Zwei Fallberichte einer seltenen, potenziell reversiblen Enzephalopathie

Fallbeschreibung

Vorgestellt werden zwei Patienten mit unterschiedlichem Verlauf bei rasch fortschreitenden Wesensveränderungen und Demenz.

Fall 1

Ein 69-jähriger Mann litt seit März 2019 an unklaren rezidivierenden Dysästhesien und einer motorischen Beinschwäche links. Eine Magnetresonanztomographie (MRI) mit Angiographie des Neurokraniums zeigte keine Hinweise auf eine Durchblutungsstörung, Ischämie oder Raumforderung. Im Sommer 2019 erfolgte bei einer notfallmässigen Vorstellung aufgrund derselben Symptomatik eine Computertomographie (CT) mit Angiographie. Hier fanden sich weiterhin keine Hinweise auf eine Ischämie, jedoch kam eine mässige, am ehesten mikroangiopathische Leukenzephalopathie zur Darstellung. In der nachfolgenden Elektroenzephalographie (EEG) zeigte sich ein bitemporaler Herdbefund rechtsbetont mit Epilepsie-verdächtigen Einzelpotenzialen. Bei Verdacht auf rezidivierende fokal-epileptische Ereignisse wurde eine anfallssupprimierende Therapie mit Levetiracetam eingeleitet. Zunächst kam es zu keinen erneuten epileptischen Ereignissen. Neu wurde seitens der Ehefrau eine depressive Symptomatik beschrieben. Ein Montreal-Cognitive-Assessment(MoCA-) -Test im Januar 2020 fiel mit 18/30 Punkten pathologisch aus, sodass eine demenzielle Entwicklung vermutet wurde. Die empfohlene neuropsychologische Testung wurde nicht durchgeführt. Im Sommer 2020 wurde der Patient schliesslich bei raschem Fortschreiten der demenziellen Entwicklung und Allgemeinzustandsverschlechterung bei uns auf der neurologischen Station hospitalisiert. In der Lumbalpunktion fanden sich nun neben einer Schrankenstörung eine stark erhöhte Proteinzahl von 3600 mg/l (Normwert: 150–450 mg/l) und eine Erhöhung der Zellzahl von 21 mononukleären Zellen/μl (Normwert: < 4 Zellen/μl). Das Tau-Protein war mit 1266 pg/ml (Normwert: < 445 pg/ml) ebenfalls erhöht und das Beta-Amyloid-Protein mit 282 pg/ml (Normwert: > 375 pg/ml) erniedrigt. Das Phospho-Tau-Protein lag mit 35.5 pg/ml im Normalbereich (Normwert: < 61 g/ml). Diese Konstellation im Liquor mit erhöhtem Tau-Protein und erniedrigtem Beta-Amyloid-Protein kann sowohl für eine Demenzform wie Alzheimer aber auch eine inflammatorische cerebrale Amyloidangiopathie (Englisch: cerebral amyloid angiopathy related inflammation; CAA-RI) sprechen. Ein MRI des Neurokraniums mit Kontrastmittel zeigte eine ausgeprägte superfizielle Siderose, eine frische subarachnoidale Sickerblutung und ein Ödem frontal beidseits (Abb. 1). Diese Befunde waren passend für eine CAA-RI. Eine zentrale Manifestation einer systemischen Vaskulitis erschien bei negativen antinukleären Antikörpern (ANA) und antineutrophilen zytoplasmatischen Antikörpern (ANCA) unwahrscheinlich. Eine serologische Testung des sauren Gliafaserproteins (Englisch: glial fibrillary acidic protein; GFAP) und der Neurofilament-Leichtketten (NFL) erfolgte nicht. Insgesamt wurde nun die Verdachtsdiagnose einer inflammatorischen cerebralen Amyloidangiopathie gestellt. Eine Steroidstosstherapie mit Methylprednisolon intravenös 1 g/Tag über 5 Tage mit anschliessender Erhaltungsdosis mit Prednisolon von 1 mg/kg Körpergewicht wurde eingeleitet. Hierunter kam es zu keiner signifikanten klinischen Besserung. Im MRI des Neurokraniums mit Kontrastmittel nach 1 Woche konnte noch keine wesentliche Befundänderung dokumentiert werden. Die zuvor in der Liquorpunktion erhöhten Werte waren rückläufig (Proteinzahl 465 mg/l, 12 mononukleäre Zellen/μl).

Es erfolgte ein Übertritt in die neurologische Rehabilitation über 1 Monat. Dort wurde vor allem die antiepileptische und psychiatrische Therapie weiter angepasst. Insgesamt blieb der Patient im Antrieb stark gemindert, selektiv mutistisch und konnte keine Handlungen ohne Handlungsplan durchführen. Der Patient wurde anschliessend bei Verdacht auf ein hypoaktives Delir direkt in die Psychia­trie zur weiteren medikamentösen Einstellung überwiesen. Aufgrund einer akuten Vigilanzminderung, Fieber, Tachykardie und Meningismus wurde er nach 10 Tagen wieder ins Spital überwiesen. Laborbefunde zeigten nun ein isoliert erhöhtes CRP. Im CT-Schädel fand sich eine diskrete akute Subarachnoidalblutung im rechten Temporallappen. Neben einer wieder erhöhten Proteinzahl von 1398 mg/l (Normwert: 150–450 mg/l) war die Liquoruntersuchung inklusive einer Multiplex-PCR (polymerase chain reaction) für Meningitis-Erreger unauffällig. Blutkulturen blieben ohne Wachstum. Entsprechend wurde die auf dem Notfall etablierte antimikrobielle Therapie mit Ceftriaxon und Aciclovir wieder ausgesetzt. Auch ein Therapieversuch mit Levetiracetam, welcher bei Verdacht auf einen nicht konvulsiven Status epilepticus gestartet wurde, zeigte keine Symptombesserung, und die Therapie wurde im Verlauf abgebrochen. Da eine Hochdosis-Steroidtherapie bei der ersten Hospitalisation ohne Besserung auf die rasch fortschreitende demenzielle Entwicklung blieb, wurde auf einen zweiten Zyklus verzichtet.

In Rücksprache mit den Angehörigen wurde bei infauster Prognose schliesslich eine palliative Therapie eingeleitet, und der Patient verstarb auf der Palliativstation am 10. Hospitalisationstag Ende Oktober 2020. Die Autopsie bestätigte schliesslich die Diagnose einer CAA-RI aufgrund einer deutlichen Beteiligung der Gefässe in den Leptomeningen und im Cortex, mit fokal geringer begleitender T-lymphozytärer Entzündungsreaktion sowie zahlreichen kortikalen Infarkten und perivaskulären Mikroblutungen (Abb. 2). Die CAA-RI führte über Gefässverschlüsse zu ­einer diffusen vaskulär-ischämischen Leukenzephalopathie und mehreren frischen und älteren, nicht raumfordernden Subarachnoidalblutungen. Das gesamte Bild sprach für eine CAA-RI und nicht für eine Beta-Amyloid-assoziierte Angiitis (ABRA), welche ein ähnliches histologisches Bild zeigt, jedoch mit ausgeprägter vaskulitischer Komponente und fibrinoiden Gefässwandnekrosen. Es zeigten sich dazu deutliche Alzheimer-assoziierte Veränderungen mit Tau-positiven Neurofibrillendegeneraten und neuritischen Plaques im Hippocampus und Temporal-Cortex und vereinzelt Tangles im frontalen Cortex (Stadium IV nach Braak und Braak, CERAD-3 und ABC-Score A3 B2 C3), dies bei deutlicher äusserer und innerer Hirnatrophie. Zudem fand sich überraschenderweise ein Hämatom der vorderen Bauchwand mit einem Volumen von ca. 1500 ml, und es wurde eine Lobärpneumonie beider Lungen dia­gnostiziert. Ob die Pneumonie ursächlich für die bislang unklare CRP-Erhöhung war oder die Infektion in den letzten Lebenstagen auf der Palliativstation entwickelt wurde, konnte nicht abschliessend geklärt werden. Die Ätiologie des Hämatoms blieb letztlich unklar. Histologisch fanden sich hier keine Hinweise auf eine Gefässmalformation, Amyloidangiopathie oder Vaskulitis. Ein stumpfes Trauma wurde in der aktuellen Hospitalisation nicht beobachtet, der Patient war nicht antikoaguliert, und während der letzten Hospitalisation erfolgten keine Massnahmen abdominal (z. B. Insulin- oder Heparinspritzen). Nicht eruierbar waren mögliche Vorfälle in den vorangehenden Institutionen. Abdominale Blutungen bei Patienten mit CAA-RI wurden bisher nicht als Assoziation beschrieben. Als Todesursache wurde ein kardiopulmonales Versagen aufgrund der Pneumonie sowie Volumenmangel aufgrund des Hämatoms angegeben.

Fall 2

Eine 74-jährige Patientin wurde im Januar 2022 mit seit einigen Wochen fortschreitender Verwirrtheit, Verlangsamung sowie kognitiver Beeinträchtigung aus einem peripheren Spital in unsere Notaufnahme überwiesen. Ausserdem bestand ein progredienter Mutismus, welcher im Rahmen einer Trauersituation nach dem Tod des Ehemannes 1 Monat zuvor aufgrund von Covid-19 angesehen wurde. Die Patientin selbst litt an Covid-19 mit milden Symptomen. Nun zeigte das MRI des Neurokraniums eine ausgedehnte Leukenzephalopathie, ein vasogenes Ödem und mehrere Mikroblutungen (Abb. 3). Die Ergebnisse des Liquors waren negativ für Treponema pallidum und Lyme-Borreliose, ebenso eine Multiplex-PCR für Meningitis-Erreger. Die Immunphänotypisierung im Liquor, welche bei Verdacht auf ein Lymphom durchgeführt wurde, war negativ für B-Zell- und T-Zell-Neoplasien. Eine Bestimmung im Liquor von Beta-Amyloid, Tau-Protein und Phospho-Tau-Protein als Demenzmarker sowie Neurofilament-Leichtketten (NFL) als Marker bei Multipler Sklerose erfolgte nicht. Ebenso wurden die Biomarker GFAP und NFL serologisch nicht untersucht. Es wurde ein EEG angefertigt. Neben moderaten Allgemeinveränderungen und bifrontaler fokaler Verlangsamung fanden sich Epilepsieverdächtige Einzelpotenziale rechtshemisphärisch, welche unter Levetiracetam-Therapie nach 1 Woche abnahmen. Klinisch kam es jedoch noch zu keiner objektivierbaren Verbesserung. Die Patientin erzielte im MoCa-Test 12/30 Punkte, was für eine starke kognitive Beeinträchtigung steht. Schliesslich wurde eine Biopsie des Hirngewebes entnommen. Diese zeigte Veränderungen im Zusammenhang mit der Alzheimer-Krankheit mit Tau-positiven Neuronen, neurofibrillären Tangles und eine grosse Menge an Beta-Amyloid-Plaques sowie Amyloidablagerungen an den Gefässwänden (Abb. 4). Zusätzlich fanden sich subarachnoidal Zeichen einer wenige Tage alten Einblutung. Aufgrund der perivaskulären Entzündung wurde schliesslich eine cerebrale Amyloidangiopathie-assoziierte Entzündung (CAA-RI) als am wahrscheinlichsten angesehen. Eine Therapie mit Methylprednisolon intravenös 1 g/Tag gefolgt von oralem Prednisolon mit 1 mg/kg Körpergewicht wurde eingeleitet. Nach der Entlassung erfolgte eine stationäre neurologische Rehabilitation. Hier kam es zu einer klinischen Verbesserung mit jedoch relevanten Einschränkungen in Bezug auf die täglichen Routinen und das Kurzzeitgedächtnis. Die Prednisolon-Dosis wurde langsam reduziert.


In den Verlaufskontrollen bis August 2022 nahmen die Ödemareale im MRI des Gehirns weiter ab, und es fanden sich keine neuen Läsionen. Die multiplen Mikroblutungen supratentoriell beidseits und vereinzelt infratentoriell blieben stationär. Klinisch zeigte die Patientin weiter eine Besserung mit weniger anhaltenden Einschränkungen. Im MoCA-Test wurden 3 Monate nach Diagnosestellung und Therapiebeginn 15/30 Punkte und 7 Monate nach Dia­gnose 25/30 Punkte erzielt. Im November 2023 wurde eine neuropsychologische Testung durchgeführt, da die Patientin die Fahrtauglichkeit wieder anstrebte. Hier konnte eine Verbesserung der Grundaktivierung, allerdings aber auch eine relevante Verschlechterung der Aufmerksamkeitsteilung, objektiviert werden. Die kognitiven Defizite umfassten fronto-temporo-parietale Ausfälle, und es bestand ein unveränderter Unterstützungsbedarf im Alltag. Die Fahreignung konnte aus neuropsychologischer Sicht weiterhin nicht bestätigt werden. Auch wurde aufgrund der Befunde des letzten MRI des Gehirns von 2022 von keiner weiteren Regredienz der kognitiven Defizite ausgegangen.

Diagnose und Kommentar

Die inflammatorische cerebrale Amyloidangiopathie (CAA-RI) ist eine seltene Erkrankung und potenziell reversibel. Sie gehört zu den cerebralen Amyloidangiopathien (CAA), bei denen es zu einer Ablagerung von Beta-Amyloid-Peptiden in den vorwiegend kleineren cerebralen Arterien kommt (1). Hierdurch entstehen degenerative Veränderungen, Gefässverschlüsse, Mikroaneurysmen, welche schliesslich zu einer diffusen vaskulär-ischämischen Leukenzephalopathie und Hirnblutungen führen. Die CAA ist für ca. 20 % aller intrazerebralen Blutungen verantwortlich (1).

Die Amyloidablagerungen sind bei einem Teil der Patienten mit einer Entzündung der Gefässwand vergesellschaftet, was schliesslich zu einem multifokalen Marklagerödem führt. Insgesamt zeigen diese Veränderungen im MRI ein typisches Bild, welche für die Diagnosestellung einer CAA-RI wesentlich sind. Die Veränderungen lassen sich vor allem in der FLAIR-Sequenz (fluid attenuated inversion recovery) und bei der SWI (Suszeptibilitätsgewichtete Bildgebung) feststellen (2, 3). Dazu gehören Mikroblutungen, eine kortikale superfizielle Siderose und eine asymmetrische fleckförmige oder konfluierende Leukenzephalopathie, welche den angrenzenden Kortex und das subkortikale Marklager miteinbeziehen können. Ebenfalls kann sich als Zeichen der entzündlichen Reaktion ein vasogenes Ödem in der ADC- (apparent diffusion coefficient) Wichtung präsentieren (2, 4, 5). Es wurden die sogenannten modifizierten Boston-Kriterien entwickelt, welche auf eine gute Sensitivität und Spezifität geprüft wurden (6) (Tab. 1) und bei der Diagnosesicherung helfen. Zusätzliche klinische Diagnosekriterien sind ein akuter/subakuter Symptombeginn, Alter über 55 Jahre, Symptome wie Kopfschmerzen, Wesensveränderungen, kognitive Defizite oder fokal neurologische Defizite oder epileptische Anfälle. Andere Ursachen (z. B. infektiös oder paraneoplastisch) müssen ausgeschlossen werden. Sind alle diese Kriterien erfüllt, gilt eine CAA-RI als wahrscheinlich. Zur definitiven Diagnosesicherung wird eine histologische Bestätigung im Rahmen einer Autopsie benötigt, wobei sich neben frischen und alten Ischämien und Einblutungen auch entzündliche, perivaskuläre Veränderungen ohne Gefässbeteiligung finden lassen. Hier kann eine Unterscheidung zur Beta-Amyloid-assoziierten Angiitis (ABRA) gemacht werden, welche ausgeprägtere vaskulitische Veränderungen und fibrinoide Gefässwandnekrosen zeigt. Diese erheblichen Zerstörungen des Hirnparenchyms direkt durch invasive zytotoxische T-Lymphozyten und indirekt durch vaskulitische oder begleitthrombotische Gefässverschlüsse bedingen eine stärkere Immunsuppression als bei der CAA-RI. Teils wird in der Literatur jedoch die ABRA synonym zur CAA-RI genannt. Ob eine Histologie zur Diagnosestellung einer CAA-RI immer zwingend ist, steht aktuell immer noch zur Diskussion. Eine genaue Diagnose hat jedoch teils therapeutische Konsequenzen. Vor allem bei fehlendem Therapieansprechen sollte eine Biopsie angestrebt werden.

Männer und Frauen sind etwa gleich häufig von einer CAA-RI betroffen (7). Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei ca. 67 Jahren. Tritt die Erkrankung bei jüngeren Personen auf, kann eine seltene familiäre Form einer CAA-RI in Betracht gezogen werden (8). Es werden monophasische, schubförmige und primär progrediente Verlaufsformen beschrieben. Über 70 % der Patienten mit CAA-RI sind homozygot für das Apolipoprotein-E-ε4-Allel (ApoE-ε4), jedoch nur < 5 % der Patienten mit CAA (7, 9, 10). ApoE-ε4 ist ebenfalls assoziiert mit der Alzheimer-Erkrankung. Eine Überlappung von Alzheimer mit CAA-RI wird auch in Autopsiestudien beschrieben. Typischerweise sind bei der CAA-RI die Proteine und Zellzahl im Liquor erhöht, das Beta-Amyloid ist erniedrigt.

Differenzialdiagnostisch zur CAA-RI sind neben der ABRA und der primären ZNS-Angiitis (primary angiitis of the central nervous system; PACNS) unter anderem das posteriore reversible Enzephalopathie-Syndrom (PRES), eine progrediente multifokale Leukenzephalopathie (PML), Neurosarkoidose, Creutzfeldt-Jakob-Krankheit oder eine Herpes-simplex-Enzephalitis zu nennen (11–13). Zunehmend häufiger werden Autoimmunenzephalitiden diagnostiziert, welche ebenfalls einen subakuten kognitiven Abbau, eine langsame Bewusstseinstrübung und epileptische Anfälle zeigen können. Weitere gut behandelbare und daher relevante Differenzialdiagnosen sind die Steroid-responsive Enzephalopathie assoziiert mit autoimmuner Thyroiditis (SREAT, Hashimoto-Enzephalopathie), eine Riesenzellarteriitis und die superfizielle Siderose des Zentralnervensystems (14–16).

Die CAA-RI zeigt ein gutes Ansprechen auf Kortikosteroide, worunter es zu einer klinischen Besserung und Regredienz der radiologischen Befunde kommt. Am geringsten kommt es zu einer Verbesserung der kognitiven Symptome. Die rechtzeitige und frühe Therapieeinleitung ist essenziell, um ein möglichst gutes Outcome zu erreichen. Bei Nichtansprechen auf die Steroidtherapie oder bei einer Progression oder Rezidiv (ca. 25 % der Fälle [7]) wurden teils erfolgreich auch andere immunsuppressive Therapien (z. B. Methotrexat, Cyclophosphamid, Immunglobuline) eingesetzt (13, 17). Die Therapiedauer mit einem langsamen Ausschleichen der Kortikosteroide ist eine Einzelfallentscheidung und vom Verlauf abhängig.

Die Diagnose einer CAA-RI gestaltet sich aufgrund des unterschiedlichen, wenig spezifischen klinischen Bildes oft als sehr schwierig. Bei entsprechenden Symptomen soll aber auch an eine CAA-RI gedacht werden und entsprechend die weitere Diagnostik verfolgt werden. Wichtige Säulen bilden das MRI und, sofern möglich, die Histologie.

Dipl. med. Dominik Imhoff

Medizinisches Zentrum gleis d
Gürtelstrasse 46
7000 Chur

d.imhoff@mez-chur.ch

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

• Die inflammatorische cerebrale Amyloidangiopathie (CAA-RI) ist eine seltene und potenziell reversible Erkrankung, welche sich klinisch in rasch progredienten Wesensveränderungen, Kopfschmerzen, kognitiven Defiziten und epileptischen Anfällen zeigt.
• Multiple, auf lobäre, kortikale oder kortikosubkortikale Regionen beschränkte Blutungen im MRI oder der CT des Neurokraniums oder auch in einer Hirnbiopsie erhärten die Verdachtsdiagnose einer CAA-RI.
• Zur Diagnosebestätigung wird eine vollständige Obduktion benötigt.
• Eine rechtzeitige Therapieeinleitung ist essenziell, um ein gutes Ansprechen zu erreichen, wobei primär Kortikosteroide das Mittel der Wahl sind.

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Fieber und Panzytopenie – nicht immer ein Fall für die Onkologie

Anamnese und Befunde

Wir berichten über einen 68-jährigen Patienten mit Fieber bis 40 °C, Nachtschweiss, Inappetenz und Nausea ohne Emesis seit 10 Tagen. Der Patient war zuvor von einem Aufenthalt in Salerno (Süditalien) zurückgekehrt. Er besuchte dort immer wieder seine Mutter. Der Patient unternahm dort keine speziellen Aktivitäten ausserhalb des Alltags, eine Exposition zu Tieren oder Insektenstiche waren nicht erinnerlich.

Initial zeigte sich ein kardiopulmonal stabiler Patient in reduziertem Allgemeinzustand. Klinsch präsentierte sich ein febriler Patient ohne objektivierbare kardiopulmonale oder abdominelle Auffälligkeiten. Laboranalytisch konnte eine leichte Panzytopenie mit deutlich erhöhtem CRP nachgewiesen werden (Tab. 1a). Bei persistierendem Fieber, zervikaler Lymphadenopathie und unklarem Infektfokus erfolgte eine CT des Halses/Thorax/Abdomens zur Suche nach Infektfokus, neoplasieverdächtiger Raumforderung und pathologischen Lymphknoten. Diese zeigte eine zervikale Lymphadenopathie und eine Splenomegalie ohne weitere pathologische Befunde. Bei unklarem Infektfokus erfolgte initial eine empirische antimikrobielle Therapie mit Co-Amoxicillin und Valacyclovir.

Differenzialdiagnostische Überlegungen

Fieber und Panzytopenie erfordern eine umfassende Abklärung, da sie auf bakterielle, virale oder parasitäre Infektionen, hämatologische Erkrankungen wie aplastische Anämie, Myelodysplastisches Syndrom oder Leukämie, Autoimmunerkrankungen wie systemischer Lupus erythematodes oder maligne Knochenmarkinfiltrationen hinweisen können. Auch medikamentöse Ursachen müssen differenzialdiagnostisch miteinbezogen werden.

Weitere Abklärungsschritte und Verlauf

In der serologischen Diagnostik gelang ein Ausschluss von HIV, viralen Hepatitiden, CMV, EBV, der nasopharyngeale Abstrich auf SARS-CoV-2 und Influenza war negativ. In den Blutkulturen gelang kein Keimnachweis. Mittels Immunfixation konnte eine monoklonale Gammopathie ausgeschlossen werden. Im mikroskopischen Differenzial-blutbild am Eintrittstag wurden in den Monozyten keine Leishmanien beschrieben, im zur Anreicherung hergestellten «Dicken Tropfen» gelang ebenfalls kein Nachweis von Malaria oder anderen Parasiten. Im weiteren Verlauf kam es zu einer Progredienz der Panzytopenie mit laboranalytischen Zeichen einer disseminierten intravasalen Koagulopathie (DIC) (sinkende Thrombozyten und Fibrinogen, erhöhte D-Dimere) sowie einem Anstieg des CRP, Ne­opterins und Interleukin-2-Rezeptors (sIL-2 Rezeptor). In der erweiterten infektiologischen Diagnostik konnten HSV, Parvovirus, Rickettsien und Francisella tularensis ausgeschlossen werden. Die Leishmanien-Serologie war hingegen positiv. Zeitgleich erfolgte aufgrund der Progredienz der Panzytopenie eine Knochenmarkbiopsie 5 Tage nach Eintritt. Hier konnte kein klarer Nachweis auf einen lymphoproliferativen Prozess oder eine Plasmazell-Dyskrasie gefunden werden. Stattdessen zeigten sich phagozytierende Histiozyten mit intrazytoplasmatischen Strukturen, verdächtig auf eine Leishmaniose (Abb. 1). Die qPCR für Leishmania sp. aus Blut und Knochenmark war positiv. Die Sequenzierung des Mini-Exon-Gens identifizierte den Erreger als Vertreter des L. donovani-/L. infatum-Komplexes (Tab. 1b).

Diagnose

Bei passender Klink (Fieber, AZ-Reduktion), Epidemiologie (Aufenthalt in Salerno), Labor (Panzytopenie, Hämophagozytose, erhöhtes Neopterin), radiologischen Befunden (Splenomegalie) sowie positiver Leishmanien-Serologie und mikroskopischem und molekularem Nachweis von Leishmanien im Knochenmarkaspirat waren die Beschwerden des Patienten im Rahmen einer viszeralen Leishmaniose erklärt.

Bei erhöhtem löslichem Interleukin-2-Rezeptor (sIL-2- Rez.) und Hyperferritinämie waren zusätzlich die laboranalytischen Kriterien für ein Makrophagenaktivierungssyndrom (MAS) erfüllt.

Kommentar

Die Tropenkrankheit Leishmaniose, eine parasitäre Infektionskrankheit, stellt auch im 21. Jahrhundert weiterhin eine Herausforderung für die öffentliche Gesundheit dar. Die Leishmaniose ist besonders in Mittelamerika, West- und Südostasien sowie in Nord- und Ostafrika vertreten (1). In Europa ist die viszerale Leishmaniose (VL) eher sporadisch und hauptsächlich im Mittelmeerraum verbreitet mit Vorkommen insbesondere in Italien, Spanien und Griechenland (2). 2022 wurden der WHO aus der Schweiz 8 allochthone Fälle gemeldet (1), die Erkrankung ist allerdings nicht meldepflichtig. Bei der VL handelt es sich um eine disseminierte Form der Leishmaniose. Die Leishmaniose selbst ist eine parasitäre Infektionskrankheit ausgelöst durch Protozoen der Gattung Leishmania (3).

Bei immunkompetenten Patienten verursachen Leishmania donovani und Leishmania infantum die viszerale Form der Leishmaniose (4). Als Vektor dient die weibliche Sandmücke (Phlebotominae), die Übertragung erfolgt über ihren Stich (3). Patienten präsentieren meist Fieber, Gewichtsverlust, Diarrhoe und eine Hepatosplenomegalie. Eine Lymphadenopathie in Zusammenhang mit VL ist selten in Gebieten ausserhalb von Ostafrika und hat daher, bei Ansteckungen innerhalb Europas, meist keine klinische Relevanz (5). Laboranalytisch zeigt sich typischerweise die Reduktion einzelner Zelllinien im peripheren Blut oder eine Panzytopenie (6).

Derzeit wird davon ausgegangen, dass nach der Übertragung L. infantum und L. donovani über die Haut in Lymphknoten einwandern und von dort in Milz, Knochenmark und Leber vordringen. Überwindet der Parasit die Immunabwehr, folgt eine Anpassung der Immunantwort an die Bedürfnisse des Parasiten inklusive der Hochregulierung von Makrophagen, die Erkrankung bricht aus (3). Im Rahmen der Hochregulierung von Makrophagen kommt es zu einem Anstieg von Neopterin (7).

Das MAS ist eine akute, generalisierte Entzündungsreaktion. Ein MAS kann z. B. im Rahmen rheumatologischer Erkrankungen oder als Komplikation von Infektionen (parasitär, viral, bakteriell) auftreten (8, 9). Pathophysiologisch betrachtet liegt eine verminderte Aktivität der Killerzellen und Perforin vor. Dies führt zu einer übermässigen Aktivierung von Lymphozyten mit der Ausschüttung von INF‑γ- und Granulocyte-Macrophage-Colony-Stimulating-Factor (GM-CSF). Es kommt zu einer unkontrollierten Aktivierung und Proliferation von Makrophagen (9). Derzeit besteht noch kein internationaler Konsens bezüglich Diagnosekriterien für das MAS. Davi et al. benennen die 9 häufigsten klinischen, laboranalytischen und histopathologischen Merkmale des MAS wie folgt: fallende Thrombozytenzahl, Hyperferritinämie, Makrophagen-Hämophagozytose im Knochenmark, Transaminasenerhöhung, fallende Leukozytenzahl, Fieber > 38 °C, fallende BSG, Hypofibrinogenämie, Hypertriglyceridämie (10). Als weniger häufig wird ein Anstieg des sIL-2-Rez. genannt.

Im hier vorgestellten Fall präsentierte der Patient bei beiden Krankheitsbildern beschriebene Merkmale. Passend zur Diagnose des MAS zeigten sich eine Erhöhung des sIL-2-Rez. sowie eine Hypofibrinogenämie und Hyperferritinämie. Bei zusätzlichem Nachweis von Leishmanien im Knochenmark und Leishmania-DNA und IgG mit erhöhtem Neopterin waren aus unserer Sicht die Diagnosekriterien für sowohl MAS als auch VL erfüllt. Aus Sicht der Autoren sollte die Diagnose einer (viszeralen) Leishmaniose bei Fieber, Gewichtsverlust, Hepatosplenomegalie, Panzytopenie und Aufenthalt in einem Endemiegebiet in Betracht gezogen werden. Zur Diagnostik ist in der Schweiz eine PCR Goldstandard, die Serologie ist hauptsächlich in wenig entwickelten Ländern mit hoher Prävalenz wichtig, da Sensitivität und Spezifität mit steigender Prävalenz ebenfalls zunehmen (11). Im peripheren Blutausstrich sind nur selten Amastigoten zu sehen, weshalb dieser im Alltag zur Diagnostik einer Leishmaniose keine Relevanz hat (5).
Die Therapie der VL hängt von der Region ab, in der die Infektion erworben wurde. Derzeit ist liposomales Amphotericin B die empfohlene Erstlinientherapie basierend auf Daten verschiedener Endemiegebiete weltweit (4). Die Dosierung und Therapiedauer variieren gemäss Endemiegebiet und Immunstatus. Bei unserem Patienten erfolgte die Gabe von 3 mg/kg KG liposomales Amphotericin B an den Tagen 1–5, 14 und 21 (12). Eine Kostengutsprache zur Verschreibung von Amphotericin B, auch im ambulanten Setting, ist nicht notwendig. Gemäss der Spezialitätenliste des Bundesamts für Gesundheit darf die Erstverschreibung allerdings nur durch eine/einen Fachärzt/-in Infektiologie oder Hämatologie erfolgen (13).

Die Therapie des MAS basiert zum grössten Teil auf der hoch dosierten, intravenösen Gabe von Steroiden. Etoposide wird in der Literatur ebenfalls als Therapieoption diskutiert (14, 15). Unser Patient erhielt Steroide und Etoposide 300 mg i.v. zweimalig im Abstand von 4 Tagen. Aufgrund der Steroidtherapie erfolgte eine Pneumocystis-jiro­ve-
­­cii-Prophylaxe mit Trimethoprim/Sulfamethoxazol.

In den darauffolgenden ambulanten Verlaufskontrollen zeigten sich eine stetige Besserung des Allgemeinzustands des Patienten sowie ein kontinuierlicher Abfall der Antikörper mit zudem negativer PCR. Generell wird der Behandlungserfolg anhand klinischer Verlaufskontrollen über 12 Monate überprüft. Es sollte sich eine Besserung des klinischen Bildes mit z. B. Gewichtszunahme, Rückgang der Hepatosplenomegalie und Abklingen des Fiebers zeigen. Ein Zeitfenster von 12 Monaten sollte eingehalten werden, da die meisten Rückfälle innerhalb von 6–12 Monaten auftreten (16). Der Verlauf der Serologie hat keinen prognostischen Wert und wurde in diesem Fall aus Inte­resse bestimmt.

Fälle wie dieser zeigen, wie schwierig die Diagnosestellung von VL und MAS, insbesondere in Kombination, ist. Speziell bei Patienten, die nicht in Endemiegebieten leben. Verzögerte Diagnosestellung und Therapie verschlechtern die Prognose bei ohnehin deutlich erhöhtem Mortalitätsrisiko beider für sich genommenen Erkrankungen.

Historie
Manuskript eingereicht. 24.09.2024
Manuskript angenommen: 04.11.2024

Stephanie Kirch

Stadtspital Zürich Waid
Klinik für Innere Medizin
Tièchestrasse 99, 8037 Zürich

stephanie.kirch@gmx.net

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

• Unspezifische klinische, laboranalytische und histopathologische Merkmale, Seltenheit und ähnliche Präsentation der VL und des MAS erschweren die Diagnostik.
• Eine schnellstmögliche Diagnosestellung ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Behandlung bei hohem Mortalitätsrisiko.

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Das VEXAS-Syndrom – ein Chamäleon der entzündlichen Syndrome

Anamnese und Status

Ein 72-jähriger Patient wird aufgrund von Anämie und rezidivierenden orbitalen Entzündungen in unser Ambulatorium zur weiteren Abklärung zugewiesen. Nach einer initialen Blepharokonjunktivitis kam es im selben Monat zu einer bilateralen periorbitalen Zellulitis mit einer Begleitkonjunktivitis, welche antibiotisch behandelt wurde. Circa fünf Monate später erfolgte aufgrund einer Orbitaphlegmone des linken Auges eine erneute antibiotische Behandlung. Trotz des vorübergehenden Ansprechens auf Antibiotika trat ein Rezidiv rechtsseitig auf.

Bereits seit dem ersten Spitalaufenthalt wurde eine milde Anämie festgestellt. In der erweiterten Anamnese berichtete der Patient über einen Gewichtsverlust von 20 kg innerhalb der letzten sechs Monaten. Ferner wurde er aufgrund anhaltenden Fiebers über zwei Wochen in einem anderen Spital etwa sechs Monate zuvor hospitalisiert. Alle bildgebenden Verfahren sowie serologischen Untersuchungen lieferten keine wegweisenden Ergebnisse, und die Symptome besserten sich spontan. Der Patient leidet an arterieller Hypertonie sowie an einer substituierten Hypothyreose. Hinsichtlich Noxen bestand ein sistierter Nikotinkonsum mit fünf pack years, kein Alkohol- oder Drogenkonsum. Eine Koloskopie zur Krebsvorsorge, die vier Jahre zuvor durchgeführt wurde, ergab unauffällige Befunde. Die Familienanamnese war unauffällig. Zum Zeitpunkt der Überweisung war sowohl der internistische als auch der neurologische Status unauffällig.

Befunde

Im Hämatogramm fielen eine milde hyporegenerative normochrome und normozytäre Anämie (Hämoglobinwerte zwischen 110 g/l und 129 g/l), eine milde Thrombozytopenie (Thrombozyten 100–121 g/l) sowie eine Leukozytose (Leukozyten 15–17.3 g/l) auf. Der Gerinnungsstatus war unauffällig. Das mikroskopische Blutbild zeigte reichliche Vakuolen in den myeloiden Vorstufen. Ferner wurden schwankende CRP-Werte bis 74 g/l bei normwertigem Procalcitonin festgestellt. Die Substrate (Eisen, Vitamin B12, Folsäure) waren normwertig. Urinstatus und Urinsediment waren bland, ohne Hinweise auf eine Nephritis. In den weiteren serologischen Abklärungen waren die Komplementfaktoren sowie antinukleäre Antikörper und Anti-Neutrophile zytoplasmatische Antikörper negativ. Die ergänzende Eiweisselektrophorese im Serum und im Urin ergab einen normalen Befund. Die HIV-, Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Serologien sowie der Quantiferon-Test zeigten sich negativ. In sämtlichen abgenommenen Blut- und Urinkulturen kam es zu keinem bakteriellen Wachstum. In den Bildgebungen zeigten sich keine Hinweise auf eine thorakoabdominale Raumforderung. Stattdessen wurde wiederholt eine orbitale Entzündung abwechselnder Lokalisation festgestellt (Abb. 1 A und B).

Differenzialdiagnostische Überlegungen und weitere Abklärungsschritte

Bei Fieber und unklarem Entzündungszustand ist die Differenzialdiagnose sehr breit. Nach Ausschluss einer Immunosuppression kann man die möglichen Ursachen in vier Gruppen unterteilen: infektiöse Erkrankungen, Neoplasien, entzündliche Erkrankungen und weitere Ursachen. Die weiteren Überlegungen richten sich nach den Befunden, die durch eine ausführliche Anamnese, körperliche Untersuchung, Basisuntersuchungen im Labor sowie Röntgen des Thorax und Ultraschall des Abdomens festgestellt wurden. Wie bereits aus den oben genannten Befunden hervorgeht, ergaben sich beim Patienten keine Hinweise auf eine infektiöse Genese.

In Zusammenschau der rezidivierenden orbitalen Entzündungen wurde mit dem Verdacht auf eine entzündliche Systemerkrankung eine empirische Steroidtherapie eingeleitet, unter welcher sich sowohl die Symptome verbesserten als auch die Entzündungsparameter abfielen. Die Reduktion der Steroidtherapie ging mit rasch steigenden CRP-Werten einher. Zur weiteren Abklärung des unklaren rezidivierenden Entzündungszustands wurde eine PET-CT veranlasst, bei der eine Grossgefässvaskulitis ausgeschlossen wurde.

Angesichts der Bizytopenie mit Anämie und Thrombozytopenie kam eine beginnende myeloproliferative Erkrankung infrage; differenzialdiagnostisch wurde aufgrund der Vakuolisierung im peripheren Blut sowie bei multiplen orbitalen Entzündungen das VEXAS-Syndrom als mögliche Diagnose in Betracht gezogen. Im Falle einer Vakuolisierung müssen jedoch weitere Differenzialdiagnosen wie ein myelodysplastisches Syndrom, eine Alkohol- oder Zinkintoxikation sowie ein Kupfermangel ausgeschlossen werden.

Bei diesem Patienten erfolgte somit als nächster Schritt eine Knochenmarkpunktion, die eine dysplasiefreie, ausreifende Hämatopoese zeigte. Auch hier fiel eine gehäufte Vakuolisierung der myeloischen und erythropoetischen Vorläuferzellen auf (Abb. 2). Die molekulargenetische Diagnostik konnte schliesslich eine pathogene Variante des UBA1-Gens nachweisen, womit die Diagnose eines VEXAS-Syndroms bestätigt wurde.

Diagnose

Das VEXAS-Syndrom

Das VEXAS-Syndrom ist eine autoinflammatorische Systemerkrankung, die erstmalig von Beck et al. bei 25 Männern mit Inflammation und Myelodysplasie im Jahr 2020 beschrieben wurde. Es betrifft überwiegend Männer mittleren bis höheren Alters und ist durch eine somatische Mutation im UBA1-Gen auf dem X-Chromosom gekennzeichnet, wodurch die Protein-Ubiquitinierung beeinträchtigt wird. Das Akronym VEXAS steht für «vacuoles, E1 enzyme, X-linked, autoinflammatory, somatic» (1). Die Mutation führt zu einer Dysfunktion des UBA1-Proteins, wodurch eine verminderte Ubiquitinierug resultiert und dadurch Signalwege des angeborenen Immunsystems inadäquat aktiviert werden.

Klinik

Zu den häufigsten Symptomen zählen Fieber, Gewichtsverlust und Lymphadenopathie sowie verschiedene hämatologische Manifestationen wie makrozytäre Anämie, Thrombozytopenie, rezidivierende Thrombosen und myelodysplastische Syndrome. Okuläre und orbitale Manifestationen, die initial bei etwa 28 % der Patienten auftreten, umfassen vor allem ein periorbitales Ödem, können sich aber auch als Dakryoadenitis, Blepharitis, Konjunktivitis und Augenmuskelmyositis bis hin zur orbitalen Zellulitis, Uveitis, Skleritis und Episkleritis präsentieren. Selten sind beide Augen simultan betroffen (2, 3). In der Studie von Vitale et al. wurde die okuläre/orbitale Beteiligung bei 92 % der Patienten als erstes Symptom des VEXAS-Syndroms beschrieben (3). Im Allgemeinen kann jedoch fast jedes Organ von der Erkrankung betroffen sein (Abb. 3) (4, 5). Insbesondere wird über rezidivierende Polychondritiden, pulmonale Infiltrate und Alveolitis sowie dermatologische Manifestationen wie kutane Vaskulitiden, das Sweet-Syndrom und das Erythema nodosum berichtet (4). In einer Studie von Lavialle et al. wird der Phänotyp der Erkrankung erweitert, indem zusätzlich Beschwerden im gastrointestinalen Trakt sowie Arthralgien im Rahmen des VEXAS-Syndroms identifiziert wurden. Darüber hinaus werden drei unterschiedliche Cluster vorgeschlagen. Im ersten Cluster finden sich Patienten mit Thrombosen und MDS, welche zusammen mit den Polychondritiden relativ häufig gleichzeitig auftreten können. Der zweite Cluster umfasst Patienten mit einem milderen Verlauf, die in der Regel weniger Fieber, Chondritiden und Thromboembolien aufweisen. Im dritten Cluster werden Patienten mit ausgeprägter Entzündung zusammengefasst; in diesem Fall sind häufig kutane Manifestationen und eine hohe Rezidivrate zu beobachten (6). Typischerweise liegt eine Vakuolisierung der Erythrozyten- und Granulozyten-Vorläuferzellen vor, wobei die genaue Pathogenese dieses Phänomens nicht vollständig aufgeklärt ist (7).

Diagnostik

Die Diagnose wird aufgrund des klinischen Verdachts und mittels Genetik durch Nachweis einer Mutation im UBA1-Gen gesichert. Bisher liegen keine konkreten Empfehlungen vor, wann eine Mutation im UBA1-Gen gesucht werden sollte. In der Publikation von Hagiya et al. werden Symptome und Befunde aufgeführt, bei denen eine Testung evaluiert werden sollte. Diese Kriterien sind in der Tab. 1 zusammengefasst (Tab. 1) (7). Die Vakuolisierung im peripheren Blut und im Knochenmark stellt ebenfalls einen sehr häufigen Befund dar. Bei der Beteiligung von erythroiden und myeloiden Vorläuferzellen scheint ein VEXAS-Syndrom wahrscheinlicher zu sein (8).

Therapie und Prognose

Zurzeit gibt es keinen Konsens über die Therapie, welche individualisiert an die Symptomatik erfolgen sollte. In der Literatur werden mehrere Ansätze vorgeschlagen. Insbesondere wird neben dem initialen Ansatz mit Glukokortikoiden, welche in der Regel zu einem vorübergehenden Ansprechen führen, über Azacytidine und JAK-Inhibitoren berichtet (9, 10).

Aktuelle Erkenntnisse deuten darauf hin, dass JAK-Inhibitoren und insbesondere Ruxolitinib, durch eine selektive Inhibition von JAK1 und JAK2, eine vielversprechende Wirkung zeigen. Unter dieser Therapie kann eine klinische und laborchemische Besserung erreicht werden, die eine nachhaltige Reduktion der Steroiddosis ermöglicht (11).
Ferner wurde ebenfalls häufig mit Immunosuppressiva wie Methotrexat, Tocilizumab und Anakinra behandelt. Jüngere Patienten respektive Patienten mit lebensbedrohlichen, nicht einstellbaren Entzündungszuständen wurden gelegentlich mit einer allogenen Stammzelltransplantation therapiert, wobei der Erfolg spärlich war (9, 10).
Aufgrund der multiplen schwerwiegenden Komplikationen besteht eine hohe Mortalität von bis zu 40 % (1).

Therapie und klinischer Verlauf

In diesem Fall wurde die initial eingeleitete Steroidtherapie fortgeführt und nach Diagnosestellung durch eine Therapie mit Methotrexat sowie dem JAK-Inhibitor Upadacitinib ergänzt. Zu Beginn wurde Methotrexat in einer Dosierung von 7,5 mg wöchentlich verabreicht, welche bei guter Verträglichkeit auf 15 mg wöchentlich gesteigert wurde. Nach Erhalt der Kostengutsprache wurde zusätzlich Upadacitinib in einer Dosis von 15 mg täglich verschrieben, welche im weiteren Verlauf auf 30 mg täglich erhöht wurde. Vor der Diagnosestellung erhielt der Patient bis zu 100 mg Prednison täglich, wobei wiederholt Ausschleichversuche durchgeführt wurden. Nach Einleitung der oben genannten immunsuppressiven Therapie konnte die Steroiddosis innerhalb von sechs Monaten in 2.5-mg-Schritten von 25 mg auf 5 mg reduziert werden.

Kommentar

Das VEXAS-Syndrom ist ein autoinflammatorisches Syndrom, welches erst in den letzten Jahren beschrieben wurde. Angesichts der Symptomvielfalt ist die Diagnosestellung oft schwierig und erfolgt dementsprechend häufig verzögert. Daher ist es wichtig, eine breite Öffentlichkeit zu erreichen, damit immer mehr Ärzte die Krankheit rechtzeitig erkennen können. Bei unklarem Entzündungszustand sollte das VEXAS in Betracht gezogen werden, insbesondere wenn eine Vakuolisierung der hämatopoeitischen Vorläuferzellen nachweisbar ist. Die Therapie ist noch nicht eindeutig definiert und sollte individuell für jeden Patienten gemäss klinischer Manifestation besprochen werden.

Abkürzungen
CRP C-reaktives Protein
HIV Human Immunodeficiency Virus
JAK Januskinase
MDS Myelodysplastisches Syndrom
MGUS Monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz
PET-CT Positronen-Emissions-Tomographie/Computertomographie
UBA1 Ubiquitin-like modifier activating enzyme 1
VEXAS vacuoles, E1 enzyme, X-linked, autoinflammatory, somatic

Historie
Manuskript eingegangen: 28.08.2024
Angenommen nach Revision: 03.12.2024

Verdankungen
Wir bedanken uns bei Frau Dr. med. Janna Pape für die sprachliche Revision sowie bei Herr Dr. med. Marco Roncador für die Hämatologiebilder.

Author Contributions
Konzept, Schreiben, Überprüfen, Editieren, dipl. Ärztin Elisa Leggeri; Radiologiebilder und Befunde, Überprüfen, KD Dr. med. Athina Pangalu; Supervision, Editieren, Überprüfen Prof. Dr. med. Florence Vallelian. Alle Autorinnen haben das eingereichte Manuskript gelesen und sind für alle Aspekte des Werkes mitverantwortlich.

Dipl. Ärztin Elisa Leggeri

Entzündungssprechstunde
Klinik und Poliklinik für Innere Medizin Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

elisa.leggeri@usz.ch

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

• Das VEXAS-Syndrom ist ein neu beschriebenes autoinflammatorisches Syndrom, welches durch eine Vielzahl an Symptomen und Befunden gekennzeichnet ist, die anderen Erkrankungen ähneln können.
• Zu den häufigsten Symptomen des VEXAS-Syndroms gehören Fieber, hämatologische Manifestationen (MDS, Thrombosen) sowie Polychondritiden und pulmonale Infiltrate. Orbitale/okuläre Beschwerden treten jedoch auch häufig als erste Manifestation des Syndroms auf. Das Syndrom kann nahezu jedes Organ betreffen, einschliesslich der Haut, des muskuloskelettalen und gastrointestinalen Systems und der Niere.
• Mit wachsender Kenntnis der Erkrankung lässt sich die Diagnose zunehmend schneller stellen.

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Brucellose als Reisesouvenir

Anamnese und Befunde

Anamnese

Die Zuweisung des 66-jährigen-Patienten in der infektiologischen Sprechstunde des Zuger Kantonsspitals erfolgte zur Abklärung eines unklaren Entzündungszustandes. Anamnestisch bestanden seit einem Monat trockener Husten, Kopfschmerzen, generalisierte Myalgien und Arthralgien. Weiter wurden über Müdigkeit, vermehrtes Schwitzen sowie Inappetenz mit konsekutivem Gewichtsverlust von 2 Kilogramm seit Symptombeginn berichtet. Die Beschwerden hätten anlässlich eines mehrwöchigen Ferienaufenthaltes mit seiner Familie im Heimatland Kosovo begonnen. In der medizinischen Vorgeschichte des Patienten fanden sich eine koronare Herzkrankheit, eine arterielle Hypertonie, eine Dyslipidämie sowie eine periphere arterielle Verschlusskrankheit.

Befunde

Klinisch präsentierte sich der Patient in leicht reduziertem Allgemeinzustand, hämodynamisch stabil mit einer Temperatur von 37.1 °C, in leicht reduziertem Allgemeinzustand. Bis auf ein 2/6 Systolikum mit Punctum maximum über dem 2. Interkostalraum rechts ergaben sich keine pathologischen Untersuchungsbefunde.
Im Labor bestand eine isoliert humorale Entzündungsaktivität (CRP 54 mg/l; Norm < 5 mg/l). Das Blutbild war bis auf eine milde normochrome normozytäre Anämie unauffällig (Hb 138 g/l; Norm 140–180 g/l). Elektrolyte, Nierenfunktion, Transaminasen und Cholestaseparameter waren normal.

Differenzialdiagnostische Überlegungen

Die klinische Präsentation sowie die laboranalytischen Befunde erlaubten eine breite Differenzialdiagnose aus dem infektiologischen, onkologischen und rheumatologischen Formenkreis. Aufgrund der grippalen Symptomatik dachten wir an eine virale Genese, insbesondere HIV, Hepatitis B und C. Gegen diese Hypothese sprachen eine unauffällige Expositionsanamnese sowie normwertige Transaminasen. Weiter dachten wir aufgrund der Reiseanamnese an mit einer Reise oder mit dem Heimatland des Patienten assoziierte Erkrankungen wie Tuberkulose, Brucellose und Q-Fever. Gemäss Angaben des Patienten hatte der Patient im Heimatland unpasteurisierten Ziegenkäse gegessen. Aufgrund der protrahierten konstitutionellen Symptome erwogen wir auch eine infektiöse Endokarditis. Auch ein Malignom, insbesondere ein Bronchuskarzinom oder ein Lymphom, erschien uns plausibel. Die generalisierten Myalgien und Arthralgien liessen uns weiter an eine rheumatologische Erkrankung denken.

Weitere Abklärungsschritte und Diagnosestellung

Es wurden Blutkulturen asserviert. Zudem erfolgte eine Testung auf Hepatitis B, C und HIV, welche negativ ausfielen. Die Bestimmung des Rheumafaktors war negativ. Im Röntgen-Thorax ergaben sich keine pathologischen Veränderungen, insbesondere keine Hinweise für eine Tuberkulose. Nach einer Bebrütungszeit von zwei Tagen zeigten sich die Blutkulturen positiv mit Nachweis von Brucella melitensis. Somit konnte die Diagnose eines Maltafiebers (Brucellose) gestellt werden.

Therapie und Verlauf

Eine antiinfektive Therapie mit Gentamicin 5 mg/kg i.v. alle 24 h und Doxycyclin 100 mg p.o. alle 12 h wurde eingeleitet. Aufgrund von zwischenzeitlich entwickeltem Fieber und dem neu beschriebenen Systolikum wurde eine transthorakale und danach eine transösophageale Echokardiographie durchgeführt, welche als unauffällig beurteilt wurden. Bei zwei Minor-Duke-Kriterien (Mikrobiologie, Fieber) wurde somit eine Endokarditis als unwahrscheinlich erachtet. Unter der etablierten Antibiotikatherapie zeigte sich ein rasches klinisches Ansprechen. Gentamicin wurde für sieben Tage verabreicht, Doxycyclin für sechs Wochen. Am Therapieende war der Patient beschwerdefrei. Das Blutbild war normalisiert, und es bestand keine Entzündungsaktivität mehr.

Akquiriert wurde die Infektion mutmasslich durch den Verzehr kontaminierter Lebensmittel. Der Patient hatte anlässlich seines Aufenthaltes im Kosovo, rund zwei Wochen vor Symptombeginn, unpasteurisierten Ziegenkäse gegessen.

In den folgenden drei Monaten stellte sich die Ehefrau und später der Sohn des Patienten in unserem Spital vor. Sie litten an Fieber, Schüttelfrost und Kopfschmerzen. Bei beiden gelang der Nachweis von B. melitensis in den Blutkulturen. Unter Therapie mit Gentamicin und Doxycyclin kam es zu einer Restitutio ad integrum. Es stellte sich he­raus, dass auch Ehefrau und Sohn denselben Ziegenkäse gegessen hatten, mit welchem sich auch der Patient mutmasslich infiziert hatte.

Kommentar

Die Brucellose ist eine Zoonose, welche durch Bakterien der Gattung Brucella verursacht wird. Brucellen sind hitzeempfindliche, aerob wachsende gramnegative kokkoide Stäbchenbakterien. Humanpathogen sind die Spezies B. melitensis, B. suis und B. canis. Die Transmission erfolgt durch Konsum kontaminierter Lebensmittel oder durch direkten Kontakt zu infizierten Nutz- und Haustieren. Bei Brucella melitensis, dem Auslöser des Maltafiebers, sind Ziegen und Schafe das Reservoir. Unpasteurisierte Schaf- und Ziegenmilchprodukte stellen die Hauptinfektionsquelle dar (1, 2).

Die Inzidenz der Brucellose ist nicht bekannt. 2006 wurde global von ca. 500 000 Neuinfektionen pro Jahr berichtet (3). Aufgrund von mangelhafter Surveillance wird von einer grossen Dunkelziffer ausgegangen. Eine aktuelle modellbasierte Schätzung postuliert weltweit über zwei Millionen Fälle pro Jahr (4, 5). Der Mittelmeerraum, Afrika, Asien, Mittel- und Südamerika sowie die arabische Halbinsel stellen das Endemiegebiet dar (3, 6). Durch Tourismus, Migration und Tierhandel können Erkrankungsfälle aber auch in Länder, wie z. B. die Schweiz, importiert werden, welche als brucellosefrei gelten. In der Schweiz sind Infektionen mit Brucella sp. sowohl beim Menschen wie auch beim Tier meldepflichtig. Die Fallmeldungen beim Menschen in der Schweiz lagen in den letzten Jahren kon­stant unter zehn pro Jahr (7) (Abb. 1).

Ein Pathogenitätsmerkmal von Brucellen ist die Fähigkeit, intrazellulär zu überleben und sich zu vermehren. Nach Inokulation werden Brucellen durch Gewebelymphozyten aufgenommen und gelangen via regionale Lymphknoten in die Blutbahn. Durch hämatogene Dissemination kann es in nahezu jedem Organ zu einer Absiedelung kommen, wobei ein Tropismus für das retikuloendotheliale System besteht (1). Die klinische Manifestation der Erkrankung ist entsprechend der Pathogenese vielfältig. Leitsymptom ist anhaltendes, intermittierend oder schubweise auftretendes Fieber. Begleitend kann es zu ausgeprägtem Schwächegefühl, Arthralgien und Nachtschweiss kommen (8). Die Mehrheit der Infektionen verlaufen jedoch subklinisch. Unbehandelt können sich lokale Komplikationen und chronische Verläufe entwickeln. Osteoartikuläre Komplikationen, insbesondere Sakroiliitis und vertebrale Osteomyelitis, treten bei bis zu 70 % der betroffenen Patienten auf. Wesentlich seltener sind urogentiale (Orchitis, Epididymitis) und neurologische Komplikationen (Meningitis, Encephalitis, Myelitis) (9–11).

In Anbetracht der unspezifischen klinischen Präsentation bedarf es zur Diagnosestellung einen hohen Verdachtsgrad. Schlüsselelement ist eine detaillierte Anamnese und beinhaltet das Erfragen der Reiseaktivität, des Konsums von unpasteurisierten Milchprodukten oder Kontakts zu (kranken) Tieren in einem Endemiegebiet. Die variable Inkubationszeit (Wochen bis mehrere Monate) sollte bei der Anamnese berücksichtigt werden. Die klinische Untersuchung und Laboruntersuchungen weisen oft unspezifische Befunde auf und sind daher für den diagnostischen Prozess wenig hilfreich. Gemäss einer Metaanalyse aus China, in welche 68 Studien inkludiert wurden, zählten Lymphadenopathie (32 %), Hepato- (23 %) oder Splenomegalie (29 %) zu den häufigsten klinischen Auffälligkeiten, im Labor waren es Anämie (23 %), Thrombopenie (15 %) und Leukozytose (10 %) (12) (Tab. 1).

Die definitive Diagnose kann durch den kulturellen Nachweis des Organismus aus Gewebe oder Körperflüssigkeiten (Blut, Liquor, Urin) gestellt werden. Die Kultur gilt zwar als Goldstandard, die Anzucht von Brucellen ist aber aufgrund ihrer Anforderungen an Kulturbedingungen anspruchsvoll. Alternativ kann die Diagnosesicherung mittels Serologie erfolgen. Ein vierfacher Titeranstieg in zwei aufeinanderfolgenden (im Abstand von zwei bis drei Wochen entnommenen), parallel untersuchten Serumproben gilt als beweisend für eine akute Infektion (13). Bei begründetem Verdacht auf eine Infektion mit Brucella sp. sollte das mikrobiologische Labor informiert werden, da die Verarbeitung der klinischen Proben die Einhaltung erhöhter Sicherheitsmassnahmen (Biosicherheitsstufe 3) bedingt.

Therapie der Wahl ist Doxycyclin p.o. für 6 Wochen in Kombination mit Gentamicin i.v. für sieben Tage. Alternativ kann anstelle des Aminoglykosids Rifampicin für sechs Wochen verabreicht werden, mit dem Vorteil einer peroralen Gabe und reduzierter Nephrotoxizität bei allerdings breitem Interaktionspotenzial. Von Monotherapien oder verkürzter Therapiedauer ist aufgrund von hohen Rezidivraten abzusehen (14). Patienten mit osteoartikulären Komplikationen, Endokarditis und Neurobrucellose werden deutlich länger und zum Teil mit angepassten Therapieschemata behandelt (15). Trotz adäquater Behandlung kann es zu einem Rezidiv der Erkrankung kommen, dieses tritt meist innerhalb der ersten sechs Monate nach Therapieende auf (17). Bis anhin kam es bei sämtlichen Familienmitgliedern aus unserer Fallserie zu keinem Rezidiv.

Historie
Manuskript eingegangen: 23.10.2024
Manuskript angenommen: 08.01.2025

Dipl. Arzt Valentino Monaco

Schlössliweg 2
6345 Neuheim

vmonaco1289@gmail.com

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

• Die Brucellose ist eine meldepflichtige Zoonose.
• Leitsymptom der Erkrankung ist Fieber. Dieses ist oftmals begleitet von unspezifischen Allgemeinsymptomen (Malaise, Arthralgien, Nachtschweiss). Die Verdachtsdiagnose ergibt sich bei Fieber, passender Reise- und Expositionsanamnese (Konsum von unpasteurisierten Milchprodukten, Kontakt zu kranken Schafen/Ziegen).
• Goldstandard ist der kulturelle Erregernachweis aus Blut oder anderen biologischen Materialien. Alternativ kann die Diagnose serologisch gestellt werden.
• Das Labor sollte über die Verdachtsdiagnose der Brucellose informiert werden. Die Probenverarbeitung bedarf erhöhte Sicherheitsmassnahmen (BSL 3).

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Eosinophile Lungenerkrankungen: Zeitdruck im Dickicht der Differenzialdiagnosen

Wir präsentieren einen Fall einer eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA) und geben einen Überblick über eosinophile Lungenerkrankungen. Dabei beleuchten wir die diagnostischen und therapeutischen Herausforderungen dieser Krankheitsgruppe. Zudem diskutieren wir die Klassifizierung des Schweregrads der EGPA und bieten Einblicke in aktuelle Behandlungskonzepte.

Schlüsselwörter: Eosinophile Lungenerkrankungen, eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis, Hypereosinophilie, Eosinophile

Anamnese und Befunde

Ein 61-jähriger Mann wurde durch den Hausarzt bei Verdacht auf eine ambulant erworbene Pneumonie in ein wohnortnahes peripheres Spital zugewiesen. Neben purulentem Auswurf imponierten bei dortiger Aufnahme eine disseminierte leicht palpable Purpura (Abb. 1 und Abb. 2) mit enoraler Aussparung, ausgeprägte bilaterale Unterschenkelödeme sowie eine Bluteosinophilie von 3.1 G/l (0.0–0.7 G/l). In der CT-Thorax wurde eine basale Bronchiolitis mit weiteren bronchiolitischen Veränderungen im rechten Oberlappen ohne Konsolidationen oder Pleuraergüssen sowie Groundglass-Opazitäten in beiden Unterlappen nachgewiesen (Abb. 3). Eine antiinfektive Theapie mit Amoxicillin/Clavulansäure wurde initiiert, welche im Verlauf auf Ceftriaxon und Clarithromycin eskaliert wurde. Ausserdem veranlasste man eine Stanzbiopsie der Purpura im Bereich der streckseitigen Unterschenkel. Eine geplante diagnostische Bronchoskopie musste bei periinterventioneller hämodynamischer Instabilität und Sättigungsabfällen abgebrochen werden. Daraufhin erfolgte die Verlegung ins Universitätsspital Zürich zur weiteren pneumologischen Abklärung.

Kurze Anamnese mit Betonung des jetzigen Leidens

Bei Eintritt im Universitätsspital Zürich präsentierte sich ein 61-jähriger Patient in vermindertem, initial afebrilem Allgemeinzustand, kardiorespiratorisch stabil mit ausgeprägten bilateralen Unterschenkelödemen sowie leicht palpabler Purpura an Körperstamm und den unteren Ex­tremitäten. Auskultatorisch imponierte ein 2/6 Systolikum mit punctum maximum über der Aortenklappe. Die Gelenke waren allseits schmerzfrei beweglich ohne palpable Synovitiden. Der Neurostatus war unauffällig. Im weiteren stationären Verlauf kam es zu täglichen Fieberepisoden bis max. 39.2 °C.

Der Patient berichtete, an einem langjährigen eosinophilen Asthma und einer Rhinosinusitis mit chronisch behinderter Nasenatmung zu leiden. An weiterer Vorerkrankung war eine valvuläre und koronare Dreigefässerkrankung mit Status nach biologischem Aortenklappenersatz und aortokoronarer Bypassoperation im Jahr 2015 bekannt.

In unserem Eintrittslabor sahen wir erneut eine Bluteosinophilie von 2.94 G/l, welche mikroskopisch bestätigt wurde. Im mikroskopischen Differenzialblutbild zeigten sich keine weiteren Auffälligkeiten, insbesondere kein Nachweis von Blasten. Es imponierte eine humorale Entzündungsaktivität mit einem C-reaktivem Protein von 96 mg/l (< 5mg/l), das Procalcitonin lag bei 0.13 µg/l (< 0.1 µg/l). Das Gesamt-IgE war mit > 2000 ku/l (< 100 ku/l) deutlich erhöht. Die ANCA-Serologie war negativ. In der Spirometrie fand sich eine fixierte obstruktive Ventilationsstörung mit einer FEV1/FVC 67 % bzw. einem Z-Score von –1.49 (> 75 %) ohne Diffusionsstörung. Als Leitsymptom berichtet der Patient über einen produktiven Husten sowie eine ausgeprägte und progrediente Belastungsdyspnoe.

Differenzialdiagnostische Überlegungen

Unser Patient präsentierte neben den beidseitigen pulmonalen Infiltraten eine Hypereosinophilie, die das differenzialdiagnostische Spektrum einer eosinophilen Lungenerkrankung eröffnet hat. Dieses beinhaltet eine heterogene Gruppe verschiedener Krankheitsentitäten. Als Gemeinsamkeit findet sich eine Infiltration von Eosinophilen innerhalb der Atemwege, Alveolen und/oder dem Lungeninterstitium (1). Des Weiteren wird häufig eine periphere Eosinophilie nachgewiesen.

Die definitive Diagnosestellung im Akutstadium sowie die Abgrenzung der verschiedenen Krankheitsentitäten untereinander stellen eine klinische Herausforderung dar. Nach der Diagnosesicherung einer eosinophilen Lungenerkrankung gilt es im Abklärungsalgorithmus darum, einen möglichen Auslöser und eine extrapulmonale Organbeteiligung zu evaluieren. Folgende Kriterien definieren eosinophile Erkrankungen mit Lungenbeteiligung (2): periphere Eosinophilie (absolute Eosinophilenzahl ≥ 500 Eosinophile/µl) und Opazitäten in der pulmonalen Bildgebung. Erhöhter Eosinophilenanteil in der bronchoalveolären Lavage (> 10 %) und/oder histologischer Nachweis von eosinophilen Entzündungszellen in den Atemwegen oder dem Lungengewebe.

Bezüglich der Klassifikation sollte eine Unterteilung in akut und chronisch sowie eine pulmonale und systemische Manifestation erfolgen (Tab. 1) (3).

In unserem Fall kann das bekannte eosinophile Asthma bereits eine periphere Eosinophilie bedingen, ist allerdings auch als Begleiterkrankung bei anderen eosinophilen Lungenerkrankungen wie der chronischen eosinophilen Pneumonie, der eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA) und des hypereosinophilen Syndroms (HES) beschrieben. Ein unkontrolliertes Asthma bronchiale in Verbindung mit steigenden eosinophilen Zellen und IgE-Titer muss differenzialdiagnostisch ebenfalls an eine allergische bronchopulmonale Aspergillose (ABPA) denken lassen. Eine Bestimmung der Aspergillus-spezifischen IgG- und IgE-Titer sollte hier erfolgen. Andere Auslöser einer peripheren Eosinophilie mit Lungenbeteiligung wie Infektionen (v.a. Parasiten, Medikamente oder Tumorerkrankungen) sollten anamnestisch eruiert und bei Verdacht weiter abgeklärt werden. Es gilt, weiterhin eine systemische Erkrankung mit extrapulmonaler Manifestation zu erfassen. Hierfür müssen eine breite Systemanamnese inklusive Beachtung etwaiger Vaskulitiszeichen, eine weitreichende körperliche Untersuchung inklusive Neurostatus, Labor -, Funktionsdiagnostik und Bildgebung erfolgen. Ein extrapulmonaler eosinophiler Organbefall schliesst eine chronische eosinophile Pneumonie aus und bedingt die Fokussierung auf die differenzialdiagnostische Evaluation einer EGPA und eines HES. Diese mitunter schwierige Differenzierung wird mit der Evaluation der Wahrscheinlichkeit eines primären (klonalen) HES begonnen. Hierfür bietet sich die Bestimmung von Tryptase und Vitamin B12, ein Hepatomegalie- Screening sowie ein mikroskopisches Blutbild mit Frage nach Blasten an (5). Auch eine steroid-refraktäre Eosinophilie sollte an ein HES denken lassen. Ist die Vortestwahrscheinlichkeit hoch, sollte im Rahmen einer Stufendiagnostik erst ein Screening auf die häufigste molekulargenetische Aberration, FIP1L1-PDGFRA-Rearrangement, mittels PCR oder FISH erfolgen, bevor Knochenmarkbiopsie und weitere zytogenetische oder molekulargenetische Untersuchungen folgen. Bei niedriger Vortestwahrscheinlichkeit oder klarem Surrogat einer Vaskulitis sollte eine EGPA abgeklärt werden. Es ist zu bedenken, dass es keine validierten einheitlichen Diagnostikkriterien für die EGPA gibt. Wechsler et al. etablierten im Rahmen des Mirra Trial Einschlusskriterien (6), die bei der Diagnose einer EGPA helfen können. Diese Kriterien umfassen Asthma und Bluteosinophilie (>1.0 G/l) sowie zwei der folgenden Faktoren:

– histologischer Nachweis einer eosinophilen Vaskulitis, perivaskuläre eosinophile Infiltrate, eosinophile, granulomatöse Entzündung
– Neuropathie
– sinunasaler Befall
– Kardiomyopathie
– Glomerulonephritis
– alveoläre Hämorrhagie
– palpable Purpura
– positive ANCA

Es ist zu bedenken, dass nur ca. 30–40 % der EGPA-Patienten positive ANCA (meist p-ANCA) aufweisen. Diese Patienten werden dem vaskulitischen Phänotyp des ­ANCA-Spektrums zugeordnet und präsentieren häufiger Nierenbeteiligung, Mononeuritis und Purpura.
Die ACR/EULAR-Kriterien erlauben zwar eine Differenzierung gegenüber anderen Vaskulitiden, aber keine de novo EGPA-Diagnose (7). Unser Patient zeigte mit der Purpura Zeichen einer kutanen Vaskulitismanifestation, die histologisch als solche bestätigt werden konnte.

Weitere Abklärungsschritte

Zur differenzialdiagnostischen Abklärung wurden Blutkulturen und eine Urinkultur angelegt sowie eine parasitologische Stuhluntersuchung veranlasst. Die Ergebnisse waren allesamt ohne Erregernachweis. Ebenso verblieben alle infektiologisch relevanten Serologien (HIV, Hepatitis B/C, Lues-Screening, Quantiferontest) negativ. Ein Urinsediment war ohne Erythrozyturie, zeigte jedoch eine prärenale Proteinurie mit Hinweisen einer tubulären Schädigung. Die Nierenfunktion lag mit einer eGFR (CKD-EPI2009) mit 85 ml/min im Normalbereich. Die extern veranlassten Hautbiopsien demonstrierten das Bild einer Kleingefäss-vaskulitis mit ausgeprägter Eosinophilie und fibrinoiden Gefässnekrosen. Eine zwischenzeitlich durchgeführte Biopsie aus der unteren Nasenmuschel zeigte keinen Hinweis für eine Vaskulitis, Granulome oder eosinophile Entzündung. Eine initial geplante diagnostische Bronchoskopie wurde bei fehlender therapeutischer Konsequenz abgesagt. In einer TTE/TEE-Untersuchung ergab sich kein Hinweis für eine kardiale Manifestation der vermuteten Grunderkrankung. In einer ergänzenden Abdomensonographie ergab sich kein Anhalt einer abdominalen Organmanifestation, Lymphadenopathie oder Hepatosplenomegalie.

Diagnose

In der Zusammenschau der Befunde und nach Ausschluss relevanter Differenzialdiagnosen wurde eine eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis diagnostiziert.

Kommentar über Therapie und Verlauf

Aufgrund von persistierenden Fieberepisoden und progredienter Purpura wurde bei hochgradigem Verdacht einer EGPA bereits vor Erhalt der Biopsieergebnisse mit einer Hochdosis-Steroidtherapie (Methylprednison 500mg/24h intravenös über 3 Tage) unter der prophylaktischen Therapie mit einem Protonenpumpeninhibitor und der Gabe von Calcium/Vitamin D3 begonnen. Anschliessend wurde eine orale Steroidtherapie mit Prednison 1mg/kg Idealgewicht fortgeführt (4). Bei langfristiger Prednisontherapie mit einer Tagesdosis von über 20 mg (> 4 Wochen) initiierten wir zusätzlich eine Pneumocystis jirovecii (PJP)-Prophylaxe mit Sulfamethoxazol/Trimethoprim. Nach definitiver Diagnosestellung und bei Fehlen von schlechten Prognosefaktoren planten wir im weiteren Verlauf eine Antikörpertherapie mit Mepolizumab.

Unter der Steroidtherapie kam es bei kardialer Vorerkrankung zu einer rechtsführenden kardialen Dekompensation, sodass eine Negativbilanzierung mittels Schleifendiuretikum etabliert werden musste. Die bisherige Herzinsuffi­zienztherapie wurde um einen Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten und einen SGLT2-Inhibitor ergänzt.

Unter der etablierten Therapie sahen wir eine rasche Normalisierung der Bluteosinophilie und der humoralen Entzündungsaktivität. Klinisch blasste die Purpura vollständig ab, weitere Fieberepisoden traten nicht auf. In der CT-graphischen Kontrolle ca. 2 Monate nach Therapieeinleitung waren die Groundglass-Opazitäten und bronchio­litischen Veränderungen vollständig regredient.

Wir beschreiben hier einen 61-jährigen Patienten mit langjährig bestehendem eosinophilen Asthma und einer Erstmanifestation einer eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis. Es handelt sich um eine perakute, potenziell lebensbedrohliche Erkrankung mit diversen möglichen Organmanifestationen. Die Diagnosestellung erfordert aufgrund verschiedener Differenzialdiagnosen aus dem eosinophilen und rheumatischen Formenkreis eine enge Zusammenarbeit mehrerer Fachdisziplinen und setzt sich aus Elementen der klinischen Untersuchung, Laboranalytik, Funktionsdiagnostik, Bildgebung und Histopathologie zusammen.

Das Therapieschema ist abhängig vom Schweregrad der Erkrankung. Dieser kann z.B. mittels Five-factor Score (Tab. 2) eingeschätzt werden (8). Die Induktionstherapie besteht aus Glucocorticoiden, welche bei schwerer Erkrankung mit Cyclophosphamid oder Rituximab kombiniert werden müssen. Mittels Glucocorticoid-Monotherapie konnte analog Ribi et. al (9) bei Fehlen von schlechten Prognosefaktoren in 93 % der Fälle eine Remission induziert werden, jedoch kam es hierbei zu einer Rezidivrate von 35 % im ersten Jahr. Durch eine Kombinationstherapie mit dem monoklonalen Interleukin-5-Antikörper Mepolizumab konnte eine signifikant längere Remissionsdauer mit konsekutiver Glucocorticoid-Einsparung erzielt werden (6). Alternativ ist eine Kombination von Glucocorticoiden und Azathioprin, Methotrexat oder Mycophenolat möglich. Die Behandlung mit Cyclophosphamid oder B-Zelldepletion ist schweren, organ- bzw. lebensgefährdenden Verläufen vorbehalten.

Abkürzungen
ABPA Allergische bronchopulmonale Aspergillose
ACR/EULAR American College of Rheumatology / European League Against Rheumatism
ANCA Antineutrophile-cytoplasmatische Antikörper
CT Computertomographie
CKD-EPI Chronic Kidney Disease Epidemiology Collaboration
eGFR Estimated Glomerular Filtration Rate
EGPA Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis
FEV1 Forced Exspiratory Volume in one Second
FISH Fluorescence in Situ Hybridization
FIP1L1-PDGFRA FIP1-like1-platelet-derived Growth Factor Receptor ∂
FVC Forced Vital Capacity
G/l Giga pro Liter
HES Hypereosinophiles Syndrom
HIV Human Immunodeficiency Virus
IgE Immunglobulin E
IgG Immunglobulin G
PCR Polymerase Chain Reaction
PJP Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie
SGLT2 Sodium Glucose Transporter 2
ZNS Zentrales Nervensystem

Prof. Dr. med. Silvia Ulrich

Klinik für Pneumologie
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

silvia.ulrich@usz.ch

Eosinophile Lungenerkrankungen sind eine heterogene Gruppe verschiedener Krankheitsentitäten, die aufgrund potenziell lebensbedrohlicher Differenzialdiagnosen eine rasche und strukturierte diagnostische Abklärung im interdisziplinären Team bedingen.
Die EGPA ist eine Vaskulitis der kleinen und mittleren Gefässe, die sich als Multisystemerkrankung insbesondere pulmonal und kutan manifestiert, darüber hinaus ist eine kardiale, renale, gastrointestinale und ZNS-Beteiligung möglich. Sie muss differenzialdiagnostisch gegenüber einem HES abgegrenzt werden.
Die Schweregradeinteilung erfolgt analog der Organmanifestation mittels Five-factor Score (revised).
Da es sich um eine schubförmig verlaufende Erkrankung handelt, sind engmaschige Verlaufskontrollen obligat.

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Eine seltene Ursache der Milzruptur

Die Milzruptur nach einer Koloskopie ist eine seltene, aber potenziell lebensbedrohliche Komplikation. Bei akuten Schmerzen im linken Oberbauch, arterieller Hypotonie bis hin zum hämorrhagischen Schock sollte daran gedacht werden. Die Diagnose erfolgt anhand einer Computertomographie oder sonographisch. Die Behandlung richtet sich nach dem Schweregrad und umfasst konservatives Management, arterielle Embolisation oder Splenektomie.

Schlüsselwörter: Koloskopie, Milzruptur, Milzblutung, atraumatische Milzruptur

Fallbeschreibung:

Die Zuweisung des 73-jährigen Patienten erfolgte zur Abklärung eines ungewollten Gewichtsverlusts von 12 kg innerhalb der letzten sechs Monate. Vorbekannt waren eine schwere chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) Stadium Gold III, Risikogruppe E bei persistierendem Nikotinabusus vom mehr als 100 pack years, eine periphere arterielle Verschlusskrankheit, ein low-grade Urothelkarzinom der Harnblase sowie ein chronischer Alkoholabusus. Vor 5 Jahren waren bei einer Koloskopie multiple Kolonpolypen bis ca. 25 mm aus dem Kolon ascendens, dem Kolon transversum, dem Kolon descendens und dem Rektum entfernt worden. Als Dauermedikation nahm der Patient Rosuvastatin, Enalapril, Calcium und Vitamin D ein, inhalierte regelmässig Indacterol/Glycopyrronium sowie Salbutamol bei Bedarf. Zudem bestand die Versorgung mit intermittierend 2 l Heimsauerstoff. Im Labor waren bei Eintritt das Blutbild, INR und Elektrolyte normwertig.

Bei bisher nicht wahrgenommener Nachkontrolle der 2018 erfolgten Kontrollkoloskopie sowie zur Abklärung des Gewichtsverlustes erfolgte eine Koloskopie.

2018 war die Koloskopie aufgrund der COPD ohne Sedation erfolgt, musste jedoch bei Schmerzexazerbation abgebrochen und unter Sedation wiederholt werden.

Aktuell entschied man sich aufgrund der schweren COPD zur Durchführung in Intubationsnarkose. Als Koloskopiegas wurde routinemässig CO2 verwendet. Es fand sich eine weitgehend unauffällige Koloskopie. Im Kolon ascendens wurde ein flacher sessiler Polyp von 18 mm Durchmesser nach Unterspritzung mit Methylenblau und verdünntem Adrenalin mit kalter Schlinge komplett entfernt, ein weiterer sessiler Polyp von 6 mm Durchmesser wurde ebenfalls im Kolon ascendens mittels Schlinge entfernt. Histologisch stellten sich diese als tubulovillöse Adenome der Dickdarmschleimhaut mit low-grade Dysplasie dar. Nach einer beschwerdefreien Nacht traten am Folgetag progrediente, kolikartige Abdominalschmerzen auf.

Ungefähr 24 Stunden nach der Koloskopie präsentierte sich der Patient kaltschweissig, hatte eine arterielle Hypotonie von 88/53 mmHg und eine Tachykardie von 135/min. Das Abdomen zeigte klinisch eine ubiquitäre Abwehrspannung und Défense. In der Blutuntersuchung zeigte sich ein Hämoglobinabfall von 136 g/l auf 93 g/l, ein Anstieg der Leukozyten von 6.19×103/µl auf 14.8×103/µl (Normwert 3.6–10.5×103/µl), die Thrombozyten lagen mit 232×103/µl im Normbereich (Normwert 150–370×103/µl), der INR mit 1.0 war ebenfalls normwertig.

Welche Differenzialdiagnose kommt eher nicht infrage?

a) Darmperforation
b) Gastrointestinale Blutung
c) Milzruptur
d) Postpolypektomie-Syndrom
e) Passagäre Nebenwirkung durch das bei der Koloskopie eingeleiteten Gases

Die Screeningkoloskopie ist eine Untersuchung mit einer geringen Komplikationsrate. Die häufigsten schweren Komplikationen sind Blutungen (1–2 %) und Perforationen des Gastrointestinaltraktes (0.1–0.2 %). Diese machen einen Hauptteil der Koloskopie-verursachten Mortalität aus, welche jedoch mit 0.006–0.5 % sehr gering ausfällt (1).

Die arterielle Hypotonie, Tachykardie und abdominelle Abwehrspannung wären für eine Perforation passend. Der Hämoglobinabfall würde eher auf eine gastrointestinale Blutung hinweisen. Hämatemesis, Blutabgang ab ano oder Teerstuhl waren jedoch nicht aufgetreten. Für eine gastrointestinale Blutung eher untypisch wäre auch die abdominelle Abwehrspannung.

Verletzungen der Milz durch eine Koloskopie sind mit etwa 0.004 % sehr selten (2).

Diese treten gewöhnlich innerhalb der ersten 24 Stunden nach Koloskopie auf, können sich aber auch mit bis zu 10 Tagen Verzögerung manifestieren. Bei der Untersuchung in Sedation können sehr frühe Symptome maskiert werden (3). Typische Symptome sind Schmerzen im linken Oberbauch, zum Teil mit Ausstrahlung in die linke Schulter mit Zunahme bei Inspiration (Kehr-Zeichen) und Peritonismus. Im Rahmen des Blutverlustes können vor allem eine arterielle Hypotonie und ein Abfall des Hämoglobinwertes beobachtet werden (2).
Das Postpolypektomie-Syndrom entsteht durch Setzen von transmuralen Verbrennungen der Darmwand durch Elektrokoagulation mit konsequenter Peritonitis, Schmerzen und lokaler Abwehrspannung (4).

Was wäre der nächste diagnostische Schritt?

a) Re-Koloskopie
b) Computertomographie
c) Ultraschall Abdomen
d) Gastroskopie
e) Laparotomie

führend. Die Computertomographie ist das diagnostische Mittel der Wahl. Hier kommen freie Luft, entzündliche Veränderungen, intraabdominale Flüssigkeit und Verletzungen intraabdominaler Organe zur Darstellung. Mit der Ultraschalluntersuchung kann freie Flüssigkeit dokumentiert werden, in diesem Fall ist die Differenzialdiagnose jedoch zu breit (5–6). Eine Ursache im oberen Gastrointestinaltrakt erscheint unwahrscheinlich, eine Gastroskopie ist daher nicht indiziert. Bei diesem kreislaufinstabilen Patienten sollte vor einer Laparotomie eine Computertomographie erfolgen, um zur Diagnose zu kommen.

In der Computertomographie (Abb. 1) konnte intraabdominal viel freies Blut dokumentiert werden. Ätiologisch zeigte sich eine Milzblutung mit grossem subkapsulärem Hämatom und eine aktive Blutung der Milz in die Bauchhöhle (Abb. 2 und 3), entsprechend einer Verletzung Grad IV nach der American Association for the Surgery of Trauma (AAST) grading scale for splenic lacerations (7). Diese Einteilung richtet sich nach der Grösse des subkapsulären Hämatoms, dem Vorhandensein eines Kapselrisses, dem Ausmass der Organlazeration und dem Vorhandensein einer aktiven Blutung.

Was stellt einen Risikofaktor für eine ­Milzruptur während der Koloskopie dar?

a) Splenokolische Adhäsionen und Splenomegalie
b) Kardiovaskuläre Erkrankungen und Antikoagulation
c) Starke Distension des Dickdarms
d) Weibliches Geschlecht
e) Alle der oben genannten

Als Risikofaktoren für eine Verletzung der Milz während der Koloskopie werden einerseits splenokolische Adhäsionen nach Operationen oder Entzündungen, andererseits eine Splenomegalie (insbesondere > 15 cm), starke Distension des Dickdarms durch die eingeleitete Luft, weibliches Geschlecht, kardiovaskuläre Erkrankungen und orale Antikoagulation beschrieben (2). Polypektomien im Bereich der linken Kolonflexur und Untersuchungstechniken, die zur Torsion des splenokolischen Ligamentes führen oder ein kräftiger Druck von aussen, erhöhen das Risiko einer Blutung (8–9). Ursächlich beschrieben werden eine direkte Verletzung der Milz durch das Endoskop an der splenischen Flexur, vor allem bei Entnahme von Biopsien in diesem Bereich, ein Riss der Milzkapsel durch Zug am Ligamentum splenocolicum oder ein Riss der Milzkapsel durch Traktion von Adhäsionen zwischen Milz und Colon (2).

Im vorliegenden Fall lagen weder eine Splenomegalie noch splenokolische Adhäsionen vor. Gerinnungshemmende Medikamente wurden nicht eingenommen. Mit der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit ist eine vaskuläre Erkrankung bekannt, bei ausgeprägtem Nikotinabusus ist eine Gefässpathologie anzunehmen. Ein externes Trauma erfolgte nicht. Als Ursache der Milzruptur kommt nach Ausschluss anderer Ursachen somit am ehesten die Koloskopie infrage.

Welcher therapeutische Schritt ist bei einer Milzruptur keine Option?

a) Analgesie, Flüssigkeitssubstitution
b) Bluttransfusionen, Tranexamsäure
c) Embolisation der Milzarterie
d) Koloskopische Versorgung der Milzruptur
e) Splenektomie

Die Therapie richtet sich nach dem klinischen Zustand des Patienten sowie dem Grad der Verletzung. Die Milzruptur ist eine äusserst seltene Komplikation nach Koloskopie (10). Spezifische Leitlinien existieren nicht, die Leitlinien für traumatische Milzläsionen sind nur bedingt anwendbar. Je nach Situation muss ein individuelles Vorgehen gewählt werden. Bei hämodynamisch stabilen Patienten kann ein konservativer Therapieversuch mittels Analgesie, intravenöser Flüssigkeitssubstitution und Bluttransfusionen unter Kontrolle von Vitalzeichen und Hämoglobin erfolgen. Bei Fortbestehen der Blutung beziehungsweise hämodynamischer Instabilität kann eine Embolisation der Arteria splenica erfolgen. Bei aktiver Blutung oder persistierender hämodynamischer Instabilität kann eine Splenektomie notwendig werden (11–12).

Der kreislaufinstabile Patient wurde auf die Intermediate Care Unit verlegt. Es wurden insgesamt 3 Erythrozytenkonzentrate und Tranexamsäure verabreicht. Bei inadäquatem Hämoglobinanstieg musste von einer weiterhin aktiven Blutung ausgegangen werden. Über die rechte Arteria femoralis communis erfolgte eine proximale Thermo-Embolisation der Arteria lienalis sowie das Einsetzen eines Vascular Plug.

Welches Procedere soll postinterventionell erfolgen?

a) Überwachung auf der Intermediate Care Abteilung oder Intensivstation
b) Intubation und Verlegung auf die Intensivstation für ein intensives Monitoring
c) Verlegung in ein Zentrumsspital zur Evaluation einer Splenektomie
d) Beobachtung auf einer Normalstation
e) Rasche Evaluation einer Splenektomie im Operationssaal

Postinterventionell wurde der stabile Patient zur Überwachung auf die Intensivstation verlegt. Er war fortan kreislaufstabil, sodass er auf die Normalstation verlegt werden konnte. Dies ist beachtlich, da in den überwiegenden Fällen der bisher beschriebenen Milzrupturen nach Koloskopie eine Splenektomie notwendig wurde. Im Verlauf kam es jedoch im Rahmen der COPD zu einer zunehmenden respiratorischen Verschlechterung. In Rücksprache mit dem Patienten und dessen Familie wurde auf eine rein symptomatische Behandlung umgestellt. Elf Tage nach Koloskopie verstarb der Patient aufgrund von respiratorischem Versagen im Rahmen der bekannten COPD.

Diskussion

In der Inneren Medizin ist die Milzruptur eine seltene Komplikation. Im Falle von hämatologischen Erkrankungen oder Infektionen, verbunden mit einer Splenomegalie, muss diese Komplikation bei zunehmenden, meist akut beginnenden Schmerzen im linken Oberbauch in Betracht gezogen werden. Klinisch kommt es neben den Schmerzen infolge des Blutverlustes zu einem hämorrhagischen Schock. Meist wird eine Milzruptur bei traumatologischen Notfällen beobachtet. Da es sich um eine seltene Komplikation handelt, besteht die Gefahr, dass die Diagnose verpasst beziehungsweise erst verspätet dia­gnostiziert wird.

Noch viel seltener ist die Milzruptur eine, praktisch immer lebensbedrohliche, Komplikation einer Koloskopie. Bei Abdominalschmerzen, insbesondere im linken Oberbauch mit Ausstrahlung in die linke Schulter, arterieller Hypotonie oder Hämoglobinabfall in den ersten zehn Tagen nach Koloskopie sollte an eine Milzruptur gedacht werden.

Splenokolische Adhäsionen, Splenomegalie, starke Distension des Dickdarms durch die bei der Koloskopie eingeleitete Luft, weibliches Geschlecht, kardiovaskuläre Erkrankungen und orale Antikoagulation stellen Risikofaktoren für eine Milzruptur bei Koloskopie dar, ebenso Polypektomien im Bereich der linken Kolonflexur und eine starke Torsion des splenokolischen Ligamentes beziehungsweise kräftiger Druck von aussen. Die Computertomographie ist die diagnostische Methode der Wahl. Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung existieren keine spezifischen Leitlinien, die Therapie muss individuell gewählt werden. Leitlinien zur traumatischen Milzruptur können gegebenenfalls als Entscheidungshilfe dienen. Bei hämodynamisch stabilen Patienten kann ein konservativer Therapieversuch erfolgen. Bei persistierender Blutung und hämodynamischer Instabilität kann eine arterielle Embolisation oder Splenektomie notwendig werden.

Antworten
e, b, e, d, a

Danksagung
Wir bedanken uns bei der Radiologie des Kantonsspitals Graubünden für die computertomographischen Bildgebungen.

Dr. med. MSc Cristian Camartin

Leiter Palliative Care
Kantonsspital Graubünden
Loëstrasse 170 Chur
7000 Chur

cristian.camartin@ksgr.ch

Die Autorin und der Autor haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

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