ist es, eine Situation zu schaffen, in der die individuellen Freiheiten harmonisch nebeneinander bestehen können, ohne dass die Freiheit des einen die Freiheit des anderen beeinträchtigt. Das bedeutet, dass das Recht die Rahmenbedingungen festlegt, innerhalb derer der Einzelne seine Freiheit ausüben kann, während gleichzeitig die Freiheiten der anderen geschützt werden. Die «allgemeinen Gesetze der Freiheit» sind dabei die rechtlichen und ethischen Regeln, die für alle glei­chermassen gelten und dafür sorgen, dass die individuelle Willensfreiheit nicht zu Konflikten oder Ungerechtigkeiten führt.

Anwendung auf das Medizinrecht

Dieses Prinzip lässt sich gut auf das Medizinrecht anwenden. Im Medizinrecht geht es darum, die Freiheiten und Rechte von Patienten und Angehörigen der Heilberufe (Medizinalpersonen) zu schützen und zu koordinieren. Ein Patient hat beispielsweise das Recht auf Selbstbestimmung und kann frei entscheiden, welche medizinischen Behandlungen er annehmen oder ablehnen möchte. Gleichzeitig hat der Arzt die Freiheit, sein medizinisches Fachwissen einzusetzen, um dem Patienten die bestmögliche Behandlung zukommen zu lassen. Das Medizinrecht schafft die Voraussetzungen dafür, dass diese Freiheiten harmonisch aufeinander abgestimmt werden können.

Beispielsweise regeln die Patientenrechte im Medizinrecht, dass der Patient umfassend aufgeklärt werden muss, bevor er in eine Behandlung einwilligt. Dies schützt die Willkür (Entscheidungsfreiheit) des Patienten und stellt sicher, dass er seine Entscheidung auf der Grundlage vollständiger Information trifft. Auf der anderen Seite regelt das ärztliche Berufsrecht, dass Ärzte ihre Patienten nach bestem Wissen und Gewissen behandeln müssen.

Diese rechtlichen Rahmenbedingungen stellen sicher, dass die Freiheit und die Rechte aller Beteiligten gewahrt bleiben und gleichzeitig die notwendige Ordnung und Gerechtigkeit im Gesundheitswesen aufrechterhalten wird. So wird das Kant’sche Prinzip im Kontext des Medizinrechts konkretisiert, indem die individuellen Freiheiten der Patienten und der Angehörigen der Heilberufe durch allgemeine Freiheitsgesetze in Einklang gebracht werden.

Unterscheidung von Moral, Sitte und Recht

Die Unterscheidung von Moral, Sitte und Recht ist wichtig, weil sie unterschiedliche Aspekte des sozialen und ­ethischen Verhaltens regeln und unterschiedliche Funktionen in der Gesellschaft erfüllen.

Sittlichkeit

Moral bezieht sich auf die inneren Einstellungen und Werthaltungen eines Menschen. Sie umfasst die persönlichen Überzeugungen darüber, was richtig und falsch ist, sowie die individuellen Grundsätze und Werte, nach denen jemand sein Leben ausrichtet. Moralvorstellungen sind tief im Inneren eines Menschen verankert und können nicht von aussen erzwungen werden. Es handelt sich um eine freiwillige Selbstbindung an ethische Normen, die vom eigenen Gewissen und der persönlichen Integrität geleitet wird.

Beispiel

Ein Arzt steht vor der Entscheidung, eine lebenserhaltende Behandlung bei einem schwer kranken Patienten, der nicht mehr bei Bewusstsein ist, fortzusetzen oder zu beenden. Obwohl rechtlich möglicherweise die Fortsetzung der Behandlung erlaubt ist, könnte der Arzt aufgrund seiner persönlichen ethischen Überzeugung und seinem Verständnis von Lebensqualität zu dem Schluss kommen, dass es moralisch richtiger wäre, die Behandlung nicht fortzusetzen. Diese Entscheidung wird stark von seinen individuellen moralischen Werten und seinem Gewissen beeinflusst.

Sitte

Sitte beschreibt das äussere Verhalten von Menschen, das nicht erzwungen werden kann, aber von der Gesellschaft allgemein erwartet wird. Es handelt sich um Verhaltensnormen, die durch Traditionen und kulturelle Gepflogenheiten geprägt sind. Sitten regeln das soziale Miteinander und fördern ein harmonisches Zusammenleben. Obwohl sie rechtlich nicht bindend sind und ihre Missachtung keine rechtlichen Konsequenzen nach sich zieht, führt ihre Missachtung häufig zu sozialer Missbilligung oder Ablehnung durch die Gemeinschaft.

Beispiel

In vielen Kulturen und Gesellschaften gibt es bestimmte Erwartungen darüber, wie Ärzte und medizinisches Personal mit Patienten und deren Familien umgehen sollten. Beispielsweise könnte es als Sitte gelten, dass Ärzte stets eine beruhigende und respektvolle Kommunikation mit den Patienten pflegen, selbst wenn dies nicht gesetzlich vorgeschrieben ist. Diese Verhaltensweise ist durch kulturelle Normen und Erwartungen geprägt und fördert das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient.

Recht

Das Recht besteht aus Ordnungsregeln, die das äussere Verhalten der Menschen mitbestimmen und vom Staat durchgesetzt werden können. Es umfasst die Gesamtheit der Gesetze und Verordnungen, die von staatlichen Institutionen erlassen und durchgesetzt werden. Im Gegensatz zu Moral und Sitte zielt das Recht darauf ab, das Verhalten der Menschen verbindlich zu regeln und bei Verstössen Sanktionen zu verhängen. Rechtsnormen sind öffentlich bekannt und gelten für alle Mitglieder einer Gesellschaft. Sie dienen dazu, soziale Ordnung zu schaffen, Konflikte zu lösen und die Rechte und Pflichten des Einzelnen festzulegen.

Beispiel

Das Recht schreibt vor, dass Ärzte die Einwilligung des Patienten einholen müssen, bevor sie eine medizinische Behandlung durchführen. Dies ist eine rechtliche Anforderung, bekannt als «informed consent». Ohne eine solche Einwilligung kann die Durchführung einer medizinischen Behandlung rechtliche Konsequenzen haben, darunter Straf- oder Zivilklagen wegen Körperverletzung oder Misshandlung. Rechtsnormen wie diese sind explizit festgelegt und müssen von allen medizinischen Fachkräften befolgt werden, um rechtliche Sanktionen zu vermeiden.

Vergleich Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Biomedizinrecht

Die Begriffe Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Biomedizinrecht beschreiben verschiedene, aber miteinander verwandte Rechtsgebiete, die unterschiedliche Aspekte des Gesundheitswesens und der medizinischen Praxis regeln. Obwohl sie sich überschneiden, hat jedes dieser Rechtsgebiete spezifische Schwerpunkte und Zielsetzungen (Tab. 2).

Struktur des Rechts

Das Rechtssystem ist ein komplexes Gefüge von Normen und Regeln, die das Zusammenleben in einer Gesellschaft ordnen und gestalten. Es gliedert sich in drei Hauptbereiche: öffentliches Recht, Privatrecht und Strafrecht. Das öffentliche Recht regelt die Beziehungen zwischen Staat und Bürger sowie die Organisation und Tätigkeit des Staates. Es umfasst das Staatsrecht, das Verwaltungsrecht, das Völkerrecht und das Europarecht. Das Privatrecht, auch Zivilrecht genannt, betrifft die Rechtsbeziehungen zwischen Privatpersonen und umfasst das allgemeine Zivilrecht, das Handelsrecht und das Arbeitsrecht. Das Strafrecht definiert strafbare Handlungen und legt die entsprechenden Sanktionen fest; es gliedert sich in materielles Strafrecht und Strafprozessrecht. Daneben gibt es das formelle Recht, das die Verfahren zur Durchsetzung des materiellen Rechts regelt, wie das Zivilprozessrecht, das Strafprozessrecht und das Verwaltungsprozessrecht. Diese Gliederung des Rechts sorgt für eine systematische Strukturierung der rechtlichen Regelungen zur Gestaltung des Zusammenlebens und zur Lösung von Rechtskonflikten.

Wichtige Rechtsnormen des ­Medizinrechts im Überblick

Das Medizinrecht umfasst verschiedene Rechtsgebiete, die für Ärzte und Grundversorger von Bedeutung sind. Wichtige Rechtsnormen des Medizinrechts sind neben dem öffentlichen Recht, dem Privatrecht, dem Strafrecht, das kantonale Recht, das internationale Recht und das «Soft Law».

Öffentliches Recht

Zum öffentlichen Recht gehören unter anderem das Krankenversicherungsgesetz (KVG) und die dazugehörigen Verordnungen, das Medizinalberufegesetz, das Epidemiengesetz, das Heilmittelgesetz sowie das Transplantationsgesetz. Zudem gehören das Humanforschungsgesetz und das Fortpflanzungsmedizingesetz zu den zentralen Regelungen, welche die Rahmenbedingungen für die medizinische Versorgung und Forschung festlegen.

Privatrecht

Das Privatrecht umfasst den Persönlichkeitsschutz, das Auftragsrecht, das Haftpflichtrecht und das Recht der Handlungsfähigkeit. Eine wichtige Rolle spielen auch das Erwachsenenschutzrecht sowie die Regelungen zur elterlichen Sorge und zum Kindesschutz. Hinzu kommen das Versicherungsvertragsrecht und das internationale Privatrecht, welche die Rechtsbeziehungen zwischen Privatpersonen und Versicherungen regeln.

Strafrecht

Im Strafrecht stehen Körperverletzungs- und Tötungsdelikte einschliesslich der Beihilfe zum Suizid im Vordergrund. Von Bedeutung sind auch das Geheimnisverletzungs- und das Nebenstrafrecht, die den Umgang mit vertraulichen Informationen und die strafrechtliche Verantwortlichkeit bei deren Verletzung regeln.

Kantonales Recht

Das kantonale Recht umfasst die Gesundheitsgesetze und die kantonalen Verordnungen zum ärztlichen Berufsrecht. Spital- und Patientenreglemente sowie die kantonale Datenschutzgesetzgebung gehören ebenfalls zum kantonalen Recht. Einführungsgesetze zum Kindes- und Erwachsenenschutz sowie Regelungen zur Gesundheitsversorgung, insbesondere zur Spital- und Heimplanung und -finanzierung, sind ebenfalls wichtige Bestandteile des kantonalen Rechts.

Internationales Recht

Im internationalen Recht sind die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), die Biomedizinkonvention, das Erwachsenenschutzübereinkommen und die Behindertenrechtskonvention von Bedeutung. Diese internationalen Abkommen und Verträge setzen Standards für den Schutz der Menschenrechte und die medizinische Versorgung auf internationaler Ebene.

«Soft Law»

Neben den formellen gesetzlichen Regelungen gibt es auch «Soft Law». Dazu gehören die Standesordnung der FMH, die Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) und die Qualitätsrichtlinien der Fachgesellschaften. Diese nicht verbindlichen Regeln und Empfehlungen dienen als Orientierungshilfe für eine verantwortungsvolle und qualitativ hochstehende ärztliche Tätigkeit.

Die Rechtsordnung im Überblick

Die Rechtsordnung gliedert sich in verschiedene Rechtsgebiete, die in Privatrecht und öffentliches Recht unterteilt werden.

Privatrecht

Das Privatrecht, auch Zivilrecht genannt, regelt die Rechtsbeziehungen zwischen Privatpersonen. Es umfasst das Bürgerliche Recht und das Handelsrecht. Innerhalb des Zivilrechts ist das Zivilgesetzbuch (ZGB) und das Obligationenrecht (OR) von zentraler Bedeutung. Das ZGB enthält allgemeine Bestimmungen über Personen, Familien, Erbschaften und Sachen. Das OR, bestehend aus den Artikeln 1 bis 551, regelt die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen Privatpersonen. Das Handelsrecht, das aus den Artikeln 552 bis 1186 OR besteht, enthält Sonderbestimmungen für Kaufleute und Handelsgesellschaften.

Öffentliches Recht

Das öffentliche Recht regelt die Beziehungen zwischen dem Staat und den Bürgern sowie die Organisation und die Tätigkeit des Staates. Es gliedert sich in materielles und formelles öffentliches Recht.
Das materielle öffentliche Recht umfasst das Staatsrecht, das Verwaltungsrecht und das Strafrecht. Das Staatsrecht befasst sich mit den Grundlagen und der Organisation des Staates sowie den Rechten und Pflichten der Staatsbürger. Das Verwaltungsrecht regelt die Tätigkeit der staatlichen Verwaltung und die Rechtsbeziehungen zwischen Bürger und Verwaltung. Das Strafrecht bestimmt die Voraussetzungen und Folgen strafbaren Verhaltens.
Das formelle Recht umfasst das Verfahrensrecht und das Vollstreckungsrecht. Das Verfahrensrecht regelt die Durchführung von Gerichts- und Verwaltungsverfahren. Das Vollstreckungsrecht bezieht sich auf die Durchsetzung und Vollstreckung der im materiellen Recht festgelegten Vorschriften und Entscheidungen.

Unterscheidung von Privatrecht und öffentlichem Recht

Privatrecht und öffentliches Recht sind zwei grundlegende Bereiche der Rechtsordnung, die sich in ihren Grundsätzen und Anwendungsbereichen unterscheiden.

Privatrecht

Das Privatrecht, auch Zivilrecht genannt, regelt die Rechtsbeziehungen zwischen Privatpersonen. Ein zentraler Grundsatz des Privatrechts ist die Privatautonomie. Dieser Grundsatz besagt, dass Privatpersonen die Freiheit haben, ihre Rechtsbeziehungen nach ihren eigenen Vorstellungen und durch gegenseitige Vereinbarungen zu gestalten. Ein weiterer wichtiger Grundsatz des Privatrechts ist die Selbstverantwortung. Dies bedeutet, dass der Einzelne für sein Handeln und die daraus resultierenden Folgen selbst verantwortlich ist.

Die Privatautonomie ermöglicht es den Beteiligten, Verträge frei abzuschliessen und ihre privaten Angelegenheiten ohne staatliche Einmischung zu regeln, solange sie sich im Rahmen der geltenden Gesetze bewegen. Die Eigenverantwortung betont die Pflicht des Einzelnen, seine Rechte und Pflichten selbst wahrzunehmen und durchzusetzen.

Öffentliches Recht

Das öffentliche Recht regelt die Beziehungen zwischen Staat und Bürgern sowie die Organisation und Tätigkeit des Staates. Im Gegensatz zum Privatrecht ist das öffentliche Recht auf das Gemeinwohl ausgerichtet. Das bedeutet, dass staatliche Massnahmen und Regelungen darauf abzielen, das Wohl der Allgemeinheit zu fördern und zu schützen.

Ein weiteres Grundprinzip des öffentlichen Rechts ist die Rechtsgleichheit. Dieses Prinzip verlangt, dass der Staat gleiche Chancen für alle Bürger gewährleistet und Diskriminierungen verhindert. Dies geschieht durch Gesetze und Massnahmen, die darauf abzielen, soziale Ungleichheiten auszugleichen und den Zugang zu öffentlichen Gütern und Dienstleistungen zu gewährleisten.

Die wichtigsten Rechtsquellen des schweizerischen Medizinrechts

Das Medizinrecht in der Schweiz stützt sich auf verschiedene Rechtsquellen des geschriebenen Rechts, die hierarchisch gegliedert sind. Diese Hierarchie beginnt mit der Verfassung, gefolgt von den Gesetzen und schliesslich den Verordnungen. Daneben spielen internationale Abkommen und weitere Regelwerke eine wichtige Rolle (Tab. 3).

Diese Rechtsquellen bilden die Grundlage des schweizerischen Medizinrechts und stellen sicher, dass die medizinische Versorgung nach rechtlichen und ethischen Standards erfolgt. Für Ärztinnen und Ärzte sowie Grundversorgerinnen und Grundversorger ist es unerlässlich, diese Regelungen zu kennen und einzuhalten, um eine rechtskonforme und qualitativ hochstehende Versorgung zu gewährleisten.

Die Rolle der Rechtsprechung im Medizinrecht

Die Rolle der Rechtsprechung im Medizinrecht gewinnt im schweizerischen Recht zunehmend an Bedeutung. Die zunehmende rechtliche Regulierung und der wachsende Einfluss der Rechtsprechung beeinflussen den medizinischen Alltag erheblich.

Bei der Auslegung und Anwendung der oben diskutierten Gesetze spielt die Rechtsprechung des Bundesgerichts und der kantonalen Gerichte eine zentrale Rolle.

Die Gerichtsentscheide klären oft strittige Fragen, die sich aus der medizinischen Praxis ergeben, wie zum Beispiel die Einwilligung zu medizinischen Eingriffen, die Aufklärungspflicht der Ärztinnen und Ärzte, die Schweigepflicht und der Datenschutz sowie Haftungsfragen bei Behandlungsfehlern. Diese Urteile schaffen Präzedenzfälle (Leitentscheide), die die Rechtspraxis weiter prägen und beeinflussen.

Das Schweizerische Bundesgericht hat einige wichtige Leitentscheide im Bereich des Medizinrechts gefällt. Nachfolgend ein paar Beispiele von Leitentscheiden zum KVG:

  • Das Urteil BGE 148 V 242 vom 1. April 2022 befasst sich mit der Frage der Übernahme der Restkosten für den Aufenthalt in einem Pflegeheim durch den Wohnkanton gemäss Art. 25a Abs. 5 KVG. Im vorliegenden Fall trat eine in Genf wohnhafte Person in ein Pflegeheim im Kanton Zürich ein und verlangte die Übernahme der Restkosten durch den Kanton Genf. Der Kanton Genf lehnte das Gesuch mit der Begründung ab, dass eine Kostenübernahme nur für Pflegeheime in geografischer Nähe vorgesehen sei. Die Genfer Gerichte verpflichteten den Kanton Genf jedoch, die Restkosten ab dem 10. Juli 2019 zu übernehmen.
    Das Bundesgericht hat diesen Entscheid bestätigt und die Beschwerde des Kantons Genf abgewiesen. Es hat entschieden, dass der Wohnkanton der versicherten Person die Restkosten für den Aufenthalt in einem Pflegeheim auch dann übernehmen muss, wenn die versicherte Person ein Pflegeheim ausserhalb ihres Wohnkantons wählt, sofern im Wohnkanton keine geeigneten Plätze zur Verfügung stehen. Steht zum Zeitpunkt des Eintritts im Wohnkanton kein Platz in einem nahen gelegenen Pflegeheim zur Verfügung, erfolgt die Restfinanzierung nach den Regeln des Standortkantons des Pflegeheims. Sind jedoch im Wohnkanton Plätze verfügbar, gelten die Regelungen des Wohnkantons.
    Das Bundesgericht hat betont, dass die Zuständigkeit des Wohnkantons zur Übernahme der Restfinanzierung unabhängig davon besteht, ob der Aufenthalt in einem Pflegeheim ausserhalb des Wohnkantons erfolgt. Damit wurde die gesetzgeberische Absicht unterstrichen, die finanzielle Verantwortung beim Wohnsitzkanton zu konzentrieren und gleichzeitig die Rechte der versicherten Person zu schützen.
  • Das Urteil BGE 147 V 328 vom 7. Juni 2021 befasst sich mit der Frage der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines patentgeschützten Arzneimittels im Rahmen des therapeutischen Quervergleichs (TQV). Die A. GmbH, Zulassungsinhaberin des Arzneimittels B., focht den Entscheid des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) an, das B. als Nachfolgepräparat ohne therapeutischen Fortschritt gegenüber dem Originalpräparat D. eingestuft und deshalb den TQV mit nicht patentgeschützten Vergleichspräparaten durchgeführt hatte.
    Das Bundesgericht hat die Entscheide des BAG und des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt. Es hielt fest, dass Art. 65b Abs. 6 KVV, der die Wirtschaftlichkeitsbeurteilung von Originalpräparaten regelt, auch für die dreijährliche Überprüfung der Aufnahmebedingungen nach Art. 65d KVV gilt. Dies bedeutet, dass die Forschungs- und Entwicklungskosten für Nachfolgepräparate nur dann berücksichtigt werden, wenn diese einen therapeutischen Fortschritt gegenüber dem Originalpräparat aufweisen.
    Das Gericht definierte den Begriff «Nachfolgepräparat» als ein Arzneimittel, das zeitlich nach dem Originalpräparat in die Spezialitätenliste (SL) aufgenommen wurde und den gleichen Wirkstoff enthält. B. sei als Nachfolgepräparat zu qualifizieren, da es nach dem Originalpräparat D. in die SL aufgenommen worden sei und den gleichen Wirkstoff enthalte.
    Das Gericht prüfte auch, ob B. gegenüber D. einen therapeutischen Fortschritt aufweist. Es kam zu dem Ergebnis, dass die von der A. GmbH vorgelegten Studien nicht ausreichen, um einen therapeutischen Fortschritt zu belegen. Die Studien seien nicht aussagekräftig genug, da sie nur eine geringe Patientenzahl umfassten und nicht in Fachzeitschriften publiziert wurden.
    Insgesamt bestätigte das Bundesgericht die Entscheide des BAG und des Bundesverwaltungsgerichts, wonach B. als Nachfolgepräparat ohne therapeutischen Fortschritt zu qualifizieren ist und somit der TQV mit nicht patentgeschützten Vergleichspräparaten durchgeführt werden kann.
  • Das Bundesgerichtsurteil 145 V 170 vom 7. Juni 2021 befasst sich mit der Frage, ob die obligatorische Krankenpflegeversicherung (KVG) die Kosten einer Phalloplastik (Geschlechtsumwandlung von Frau zu Mann) im Ausland übernehmen muss. Der Fall betrifft einen Krankenversicherer, der sich geweigert hatte, die Kosten für eine in Deutschland durchgeführte Phalloplastik zu übernehmen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz entschied zugunsten des Versicherten und verpflichtete den Krankenversicherer zur Kostenübernahme.
    Das Bundesgericht hat in seiner Rechtsprechung zur Behandlung im Ausland betont, dass Ausnahmen vom Territorialitätsprinzip auch bei seltenen Therapien wie der Phalloplastik nur sehr zurückhaltend zuzulassen sind. Das Therapieangebot in der Schweiz müsse auch bei seltenen Eingriffen ein Niveau aufweisen, das eine ausreichende ärztliche Erfahrung und Routine gewährleiste, um Komplikationen zu minimieren. Die Lebenszufriedenheit von Personen mit Geschlechtsdysphorie hänge wesentlich vom Ergebnis solcher Operationen ab, weshalb ein standardisiertes Vorgehen durch ein interdisziplinäres Team von Fachärzten notwendig sei.
    Im vorliegenden Fall stellte das Bundesgericht fest, dass in der Schweiz nur wenige Phalloplastiken durchgeführt werden, was Fragen nach der Routine und Erfahrung der durchführenden Teams aufwirft. Das Gericht betonte jedoch, dass diese geringe Anzahl allein nicht ausreicht, um automatisch eine Behandlung im Ausland zu rechtfertigen. Es wurde bekräftigt, dass eine konkrete Risikoeinschätzung des Eingriffs in der Schweiz erforderlich ist, die auf objektiven Kriterien und nicht nur auf Mindestfallzahlen beruht.
    Das Bundesgericht hat schliesslich die Beschwerde des Krankenversicherers teilweise gutgeheissen, indem es festgehalten hat, dass der Krankenversicherer weitere Abklärungen zur Qualität und zu den Risiken der Phalloplastik in der Schweiz vornehmen muss. Ein definitiver Entscheid über die Kostenübernahme ist somit noch offen und es obliegt dem Krankenversicherer, unter Einbezug des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), einen neuen Entscheid zu fällen.

Durch die ständige Weiterentwicklung der Rechtsprechung entsteht eine dynamische Rechtslage, die von Medizinstudierenden, Ärztinnen und Ärzten sowie Juristinnen und Juristen im Gesundheitswesen aufmerksam verfolgt und verstanden werden muss. Eine fundierte Kenntnis der aktuellen Rechtsprechung und der rechtlichen Rahmenbedingungen ist daher unerlässlich, um in der ärztlichen Praxis rechtssicher handeln zu können.
Die Rechtsprechung trägt damit wesentlich zur Rechtssicherheit und Qualitätssicherung im Gesundheitswesen bei, indem sie klare Leitlinien und Massstäbe für das ärztliche Handeln setzt.

Leitentscheide spielen im Schweizer Medizinrecht eine zentrale Rolle, indem sie zur Klärung und Auslegung der Gesetzgebung beitragen, Standards für die medizinische Praxis setzen und die Rechte der Patientinnen und Patienten
schützen. Sie definieren rechtliche Sorgfaltspflichten, regeln Haftungsfragen und befassen sich mit ethischen Dilemmata, beispielsweise bei Entscheidungen zur Sterbehilfe. Diese Leitentscheide fördern die Rechtssicherheit und die präzise Anwendung des Medizinrechts, beeinflussen die medizinische Ausbildung und geben Impulse für Gesetzesanpassungen. Sie tragen damit wesentlich dazu bei, dass sich Ärztinnen und Ärzte, Juristinnen und Juristen sowie Gerichte in den rechtlichen Aspekten der medizinischen Versorgung richtig orientieren können.

Prof. Dr. med. Dr. iur. Thomas D. Szucs

Witellikerstrasse 40
8032 Zürich

thomas.szucs@hin.ch

Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit
diesem Artikel deklariert.

1. Geschichte der Sozialen Sicherheit-Home [Internet]. [zitiert 24. Juni 2024]. Verfügbar unter: https://www.geschichtedersozialensicherheit.ch/home
2. Ruckstuhl B, Ryter E. Von der Seuchenpolizei zu Public Health: öffentliche Gesundheit in der Schweiz seit 1750. Zürich: Chronos; 2017. 343 S.
3. Kieser U, Lendfers M. Gesundheitsrecht. Zürich: Dike; 2013. 132 S. (in a nutshell).
4. Gächter T, Rütsche B. Gesundheitsrecht: ein Grundriss für Studium und Praxis. 5. vollständig überarbeitete Auflage. Basel: Helbing & Lichtenhahn; 2023. 349 S.
5. Kant I. Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. 2., durchgesehene Auflage mit aktualisierter Einleitung und Bibliographie. Hamburg: F. Meiner; 2016. (Philosophische Bibliothek).
6. 148 V 242 [Internet]. [zitiert 26. Juni 2024]. Verfügbar unter: https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?lang=de&type=show_document&highlight_docid=atf://148-V-242:de&print=yes
7. 147 V 328 [Internet]. [zitiert 26. Juni 2024]. Verfügbar unter: https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?lang=de&type=show_document&highlight_docid=atf://147-V-328:it&print=yes
8. 145 V 170 – Schweizerisches Bundesgericht [Internet]. [zitiert 26. Juni 2024]. Verfügbar unter: https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F145-V-170%3Afr&lang=de&zoom=&type=show_document

Medizin und Recht: eine Einführung – Teil 2

Das schweizerische Medizinalrecht beruht auf einer klaren Unterscheidung zwischen materiellem und formellem Recht. Das materielle Recht bestimmt die materiellen Rechte und Pflichten von Personen und Institutionen, während das formelle Recht die Verfahren zur Durchsetzung dieser Rechte regelt. Darüber hinaus unterscheidet das schweizerische Recht zwischen dem objektiven Recht, das die Gesamtheit der Rechtsnormen darstellt, und dem subjektiven Recht, das individuelle Rechte und Befugnisse definiert. Private Regelwerke wie die Standesordnung der FMH oder die Richtlinien der SAMW ergänzen das staatliche Medizinrecht und setzen ethische Standards. Im Sozialversicherungsrecht spielt die Definition der Krankheit (Art. 3 Abs. 1 ATSG) eine zentrale Rolle, die durch die Rechtsprechung konkretisiert wird. Das Zusammenspiel von gesetzlichen Vorgaben, privatrechtlichen Regelungen und klaren Verfahrensnormen gewährleistet eine qualitativ hochstehende und rechtlich einwandfreie medizinische Praxis in der Schweiz.

Schlüsselwörter: Medizinrecht, Patientenrechte, Infektionsbekämpfung, Epidemiengesetz, Reproduktionsmedizin

Objektives und subjektives Recht

Im Schweizer Recht unterscheidet man ebenfalls zwischen objektivem und subjektivem Recht:

Objektives Recht (Recht im objektiven Sinn)

Das objektive Recht bezeichnet die Gesamtheit der geltenden Rechtsnormen, also die Rechtsordnung als solche. Es umfasst Gesetze, Verordnungen und andere verbindliche Regelungen auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene. Beispiele sind das Schweizerische Zivilgesetzbuch, die Bundesverfassung, kantonale Gesetze etc. Das objektive Recht legt allgemein verbindliche Verhaltensregeln für die Gesellschaft fest.

Subjektives Recht (Recht im subjektiven Sinn)

Das subjektive Recht bezeichnet die individuellen Rechte und Befugnisse, die einer natürlichen oder juristischen Person aufgrund der objektiven Rechtsordnung zustehen. Es sind die konkreten Ansprüche, die jemand gegenüber anderen Personen oder dem Staat geltend machen kann. Beispiele sind das Eigentumsrecht, Forderungsrechte aus Verträgen, Persönlichkeitsrechte etc. Das subjektive Recht verleiht dem Rechtsträger eine rechtlich geschützte Position. Ein Rechtsträger ist eine Einheit oder Person, die Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Dazu gehören sowohl natürliche Personen (also Einzelpersonen) als auch juristische Personen wie Unternehmen, Vereine oder Stiftungen. Juristische Personen sind rechtlich so ausgestaltet, dass sie wie natürliche Personen am Rechtsverkehr teilnehmen können, also z.B. Verträge abschliessen, Vermögen besitzen oder vor Gericht klagen können.
Die objektiven Rechtsnormen bilden somit die Grundlage, aus der sich die subjektiven Rechte der Individuen ableiten. Das objektive und subjektive Recht steht in einer engen Wechselbeziehung und ergänzen sich gegenseitig im Schweizer Rechtssystem.

Materielles und formelles Recht

Das materielle Recht umfasst alle Rechtsnormen, die die Rechtsbeziehungen zwischen den Rechtssubjekten inhaltlich regeln. Es bestimmt, welche Rechte und Pflichten einzelne Personen oder Institutionen haben. Dazu gehören Vorschriften des Zivilrechts wie Verträge, Eigentum und Schadenersatz, des Strafrechts, das Straftatbestände und Strafen definiert, und des Verwaltungsrechts, das Vorschriften über Genehmigungen und Verwaltungshandeln enthält. Mit anderen Worten, das materielle Recht legt fest, was rechtmässig oder unrechtmässig ist und welche Konsequenzen sich daraus ergeben.

Im Gegensatz dazu bezieht sich das formelle Recht auf die Rechtsnormen, die das Verfahren zur Durchsetzung des materiellen Rechts regeln. Es umfasst die Regeln und Verfahren, nach denen Rechte und Pflichten geltend gemacht und durchgesetzt werden können. Beispiele dafür sind die Zivilprozessordnung (ZPO), die das Verfahren in zivilrechtlichen Streitigkeiten regelt, die Strafprozessordnung (StPO), die das Verfahren in strafrechtlichen Ermittlungen und Verfahren festlegt, und das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVG), das das Verfahren in Verwaltungsangelegenheiten regelt. Das formelle Recht stellt somit sicher, dass die Rechte und Pflichten des materiellen Rechts in geregelter und rechtsstaatlicher Weise durchgesetzt werden.

Private Regelwerke im Schweizer ­Medizinrecht

Neben den staatlichen Gesetzen und Verordnungen spielen im schweizerischen Medizinrecht auch private Regelwerke eine wichtige Rolle. Diese Regelwerke werden häufig von Berufsverbänden, Standesorganisationen und anderen privaten Institutionen erarbeitet und bieten Richtlinien für die ethische und professionelle Praxis im medizinischen Bereich. Nachfolgend sind einige der wichtigsten privaten Regelwerke aufgeführt:

Standesordnung der FMH (Foederatio Medicorum Helveticorum)

Die FMH ist die Dachorganisation der Schweizer Ärztinnen und Ärzte. Ihre Standesordnung enthält ethische Richtlinien und Verhaltensregeln, die Ärztinnen und Ärzte in ihrer täglichen Praxis unterstützen. Die Standesregeln umfassen eine Vielzahl von Themen, unter anderem das Arzt-Patienten-Verhältnis, die Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen und die berufliche Fortbildung. (1)

Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW)

Die SAMW erarbeitet wissenschaftlich fundierte Empfehlungen zu ethischen, rechtlichen und klinischen Fragen im medizinischen Bereich. Ihre Richtlinien sind eine wichtige Orientierungshilfe für Ärztinnen und Ärzte sowie für Institutionen des Gesundheitswesens. Themen, mit denen sich die SAMW befasst, sind beispielsweise die Betreuung am Lebensende, der Umgang mit neuen Technologien oder die medizinische Forschung. (2)

Qualitätsrichtlinien der Fachgesellschaften

Verschiedene medizinische Fachgesellschaften in der Schweiz entwickeln eigene, fachspezifische Qualitätsrichtlinien und Leitlinien. Ziel dieser Richtlinien ist es, die Qualität der medizinischen Versorgung zu verbessern und eine evidenzbasierte Praxis zu fördern. Beispiele sind die Schweizerische Gesellschaft für Kardiologie (SGK) oder die Schweizerische Gesellschaft für Anästhesiologie und Reanimation (SGAR).

Ethische Richtlinien der Berufsverbände

Neben der allgemeinen Standesordnung der FMH und den Richtlinien der SAMW haben viele Fachgesellschaften eigene ethische Richtlinien entwickelt. Diese Richtlinien geben spezifische ethische Orientierungen für bestimmte Fachgebiete und Berufsgruppen innerhalb der Medizin.

Akkreditierung und Zertifizierung

Private Organisationen, die Akkreditierungs- und Zertifizierungsdienste anbieten, setzen ebenfalls Standards für die Qualität und Sicherheit in medizinischen Einrichtungen. Diese Standards betreffen unter anderem die Patientenversorgung, das Risikomanagement und die organisatorischen Abläufe in Spitälern und Kliniken. Beispiele sind die Stiftung für Patientensicherheit Schweiz und andere internationale Akkreditierungsorganisationen wie JCI (Joint Commission International) oder Deutsche Krebsgesellschaft.

Klinische Richtlinien und Empfehlungen

Viele medizinische Fachgesellschaften und Forschungsorganisationen entwickeln klinische Leitlinien und Empfehlungen, die auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren. Diese Leitlinien geben praktische Handlungsempfehlungen für die Diagnostik, Therapie und Prävention von Krankheiten und tragen zur Standardisierung der medizinischen Praxis bei.
Diese privaten Regelwerke ergänzen die staatlichen Gesetze und Verordnungen und tragen dazu bei, die medizinische Praxis in der Schweiz zu harmonisieren und zu verbessern. Für die Ärzteschaft ist es wichtig, diese Regelwerke zu kennen und in die tägliche Praxis zu integrieren, um eine hohe Qualität der Patientenversorgung und die Einhaltung ethischer Standards zu gewährleisten.

Krankheitsbegriff im Recht: Einleitung zu Art. 3 Abs. 1 ATSG – Definition der Krankheit

Im Sozialversicherungsrecht ist eine genaue Definition des Begriffs Krankheit unerlässlich, damit die Anspruchsberechtigten die ihnen zustehenden Leistungen erhalten. Art. 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) (3) enthält eine solche Definition und bildet die Grundlage für zahlreiche Entscheide im Gesundheits- und Sozialversicherungsbereich.

Nach Art. 3 Abs. 1 ATSG ist Krankheit jede Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit, die nicht Folge eines Unfalles ist und die eine medizinische Untersuchung oder Behandlung erfordert oder eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Diese Definition stellt sicher, dass Krankheit nicht auf körperliche Leiden beschränkt ist, sondern auch Beeinträchtigungen der geistigen und seelischen Gesundheit umfasst.

Der Begriff «Beeinträchtigung der Gesundheit“ umfasst dabei eine Vielzahl von Zuständen, die die normale körperliche oder psychische Funktion beeinträchtigen. Wichtig ist auch die Abgrenzung zu Unfallfolgen, die durch andere Bestimmungen abgedeckt sind. Die Definition betont auch, dass eine Krankheit vorliegt, wenn sie entweder eine medizinische Intervention erfordert oder die Arbeitsfähigkeit der betroffenen Person beeinträchtigt.

Diese Legaldefinition ist für die Feststellung von Leistungsansprüchen in der Sozialversicherung von entscheidender Bedeutung. Sie bietet eine klare Grundlage für die rechtliche Beurteilung von Gesundheitszuständen und trägt dazu bei, dass Versicherte bei Arbeitsunfähigkeit die notwendigen medizinischen Leistungen und Hilfen erhalten. Dies betrifft insbesondere Leistungen wie Krankengeld, Erwerbsminderungsrenten und die Kostenübernahme für Heilbehandlungen.

In der Praxis wird diese Definition von Krankheit in vielen Situationen angewandt, um festzustellen, ob eine Person Anspruch auf Leistungen der sozialen Sicherheit hat. Ärzte, Versicherungsvertreter und Juristen entscheiden anhand dieser Definition, ob eine Erkrankung die Kriterien erfüllt, um als Krankheit im Sinne des Versicherungsrechts anerkannt zu werden. Gerichtsurteile und Verwaltungsentscheidungen stützen sich auf diese Definition, um Einheitlichkeit und Gerechtigkeit bei der Gewährung von Leistungen zu gewährleisten.

Diese Definition schafft eine klare rechtliche Grundlage, wann eine Person Anspruch auf Leistungen der Sozialversicherungen hat, und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um als krank im Sinne des Gesetzes zu gelten.

Rechtsprechung

Die Rechtsprechung hat den Krankheitsbegriff in verschiedenen Fällen weiter konkretisiert und ausgelegt. So wurde beispielsweise im Fall «Viagra» (BGE 129 V 32 E 4.2.1) der Krankheitsbegriff im Zusammenhang mit der Verschreibung von Viagra geprüft. Ein weiterer wichtiger Fall ist der «Champix-Fall“ (BGE 137 V 295 E. 4.2.2), in dem es um die Kostenübernahme für ein Medikament zur Raucherentwöhnung ging. Diese Urteile veranschaulichen, wie die Gerichte den Krankheitsbegriff anwenden und auslegen, um über Leistungsansprüche zu entscheiden.

WHO

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Gesundheit umfassender als das blosse Fehlen von Krankheit oder Gebrechen. Gesundheit wird als Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens beschrieben. (4) Diese Definition betont, dass Gesundheit mehrdimensional ist und sowohl physische als auch psychische und soziale Aspekte umfasst. Im rechtlichen Kontext kann diese Definition als Orientierung dienen, insbesondere wenn es darum geht, präventive Massnahmen und ganzheitliche Ansätze im Gesundheitswesen zu fördern.

Relevante privatrechtliche Normen in der Medizin

Zu den wichtigsten Bereichen gehören die Rechts- und Handlungsfähigkeit, der Persönlichkeitsschutz, der Kindes- und Erwachsenenschutz, das Haftpflichtrecht und das Auftragsrecht.

Rechts- und Handlungsfähigkeit (ZGB 11 ff.)

Die Rechts- und Handlungsfähigkeit ist im Zivilgesetzbuch (ZGB) in den Artikeln 11 ff. geregelt. Sie beschreibt die Fähigkeit einer Person, Rechte und Pflichten zu haben (Rechtsfähigkeit) und durch eigenes Handeln Rechtswirkungen herbeizuführen (Handlungsfähigkeit). Diese Grundsätze legen fest, ab wann und unter welchen Voraussetzungen eine Person rechtswirksam handeln kann, z.B. ab der Mündigkeit oder der Handlungsfähigkeit.

Persönlichkeitsschutz (ZGB 27ff)

Der in Art. 27 ff. ZGB geregelte Persönlichkeitsschutz dient dem Schutz der persönlichen Integrität und der Ehre des Einzelnen. Diese Bestimmungen verhindern, dass eine Person in ihrer persönlichen Freiheit und Würde übermässig beeinträchtigt wird. Der Persönlichkeitsschutz umfasst Aspekte wie den Schutz vor übler Nachrede, vor Eingriffen in die Privatsphäre und vor missbräuchlicher Ausnutzung persönlicher Schwächen.

Kindes- und Erwachsenenschutz (ZGB 307ff und ZGB 362ff)

Der Kindes- und Erwachsenenschutz ist in den Artikeln 307 ff. und 362 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches geregelt. Diese Bestimmungen betreffen Massnahmen zum Schutz von Kindern und Erwachsenen, die wegen ihres Alters, einer Krankheit oder aus anderen Gründen nicht in der Lage sind, ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen. Dazu gehören Vormundschaften, Beistandschaften und andere Schutzmassnahmen, die sicherstellen, dass die betroffenen Personen angemessen unterstützt und geschützt werden.

Haftpflichtrecht (OR 41ff)

Das Haftpflichtrecht, das in den Artikeln 41 ff. des Obligationenrechts (OR) geregelt ist, betrifft die zivilrechtliche Haftung für Schäden, die eine Person einer anderen zufügt. Es legt fest, unter welchen Voraussetzungen jemand für einen Schaden haftbar gemacht werden kann und welcher Schadenersatz zu leisten ist. Das Haftpflichtrecht spielt eine zentrale Rolle bei der Regelung von Schadenersatzansprüchen und bei der Durchsetzung von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung.

Auftragsrecht (OR 394ff)

Das Auftragsrecht regelt in den Artikeln 394 ff. des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) die Rechtsbeziehungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Es umfasst die Pflichten, Rechte und Verantwortlichkeiten, die im Rahmen eines Auftragsverhältnisses entstehen. Darunter fallen beispielsweise Dienstverträge, Beratungsverträge und andere Arten von Aufträgen, bei denen eine Person für eine andere eine Leistung erbringt.

Relevante Normen des Medizinstrafrechts

Im Bereich der Medizin gibt es zahlreiche strafrechtliche Normen, die das Handeln der Angehörigen der Heilberufe regeln und sicherstellen sollen, dass die Rechte und die Sicherheit der Patienten gewahrt werden. Nachfolgend sind einige der wichtigsten strafrechtlichen Bestimmungen aufgeführt, die in der Medizin relevant sind:

Delikte gegen Leib und Leben (StGB 111ff)

Die Artikel 111 ff. des schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB) befassen sich mit Straftaten gegen Leib und Leben. Diese Normen umfassen Delikte wie vorsätzliche Tötung, Mord und Körperverletzung mit Todesfolge. Für Medizinalpersonen ist es besonders wichtig, diese Bestimmungen zu kennen, um sicherzustellen, dass alle medizinischen Eingriffe und Behandlungen rechtmässig und ethisch vertretbar durchgeführt werden.

Körperverletzungsdelikte (StGB 122ff)

Die Artikel 122 ff. des Strafgesetzbuches betreffen die Körperverletzungsdelikte. Diese umfassen die schwere Körperverletzung, die einfache Körperverletzung und die fahrlässige Körperverletzung. Für Ärzte und andere Medizinalpersonen ist es unerlässlich, die rechtlichen Grenzen und Anforderungen zu kennen, um sicherzustellen, dass medizinische Behandlungen gesetzeskonform durchgeführt werden und Patienten nicht unbeabsichtigt geschädigt werden.

Schwangerschaftsabbruch (StGB 118ff)

Die Artikel 118 ff. des Strafgesetzbuches regeln die Voraussetzungen und die Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs. Diese Bestimmungen legen fest, unter welchen Voraussetzungen ein Schwangerschaftsabbruch legal durchgeführt werden kann und wann er strafbar ist. Für Gynäkologen und andere in der Reproduktionsmedizin tätige Fachpersonen ist es wichtig, diese Bestimmungen genau zu kennen und einzuhalten.

Berufsgeheimnis (StGB 321ff)

Die Artikel 321 ff. des Strafgesetzbuches betreffen das Berufsgeheimnis. Diese Bestimmungen verpflichten die Medizinalpersonen, die ihnen in Ausübung ihres Berufes anvertrauten Informationen vertraulich zu behandeln. Verletzungen des Berufsgeheimnisses können strafrechtliche Folgen haben. Es ist daher für alle im medizinischen Bereich Tätigen von grosser Bedeutung, die Regeln des Berufsgeheimnisses strikt einzuhalten, um das Vertrauen der Patienten zu wahren und rechtliche Probleme zu vermeiden.

Medizinisch relevante leges speciales (nicht abschliessend)

Im Bereich der Medizin gibt es eine Vielzahl von Spezialgesetzen, so genannte leges speciales, die besonderen Regelungen für verschiedene Aspekte der medizinischen Praxis und Forschung enthalten. Diese Gesetze sollen spezifische Themen und Herausforderungen im Gesundheitswesen aufgreifen und sicherstellen, dass medizinische Versorgung und Forschung ethisch und rechtlich einwandfrei durchgeführt werden. Nachfolgend einige der wichtigsten leges speciales mit Bezug zur Medizin:

Bundesgesetz über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten (Epidemiengesetz, EpG)

Das Epidemiengesetz (EpG) regelt die Massnahmen zur Bekämpfung und Verhütung übertragbarer Krankheiten. Es legt die Pflichten der Behörden und des medizinischen Personals fest, um die Ausbreitung von Infektionskrankheiten zu verhindern und den Gesundheitsschutz der Bevölkerung zu gewährleisten.

Bundesgesetz über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung (Fortpflanzungsmedizingesetz, FMedG)

Das Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) enthält Bestimmungen über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung, einschliesslich der In-vitro-Fertilisation (IVF) und anderer Methoden. Es regelt die Voraussetzungen, unter denen solche Verfahren durchgeführt werden dürfen, und bezweckt die Sicherstellung ethischer Standards und des Schutzes der betroffenen Personen.

Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG)

Das Heilmittelgesetz (HMG) regelt die Zulassung, die Herstellung, den Vertrieb und die Überwachung von Arzneimitteln und Medizinprodukten. Es stellt sicher, dass nur sichere und wirksame Produkte auf den Markt gelangen und die öffentliche Gesundheit geschützt wird.

Bundesgesetz über die Forschung an embryonalen Stammzellen (Stammzellenforschungsgesetz, StFG)

Das Stammzellenforschungsgesetz (StFG) regelt die Forschung an embryonalen Stammzellen und setzt dabei strenge ethische und rechtliche Massstäbe. Ziel ist es, Fortschritte in der medizinischen Forschung zu ermöglichen, ohne dabei ethische Grundsätze zu verletzen.

Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG)

Das Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG) regelt genetische Untersuchungen. Es stellt sicher, dass solche Untersuchungen nur unter strengen ethischen und rechtlichen Voraussetzungen durchgeführt werden, um die Privatsphäre und die Rechte der betroffenen Personen zu schützen.

BG über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen TPG)

Das Transplantationsgesetz (TPG) regelt die Entnahme, Zuteilung und Transplantation von Organen, Geweben und Zellen. Es legt fest, unter welchen Voraussetzungen solche medizinischen Eingriffe vorgenommen werden dürfen und wie die Verteilung gerecht und transparent erfolgen soll.

Bundesgesetz über die universitären Medizinalberufe (MedBG)

Das Medizinalberufegesetz (MedBG) definiert die Voraussetzungen und Bedingungen für die Ausübung der universitären Medizinalberufe. Es regelt die Ausbildung, die Berufsausübung und die Diplomanerkennung und stellt die hohe Qualität der medizinischen Versorgung sicher.

Krankenversicherungsgesetz (KVG)

Das Krankenversicherungsgesetz (KVG) regelt die obligatorische Krankenpflegeversicherung und deren Leistungen. Es stellt sicher, dass alle Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz Zugang zu einer medizinischen Grundversorgung haben und legt die Rahmenbedingungen für die Finanzierung und Vergütung medizinischer Leistungen fest.
Das Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier (EPDG) fördert die Einführung und Anwendung des elektronischen Patientendossiers. Ziel ist es, die Qualität und Effizienz der Gesundheitsversorgung zu verbessern und den Informationsaustausch zwischen den Leistungserbringern zu erleichtern.

Gesundheitsrechtliche Grundrechte in der Bundesverfassung

Die Schweizerische Bundesverfassung garantiert eine Reihe von Grundrechten, die für das Gesundheitsrecht von zentraler Bedeutung sind. Diese Grundrechte schützen die grundlegenden Rechte und Freiheiten des Einzelnen und stellen sicher, dass medizinische Massnahmen und die Gesundheitsversorgung im Einklang mit diesen Rechten durchgeführt werden. Nachfolgend einige der wichtigsten Grundrechte, die nach der Bundesverfassung für das Gesundheitsrecht relevant sind:

Recht auf Leben und persönliche Freiheit (Art. 10 BV)

Artikel 10 der Schweizerischen Bundesverfassung schützt das Recht auf Leben und persönliche Freiheit. Dieses Grundrecht ist im Gesundheitsrecht von besonderer Bedeutung, da es das Leben jedes Einzelnen schützt und Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit nur unter strengen Voraussetzungen zulässt. Im medizinischen Kontext bedeutet dies, dass alle Massnahmen darauf ausgerichtet sein müssen, das Leben zu erhalten und die Gesundheit des Patienten zu schützen.

Recht auf Gesundheit (aus Art. 41 BV, Sozialziele)

Das Recht auf Gesundheit lässt sich aus den Sozialzielen der Bundesverfassung (Art. 41 BV) ableiten. Diese Bestimmung verpflichtet den Staat, für eine ausreichende Gesundheitsversorgung zu sorgen und allen Menschen den Zugang zu den notwendigen medizinischen Leistungen zu ermöglichen. Der Staat und die anderen Akteure des Gesundheitswesens haben die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass jedermann Zugang zu einer qualitativ hochstehenden Gesundheitsversorgung hat.

Recht auf persönliche Freiheit und Selbstbestimmung (Art. 10 Abs. 2 BV)

Das Recht auf persönliche Freiheit und Selbstbestimmung ist im Gesundheitsrecht von grosser Bedeutung. Nach Artikel 10 Absatz 2 der Bundesverfassung haben Patientinnen und Patienten das Recht, über ihre medizinische Behandlung informiert zu entscheiden. Dies beinhaltet das Recht auf umfassende Information über Diagnose, Behandlungsvorschläge, mögliche Risiken und Alternativen. Patienten müssen frei und ohne Zwang in medizinische Massnahmen einwilligen oder diese ablehnen können.

Recht auf Achtung des Privatlebens und Datenschutz (Art. 13 BV)

Artikel 13 der Bundesverfassung schützt das Recht auf Achtung des Privatlebens und auf Datenschutz. Für das Gesundheitsrecht bedeutet dies, dass die persönlichen und medizinischen Daten der Patientinnen und Patienten vertraulich behandelt werden müssen. Die Leistungserbringer sind verpflichtet, Massnahmen zum Schutz dieser Daten vor unbefugtem Zugriff zu treffen und dürfen Informationen nur mit Einwilligung der Patientinnen und Patienten weitergeben.

Recht auf Gleichbehandlung (Artikel 8 BV)

Das Recht auf Gleichbehandlung ist in Artikel 8 der Bundesverfassung verankert und garantiert allen Menschen unabhängig von Geschlecht, Alter, ethnischer Herkunft, Religion oder sozialem Status den gleichen Zugang zu medizinischen Leistungen. Diskriminierungen im Gesundheitswesen sind verboten und es sind Massnahmen zu treffen, um die Chancengleichheit beim Zugang zur Gesundheitsversorgung zu gewährleisten.

Verbot der Folter und unmenschlicher Behandlung (Art. 10 Abs. 3 BV)

Artikel 10 Absatz 3 der Bundesverfassung schützt vor Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe. Im Gesundheitsbereich bedeutet dies, dass medizinische Massnahmen niemals dazu dienen dürfen, Patienten zu misshandeln oder zu schädigen. Es muss sichergestellt werden, dass alle medizinischen Behandlungen ethischen Standards entsprechen und das Wohl des Patienten im Vordergrund steht.

Fazit

Die in der Schweizerischen Bundesverfassung verankerten Grundrechte bilden die Grundlage für eine menschenwürdige und gerechte Gesundheitsversorgung. Sie schützen die Rechte der Patientinnen und Patienten und stellen sicher, dass medizinische Massnahmen im Einklang mit den Grundrechten und Grundfreiheiten durchgeführt werden. Für Gesundheitsdienstleister und politische Entscheidungsträger ist es unerlässlich, diese Grundrechte zu kennen und zu respektieren, um eine qualitativ hochwertige und gerechte Gesundheitsversorgung zu gewährleisten.

Polizeiliche Generalklausel – Staatliches Handeln ohne Gesetz und seine Bedeutung im Medizinrecht

Die polizeiliche Generalklausel erlaubt es dem Staat, in ausserordentlichen und unvorhersehbaren Situationen auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung zu handeln. Gemäss Artikel 5 der schweizerischen Bundesverfassung (BV) muss das Recht stets Grundlage und Schranke staatlichen Handelns sein. Dies bedeutet, dass staatliches Handeln grundsätzlich auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen muss. Artikel 5 BV legt fest, dass staatliches Handeln immer rechtmässig und verhältnismässig sein muss.

Nicht jede Situation kann jedoch vom Gesetzgeber vorhergesehen und explizit in einem Erlass oder Gesetz geregelt werden. In solchen Fällen greift die polizeiliche Generalklausel, die eine Ausnahme von Artikel 5 BV darstellt. Sie erlaubt den Behörden, in dringenden Fällen und zur Abwehr erheblicher Gefahren Massnahmen ohne vorgängige gesetzliche Grundlage zu ergreifen. Die Anwendung der polizeilichen Generalklausel Artikel 36 BV ist jedoch eng begrenzt und darf nur in Ausnahmesituationen erfolgen, in denen sofortiges Handeln erforderlich ist, um erhebliche Schäden oder Gefahren abzuwenden.
Damit der Staat dennoch auf der Grundlage der polizeilichen Generalklausel handeln kann, müssen fünf Kriterien kumulativ erfüllt sein (5):

  1. Schwere und unmittelbare Gefahr: Es muss eine ernsthafte und dringende Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit bestehen.
  2. Unvorhersehbarkeit der Gefahr: Die Gefahr muss unvorhersehbar sein und nicht durch eine bereits bestehende Regelung abgedeckt werden.
  3. Dringlichkeit der Massnahme: Es muss schnell gehandelt werden, da sonst die Gefahr nicht rechtzeitig abgewendet werden kann.
  4. Subsidiarität: Es dürfen keine milderen Mittel zur Verfügung stehen, um die Gefahr abzuwenden.

5. Verhältnismässigkeit: Die ergriffenen Massnahmen müssen im Verhältnis zur abgewendeten Gefahr stehen und dürfen nicht übermässig in die Grundrechte eingreifen.
Die polizeiliche Generalklausel ist im Medizinrecht von besonderer Bedeutung, da sie ein schnelles und effektives Handeln in dringenden medizinischen Notfällen ermöglicht, auch wenn es für die Situation keine spezielle gesetzliche Regelung gibt. Im medizinischen Kontext können Situationen auftreten, die ein sofortiges Eingreifen erfordern, um Leben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden.

Ein Beispiel für die Relevanz der polizeilichen Generalklausel im Medizinrecht ist der plötzliche Ausbruch einer hoch ansteckenden und gefährlichen Krankheit. Ein solcher Ausbruch kann eine unmittelbare Bedrohung für die öffentliche Gesundheit darstellen und erfordert schnelles Handeln, um die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern. In solchen Situationen müssen die Gesundheitsbehörden möglicherweise Massnahmen wie die Anordnung von Quarantäne, die Schliessung von Schulen und öffentlichen Einrichtungen oder Reisebeschränkungen ergreifen. Diese Massnahmen können auch dann erforderlich sein, wenn es keine spezielle gesetzliche Grundlage gibt, die diese Massnahmen im Einzelnen regelt.

Die fünf Kriterien der polizeilichen Generalklausel stellen sicher, dass solche Massnahmen nur in extremen und dringenden Situationen ergriffen werden und beugen so Missbrauch und Willkür vor. Sie gewährleisten, dass staatliches Handeln im Einklang mit rechtsstaatlichen Grundprinzipien steht und gleichzeitig die notwendige Flexibilität und Handlungsfähigkeit in Notsituationen gewahrt bleibt.
Die Anwendung der polizeilichen Generalklausel im Medizinrecht ermöglicht es dem Staat, schnell und effektiv auf unvorhersehbare Gesundheitsgefahren zu reagieren und so die öffentliche Gesundheit und Sicherheit zu schützen. Diese Flexibilität ist entscheidend, um in Krisensituationen angemessen handeln zu können und die Gesundheit der Bevölkerung zu sichern. Die polizeiliche Generalklausel stellt in solchen Fällen sicher, dass das Handeln der Behörden auch dann rechtmässig bleibt, wenn die Situation aussergewöhnliche Massnahmen erfordert, die über die bestehenden gesetzlichen Regelungen hinausgehen.

Das Gesundheitspolizeirecht in der Schweiz ist ein komplexes System, das auf verschiedenen Ebenen organisiert ist: Bund, Kantone und Gemeinden. Jede dieser Ebenen hat spezifische Aufgaben und Kompetenzen im Bereich des Gesundheitsschutzes und der Gesundheitsregulierung.(6)

Auf Bundesebene liegt der Schwerpunkt auf dem Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Regelung bestimmter Bereiche des Gesundheitswesens. Der Bund ergreift Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren, wie die Bekämpfung von Infektionskrankheiten und die Förderung der öffentlichen Gesundheit. Zudem regelt der Bund das Heilmittelrecht, das Medizinalberuferecht und das Recht der Forschung am Menschen. Dazu gehören die Zulassung, die Überwachung und der Vertrieb von Arzneimitteln und Medizinprodukten sowie die Berufsausübung der Ärztinnen und Ärzte und anderer Medizinalpersonen. Zudem legt es die ethischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für die medizinische Forschung fest.

Die Kantone spielen im Gesundheitswesen eine zentrale Rolle und sind für den Vollzug und die Kontrolle der Gesundheitsgesetzgebung zuständig. Zu ihren Aufgaben gehört die Erteilung und Überwachung von Betriebsbewilligungen für Spitäler und andere medizinische Einrichtungen. Darüber hinaus sind die Kantone für die Zulassung und Überwachung von ambulanten Gesundheitseinrichtungen wie Arztpraxen und ambulanten Kliniken zuständig. Ein weiterer wichtiger Aufgabenbereich der Kantone ist die Regelung der Selbstdispensation, also der Bedingungen, unter denen Ärzte und Apotheker Medikamente direkt an Patienten abgeben dürfen.

Auf Gemeindeebene konzentrieren sich die gesundheitspolizeilichen Aufgaben auf spezifische lokale Gesundheitsfragen und den Vollzug kantonaler Vorschriften. Die Gemeinden sind insbesondere für die Regelung und Überwachung des Bestattungswesens zuständig und sorgen dafür, dass Bestattungen hygienisch und würdig durchgeführt werden.

Neben diesen Hauptaufgaben gibt es weitere wichtige Aspekte und spezifische Regelungen im Gesundheitsbereich, die sich aus der Zusammenarbeit der verschiedenen Ebenen ergeben. Dazu gehören z.B. Massnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention, der Katastrophenschutz im Gesundheitswesen und die Kontrolle der Gesundheitsberufe.

Entscheidend für die Wirksamkeit des Gesundheitspolizeirechts ist die koordinierte Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden. Durch klare Kompetenzverteilungen und regelmässige Absprachen können Synergien genutzt und Doppelspurigkeiten vermieden werden. Dies trägt dazu bei, dass die öffentliche Gesundheit effizient und effektiv geschützt wird und die Bevölkerung Zugang zu qualitativ hochstehenden Gesundheitsdienstleistungen hat.
Die Gesundheitspolitik in der Schweiz ist somit ein Mehrebenensystem, in dem Bund, Kantone und Gemeinden unterschiedliche, aber sich ergänzende Aufgaben wahrnehmen. Jede dieser Ebenen trägt dazu bei, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und eine angemessene Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Durch eine enge Zusammenarbeit und eine klare Aufgabenteilung kann das Gesundheitsgesetz wirksam umgesetzt werden.

Gegenüberstellung der Arbeitsweisen von Juristen und Medizinern im Kontext des Medizinrechts

Die Arbeitsweisen von Juristen und Medizinern unterscheiden sich erheblich, insbesondere im Kontext des Medizinrechts, wo beide Berufsgruppen eng zusammenarbeiten, aber unterschiedliche Perspektiven und Methoden einbringen. (Tab. 1)

Allgemeine Rechtsgrundsätze

Die allgemeinen Rechtsgrundsätze durchziehen die gesamte Rechtsordnung und sind bei der Anwendung des positiven Rechts zu berücksichtigen. Sie dienen dazu, das Rechtssystem fair, verlässlich und gerecht zu gestalten und bilden eine wesentliche Grundlage für das Verhalten der Rechtsunterworfenen und das Handeln der Behörden. Sie stellen sicher, dass das Recht in einer Weise angewandt wird, die den Grundwerten der Gesellschaft entspricht.
Es besteht die Vorstellung, dass es Grundgedanken gibt, die die gesamte Rechtsordnung durchziehen. Diese Grundsätze sind bei der Anwendung des positiven Rechts zu berücksichtigen.
Beispiele:

Treu und Glauben (Art. 2 Abs. 1 ZGB):
Dieser Grundsatz verlangt von den Rechtssubjekten ein Verhalten, das von Ehrlichkeit und Vertrauenswürdigkeit geprägt ist. Es dient dazu, den Rechtsverkehr fair und verlässlich zu gestalten.

Verbot des Rechtsmissbrauchs (Art. 2 Abs. 2 ZGB):
Darunter versteht man das Verbot der zweckwidrigen und schikanösen Ausübung eines Rechts. Es verhindert den Missbrauch von Rechten zum Nachteil anderer.

Willkürverbot (Art. 9 BV):
Dieses Prinzip schützt vor unvernünftigem, sinnlosem oder widersprüchlichem staatlichen Handeln. Es stellt sicher, dass die Behörden sachlich begründete und nachvollziehbare Entscheide treffen.

Grundsatz des öffentlichen Interesses (Art. 5 Abs. 2 BV):
Es handelt sich um die Verpflichtung des Staates, Massnahmen nur dann zu ergreifen, wenn sie dem Gemeinwohl dienen. Staatliches Handeln muss durch das Gemeinwohl gerechtfertigt sein.

Verhältnismässigkeitsprinzip (Art. 5 Abs. 2 BV):
Dieses Prinzip besagt, dass staatliche Massnahmen geeignet, erforderlich und angemessen sein müssen. Jede staatliche Massnahme muss in einem vernünftigen Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen und darf nicht über das Notwendige hinausgehen.

Zusammenfassung

Das schweizerische Medizinrecht bildet durch die Integration einer Vielzahl von Rechtsquellen und Regelungen eine umfassende und solide Grundlage für die medizinische Praxis. Es schützt die Rechte der Patientinnen und Patienten und stellt klare Anforderungen an die Berufsausübung der Medizinalpersonen. Das Medizinrecht stellt sicher, dass medizinisches Handeln rechtlich und ethisch einwandfrei ist, und sorgt so für Qualität und Gerechtigkeit in der Gesundheitsversorgung.
Die unterschiedlichen Arbeitsweisen von Juristen und Medizinern erfordern eine enge Zusammenarbeit. Während Juristen Gesetze auslegen und rechtliche Probleme lösen, konzentrieren sich Mediziner auf die Diagnose und Behandlung von Patienten. Beide Berufsgruppen tragen dazu bei, dass die medizinische Praxis sowohl medizinisch als auch rechtlich korrekt ist.

Neben staatlichen Gesetzen und Verordnungen spielen auch private Regelwerke eine wichtige Rolle. Sie ergänzen die gesetzlichen Vorgaben und sorgen für eine hohe Qualität und Ethik in der medizinischen Praxis. Wichtige private Regelwerke sind die Standesordnung der FMH, die Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften und die Qualitätsrichtlinien der Fachgesellschaften.
Insgesamt stellt das Medizinrecht sicher, dass die medizinische Praxis in der Schweiz auf einem hohen ethischen und rechtlichen Niveau bleibt. Die Kenntnis und Anwendung dieser Regelungen sind für alle Akteure im Gesundheitswesen unerlässlich, um eine verantwortungsvolle und rechtskonforme Praxis zu gewährleisten.

Prof. Dr. med. Dr. iur. Thomas D. Szucs

Witellikerstrasse 40
8032 Zürich

thomas.szucs@hin.ch

Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

1. Standesordnung der FMH.
2. SAMW [Internet]. [zitiert 27. Juni 2024]. Medizin-ethische Richtlinien. Verfügbar unter: https://www.samw.ch
3. Fedlex [Internet]. [zitiert 1. Juni 2024]. SR 830.1 – Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allg… Verfügbar unter: https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2002/510/de
4. Kickbusch I. Der Gesundheitsbegriff der Weltgesundheitsorganisation. In: Gesundheit — unser höchstes Gut? [Internet]. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg; 1999 [zitiert 1. Juni 2024]. S. 275–86. Verfügbar unter: http://link.springer.com/10.1007/978-3-642-60166-8_14
5. Zünd A, Errass C. Die polizeiliche Generalklausel. ZBJV. 2011;4:261–93.
6. Mohler MHF. Grundzüge des Polizeirechts in der Schweiz. Basel: Helbing Lichtenhahn; 2012. 541 S.