Für den klinischen Alltag ist es zentral, Limitationen und Hintergrund von Laborwerten und Korrekturformeln zu kennen, damit Laborbefunde korrekt interpretiert werden können. Die Bestimmung des Gesamtcalciums als Screening ist ausreichend, der klinische Goldstandard ist die Bestimmung des ionisierten Calciums. Eine Albumin-Korrektur kann zu Fehlinterpretationen, unnötiger Zusatzdiagnostik und Therapien führen und sollte kritisch hinterfragt werden.
Ein 84-jähriger Patient wird nach einem Sturzereignis mit Liegetrauma der Notfallstation zugewiesen, nachdem er von Familienangehörigen auf dem Boden liegend verwirrt vorgefunden wurde.
Klinisch präsentiert sich ein 84-jähriger Patient, dehydriert und zeitlich desorientiert. Blutdruck 170/60 mmHg, Herzfrequenz 88/min, Temperatur 36.8 °C und einer Sauerstoffsättigung von 98 % unter Raumluft.
In der persönlichen Anamnese ist eine Leberzirrhose Child Pugh A im Rahmen einer Autoimmunhepatitis mit lokalem hepatozellulärem Karzinom (HCC) im Lebersegment VI bekannt. Dies wurde mittels Chemo-Embolisation und Radiofrequenzablation kurativ behandelt. Weiter besteht eine chronische Niereninsuffizienz KDIGO G3a, eine normozytäre Anämie und ein Diabetes mellitus Typ 2. In der initialen Laboruntersuchung zeigen sich folgende Befunde (Tab. 1).
Frage: Was ist die wahrscheinlichste Ursache des erhöhten Albumin-korrigierten Calciums?
a) Tumor-assoziierte Hyperkalzämie – lokal osteolytisch
b) Vitamin-D-Intoxikation
c) Primärer Hyperparathyreoidismus
d) Überschätzung des Calciums durch die Albumin-Korrektur bei Hypalbuminämie
Die richtige Antwort lautet d.
Beim erwähnten Patienten lag das physiologisch aktive, ionisierte Calcium mit 1.25 (Referenzbereich 1.15–1.30 mmol/l) im Normbereich. Die onkologischen Verlaufskontrollen des HCC ergaben keine Hinweise für ein Tumorrezidiv (Antwort a). Sowohl Cholecalciferol und Parathormon lagen beim Patienten im Normbereich (Antworten b/c). Ursache für die Hypalbuminämie ist die Leberzirrhose.
Kommentar
Die Bestimmung des physiologisch aktiven, ionisierten Calciums (iCa2+) gilt als klinischer Goldstandard zur Beurteilung des Calciumhaushalts. Diese Laborbestimmung ist jedoch aufwendig und fehleranfällig und wird mittels Blutgasanalyse bestimmt. Im klinischen Alltag einfacher und kostengünstiger ist die Bestimmung des Gesamtcalciums. Calcium wird im Plasma zu 40 % proteingebunden, hauptsächlich an Albumin (Abb. 1). Daraus entstand die Annahme, dass bei einer Hypalbuminämie das Gesamt-calcium unterschätzt wird. Basierend auf dieser Überlegung beschrieb R.B. Payne 1973 die noch heute am meisten verwendete Albumin-Korrekturformel (1).
Die Korrekturformel nach Payne geht von einer konstanten Calciumbindungsfähigkeit des Serumalbumins aus. Jedoch verhält sich die Bindungsfähigkeit pro Gramm Albumin umgekehrt proportional, das heisst, je tiefer das Albumin, desto mehr Calcium kann pro Einheit Albumin gebunden werden (Abb. 2) (2). Die Korrekturformel überschätzt also in Wahrheit die Calciumwerte bei einer Hypalbuminämie.
1973 kamen noch andere Messmethoden zum Einsatz. Die damals erarbeitete Formel hält aus heutiger Sicht einer belastbaren Validierung nicht mehr stand. Hingegen wurde die limitierte Wertigkeit der Payne-Korrekturformel in unterschiedlichen Patientenpopulationen (Geriatrie, Chirurgie, Intensivstation, Hämodialyse) aufgezeigt (3). Besonders ungenau scheint die Korrekturformel in Patienten mit einer Hypalbuminämie (3).
Die Sensitivität (Richtig-positiv-Rate) und Spezifität (Richtig-negativ-Rate) des Albumin-korrigierten Calciums zur Diagnose einer Hyper- und Hypokalzämie ist in Tabelle 2 dargestellt.
Als Lesebeispiel beträgt die Sensitivität, also die Wahrscheinlichkeit, bei vorliegender Hyperkalzämie diese durch ein Albumin-korrigiertes Calcium korrekt zu diagnostizieren, 60–97 %. Diese Wahrscheinlichkeit nimmt bei einer Hypalbuminämie, zugunsten einer sinkenden Spezifität (mehr falsch positive Resultate), zu. Zu beachten gilt, dass ca. 30 % der Albumin-korrigierten Werte «falsch normal» sind und effektiv eine Hypokalzämie vorliegt (3). Dieser Anteil steigt bei zunehmender Hypalbuminämie.
Eine Reihe weiterer Korrekturformeln wurden im Laufe der Jahre entwickelt mit dem Ziel, einen möglichst genauen Surrogat-Marker fürs iCa2+ zu definieren. Eine 2017 durchgeführte retrospektive Analyse mit über 20 000 Patienten konnte schliesslich aufzeigen, dass das Gesamtcalcium besser mit dem iCa2+ korreliert als sämtliche getesteten Korrekturformeln, unabhängig davon, ob eine Hypo-, Normo- oder Hyperalbuminämie vorliegt (4).
Durch die Albumin-Korrektur kann eine effektive Hypokalzämie maskiert oder eine «reale» Normokalzämie fälschlicherweise als Hyperkalzämie beurteilt werden. Dies kann negative Folgen für den Patienten mit sich bringen, da dadurch häufig unnötige Zusatzuntersuchungen (Parathormon, Parathormon related peptide, 25-OH-D3 und 1,25-[OH]2-D3) und für den Patienten potenziell schädliche Therapien (Hydrierung) eingeleitet werden. Die Kosten belaufen sich gemäss Analysenliste 2023 des Bundesamts für Gesundheit (BAG) für Calcium auf 2.5 Taxpunkte (TP), 2.3 TP für Albumin und 22.5 TP für ionisiertes Calcium (zum Vergleich: 25-OH-D3 47.7 TP, 1,25-[OH]2-D3 76.5 TP, PTH 33.3 TP, PTHrP 79.2 TP).
Für den klinischen Alltag ist es zentral, Limitationen und Hintergrund von Laborwerten und Korrekturformeln zu kennen und kritisch zu hinterfragen, damit Laborbefunde korrekt interpretiert werden können. Hierfür ist der Austausch zwischen Klinik und Labor wertvoll. Die Bestimmung des Albumin-korrigierten Calciums kann schlimmstenfalls irreführend sein im Sinne einer «falschen» Hyperkalzämie oder einer «maskierten» Hypokalzämie. Im klinischen Alltag genügt in den meisten Fällen deshalb die Bestimmung des Gesamtcalciums. Sollte dies von der Norm abweichen, ist die Bestätigung mittels ionisierten Calciums indiziert.
Dr. med. Patrick Hofmann
Department of Internal Medicine, Renal Division
Brigham and Women’s Hospital, Boston MA, USA
phofmann@bwh.harvard.edu
Prof. Dr. med. Thomas Fehr
Departement für Innere Medizin
Kantonsspital Graubünden
Loëstrasse 170, 7000 Chur
thomas.fehr@ksgr.ch
Die Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
1. Payne RB, Little AJ, Williams RB, et al. Interpretation of Serum Calcium in Patients with Abnormal Serum Proteins. Brit Med J 1973; 4: 643.
2. Besarab A, Caro JF. Increased absolute calcium binding to albumin in hypoalbuminaemia.. J Clin Pathol 1981; 34: 1368.
3. Smith JD, Wilson S, Schneider HG. Misclassification of Calcium Status Based on Albumin-Adjusted Calcium: Studies in a Tertiary Hospital Setting. Clin Chem 2018; 64: 1713–1722.
4. Ridefelt P, Helmersson-Karlqvist J. Albumin adjustment of total calcium does not improve the estimation of calcium status. Scand J Clin Laboratory Investigation 2017; 77: 1–6.
5. Alhenc-Gelas M, Lefevre G, Bachmeyer C, et al. Poor performance of albumin or protein-adjusted plasma calcium to diagnose dyscalcemia in hospitalized patients: A confirmatory study in a general internal medicine department. La Revue De Médecine Interne 2022; 43: 206–211.
Eine 47-jährige Patientin stellte sich mit einer Arthritis des PIP III der linken Hand vor. Es gab keine Hinweise auf eine Kollagenose oder Spondyloarthritis, jedoch waren HIV und Hepatitis B bekannt. Laborchemische Untersuchungen zeigten keine Anzeichen für eine systemische Entzündung. Eine Infiltration mit 10 mg Kenacort führte zunächst zu einer Besserung, doch die Arthritis trat nach einigen Monaten erneut auf. Zur weiteren Diagnostik wurde eine ultraschallgesteuerte Synovialbiopsie durchgeführt, die überraschend Gichttophi zeigte. Die weitere Untersuchung der Hände mittels Dual-Energy-CT zeigte Uratkristalle in den umgebenden Weichteilen. Ultraschallgesteuerte Synovialbiopsien sind eine nützliche diagnostische Methode bei unklarer Arthritis. Sie sind kostengünstig, wenig invasiv und gut verträglich. Bei Gicht bleibt die Punktion mit Harnsäurekristallnachweis der Goldstandard, jedoch stellt die Biopsie eine wertvolle Alternative dar.
Schlüsselwörter: Gicht, ultraschallgesteuerte Synovialbiopsie, Arthritis Title E: Chase the source to uncover the truth
Fallbericht
Wir berichten über eine 47-jährige Patientin, die sich in der rheumatologischen Sprechstunde mit einer schmerzhaften Schwellung und Überwärmung des proximalen Interphalangealgelenkes (PIP) III der linken Hand vorstellte. Die Patientin berichtete, dass die Beschwerden innerhalb eines halben Tages aufgetreten seien und seither persistieren. Zudem bestehe eine ausgeprägte morgendlich betonte Steifigkeit im Finger mit feinmotorischen Einschränkungen im Alltag. In der klinischen Untersuchung bestand ein palpabler Erguss mit lokaler Druckdolenz und leicht eingeschränktem Beugedefizit im PIP III links. In den übrigen Gelenken fanden sich keine tastbaren Synovitiden oder Druckdolenzen. Systemanamnestisch und in der körperlichen Untersuchung bestanden keine weiteren Hinweise für eine Kollagenose (Sicca-Symptomatik, Raynaund Phänomen, Hautfibrose, Sehnenreiben, Hautveränderungen, Aphthen etc.). Laborchemisch bestand keine humorale Entzündungsaktivität. Der Rheumafaktor und die Anti-CCP-Antikörper sowie der antinukleäre Antikörper-Titer (< 1:320) waren unauffällig. Die Harnsäure war normwertig. Die durchgeführten Röntgen der Hände und Füsse zeigten keine (post-)entzündlichen (Erosionen, Verkalkungen) oder degenerativen (subchondrale Sklerose, Gelenkspaltverschmälerung, Osteophyten) Veränderungen.
In der persönlichen Anamnese war zu erfahren, dass es bereits seit drei Jahren rezidivierend zu Schüben mehrerer Gelenke (Kniegelenk, oberes und unteres Sprunggelenk sowie Metatarsophalangeal- und proximale Interphalangealgelenke beidseits) kam, welche bei Verdacht einer seronegativen rheumatoiden Arthritis seither intermittierend mit Glukokortikoiden und Methotrexat behandelt wurden.
Zu den relevanten Vorerkrankungen zählte eine HIV-Infektion unter antiretroviraler Therapie, eine immunkontrollierte Hepatitis B sowie ein Alkoholgebrauch von täglich zwei Shots Brandy und zwei Deziliter Wein.
Bei akuter Monoarthritis entschieden wir uns bei fehlender Punktionsmöglichkeit pragmatisch bei bekannter undifferenzierter Polyarthritis für eine Infiltration mit 10 mg Triamcinolon acetonid (Kenacort). Nach initialer Besserung manifestierte sich nach einigen Monaten eine erneute Arthritis im gleichen Gelenk sowie zusätzlich eine Arthritis im PIP III der rechten Hand (Abb. 1).
Bei fehlender Krankheitskontrolle unter der Therapie mit Methotrexat (> 6 Monate) und Glukokortikoiden entschieden wir uns bei Zweifel an der Diagnose einer rheumatoiden Arthritis für eine weiterführende Diagnostik mittels ultraschallgesteuerter Synovialbiopsie des PIP III links. Differenzialdiagnostisch kamen bei der Patientin mit zwei vorbestehenden Geschlechtskrankheiten eine reaktive Arthritis im Rahmen der bestehenden HIV-Infektion, eine neu aufgetretene Infektion mit Chlamydia tracheomatis oder Neisseria gonorrhoea, eine Arthritis im Rahmen der Hepatitis B und eine Kristallarthropathie in Betracht. Wobei in den Blutkontrollen der letzten Jahre keine HBV-DNA nachweisbar war und die HIV-Viruslast unter antiretroviraler Therapie konstant unter 50 Kopien HIV-RNA/ml lag und diese somit unwahrscheinlich waren.
Ultraschallgesteuerte Synovialbiopsie
Synovialbiopsien werden einerseits für klinische Zwecke zur weiterführenden Diagnostik einer undifferenzierten Mono-, Oligo-, Polyarthritis bei fehlender Klärung durch bisher durchgeführte Untersuchungen wie Labor, Bildgebung und Punktatanalyse durchgeführt.
Andererseits werden auch für Forschungszwecke Synovialbiopsien entnommen, um die Pathogenese zu klären, Biomarker für das Fortschreiten der Erkrankung zu identifizieren und individualisierte Therapiemöglichkeiten im Sinne einer «personalisierten Medizin» zu entwickeln.
Die Gewinnung von Synovialgewebe kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Einerseits kann Gewebe bei Arthrotomien, Arthroplastien und Arthroskopien durch Orthopäden gewonnen werden. Alternativ kann durch eine sonographiegesteuerte Biopsie Synovialgewebe durch den Rheumatologen gewonnen werden.
In der Rheumatologie des Universitätsspitals Zürich erfolgt regelmässig unter Lokalanästhesie die ultraschallgesteuerte Biopsie mit einer Quick-Core-Biopsienadel (Abb. 2).
Im Vergleich zur Arthroskopie (derzeitiger Goldstandard) ist diese Methode günstiger, weniger invasiv und erfordert keinen Operationssaal mit Operationspersonal. Des Weiteren ist sie für kleine und grosse Gelenke anwendbar, wird von den Patientinnen und Patienten gut toleriert und liefert die gleiche Probenqualität. Mittels Ultraschall kann die Entzündung direkt dargestellt werden, sodass auch exakt die entzündete Synovia biopsiert werden kann. Die unerwünschten Nebenwirkungen sind in der Regel mild, transient und selten (ca. 0.5 %) (1). Zu den Kontraindikationen gehören eine entzündliche Hautveränderung im Punktionsareal, eine Antikoagulation und Gerinnungsstörungen. Bei der Entnahme für klinische Zwecke werden ungefähr die Hälfte der entnommenen Proben (ca. 6 Fragmente) in die Pathologie und die andere Hälfte zur Mikrobiologie geschickt. Im Anschluss erfolgten in der Mikrobiologie eine Gramfärbung, Kultur sowie eine PCR-Untersuchung auf diverse potenzielle Krankheitserreger. Die Synovialbiopsie weist im Vergleich zur Punktatanalyse eine erhöhte Sensitivität zur Erregerdiagnostik (z. B. Mykobakterien, Tropheryma whipplei oder Pilzen) auf.
In der Pathologie wird das in Formalin fixierte Synovialgewebe entwässert und mit Paraffin infiltriert. Es werden 2uM dünne Gewebeschnitte für die histologische Beurteilung angefertigt. Die Standardfärbung ist Hematoxylin-Eosin (HE). Um mögliche Kristalle mittels polarisierten Lichts im Mikroskop darstellen zu können, wird ein Teil der Proben nach Entnahme direkt in 70% Ethanol und nicht Formalin fixiert.
Der sogenannte Krenn-Score ermöglicht am HE-Schnitt eine Einteilung der chronischen Entzündung in gering, mittelgradig und schwer (2). Der Einsatz von Immunhistochemie erlaubt weiter eine Einteilung des Histio-Typen nach Pitzalis. Die Klassifikation erfolgt in drei Typen: 1. Diffus-myeloid (myeloische Zellen und wenig B-Lymphozyten), 2. Lympho-myeloid (Dominanz von B-Zellen, Plasmazellen mit myeloischen Zellen) und 3. Pauci-immun/fibroid (hauptsächlich Nachweis von Stromazellen) (3).
Die Unterscheidung in diese drei Histio-Typen ist von potenziellem Nutzen bei der Wahl der Therapie sowie der Beurteilung des Therapieansprechens und der Krankheitsaktivität und Prognose der Arthritis (1).
Allerdings lässt sich anhand des «Krenn synovitis score» und des Histio-type-Scores nach Pitzalis der Immunzellen noch nicht mit hinreichender Sicherheit die Ätiologie der Arthritis bestimmen (4).
Eine breite Differenzialdiagnose kann jedoch bereits durch spezifische Merkmale der entsprechenden Krankheit gestellt werden (z. B. Kristallarthropathien, M. Wilson, PVNS, synoviale Chondromatose, Ochronose, Sarkoidose, Fremdkörpersynovitis, Amyloidose und Hämochromatose).
Resultat
Histologisch lassen sich auch an Formalin fixiertem Gewebe sog. Gichtthophi nachweisen, auch wenn die Kristalle herausgewaschen sein sollten während der Gewebeprozessierung im Labor (Abb. 3). Solche typischen Veränderungen zeigen eine faserige Grundsubstanz mit einem entzündlichen Randsaum (meist Histiozyten und Lymphozyten) auf. Somit konnte die Diagnose einer Gicht gestellt werden.
In der ergänzend durchgeführten Dual-Energy Computed Tomography (DECT) der Hände zeigte sich eine kleine Uratablagerung in der Sehnenscheide um die Flexorsehne des Mittelfingers auf Höhe der Phalanx proximalis des dritten – biopsierten – Fingers (Abb. 4).
Diskussion
Der vorliegende Fall demonstriert die Eignung der Synovialbiopsie als diagnostisches Instrument bei undifferenzierter Arthritis. Die von der ACR und EULAR im Jahr 2015 erarbeiteten Gicht-Klassifikationskriterien besagen, dass eine Punktatanalyse mit Präsenz von Harnsäurekristallen oder sichtbaren Tophi, definiert als kreideartige subkutane Knoten unter transparenter Haut, diagnostisch für eine Gicht ist. In unserem Fall war eine Punktionsanalyse bei fehlendem Gelenkerguss nicht möglich. In den Klassifikationskriterien von 2015 wird nicht auf den Stellenwert der Synovialbiopsie bei der Diagnosestellung einer Gicht eingegangen, wobei auch wir keine Daten zur Sensitivität und Spezifität der Synovialbiopsie zur Erkennung einer Gicht in der Literatur finden konnten. Im Unterschied zu einer DECT besteht der Vorteil einer Synovialbiopsie in der Möglichkeit, mehrere Differenzialdiagnosen mit einem einzigen Test zu verfolgen. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Stellenwert der ultraschallgesteuerten synovialen Biopsie in der Rheumatologie in Zukunft entwickeln wird; ein personalisierter Ansatz zur Behandlung von chronischen autoimmun-bedingten Arthritiden nach dem Krebsmodell wird angestrebt. Mit unserem Fall konnten wir zeigen, dass die ultraschallgesteuerte Biopsie auch unabhängig davon schon jetzt eine diagnostische Bereicherung darstellt.
Author Contributions
Konzept M. Bachmann, R. Micheroli; Schreiben, Überprüfen, Editieren, M. Bachmann, R. Micheroli, N. Colla, K. Zachariassen, C. Pauli. O. Distler. Supervision.
Alle Autorinnen und Autoren haben das eingereichte Manuskript gelesen und sind für alle Aspekte des Werkes mitverantwortlich.
Pract. med. Mauro Bachmann
Universitätsspital Zürich
Klinik für Rheumatologie
Rämistrasse 100
8091 Zürich
mauro.bachmann@usz.ch
Dr. med. univ. Katharina Zachariassen
Universitätsspital Zürich
Klinik für Rheumatologie
Prof. Dr. med. Chantal Pauli
Leitende Oberärztin
Institut für Pathologie und Molekularpathologie
Dipl. Ärztin Nina Colla
Universitätsspital Zürich
Klinik für Rheumatologie
Prof. Dr. med. Oliver Distler
Klinikdirektor
Klinik für Rheumatologie
Universitätsspital Zürich
pract. med. Jonas Micheroli
Ärzte Netstal AG
Tschuoppisstrasse 39
8754 Netstal
jonasmicheroli@hin.ch
Die Autorinnen und Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
• Bei unklarer Mono-, Oligo- und Polyarthritis sollte bei Gelenkerguss immer eine Gelenkpunktion zur weiteren Diagnostik angestrebt werden.
• Zur weiteren Diagnostik bei undifferenzierter Arthritis ist die Synovialbiopsie ein wertvolles Instrument.
• Die ultraschallgesteuerte Synovialbiopsie stellt eine wenig invasive, kostengünstige, gut tolerierte und qualitativ hochwertige Methode zur Gewinnung von Synovialgewebe kleiner bis grosser Gelenke dar.
• Es ist zu erwarten, dass mit der Synovialbiopsie zukünftig ein personalisierter Ansatz zur Behandlung chronisch-autoimmun bedingter Arthritiden möglich ist.
Literatur
1. Saraiva F. Ultrasound-Guided Synovial Biopsy: A Review. Front Med (Lausanne). 2021;8:632224. Published 2021 Apr 22.
2. Krenn V, Morawietz L, Burmester GR, et al. Synovitis score: discrimination between chronic low-grade and high-grade synovitis. Histopathology. 2006;49(4):358-364.
3. Humby F, Lewis M, Ramamoorthi N, et al. Synovial cellular and molecular signatures stratify clinical response to csDMARD therapy and predict radiographic progression in early rheumatoid arthritis patients. Ann Rheum Dis. 2019;78(6):761-772
Pitzalis C, Kelly S, Humby F. New learnings on the pathophysiology of RA from synovial biopsies. Curr Opin Rheumatol. 2013 May;25(3):334-44
Ein junger Patient aus Georgien präsentiert sich mit einer pulmonalen XDR-Tuberkulose, nachdem er in seinem Heimatland bereits über Monate erfolglos mit diversen Reservetherapeutika behandelt worden ist. Nach Bestätigung der Diagnose auf Basis von genotypischen Untersuchungen der Sputumproben sowie eines georgischen Resistenzogramms wurde eine empirische Therapie gestartet. Trotz vieler Unsicherheiten und im Verlauf schweren Therapienebenwirkungen, die Therapieanpassungen nötig machten, verlief die Behandlung erfolgreich mit klarem klinischen und radiologischen Ansprechen, und der Patient konnte nach knapp einem Jahr nach Georgien zurückkehren.
Schlüsselwort: XDR-Tuberkulose
Fallbericht
Anamnese und Befunde
Im Folgenden berichten wir von einem Fall von extensively drug-resistant Tuberkulose (XDR-Tb) bei einem Patienten aus Georgien, der nach frustraner Therapie in seinem Heimatland in der Schweiz Asyl beantragt hat, um sich hier behandeln zu lassen. Der 32-jährige Patient wurde vom Bundesasylzentrum auf unsere Notfallstation zugewiesen, nachdem er einen Tag zuvor mit seiner Familie in die Schweiz eingereist ist. Er berichtet, in Georgien über fast ein halbes Jahr erfolglos gegen eine resistente Form von pulmonaler Tuberkulose behandelt worden zu sein, wobei sich sein Zustand immer weiter verschlechtert habe. Er leide unter Husten, progredienter Schwäche und Gewichtsverlust. Auch sein sechsjähriger Sohn sei erkrankt und von schweren Therapienebenwirkungen betroffen.
Fünf Monate zuvor sei eine Therapie mit den Medikamenten Bedaquilin, Linezolid und Pretomanid begonnen und nach zwei Monaten auf eine Kombination aus Levofloxacin, Linezolid, Delamanid, Paraaminosalicylsäure und Cycloserin umgestellt worden. Bei fehlendem Ansprechen habe man ihm schliesslich als letzte therapeutische Option eine Operation nahegelegt, was, neben dem schwierigen Verlauf beim Sohn, zum Entscheid geführt habe, sich in der Schweiz behandeln zu lassen.
Der Patient präsentierte sich bei Eintritt kachektisch mit einem BMI von 17,8 kg/m2, die pulmonale Auskultation ergab abgeschwächte Atemgeräusche über dem rechten Mittelfeld. Computertomographisch kamen postspezifische Veränderungen im rechten Ober- und Unterlappen mit ausgedehnten Konsolidierungen und mehreren Kavernen mit Anschluss an das Bronchialsystem zur Darstellung (Abb. 1).
Differenzialdiagnostische Überlegungen
Die resistente Tuberkulose wird von der WHO je nach Grad der Resistenz in fünf Kategorien unterteilt (Tab. 1).
Je mehr Medikamente der Standardtherapie und der Reservewirkstoffe unwirksam sind, desto höhergradig ist die Resistenz. Die Unterscheidung ist aufgrund unterschiedlicher Therapieregime von Bedeutung. Zur Differenzierung stehen geno- sowie phänotypische Untersuchungsmethoden zur Verfügung. Eine kulturelle Anzucht der Mykobakterien zur direkten Austestung der Medikamentenwirksamkeit (phänotypische Resistenzprüfung) ist der Goldstandard, jedoch aufgrund der langen Generationszeit der Mykobakterien häufig erst nach langer Bebrütungszeit (bis zu mehreren Wochen) verfügbar. Wesentlich schneller sind die genotypischen Testungen, bei denen beispielsweise mittels PCR nach konkreten Resistenzmutationen gesucht wird. Nicht für jedes Tuberkulosemedikament ist jedoch eine entsprechende Resistenzmutation bekannt, sodass sich nicht alle Medikamente mittels genotypischer Methode austesten lassen. Unter einer ungeeigneten Therapie können sich schnell neue Resistenzen bilden und Medikamente ihre Wirksamkeit verlieren, sodass eine präzise Diagnose für den Therapieerfolg zentral ist.
Weitere Abklärungsschritte
Säurefeste Stäbchen konnten mikroskopisch in zwei von sechs Sputumproben detektiert werden, der Direktnachweis des Mycobacterium tuberculosis-Komplex mittels PCR (GeneXpert) gelang aus drei von sechs Proben. Diese initiale PCR bestätigte auch das Vorliegen einer Rifampicin-Resistenz durch Nachweis der Resistenzmutation S450L/W im rpoB-Gen. Weiter konnten molekular mittels Line Probe Assay und Sequenzanalyse folgende Resistenzen nachgewiesen werden: Isoniazid high-level-Resistenz (katG-Gen, S315T Mutation), Pyrazinamid-Resistenz (pncA-Gen, H71R Mutation), Fluorchinolon-Resistenz (gyrA-Gen, D94N Mutation) sowie eine Streptomycin-Resistenz (rpsL-Gen, K88R Mutation). Eine kulturelle Anzucht aus kumulativ neun Proben mit Inkubation über zwölf Wochen gelang nicht, sodass keine phänotypische Resistenzprüfung durchgeführt werden konnte.
Mit einigem Aufwand liessen sich im Verlauf die georgischen Vorbefunde auftreiben. Es fand sich dabei ein Resistogramm aus der ersten kulturell positiven Sputumprobe, in dem zusätzlich Resistenzen auf die neueren Medikamente Bedaquilin und Delamanid beschrieben war. Mit dieser zusätzlichen Information war die Diagnose einer XDR-Tuberkulose gestellt.
Kommentar
Die extensively drug-resistant Tuberkulose (XDR-Tb) ist mit null bis drei Fällen pro Jahr in der Schweiz eine Seltenheit (E. Altpeter, Bundesamt für Gesundheit). In anderen Regionen der Welt, vor allem in Zentralasien und Osteuropa, sind resistente Formen der Tuberkulose verbreiteter. Bezogen auf die Ansteckungsrate unterscheiden sie sich nicht von der sensiblen Form, sind jedoch schwieriger zu behandeln und weisen eine deutlich höhere Morbidität und Mortalität auf (1). Die Therapieerfolgsrate ist mit 31 % sehr tief (2).
Präzise Zahlen zur Prävalenz weltweit sind nicht verfügbar, da in vielen Ländern Resistenztestungen aus Ressourcengründen nur sehr begrenzt durchgeführt werden. Im Jahr 2022 wurden weltweit nur ca. 70 % aller mikrobiologisch bestätigten Fälle von pulmonaler Tuberkulose auf das Vorliegen einer Rifampicin-Resistenz getestet (absolut 2.9 von 4 Millionen Fällen). Von den getesteten waren
4.4 % Rifampicin-resistent (RR), und bei wiederum ca. 15 % davon lag eine pre-XDR- oder XDR-Tb vor. Global werden jährlich nur ca. 43 % aller Patienten, die eine MDR/RR-Tb entwickeln, einer adäquaten Therapie zugeführt (3). Demgegenüber werden in der Schweiz alle diagnostizierten RR-, MDR-, preXDR- oder XDR-Tb-Fälle vom Nationalen Referenzzentrum für Mykobakterien (NZM, Institut für Med. Mikrobiologie, Universität Zürich) tiefergehend analysiert. Es wird eine umfassende phänotypische und genetische Resistenztestung für Erst- und Zweitlinien-Antituberkulotika sowie eine Typisierung mittels Next Generation Sequencing (NGS) durchgeführt.
Die Viererkombination aus Rifampicin, Isoniazid, Ethambutol und Pyrazinamid, die sich zur Therapie der sensiblen Tuberkulose etabliert hat, ist bei den resistenten Formen nicht wirksam (4).
Nachdem 1968 Rifampicin auf den Markt gekommen ist, dauerte es über 40 Jahre, bis 2012 mit Bedaquilin ein neuer Wirkstoff für die Behandlung der Tuberkulose von der FDA zugelassen wurde (5–7). Es folgten 2014 Delamanid (8) und 2019 Pretomanid (9). Diese neuen Wirkstoffe gelten als Reservemedikamente für die Therapie einer resistenten Tuberkulose.
In den 2022 veröffentlichten neuesten WHO-Guidelines zur Therapie der resistenten Tuberkulose wird zur Behandlung der MDR-Tb prioritär die Viererkombination der Medikamente Bedaquilin, Pretomanid, Linezolid und Moxifloxacin («BPaLM-Regimen») über sechs Monate empfohlen. Im Fall einer pre-XDR-Tb (zusätzliche Fluorchinolon-Resistenz) soll Moxifloxacin weggelassen werden. Bei Vorliegen einer XDR-Tb wird empfohlen, eine ‘individualisierte Therapie’ aus Zweitlinienmedikamenten zusammenzustellen auf Basis der Empfindlichkeitsprüfung und der Krankengeschichte.
Diese Zweitlinienmedikamente wurden von der WHO in die drei Gruppen A, B und C in absteigender Hierarchie nach Wirksamkeit, Sicherheit und Einfachheit in der Anwendung eingeteilt (Tab. 2). Die Therapie soll zusammengesetzt werden aus mindestens vier ‘wahrscheinlich wirksamen’ Medikamenten, nach Möglichkeit soll eine Kombination von drei Substanzen der Gruppe A und mindestens einer Substanz der Gruppe B gewählt werden. Wenn keine vier ‘wahrscheinlich wirksamen’ Medikamente in den Gruppen A und B vorhanden sind (bei Vorliegen von Resistenzen oder Intoleranzen), sollen welche der Gruppe C eingeschlossen werden. Die Therapiedauer beträgt 18–20 Monate (10).
Diese – vornehmlich sehr alten – Zweitlinienmedikamente sind mit einer Bandbreite an teils schwerwiegenden Nebenwirkungen assoziiert, die die Therapieerfolgsrate entscheidend negativ beeinflussen. Die Anwendung von Linezolid kann dosisabhängig zu therapielimitierender Knochenmarksdepression, Polyneuropathie, Laktatazidose und Optikusneuritis führen, während Amikazin aufgrund von irreversibler Innenohrschädigung mit Hörverlust gefürchtet ist (11–14). Unter Therapie mit Cycloserin sind vor allem neuropsychiatrische Nebenwirkungen beschrieben, die von Kopfschmerzen (meist nicht therapielimitierend) über Depression bis hin zu schweren Psychosen und Suizidalität reichen und die folglich nicht nur im Zusammenhang mit der Compliance von Bedeutung sind (15, 16).
Auch chirurgische Optionen zur Behandlung von Fällen mit ausgedehnter Medikamentenresistenz werden in den WHO-Guidelines von 2022 erwähnt. Eine pulmonale Wedge-Resektion oder Lobektomie kann unter bestimmten Umständen und zusätzlich zur bestmöglichen medikamentösen Therapie helfen, den Bakterienload zu verringern und die Prognose zu verbessern (10).
Therapie und Verlauf
Der Patient war über fünf Wochen unter aerogener Isolation hospitalisiert, bis die geeignete Therapie gestartet werden konnte. Nach interdisziplinärer Besprechung am Mykobakterien-Board, unter Beizug von Experten des deutschen Referenzzentrums für Mykobakterien sowie konsiliarisch der Thoraxchirurgie, fiel die Entscheidung auf eine empirische Therapie mit Linezolid p.o., Cycloserin p.o., Amikacin i.v. und Meropenem plus Clavulansäure i.v. (mangels Verfügbarkeit eines Clavulansäure-Monopräparats verabreichten wir Co-Amoxicillin plus Meronem). Cycloserin musste aus Japan bzw. den USA bestellt werden, was den Therapiestart um zwei Wochen verzögerte. Drei Wochen nach Beginn der Behandlung zeigte sich ein erfreuliches Ansprechen mit komplett sistiertem Husten, Afebrilität und einer Gewichtszunahme von 5 kg. Der Patient wurde zur Fortsetzung der Therapie unter weiterhin strenger Isolationsmassnahme in eine andere Klinik verlegt. Unter Therapie erfolgten zum Zeitpunkt sechs, sieben und acht Wochen erneute Sputumkontrollen, die mikroskopisch und kulturell negativ blieben. Nach zweimonatiger Behandlung wurde eine Verlaufs-Computertomographie durchgeführt, die eine Resolution der pulmonalen Kavernen zeigte und das klinische Therapieansprechen radiologisch bestätigte (Abb. 2).
Die Isolation wurde aufgehoben, Meropenem/Clavulansäure i.v. durch Levofloxacin p.o. ersetzt, der Patient aus der Klinik entlassen und die Vierfachtherapie mit Linezolid, Levofloxacin, Cycloserin und Amikacin mithilfe der Spitex ambulant fortgesetzt.
Zur Monitorisierung erfolgte wöchentlich ein Polyneuropathie-Screening mittels Stimmgabeltest, eine initial wöchentliche Kontrolle von Blutbild, Kreatinin, Transaminasen und Laktat und regelmässige Audiometriekontrollen sowie Amikacin-Spiegel zur Früherkennung einer Innenohrschädigung. Nach knapp viermonatiger Therapie kam es zu ausgeprägter psychiatrischer Symptomatik mit selbst- und fremdaggressivem Verhalten, das eine notfallmässige Versorgung von Schnittwunden und eine Kurzhospitalisation in einer psychiatrischen Klinik nach sich zog. Nach Stoppen von Cycloserin sistierte die neuropsychiatrische Symptomatik, eine klassische Nebenwirkung dieser Substanz, komplett. Weitere drei Monate später entwickelte der Patient eine schwergradige Hochtonschwerhörigkeit beidseits, sodass wir auch Amikacin absetzen mussten. Stattdessen sollte Paraaminosalicylsäure (PAS) eingesetzt werden, was jedoch weder in der Schweiz noch aus dem Ausland lieferbar war. Es wurde also eine Zweifach-Therapie mit Linezolid und Levofloxacin weitergeführt für eine kumulative Therapiedauer von zwölf Monaten. Solange hat der Patient (trotz negativem Asylentscheid) in der Schweiz bleiben können. Sein Sohn wurde unterdessen erfolgreich an einer Kinderklinik behandelt und konnte ebenfalls genesen nach Georgien zurückkehren.
Danksagung
Die Publikation wurde mit finanzieller Unterstützung durch die wissenschaftlichen Stiftung Stadtspital Zürich (Fonds Medizin) ermöglicht. Wir bedanken uns ausserdem herzlich bei Dr. sc. nat. Bettina Schulthess, Ko-Leiterin Nationales Zentrum für Mykobakterien, für die kritische Durchsicht dieses Beitrags.
Dipl. Ärztin Alexandra Schaeren
Klinik für Innere Medizin
Stadtspital Zürich Trieml
PD Dr. med. Johannes Nemeth
Klinik für Infektiologie
Universitätsspital Zürich
Dr. med. Bertram Feil
Institut für Radiologie und Nuklearmedizin
Stadtspital Zürich
Die Autorin und Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
• Bei Vorgeschichte einer Tuberkulosetherapie oder Herkunft aus einem Hochprävalenzland (z.B. Länder der ehemaligen Sowjetunion, Zentralasien) muss an die Möglichkeit einer DR-Tb gedacht und eine entsprechende Untersuchung durchgeführt werden.
• Bei Nachweis einer MDR-, pre-XDR- oder XDR-Tb sollte die Therapie in Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Zentrum besprochen werden.
• Unerwünschte Wirkungen der Therapie sind häufig, bisweilen schwer, und können therapielimitierend sein. Sie müssen streng monitorisiert werden.
• 2023 wurde in Zürich das interdisziplinäre Mykobakterien-Board ins Leben gerufen, an welchem alle vier Wochen bzw. bei Bedarf häufiger komplexe Fälle vorgestellt und interdisziplinär zwischen Infektiologen, Pneumologen und Mikrobiologen des NZM besprochen werden. Das Board findet online via Zoom statt, zu diskutierende Fälle sind vorgängig zu melden an Johannes.Nemeth@usz.ch oder Marisa.Kälin@usz.ch.
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Ein 60-jähriger polymorbider Patient entwickelte während einer wochenlangen Behandlung mit Flucloxacillin und Paracetamol eine schwere metabolische Azidose. Die Azidose hatte eine gemischte Ätiologie und wurde durch eine 5-Oxoprolinakkumulation bei vorbestehen-den Risikofaktoren für einen Glutathionmangel sowie eine Ketoazidose bei Malnutrition ausgelöst. Nach supportiver Behandlung mit N-Acetylcystein sowie Hämofiltration war die Azidose vollständig rückläufig.
Schlüsselwörter: Oxoprolin, Hungerazidose, metabolische Azidose mit grosser Anionenlücke, Flucloxacillin, Paracetamol
Anamnese und Befunde
Ein sechzigjähriger Patient mit einer langjährigen Anamnese einer rheumatoiden Arthritis unter Immunsuppression mit Prednison, Adalimumab, Azathioprin und Hydroxychloroquin wurde aufgrund von Fieber und Rückenschmerzen in die Notaufnahme eingewiesen, nachdem vor zehn Tagen starke lumbale Schmerzen mit Ausstrahlung in die Beine erstmals aufgetreten waren. Bei Verdacht auf einen Schub der rheumatoiden Arthritis erhöhte der Hausarzt die Prednison-Dosis auf 60 mg täglich. Bei diesem septischen und hypotonen Patienten zeigte die Computertomographie Impressionsfrakturen der lumbalen Wirbelkörper 3 und 4, bilaterale Psoasabszesse sowie eine Spondylodiszitis als Infektfokus.
Der Patient wurde auf die Intermediate-Care-Station aufgenommen und eine empirische antiinfektive Therapie mit Piperacillin/Tazobactam und Vancomycin eingeleitet. Die Immunsuppression reduzierten wir auf Prednison 20 mg als Monotherapie. Nach dem Nachweis von Staphylococcus aureus in den Blutkulturen wechselten wir zu Flucloxacillin (kon-tinuierliche Infusion mit 12 g/24h). Nach Quantifizierung des Ausmasses der Abszesse und der Spondylodiszitis mittels MRT (Magnetresonanstomographie) führten wir eine Hemilaminektomie von L2 (2. Lumbalsegment) mit mikrochirurgischer Abszessdrainage sowie eine CT-gesteuerte (Computertomographie) Abszessdrainage in beiden Psoasmuskeln durch. Es gab keine Anzeichen einer Endokarditis in der transösophagealen Echokardiographie, die Blutkulturen bliebeb nach der Infektsanierung in Abständen von 2 Tagen repetitiv negativ.
Die starken Schmerzen behandelten wir mit Metamizol (4x500mg p.o. täglich), Paraceta-mol (4×500 mg p.o. täglich), Oxycodon und Ketamin. Drei Wochen nach der Aufnahme präsentierte sich der Patient mit akut aufgetretener Tachypnoe (Atemfrequenz >40/min), Sprechdyspnoe jedoch normalem Lungenauskultationsbefund. Die periphere Sättigung unter Raumluft war normal. Es gab keine Marmorierung der Haut, der Patient war hämo-dynamisch stabil (Blutdruck 170/95 mmHg, Herzfrequenz 112/min., rhythmisch), afebril (37 °C), die Halsvenen waren nicht gestaut, periphere Ödeme bestanden nicht. Die Darm-geräusche waren über allen vier Quadranten normal, der Bauch war weich und ohne Druckempfindlichkeit. Das EKG (Elektrokardiogramm) und die Laboruntersuchungen zeig-ten keine Anzeichen eines akuten Koronarsyndroms. Die Blutgasanalyse zeigte eine schwere metabolische Azidose (pH 7,162, pCO2 7.5 mmHg) mit erhöhter Anionenlücke (16,8 mmol/l), erniedrigtem Bikarbonat (6 mmol/L), normalem Laktat (1,1 mmol/l) und normalem Blutzucker (Tab. 1).
Differenzialdiagnostische Überlegungen
Die Bewertung von Säure-Basen-Störungen sollte die einfache Berechnung der Anionenlücke einschliessen. Sie wird wie folgt berechnet: Anionenlücke = Na+ – (Cl- + HCO3-) und liegt normalerweise bei 10 bis 12 mmol/l. Eine Vergrösserung der Anionenlücke ist in der Regel auf eine Zunahme ungemessener Anionen in der extrazellulären Flüssigkeit zurückzuführen (Additionsazidose) und seltener auf eine Abnahme ungemessener Kationen (Calcium, Magnesium, Kalium). Die ungemessenen Anionen umfassen Phosphat, Sulfat und organische Anionen. Darüber hinaus nimmt die Anionenlücke zu mit einer Zunahme des anionischen Albumins (Serumalbumin minus 10 g/L vom Normalwert (45 g/L) verringert die Anionenlücke um 2,5 mmol/l).
Bei normalem Serumalbumin wird eine Anionenlücke-Azidose also durch nicht-chloridhaltige Säuren verursacht: anorganische (Phosphat, Sulfat), organische (Ketonkör-per, Laktat, urämische organische Anionen), exogene (Salicylat oder aufgenommene Toxine mit Produktion von organischen Säuren) oder nicht identifizierte Anionen.
Weitere Abklärungsschritte und Verlauf
Bei dem Patienten lag eine schwere akute metabolische Azidose vor. Eine Laktatazidose lag nicht vor und die Nierenfunktion war normal (Messung der Cystatin C Clearance). Der Blutzucker war nicht entgleist, Ketonkörper konnten initial im Urin (mittels Streifentest) nicht nachgewiesen werden. Aufgrund der gleichzeitigen Therapie mit Flucloxacillin und Paracetamol bei einem Patienten in einem mangelernährten Zustand (Gewichtsabnahme von 10 kg im letzten Monat) wurde eine Akkumulation von 5-Oxoprolin vermutet.
Die Bestimmung des 5-Oxoprolin-Spiegels im Urin mit einem Wert von 21000 mmol/mol Kreatinin bestätigte die Diagnose (Normbereich bis 200 mmol/mol Kreatinin), was aber eine Anionenlücke von 16mmol/L erwarten lässt (1). Eine mögliche Erklärung für diese Diskrepanz ist die schwere Hypoalbuminämie des Patienten (20 g/L) und eine hyperchlorämische Azidose (Chlorid 124 mmol/L). Die Ursache für diese Komponente war initial unklar. Während der Bestimmung von Oxoprolin im Urin wurden zusätzlich erhöhte Ketonkörper (3-Keto-Butyrat von 700 mmol/mol Kreatinin, Normwert <60; 3-Hydroxybutyrat von 2560 mmol/mol Kreatinin, Normwert <130) nachgewiesen.
Kurz nach Auftreten der ersten Symptome und der Blutgasanalyse erschöpfte sich der Patient respiratorisch und entsättigte bis 60%, weshalb die rasche Verlegung auf die Intensivstation erfolgte. Es wurde eine Therapie mit N-Acetylcystein durchgeführt mit dem Ziel das Glutathion auf-zufüllen. Natriumbicarbonat wurde verabreicht sowie eine kontinuierliche Hämofiltration eingeleitet zwecks Normalisierung der Stoffwechsellage. Die Hämofiltration inklusive Adsorption mittels Cytosorb diente zusätzlich der Clearance des Flucloxacillin. Im Verlauf konnte die Azidose innerhalb von 24 Stunden vollständig korrigiert werden. Nach weiteren 4 Wochen Antibiotikatherapie mit Cefazolin und Clindamycin wurde der Patient zuerst in eine Rehabilitationsklinik verlegt und er konnte diese schliesslich nach weiteren vier Wochen in gebessertem Zustand nach Hause verlassen.
Diagnose
Folgende primäre Ursachen führten zu dieser schweren gemischten metabolischen Azidose. Einerseits bestand eine Ketonurie, andererseits eine 5-Oxoprolinakkumulation nach einem Monat gleichzeitiger Therapie von Flucloxacillin und Paracetamol (Tab. 2). 5-Oxoprolin ist ein Metabolit des Gamma-Glutamyl-Zyklus. Es handelt sich um eine organische Säure, die bei Akkumulation eine metabolische Azidose mit vergrösserter Anionenlü-cke auslösen kann.
Im Gamma-Glutamyl-Zyklus kann 5-Oxoprolin durch die 5-Oxoprolinase zu Glutamat umgewandelt werden. Glutamat und Cystein bilden gemeinsam γ-Glutamylcystein, aus dem Glutathion und 5-Oxoprolin gebildet werden. Paracetamol verursacht einen Verbrauch von Glutathion durch seinen Metaboliten N-Acetylpbenzoquinonimin (3). Niedrige Glutathionspiegel lösen wiederum durch einen Rückkopplungsmechanismus einen Anstieg von γ-Glutamylcystein aus. Flucloxacillin hemmt die 5-Oxoprolinase (4). Dies führt zu einem Anstieg des 5-Oxoprolin-Spiegels und somit zu einer 5-Oxoprolinämie (Grafik 1). Das Risiko eines Gluthationmangels steigt bei Mangelernährung, Alkoholüberkonsum, fortgeschrittenem Alter sowie chronischen Erkrankungen.
Die Hyperchloridämie ist durch eine erhöhte renale Chloridreabsorption bedingt. Diese dient zur Kompensation der erhöhten Bikarbonatexkretion im Rahmen der Ketonkörper und Flucloxacillin-Ausscheidung (Flucloxacillin liegt als Kation, gebunden an Bikarbonat, im Urin vor). Eine renal-tubuläre Azidose vom Typ 1 im Rahmen der rheumatoiden Arthritis kam differentialdiagnostisch als Ursache der Hyperchloridämie ebenfalls in Frage, wurde aber bei einem Urin pH-Wert von 5 vor und mehrere Wochen nach dem Ereignis bei nor-malisiertem Säure-Base-Haushalt ausgeschlossen.
Die Ketoaziodse wurde im Rahmen der Malnutrition während des protrahierten Infektes gewertet. Während einer akuten Azidose verändert sich das Redox-Gleichgewicht im Kör-per erheblich. Das führt zu einer Verschiebung des Verhältnisses von Beta-Hydroxybutyrat (BHB) und Acetoacetat (AcAc) zugunsten von BHB. Dies geschieht, weil das erhöhte Verhältnis von NADH zu NAD+ die Umwandlung von Acetoacetat in Beta-Hydroxybutyrat begünstigt und die Umkehrung dieser Reaktion hemmt. Infolgedessen wird während einer solchen Krise praktisch nur Beta-Hydroxybutyrat ausgeschieden, während Acetoacetat in geringeren Mengen vorliegt und im Urintest nicht nachweisbar ist. Der Urinstreifentest wird häufig erst im Verlauf positiv, was nicht ein Zeichen der Verschlechterung, sondern eine antizipierbare Folge der Besserung ist. Es ist wichtig zu wissen ist, dass im Urinstreifentest nur Acetoacetat nachgewiesen wird.
Kommentar
Bei einer schweren metabolischen Azidose mit ausgeprägter Hyperventilation als Kompensationsmechanismus droht jederzeit eine respiratorische Erschöpfung. Diese Patienten müssen unverzüglich auf eine Intensivstation verlegt werden. Wichtig zu wissen ist, dass die Gabe von Natriumbikarbonat bei akuten Azidosen schädlich sein kann. Durch die exogene Gabe wird die Produktion vom Kohlendioxid erhöht, was die Hyperventilation ver-stärken und zur respiratorischen Erschöpfung führen kann. (2) Ist eine künstliche Beatmung unumgänglich, muss die Hyperventilation auch nach der Intubation fortgeführt werden, damit die Azidose nicht schwerwiegender wird. Eine metabolische Azidose kann durch mehrere Ursachen gleichzeitig entstehen und für die richtige Diagnosestellung und Therapie braucht es ein systematisches Vorgehen.
Im Gegensatz zum deutschen Merkspruch «Kussmaul» ist im englischsprachigen Mnemonic «GOLD MARK» (5) Oxoprolin als Ursache für eine metabolische Azidose mit vergrösserter Anionenlücke aufgeführt. Die Verwendung des Mnemonic ermöglicht einen systematischen analytischen Ansatz zur Identifizierung der Ursachen der Additionsazidosen.
• Glycol (Ethylenglykol, Propylenglykol)
• Oxoprolin (Pyroglutaminsäure, das toxische Stoffwechselprodukt von übermässigem Paracetamol)
• L-Lactat (Standardlaktat, das bei Laktatazidose auftritt)
• D-Lactat (exogenes Lactat, das von Darmbakterien produziert wird)
• Methanol (dies umfasst allgemein Alkohole)
• Aspirin (Salicylsäure)
• Renal Failure (urämische Azidose)
• Ketone (diabetische, alkoholische und Hungerketose)
In der Fachliteratur werden neben Flucloxacillin weitere Arzneimittel als mögliche Ursachen einer Oxoprolinakkumluation genannt. Hierzu zählen Ciprofloxacin, Netilmicin und Vigabatrin. Der Nutzen von N-Acetylcystein bei akuter Paracetamol-Toxizität ist bekannt. Es wurde postuliert, dass N-Acetylcystein bei Fällen von erworbener 5-Oxoprolinämie eine positive Wirkung zeigt. Es erhöht die Glutathion- und Cystein-Spiegel bei Patienten mit erblichem Mangel an Glutathion-Synthetase. Theoretisch sollte die Auffüllung der Gluta-thion-Speicher die Rückkopplungsinhibition der γ-Glutamylcystein-Synthetase wiederher-stellen, was die Umwandlung von γ-Glutamylcystein in 5-Oxoproline verringert. Die Wiederherstellung der Cystein-Speicher sollte die Umwandlung von γ-Glutamylphosphat in γ-Glutamylcystein ermöglichen, was die Umwandlung von γ-Glutamylphosphat in 5-Oxoproline verhindert und den nutzlosen ATP-verbrauchenden Zyklus unterbricht. Die Literatur bezüglich N-Acetylcystein-Verabreichung bei 5-Oxoprolinämie ist begrenzt (6).
Es gibt nicht genügend Literatur über die Verwendung von Hämoadsorption zur Clearance von Flucloxacillin. Es gibt eine einzige Studie an Schweinen, die zeigt, dass die Hämoad-sorption mit CytoSorb mit einer vernachlässigbaren erhöhten Clearance für Flucloxacillin verbunden war (15% zusätzliche Clearance durch den Absorber) (7). Die Datenlage, ob eine Hämodiafiltration Einfluss auf die Heilung hat, ist begrenzt.
Abkürzungen aBGA arterielle Blutgasanalyse CT Computertomographie EKG Elektrokardiogramm i.v. intravenös L2 2. Lumbalsegment MRT Magnetresonanztomographie p.o. per os
Nikolay Todorov
Klinik und Poliklinik für Innere Medizin
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich
nikolay.todorov@usz.ch
Dr. med. Patrick Bader
Klinik und Poliklinik für Innere Medizin
Universitätsspital Zürich
Schweiz
Die Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
• Eine metabolische Azidose kann durch mehrere Ursachen gleichzeitig entstehen. Für die richtige Diagnosestellung und Therapie braucht es ein systematisches Vorgehen.
• GOLD MARK ist eine nützliche Eselsbrücke bei einer Azidose mit vergrösserter Anionenlücke.
• Die Kombination aus Flucloxacillin und Paracetamol kann insbesondere in Anwesenheit von Risikofaktoren zur Oxoprolin-Akkumulation führen.
• Risikofaktoren für die Entwicklung einer metabolischen Azidose aufgrund von 5-Oxoprolin-Akkumulation, neben der Einnahme von Flucloxacillin, Ciprofloxacin, Netilmicin, Vigabatrin und Paracetamol, umfassen: fortgeschrittenes Alter, weibliches Geschlecht, Mangelernährung, Niereninsuffizienz, chronische Leberinsuffizienz, Alkoholmissbrauch und Sepsis.
• Für die Behandlung einer metabolischen Azidose aufgrund von 5-Oxoprolin-Akkumulation gibt es keine Richtlinien. Neben dem Absetzen des auslösenden Medikaments kann eine unterstützende Behandlung mit N-Acetylcystein erfolgen.
• Eine schwere metabolische Azidose kann rasch zu einer respiratorischen Erschöpfung führen, was antizipiert werden muss.
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Wir beschreiben den Fall eines Patienten mit einem kleinzelligen Bronchuskarzinom, welcher seit sechs Jahren, jedoch verstärkt seit sechs Monaten zunehmend unter ausgeprägtem Schwindel mit Koordinationsstörungen litt. Nach diversen Abklärungen konnte als Ursache dafür ein paraneoplastisches neurologisches Syndrom (PNS) mit Hu-Antikörpern eruiert werden. PNS sind verschiedene neurologische Störungen, welche häufig in bestimmten Mustern auftreten. Die Ursache ist dabei immunvermittelt durch einen Tumor, weshalb die Therapie der PNS auch die Behandlung des zugrunde liegenden Tumors umfasst.
Paraneoplastische neurologische Syndrome (PNS) sind definiert als neurologische Störungen, welche jeden Teil des Nervensystems betreffen können und häufig in einem stereotypen Muster auftreten (1). Sie sind mit einem Tumor assoziiert und haben eine immunvermittelte Pathogenese. Es handelt sich um ein seltenes Krankheitsbild, das bei weniger als 1 % der Patienten mit einem Malignom beobachtet werden kann. Deshalb muss auch davon ausgegangen werden, dass die Diagnose regelmässig verpasst wird. Häufig treten die neurologischen Zeichen Monate bis Jahre vor der Diagnosestellung eines Tumors auf, werden jedoch zu diesem Zeitpunkt fehlgedeutet (2).
Anamnese
Der 65-jährige Patient leidet seit sechs Jahren an einer Schwindelsymptomatik mit Hörverlust des linken Ohres und einem Tinnitus auf der gleichen Seite. Diese Beschwerden wurden mehrfach als Morbus Menière bewertet.
In den letzten sechs Monaten wurde der Patient wiederholt wegen des Schwindels vorstellig. Neben der subjektiv klar verstärkten Schwindelsymptomatik kam es in den letzten Wochen zusätzlich zu einer begleitenden Gangunsicherheit. Es wurde ein MRI des Neurokraniums durchgeführt, welches regelrechte Strukturen darstellte. Durch die Kollegen der HNO wurde keine periphere Genese des Schwindels gefunden.
Ungefähr vier Monate nach Beginn des verstärkten Schwindels wurde im Rahmen einer ausgedehnten internistischen Abklärung die Diagnose eines metastasierten pulmonalen Tumorleidens mit lymphogenen und ossären Metastasen gestellt. Histologisch zeigte sich das Bild eines kleinzelligen Bronchuskarzinoms. Initial wurde eine tumorspezifische Kombinationstherapie mit Carboplatin, Etoposid und Durvalumab eingeleitet. Nach kurzer Therapiedauer kam es zu einer raschen Verschlechterung des Allgemeinzustandes, aufgrund dessen von einer weiteren tumorspezifischen Therapie abgesehen wurde.
Status
Die Zuweisung auf die Palliativstation erfolgte zur symptomorientierten Therapie aufgrund des zunehmenden Schwindels mit Nausea und Emesis. Klinisch zeigte sich bei Eintritt eine progrediente Gangstörung mit gleichzeitigen sensiblen Defiziten des linken Unterschenkels, eine ausgeprägte Ataxie der Extremitäten und eine Dysarthrie. Weiter bestand ein dysmetrischer Finger-Nase-Versuch links sowie ein Absinken des linken Armes im Armvorhalteversuch, ein feinschlägiger Tremor und eine verminderte Kraft des linken Beines mit Standunsicherheit und linksseitigen Ausfallschritten.
Verlauf
Wir leiteten eine stufenweise ausgebaute Therapie der Nausea mit Domperidon, Haloperidol, Cinnarizin, Betahistin und Dexamethason ein, welche jedoch keine zufriedenstellende Besserung der Symptomatik brachte. Durch die konsiliarisch hinzugezogenen Neurologen wurde die Diagnose einer sensibel betonten axonal-demyelinisierenden Polyneuropathie gestellt, wobei die axonale Komponente massgeblich mit der cisplatinhaltigen Chemotherapie assoziiert war. Die Gangstörung erschien diesbezüglich jedoch zu ausgeprägt.
Die weiter gehenden Abklärungen zeigten positive Antikörper gegen das Zentralnervensystem, welche sich in der Differenzierung als Anti-Hu-Antikörper mit einer Intensität von 147 (Norm < 15) erwiesen. Sämtliche weiter bestimmte Antikörper waren negativ. Somit konnten wir die Diagnose eines paraneoplastischen Anti-Hu-Syndroms stellen, mit welchem die Beschwerden gut erklärt werden konnten, siehe Tabelle 1.
Therapie
Die Behandlung eines paraneoplastischen neurologischen Syndroms (PNS) liegt in der Behandlung des auslösenden Tumors. Eine immunsuppressive Therapie bringt, im Gegensatz zu anderen antikörpervermittelten Erkrankungen, jedoch keinen Benefit. In unserem Fall war wegen des stark reduzierten Zustandes keine kausale Therapie mehr möglich.
Bei zunehmender Symptomatik mit vollständiger Gangunfähigkeit, starker Dysarthrie und zunehmender Vergesslichkeit versuchten wir, ohne wesentlichen Erfolg, eine Steroidstosstherapie mit 1.g Methylprednisolon über drei Tage. Bei massiver Progredienz der Erkrankung war schlussendlich nur noch eine rein symptomatische Behandlung möglich, und es kam zu einem Versterben des Patienten drei Monate nach Diagnosestellung des kleinzelligen Bronchuskarzinoms.
Diskussion
Ein Expertengremium hat im Jahr 2021 eine neue Einteilung der paraneoplastischen neurologischen Syndrome (PNS) vorgeschlagen, wobei die Symptomkonstellationen in «Phänotypen mit intermediärem Risiko» und «Hochrisiko-Phänotypen» eingeteilt wurden (1). Das Risiko bezieht sich hierbei auf die Wahrscheinlichkeit, dass die Ätiologie der Symptome auf ein PNS zurückzuführen ist. Das Gremium hat dabei eine dreistufige Klassifizierung in definitiv, wahrscheinlich und möglich vorgenommen. Jede Stufe kann mithilfe des PNS-Care-Scores (Tab. 2) eingeschätzt werden. Dabei werden klinischer Phänotyp, Antikörpertyp, das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eines Malignoms und die Beobachtungszeit erfasst. Die eindeutige Diagnosestellung eines PNS erfordert das Vorhandensein von Antikörpern mit hohem oder mittlerem Risiko mit Ausnahme beim Opsoklonus-Myoklonus.
Zu den Hochrisiko-Phänotypen (früher: klassische PNS) gehören:
Die Enzephalomyelitis, die limbische Enzephalitis, das rapidly progressive zerebelläre Syndrom, der Opsoklonus-Myoklonus, die gastrointestinale Pseudoobstruktion (enterische Neuropathie), das Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom sowie die sensorische Neuronopathie (1). Auf die einzelnen Krankheitsbilder gehen wir hier nicht ein.
Bei den «Phänotypen mit intermediärem Risiko» sollte vor allem an ein paraneoplastisches Geschehen gedacht werden, wenn keine plausiblen alternativen Diagnosen gefunden werden können und ein rascher Progress (weniger als drei Monate) sichtbar wird. Dies gilt auch dann, wenn Entzündungszeichen im Liquor oder MRI des Neurokraniums/Rückenmarks gefunden werden. Zu dieser Gruppe gehören beispielsweise eine Enzephalitis, welche nicht die Präsentation einer klassischen limbischen Enzephalitis aufweist, oder auch eine isolierte Myelopathie. Weiter gehört auch das Stiff-Person-Syndrom dazu, wobei es hier zu schmerzhaften Muskelspasmen kommt, welche spontan auftreten oder durch Bewegung oder äussere Reize getriggert werden können.
Für diese einzelnen paraneoplastischen neurologischen Syndrome können diverse Autoantikörper bestimmt werden. Hierbei unterscheidet man Antikörper mit hoher (> 70 %; früher onkoneurale Antikörper genannt), mittlerer (30–70 %), tiefer (< 30 %) oder fehlender Assoziation zu einem zugrunde liegenden Tumor.
Es ist wichtig, dass eine gezielte Testung vorgenommen wird, denn ein unüberlegtes Testen erhöht die Wahrscheinlichkeit für falsch positive und falsch negative Resultate. Serum und Liquor sollen auf Antikörper getestet werden, wobei insbesondere die IgG-Antikörper eine diagnostische Aussagekraft haben.
Anti-Hu- (ANNA-1)-Antikörper zeigen sich insbesondere beim Phänotyp einer sensorischen Neuropathie, einer Enzephalomyelitis oder auch einer gastrointestinalen Pseudoobstruktion. Die häufigsten Tumorarten sind das kleinzellige Lungenkarzinom und deutlich weniger häufig andere nicht kleinzellige Lungenkarzinome oder neuroendokrine Tumore (3, 4). Seltener können auch bei Patienten ohne ein Malignom Anti-Hu-Antikörper nachgewiesen werden (5).
In unserem Fall begannen die Beschwerden mit Schwindel, was in der Palliativmedizin ein häufiges Problem darstellt und oftmals schwierig zu behandeln und für die Betroffenen sehr beeinträchtigend ist. Vielfach kann die genaue Ätiologie nicht eruiert werden. Differenzialdiagnostisch vermuteten wir initial mögliche, bisher noch nicht sichtbare Hirnmetastasen und versuchten bei fehlenden kausalen Therapieoptionen, eine medikamentöse Behandlung des Schwindels einzuleiten. Eine zerebrale Bildgebung zeigte keine Hinweise für einen zerebralen Befall durch das bekannte kleinzellige Bronchuskarzinom. Im Rahmen der weiteren Abklärung konnten wir dann die Diagnose des Anti-Hu-Syndroms stellen, siehe Tabelle 2. Dies erbrachte mehr Klarheit und Verständnis für den Patienten und seine Angehörigen. Damit war jedoch auch klar, dass die Symptomatik und Koordinationsschwierigkeiten nur sehr schwer behandelbar sind.
Rückblickend lässt sich nicht genau klären, ob es sich bei der Schwindelsymptomatik vor sechs Jahren bereits um erste Anzeichen der Tumorerkrankung gehandelt hatte. Aufgrund der theoretischen Grundlagen der PNS wäre es möglich, jedoch war die klinische Präsentation unterschiedlich, weshalb es wahrscheinlich eine andere Ätiologie war. Eine so lange Latenzzeit von Erstsymptomatik bis zur Erstdiagnose erscheint zudem bei einem kleinzelligen Bronchuskarzinom sehr unwahrscheinlich.
Die Schwindelsymptomatik vier Monate vor klinischer Manifestation eines kleinzelligen Bronchuskarzinoms war, retrospektiv gesehen, mit hoher Wahrscheinlichkeit der Beginn des PNS. Ataxie, Stand- und Gangunsicherheit würden zu einer Kleinhirndegeneration passen, wobei das MRI, wie in unserem Fall, in einer Frühphase häufig normal ausfällt. Veränderungen in der Bildgebung, wie beispielsweise eine Kleinhirndegeneration, sind teilweise im späteren Verlauf zu sehen. Die Symptome können von Patienten und nicht spezialisierten Untersuchern als unspezifischer Schwindel gesehen werden und erlangen somit nicht die richtige Beachtung. Eine präzise Anamnese zur genauen Erfassung der Symptomatik ist von äusserster Wichtigkeit und kann bei der Diagnosestellung weiterhelfen.
Die diagnostizierte periphere Polyneuropathie, welche initial im Rahmen der cisplatinhaltigen Chemotherapie interpretiert wurde, könnte retrospektiv ebenfalls mit dem Anti-Hu-Syndrom assoziiert gewesen sein.
Für die Praxis
Paraneoplastische Syndrome sind selten und schwierig zu diagnostizieren.
Im Falle einer unklaren, länger dauernden Symptomatik des Schwindels sollen eine weiter gehende Abklärung und genaue Anamnese erfolgen.
Nach Ausschluss der üblichen Ursachen des Schwindels kann eine paraneoplastische Ursache mit Bestimmung der entsprechenden Antikörper evaluiert werden.
Die Behandlung richtet sich einerseits nach der Ursache, andererseits kann auch eine rein symptomatische Behandlung in Anbetracht der Tumorsituation gewählt werden.
Ein paraneoplastisches neurologisches Syndrom kann auch bei nicht bekanntem Malignom vorliegen.
Iris Neto
Palliative Care
Kantonsspital Graubünden
CH-7000 Chur
Dr. med. MSc Cristian Camartin
Leiter Palliative Care
Kantonsspital Graubünden
Loëstrasse 170 Chur
7000 Chur
cristian.camartin@ksgr.ch
Die Autorin und der Autor haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
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Während Pankreasraumforderungen sonographisch schwierig zu detektieren sind, hilft die Schichtbildgebung enorm, fördert aber mit zunehmender Verfügbarkeit der Magnetresonanztomographie (MRI) zunehmend Inzidentalome zutage. Die Anamnese und Krankengeschichte ist nur bei zwei Entitäten charakteristisch. Eine bekannte akute/chronische Pankreatitis spricht für eine benigne Pseudozyste, eine vorhandene B-Symptomatik für einen malignen Tumor. Herausfordernder ist die Zuordnung asymptomatischer Zysten, welche ausgiebige Diagnostik und in fortgeschrittenen Stadien auch Pankreasresektionen nach sich ziehen können. Kommt es zur Überdiagnostik und – therapie, spricht man auch von VOMIT: victims of modern imaging technology (1). Auf der anderen Seite gilt es, diejenigen Präkanzerosen ohne Symptome zu identifizieren, welche einer Überwachung zugeführt werden sollen, mit dem Ziel, die Progression in Richtung eines invasiven Karzinoms rechtzeitig zu erkennen.www
Ziel dieser Übersicht ist, auf inzidentell nachgewiesene Pankreaszysten zu fokussieren mit Darstellung der Abklärungen sowie der weiteren Überwachung; nicht im Vordergrund stehen Pankreaskarzinom und Pseudozysten. Letztere werden im Sinne der Differenzialdiagnosen mit besprochen, da Pseudozysten im klinischen Alltag gelegentlich ebenfalls zufällig nachgewiesen werden, jedoch nicht überwacht werden sollten.
Bei einer 70-jährigen, bis auf eine arterielle Hypertonie sowie Übergewicht (BMI 27 kg/m2), gesunden Patientin wird aufgrund eines Fahrradunfalls eine Computertomographie (CT) durchgeführt, wo sich als Zufallsbefund eine 28 mm grosse zystische Pankreasläsion bei ansonsten normalem Pankreasparenchym nachweisen lässt. Die Patientin stellt sich in der Folge zur Besprechung des weiteren Vorgehens in der Sprechstunde vor.
Aus klinischer Sicht stellt sich zunächst die Frage, wie hoch das maligne Potenzial der inzidentell nachgewiesenen zystischen Pankreasläsion zu beziffern ist. Während nicht neoplastische Entitäten wie Pseudozysten oder dysontogene Zysten keinerlei malignes Potenzial aufweisen, handelt es sich bei der Mehrheit der zufällig nachgewiesenen zystischen Pankreasläsionen um neoplastische Zysten respektive Präkanzerosen (Tab. 1). Dementsprechend steht in unserem Beispiel differenzialdiagnostisch eine neoplastische Zyste im Vordergrund, weshalb als nächster Schritt ein MRI durchgeführt wird (Abb. 1a/b), welches eine Verbindung der Läsion zum Gangsystem nachweist. Infolgedessen besteht der dringende Verdacht auf eine Seitenast-IPMN. Aufgrund der Grösse des Befundes entscheidet man sich ferner zur Durchführung einer oberen Endosonographie inkl. Kontrastmittelgabe, wo Noduli definitiv ausgeschlossen werden können (Abb. 1b). Die Analyse der endosonographisch gesteuerten punktierten Zystenflüssigkeit (hohes CEA, hohe Amylase, tiefe Glucose) lässt die Diagnose einer Seitenast-IPMN definitiv stellen. Aufgrund des erhöhten Risikos für die Entwicklung eines Pankreaskarzinoms wird die Aufnahme in ein Surveillance-Programm empfohlen.
Bei der Seitenast-IPMN handelt es sich mit ca. 80 % aller zufällig nachgewiesener zystischer Pankreasneoplasien um die häufigste Entität (2). Das maligne Potenzial hängt von verschiedenen Parametern ab. Wichtigste Kriterien diesbezüglich stellen die Grösse der Läsion, Dilatation des Hauptganges sowie Noduli dar. Hierauf basierend erfolgt eine Risikostratifikation, welche für die weitere Beratung der Patientinnen und Patienten essenziell ist. Diesbezüglich stellt die Arbeit von Mukewar et al. (3) die Verhältnisse sehr anschaulich dar. Während das Risiko eines Pankreaskarzinoms bei einer IPMN mit Hauptgangbeteiligung oder Nodulus als hoch zu bezeichnen ist (ca. 25 %/10 Jahre), ist das Risiko für Patienten mit Seitenast-IPMNs ohne weiterer radiologischer oder klinischer Risikofaktoren deutlich kleiner, relativ zur Normalbevölkerung jedoch immer noch deutlich erhöht (ca. 8 %/ 10 Jahre) (4), wobei das Risiko über die Jahre kontinuierlich ansteigt. Aufgrund der daraus abzuleitenden Indikation zur langfristigen Überwachung ist eine zweifelsfreie Diagnose essenziell. Insbesondere gutartige seröse Zystadenome (Abb. 1c/d) oder inzidentell nachgewiesene Pseudozysten müssen bildgeberisch oder ggf. auch mithilfe einer endosonographisch gesteuerten Punktion ausgeschlossen werden, damit unnötige, repetitive Verlaufskontrollen verhindert werden.
Diagnostik zystischer Pankreasläsionen: Stellenwert der Radiologie
Die primäre Aufgabe der Radiologie ist es, zystische Pankreasläsionen einerseits zu detektieren und andererseits wenn möglich zu charakterisieren. Wie oben erwähnt, werden zystische Pankreasläsionen häufig zufällig entdeckt. Der Nachweis von zystischen Pankreasläsionen in populations-basierten Studien hängt von der Art der Bildgebung ab und liegt bei der Kernspintomographie (MRI) bei bis zu 49 % der untersuchten Personen (5). Die Prävalenz der zystischen Läsionen und somit die Detektionsrate steigt mit dem Alter und liegt bei 61 % bei > 70 Jahren (6).
Wichtigste bildgebende Modalität zur Abklärung von zystischen Pankreasläsionen ist das MRI mittels umfassendem multiparametrischem Pankreasprotokoll. In diesem Zusammenhang hat sich die Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie (MRCP) als Standard etabliert, welche eine stark T2-gewichtete Sequenz verwendet. Strukturen mit hohem Wassergehalt stellen sich im Gegensatz zu den umgebenden Weichteilstrukturen hyperintens, d. h. hell, dar, während die umgebenden Weichteilstrukturen dunkel bleiben. Dies führt zum gewollten Aspekt der hellen Darstellung des Pankreasganges, der Gallengänge und auch der zystischen Pankreasläsionen auf dunklem Hintergrund (Abb. 1a).
Das MRI mit MRCP ist sowohl bei der Detektion als auch bei der Charakterisierung von zystischen Pankreasläsionen sowohl der Computertomographie (CT) als auch der transabdominalen Sonographie überlegen (7, 8). Auch die fehlende Applikation ionisierender Strahlung ist bei der Notwendigkeit von teilweise langjährigen Verlaufskontrollen ein wichtiger Faktor.
Radiologische Differenzialdiagnose
Im Folgenden sollen die typischen bildgebenden Eigenschaften der häufigsten zystischen Pankreasneoplasien (Tab. 1) beschrieben werden. Die bereits oben erwähnte intraduktale papilläre muzinöse Neoplasie (IPMN) kann sich in drei verschiedenen Formen manifestieren, als Seitengang-, als Hauptgang-IPMN oder als gemischte Form. Sie stellt sich als zystische (T2-hyperintense) Dilatation der besagten Gänge dar, d. h. bei Befall der Seitengänge als uni- oder mulitlokuläre, lobulierte, traubenartige Läsion, bei Befall des Hauptgangs in Form als segmentale oder diffuse Dilatation des Pankreashauptganges ≥ 5mm. Ein spezifisches bildgebendes Kriterium, das die IPMN von den anderen zystischen Neoplasien unterscheidet, ist die nachweisliche Verbindung zum Gangsystem (Abb. 1a). Eine typische Eigenschaft der Seitengang-IPMN ist ausserdem die Multiplizität.
Die muzinös-zystische Neoplasie (MCN) tritt fast ausschliesslich bei Frauen auf, mit höchster Inzidenz in der 5. Dekade. Klinisch ist das Erkennen dieser Entität wichtig, da diese Läsionen ein mit der Hauptast-IPMN vergleichbares Malignitätsrisiko aufweisen (9, 10). Die Lokalisation ist häufig im Pankreascorpus oder -cauda. Eine Kommunikation zum Ductus pancreaticus besteht, im Gegensatz zu den IPMN, nicht. Bildmorphologisch besteht meistens eine uni- oder multilokuläre Makrozyste (> 2cm) mit oder ohne Septierungen, teils mit «Zyste-in-Zyste»-Aspekt. Die äussere Begrenzung ist meistens rund, im Gegensatz zur eher lobulierten Seitengang-IPMN. In 25 % finden sich murale Verkalkungen.
Die serös-zystische Neoplasie (SCN) (Abb. 1c/d) kann sich in Form verschiedener Phänotypen manifestieren. Der typische Aspekt ist allerdings der mikrozystische (Zysten < 2 cm) oder Honigwaben-Aspekt. Die Zysten sind oft so klein, dass in der CT der Eindruck einer soliden Läsion entsteht. Ausserdem typisch ist eine zentrale, manchmal verkalkte Narbe, welche sich computertomographisch bestätigen lässt. Erschwerend kommen in ca. 10 % auch atypische, rein makrozystische Formen der SCN vor, welche bildgebend nicht von einer muzinösen Läsion mit Malignitätspotenzial unterschieden werden können.
Die solid-pseudopapilläre Neoplasie (SPN) ist eine seltene Läsion und kommt fast nur bei jungen Frauen in der 2.–3. Dekade vor. Es handelt sich hier um eine gemischt solid-zystische Neoplasie mit Nekrosen und hämorrhagischen Anteilen, typischerweise in der Cauda lokalisiert. Sie sind meist asymptomatisch und werden als Zufallsbefund in der Schnittbildgebung entdeckt.
Bei Pseudozysten handelt es sich typischerweise um hypodense zystische Läsionen mit flächigem Kontakt zum Pankreas. Die Wand der Pseudozyste ist in der Regel zart. Im MRI lässt sich im Gegensatz zur Seitengang-IPMN keine Verbindung zum Gangsystem nachweisen. Nebst der Anamnese mit St. n. Pankreatitis ist das Aspirat des Zysteninhalts charakteristisch, in dem die Amylase bei gleichzeitig tiefem CEA stark erhöht ist (Tab. 1).
Nebst der Charakterisierung einer zystischen Pankreasläsion ist es auch Aufgabe der Radiologie, nach bildgebenden Zeichen zu suchen, welche auf ein erhöhtes Malignitätsrisiko weisen. Diese bildgebenden Zeichen werden in verschiedenen Leitlinien meist in einem zwei- oder mehrstufigen System abgebildet. In den European evidence-based guidelines on pancreatic cystic neoplasms (11) werden bei radiologisch vermuteter IPMN folgende bildgebende Zeichen als «relative Indikation für Chirurgie» bezeichnet (Abb. 2): Wachstumsrate der zystischen Läsion von ≥ 5 mm/Jahr, eine Dilatation des Pankreashauptganges von 5–9.9 mm, Zystendurchmesser von ≥ 4 cm und kontrastmittelaufnehmende murale Knoten von < 5 mm.
Rolle der gastroenterologischen Abklärungen mit Endoskopie/Endosonographie
Der Stellenwert der Endosonographie (EUS) besteht ergänzend zur MRI-Untersuchung und beantwortet bei Unklarheiten bezüglich Entität diese mithilfe mitunter einer Feinnadelpunktion.
Fokussiert zur Differenzierung der benignen Zysten SCA, MCA und IPMN kann die Punktion mit Bestimmung CEA, Amylase und Glucose nebst der Zytologie relevant sein. Hohe Amylasewerte im Punktat beweisen den Anschluss an den Pankreasgang bei der IPMN oder sprechen bei gleichzeitig normalen CEA-Werten für eine Pseudozyste. Hohe CEA-Werte bei normwertiger Amylase hingegen deuten auf ein MCA. In den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass eine tiefe Glucose (< 2.8 mmol/l) prädiktiv für das Vorliegen einer muzinösen Neoplasie ist (12). In naher Zukunft dürfte sich ferner die «Next Generation Sequencing» aus dem Aspirat als Standardmethode etablieren, mit welcher molekulargenetisch die Läsion zweifelsfrei charakterisiert werden kann.
Bei Knoten in Zysten können diese im Gegensatz zum MRI mit Kontrast-EUS von verklumptem Mukus unterschieden werden. Die EUS-gesteuerte Punktion erlaubt zudem gelegentlich den Nachweis dysplastischer oder malignen Zellen.
Die Indikation für eine EUS besteht somit bei Unklarheit betreffend Dignität, Entität oder aber bei Grössenwachstum und im Zusammenhang mit den oben beschriebenen Zeichen mit erhöhtem Malignitätsirisiko.
Die Duodenoskopie mit echter Seitblickoptik beurteilt die Papille. Eine sogenannte Fischmaulpapille (Abb. 3) ist pathognomonisch für eine Hauptast-IPMN und führt direkt zur Diskussion der chirurgischen Resektion.
Leitlinien und Überwachung
In den letzten Jahren wurden verschiedene Leitlinien zur Surveillance von Pankreaszysten, im speziellen IPMN, publiziert. Zuletzt wurde im Dezember 2023 eine weitere revidierte Version der «Fukuoka»-Leitlinien veröffentlicht (13), in welcher die Rolle der EUS noch etwas stärker gewichtet und ein adaptierter Abklärungsalgorithmus vorgeschlagen wird. Im Zentrum dieser Publikationen stehen radiologische Merkmale, welche auf ein klinisch signifikantes Malignitätsrisiko weisen. Da Pankreasresektionen im Allgemeinen mit einer verhältnismässig hohen Morbidität vergesellschaftet sind, sollten die Leitlinien gleichzeitig unnötige Resektionen verhindern. Anhand von klinischen Zeichen (u. a. Ikterus, Pankreatitis), radiologischen Befunden (z. B. Zystengrösse, Weite D. pancreaticus, Noduli), Tumormarker (CA19-9) und in selektiven Fällen zytologischen oder histologischen Untersuchungen wird versucht, eine Risikostratifikation vorzunehmen.
Dabei bestehen insbesondere bezüglich der Indikationsstellung zur Resektion resp. Durchführung der Surveillance bezüglich Modalität, dem Intervall und der absoluten Dauer der Nachsorge deutliche Unterschiede.
Die meistverwendeten Guidelines sind die
Revised International Consensus Guidelines (Fukuoka/Kyoto-Guidelines) (13, 14)
European evidence-based guidelines on pancreatic cystic neoplasms (11)
American Gastroenterology Association Guidelines (15)
Die Guidelines haben gemeinsam, dass sie zur Entdeckung High-grade-Dysplasien oder invasiver Karzinome eine relativ hohe Sensitivität besitzen, leider aber eine geringe Spezifität aufweisen. Dies führt tendenziell zu einer Überbehandlung der Patienten (17). Ein weiteres Problem in der Behandlung der Pankreaszysten ist die ungenügende Adhärenz zu den Guidelines. Daten aus der Literatur zeigen, dass nur ca. 2/3 aller der Patienten mit bekannten Pankreaszysten einen adäquaten Follow-up erhalten (18). Einen sehr lesenswerten Überblick über die verschiedenen Leitlinien resp. deren Unterschiede bietet die Arbeit von Aziz et al. (19).
Um ein strukturiertes Follow-up zu gewährleisten, aber auch da es sich um potenzielle Krebserkrankungen handelt, sehen wir eine interdisziplinäre Diskussion im Rahmen eines «Pankreaszystenboard» als empfehlenswert. Diese Diskussion soll einerseits unnötige Resektionen verhindern und andererseits eine adäquate und verhältnismässige Surveillance sicherstellen.
Ausblick
Die Häufigkeit zystischer Pankreasläsionen gerade bei älteren Patienten stellt eine klinische Herausforderung dar. Dem Risiko einer meist tödlich verlaufenden Karzinomerkrankung steht die Gefahr der «Überdiagnostik» mit damit assoziierter psychischer Belastung Betroffener und unnötigen Pankreasresektionen gegenüber. Dazuzurechnen sind Belastungen für das Gesundheitswesen finanzieller und logistischer Art in einem Gesamtsystem, in welchem in Zukunft die Ressourcen knapp werden dürften.
Die interdisziplinäre Diskussion der radiologischen resp. endosonographischen Befunde unter Berücksichtigung der Europäischen Leitlinien bietet Rahmenbedingungen, welche eine angemessene Überwachung oder chirurgische Therapie ermöglichen.
Unter welchen Umständen diese Überwachung bei einem gesunden Patienten beendet werden darf, ist ebenfalls noch umstritten. Erste Studien empfehlen jedoch, bei einem stabilen Verlauf über 5 Jahre und einer maximalen Zystengrösse von 30 mm bei über 75-Jährigen bzw. 15 mm bei über 65-Jährigen die Überwachung einzustellen (20).
Key Messages
• Symptomatische Pankreaszysten sind oft Pseudozysten.
• Asymptomatische Zysten sind in der Regel echte Neoplasien, am häufigsten IPMN vom Seitenast-Typ (BD-IPMN), welche zumeist ein niedriges Entartungsrisiko aufweisen.
• Eine Hauptast-IPMN (MD-IPMN) > 10 mm, anreichernde murale Knoten (≥ 5 mm) oder eine positive Zytologie stellen eine Indikation zur chirurgischen Resektion dar.
• Vor Abklärung oder Surveillance muss geklärt sein, ob eine chirurgische Therapie infrage käme. Im negativen Fall soll der Fall abgeschlossen werden.
• Die Nachsorge wird mittels MRCP seriell über Jahre vollzogen, wobei sich die Intervalle anhand der Risikostratifikation bemessen.
• Die obere Endosonographie hilft beim Nachweis von Zystencharakteristika, welche für eine Operation sprechen.
• Bei absoluter und insbesondere auch bei relativer Operationsindikation sollte der Patient an ein HSM-Zentrum zur weiteren Evaluation zugewiesen werden.
Dr. med. Bernhard Morell
Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie
Stadtspital Zürich
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich
bernhardkaspar.morell@stadtspital.ch
Dr. med. Stephan Ullrich
Leitender Arzt
Institut für Radiologie und Nuklearmedizin
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich
Dr. med. Stefan Gutknecht
Leitender Arzt
Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefässchirurgie
Stadtspital Zürich Triemli
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich
Dr. med. Pascal Weibel
Facharzt für Chirurgie
Klinik für Viszeral- Thorax- und Gefässchirurgie
Stadtspital Zürich
Dr. med. Jörg Wydler
Leitender Arzt, Klinik Viszeral-, Thorax- und Gefässchirurgie
Chefarzt Klinik für Belegärzte
Stadtspital Zürich Triemli
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich
Die Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
• Symptomatische Pankreaszysten sind oft Pseudozysten.
• Asymptomatische Zysten sind in der Regel echte Neoplasien, am häufigsten IPMN vom Seitenast-Typ (BD-IPMN), welche zumeist ein niedriges Entartungsrisiko aufweisen.
• Eine Hauptast-IPMN (MD-IPMN) > 10 mm, anreichernde murale Knoten (≥ 5 mm) oder eine positive Zytologie stellen eine Indikation zur chirurgischen Resektion dar.
• Vor Abklärung oder Surveillance muss geklärt sein, ob eine chirurgische Therapie infrage käme. Im negativen Fall soll der Fall abgeschlossen werden.
• Die Nachsorge wird mittels MRCP seriell über Jahre vollzogen, wobei sich die Intervalle anhand der Risikostratifikation bemessen.
• Die obere Endosonographie hilft beim Nachweis von Zystencharakteristika, welche für eine Operation sprechen.
• Bei absoluter und insbesondere auch bei relativer Operationsindikation sollte der Patient an ein HSM-Zentrum zur weiteren Evaluation zugewiesen werden.
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