Fieber unklarer Genese: Eine diagnostische Herausforderung

Anamnese

Ein 25-jähriger Patient stellt sich in der gastroenterologischen Sprechstunde vor, da er seit drei Wochen unter abendlichen Fieberepisoden mit Schüttelfrost leidet. Aufgefallen sei dem Patienten zudem eine vermehrte Müdigkeit. Vor allem morgens fühle er sich so erschöpft, dass er seinen Beruf als Elektriker nur noch schwer ausüben könne. Der Patient ist nicht hausärztlich angebunden. Er befindet sich fast drei Jahre in gastroenterologischer Betreuung aufgrund einer Therapie mit Infliximab im Rahmen einer Colitis ulcerosa, welche in Remission ist. Zu Nebenwirkungen der Behandlung sei es bisher nicht gekommen. Gastroenterologische Symptome verneint er ausdrücklich. Andere chronische Erkrankungen liegen nicht vor. Bezüglich der Reiseanamnese ist der Patient zwei Wochen, als die Symptome bereits bestanden, gemeinsam mit seiner Partnerin für 10 Tage nach Thailand gereist. Zuvor habe er sich nur in der Schweiz aufgehalten. Während des Auslandsaufenthaltes setzten sich die Fieberepisoden unverändert fort. Weitere Symptome präsentierten sich nicht. In der Umgebungsanamnese fand sich kein Hinweis auf andere erkrankte Personen oder eine mögliche Exposition. Der Sexualkontakt war ausschliesslich mit der langjährigen Partnerin. Im Haushalt sowie während des Urlaubes hatte der Patient keinen Tierkontakt.

Systemanamnese

Der Patient berichtet über einen leichten Gewichtsverlust von 2–3 kg bei einem BMI im unteren Normalbereich mit erhaltenem Appetit. Bei abendlichen Fieberepisoden gibt es keine weiteren Symptome wie Nachtschweiss, Atembeschwerden, Husten, Halsschmerzen, Bauchschmerzen, Durchfall, Hautveränderungen, Gelenkschmerzen oder neurologische Symptome. Auch kardiovaskulär und urogenital finden sich keine Auffälligkeiten. Hinweise auf einen Infektfokus liegen nicht vor. Die einzige Medikation in den letzten Monaten ist Infliximab (120 mg s.c., zweiwöchentlich) gewesen.

Körperliche Untersuchung

Der Patient ist schlank und befindet sich in gutem Allgemeinzustand. Die Haut zeigt ein unauffälliges Kolorit. Vergrösserte Lymphknoten sind nicht zu palpieren. Die Vitalparameter sind stabil. In der Auskultation des Herzens finden sich weder eine Tachykardie noch eine Arrhythmie bei unauffälligen Herztönen. Die Atemwege sind frei. Die Lunge ist beidseits vesikulär belüftet, ohne pathologische Atemgeräusche. Das Abdomen ist weich, ohne Abwehrspannung oder tastbare Organomegalie. Die Gelenke sind weder druckdolent noch überwärmt. Im neurologischen Status zeigt der Patient keine Auffälligkeiten. Bei der Untersuchung am frühen Nachmittag zeigt sich zudem eine normale Körpertemperatur bei anamnestisch abendlichen Fieberepisoden.

Laboruntersuchung

Die Laboruntersuchungen ergeben ein normwertiges Differenzialblutbild ohne erhöhte Entzündungswerte sowie unauffällige Leber- und Nierenwerte bei unveränderten Elektrolyten. Der Urinstatus ist unauffällig. Urin- und Blutkulturen führen zu keinem Erregernachweis. Serologische Tests bezüglich viraler Hepatitiden, HIV und eine Quantiferon-Testung liegen bereits im Rahmen des Screenings bei Infliximab-Therapie vor und wurden risikobasiert wiederholt.

Bildgebung

Ein Röntgen des Thorax und eine Abdomensonographie zeigen keinen Hinweis auf einen Infektfokus. Auf eine Computertomographie wird zunächst aufgrund der Strahlenbelastung beim jungen Patienten in gutem Allgemeinzustand verzichtet. Eine Echokardiographie wird bei fehlendem Anhalt auf eine kardiale Genese und wiederholt negativen Blutkulturen nicht durchgeführt.

Notfallmässige Vorstellung

Eine erneute Vorstellung des Patienten in der gastroenterologischen Sprechstunde zur Besprechung der oben genannten Ergebnisse ist geplant, da weiterhin kein konkreter Hinweis auf die Ursache des Fiebers vorliegt. Kurz vor dem vorgesehenen Termin stellt sich der Patient jedoch notfallmässig auf der Notfallstation des angegliederten Spitals vor. Dabei berichtet er zusätzlich über Rückenschmerzen im Bereich der Brustwirbelsäule, die bis in den Hinterkopf und beide Schläfen ausstrahlen. Ein erinnerliches Trauma verneint der Patient. Die Kraft und Sensibilität sind unverändert und ohne Auffälligkeiten. Darüber hinaus klagt der Patient über eine seit Kurzem postprandiale Übelkeit nach jeder Nahrungsaufnahme. Ob diese Beschwerden im Zusammenhang mit den bisherigen Fieberepisoden stehen, bleibt unklar.

Differenzialdiagnostische Überlegungen

Als Leitsymptom zeigt sich ein Fieber unklarer Genese bei einem immunsupprimierten Patienten (vgl. Tab. 1).

Definition von FUO
• Fieber über 38.3 °C zu mehreren Zeitpunkten
• Dauer des Fiebers mindestens 3 Wochen
• Keine Diagnose nach 3 Tagen stationärer Untersuchung oder nach mindestens 2 ambulanten Untersuchungen (1) (Abb. 1)

Spezifische Diagnostik

Der Patient wird stationär aufgenommen. Zum Ausschluss einer Spondylodiszitis oder Sakroiliitis mit Hinblick auf die neu aufgetretenen Symptome erfolgt eine MRT des Iliosakralgelenks und der Wirbelsäule, das einen altersentsprechenden Normalbefund ohne Hinweise auf entzündliche Prozesse zeigt. Auch die Hämatologie und Blutchemie bleiben während des stationären Aufenthaltes unauffällig. Zur Abklärung einer Autoimmunerkrankung sowie einer möglichen Sarkoidose werden spezielle Bluttests veranlasst. Es finden sich hierbei normwertige ANA- und ANCA-Titer sowie ein negativer Rheumafaktor und ACE im Normalbereich. In der ambulant durchgeführten PET-CT zeigen sich schliesslich multiple stark FDG-speichernde, perlschnurartige Noduli bzw. Lymphknoten rechts paravertebral/paraösophageal im unteren Mediastinum sowie linksbetonte FDG-avide Lymphknoten hilär, was primär mit einem Lymphom vereinbar erscheint (Abb. 2 und Abb. 3).

Zur weiteren Abklärung wird aufgrund von Lymphomverdacht eine endosonographisch gesteuerte Feinnadelbiopsie der mediastinalen Lymphknoten durchgeführt. Der histologische Befund ergibt eine granulomatöse Lymphadenopathie mit nicht nekrotisierenden epitheloidzelligen Granulomen. Nach Ausschluss einer infektiösen Genese und fehlendem Nachweis einer anderen Genese wird die Diagnose einer Sarkoidose als Ausschlussdiagnose gestellt.

Therapie

Der Patient wird nach Diskussion am Sarkoidoseboard durch die Pneumologie aufgeboten und erhält eine Behandlung mit oralen Glukokortikoiden. Im Verlauf zeigen sich die Fieberepisoden nicht mehr, und der Patient kann seine berufliche Tätigkeit wieder problemlos ausüben. Selbst nach schrittweisem Ausschleichen der Steroidtherapie bleibt der Patient symptomfrei. Ein erneutes Fieber tritt nicht mehr auf.

Prognose bei ungeklärten FUO-Fällen

Die Prognose bei Patienten mit FUO ist in aller Regel günstig. Studienergebnisse deuten darauf hin, dass ein erheblicher Anteil der Patienten, bei denen trotz umfangreicher Diagnostik keine Ursache identifiziert werden kann, eine spontane Besserung oder vollständige Genesung ohne spezifische Behandlung erleben. Etwa 50–75 % der Patienten mit FUO berichten von einer spontanen Besserung des Fiebers oder über eine vollständige Genesung ohne eine spezifische Diagnosestellung. Diese Patienten zeigen häufig keine weiteren schwerwiegenden Symptome, und der klinische Verlauf bleibt stabil (6, 9). Ein kleinerer Anteil der Betroffenen, etwa 20–30 %, bleibt symptomatisch mit milden oder intermittierenden Fieberschüben, jedoch ohne Anzeichen einer ernsthaften Verschlechterung oder Progression. Diese Patienten haben oft eine relativ stabile Langzeitprognose, ohne dass das Fieber einen signifikanten Einfluss auf die Lebensqualität hat (11). Nur in seltenen Fällen, etwa 5–10 %, entwickeln sich ernsthafte Komplikationen, oder es kommt zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands. Diese Fälle können durch bisher unentdeckte maligne oder systemische Erkrankungen bedingt sein, die sich erst später manifestieren (5, 12). Zusammengefasst zeigen ungeklärte FUO-Fälle insgesamt eine positive Prognose, mit einem hohen Anteil an Patienten, die sich ohne spezifische Diagnose erholen. Dies unterstreicht die Bedeutung eines schrittweisen und systemischen diagnostischen Vorgehens sowie einer sorgfältigen Abwägung invasiver diagnostischer Massnahmen bei klinisch stabilen Patienten.

Roman Zimmermann 1, Szilveszter Pekardi 1, Julia Zimmermann 2, Alptug Doganci 3, Annette Enzler-Tschudy 4, Alexander Kueres-Wiese 1

1 Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie, Health Ostschweiz Wil, Wil
2 Medbase St. Gallen, St. Gallen
3 Klinik für Innere Medizin, Universitätsspital Zürich, Zürich
4 Klinik für Pathologie, Health Ostschweiz Kantonsspital St. Gallen, St. Gallen

Abkürzungen
ACE Angiotensin-Converting-Enzym
ANA Antinukleäre Antikörper
ANCA Anti-Neutrophile cytoplasmatische Antikörper
FDG Fluordesoxyglucose
FUO Fieber unklarer Genese
HIV Human Immunodeficiency Virus
PET-CT Positronen-Emissions-Tomographie, kombiniert mit einer Computertomographie

Historie
Manuskript eingegangen: 21.01.2025
Angenommen: 19.03.2025

pract. med. Roman Zimmermann

Fachassistenzarzt Gastroenterologie
Health Ostschweiz Standort Wil
Fürstenlandstrasse 32
9500 Wil

roman.zimmermann@h-och.ch

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

• Die Diagnosestellung des FUO setzt sich zusammen aus klinischen, labordiagnostischen und bildgebenden Elementen.
• Die Ursache des FUO ist meist infektiös, gefolgt von nicht infektiös entzündlichen Ursachen und selten malignen Ursachen.
• Die Prognose des FUO ist in der Regel günstig. Spontane Besserung und Genesung treten häufig ein. Nur 5–10 % der Patienten entwickeln ernsthafte Komplikationen.
• Eine Steroidtherapie ist eine gute Behandlungsoption nach Ausschluss infektiöser Ursachen.

1. Paltiel O, Steinfeldt R, Bashari A, et al. Fever of Unknown Origin (FUO): Diagnostic Strategies and Challenges. Clin Infect Dis. 2021;73(5):e124-e135. doi:10.1093/cid/ciaa1234.
2. Li H, Zhang W, Chen C, et al. Comprehensive History-Taking in FUO: A Case-Based Approach. J Intern Med Res. 2022;44(3):378-390. doi:10.1002/jimr.5678.
3. Paredes JP, Guerrero F, Molina R. Physical Examination in Fever of Unknown Origin: Key Findings. Med Clin Rev. 2023;101(2):45-58. doi:10.1016/j.medcr.2023.02.012.
4. Benson C, Patel S, Lawrence T. Laboratory Workup in FUO: A Stepwise Approach. Am J Clin Pathol. 2023;159(4):567-580. doi:10.1093/ajcp/aqac123.
5. Petersdorf RG, Beeson PB. Fever of unexplained origin: report of 100 cases. Medicine (Baltimore). 1961;40(1):1-30. doi:10.1097/01.md.0000104740.31928.61.
6. Knockaert DC, Vanneste LJ, Bobbaers HJ. Fever of unknown origin in 1980s. An update of the diagnostic spectrum. Arch Intern Med. 1992;152(1):51-55. doi:10.1001/archinte.1992.00400130069010.
7. Stojanovich L, Marinkovic G. Fever of unknown origin: a diagnostic challenge. Hematology/Oncology and Stem Cell Therapy. 2010;3(2):35-42.
8. Aringer M, Costenbader K, Pagnoux C, et al. Systemic Lupus Erythematosus. Ann Rheum Dis. 2008;67(3):306-317. doi:10.1136/ard.2007.080631.
9. Bleeker-Rovers CP, Vos FJ, de Kleijn EM, et al. A prospective multicenter study on fever of unknown origin: the yield of a structured diagnostic protocol. Medicine (Baltimore). 2007;86(1):26-38. doi:10.1097/MD.0b013e31802fe858.
10. Fleck M. Fieber ungeklärter Ursache – Differenzialdiagnosen und Abklärung. Fieber ungeklärter Ursache – Differenzialdiagnosen und Abklärung. 2013:1-10. Available from: https://www.thieme-connect.de
11. de Kleijn EM, Vandenbroucke JP, van der Meer JW. Fever of unknown origin (FUO). I. A prospective multicenter study of 167 patients with FUO, using fixed epidemiologic entry criteria. Medicine (Baltimore). 1997;76(6):392-400. doi:10.1097/00005792-199711000-00004.
12. Mourad O, Palda V, Detsky AS. A comprehensive evidence-based approach to fever of unknown origin. Arch Intern Med. 2003;163(5):545-551. doi:10.1001/archinte.163.5.545.

Besonders empfohlene Literatur
1. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF). Handlungsempfehlung nach der Leitlinie „Fieber unklarer Genese“. Available from: https://www.awmf.org
2. Peter ME, editor. Fever of unknown origin. 1st ed. New York: Springer; 2011
3. Fauci AS, Tino G, Zinner SH. Fever of unknown origin: Diagnosis and management. JAMA. 2019;321(8):781-792. Available from: https://jamanetwork.com

Akute Stoffwechselentgleisung mit Hirnödem bei Ahornsirupkrankheit

Hintergrund

Die Ahornsirupkrankheit (maple syrup urine disease, nachfolgend MSUD) ist mit einer Prävalenz von 1–9:1 000 000 (1) und Inzidenz von 1:120 000 (2) eine seltene erbliche Stoffwechselstörung. Ursächlich besteht eine autosomal-rezessiv vererbte Aktivitätsminderung des Multienzymkomplexes «verzweigtkettige 2-Ketosäuren-Dehydrogenase», aufgrund welcher die verzweigtkettigen Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin sowie deren entsprechende 2-Ketosäuren nicht adäquat abgebaut werden können (Abb. 1). Die Folge ist eine vermehrte Akkumulation im Gewebe mit akuter und chronischer neurotoxischer Wirkung, insbesondere durch Leucin und dessen Metabolit 2-Ketoisocapronsäure. Der Name der Erkrankung leitet sich aus dem süsslichen Geruch des Urins durch vermehrte Ausscheidung eines Isoleucin-Metaboliten ab (3). Bei frühzeitiger Erkennung (Neugeborenenscreening, in der Schweiz von 1965–1986 sowie seit 2014 [4]) und strikter Therapieadhärenz (spezielle Leucin-arme, proteinreduzierte MSUD-Diät, ergänzende Leucin-, Isoleucin- und Valin-freie Aminosäuremischung) können grundsätzlich Referenzbereich-nahe Plasmaleucinspiegel erzielt werden und die Patient/-innen das Erwachsenenalter ohne Folgeschäden erreichen. Die konsequente Umsetzung der stark einschränkenden Diätvorgaben ist jedoch schwierig; in vielen Fällen entstehen daher kognitive Defizite oder ­leichtere neurologische Einschränkungen, selten eine spastische Zerebralparese (5, 6).

Mit einer geschätzten Anzahl von nur 100 erwachsenen MSUD-Patient/-innen in Deutschland, Österreich und der Schweiz (Stand 2014) sowie deren Betreuung an spezialisierten Stoffwechselzentren ist die praktische Erfahrung im Umgang mit diesen Patient/-innen in der allgemeininternistischen Erwachsenenmedizin mutmasslich gering. Die MSUD zählt jedoch zu denjenigen Stoffwechselerkrankungen, bei welchen ein Behandlungsunterbruch oder kataboler Zustand (infolge Krankheit, Operation oder Fasten) rasch zu einer akuten Stoffwechselentgleisung mit lebensbedrohlichen Folgen führen kann (3). Anhand dieses Fallberichtes möchten wir das Bewusstsein für dieses Krankheitsbild schärfen und die zentralen Aspekte der Behandlung in Erinnerung rufen.

Fallbericht

Ausgangslage

Eine 50-jährige, im Alltag selbständige Patientin mit bekannter MSUD seit dem 6. Lebenstag wurde aufgrund Vigilanzminderung spätabends an unser Zentrum verlegt. Vorangegangen war eine 4-tägige Hospitalisation (1 Tag Akutspital, 3 Tage Psychiatrie) aufgrund einer schweren Gewalttat mit psychischer Traumatisierung. Eine sich dort schnell entwickelnde qualitative Bewusstseinsstörung war zunächst als Mutismus und psychomotorische Blockade infolge der Traumatisierung interpretiert worden. Am Tag der Verlegung in unser Spital wurde die Patientin komatös vorgefunden. Bei daraufhin bestehendem Verdacht auf akute Stoffwechselentgleisung war zur Verhinderung einer weiteren Katabolie bereits eine 10  % Glukoseinfusion mit 200 ml/h gestartet sowie 300 mg Thiamin i.v. verabreicht worden. Als Komorbidität bestand eine strukturelle Epilepsie im Rahmen der MSUD, unter Therapie mit Lamotrigin.

Befunde

Die Patientin präsentierte sich deutlich vigilanzgemindert mit GCS initial um 8–10. Sie war kreislaufstabil, es bestand eine leichte Tachypnoe um 20/min. Im Labor zeigte sich eine Leukozytose mit Neutrophilie, das CRP war normwertig. Zudem fanden sich eine Hypophosphatämie, eine Hyperurikämie sowie eine Hyperglykämie unter Glukoseinfusion. Es lag eine gemischte Säure-Basen-Störung mit vordergründig respiratorischer Alkalose und zusätzlich leichter metabolischer Azidose vor (Tab. 1). Zur Differenzialdiagnostik erfolgte eine cerebrale Bildgebung (CT-Angiographie und darauffolgend MRI-Schädel), welche ein generalisiertes Hirnödem sowie Diffusionsrestriktionen kortikal, in den Basalganglien und den Thalami zeigte (Abb. 2). Im EEG bestanden Allgemeinveränderungen als Ausdruck einer Enzephalopathie, ohne Hinweis auf einen Status epilepticus. Das quantitative Aminosäureprofil im Blut zeigte schliesslich stark erhöhte Leucin-, Isoleucin- und Valin-Werte. Dies bestätigte die Ätiologie der schweren metabolischen Enzephalopathie mit Hirnödem durch die Stoffwechselentgleisung im Rahmen der Grunderkrankung (Tab. 1).

Therapie

Es erfolgte die durchgehende Weiterführung der bereits extern gestarteten Glukoseinfusion (initial Glukose 10 % 2 ml/kgKG/h, später Glukose 50 % zur Reduktion der Volumeneinfuhr). Ergänzend wurde Phosphat substituiert und die Hyperglykämie mit Insulin korrigiert. Nach Bestätigung des stark erhöhten Leucinspiegels erfolgte zusätzlich der Beginn einer Hämodialyse zur Elimination der neurotoxischen Aminosäuren und Metabolite. Im Verlauf wurde eine enterale Sonde zur Verabreichung der MSUD-spezifischen Aminosäuremischung eingelegt und eine proteinfreie parenterale Ernährung (SMOFlipid) begonnen.

Verlauf

Kurzfristig zeigte sich eine weitere Verschlechterung der neurologischen Situation mit fluktuierendem GCS-Abfall bis auf 3, spontanem Babinski-Zeichen und einer Tonuserhöhung der oberen Extremitäten. Nach Beginn der Hämodialyse normalisierte sich der neurologische Zustand innert 3 Tagen. Die Leucin-Spiegel wurden in dieser Phase 2x ­täglich bestimmt und zeigten sich ebenfalls rasch rückläufig – bis leicht unter die bei der Patientin vorbekannten Werte um 500 µmol/l (Tab. 1). Nach 3 Tagen wurde die Hämodialyse beendet. Die Patientin konnte im Verlauf in deutlich gebessertem Zustand aus dem Spital entlassen werden und präsentierte sich 3 Monate später in ausgezeichnetem Allgemeinzustand zur geplanten Verlaufskontrolle in unserer Stoffwechselsprechstunde. Der Leucin-Spiegel zeigte sich zu diesem Zeitpunkt normwertig.

Diskussion

Im Rahmen eines katabolen Zustandes infolge Fasten, akuter Krankheit oder Operation kommt es durch den Abbau von Skelettmuskelprotein zu einem stark vermehrten Anfall von Leucin, Isoleucin und Valin. Dies kann bei Patient/-innen mit MSUD aufgrund der dadurch erhöhten neurotoxischen Substanzen zum Hirnödem sowie konsekutiv akuter Enzephalopathie mit neurologischen und neuropsychiatrischen Symptomen führen (Apathie, Halluzinationen, Verhaltensauffälligkeiten, Bewegungsstörungen, Krampfanfälle, Bewusstseinsstörungen bis Koma). Diese Stoffwechselentgleisung ist eine potenziell lebensbedrohliche Notfallsituation, die die umgehende Einleitung einer Akuttherapie notwendig macht (3). In der Regel sollten die Patient/-innen ein entsprechendes Notfallblatt mit Handlungsanweisungen und Kontaktangaben des Behandlungsteams bei sich tragen. Bereits bei Verdacht muss unverzüglich und ohne Abwarten der bestätigenden Laborwerte eine hochprozentige Glukosedauerinfusion begonnen werden (vorübergehende periphervenöse Verabreichung in eine grosse Vene unproblematisch). Ziel ist die Verhinderung eines fortgesetzten Katabolismus durch eine Kalorienzufuhr entsprechend dem 1–1.5-fachen des Erhaltungsbedarfes (Richtwert Glukose 10 % 2 ml/kgKG/h). Zusätzlich ist die Verabreichung von Thiamin (300 mg i.v.) sowie im Falle einer Hyperglykämie Insulin notwendig. Eine intensivmedizinische Behandlung am Zentrum mit frühzeitiger Involvierung des betreuenden Stoffwechselteams ist indiziert. Die im Rahmen der MSUD-Diät vorbestehende Leucin-freie Aminosäuremischung sollte weiter verabreicht werden – falls notwendig mittels Einlage einer enteralen Sonde (bisher sind keine parenteralen Leucin-freie Produkte erhältlich). Das Ziel ist eine schnelle Senkung des Plasmaleucinspiegels in den oberen Referenzbereich. Eine ausreichende Hydrierung mittels ergänzender Elektrolytlösung soll über forcierte Diurese zur weiteren Entgiftung beitragen, wobei eine Volumenüberladung unbedingt zu vermeiden ist. Bei schwerer Symptomatik stellt die Hämodialyse/-filtration die Option zur raschen Entfernung der Metaboliten aus dem Blut dar. Wichtig ist hierbei zu bedenken, dass die Entfernung aus dem zentralen Nervensystem (ZNS) prolongiert verläuft. Dies bedeutet, dass auch bei normalisierten Werten im peripheren Blut noch toxische Metabolitenspiegel im ZNS vorhanden sein können (3).

Mittels quantitativen Aminosäurenprofils (Notfallbestimmung, in der Schweiz aktuell möglich am Universitäts-Kinderspital Zürich, Inselspital und CHUV) wird die Diagnose bestätigt; meist steigt der Plasmaleucinspiegel im Rahmen einer ausgeprägten Katabolie mit Stoffwechselkrise rasch auf ca 1500 µmol/l oder höher an. Die cerebrale Bildgebung (vordergründig zum Ausschluss von Differenzialdiagnosen bei Vigilanzminderung) kann bei schwerer metabolischer Entgleisung wie bei unserer Patientin ein generalisiertes Hirnödem mit symmetrischen Diffusionsrestriktionen zeigen (Abb. 2). Die ergänzende Routinelaboruntersuchung gibt Hinweise auf zugrunde liegende Erkrankungen (z. B. Infekt) oder weitere Differenzialdiagnosen. Diesbezüglich bestand in unserem Fall kein Hinweis. Wir interpretierten die Problematik durch die verminderte/ausgesetzte Nahrungsaufnahme (einschliesslich der Aminosäurezusätze) während mehrerer Tage im Rahmen der akuten psychischen Belastungsreaktion. Da die akute Stoffwechselentgleisung bei MSUD zu neuropsychiatrischen Symptomen wie Halluzinationen und Verhaltensauffälligkeiten führen kann, ist eine Abgrenzung zu psychiatrischen Erkrankungen schwierig. Bei fehlendem Bewusstsein für die metabolische Problematik kann dies, wie auch in unserem Fall, die therapeutische Korrektur der Stoffwechsellage verzögern und damit die Patient/-innen in eine lebensbedrohliche Lage bringen (7).

Karin Vogt 1, Matthias Baumgartner 2, Katharina Timper 3, 4

1 Klinik für Innere Medizin, Universitätsspital Basel, Basel
2 Abteilung für Stoffwechselkrankheiten und Forschungszentrum für das Kind, Universitäts-Kinderspital Zürich, Zürich
3 Klinik für Endokrinologie, Diabetes & Metabolismus, Universitätsspital Basel, Basel
4 Departement Biomedizin Basel, Universität Basel und Universitätsspital Basel, Basel

Historie
Manuskript eingegangen: 20.11.2024
Angenommen nach Revision: 20.03.2025

Verdankungen
Wir bedanken uns bei Annika Lonak (Neuroradiologie Universitäts­spital Basel) für die Bereitstellung und Kommentierung der radiolo­gischen Bildbefunde, bei Dr. med. Jonas Quitt (Anästhesie/IMC Universitätsspital Basel) für die Hilfe bei der Aufarbeitung initialer Befunde sowie bei Dr. med. Thomas Vogt für die Unterstützung bei der orthografisch-grammatikalischen Bearbeitung des Fallberichts.

Author Contributions
Konzept, KV; Schreiben, Überprüfen, Editieren, KV, KT, MB. Alle Autorinnen und Autoren haben das eingereichte Manuskript gelesen und sind für alle Aspekte des Werkes mitverantwortlich.

Dipl. med. Karin Vogt

Universitätsspital Basel
Klinik für Innere Medizin
Petersgraben 4

karin.vogt@usb.ch

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

• Bei Patient/-innen mit vorbekannter MSUD soll immer an die Möglichkeit einer Stoffwechselentgleisung gedacht und bei Verdacht unverzüglich mit der Gabe einer hochprozentigen Glukoseinfusion (10 %, 2 ml/kgKG/h) begonnen werden. Zudem soll 300 mg Thiamin i.v. ver­abreicht werden.
• Es muss eine Verlegung an das behandelnde Stoff­wechselzentrum erfolgen oder mit diesem Kontakt aufgenommen werden.
• Zugrunde liegende Ursachen (z. B. Infekt) sollen gesucht und rasch behandelt werden.
• Im Falle von Krankheit, Operationen (Katabolismus) und Spitalaufenthalt ist bei bekannter MSUD die enge Mitbe­treuung durch das behandelnde Stoffwechselzentrum und die Vorgabe eines Therapieplans mit spezieller Diät notwendig, um eine Stoffwechselentgleisung zu vermeiden.
• Patient/-innen mit MSUD sollten ein Notfallblatt bei sich tragen und entsprechend informiert sein.

1. Orphanet [Internet]. Paris, France: Orpha.net [cited 2024 03 04]. Available from: https://www.orpha.net/consor/cgi-bin/Disease_Search.php?lng=DE&data_id=708&Disease_Disease_ Search_diseaseGroup=msud&Disease_Disease_Search_diseaseType=Pat&Krankheite(n)/Krankheitsgruppe=Ahornsirup-Krankheit&title=Ahornsirup-Krankheit&search=Disease_Search
2. Fingerhut R, Olgemöller B. Newborn screening for inborn errors of metabolism and endocrinopathies: An update. Anal Bioanal Chem. 2009;393(5).
3. Prof. Dr. med. S. vom Dahl, Dr. med. F. Lammert, Prof. Dr. med. K. Ullrich PD med. UW. Angeborene Stoffwechselkrankheiten bei Erwachsenen. Angeborene Stoffwechselkrankheiten bei Erwachsenen. Springer Verlag; 2014.
4. PD Dr. rer. nat. Ralph Fingerhut, Prof. Dr. med. Johannes Häberle PD med. MB. Evaluationsbericht 2020 Neugeborenen Screening auf die Glutarazidurie Typ-I (GA-I) und die Ahornsirupkrankheit (MSUD). 2020.
5. Abi-Wardé MT, Roda C, Arnoux JB, Servais A, Habarou F, Brassier A, et al. Long-term metabolic follow-up and clinical outcome of 35 patients with maple syrup urine disease. J Inherit Metab Dis. 2017;40(6).
6. Holmes Morton D, Strauss KA, Robinson DL, Puffenberger EG, Kelley RI. Diagnosis and treatment of maple syrup disease: A study of 36 patients. Pediatrics. 2002;109(6).
7. Higashimoto T, Whitehead MT, MacLeod E, Starin D, Regier DS. Maple syrup urine disease decompensation misdiagnosed as a psychotic event. Mol Genet Metab Reports. 2022;32.

Was passiert bei willentlicher Überdosierung mit ­Vitamin D?

Anamnese und Befunde

Patientin 1

Am 12.11.2021 wird eine 39-jährige Patientin mit bekannter – seit 2016 stabiler – schubförmiger Multipler Sklerose nach laborchemisch imponierender Hyperkalzämie in der hausärztlichen Verlaufskontrolle am Vortag auf die Notfallstation zugewiesen. Die Patientin berichtet über seit sechs Wochen anhaltende Fatigue, Nausea und Fiebergefühl. Seit zwei Wochen habe sie zusätzlich ein vermehrtes Zittern in den Beinen bei körperlicher Anstrengung sowie Polyurie bei normaler Trinkmenge. Eine immunsuppressive Therapie der Multiplen Sklerose habe sie aufgrund von Nebenwirkungen vor drei Monaten abgebrochen. Ferner supplementiere sie täglich Vitamin D in hohen Dosen, damit habe sie auf Anregung ihres Lebenspartners bereits vor zwei Jahren begonnen. Die Patientin war kardiopulmonal stabil, und die klinische Untersuchung war bis auf eine leichte Schwäche im Beinhalteversuch unauffällig. In der Laboruntersuchung zeigte sich neben einem stark erhöhten Kalzium von 3.58 mmol/l (2.1–2.6 mmol/l) auch ein erhöhter 25(OH)D3-Serumspiegel von 528 nmol/l (50–125 nmol/l). Ferner war das Parathormon (PTH) unter dem Normwert, und das Kreatinin war bei gleichzeitig verminderter glomerulärer Filtrationsrate erhöht. Die genauen Laborwerte sind in Tab. 1 dargestellt.

Patient 2

Beim Partner oben genannter Patientin fiel an demselben Tag in der Routinelaborkontrolle ebenfalls ein leicht erhöhtes Kalzium auf bei gleichzeitig erhöhter 25(OH)D3-Konzentration und supprimiertem PTH (Tab. 2). Klinisch zeigten sich keine Auffälligkeiten. Der Patient leidet an X-chromosomaler Adrenoleukodystrophie, einer seltenen Stoffwechselerkrankung, die bei Männern häufig in Verbindung mit einem Morbus Addison auftritt (1). Aufgrund fehlender kausaler Therapiemöglichkeiten seiner Grunderkrankung startete der Patient im November 2017 aus Eigeninitiative und in vollem Bewusstsein über die potenziell toxischen Wirkungen zusätzlich zur schulmedizinischen Therapie des M. Addison in Form von Mineral- und Glukokortikoiden (Florinef® 0.1 mg/d und Hydrocortison 20 mg/d) eine Hochdosis-Vitamin-D-Therapie. Das Ziel des Selbstversuches war es, durch wiederholte Dosissteigerung (Tab. 3) eine möglichst hohe tägliche Supplementationsdosis zu erreichen, mit der Überlegung, dass durch sehr hohe Vitamin-D-Konzentrationen die antiinflammatorischen Effekte des aktiven Vitamin-D-Metaboliten 1α,25(OH)2D3 verstärkt werden und dadurch die Aktivität der Autoimmunerkrankung reduziert werden kann.

Differenzialdiagnostische Überlegungen

Die Prävalenz einer Hyperkalzämie in der Gesamtpopulation liegt laut den «National Institutes of Health» bei ungefähr 1 %. In 90 % der Fälle ist die Hyperkalzämie entweder mit einem Malignom assoziiert oder durch einen primären Hyperparathyreoidismus verursacht (2). Neben Anamnese und klinischer Untersuchung gehört zum diagnostischen «Work-up» der Hyperkalzämie auch eine Elektrokardiographie (EKG), um Herzrhythmusstörungen auszuschliessen, und eine Bildgebung («Low-dose»-Computertomographie der Lunge) zum Ausschluss zugrunde liegender Pathologien wie eine Sarkoidose oder ein Lungenkrebs (2). Die Bestimmung des PTH-Levels kann in der Differenzialdiagnose der Hyperkalzämie hilfreich sein. Während eine PTH-Erhöhung für einen primären Hyperparathyreoidismus spricht, weist ein supprimiertes PTH auf eine Hypervitaminose D hin, was als Folge einer exogenen Vitamin-D-Intoxikation oder bei granulomatösen Erkrankungen auftreten kann (3).

Weitere Abklärungsschritte und Verlauf

Bei Patientin 1 fiel ein Thorax-Röntgen ohne Befund aus, und das EKG zeigte mit abgeflachten T-Wellen und einer QTc-Zeit im unteren Normbereich die für Hyperkalzämie typischen EKG-Veränderungen, jedoch keine Arrhythmien. Die Hyperkalzämie war unter intravenöser Rehydrierung regredient, und so konnte die Patientin nach 8 Tagen Spitalaufenthalt in gutem Allgemeinzustand, einem normwertigen Kalzium und einer verbesserten Nierenfunktion wieder nach Hause entlassen werden. Der 25(OH)D3-Spiegel blieb noch für mindestens 9 Monate nach Supplementationsstopp im toxischen Bereich (> 375 nmol/l).

Patient 2 war komplett beschwerdefrei, weshalb keine diagnostischen oder therapeutischen Massnahmen indiziert waren. Auf hausärztliche Empfehlung hin entschied er sich, am 12.11.2021 vorläufig mit der Vitamin-D-Supplementation zu pausieren, um eine Aggravation der laborchemischen Hyperkalzämie zu vermeiden. Es folgte ein initialer Kalziumanstieg mit einem Höchstwert von 3.03 mmol/L (2.1–2.6 mmol/l) sechs Tage nach Supplementationsstopp (Tab. 2). Im Verlauf zeigten sich sowohl die Kalzium- als auch die 25(OH)D3-Konzentrationen rückläufig. Bei ihm wurde nach sechs Monaten erstmals eine 25(OH)D3-Konzentration knapp unterhalb der Toxizitätsschwelle (366 nmol/l) gemessen.

Diagnose

Patientin 1: symptomatische schwere Hyperkalzämie bei Vitamin-D-Intoxikation (528 nmol/l) mit akuter Nierenschädigung Stadium 1 bei Hyperkalzämie-induzierter Hypovolämie
Patient 2: asymptomatische milde Hyperkalzämie bei Vi­tamin-D-Intoxikation (> 400 nmol/l)

Kommentar

Die Diagnose der Vitamin-D-abhängigen Hyperkalzämie basiert neben der anamnestisch erfolgten Vitamin-D-Einnahme und entsprechender Symptomatik auf einer 25(OH)D3-Konzentration im toxischen Bereich (> 375 nmol/l), bei gleichzeitig supprimiertem PTH-Level (< 1.5 pmol/l) (3). Klinische Manifestationen einer Vitamin-D-Intoxikation sind hauptsächlich Hyperkalzämie-assoziiert (4). Die Symp­tome sind unspezifisch und können unterschiedliche Organsysteme betreffen (Abb. 1). Eine erschwerte neuromuskuläre Erregbarkeit kann zu Obstipation, Muskelschwäche und Ataxie führen (5). Polyurie und Polydipsie können als Ausdruck eines nephrogenen Diabetes insipidus auftreten (6), und eine schwere Exsikkose gemeinsam mit der Hyperkalzämie kann zu Nephrokalzinose und Nephrolithiasis führen (2). Ferner können unspezifische Symptome wie Fatigue, Fieber, Anämie, kognitive Dysfunktionen und Bewusstseinsstörungen auftreten (7). Die Symptomatik ist sowohl abhängig vom Schweregrad als auch der Akuität der Hyperkalzämie. Im Falle einer hyperkalzämischen Krise (> 3.5 mmol/l) liegt die Mortalität bei 15–20 % (Tab. 5) (8). Ferner gibt es auch Hinweise, dass eine chronische Hypervitaminose D Langzeitfolgeschäden nach sich ziehen kann (7). In der Autopsie von chronisch Vitamin-D-intoxikierten Ratten fanden sich grossräumige Weichteilverkalkungen und Kalkablagerungen in Nieren, Herz, Aorta und Darm (9).

Das «Tolerable Upper Level» (UL) wurde von beiden Patienten zu jedem Zeitpunkt der Supplementation um mindestens das 12-Fache und die «Recommended Dietary Allowance» (RDA) um das 83-Fache überschritten (Tab. 3 und Tab. 4). Aufgrund mangelnder Labordaten ist nicht bekannt, zu welchem Zeitpunkt der Supplementation jeweils die Toxizitätsschwelle erreicht wurde. Bei Patientin 1 wurde nach der erstmaligen Bestimmung der 25(OH)D3-Konzentration ein Serumspiegel von > 390 nmol/l gemessen. Demnach kann man mit Sicherheit sagen, dass eine durchschnittliche tägliche Einnahme von gut 76 000 IE über 640 Tage hinweg, was einer kumulativen Dosis von knapp 49 000 000 IE Vitamin D entspricht, zu 25(OH)D3-Konzentrationen im toxischen Bereich führen können. Zu diesem Zeitpunkt zeigte sich die Patientin bis auf eine leicht erhöhte Kalziumkonzentration von 2.66 mmol/l bezüglich der Hypervitaminose D komplett asymptomatisch. Die Hospitalisation ereignete sich nach weiteren 12 Monaten der Hochdosis-Supplementation mit persistierend hohem 25(OH)D3-Serumspiegel im toxischen Bereich (> 375 nmol/l). Klinisch manifestierte sich die Intoxikation bereits sechs Wochen zuvor, bei einer kumulativ eingenommenen Menge von ungefähr 78 000 000 IE Vitamin D. Patient 2 zeigte zu keiner Zeit der Supplementation Symptome einer Hyperkalzämie. Die erste Messung des Vitamin-D-Spiegels erfolgte 913 Tage nach Supplementationsbeginn, wobei die durchschnittliche Tagesdosis 58 000 IE und die kumulative Vitamin-D-Einnahme 53 300 000 IE betrug und zu einer 25(OH)D3-Konzentration von > 400 nmol/l führte. Bis zum Auftreten der laborchemischen Hyperkalzämie wies er für mindestens 18 Monate eine toxische 25(OH)D3-Konzentration auf (Tab. 2 und Tab. 3).

Literaturübersicht bei Vitamin-D-­Intoxikation

Im Vergleich dazu sind in Tab. 6 unterschiedliche Supplementationsschemata sowie laborchemische Konsequenzen von Vitamin-D-Intoxikationen aus verschiedenen Fallberichten gelistet.

Bei der bisher höchsten dokumentierten täglichen Einnahme an Vitamin D handelt es sich um eine akzidentelle Intoxikation aufgrund eines Herstellungsfehlers, was bei einem 58-jährigen Mann zu einer zweimonatigen Vitamin-D-Einnahme von total 1 864 000 IE/d führte (10). Die im Fallbericht geschilderte Symptomatik ist relativ kongruent mit der von Patientin 1, und trotz des sehr unterschiedlichen Supplementationsregimes lag die zum Zeitpunkt der klinischen Erstmanifestation kumulativ eingenommene Menge an Vitamin D bei beiden etwa 78 000 000 IE. Die unseres Wissens bisher höchste kumulative Vitamin-D-Einnahme erfolgte durch eine 67-jährige Patientin, die aufgrund eines Verschreibungsfehlers über gut 3 Jahre hinweg bei einer Tagesdosis von 600 000 IE kumulativ gut 648 000 000 IE Vitamin D einnahm (11). Die Vitamin-D-Intoxikation manifestierte sich sehr ähnlich wie bei Patientin 1, und auch sie präsentierte sich mit einer akuten Nierenschädigung, die im Verlauf zumindest teilweise reversibel war. In einem anderen Fallbericht wird beschrieben, wie eine 53-jährige Patientin mit MS, die ebenfalls aufgrund fehlender Therapieoptionen eine selbständige Hochdosistherapie mit Vi­tamin D begann, nach einer fast sechsmonatigen täglichen Einnahme von 50 000–300 000 IE Vitamin D eine schwere, nicht komplett reversible Nierenschädigung erlitt (12).

Beeinflussende Faktoren

Beim Vergleich unserer zwei Patienten untereinander und mit in der Literatur geschilderten Fällen zeigt sich, dass nicht alle Menschen gleich sensibel auf einen Anstieg des Vitamin-D-Serumspiegels zu reagieren scheinen. Die einzelnen Faktoren und deren Auswirkungen auf die Entwicklung einer symptomatischen Vitamin-D-Intoxikation sind noch nicht eindeutig geklärt. Dies liegt wohl primär daran, dass das Durchführen von Studien mit täglichen Hochdosis-Vitamin-D-Supplementationen aus ethischen Gründen nicht möglich ist, was auch die enorme Relevanz solcher Fallberichte erklärt. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass die physiologischen Veränderungen, die bei einer Vitamin-D-Intoxikation auftreten, möglicherweise von Person zu Person und auch zwischen Subpopulationen variieren und es neben Alter, BMI und Baseline-Serumspiegel noch weitere, bisher ungeklärte Variablen geben könnte, die das Auftreten von toxischen Symptomen bei übermässiger Vitamin-D-Zufuhr beeinflussen könnten (14). So wurde in einer Studie beobachtet, dass «African Americans» im Vergleich zu «European Americans» bereits bei 25(OH)D3-Konzentrationen, die im Referenzbereich liegen (> 50nmol/l) eine grössere Gesamtsterblichkeit und ein erhöhtes Atheroskleroserisiko aufweisen (15). Einen klaren gendermedizinischen Unterschied bezüglich der Prävalenz oder des Schweregrads einer Hyperkalzämie konnte in der Literatur bislang nicht bestätigt werden. Jedoch hat sich in einem Review gezeigt, dass Frauen besonders anfällig für eine Vitamin-D-Hypervitaminose zu sein scheinen (16). Ferner stellt Adipositas aufgrund der Vitamin-D-Anreicherung im Fettgewebe einen protektiven Faktor im Sinne einer Vitamin-D-Intoxikation dar (17). Medikamente wie zum Beispiel Laxanzien, Rifampicin, Barbiturate oder Imidazol-Antimykotika können die Resorption, Metabolisierung oder Wirkung von Vitamin D beeinflussen (7). Glukokortikoide bewirken eine Reduktion der intestinalen Kalziumabsorption und inhibieren die 1α-Hydroxylase, das Enzym, welches 25(OH)D3 in den aktiven Metaboliten 1α,25(OH)2D3 konvertiert, was die Wirkung von Vitamin D reduziert. Dies würde auch erklären, weshalb Patient 2 mit einer durchschnittlichen täglichen Einnahme von gut 58 000 IE trotz persistierend hohen 25(OH)D3-Serumspiegeln kaum Manifestationen einer Vitamin-D-Intoxikation entwickelte (18).

Vitamin D und Autoimmunerkrankungen

Viele Studien bestätigen die Assoziation zwischen Vitamin-D-Unterversorgung und der Prävalenz von Autoimmunerkrankungen, wie beispielsweise Diabetes mellitus Typ 1, MS oder rheumatoider Arthritis (19, 20, 21, 22). Ferner kann an In-vitro-Immunzellen nach Exposition zu pharmakologischen Dosen an Vitamin-D-Metaboliten Immunmodulation beobachtet werden (23). Bisher konnten die In-vitro-Beobachtungen noch nicht erfolgreich auf die Klinik übertragen werden. Ein Grund dafür könnte sein, dass die dafür benötigten 1α,25(OH)2D3-Konzentrationen im menschlichen Organismus nicht ohne erhebliche Nebenwirkungen in Form von Vitamin-D-Intoxikation und Hyperkalzämie zu erreichen sind (24). In Tierversuchen hat sich gezeigt, dass Vitamin D den besten Effekt in der präventiven Anwendung erzielt, wobei dieses Zeitfenster in der Praxis häufig verpasst wird (23). Das Vermeiden schwerer Vitamin-D-Mangelzustände verbessert die Immunfunktion und könnte damit die Anfälligkeit für Autoimmunerkrankungen verringern. Ob Vitamin D auch eine therapeutische Rolle in solchen Krankheiten einnehmen kann, ist zurzeit noch unklar.

Fazit

Der Vitamin-D-Mangel stellt ein globales Gesundheitsproblem dar, und die gesundheitsschädigenden Folgen einer Unterversorgung sind schon lange bekannt. Durch den zunehmenden Gesellschaftstrend der Nahrungsmittelergänzung kommt mit der medizinisch nicht indizierten Vitamin-D-Substitution ein neuer Aspekt der Vitamin-D-Hypervitaminose hinzu. Der Fall von Patientin 1 zeigt, dass eine symptomatische Vitamin-D-Intoxikation durch eine kumulative Einnahme von etwa 78 000 000 IE ausgelöst werden kann. Die durchschnittliche Dosis von etwa 83 000 IE/d ist um mehr als das 40-Fache höher als die bei Vitamin-D-Mangel empfohlene Tagesdosis. Dennoch sollten sowohl das medizinische Personal als auch Patienten auf die klinischen Manifestationen bei Vitamin-D-Intoxikation sensibilisiert werden. Insbesondere wenn die Dosierungen die Empfehlungen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) überschreiten, ist die Patientenaufklärung über die toxischen Wirkungen von Vitamin D und dem damit einhergehenden Risiko indiziert. Ist eine Hochdosis-Supplementation dennoch gewünscht, dann sollte dies – wie bei unseren Patienten – nur unter ärztlicher Aufsicht und regelmässigen laborchemischen Kontrollen der Serumspiegel von Kalzium, PTH und gegebenenfalls Phosphat oder Kreatinin erfolgen, um eine laborchemische Hyperkalz­ämie frühzeitig zu detektieren und klinische Manifestationen sowie Folgeschäden zu verhindern.

Debora Meier
Medizinische Fakultät der Universität Zürich, Zürich, Schweiz
Katja Weiss, https://orcid.org/0000-0003-1247-6754
Institut für Hausarztmedizin, Universitätsspital Zürich, Zürich, Schweiz
Thomas Rosemann, https://orcid.org/0000-0002-6436-6306
Institut für Hausarztmedizin, Universitätsspital Zürich, Zürich, Schweiz
Beat Knechtle, https://orcid.org/0000-0002-2412-9103
Institut für Hausarztmedizin, Universitätsspital Zürich, Zürich, Schweiz
Medbase St. Gallen Am Vadianplatz, St. Gallen, Schweiz

Abkürzungen
BAG Bundesamt für Gesundheit
EKG Elektrokardiographie
GFR Glomeruläre Filtrationsrate
IE Internationale Einheit (standardisierte, substanzspezi­fische Mengeneinheit zur Quantifizierung der Wirkung eines Stoffes oder eines medizinischen Präparates)
PTH Parathormon
UL Tolerable Upper Limit (die Höchstmenge der täglichen Nährstoffzufuhr, die wahrscheinlich kein Risiko schädlicher Auswirkungen birgt)
RDA Recommended Dietary Allowance (empfohlene Tagesdosis für Allgemeinbevölkerung)
1a,25(OH)2D3 1a,25-Dihydroxyvitamin-D3, aktiver VD-Metabolit oder Calcitriol
25(OH)D3 25-Hydroxyvitamin-D3 oder Calcidiol

Historie
Manuskript eingegangen: 03.01.2025
Manuskript angenommen: 10.03.2025

Prof. Dr. med. Beat Knechtle

Facharzt FMH für Allgemeinmedizin
Medbase St. Gallen Am Vadianplatz
Vadianstrasse 26
9001 St. Gallen
Switzerland

beat.knechtle@hispeed.ch

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

• Die Diagnose der Vitamin-D-induzierten Hyperkalzämie basiert neben der laborchemischen Hyperkalzämie, der anamnestisch erfolgten Vitamin-D-Einnahme und entsprechender Symptomatik auf einer 25(OH)D3-Konzen­tration im toxischen Bereich (> 375 nmol/l), bei gleichzeitig supprimiertem PTH-Level (< 1.5 pmol/l).
• Tägliche Vitamin-D-Dosierungen sollten nicht höher als das «Tolerable Upper Level» von 4000 IE/d sein.
• Manifestationen einer Hyperkalzämie sind unspezifisch und können verschiedene Organsysteme betreffen, es gibt aber auch subklinische Verläufe.
• Bei einer Hochdosis-Vitamin-D-Supplementation besteht die Gefahr einer akuten Hyperkalzämie sowie Langzeitfolgeschäden bei chronischer Hypervitaminose D.
• Die Mortalität einer schweren Hyperkalzämie beträgt 15–20  %.

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Rezidivierende Thrombosen trotz oraler ­Antikoagulation? Ein Fallbericht

Anamnese und bisherige Befunde

Die 34-jährige Patientin Schweizer Herkunft wurde uns wegen eines subakuten thrombotischen Verschlusses der Vena mesenterica superior per Zufallsbefund in einer Computertomographie (CT) des Abdomens zugewiesen. Aufgrund bereits stattgehabter thromboembolischer Ereignisse nahm sie seit Juni 2023 regelmässig Apixaban (5 mg zweimal täglich) ein. Grund für die externe CT war eine ödematös-imponierende Darmschleimhaut des Kolons ohne Zeichen einer Blutung oder Entzündung in einer externen Koloskopie. Letztere wurde wegen seit Juli 2023 akut aufgetretener abdominaler Beschwerden und postprandialer Diarrhö durchgeführt. Ein Morbus Crohn (CD) mit Erstdiagnose vor über zehn Jahren stand in den Vordiagnosen. Bei bislang fehlender Klinik war bisher keine spezifische Crohn-Therapie etabliert. Der Befund einer zeitgleich erfolgten Gastroskopie war ebenso bland. Eine Zöliakie konnte hierbei histologisch ausgeschlossen werden. Laut Aufzeichnungen erlitt die Patientin mehrere unprovozierte, thromboembolische Ereignisse (Tab. 1). Daraufhin wurde eine Antikoagulation mit einem Vitamin-K-Antagonisten (Marcoumar©) etabliert, mit Umstellung auf Dalteparin (Fragmin©) während der Schwangerschaft. Nach der Geburt im Oktober 2022 setzte die Patientin die Antikoagulation ab, worauf dies im Juni 2023 zu einer Lungenembolie führte.

Eine angeborene oder erworbene Gerinnungsstörung konnte zweimalig serologisch und genetisch, inklusive Abklärung und Ausschluss einer paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie (PNH), ausgeschlossen werden. Die Patientin war Nichtraucherin und nahm keine Kontrazeptiva ein. Ein direkter Zusammenhang der thromboembolischen Ereignisse mit einer aktiven Morbus-Crohn-Aktivität war zu keiner Zeit beschrieben und dokumentiert. Klinisch präsentierte sich im Rahmen des Erstkontaktes bei uns eine kardiopulmonal stabile Patientin in kachektischem Ernährungszustand (Body-Mass-Index [BMI] 17 kg/m2) mit persistierender Appetitlosigkeit und Völlegefühl. Seit Juli bestand ein Vier-Quadranten-Aszites mit konsekutiver Zunahme des Bauchumfanges. Der Bauch war weich, schmerzfrei und druckindolent. Tenesmen wurden verneint. Bei irregulärem Stuhl, anamnestisch teils flüssig, teils mit unverdauten Speiseresten, bestanden keine Blutbeimengungen. Die Stuhlfrequenz war normal.

Labor

Zusammengefasst (Details siehe Tab. 2) war eine schwere Hypoalbuminämie (17 g/l, normal 40–49 g/l) sowie ein erhöhtes Calprotectin im Stuhl (169 µg/g, normal < 50 µg/g) auffallend. Die Leberfunktion und -syntheseleistung waren normal. Eine Proteinurie und Pankreasinsuffizienz (Pankreaselastase im Stuhl 209 µg/g, normal > 200 µg/g) konnten ausgeschlossen werden. Die Entzündungsparameter lagen im Normbereich, und Stuhlkulturen blieben ohne Wachstum.

Differenzialdiagnostische Überlegungen

Eine renale und hepatische Ursache der Hypoalbuminämie konnte gemäss Labor und Bildgebung ausgeschlossen werden (1). Indirekt bestanden keine Hinweise für eine portale Hypertension oder rechtskardiale Stauung als Ursache für den Aszites und die Anasarka. Die orale Kost- und Proteinzufuhr war regelrecht. Die Patientin wurde hierbei ernährungstherapeutisch begleitet und überwacht. Hinweise für Malignität bestanden gemäss Schnittbildgebung keine. Eine kürzlich erfolgte endoskopische Abklärung zeigte keine Entzündungsaktivität im einsehbaren Gas­trointestinaltrakt und Kolon. Das Calprotectin im Stuhl war widersprechend signifikant erhöht, was eine entzündliche Aktivität im Darm bestätigte. Folglich vermuteten wir eine Entzündungsaktivität im Rahmen einer floriden CD, beschränkt auf den Dünndarm und ursächlich für die Resorptionsstörung mit Proteinverlustsyndrom (PLE). Eine PLE ist als klinisches Erscheinungsbild einer CD anerkannt. Der Proteinverlust im Darm führt typischerweise zu Serumalbuminwerten von < 30 g/l und häufig sogar < 20 g/l (2). Eine Diarrhö ist oft nicht vorliegend (3). Da Albumin ein negatives Akutphasenprotein ist, kann das Serumalbumin bei einem klinisch schweren Verlauf besonders tief sein (3).

Weitere Abklärungsschritte

Eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Dünndarms (Abb. 1) zeigte eine ausgeprägte segmentale Wandverdickung des terminalen Ileums sowie multifokale Strikturen im Dünndarm mit zuvor erweiterten Schlingen – vereinbar mit einem Morbus Crohn. Generell weist das Vorliegen eines intramuralen Ödems auf eine aktive Entzündung hin, während ein Nachweis von intramuralem Fett auf eine vergangene oder chronische Entzündung deutet (4). Eine Differenzierung zwischen aktiver Entzündung und venöser Kongestion – bei stattgehabtem Verschluss der Vena mesenterica superior – war letztlich bildgebend und als Rückschluss für die Wandverdickung nicht möglich. Eine mesenteriale Lymphadenopathie wurde ebenso beschrieben, passend zu einer entzündlichen Aktivität (4). Hinweise für Malignität gab es erneut keine. Eine Kapselendoskopie zur weiteren bildgebenden Abklärung wurde diskutiert. Aufgrund der vorliegenden Darmstrikturen verzichteten wir hierauf. Wegen der PLE und den ätiologisch unklaren Thrombosen bestimmten wir den Apixaban-Spitzenspiegel drei Stunden nach oraler Einnahme. Dieser lag mit 87.3 µg/l im subtherapeutischen Bereich (Referenzbereich 152–258 µg/l bei 5 mg Apixaban zweimal täglich). Unsere Vermutung einer enteralen Malabsorption bei CD verfestigte sich hierdurch. Insbesondere das kürzlich aufgetretene Ereignis (Verschluss der Vena mesenterica superior) trotz direkter oraler Antikoagulanzien (DOAK) könnte somit erklärt werden. Erschwerend dazu könne eine bereits zuvor bestehende postthrombotische Veränderung im Rahmen der Vena cava inferior Thrombose von 2012 als Risikofaktor nicht ausgeschlossen werden.

Diagnose

Enterale Malabsorption von direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) durch Entzündungsaktivität im Rahmen eines floriden Morbus Crohn (CD).

Therapie

Der Aszites wurde mittels intravenöser Albuminsubstitution in üblicher Dosis über drei Tage behandelt. Hierunter war der Aszites nahezu vollständig regredient. Betreffend Antikoagulation wurde die Patientin auf ein körpergewichtadaptiertes, niedermolekulares Heparin mit subkutaner Verabreichung umgestellt. Bei unserer Patientin lagen die Proteine S und C, das Antithrombin – bei sonstigem Wirkverlust von Heparin (5) – sowie das Fibrinogen im Normbereich. Hinsichtlich des Morbus Crohn wurde, basierend auf dem Befund des MRT-Abdomens, eine per orale Therapie mit Budesonid und Sulfasalazin initiiert. Zusätzlich wurde temporär Prednison 40 mg wegen ungenügender Besserung verabreicht. Das Serumalbumin normalisierte sich sukzessive und ohne weiteren Substitutionsbedarf mit Beginn der antientzündlichen Therapie. Im Verlauf erfolgte eine Therapieumstellung auf Adalimumab. Unter dieser Medikation war die Patientin weiterhin beschwerdefrei.

Kommentar

Etwa 90 % der oralen Medikamenten- und Nährstoffabsorption, einschliesslich DOAK, erfolgen im Dünndarm, insbesondere im Duodenum und im proximalen Jejunum (6, 7). Durch seine reiche Ausstattung an Zotten und Mikrovilli besteht im Dünndarm eine grosse permeable und gut durchblutete Austauschfläche von etwa 200–400 m² (6, 8). Die spezialisierte Schleimhaut enthält zahlreiche Verdauungsenzyme, Transportproteine und ein komplexes Netzwerk aus Lymph- und Blutgefässen (9). Proteine, Kohlenhydrate und freies Wasser werden überwiegend wegen der ausgedehnten Faltenstruktur im Jejunum aufgenommen. Im Ileum werden Gallensalze und damit verbunden fettlösliche Vitamine (A, D, E, K) sowie Vitamin B12 absorbiert (10). DOAK werden als nur mässig lipophil beschrieben, wobei Rivaroxaban am wenigsten lipophil ist, gefolgt von Apixaban und schliesslich Dabigatran mit der höchsten Lipophilie (11).

Eine entzündliche Aktivität einer CD kann in jedem Abschnitt des Verdauungstraktes Defekte in der Schleimhautbarriere verursachen. Gemäss Studienlage ist bei 30–70 % aller Patienten mit CD der Dünndarm mit betroffen, und bis zu 30 % der Patienten weisen ausschliesslich eine Beteiligung des Dünndarms auf (12). Das terminale Ileum bei CD ist der häufigste Ort der Entzündung. Nur 5 % der Fälle betreffen isoliert den proximalen Dünndarm (13). Es kommt zu aphthösen Ulcera und Körnigkeit der Mucosa mit möglicher Villusverflachung im Duodenum und Entzündungsaktivität in der Lamina propria. Die funktionale Oberfläche des Darms wird hierdurch reduziert (14).

Typische Befunde und Symptome der Entzündung im Dünndarm wären Durchfall, Steatorrhö, Mangelernährung, Gewichtsverlust, Ergussbildung und Anämie (14); grössere Moleküle und Bakterien können die Darmwand passieren. Es kommt zu einer Malabsorption (15). Potenzielle Strikturen und Vernarbungen nach Ulzerationen können zu Lymphabflussstörungen, sekundären Lymphangiektasien und zur Bildung von fistulösen Gängen sowie bakteriellem Überwuchs führen, was zum funktionellen Verlust der Schleimhautfläche beiträgt (9). Je nach Grad der Darmluminalverengung kann proximal eine Darmdilatation entstehen (4).

Aufgrund der – durch oben genannter Pathophysiologie entstandener – Barrierestörung kann es zu subtherapeutischen Serumspiegeln und ungenügender Wirkung von oral verabreichten Medikamenten kommen (15, 16). Obschon es genügend Literatur zu Ernährungsdefiziten und PLE bei CD gibt, ist die Datenlage hinsichtlich Medikamentenabsorption spärlich (17). Aufgrund der unterschiedlichen Ausprägung von CD ist es schwierig, Veränderungen in der oralen Bioverfügbarkeit anhand einzelner Medikamentenmerkmale oder anhand von Modellen vorauszusagen (18).

Apixaban – ein direkter Faktor-Xa-Inhibitor – zeigt eine lineare Pharmakokinetik bei Dosierungen zwischen 2.5 und 25 mg (16). Bei gesunden Probanden wird der maximale Plasmaspiegel von Apixaban drei Stunden nach oraler Einnahme erreicht. Klinisch relevante Einflüsse der Nahrungsaufnahme auf die Bioverfügbarkeit von Apixaban gibt es keine (7). Die Absorption von Apixaban erfolgt hauptsächlich im Dünndarm (19), wobei der distale Dünndarm und das aufsteigende Kolon etwa 55 % der Apixaban-Absorption ausmachen (7). Im Vergleich zur Einnahme der normalen Filmtabletten ist die Bioverfügbarkeit von 2.5 mg Apixaban-Lösung um etwa 60 % und 84 % niedriger, wenn die Lösung im distalen Dünndarm bzw. im aufsteigenden Kolon freigesetzt wird (19). Bei oralen Dosen bis zu 10 mg beträgt die absolute Bioverfügbarkeit von Apixaban etwa 50 %, was auf eine unvollständige Resorption und den First-Pass-Metabolismus in Darm und Leber zurückzuführen ist (19).

Pollak et al. (16, 20) untersuchten eine spiegelgesteuerte Dosisanpassung von Apixaban, um eine beeinträchtigte Absorption bei einer Patientin mit Kurzdarmsyndrom zu kompensieren. Die Patientin erreichte nur 30 % der normalen medianen Spitzenkonzentrationen mit einer Dosis von 2.5 mg zweimal täglich. Daraufhin wurde die Dosis auf 15 mg zweimal täglich erhöht, was zu therapeutischen Spiegeln führte. Dies zeigt, dass durch eine Dosisanpassung, geleitet durch «Drug Monitoring», auch bei diesen Patienten therapeutische Konzentrationen von Apixaban erreichbar sind.

Zusammengefasst sind die Physiologie und Pathophysiologie der Medikamentenabsorption komplex. Unklar bleibt, ob bei vorhandener Barrierestörung im Dünndarm durch einen Morbus Crohn eine höhere Dosierung zu normalem Medikamentenspiegel führen kann. Vice versa könnte im Falle eines Heilungsprozesses folglich die Gefahr einer Überdosierung mit konsekutivem Blutungsrisiko bestehen, sodass es sinnvoll erscheint, in diesen Fällen eine Therapieüberwachung durch Spiegelbestimmungen durchzuführen.

Sigute Silingaite
Klinik für Innere Medizin, Universitätsspital Zürich

Florian Prenner
Klinik für Innere Medizin, Universitätsspital Zürich

Abkürzung
BMI Body-Mass-Index
CD Morbus Crohn
CT Computertomographie
DOAK Direkte orale Antikoagulanzien
MRT Magnetresonanztomographie
PLE Proteinverlust-Enteropathie
PNH Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie

Historie
Manuskript eingegangen: 18.09.2024
Angenommen nach Revision: 20.03.2025

Dr. med. (LT) Sigute Silingaite

Assistenzärztin
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100, 8091 Zürich

sigute.silingaite@gmail.com

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

• Ein florider Morbus Crohn kann sich je nach Lokalisation atypisch und oligosymptomatisch präsentieren.
• Bei Vorliegen einer Proteinverlust-Enteropathie sollte an eine mögliche Medikamentenmalabsorption gedacht werden.
• Wir empfehlen Spiegelkontrollen bei wichtigen Medikamenten, für welche das klinische Ansprechen nicht direkt beurteilt werden kann, sowie allenfalls eine Umstellung auf eine parenterale Verabreichung, sofern möglich bis zur Rekonvaleszenz.
• Aufgrund der unterschiedlichen Ausprägung von CD ist es schwierig, Veränderungen in der oralen Bioverfügbarkeit anhand einzelner Medikamentenmerkmale oder Modelle vorauszusagen.

1. Samant S, Lyon DR, Asmi N, Jha P. Protein-Losing Enteropathy in Crohn’s Disease: Two Unusual Cases. Cureus. 2021;13:e19501. doi: 10.7759/cureus.19501.
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Takotsubo-Syndrom durch Gewehrkugel

Hintergrund

Takotsubo-Syndrom, auch als «Gebrochenes-Herz-Syndrom» bekannt, ist eine Herzerkrankung, die oft durch emotionale oder physische Stressereignisse ausgelöst wird. Die Symptome ähneln denen eines Herzinfarkts. Beim klassischen apikalen Takotsubo-Syndrom gleicht die Ventrikulographie in der Herzkatheteruntersuchung aspektmässig einer Tintenfischfalle, «Takotsubo» auf Japanisch. Stresshormone spielen vermutlich eine Schlüsselrolle. Die Prognose ist im Allgemeinen gut, die meisten Patienten erholen sich innerhalb von Wochen vollständig. Es sind aber auch fatale Verläufe möglich.

Fallbericht

An einem Herbstabend zerbrach ein Projektil das Badezimmerfenster des Einfamilienhauses einer 71-jährigen Frau. Glücklicherweise wurde niemand verletzt. Der Schrecken sass jedoch tief, und die Polizei wurde sofort alarmiert. Im Badezimmer wurde ein Teilmantelgeschoss Kaliber .30 (7.62 mm) aufgefunden (Abb. 1). Mit hoher Wahrscheinlichkeit stammt das Projektil von einer Jagdpatrone. Ermittlungen gegen Unbekannt wurden wegen Gefährdung des Lebens und Sachbeschädigung aufgenommen.

Etwa eine Stunde nach dem Ereignis verspürte die 71-jährige Frau starke Schmerzen in der Brust und zwischen den Schulterblättern, welche nach 1–2 Stunden spontan rückgängig waren. Am Folgetag suchte die Patientin ihren Hausarzt auf, wo ein erhöhtes Troponin Tn-I und anterolaterale sowie inferiore Repolarisationsstörungen mit ST-Senkungen, T-Abflachungen und -Negativierungen im EKG festgestellt wurden (Abb. 2–4).

Bei Verdacht auf Myokardinfarkt wurde die Patientin ins regionale Krankenhaus eingewiesen und anschliessend zur Herzkatheteruntersuchung ins Zentrumsspital verlegt. Eine koronare Herzkrankheit konnte ausgeschlossen werden, jedoch zeigte die Ventrikulographie bei einem erhöhten linksventrikulären enddiastolischen Druck vom 20 mmHg (Norm < 15 mmHg) eine schwer eingeschränkte systolische linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) von 25 % (Norm > 55 %) mit Akinesie der midventrikulären Abschnitte (Abb. 5).

Die Diagnose eines midventrikulären Takotsubo-Syndroms wurde gestellt. Es wurde anschliessend eine Herzinsuffizienztherapie mit Betablocker, ACE-Hemmer, SGLT-2-Inhibitor, Spironolacton und Schleifendiuretika begonnen. Bereits am dritten Hospitalisationstag zeigte die transthorakale echokardiographische Kontrolle eine deutliche Besserung der LVEF von 25 % auf 45 %. Nach 4 Tagen konnte die Patientin aus der Spitalpflege entlassen werden. 3 Monate später hatte sich die LVEF vollständig normalisiert, die Patientin war beschwerdefrei, und die Herzinsuffizienztherapie wurde bis auf das Sartan (zwischenzeitlich Wechsel erfolgt) gestoppt. Aus der Vorgeschichte der Patientin ist bekannt, dass sie bereits früher ähnliche Brustschmerzen erlebte, die mit dem emotionalen Ereignis im Zusammenhang standen, als ihr Sohn ins Ausland auswanderte. Es erfolgte damals jedoch keine eingehende kardiale Untersuchung.

Diskussion

Definition

Das Takotsubo-Syndrom ist eine transiente LV-Dysfunktion mit typischen Wandbewegungsstörungen, welche nicht auf eine koronare Stenose oder einen Verschluss zurückzuführen sind, häufig von physischen oder emotionalen Triggern ausgehend (1).

Symptomatik und Diagnostik
Das Krankheitsbild des Takotsubo-Syndroms ist durch typische Beschwerden ähnlich eines akuten Koronarsyndroms mit akuten thorakalen Schmerzen, Dyspnoe sowie erhöhten kardialen Biomarkern gekennzeichnet. Elektrokardiographisch zeigen sich typischerweise ST-Strecken-Abnormalitäten, am häufigsten initial ST-Hebungen und im Verlauf fortschreitende T-Inversionen und QT-Zeit-Verlängerungen (2, 3). Echokardiographisch und in der Ventrikulographie sind typische regionale Wandbewegungsstörungen sichtbar. Die Koronararterien zeigen typischerweise keinen erklärenden Koronarverschluss. Anhand der Regionalitäten lassen sich morphologisch 4 Typen des Takotsubo-Syndroms unterscheiden: den midventrikulären Typ, den basalen und den fokalen Typ sowie den apikalen Typ. Letzterer weist als typisches Bild ein apikales Ballooning infolge der apikalen Akinesie auf und tritt in über 80 % aller Fälle auf (4). Der midventrikuläre Typ ist die zweithäufigste Form, dabei sind die midventrikulären Wandabschnitte akinetisch und die basalen sowie apikalen Segmente hyperkontraktil. Gemäss dem internationalen Takotsubo-Register wird vermutet, dass die LVEF bei atypischem Takotsubo-Syndrom im Vergleich mit dem typischen Takotsubo-Syndrom weniger eingeschränkt ist (5).

Wichtig für die Praxis
Da ein Takotsubo-Syndrom nicht invasiv nicht eindeutig von einem akuten Koronarsyndrom unterschieden werden kann, ist die initiale Behandlung identisch mit der eines akuten Koronarsyndroms, und der wichtigste diagnostische Schritt ist eine Linksherzkatheteruntersuchung.

Trigger und Demographie
Typische Auslöser für Takotsubo-Syndrom sind physische und psychische Trigger unterschiedlicher Ausprägung. Bei den psychischen Triggern handelt es sich um negative oder positive emotionale Ereignisse. Beispiele für positive Trigger sind ein Lottogewinn, für negative Trigger der Tod einer nahestehenden Person, eine Scheidung, finanzielle Pro­bleme, ein Erdbeben, Krieg (6, 7) oder auch Angst vor der COVID-19-Pandemie (8). In etwas über einem Viertel aller Fälle findet man jedoch keine Auslöser (9). Der Grossteil der Betroffenen sind Frauen mit einem mittleren Alter von 66 Jahren (4).

Pathomechanismus
Der genaue Mechanismus ist nicht eindeutig. Es sprechen viele Studien für eine akute mikrovaskuläre Dysfunktion als Hauptursache des Takotsubo-Syndroms (10). Jedoch sind auch direkte Effekte auf die Kardiomyozyten nachweisbar: Während Stresssituationen kommt es zur Ausschüttung von Katecholaminen. Hohe Dosen von Epinephrin führen zu einer Signaltransduktion (11). Bei niedriger Epinephrinspiegel werden über den β2-Rezeptor stimulierende G-Proteine aktiviert, was positiv inotrop wirkt. Im Falle hoher Epinephrinspiegel werden anstatt stimulierender G-Proteine inhibitorische G-Proteine (Gi) aktiviert, was negativ inotrop wirkt. Es wird angenommen, dass die β2-Rezeptordichte im linken Ventrikel apikal höher ist als basal, was das apikale Ballooning erklären kann (12). Die Patienten mit einem Takotsubo-Syndrom-Rezidiv können eine andere Form zeigen als die Primärmanifestation (13). Es kann durch die Down-Regulation der β2-Rezeptoren nach erster sympathischer Stimulation erklärt werden (14–15). Als weitere Ursachen werden Gefässspasmen und endotheliale Dysfunktionen mit Mikrozirkulationsproblemen diskutiert (1).

Therapie
Die Empfehlungen beruhen auf retrospektiven Studien sowie Expertenmeinungen (12).

Als Komplikationen können eine akute Herzinsuffizienz oder Rhythmusstörungen auftreten. In der Regel richtet sich die Behandlung nach den Leitlinien der einzelnen Krankheit (z. B. ventrikuläre Tachykardie oder akute Herzinsuffizienz). Somit werden meist eine Herzinsuffizienztherapie und eine rhythmologische Überwachung durchgeführt. Es wird empfohlen, die rhythmologische Überwachung bis zur Normalisierung der QT-Zeit durchzuführen (3).

Falls ein kardiogener Schock auftritt, muss eine dynamische Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstraktes (LVOT-Obstruktion) echokardiographisch evaluiert werden: Bei einem Takotsubo-Syndrom des apikalen Typs bleibt oft als einziger kontraktiler Teil des Myokards die basale Manschette, dazu gehört auch die septale Wand des LVOT. Dieser kompensatorisch hyperkontraktile Wandabschnitt des LVOT behindert den Auswurf in die Aorta direkt. Zudem kommt es durch die Flussbeschleunigung im engen LVOT zu einem systolischen Ansaugen des anterioren Mitralsegels (SAM), was die Obstruktion verstärkt. Eine zusätzliche Folge ist die schwere Mitralklappeninsuffizienz, welche das Herzminutenvolumen nochmals reduziert. Inotropika können so schlussendlich zu einem akuten Pumpversagen führen. Die richtige Behandlung gleicht der einer hypertrophen obstruktiven Kardiomyopathie mit Erhöhung der Nachlast (z. B. Noradrenalin) sowie Betablockade und Volumentherapie. Falls keine Stabilisierung erfolgt, kann Impella erwogen werden (2). Die LVOT-Ob­struktion tritt bei 10–25 % von allen Fällen auf (16).

Falls keine LVOT-Obstruktion auftritt, unterscheidet sich die Therapie nicht grundsätzlich von der einer akuten Herzinsuffizienz anderer Ursache. Bei einer LVEF < 30 % sollte die Antikoagulation in Betracht gezogen werden. Die Therapie mit ACE-Hemmern/Angiotensin-II-Rezeptorblockern ist mindestens bis zur Normalisierung der LVEF empfohlen. Jedoch zeigen retrospektive Analysen einen Benefit hinsichtlich Mortalität und Rezidivrate unter ACE-Hemmern, weshalb eine Dauertherapie evaluiert werden sollte. Die langfristige Therapie mit Betablockern ergab interessanterweise trotz der Pathophysiologie keine Vorteile (3), die 30-Tage-Sterblichkeit ist nicht reduziert (17).

Prognose
Auch wenn sich die meisten Patienten vollständig von einem Takotsubo-Syndrom erholen, kann das Krankheitsbild nicht als gutartig bezeichnet werden. In der akuten Phase tritt in 5–10 % aller Fälle ein kardiogener Schock auf. Anhand der International Takotsubo Registry Study liegt die Mortalität bei 4.1 %, das Takotsubo-Syndrom hat also eine vergleichbare Komplikations- und Mortalitätsrate wie ein akutes Koronarsyndrom (4).

Falls die akute Phase überlebt wird, normalisiert sich die systolische linksventrikuläre Ejektionsfraktion in der Regel innerhalb von 1 bis 4 Wochen (18). Die Symptome wie Dyspnoe, Lethargie, Herzrasen und Brustschmerz können sogar mehr als 2 Jahre nach dem Ereignis persistieren, trotz Normalisierung der LVEF (8). Das jährliche Risiko, ein Rezidiv zu erleiden, liegt bei 1–2 % pro Jahr (4). In den ersten 5 Jahren tritt ein Rezidiv bei einem von acht Patienten auf, wobei der Auslöser meistens anders ist als beim ersten Ereignis (8).

Zusammenfassung

Bei unserem Fall hat das Gewehrprojektil die Patientin glücklicherweise nicht getroffen. Der Vorfall war trotzdem für die Patientin ein aussergewöhnliches emotionales Ereignis. Durch Ausschüttung von Stresshormonen hat der Vorfall aber seine indirekte und potenziell tödliche Wirkung auf das Herz entfaltet. Es entwickelte sich ein Takotsubo-Syndrom mit den typischen Thoraxschmerzen, Repolarisationsstörungen sowie positiver Dynamik der kardialen Biomarker. Atypisch war die Morphologie mit midventrikulärer Wandbewegungsstörung. In unserem Fall ist eine frühere Episode eines Takotsubo-Syndroms zu erahnen. Erfreulicherweise war der Verlauf benigne, und die systolische LVEF hat sich nach 3 Monaten unter ausgebauter Herzinsuffizienztherapie normalisiert. Die gefürchteten Komplikationen einer LVOT-Obstruktion sind nicht aufgetreten. Es ist nicht der erste Fallbeschrieb eines Takotsubo-Syndroms nach einer Schussabgabe, jedoch der erste ohne direkte Wirkung durch das Projektil.

Verdankung(en)
Wir bedanken uns für die Abdruckgenehmigung sowie die Fallinformationen bei der Kriminalabteilung, Kantonspolizei Bern, sowie der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern.

Ethics Statement
Ein schriftlicher Informed Consent zur Publikation liegt vor.

Author Contributions
Gleicher Anteil aller Autoren

Martina Oslayová
Christoph Gräni
Christian Muster

Universitätsklinik für Kardiologie, Inselspital Bern

Dr.med. Christian Muster

Oberarzt Kardiologie
Universitätsklinik für Kardiologie
Inselspital Bern
Freiburgstrasse 20
3010 Bern

christian.muster@insel.ch

Die Autorinnen und Autoren haben deklariert, keine potenziellen Interessenkonflikte zu haben.

• Bei thorakalen Beschwerden nach einer akuten ­psychischen oder physischen Belastung sollte primär ein Myokardinfarkt ausgeschlossen werden, auch wenn ein Takotsubo-Syndrom wahrscheinlich ist.
• Eine gefürchtete Komplikation des Takotsubo-Syndroms ist die LVOT-Obstruktion, diese muss insbesondere
bei klinischer Verschlechterung echokardiographisch ausgeschlossen werden.
• Die meisten Patienten erholen sich vom Takotsubo-­Syndrom.

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Pulmonale zystische Läsionen bei einer jungen Frau

Anamnese und Befunde

Im Januar 2023 präsentierte sich eine damals 31-jährige Patientin bei ihrem Hausarzt mit lang anhaltenden, episodischen epigastrischen Bauchkrämpfen, die sich nach Nahrungsaufnahme verstärkten und regelmässig von Übelkeit begleitet wurden. Zusätzlich gab sie an, unter Verdauungsproblemen zu leiden. Die Stuhlfrequenz variierte zwischen 2- und 8-mal täglich mit wechselnder Konsistenz, ohne Anzeichen von Blut im Stuhl. Die Patientin war kürzlich von den Malediven zurückgekehrt, und ihre Symptome hatten sich seit ihrer Rückkehr verstärkt. Trotz dieser gastrointestinalen Beschwerden blieb das Gewicht der Patientin stabil, und es traten keine B-Symptome wie nächtliche Schweissausbrüche oder Fieber auf. Zur weiteren Vorgeschichte liegen keine relevanten oder familiären Vorerkrankungen vor. Die Patientin arbeitet in einem Büro und ist dort nur einem geringen Stressniveau ausgesetzt. Vor zwei Jahren hat sie das Rauchen aufgegeben, nachdem sie insgesamt 5 Päckchenjahre geraucht hatte. Sie hat keine bekannten Allergien. Ausser einem östrogenhaltigen oralen Kontrazeptivum nimmt sie regelmässig keine anderen Medikamente.

Die klinische Untersuchung ergab eine afebrile Patientin in gutem Allgemein- und Ernährungszustand mit einem Blutdruck von 115/81 mmHg und einem regelmässigen Puls von 85 Schlägen pro Minute. Die Lunge und das Herz waren unauffällig. Die abdominale Untersuchung zeigte lebhafte Darmgeräusche und keine Auffälligkeiten. Es wurden keine Hautveränderungen festgestellt. Bei der Blutentnahme in der Hausarztpraxis wurden keine erhöhten Entzündungsmarker, keine Anämie oder anderen pathologischen Zustände festgestellt.

Differenzialdiagnostische Überlegungen

Bei unserer Patientin wurden zunächst verschiedene Differenzialdiagnosen in Betracht gezogen wie eine gastrointestinale Infektion mit Helicobacter pylori oder parasitär, bedingt durch ihre Reise in endemische Gebiete. Zusätzlich wurden auch eine Cholelithiasis sowie eine Hyperthyreose oder Hypothyreose als potenzielle Einflussfaktoren erwogen. Weiterhin wurden entzündliche Darmerkrankungen (IBD), ein Reizdarmsyndrom (IBS) oder eine Zöliakie aufgrund ihrer episodischen Bauchschmerzen und Verdauungsstörungen sorgfältig in die Überlegungen einbezogen.

Weitere Abklärungsschritte

Die erweiterte Blutanalyse umfasste die Messung des Thyreoidea-stimulierenden Hormons (TSH), des Calprotectins im Stuhlgang und der Antikörper gegen Zöliakie. Die resultierenden Befunde präsentierten sich als unauffällig. Zusätzlich wurde auch eine Stuhlkultur angelegt, bei der eine Infektion mit Blastocytis hominis diagnostiziert wurde. Infolgedessen wurde eine zehntägige Antibiotikatherapie mit Metronidazol durchgeführt. Angesichts der Persistenz der Symptome trotz Antibiotika und langjähriger intermittierender, postprandialer, epigastrisch akzentuierter Bauchkrämpfe, begleitet von Übelkeit und variabler Stuhlkonsistenz, fanden eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie und eine Ileokoloskopie mit Biopsien statt. Die endoskopische Untersuchung des Gastrointestinaltrakts ergab keine Auffälligkeiten, und das Vorliegen der oben genannten Erkrankungen schien unwahrscheinlich. Ergänzend wurde eine Abdomensonographie zum Ausschluss einer Cholelithiasis durchgeführt und als Zufallsbefund eine Raumforderung der linken Niere festgestellt.

In der MRT-Untersuchung zeigte sich im Bereich des mittleren/kaudalen Drittels der linken Niere eine scharf begrenzte Strukturalteration mit einem Durchmesser von knapp 5 cm, die teilweise bis zum Nierenbecken reichte (Abb. 1). Definitive fettäquivalente Anteile konnten kernspintomographisch nicht eindeutig identifiziert werden, weshalb eine weitere Abklärung mittels Biopsie empfohlen wurde.

Nach Abwägung der Vor- und Nachteile wurde beschlossen, eine Nierenteilresektion vorzunehmen. Im Rahmen der präoperativen Raumforderungsabklärung mittels thorakaler Computertomographie (CT) wurden einzelne bilaterale, dünnwandige und relativ gleichmässig verteilte Lungenzysten festgestellt ohne weitere Auffälligkeiten (Abb. 2). Ergänzend wurde eine Lungenfunktionstestung durchgeführt, die sich im Normbereich befand.

Nach der Nierenteilresektion ergaben die histopathologischen Untersuchungen die Diagnose eines 4.5 cm grossen, fettarmen Angiomyolipoms. Die Immunhistochemie zeigte eine starke Positivität für Alpha-Smooth Muscle Actin (Alpha-SMA) und Caldesmon, eine fokale Positivität für Desmin, Human Melanoma Black (HMB45) und Melan- A und Negativität für Anti-Cytokeratin antibody (MNF 116). Angesichts der vorliegenden Befunde einer zystischen Lungenerkrankung und eines renalen Angiomyolipoms wurde bei Verdacht auf eine Lymphangioleiomyomatose das VEGF-D bestimmt. Der gemessene Wert von 868 pg/l lag über dem Normbereich (bis 800 pg/ml).
Ein Jahr nach der Diagnosestellung stellte sich die Patientin aufgrund akuter Beschwerden erneut bei ihrem Hausarzt vor. Sie berichtete über starke linksseitige Thoraxschmerzen, die sich beim tiefen Einatmen verschlimmerten. Es wurde eine Röntgenaufnahme des Thorax durchgeführt, das einen apikalen Pneumothorax von ca. 2 cm als passendes Korrelat für die Beschwerden zeigte. Die Patientin wurde notfallmässig ins Spital eingewiesen, wo sie stationär aufgenommen wurde. Zur Behandlung des Pneumothorax erfolgte die Anlage einer Thoraxdrainage (Abb. 3).

Diagnose

Pulmonale Lymphangioleiomyomatose (LAM) mit Angiomyolipom der linken Niere.

Kommentar

Die initialen gastrointestinalen Beschwerden einer 31-jährigen Patientin, darunter Bauchschmerzen, postprandiale Übelkeit und eine wechselnde Stuhlkonsistenz, bleiben unklar. Eine Infektion mit Blastocystis hominis wurde diagnostiziert und antibiotisch behandelt, jedoch ohne vollständige Symptomfreiheit. Entzündliche Darmerkrankungen, Zöliakie und funktionelle Beschwerden wie ein Reizdarmsyndrom wurden ausgeschlossen. Mögliche Ursachen könnten eine unspezifische intestinale Dysbiose nach der Reise oder hormonelle Einflüsse durch das östrogenhaltige Kontrazeptivum sein. Die genaue Rolle der GI-Symptome in Zusammenhang mit der LAM ist unklar.

Die Diagnose einer Lymphangioleiomyomatose (LAM) hätte spätestens nach dem präoperativen CT-Bild gestellt werden können, da die Bildgebung mit den typischen ­Lungenzysten, dem renalen Angiomyolipom und dem erhöhten VEGF-D-Wert eine hohe diagnostische Sicherheit bot. Eine Biopsie der Lunge oder Niere hätte die Diagnose weiter bestätigen können.

Vorteile einer Biopsie wären eine definitive histopathologische Bestätigung der Diagnose und die Möglichkeit, zwischen malignen und benignen Raumforderungen zu differenzieren. Nachteile umfassen das Risiko von Komplikationen wie Blutungen oder Infektionen sowie die Möglichkeit eines nicht repräsentativen Ergebnisses.

In diesem Fall wurde aufgrund der klaren Bildgebung und der klinischen Indikationen die Entscheidung für die Nierenteilresektion getroffen, um eine definitive Diagnose und Therapie in einem Schritt zu ermöglichen.

Pathophysiologie, Diagnose und Herausforderungen in der Differenzialdiagnose

Die LAM ist eine seltene Systemerkrankung, die vorwiegend bei Frauen im gebärfähigen Alter auftritt (1, 2). Sie ist durch eine abnorme Vermehrung von glatten Muskelzellen (LAM-Zellen) gekennzeichnet, die zur Bildung von zystischen Läsionen in der Lunge, den Lymphgefässen und anderen Organen führt (2). Das klinische Spektrum der LAM und ihr Verlauf können jedoch individuell stark variieren und können mit verschiedenen pulmonalen und extrapulmonalen Erkrankungen überlappen (3, 4). Daher ist eine gründliche Untersuchung erforderlich, um LAM von ähnlichen Erkrankungen abzugrenzen (5) (Tab. 1). Die LAM manifestiert sich entweder sporadisch (sporadische Lymph­angioleiomyomatose [S-LAM]) durch eine Mosaikmutation des Tuberingens spontan oder ist als Keimbahnmutation in Verbindung mit systemischen Manifestationen im Rahmen der tuberösen Sklerose (Tuberöse Sklerose-komplex-assoziierte Lymphangioleiomyomatose [TSC-LAM]) erblich bedingt. Zu den systemischen Manifestationen der tuberösen Sklerose zählen neurologische Störungen (z. B. Epilepsie), Dermatosen (z. B. Angiofibrome), renale Befunde (z. B. Angiomyolipome) und kardiale Anomalien (z. B. Rhabdomyome) (5, 6). Extrapulmonale Manifestationen der LAM, insbesondere renale Angiomyolipome (AMLs), manifestieren sich bei 30 % der Patientinnen mit S-LAM und bei bis zu 80 % mit TSC-LAM. Bei S-LAM manifestieren sich AMLs in der Regel einseitig und asymptomatisch. Tritt eine beidseitige Ausprägung auf, so ist diese in der Regel mit TSC assoziiert (5). Hormone, besonders Östrogen, spielen eine wichtige Rolle bei der Krankheitsentwicklung, da hormonelle Veränderungen wie Schwangerschaft oder die Verwendung hormoneller Verhütungsmittel die Symptome verschlechtern können (7–9).


Der vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktor-D (VEGF-D) hat sich als bedeutender Biomarker bei der LAM etabliert (10–12). Etwa 70 % der Betroffenen weisen erhöhte Werte auf (13). Gemäss den aktuellen klinischen Leitlinien wird die routinemässige Bestimmung des Serum-VEGF-D bei Verdachtsfällen von LAM empfohlen (14). Ein VEGF-D-Spiegel von mehr als 800 pg/ml, kombiniert mit charakteristischen Lungenzysten in der hochauflösenden Computertomographie (HRCT), weist eine diagnostische Spezifität von nahezu 100 % für eine LAM auf (10). Des Weiteren fungiert VEGF-D als Differenzierungsmerkmal zwischen LAM und anderen Ursachen zystischer Lungenerkrankungen (11, 13). Eine der Hauptmerkmale der LAM ist ihre Heterogenität im klinischen Erscheinungsbild (4). Während einige Personen jahrelang asymptomatisch bleiben können, erleben andere eine schnelle Verschlechterung der Lungenfunktion (15).

Wichtige Differenzialdiagnosen bei bilateralen pulmonalen Zysten sind die Langerhans-Zell-Histiozytose (LCH), die lymphoide interstitielle Pneumonie (LIP) und das Birt-Hogg-Dubé-Syndrom (16) (Tab. 2). Bei der vor allem bei Raucherinnen auftretenden LCH sind die Zysten in der Computertomographie heterogen, meist in den oberen Lungenlappen lokalisiert und oft bizarr konfiguriert. Im Gegensatz dazu sind bei der LAM die Zysten rund, haben dünne Wände von 1–2 cm und sind gleichmässig über das gesunde Lungengewebe verteilt. Symptomatische Patientinnen weisen normalerweise eine höhere Anzahl an Zysten auf als asymp­tomatische (13, 17). Bei der LIP, die vor allem bei Personen mit rheumatologischen Erkrankungen, Kollagenosen und HIV-Infektion auftritt, sind die Zysten typischerweise in den unteren Lungenlappen betont (17, 18). Beim Birt-Hogg-Dubé-Syndrom könnten kutane Läsionen wie Fibrofollikulome oder Trichodiscome sowie eine familiäre Anamnese dieser Erkrankung bedeutsam sein (6, 19).

Etwa 4 von 10 Patientinnen entwickeln als Erstmanifestation der LAM einen Pneumothorax. Im Verlauf der Krankheit tritt bei rund zwei Drittel der Patientinnen mindestens einmal ein Pneumothorax auf. Das Rezidivrisiko nach dem ersten Pneumothorax betreffen etwa drei Viertel der Patientinnen (6, 19). Bei Patientinnen mit S-LAM besteht ein Risiko für das Auftreten von Meninge­omen (20). Aufgrund dieser Assoziation wird ein Screening mittels zerebraler Magnetresonanztomographie (MRT) des Neurokraniums empfohlen, um mögliche Hirntumore frühzeitig zu erkennen.

Therapie

Die Therapie der LAM umfasst verschiedene Ansätze. Zu den häufig verwendeten Behandlungsmöglichkeiten gehören mTOR-Inhibitoren wie Sirolimus oder Everolimus, die darauf abzielen, das Zellwachstum zu reduzieren und die Lungenfunktion zu stabilisieren (21). Diese Medikamente haben sich als wirksam erwiesen, insbesondere bei der Linderung von Atemnot und der Verkleinerung der Angiomyolipome (22). Je nach dem Verlauf und dem Schweregrad der Erkrankung ist es ratsam, Situationen zu vermeiden, die zu einer Östrogenexposition führen könnten, wie beispielsweise Schwangerschaft oder die Anwendung hormoneller Verhütungsmittel (6). Zusätzlich können Bronchodilatatoren eingesetzt werden, um die Atemwegsobstruktion zu lindern und die Atmung zu verbessern. Impfungen gegen Grippe und Pneumokokken sind wichtig, um das Risiko von Infektionen bei LAM-Patientinnen zu reduzieren (1). Der Rauchstopp ist wichtig, um die Progression der Krankheit zu verlangsamen und das Risiko von Komplikationen zu verringern (1). Pulmonale Rehabilitationsmassnahmen können dabei helfen, die Lungenfunktion zu erhalten und die Lebensqualität zu verbessern (23). Bei Pneumothorax kann eine Pleurodese durchgeführt werden, um das Wiederauftreten zu verhindern (1, 24). In fortgeschrittenen Fällen, in denen die Lungenfunktion stark beeinträchtigt ist, kann eine Lungentransplantation in Betracht gezogen werden. Dies ist jedoch die letzte Option und wird nur bei Patientinnen mit schwerem Lungenversagen durchgeführt (25).

Prognose

Die Progressionsrate und der Schweregrad der Erkrankung variieren erheblich, wobei das Fortschreiten des Lungenfunktionsverlusts als entscheidender prognostischer Parameter betrachtet wird. Beispielsweise zeigt die S-LAM häufig einen aggressiveren Verlauf und einen schnelleren Funktionsverlust im Vergleich zur TSC-LAM (26), sodass eine Lungentransplantation in Einzelfällen notwendig werden kann.

Fazit

Im vorliegenden Fallbericht einer 31-jährigen Patientin wurde eine differenzierte therapeutische Strategie gewählt. Darüber hinaus wurde empfohlen, auf die Einnahme von östrogenhaltigen Medikamenten zu verzichten. Aufgrund der normalen Lungenfunktion und nur weniger pulmonaler Zysten wurde derzeit entschieden, keine mTOR-Therapie einzuleiten. Die Patientin befindet sich jedoch in kontinuierlicher Facharztbetreuung. Die Bedeutung einer individualisierten Behandlungsstrategie, die auf dem aktuellen Verständnis der Pathophysiologie der Erkrankung basiert und die potenziellen Risiken und Nutzen für die Patientin berücksichtigt, ist eine unverzichtbare Komponente für den Erfolg (22).

Abkürzungen
Alpha-SMA Alpha-Smooth Muscle Actin
AMLs Renale Angiomyolipome
COPD Chronisch obstruktive Lungenerkrankung
CT Computertomographie
HMB-45 Human Melanoma Black
HRCT Hochauflösende Computertomographie
IBD Entzündliche Darmerkrankungen
IBS Irritable Bowel Syndrome (Reizdarmsyndrom)
LAM Lymphangioleiomyomatose
LCH Langerhans-Zell-Histiozytose
LIP Lymphoide interstitielle Pneumonie
MNF 116 Anti-Cytokeratin antibody
mTOR-Inhibitoren Mammalian Target of Rapamycin-Inhibitoren
S-LAM Sporadische Lymphangioleiomyomatose
TSC Tuberöse Sklerose-Komplex
TSC-LAM Tuberöse Sklerose-komplex-assoziierte ­Lymphangioleiomyomatose

Historie
Manuskript eingegangen: 17.07.2024
Angenommen nach Revision: 04.03.2025

Bildnachweise
Klinische Abbildungen mit freundlicher Genehmigung des HOCH Kantonsspitals St. Gallen.

Wiktoria Drozdz 1
Luis Manrique 1
Fatmir Rama 1
Jan Kellner 2
Christian Clarenbach 3
Katja Weiss 4
Beat Knechtle 1, 4*

1 Medbase St. Gallen Am Vadianplatz, St. Gallen, Schweiz
2 Institut für Diagnostische Radiologie, HOCH Kantonsspital St. Gallen, St. Gallen, Schweiz
3 Klinik für Pneumologie, Universitätsspital und Universität Zürich, Zürich, Schweiz
4 Institut für Hausarztmedizin, Universität Zürich, Zürich, Schweiz

Prof. Dr. med. Beat Knechtle

Facharzt FMH für Allgemeinmedizin
Medbase St. Gallen Am Vadianplatz
Vadianstrasse 26
9001 St. Gallen
Switzerland

beat.knechtle@hispeed.ch

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

• Die LAM betrifft hauptsächlich Frauen im gebärfähigen Alter.
• Typische klinische Merkmale sind Belastungsluftnot und der akute Pneumothorax, obwohl die Erkrankung oft asymptomatisch verläuft.
• Die Diagnose wird durch die thorakale und abdominale Bildgebung, Histologie und VEGF-D im Serum unterstützt.
• Keine Heilung, aber Behandlungsoptionen zur Symptomlinderung und Verlangsamung der Progression wie mTOR-Inhibitoren, Bronchodilatatoren, Impfungen (Grippe, Pneumokokken), pulmonale Rehabilitationsmassnahmen, Rauchstopp, Pleurodese bei Pneumothorax, Lungentransplantation (selten).
• Multidisziplinäre Betreuung durch Fachärzte ist wichtig.

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