«Nachwehen»: Hyperinflammatorisches Immunreaktionssyndrom PIMS-TS

Anamnese und Befunde

Spätabends brachten 2 Leiterinnen eines Skilagers eine 11-jährige Patientin auf die Notfallstation eines Regionalspitals. Sie wurde im Rollstuhl in die Koje geschoben, weil sie zu schwach zum Gehen war. Die Begleitpersonen berichteten über seit 2 Tagen stetig zunehmende Schwäche, Appetitlosigkeit und vermehrten Schlafbedarf. Am Eintrittstag einmalig Durchfall mit Einstuhlen und Einnässen. Die Patientin klagte über Bauchschmerzen, Übelkeit und einmaliges Erbrechen sowie Kopfschmerzen. Keine Dysurie. Fieber und Schüttelfrost in den vorangehenden Tagen wurden verneint, wobei im Skilager die Körpertemperatur nicht gemessen worden war.

Die Systemanamnese war sonst wenig ergiebig bis auf eine COVID-19-Erkrankung vor rund drei Wochen. Die Dia­gnose war mittels positiven Spucktests in der Schule gestellt worden. Der Krankheitsverlauf war milde über wenige Tage mit leichtem Fieber, Husten und Schnupfen mit kompletter Genesung. Die Umgebungsanamnese war positiv für eine Gastroenteritis-Exposition vor wenigen Tagen. Geimpft sei sie nach CH-Impfplan. Beide Eltern stammen aus Eritrea, die Reiseanamnese war unauffällig.

Status und Labor (Tabelle 1)

Auffällig tiefer BMI von 13.5 kg/m2. Blutdruck 102/70 mmHg, Puls 99 bpm, 97 % Sauerstoffsättigung bei Atemfrequenz von 15/min und 40.2° C Körpertemperatur. Bei der Lymphknotenpalpation fiel einzig submandibulär rechts eine druckdolente Schwellung auf (im Zentrumsspital später sonographisch als Lymphadenopathie identifiziert). Das Abdomen war weich, diffus druckdolent, v.a. periumbilikal betont, ohne tastbare Organomegalie oder Abwehrspannung. Neurologisch wirkte die Patientin in der Interaktion verlangsamt. Sie war somnolent, jedoch allseits orientiert. Die Meningismusprüfung war schmerzhaft, aber nicht eindeutig positiv. Die Sensibilität der Extremitäten war normal, die Kraft wurde bei M4 eingestuft, und die Hirnnervenprüfung war unauffällig. Das Gangbild war nicht prüfbar wegen allgemeiner Schwäche. Kardiopulmonale Untersuchung, Otoskopie, Integument und enoral, bis auf etwas trockene Schleimhäute mit unauffälligen Befunden.

Differenzialdiagnose

Die diffuse klinische Symptomatik war initial schwierig einzuordnen. Eine (beginnende) Meningitis/Enzephalitis war nicht sicher auszuschliessen. Im Labor fiel vor allem der deutlich erhöhte Kreatininkinasewert auf, welcher zusammen mit den erhöhten Entzündungsparametern differenzialdiagnostisch an eine Myositis oder Myokarditis im Rahmen einer systemischen Inflammation denken liess. Die dadurch ausgelöste Literaturrecherche führte bei bekannter kürzlicher COVID-19-Erkrankung zur Verdachtsdiagnose eines Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome Temporally Associated with SARS-CoV-2 (PIMS-TS). In Europa wird mehrheitlich der Begriff PIMS-TS ­verwendet, in der US-amerikanischen Terminologie meist die Bezeichnung MIS-C (Multisystem Inflammatory Syndrome in Children). PIMS-TS ist ein seltenes, aber mit hoher Morbidität einhergehendes, meist zwei bis sechs Wochen nach SARS-CoV-2-Infektion auftretendes hyperinflammatorisches Immunreaktionssyndrom mit Beteiligung verschiedener Organsysteme. Die vorangehende COVID-19-Erkrankung ist oft oligo- oder asymptomatisch. Das Syndrom betrifft vor allem Schulkinder (2, 10, 11). Häufigste klinische Zeichen sind hohes Fieber, gastrointestinale Symptome wie Abdominalschmerzen, Erbrechen und Diarrhoe, kardiovaskuläre Dysfunktion (eingeschränkte linksventrikuläre Funktion, Hypotonie, Schock) sowie neurologische Symptome wie Kopfschmerzen und Encephalopathie (1, 2, 4). Die Definitionskriterien umfassen diverse klinische und laboranalytische Parameter, welche je nach Verfasser (WHO, Centers for Disease Control and Prevention; Deutsche Gesellschaft Pädiatrische Infektiologie (DGPI); Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin) leicht variieren (4, 6, 7).

Differenzialdiagnostische Überschneidungen finden sich mit häufigeren anderen Systemischen Inflammatorischen Syndromen, so mit dem Kawasaki-Syndrom, dem toxischen Schocksyndrom (TSS) und dem Haemophagozytose Lymphohistiocytose Makrophagen Aktivierungssyndrom (SHLH/MAS).

Das Kawasaki-Syndrom ist die häufigste Ursache von in der Kindheit erworbenen Herzerkrankungen, wobei im Gegensatz zum PIMS-TS primär Vorschulkinder betroffen sind. Klinisch-pathologisch stehen ein Exanthem/Enanthem, cervikale Lymphknotenschwellung und die Bildung von Koronaraneurysmata im Vordergrund, im Labor finden sich eine neutrophile Leukozytose und Thrombozytose (1).

Patienten mit PIMS-TS benötigen in den meisten Fällen eine intensivmedizinische Behandlung zur Kreislaufstabilisierung und (seltener) zur Beatmung. Medikamentös wurden bisher, je nach Schweregrad, Kortikosteroide, Immunglobuline und Biologika (v.a. Interleukin-1- und -6-Antagonisten; TNF-alpha-Antikörper) eingesetzt. In der kürzlich publizierten Studie der Swissped RECOVERY Trial Group zeigte sich kein signifikanter Unterschied der Hospitalisationsdauer zwischen der Behandlung mit Methylprednisolon allein im Vergleich zur intravenösen Immunglobulingabe (8). Trotz hoher Morbidität ist die Mortalität bei adäquater Behandlung gering, und es resultieren – soweit bisher bekannt – in der Regel keine langfristigen Folgeschäden (3). Analog dem PIMS-TS/MIS-C wurde bei Erwachsenen das MIS-A (A = adults) beschrieben, welches insgesamt mit schlechteren Verläufen assoziiert ist (1–3).

Diagnose, Therapie und Verlauf

Die Patientin wurde zur Antipyrese und Analgesie (Ibuprofen), Volumensubstitution (Ringeracetat) und Überwachung stationär aufgenommen. In der Nacht war sie teilweise desorientiert, febril (max. 39.9° C) und leicht hypoton (minimal 80/48 mmHg), reagierte jedoch gut auf die etablierte Therapie.

Aufgrund der Gesamtkonstellation wurde rasch die Verdachtsdiagnose eines PIMS-TS mit kardialer, gastrointestinaler, zentralnervöser und hämatologischer Beteiligung gestellt. Zur Diagnosestellung wurden die Kriterien der Schweizerischen Gesellschaft für Intensivmedizin verwendet (4). Im Folgelabor am nächsten Morgen erhärteten die erhöhten Werte von hs Troponin I und NT-proBNP, die charakteristische zunehmende Thrombo- und Lymphopenie und auch eine Hypochloridämie und Hypokalzämie die Verdachtsdiagnose (Tabelle 1). Eine transthorakale Echokardiographie zeigte einen kleinen Perikarderguss (Abbildung 1) und eine leichtgradig verminderte systolische linksventrikuläre Funktion (LVEF 52 %; Globaler Longitudinaler Strain –16 %).

Es erfolgte die notfallmässige Verlegung ins pädiatrische Zentrumsspital zur weiteren Diagnostik und Therapie. Dort wurde die Elfjährige auf die pädiatrische Intensivstation aufgenommen. Weitere Abklärungen zeigten zusätzlich einen Pleuraerguss, Aszites sowie eine Gerinnungsstörung (erhöhter Spontan-INR, erhöhte D-Dimere und Fibrinogen, verlängerte aPTT). Eine Liquorpunktion ergab eine geringe gemischte Pleozytose (56 Leukozyten/ul; davon mononukleär 32/ul und 24/ul polynukleär); Glukose, Laktat und Protein waren im Normbereich.

Die Diagnose eines PIMS-TS wurde bestätigt. Die Patientin wurde katecholamin- (Noradrenalin und Adrenalin) sowie sauerstoffbedürftig (Maske mit Reservoir) und verweilte drei Wochen im Akutspital, davon zwei auf der Intensivstation. Die medikamentöse PIMS-TS-Therapie bestand in der Gabe von Kortikosteroiden, Immunglobulinen und Interleukin-1-Rezeptorantagonisten (Anakinra). Bei fraglichem Meningismus und angesichts der Schocksymptomatik erfolgte eine initiale empirische antibiotische Therapie mit Ceftriaxon, und Aciclovir (kein Erregernachweis), im weiteren Verlauf bei Verdacht auf eitrige Peritonitis Behandlung mit Meropenem und Metronidazol (kein Erregernachweis). Da die Patientin bei Spitalaustritt noch sehr geschwächt war, folgte ein Rehabilitationsaufenthalt. Inzwischen hat sich die Patientin komplett erholt. Eine Diagnose in Bezug auf den tiefen BMI wurde im Verlauf der Hospitalisation und Rehabilitation nicht gestellt.

Diskussion

Schwere COVID-19-Verläufe bei Kindern sind selten. Auch das PIMS-TS als Folgeerkrankung ist selten (7 Fälle auf 100 000 Personen <19 Jahre; (11)) und dadurch wenig bekannt. Deshalb ist, vor allem ausserhalb pädiatrischer Zentrumsspitäler, die Früherkennung des Syndroms schwierig, aber für die Prognose wichtig (12).

Bekannte Risikofaktoren für einen schweren Verlauf mit IPS-Bedürftigkeit sind Alter (5–12 Jahre), Ethnie («non-Hispanic black»), männliches Geschlecht, Adipositas, Abdominalschmerzen, Dyspnoe, verminderte LVEF, Myokarditis und erhöhte Werte für CRP, Troponin, NT-proBNP, Ferritin, D-Dimere, Thrombo- und Lymphopenie (10, 11). Unsere Patientin wies in den ersten 12 Stunden der Hospitalisation alle diese Risikofaktoren auf mit Ausnahme des Geschlechts, einer Adipositas und der sich erst später entwickelnden Dyspnoe. Ein zusätzliches Risiko der Patientin könnte der tiefe BMI gewesen sein. Hierzu gibt es jedoch keine Literatur. Die reduzierte Nahrungs- und Trinkmenge in den 2 Tagen vor der Hos­pitalisation akzentuierten sicherlich diesen Wert. Eine vorbestehende Essstörung war nicht bekannt, und das übliche stabile ­Gewicht vor Krankheitsbeginn wie auch nach vollständiger Genesung lag ca. 2 kg höher und somit im Bereich der 3. Perzentile für ­Industrieländer, wobei verlässliche Daten für Kinder mit dem ethnischen Hintergrund der Patientin fehlen.

Hauptziel dieser Kasuistik ist, bei im Winter weiterhin hoher endemischer Inzidenz von COVID-19 (https://idd.bag.admin.ch/diseases/COVID/overview) die «klinische Awareness» für das PIMS-TS zu erhöhen, damit, wie in unserem Fall, mittels erweiterter Diagnostik eine zeitnahe Diagnosestellung und dadurch rasch adäquate Therapiemassnahmen eingeleitet werden können.

Daten von Luxemburg zeigen, dass die meisten PIMS-TS-Fälle während der Omikron-Welle auftraten, die relative Inzidenz pro SARS-CoV-2-Infektion war jedoch am höchsten während der Delta-Welle (9).

Eine Fall-Kontroll-Studie zeigte, dass 92 % von 304 Patienten mit PIMS-TS nicht SARS-CoV-2 geimpft waren (5). Von den Nichtgeimpften benötigten 44 % intensivmedizinische Unterstützung, von den Geimpften keiner. Ob dies bereits genügend Grund ist, eine Impfung auch für diese Altersgruppe zu empfehlen, bleibt angesichts der Seltenheit der Erkrankung offen. Hierzu braucht es mehr valable Daten.

Am wichtigsten für die Praxis ist die «klinische Aware-ness», aufgrund der Assoziation von klinischer Symptomatik, Laborbefunden und der Anamnese einer kürzlich durchgemachten COVID-19-Erkrankung an dieses Syndrom zu denken. Da in der aktuellen epidemiologischen Situation bei Symptomen eines viralen Infekts in der betroffenen Altersgruppe oft keine spezifische Diagnostik, im Speziellen kein SARS-CoV-2 Test mehr durchgeführt wird, sollte bei entsprechender klinischer Präsentation anamnestisch immer nach einem wenige Wochen vorausgehenden Infekt gefragt und differenzialdiagnostisch ein PMS-TS in Betracht gezogen werden.

Abkürzungen:
BMI
Body Mass Index
COVID-19
Corona Virus Disease 2019
LVEF
Left Ventricular Ejection Fraction (linksventrikuläre Auswurffraktion)
MIS-C
Multisystem Inflammatory Syndrome in Children
PIMS-TS
Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome Temporally Associated with SARS-CoV-2
SARS-CoV-2
Severe Acute Respiratory Syndrome Corona Virus type 2

Dr. med. Gian Flury

Medizinische Klinik, Ospidal CSEB
Via da l’Ospidal 280
7550 Scuol

gian.flury@cseb.ch

Es bestehen keine Interessenkonflikte.

Historie:
Manuskript eingereicht: 19.02.2024
Nach Revision angenommen: 25.04.2024

• PIMS-TS ist ein seltenes, zwei bis sechs Wochen nach meist leichter COVID-19-Erkrankung auftretendes hyperinflammatorisches Immunreaktionssyndrom bei Kindern und Jugendlichen, welches, verzögert diagnostiziert, oft mit hoher Morbidität und Intensivbehandlungsbedürftigkeit einhergeht.
• Leitsymptome sind hohes Fieber, gastrointestinale Beschwerden (Bauchschmerzen, Erbrechen, Diarrhoe), kardiovaskuläre Dysfunktion (Hypotonie, Schock) und neurologische Auffälligkeiten (Kopfschmerzen, Encephalopathie). Diagnostisch wegleitend können erhöhtes Troponin und NT-proBNP sowie echokardiographische Befunde (verminderte linksventrikuläre Auswurffraktion, Perikard- und Pleuraergüsse) sein.
• Differenzialdiagnostisch ist an andere Systemische Inflammatorische Syndrome, wie das Kawasaki-Syndrom, das toxische Schocksyndrom (TSS) und das Haemophagozytose Lymphohistiocytose Makrophagen Aktivierungssyndrom (SHLH/MAS), zu denken.
• Dank intensivmedizinischer Behandlung mit Kreislaufsupport und Gabe von Methylprednisolon sind Mortalität und Langzeitfolgen gering.

1. Nakra NA, Blumberg DA, Herrera-Guerra A, Lakshminrusimha S. Multi-System Inflammatory Syndrome in Children (MIS-C) Following SARS-CoV-2 Infection: Review of Clinical Presentation, Hypothetical Pathogenesis, and Proposed Management. Children 2020;7:69. doi: 10.3390/children7070069. PMID: 32630212; PMCID: PMC7401880.
2. Radia T, Williams N, Agrawal P, Harman K, Weale J, Cook J, Gupta A. Multi-system inflammatory syndrome in children & adolescents (MIS-C): A systematic review of clinical features and presentation. Paediatr Respir Rev. 2021; 38:51-57. doi: 10.1016/j.prrv.2020.08.001. PMID: 32891582; PMCID: PMC7417920.
3. Feldstein LR, Tenforde MW, Friedman KG, et al. Overcoming COVID-19 Investigators. Characteristics and Outcomes of US Children and Adolescents With Multisystem Inflammatory Syndrome in Children (MIS-C) Compared With Severe Acute COVID-19. JAMA 2021; 325:1-14 . doi: 10.1001/jama.2021.2091. PMID: 33625505; PMCID: PMC7905703.
4. Schlapbach LJ, Andre MC, Grazioli S, et al. PIMS-TS working group of the Interest Group for Pediatric Neonatal Intensive Care (IGPNI) of the Swiss Society of Intensive Care and the Pediatric Infectious Diseases Group Switzerland (PIGS). Best Practice Recommendations for the Diagnosis and Management of Children With Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome Temporally Associated With SARS-CoV-2 (PIMS-TS; Multisystem Inflammatory Syndrome in Children, MIS-C) in Switzerland. Front Pediatr. 2021; 9:667507. doi: 10.3389/fped.2021.667507. PMID: 34123970; PMCID: PMC8187755.
5. Zambrano LD, Newhams MM, Olson SM, et al. Overcoming COVID-19 Investigators. Effectiveness of BNT162b2 (Pfizer-BioNTech) mRNA Vaccination Against Multisystem Inflammatory Syndrome in Children Among Persons Aged 12-18 Years – United States, July- December 2021. MMWR Morb Mortal Wkly Rep. 2022; 71 :52-58. doi: 10.15585/mmwr.mm7102e1. PMID: 35025852; PMCID: PMC8757620.
6. WHO Team – WHO International; Publications / Scientific Brief Multisystem inflammatory syndrome in children and adolescents with COVID; WHO/2019- nCoV/Sci_Brief/Multisystem_Syndrome_Children/2020.1 (2020 May 15); (cited 2022 December 06) Available from: Multisystem inflammatory syndrome in children and adolescents with COVID-19 (who.int)
7. Deutsche Gesellschaft Pädiatrische Infektiologie (DGPI) – Falldefinition bei Kindern und Jugendlichen: PIMS bzw. MIS-C; (cited 2022 December 06) Available from: PIMS-Survey: Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome (PIMS) in Deutschland » DGPI: Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie
8. Welzel T, Atkinson A, Schöbi N et al for the Swissped RECOVERY Trial Group. Methylprednisolone versus intravenous immunoglobulins in children with paediatric inflammatory multisystem syndrome temporally associated with SARS-CoV-2 (PIMS-TS): an open-label, multicentre, randomised trial. Lancet Child Adolesc Health 2023; 7: 238- 48; d oi.org/10.1016/S2352-4642(23)00020-2
9. Ooms C, Mossong J, Vergison JA et al. Multisystem inflammatory syndrome in children during the first two years of the COVID-19 pandemic in Luxembourg. Front Pediatr 2023;11:1141074. d oi: 10.3389/ped.2023.1141074
10. Abrams JY, Oster ME, Godfred-Cato SE et al. Factors linked to severe outcomes in multisystem inflammatory syndrome in children (MIS-C) in the USA: a retrospective surveillance study. Lancet Child Adolesc Health 2021;5:323-31
11. Rhedin S, Lundholm C, Horne AC et al. Risk factors for multisystem inflammatory syndrome in children – A population-based cohort study of over 2 million children. The Lancet Regional Health Europe 2022;19:100443
12. Brisca G, Consolaro A, Caorsi R et al. Timely Recognition and Early Multi-Step Antiinflammatory Therapy May Prevent ICU Admission of Patients With MIS-C : Proposal for a Severity Score. Front Pediatr. 2021;9:783745; Doi: 10.3389/ped.2021.783745

Schwellung am Hals

Zusammenfassung: Es präsentierte sich eine 30-jährige Patientin mit einer 1 × 3 cm grossen Lymphknotenschwellung cervical links, welche seit bereits drei Wochen bestand. Die Abklärung mittels Lymphknotenexzision ergab eine Metastase eines malignen Melanoms, wobei der Primärtumor nicht gefunden wurde. Die Guidelines empfehlen eine Neck-Dissection und eine adjuvante System- oder Immuntherapie. Die Patientin entschied sich für die Immuntherapie mit Pembrolizumab und war ein Jahr später tumorfrei.
Schlüsselwörter: Lymphadenopathie, malignes Melanom, Immuntherapie, Pembrolizumab, Neck-Dissection

Präsentation

Eine 30-jährige Patientin stellte sich in der hausärztlichen Sprechstunde vor, da sie seit etwa drei Wochen eine schmerzhafte Schwellung am linken Hals bemerkt hatte. Sie verneinte jegliche Begleitsymptome wie Fieber, Schüttelfrost oder eine Gewichtsabnahme. Sie fühlte sich gut und hatte kein Krankheitsgefühl zu beklagen. Die gebürtige Costa Ricanerin (bis vor zwei Jahren lebte sie dort) war erst seit einem Jahr in der Schweiz wohnhaft, vorher lebte sie noch ein Jahr in den USA. Die letzte Impfung (Covid-19) war vor vier Monaten gewesen. Sie hatte sich vor 14 Tagen bei der Entsorgung von Konservendosen eine Schnittwunde zugezogen, diese hatte sich lokal jedoch nicht entzündet.
Klinisch zeigte sich links am Hals eine etwa 1 × 3 cm grosse, indolente, prallelastische Masse dorsal des Musculus sternocleidomastoideus. Nuchal, submental oder axillär waren keine vergrösserten Lymphknoten zu ertasten. Die Patientin verneinte jegliche Atemnot; es war kein Stridor zu hören.
Selbst mittels erweiterter Anamnese ergab sich kein dringender Hinweis auf die Ursache. Sie war in einer stabilen Partnerschaft und war in den letzten drei Monaten nicht mehr verreist.
Wir vereinbarten am Ende der ersten Konsultation, mit weiteren diagnostischen Abklärungen noch zuzuwarten. Drei Wochen später kam die Patientin zur erneuten Kontrolle. Die Schwellung am Hals wäre noch grösser geworden. Die Patientin berichtete, dass sie einen kleinen Hund zu Hause habe, kein näherer Kontakt zu Katzen. Das angefertigte Differentialblutbild war unauffällig.

Diagnostik

Zur weiteren Abklärung führten wir eine Sonographie durch, welche einen vergrösserten Lymphknoten von 1,7 × 1,4 ×0,7 cm mit deutlich hypoechogener, fraglich zystischer Binnenstruktur zeigte. Im Anschluss an die Sonographie wurde zur Histologiegewinnung eine Feinnadelpunktion durchgeführt. Das Resultat ergab Zellen einer «spindelzelligen Proliferation unklarer Dignität».

Dieses Zwischenresultat führte zur Indikation einer chirurgischen kompletten Lymphadenektomie. Ein präoperatives MRI von Hals und Thorax bestätigte die singuläre Lymphknotenschwellung. Nebenbefundlich wurde eine zystische Milzparenchymläsion beschrieben, die zur Echinococcusserologie führte. Die Lymphknotenexzision erfolgte unmittelbar im Anschluss. Die mikrobiologische Testung auf Mycobacterium tuberculosis fiel negativ aus. Die histologische Diagnose lautete: «Lymphknotenmetastase eines ausgedehnten, nekrotischen malignen Melanoms». Fachärztlich-dermatologisch fanden sich keine atypischen Naevi oder auffallende Pigmentläsionen. Auch die Untersuchung von Anogenitalregion sowie enoraler und konjunktivaler Mucosa blieben ohne Hinweis auf den Primarius. Die Patientin wurde auch HNO-ärztlich und ophthalmologisch untersucht, auch hier fand sich kein Hinweis auf einen Primarius. Ein Uvea-Melanom würde in den meisten Fällen in die Leber metastasieren.
Zum weiteren Staging wurde ein MRI des Neurokraniums und ein Ganzkörper-PET/CT durchgeführt. Ersteres war unauffällig, das PET/CT zeigte eine singuläre hypermetabole subkutane Verdichtung (postoperativ) zervikal links im Übergang der Level IIa/Va. Bildmorphologisch konnte diesbezüglich nicht sicher zwischen postoperativen Veränderungen und einer residuellen Lymphknotenmetastase differenziert werden.
Somit lautete die abschliessende Diagnose: Malignes Melanom Lymphknoten zervikal links cT0, cN1b, cMO UICC Stadium IIIb. Die ergänzende Familienanamnese in Bezug auf Melanome war negativ. Eine spontane Regression des Primärtumors wird in der Literatur im einstelligen Prozentsatz beschrieben (1, 2).
Im Tumorboard wurden die therapeutischen Optionen besprochen: Aufgrund des klinischen Lymphknotenbefalls bestand ein Tumorstadium IIIb, dahingehend bestand gemäss internationalen Guidelines (deutsche S3-Leitlinie, europäische ESMO-Leitlinie, US-amerikanische NCCN-Leitlinie) die Indikation zur (modifizierten) einseitigen Lymphadenektomie (= Neck-Dissection) (3). Nach Lymphadenektomie ist im Stadium IIIb zusätzlich eine adjuvante Systemtherapie für ein Jahr empfohlen. Je nach BRAF-Status wird, um das Rezidivrisiko zu senken, eine adjuvante Immuntherapie mit einem Immuncheckpointhemmer oder alternativ (nur bei BRAF-mutiertem Melanom) eine zielgerichtete Therapie mit Dabrafenib oder Trametinib empfohlen.
Der Patientin wurde die Fertilitätssprechstunde nahegelegt, da unter besagter adjuvanter Systemtherapie eine doppelte Kontrazeption zu beachten ist und zudem die Kinderplanung der Patientin nicht abgeschlossen war.

Therapie

Die modifizierte Neck-Dissection links mit Ausräumen der Kompartimente II, III und V erfolgte zeitnah. Makroskopisch wie mikroskopisch waren die elf exzidierten Lymphknoten unauffällig. Die Patientin hatte im Anschluss als einzige Komplikation eine Hypästhesie im Bereich des Operationsgebiets.
Eine BRAF-V600E-Mutation konnte in der Aufbereitung des Gewebes nachgewiesen werden. Die Patientin wurde im Sinne eines «shared decision making» ausführlich über die Therapieoptionen aufgeklärt: Immuncheckpointinhibitor (ICI) (Pembrolizumab) versus BRAF-Hemmer (Dabrafenib) kombiniert mit Mitogen-aktiviertem Proteinkinasekinase (MEK)-Hemmer (Trametinib). Beide Therapien senken bekanntermassen das Rezidivrisiko, eine direkte Vergleichsstudie zwischen den beiden Behandlungsschemata existiert jedoch nicht.

Die ICI-Therapie mit Pembrolizumab wird intravenös als Kurzinfusion von 200 mg alle drei Wochen oder 400 mg alle sechs Wochen verabreicht im Rahmen einer ambulanten Therapie. Autoimmune Nebenwirkungen im Sinne einer Überstimulation sind möglich. Insbesondere können Exantheme, Xerosis cutis, Pruritus, Colitis mit Diarrhoe, Schmerzen, Hämatochezie, Autoimmunhepatitis, hormonelle Störungen mit Auftreten einer Hypo- oder Hyperthyreose, Hypophysitis mit Ausfall der entsprechenden Hormone, selten Diabetes mellitus, Pneumonitis mit Husten, Arthritiden vorkommen. Selten können andere autoimmune Nebenwirkungen wie Autoimmunentzündung von Herz, Nieren und Nerven auftreten. Falls eine autoimmune Nebenwirkung auftritt, ist eine rasche onkologische Beurteilung nötig und möglicherweise eine Steroidtherapie zu starten.
Die perorale Therapie mit BRAF- und MEK-Hemmern kann als Nebenwirkung Xerosis cutis, Hyperkeratose, Haarausall, Papillome, Kopfschmerzen, Fieber, Muskel- oder Gelenkschmerzen, Fatigue sowie gastrointestinale Symptome wie Nausea, Vomitus, Diarrhoe haben. Auch Augenbeschwerden wie verändertes Sehen, vermehrte Infektionen oder vermehrtes Auftreten von malignen Hauttumoren wurden beschrieben (3).
Zur möglichen Fertilitätsminderung beim Menschen gibt es bei allen Therapieformen nur begrenzt Daten. Nach Einholen der Kostengutsprache konnte mit der in diesem Fall gewählten Pembrolizumab-Therapie begonnen werden.
Ein Jahr später wurde die Therapie beendet. Die PET-CT-Bildgebung nach Abschluss der Behandlung ergab weiterhin keine neuen Metastasen oder Hinweis auf einen Primärtumor.

Diskussion

In der Hausarztpraxis sind geschwollene Lymphknoten ein regelmässiger Konsultationsgrund. Das individuelle Procedere ist breit gefächert. Von aktivem Zuwarten über laborchemische Untersuchungen bis zur chirurgischen Exzision. In welchem Falle man welchen Pfad einschlagen sollte, erfordert vorgängige Überlegungen der wahrscheinlichsten Differentialdiagnosen gemäss Anamnese und klinisch-sonographischem Befund.
Es gilt primär zu unterscheiden, ob eine Region betroffen sind oder ≥ 2. Im ersten Fall kann drei bis vier Wochen beobachtet werden und bei Persistenz die Abklärung eingeleitet werden. Als Basisdiagnostik empfiehlt sich ein Differentialblutbild und ein HIV-Test. Die Lymphknotensonographie kann bereits Aufschluss geben. Zur Zelldifferenzierung ist die komplette Exzision zielführender als eine Feinnadelpunktion. Das CT des Thorax sollte bei jungen Menschen nur mit klarer Indikation gestellt werden. Ist nach diesen Schritten die Diagnose weiterhin unklar, kann eine schrittweise Serologie auf Erreger wie CMV, EBV sowie Toxoplasmose, Bartonellen, Syphilis und ggf. Tularämie abgenommen werden (4).
Die Diagnose bei der beschriebenen Patientin war für die Behandelnden wie für die Patientin gleichermassen überraschend.
Im Besonderen war in beschriebenem Fall ein Augenmerk auf die Immuntherapie zu legen, welche bei Patientinnen im gebärfähigen Alter mit Kinderwunsch eine vorgängige Aufklärung in einer Fertilitätssprechstunde über Möglichkeiten und Risiken der Therapie bedarf. Gemäss Arzneimittelinformation von Pembrolizumab liegen keinerlei klinischen Daten zur Auswirkung auf die Fertilität vor. In tierexperimentellen Studien hatte sich gezeigt, dass die Unterbrechung des PD-L1-Signalwegs die notwendige immunologische Toleranz gegenüber dem Fetus aufheben kann und dadurch zu einer Zunahme von Aborten führt. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Verabreichung von Pembrolizumab während der Schwangerschaft fetale Schäden und damit auch vermehrt Fehl- oder Totgeburten hervorrufen könnte (5).

Hintergrund

Die spontane Rückbildung eines Tumors wurde definiert als eine klinische und histologische Diagnose von Mali­gnität, wobei eine therapeutische Beeinflussung zur Regression fehlt oder unzureichend ist; ein klinischer Nachweis der Rückbildung vorhanden ist; eine signifikante Nachbeobachtungszeit gegeben ist und falls möglich, eine histologische Untersuchung von Gewebestellen, wo Regression stattgefunden hat. Damit nicht zu verwechseln ist die Heilung respektive das komplette Tumorverschwinden. Die spontane Rückbildung kann als komplette oder partielle Regression beschrieben werden.
Die partielle Rückbildung eines primären Melanoms geschieht in 10–35 % der Fälle. Einige Arbeiten belegen eine partielle Regression als ungünstiger prognostischer Faktor, aber die meisten Belege deuten darauf hin, dass dies kaum Auswirkungen auf das Metastasierungsrisiko hat. Der Nachweis einer spontanen Regression einer metastasierten Erkrankung ist beschrieben als nur 0,23 % und einer verbesserten 5-Jahresüberlebensrate von 50 % versus 15,7 % bei anderen Melanomen im Stadium IV (6). Melanome sind wahrscheinlich Tumore, die sich häufiger spontan zurückbilden im Vergleich zu anderen Tumoren, ausgenommen Nierenzellkarzinome und Neuroblastome. Approximativ 4–6 % der metastasierten Melanome präsentieren sich mit einem unbekannten Primärtumor. Als Grund dafür nimmt man an, dass der Primärtumor nicht gefunden werden kann oder dieser sich spontan zurückgebildet hat. Eine alternative Theorie beschreibt das Hervorkommen des Melanoms aus capsulären Naevi der Lymphknoten.
Die spontane Regression passiert bei beiden Geschlechtern und in allen Altersklassen gleichermassen. Die komplette spontane Regression eines primären Melanoms hat eine Ratio von 2:1 für männlich:weiblich. Am häufigsten bilden sich die cutanen oder subcutanen Ablagerungen zurück, gefolgt von Lymphknotenbeteiligung.
Die signifikantesten Faktoren, welche zu einer Tumorrückbildung führen, sind ein operatives Trauma, eine Infektion oder immunologische Faktoren. Dass nach einer Bestrahlung einer Metastase eine vom bestrahlten Ort entfernte Metastase sich ebenfalls zurückbildet, wurde in mehreren Fällen berichtet. Andere, weniger gut belegte Faktoren, welche mit der spontanen Rückbildung eines metastasierten Melanoms in Verbindung gebracht wurden, sind Bluttransfusionen, BCG- und Tollwutimpfungen, endokrine Faktoren wie Schwangerschaft oder deren Abbruch, zahlreiche alternative Therapien, Diabetes, Nephrolihiasis, Prostatahypertrophie und peptische Ulcera.
Man vermutet, dass die Stimulation des Immunsystems durch verschiedene Ursachen die natürliche Abwehr von Tumoren erhöht. Die Koexistenz von progressiven und regressiven Arealen im gleichen Tumor lässt vermuten, dass das lokale «Mikroenvironment» stark involviert ist in der komplizierten Balance zwischen tumor-attackierender Host Immunantwort und der Möglichkeit des Tumors, diese zu umgehen. Die Evidenz dafür kommt hauptsächlich aus immunologischen Studien über primäre Melanome (7).

Historie
Manuskript eingereicht: 25.01.2024
Angenommen nach Revision: 19.02.2024

 

 

Med. pract. Benita Janisch

Gesundheitszentrum Fricktal
Spital Rheinfelden
Klinik für Innere Medizin
Riburgerstrasse 12
4310 Rheinfelden

benita.janisch@gzf.ch

Dr. med. Tobias Öttl

Gesundheitszentrum Fricktal
Spital Rheinfelden
Klinik für Innere Medizin
Riburgerstrasse 12
4310 Rheinfelden

Es bestehen keine Interessenkonflikte.

  • Lymphadenopathien sind häufig und abklärungsbedürftig, wenn eine Lymphknotenregion betroffen ist und die Schwellung > 3-4 Wochen besteht. Oft ist es sinnvoller, a priori eine Lymphknotenexzision zur Diagnostik der Feinnadelpunktion (FNP) vorzuziehen, da nicht immer eine Aussage zur Ätiologie nach FNP gemacht werden kann. Melanome können sich spontan zurückbilden, sodass bei ca. 5% von Lymphknotenmetastasen mit Nachweis von Melanomzellen kein Primarius gefunden werden kann.

1. Garbe C et al. (2003) Melanozytäre Naevi und malignes Melanom. In: Kerl H et al. (Hrsg) Histopathologie der Haut. Springer Verlag, Berlin Heidelberg New York, S. 629-649
2. https://www.altmeyers.org/de/dermatologie/melanom-unbekannter-primartumor-14584
3. https://register.awmf.org/assets/guidelines/032-024OLl_S3_Melanom-Diagnostik-Therapie-Nachsorge_2020-08.pdf
4. https://medstandards.com/view/standard/83368?search=lymphknoten&highlighted=Lymphknoten%2BLymphknoten-Palpation%2BLymphknoten-Sonographie
5. https://compendium.ch/product/1346803-keytruda-inf-konz-100-mg-4ml/mpro
6. Vennegaard Kalialis L, Drzewiecki KT, Klyver H. Spontaneous regression of metastases from melanoma: review oft the literature. Melanoma research. 2009;19:275-282
7. Bramhall RJ, Mahady K, Peach AHS. Spontaneous regression of metastatic melanoma- Clinical evidence oft he abscopal effect. EJSO.2014;40;34-41.

Too Much of a Good Thing: Severe Hypercalcemia Presenting with Lethargy and Kidney Failure

Zu viel des Guten: Schwere Hyperkalzämie mit Lethargie und Nierenversagen

Zusammenfassung: Wir präsentierten einen Fall eines 58-jährigen Patienten mit einer Vorgeschichte einer Laryngo-Pharyngektomie inklusive bilateraler Thryroidektomie aufgrund eines Hypopharynxkarzinoms, welcher sich mit Lethargie, akutem Nierenversagen und schwerer Hyperkalzämie präsentiert. Das Milk Alkali Syndrom wurde aufgrund des deutlich erhöhten Kalziums und der anamnestischen Vitamin-D Supplementierung nach Ausschluss anderer Ursachen diagnostiziert. Nach der initialen Therapie mit NaCl, Furosemid und Denosumab entwickelte der Patient eine symptomatische schwere Hypokalzämie als unerwünschte Arzneimittelwirkung von Denosumab.
Schlüsselwörter: Hyperkalzämie, Milch-Alkali Syndrom, Denosumab, Nierenbiopsie

Case Presentation

A 55-year-old man was referred to the intensive care unit because of lethargy, acute kidney failure and hypercalcemia.
On the day of admission, the patient was not able to rise from a chair and fell to the floor. Emergency medical service suspected a stroke and admitted the patient to the stroke unit. After ruling out a cerebrovascular event, the patient was diagnosed with severe symptomatic hypercalcemia and kidney failure and admitted to the intensive care unit for treatment and diagnostic workup.
The current medication on admission is listed in Table 1.


The patient has a history of laryngo-pharyngectomy including bilateral thyroidectomy due to hypopharyngeal squamous cell cancer. Due to low calcium levels on routine follow-up appointments, the calcium supplementation dose was increased several weeks before the current presentation. The patient’s wife reported a three-week history of progressive fatigue, confusion, somnolence, muscle weakness and gait instability. Unintended weight loss, fever or night sweats, dysuria, polyuria, oliguria, arthralgia, or dermatologic symptoms were not reported.
On examination, the patient was afebrile with a temperature of 36.4°C, a blood pressure of 138/91 mmHg, a heart rate of 102/min, oxygen saturation of 88% at room air and a body mass index of 23.7 kg/m2. The patient was lethargic with a Glasgow Coma Scale (GCS) of 11 points (E4, V2, M5). Physical examination revealed rhythmic heart sounds without murmurs or rubs, normal bilateral breath sounds on pulmonary auscultation, and dry mucous membranes and skin. Regular bowel movements without tenderness or guarding were observed.

Investigations and Differential Diagnosis

The differential diagnosis of hypercalcemia is broad with cancer and hyperparathyroidism representing the most common causes. While intrinsic kidney failure normally results in hyperphosphatemia with accompanied hypo- or normocalcemia, the kidney failure was interpreted as secondary to hypercalcemia.
A diagnostic algorithm for the evaluation of hypercalcemia is presented in Figure 1.


Parathyroid hormone (PTH) was decreased (5.8pg/ml) ruling out hyperparathyroidism. Given the patient’s history of squamous cell cancer, parathyroid hormone-related peptide (PTHrP) was measured, the result of which was below the detection limit (<0.5pmol/L; see Table 2). Elevated 25(OH)-vitamin D (84.1ng/mL) levels and normal levels of 1,25(OH)2-vitamin D (36.3pg/mL) indicate mild vitamin-D overdose and render an autoimmune (e.g., sarcoidosis), infectious (bacterial, mycobacterial, fungal), granulomatous disease or lymphoma unlikely as a diagnosis.
Ultrasonography revealed no evidence of a postrenal cause for acute renal failure. Serological tests for anti-neutrophil cytoplasmic antibodies (ANCA), anti-nuclear antibodies (ANA), rheumatoid factor, HIV, and HBV/HCV were negative. In the absence of typical clinical signs (edema, elevated blood pressure) and given repeated normal urine sediment findings, nephritic or nephrotic kidney disease was ruled out. Serum protein electrophoresis showed no bands and a normal kappa/lambda ratio made multiple myeloma (or a monoclonal gammopathy of renal significance including light and/or heavy chain amyloidosis) unlikely.

Diagnosis and Treatment

As other causes of hypercalcemia were ruled out and given the rare combination of metabolic alkalosis and acute kidney failure, hypercalcemia and elevated 25-OH-vitamin-D levels, a diagnosis of milk-alkali syndrome and concomitant vitamin D intoxication was made as a diagnosis of exclusion. A careful review of the medication on admission showed overdosage of the combined calcium/vitamin D supplement as the underlying cause.
Initially, intravenous isotonic saline and furosemide were started and 120mg denosumab was administered given the patient’s history of cancer and suspected malignant hypercalcemia. Calcium levels normalized over five days. However, on day 8, severe hypocalcemia developed, which didn’t respond sufficiently to renewed calcium supplementation, first orally and then intravenously. Thus, we initiated treatment with oral calcitriol and continued high-dose calcium supplementation. Due to concomitant hypomagnesemia, we supplemented magnesium orally. Parathyroid hormone levels were measured and again very low, confirming primary hypoparathyroidism. Finally, on day 26, calcium levels returned to baseline levels (2.0mmol/L), see Figure 2.


Despite the timely initiation of treatment, kidney failure persisted. Notwithstanding negative urine sediment analysis, a transcutaneous kidney biopsy was performed to definitively rule out nephritic kidney disease and further explore the etiology of the kidney failure. Histologically chronic changes included a few sclerosed glomeruli. Proximal tubular epithelia showed some loss of brush borders and there were regenerative changes consistent with acute tubular injury and regeneration. There were few non-polarizing calcifications consistent with calcium phosphate (basophilic on hematoxylin and eosin stain, and black on the Kossa-stain) and multifocal tubulointerstitial Tamm-Horsfall-protein (uromodulin) extravasates associated with an inflammatory reaction but no typical findings of nephrocalcinosis. Figure 3, Immunofluorescence staining for IgG, IgA, C1q, and kappa and lambda light chains were negative.


After normalization of serum calcium values following hypocalcemia and stable recovery of kidney function, the patient was discharged from hospital care. Given the severe hypocalcemia due to denosumab, we prescribed oral calcium supplements and continued oral calcitriol treatment.
Regular follow-up appointments were arranged for serum electrolyte measurements and kidney function testing in short intervals. After three weeks, the patient redeveloped mild hypercalcemia, indicating the resolution of the denosumab side effect. After adaptation of Calcium supplementation, kidney function remained stable (Figure 2).

Discussion

In 1915, Bertram Sippy developed the “Sippy regimen”, a diet that consisted primarily of milk and cream with a combination of antacids (sodium bicarbonate and magnesium carbonate) for treating peptic ulcer disease. In the subsequent decades, toxic reactions with a syndromic triad including hypercalcemia, metabolic alkalosis and renal failure termed milk-alkali syndrome (MAS) were observed in these patients managed with the Sippy diet (1,2). Historically, three different subtypes of MAS have been described; acute, subacute (Cope‘s syndrome), and chronic (Burnett‘s syndrome).
The syndrome resurged in the late 20th century due to the increased awareness of the morbidity and mortality of osteoporosis and the popularity of over-the-counter vitamin D and calcium supplements (3).

After the establishment of proton pump inhibitors and antihistamines as efficacious therapies for gastrointestinal ulcer disease, Patel et al. suggested the term “calcium alkali syndrome” given the change in the pathophysiology and demographics of the disease from young men with peptic ulcer disease to post-menopausal woman, solid organ transplant recipients, pregnant woman and patients on dialysis (4).
The exact incidence of MAS remains unknown, but previous studies suggested that MAS is an underdiagnosed disease being the third most common cause of hypercalcemia after malignancy and hyperparathyroidism (5).
Several pathophysiological aspects of the development and persistence of MAS in this patient warrant further discussion.
First, hypercalcemia in MAS only develops if the calcium input exceeds the renal calcium excretion and the primary calcium regulatory mechanisms in the kidney, bone and intestine through PTH and calcitriol are exhausted. The required amount of calcium carbonate to induce MAS is reported to be > 4 g/d. The prescribed daily dose of calcium carbonate in our patient was 6.25g. Calcium induces gastric acid production, which further increases the availability of free calcium for absorption in the small intestine.
Second, several conditions need to be fulfilled to maintain hypercalcemia in MAS. Elderly people have decreased bone capacity and impaired renal function to regulate calcium levels. Thiazide diuretics are commonly prescribed antihypertensive drugs, which decrease calcium excretion by inducing volume depletion and enhance passive calcium absorption in the distal convolute tubule. Other drugs associated with an increased risk of MAS are non-steroidal anti-inflammatory drugs (NSAID) and renin-angiotensin-aldosterone system (RAAS) inhibitors.
Third, hypercalcemia in MAS suppresses PTH, which increases the activity of carbonic anhydrase in the proximal tubule aggravating metabolic alkalosis. This enhances calcium absorption in the proximal tubule, the loop of Henle and the distal tubule by stimulating the Calcium-sensing receptor (CaSR), the calcium channel TRP V5/6 and increasing transcellular calcium influx. Hypercalcemia causes vasoconstriction of the renal afferent arteriole and impairs the concentrating ability of the renal tubules and the antidiuretic hormone (ADH)-dependent water reabsorption aggravating volume depletion, alkalosis, and kidney injury, see Figure 4.


Fourth, calcium carbonate supplements normally result in hypo-or normophosphatemia, which further increases calcitriol levels, promotes the release of calcium and alkali from the bone and increases intestinal calcium absorption. In our patient with chronic hypoparathyroidism due to radical resection of hypopharyngeal carcinoma, hyperphosphatemia was observed at presentation underyling the concurrent vitamin D overdose and kidney failure, which further increased intestinal and renal calcium absorption. Of note, in most case reports of MAS, PTH and calcitriol are appropriately suppressed.
Given the prolonged kidney failure after calcium correction, a kidney biopsy was performed on this patient. Histological findings showed acute tubular injury and regenerative epithelial cells associated with extravasation of Tamm Horsfall-protein (THP) into the interstitial space and resulting inflammatory reaction as well as few tubulointerstitial calcifications and periglomerular fibrosis.
As the diagnosis of MAS is made clinically, a kidney biopsy is not required to establish the diagnosis. Therefore, published literature on histological findings in this setting is limited. Pathophysiologically, findings consistent with nephrocalcinosis are expected, which is histologically defined as the deposition of calcium phosphate crystals within renal tubules and sometimes within the interstitium (6).
Our case adds to the literature on histological findings on kidney biopsies performed in the clinical setting of MAS. In our case, histologically a degree of chronic tubulointerstitial and glomerular changes was appreciable. In addition, there was acute tubular injury and focal deposition of calcium phosphate crystals, associated with marked tubulointerstitial extravasation of THP and an interstitial inflammatory reaction, a phenomenon, which has been described in the setting of outflow obstruction for which there was no evidence in our patient. As shown in Figure 3a, the intratubular crystalline deposition can injure the tubular wall, thereby arguably eliciting extravasation of THP and a reactive inflammatory response, possibly resulting in interstitial fibrosis and atrophy.
Another important aspect of this case is postoperative hypoparathyroidism, defined as an inappropriately low PTH level in the context of hypocalcemia after neck surgery, which was correctly treated with calcium and vitamin D supplementation. This condition causes a fragile equilibrium in calcium homeostasis and can decompensate easier in acute illness (fever, reduced fluid intake) than in physiological conditions.
Treatment of MAS includes the discontinuation of calcium carbonate, appropriate rehydration and induction of calciuresis with loop diuretics. As malignant hypercalcemia was suspected at initial presentation, denosumab was administered. Treatment-related hypocalcemia after the administration of bisphosphonates or denosumab in MAS is reported and is therefore generally not recommended (7).
In conclusion, we report a case of MAS in a patient with secondary hypoparathyroidism due to radical resection of hypopharyngeal carcinoma presenting with hypercalcemia, acute kidney failure and lethargy. This case highlights that MAS should be considered in any patient presenting with hypercalcemia and metabolic alkalosis, elucidates the pathophysiology and histological findings of MAS and reminds clinicians to thoroughly review the current medication including over-the-counter medicines.

Abbreviations
ADH antidiuretic hormone
ANA anti-nuclear antibodies
ANCA anti-neutrophil cytoplasmic antibodies
CaSR Calcium-sensing receptor
GFR glomerular filtration rate
GCS Glasgow coma scale
MAS milk-alkali syndrome
NCC sodium-chloride cotransporter
NSAID non-steroidal anti-inflammatory drugs
PTH parathyroid hormone
PTHrP parathyroid hormone-related peptide
THP Tamm-Horsfall protein

History
Manuscript submitted: 14.10.2023
Accepted after revision: 25.03.2024

Acknowledgments
The authors would like to thank Dr. Claudia Buetikofer, Dr. Alf Corsenca, and Dr. Stefan Györke for their expertise and contribution to patient care.

 

 

Dr. med. Patrick Hofmann

Department für Innere Medizin
Kantonsspital Graubünden
Loestrasse 170
7000 Chur

Patrick.hofmann@ksgr.ch

Dr. med.Arcangelo Friedrich Carta

Department of Internal Medicine
University Hospital Zurich
Zurich
Switzerland

arcangelo.carta@usz.ch

Dr. med. Christian Trachsel

Leitender Arzt Innere Medizin und Intensivmedizin
Leiter Intensivstation
Spital Uster AG
Brunnenstrasse 42
Postfach | 8610 Uster

Birgit Maria Helmchen

Oberärztin
Institut für Pathologie und Molekularpathologie
Universitätsspital Zürich
Schmelzbergstrasse 12
8091 Zürich

birgitmaria.helmchen@usz.ch

The authors declare no potential conflict of interest related to this article.

  • Milk alkali syndrome should be suspected in any patient with hypercalcemia, metabolic alkalosis, and kidney failure.
  • A detailed history including antacids, vitamin and calcium-containing supplements is essential to diagnose MAS.
  • Treatment includes cessation of calcium intake and rehydration.
  • Severe hypocalcemia is a rare adverse effect of denosumab.

1. Burnett CH, Commons RR, Albright F, Howard JE. Hypercalcemia without Hypercalcuria or Hypophosphatemia, Calcinosis and Renal Insufficiency — A Syndrome Following Prolonged Intake of Milk and Alkali. New Engl J Medicine 1949;240:787–94.
2. Zayed RF, Millhouse PW, Kamyab F, Ortiz JF, Atoot A. Calcium-Alkali Syndrome: Historical Review, Pathophysiology and Post-Modern Update. Cureus 2021;13:e13291.
3. Beall DP, Henslee HB, Webb HR, Scofield RH. Milk-Alkali Syndrome: A Historical Review and Description of the Modern Version of the Syndrome. Am J Medical Sci 2006;331:233–42.
4. Patel AM, Adeseun GA, Goldfarb S. Calcium-Alkali Syndrome in the Modern Era. Nutrients 2013;5:4880–93.
5. Patel AM, Goldfarb S. Got Calcium? Welcome to the Calcium-Alkali Syndrome. J Am Soc Nephrol 2010;21:1440–3.
6. Fogo AB, Lusco MA, Najafian B, Alpers CE. AJKD Atlas of Renal Pathology: Nephrocalcinosis and Acute Phosphate Nephropathy. Am J Kidney Dis 2017;69:e17–8.
7. Thongprayoon C, Acharya P, Acharya C, Chenbhanich J, Bathini T, Boonpheng B, et al. Hypocalcemia and bone mineral density changes following denosumab treatment in end-stage renal disease patients: a meta-analysis of observational studies. Osteoporosis Int 2018;29:1737–45.
8. Reagan P, Pani A, Rosner MH. Approach to Diagnosis and Treatment of Hypercalcemia in a Patient With Malignancy. Am J Kidney Dis 2014;63:141–7.

You only ECHO Twice – man “ECHO”ed nur zweimal

Der ischämische Schlaganfall resultiert aus einer plötzlichen Unterbrechung des zerebralen Blutflusses, oft verursacht durch Thrombosen, Embolien oder Hypoperfusion. Selten sind Herztumoren die Ursachen eines embolischen Ereignisses. Wir berichten über eine 80-jährige Frau mit einem Hirnschlag. Die erfolgreiche Thrombektomie enthüllte ein histopathologisch bestätigtes papilläres Fibroelastom als die Emboliequelle. Obwohl es bei der ersten Echokardiographie nicht nachweisbar war, wurde der Tumor durch transösophageale Echokardiographie entdeckt. Dieser Fall betont die Bedeutung, primäre Herztumoren als potenzielle Emboliequellen bei ischämischen Schlaganfallfällen in Betracht zu ziehen.

Einführung

Wir berichten über eine 80-jährige Patientin, die sich mit einem armbetonten faciobrachiocruralen sensomotorischen Hemisyndrom links und Dysarthrie auf unserer Notfallstation präsentierte. Fremdanamnestisch konnte indirekt eruiert werden, dass sich die Symptomatik bereits in den letzten 12-24 Stunden entwickelte.
Bis auf eine leichtgradige Adipositas, waren keine weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren bei der Patientin bekannt. Es lag keine relevante Dauermedikation vor, die Familienanamnese war unauffällig. Die Patientin war Rechtshänderin.
Im späteren Verlauf erwähnte die Patientin lediglich, dass sie in den letzten Wochen immer wieder febril gewesen sei. Andere Symptome wurden verneint. Etwaige kardiopulmonale Beschwerden waren nicht erinnerlich.
Die Patientin zeigte sich initial hypertensiv mit einem Blutdruck von 150/80 mmHg bei einer Sauerstoffsättigung von 98 % unter Raumluft. In der klinischen Untersuchung standen die neurologischen Defizite im Vordergrund, nämlich die deutliche Facialisparese links, Armplegie links, Beinparese links, Zungendeviation nach links und ein Neglect links bei zudem Dysarthrie. Die NIHSS bei Eintritt lag bei 10 Punkten; die mRS bei 5 Punkten. Der GCS lag bei 15. Die Lungen waren auskultatorisch unauffällig, das Herz rhythmisch und ohne pathologische Nebengeräusche. Das Abdomen war palpatorisch weich und druckindolent mit regelrechten Darmgeräuschen.
Als Ursache der neurologischen Manifestation boten sich differentialdiagnostisch eine Epilepsie, Synkope, Migräne, Hypo-/Hyperglykämie, Medikamentenintoxikation oder ein Hirntumor.
Im Primary Survey durch die Rettungssanitäter, wurde unter anderem eine Hypoglykämie ausgeschlossen, sodass wir den Stroke als häufigste und naheliegendste Ursache, abklärten.

In der Bildgebung mittels Schädel CT-Angiografie, bestätigte sich eine akute Ischämie rechtshemisphärisch im Mediastromgebiet bei M1-Verschluss der MCA rechts mit relativ grosser Penumbra und bereits Infarktdemarkierung in der Insula, Capsula externa, Putamen, periventrikulärem Marklager bis hin zur Cauda nuclei caudati, reichend (Bild 1).


Aufgrund des zeitlich unklaren Symptombeginns und der computertomografisch beginnenden Demarkation mit jedoch vorhandenem MTT/CBV-Mismatch, wurde auf eine intravenöse Lyse verzichtet und die Patientin direkt zur mechanischen Thrombektomie in ein Strokezentrum verlegt.

Dort erfolgte eine komplikationslose mechanische Thrombendarteriektomie und das Gefäss konnte mittels Stentretriever und Thrombo-Aspiration wiedereröffnet werden. Das Aspirat wurde anschliessend zur histopathologischen Untersuchung abgeschickt. Postinterventionell erfolgte das Standard-Post-Stroke Work-Up mittels Langzeit-EKG, Du­p­lexsonographie der Halsgefässe und TTE. In den durchgeführten Untersuchungen liess sich initial keine Stroke­ursache eruieren. Im Verlauf kam das Ergebnis der Histopathologie des aspirierten Thrombus, an. Es konnten dabei im Thrombus papillär ausgebaute Gewebsfragmente mit fibroelastischen Kernstücken und wenig myxoiden Anteilen, welche an eine Embolie eines papillären Fibroelastoms denken liessen, nachgewiesen werden (Bild 2).

Das Stroke-Work-Up wurde um ein zusätzliches TEE ergänzt. Dieses bestätigte schliesslich den histologischen Befund, mit Darstellung einer 15×18 mm messenden kugeligen flottierenden Struktur zwischen dem linken Vorhof und der linken oberen Lungenvene (im Bereich der Warfarin Ridge, Bild 3). Durch das TEE wurde somit das Herz als primäre Emboliequelle des Hirninfarktes, bestätigt.


Herztumoren, obwohl im Vergleich zu anderen Herzerkrankungen selten, stellen aufgrund ihrer vielfältigen Ursprünge, variablen klinischen Manifestationen, Komplikationen und komplexen Behandlungsansätzen, einzigartige Herausforderungen dar. Sie können entweder als primäre Tumoren entstehen, die im Herzen selbst ihren Ursprung haben, oder als sekundäre Tumoren, die an anderer Stelle im Körper entstehen und zum Herzen metastasieren (1). Diese Tumoren umfassen eine breite Palette histologischer Typen, einschliesslich gutartiger und bösartiger Neoplasien, von denen jeder seine eigene biologische Verhaltensweise mit entsprechenden klinischen Auswirkungen hat (siehe Tabelle 1) (1).


Von allen primären Herztumoren sind mehr als 75% benigne. Myxome respektive Papilläre Fibroelastome sind zwar die zwei häufigsten primären Herztumore, jedoch beträgt die Häufigkeit der Tumoren nur 0.021%–0.019% (2, 3.)
Im klinischen Alltag gehören die Herztumoren zu einer Rarität. Primäre Herztumore haben eine Prävalenz von weniger als 0.1% (4, 5). Dagegen sind Herzmetastasen deutlich häufiger. Bei mehr als 9.1% der Patienten, die mit einer malignen Krebserkankung sterben, können Herzmetastasen post mortem nachgewiesen werden (5).
Die Symptome eines Herztumors können durch nachfolgende Prozesse erklärt werden (6).

Embolisation – Es kann sich um einen abgebrochenen Teil des Tumors handeln, oder um einen Thrombus, der sich auf der Tumorwand gebildet hat und mit dem Blutstrom in den Kreislauf gelangt. Wächst der Tumor im rechten Vorhof res­pektive in den rechten Ventrikel, kann es dabei zu Symp­to­men, vereinbar mit einer Lungenembolie (Rechtsherz­be­lastung, gestaute Halsvenen, periphere Ödeme, Aszites, Tach­y­kardie, Hypotonie), kommen. Bei Linksherztumoren mit Ursprung im linken Vorhof oder im linken Ventrikel, sind die Symptome weniger systemisch und eher lokal betont. Bei einer Embolisation ins Gehirn, tritt ein Strokeartiges neurologisches Muster, auf. Andererseits kann der Embolus auch ein peripheres Gefäss obstruieren und dadurch eine akute Extremitätenischämie verursachen.
Obstruktion – Je nach Grösse und Lokalisation, können die Herztumoren rechtsseitige oder linksseitige Herzkom­par­timente obstruieren und dadurch entsprechende Herz­in­suffizienzmuster imitieren.
Imitation von Herzklappenfehlern – Ähnlich zum Obstruk­tionsmechanismus, können die Tumoren je nach Intensität der Interferenz mit den Herzklappen, verschiedene Klappen­vitien imitieren und dadurch zur Links- respektive Rechts­herzin­suffizienz führen.
Invasivität – Bei signifikanter Infiltration des Myokards, ist nicht nur dessen mechanische Fähigkeit beeinträchtigt, son­dern auch die Elektrophysiologie, was sich als Blockbildung oder Arrhythmie manifestieren kann. Bei noch tieferem Wachs­tum kann der Tumor bis ins Perikard hineinwachsen. Dadurch kommt es zur Ergussbildung mit oder ohne Symp­tome einer Perikardtamponade. Falls der Tumor sehr invasiv wächst und die Lunge infiltriert, können Symptome eines Bron­chialcarcinoms imitiert werden.
Systemische Symptome – Unspezifische Beschwerden wie Schwäche, (sub-)febrile Temperaturen, Müdigkeit, Appe­tit­losigkeit, Gewichtsverlust sowie laborchemische Verän­de­rungen (CRP, Blutbild) können auftreten.

In der letzten Dekade steigen die Zahlen der per Zufall diag­nostizierten Herztumoren durch Ausbreitung von bild­geben­den Methoden wie PET-/CT/MRI/TTE/TEE, etc. (7)
Bei Verdacht auf einen Herztumor der ursächlich für den Schlaganfall sein kann, ist eine transthorakale Echokar­dio­graphie, die Bildgebung der Wahl. Diese Untersuchung, zusammen mit dem CT und MRI, kann Myxome, papilläre Fibro­elas­tome, Fibrome und Lipome, diffe­renzieren (7). Eine transösophageale Echokardiographie hat indessen, im Ver­gleich zur TTE, durch fehlende Knochen- und Lun­gen­arte­fakte sowie minimale Entfer­nung des Ösophagus zum Her­zen, eine bessere Qualität (8). Das TEE wird als ergän­zende Diagnostik, bei schlechter Echoqualität des TTEs res­pektive bei Kryptogenem Stroke, zur weiteren Abklärung verwendet, falls die primären Untersuchungen keine Ursache der Embo­lie, zeigen konnten.

Das Herz-MRI ist die beste non-invasive bildgebende Me­thode, um die topographischen und morphologischen Fähig­keiten des Tumors darzustellen (9).
Ein PET-Scan wird vor allem bei Patienten mit metastasierten Tumoren durchgeführt, wobei dabei eine Herzmetastase bestätigt wird.

Eine Koronarangiographie wird zur Darstellung der genauen Blutversorgung sowie zur Planung einer Resektion des Herz­tumors, durchgeführt. Falls eine Resektion nicht möglich/erwünscht ist, kann eine perkutane Tumorbiopsie durch­geführt werden, um die weitere non-invasive Therapie planen zu können (6). Die Biopsien tragen jedoch ein hohes Risiko für Komplikationen mit sich, wie zum Beispiel eine Herz­wand- oder Septumperforation, Tamponade, Pneu­mo­thorax oder Infektion.
Es gibt keine umfangreichen Studien zur optimalen Therapie von Herz­tumoren, insbesondere bei malignen Formen; es liegen oftmals nur Ein­zelfallberichte vor. Die vollständige Resektion in Kombination mit einer Chemo-/Radiotherapie ist in den meisten Fällen die bevo­r­zugte Be­handlung von malignen Tumoren. Benigne Neu­bildungen tendieren zur Embolisation. Die chirurgische Entfernung eines Myxoms/papillären Fibroelastoms, ist so­mit die einzige kurative Mög­lichkeit, das thrombo­embolische Risiko des Tumors, zu eliminieren (10-12).

In Konsens mit den aktuellen Richtlinien, wurde auch der Patientin unseres Fallbeispiels, aufgrund des bestehenden, erhöhten Embolisationsrisikos, eine kardiochirurgische mi­ni­malinvasive Tumorexzision empfohlen.
Jedoch entschied sich die Patientin gegen eine solche Oper­ation, sodass mit einer medikamentösen Sekundärprophylaxe mittels Antiaggregationshemmer (Aspirin cardio) lebenslang, Antikoagulation (Apixaban) lebenslang sowie einer beglei­tenden Statintherapie begonnen wurde.
Im Anschluss absolvierte die Pa­tien­tin eine intensive 3-Monate lange Neu­rorehabilitation. In einem inter­diszi­pli­nären, multi­modalen Behand­lungskonzept erhielt die Patien­tin Physio-, Ergo-, Logopädie mit Dys­pha­gietherapie, ma­nu­elle Aktivie­rungs­therapie, Ernährungsberatung sowie neu­­ro­­psycho­lo­gische Diag­nos­tik und Therapie. Sie konnte die Rehabilitation schliess­lich in deutlich gebessertem Zu­stand verlassen. Der NIHSS lag bei 3 Punkten; der mRS bei 2 Punkten.
Ein Jahr nach dem Hirninfarkt, ging es der Patientin weiter­hin gut, sie war selbstständig, konnte ohne Hilfs­mittel laufen und hatte keine Be­schwerden mit dem Sprechen. Der Neglect war komplett regredient. Das einzige bestehende Defizit zeigte sich in Form einer fehlenden Feinmotorik im Bereich der linken Hand.
Die Sekundärprophylaxe mit Apixaban, Aspirin cardio und dem Statin, wird weiterhin vollständig eingenommen.
Dieser klinische Fall hebt die Stärken, Vorteile und Limita­tionen von moderner Evidence-based Medizin, hervor.

Mithilfe der standardisierten und raschen Behandlung der Stroke-Patientin, konnte eine gezielte Diagnostik und rasche Therapieentscheidung, erfolgen.
Die typischen neurologischen Ausfälle, mit welchen sich die Patientin initial auf dem Notfall vorstellte, führten zu einer gezielten Bildgebung mittels Schädel CT-Angiographie, wo der Hirninfarkt im rechten Mediastromgebiet, dargestellt werden konnte. Die initialen Abklärungen mittels TTE, Caro­tis-Sonographie und Herzrhythmusüberwachung, lie­fer­ten zunächst keine Ätiologie. Es wurde der Entscheid zur mechanischen Thrombendarteriektomie getroffen, wobei sich letztendlich erst im Thrombusaspirat histopathologisch ein papilläres Fibroelastom, als primäre kardiale Em­bo­liequelle des Schlaganfalls, darstellen liess und die Stroke-Ursache somit geklärt werden konnte.
Wie bereits in der Fallbeschreibung erwähnt, fiel die erste transthorakale Echokardiographie nach dem Hirninfarkt, unauffällig aus. Nachdem im Thrombusaspirat ein papilläres Fibroelastom gezeigt wurde, erfolgte eine Re-Echokar­dio­graphie mittels TEE, wo der Befund bestätigt wurde. Diese Erfahrung steht im Einklang mit Daten der Mayo-Clinic Studie, wo ein zugrundeliegender Herztumor in 70% der transthorakalen Echokardiographien, initial verpasst wurde (13). Deshalb ist es wichtig, insbesondere bei Kryptogenen Strokes, in zweitrangigen diagnostischen Abklärungen, die Bedeutung der transösophagealen Echokardiographie, nicht zu unterschätzen.
Obwohl die Anwesenheit einer Herzneoplasie in der TEE nicht überraschend war, konnte der differentialdiagnostische Verdacht eines Myxoms, aufgrund der Grösse, Lage und Morphologie der Neoplasie im TEE, widerlegt werden. Die unspezifischen klinischen Symptome, wie rezidivierende sub­febrile Temperaturen und ein laborchemisch erhöhtes CRP sowie IL-6, unterstützten den echokardiographischen Verdacht der Kardiologen zusätzlich (6).
Zudem lag der histopathologische Befund des Thrombus­aspirates vor, welcher ein papilläres Fibroelastom, bestätigte. Eine definitive Sicherheit in der Diagnosestellung, erlangt man letztendlich jedoch nur mittels einer kardio­chirurg­ischen Exzision.
Da die chirurgische Entfernung eines Myxoms/papillären Fibro­­elastoms, das thrombembolische Risiko des Tumors praktisch eliminiert, wurde auch unserer Patientin, eine Ope­ration empfohlen. Trotz des relativ tiefen Mortalitäts­risikos der minimalinvasiven Resektion (ca. 5%;10-12), ent­schied sich die Patientin für eine konservative Behandlung. Somit wurde eine kombinierte medikamentöse Sekundär­prophy­laxe mit Apixaban, Aspirin cardio und einem Statin, begonnen.
Damit soll insbesondere das erhöhte Risiko einer Throm­busbildung auf der Oberfläche des Tumors, kontrolliert, und eine erneute Thromboembolisation vermieden werden (14, 15). Eine Embolisation des Tumor­fragmentes kann jedoch per se durch die medikamentöse Behandlung nicht beein­flusst werden.
Aufgrund der Seltenheit von Herztumoren, ist die Mög­lichkeit einer prospektiven randomisierten Studie im Bereich des Ma­nagements des Tumors, Risiken und der geeigneten Throm­boembolieprophylaxe, un­realistisch. Weitere Fall­bei­spiele und retrospektive Studien sind notwendig, um die um­strit­tenen Punkte einer optimalen Versorgung genauer abzuklären.

Die selteneren Ursachen einer Hirnischämie dürfen nicht vergessen werden. Es gilt insbesondere initial auf der Not-fallstation, einen weitläufigen differentialdiagnostischen Blick zu behalten, um auch eine Epilepsie, einen Hirntumor, eine Medikamentenintoxikation oder Hypo-/Hypergly­kämien, nicht zu verpassen. Eine unauffällige transthorakale Echo­kar­diographie schliesst zudem einen Herztumor, Thrombus oder eine Klappenvegetation, nicht vollständig aus, sodass hier sicherlich eine transösophageale Echo­kar­diographie als nächste Option, zu überlegen ist. Die einzige kurative Option zur Behandlung des Herztumors, ist eine Resektion. Die Pros Und Contras einer solchen Operation, sind individuell zu betrachten und mit der/dem Patientin/en sorgfältig ab­zuwägen; eine systematische Studie hinsichtlich der kon­ser­vativen Behandlung ist erforderlich.

Im Artikel verwendete Abkürzungen
NIHSS National Institutes of Health Stroke Scale
ABCD2-Score Prognostisches Scoring System zur Abschätzung des Schlaganfallrisikos nach TIA (Alter, Blutdruck, Clinical features bei Erstuntersuchung, Dauer der Symptome, Diabetes mellitus)
mRS Modifizierte Rankin-Skala
GCS Glasgow Coma Scale
MCA Middel cerebral artery (Arteria cerebri media)
MTT Mean transit time
CBV Cerebral blood volume
TTE Transthorakale Echokardiographie
TEE Transoesophageale Echokardiographie
ESUS Embolischer Schlaganfall unklaren Ursprungs
PCT Primary Cardiac Tumors
PFE Papillary FIbroelastom
MX Myxom
DAPT Duale Antiplättchentherapie

Dr. med. Dominik Paugsch

Luzerner Kantonsspital
Herzzentrum
Spitalstrasse
6004 Luzern

Es bestehen keine Interessenkonflikte.

Historie:
Manuskript eingereicht: 15.11.2023
Nach Revision angenommen: 20.02.2024

  • Mithilfe der standardisierten und raschen Behandlung der Stroke-Patientin, konnte eine gezielte Diagnostik und rasche Therapieentscheidung, erfolgen.
  • Es ist wichtig, insbesondere bei Kryptogenen Strokes, in zweitrangigen diagnostischen Abklärungen, die Bedeutung der transösophagealen Echokardiographie, nicht zu unterschätzen.
  • Eine definitive Sicherheit in der Diagnosestellung eines Herztumors, erlangt man letztendlich nur mittels einer kardiochirurgischen Exzision.
  • Nur die chirurgische Entfernung eines Myxoms/papillären Fibroelastoms, eliminiert praktisch das thrombembolische Risiko eines Herztumors. Alternative ist eine medikamentöse Therapie, bestehend aus einer oralen Antikoagulation, einem Thrombozytenaggregationshemmer sowie einem Statin.
  • Eine Embolisation des Tumorfragmentes kann per se durch die medikamentöse Behandlung jedoch nicht beeinflusst werden.
  • Die optimale Versorgung von Herztumoren bleibt umstritten. Weitere Fallbeispiele sowie retrospektive Studien werden benötigt.

1. International Agency for Research on Cancer. WHO Classification of Tumours of the Lung, Pleura, Thymus and Heart 4th edn (World Health Organization, 2015).
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Kardiologisches Management in der Schwangerschaft bei Long-QT 2 Syndrom

Das Long-QT-Syndrom (LQTS) ist eine angeborene Ionenkanalerkrankung, die eine verlängerte ventrikuläre Repolarisation verursacht und sich im Oberflächen EKG mit einer verlängerten QT-Zeit präsentiert. Diese Erkrankung prädisponiert für lebensbedrohliche ventrikuläre Arrhythmie sowie den plötzlichen Herztod. Das LQTS ohne entsprechende Therapie stellt während der Schwangerschaft und in der postnatalen Phase aufgrund der mit der Gestation verbundenen physiologischen Veränderungen ein zusätzlich erhöhtes Risiko für einen plötzlichen Herztod dar. Wir präsentieren einen Fallbericht einer 30-jährigen schwangeren Frau mit bekanntem Long-QT-Syndrom Typ 2 (LQT2) und dem konsekutiven kardiologischen Management.

Einführung

Das angeborene Long-QT-Syndrom ist eine genetische Erkrankung der Ionenkanäle (Kanalopathie), charakterisiert durch eine prolongierte ventrikuläre Repolarisation (QT- Zeit Verlängerung im Ruhe EKG, siehe Abbildung 1). Bei adrenerger Aktivierung kann diese verlängerte Repolarisation – insbesondere bei LQTS 1 und 2 – zu polymorphen ventrikulären Tachykardien bekannt als ,,Torsade de pointes” mit konsekutiven Synkopen bis hin zu einem plötzlichen Herztod führen können [1,2,3].

Die korrekte Diagnose des Long-QT-Syndroms (LQTS) basiert auf der herzfrequenzkorrigierten QT-Zeit (QTc), einer Reihe anderer elektrokardiographischer Parameter sowie Informationen aus der Anamnese und Familienanamnese und ggf. der genetischen Untersuchung. Diagnosekriterien nach Schwartz et al. sind state-of-the-art. Wichtig ist zudem das Fehlen von strukturellen Herzerkrankungen, QT-Zeit verlängernden Medikamenten (siehe Abbildung 2) und anderen prädisponierenden Faktoren wie Hypokaliämie [4,5,6].

Es gibt verschiedene Methoden zur Messung der QT-Zeit, die zu unterschiedlichen Grenzwerten führen, in der Literatur am besten validiert ist die Bazett- Formel (siehe Abbildung 3). Darüber hinaus sollte, obwohl die U-Welle bei LQTS-Patienten ebenfalls abnorm sein kann, die U-Welle nicht in die QT-Zeit Messung einbezogen werden [6].

Zusätzlich sollten die Kriterien nach Priori et al. berücksichtigt werden, welche bei zutreffen von einer oder mehreren der folgenden Kriterien von einem LQTS ausgehen [7]:

  • Bei einem Vorliegen von einem LQTS-Risikowertes ≥3,5 (siehe Abbildung 2) in Abwesenheit einer sekundären Ursache für QT-Verlängerung und/oder
  • bei Vorliegen einer zweifelsfrei pathogenen Mutation in einem der LQTS-Gene oder
  • bei Vorliegen eines, unter Verwendung von Bazett- Formel korrigierten, QT-Intervalls (QTc) von ≥500 ms in wiederholten 12-Kanal-Elektrokardiogrammen (EKG) und in Abwesenheit einer sekundären Ursache für QT- Zeit Verlängerung.
  • Zudem kann LQTS diagnostiziert werden, wenn in wiederholten 12-Kanal-EKGs bei einem Patienten mit ungeklärter Synkope in Abwesenheit einer sekundären Ursache für QT-Verlängerung und in Abwesenheit einer pathogenen Mutation eine QTc- Zeit zwischen 480–499 ms vorliegt.

Das durchschnittliche Alter der ersten Symptome bei LQTS beträgt 14 Jahre. Das jährliche Risiko für einen plötzlichen Herztod (SCD) bei asymptomatischen, unbehandelten LQTS-Patienten wurde auf weniger als 0,5% beziffert, während das jährliche Risiko für einen plötzlichen Herztod auf etwa 5% bei Patienten mit bereits erlittenen Synkopen in der Vorgeschichte ansteigt [6]. Bei symptomatischen Index Patienten beträgt die unbehandelte 10-Jahres-Sterblichkeitsrate sogar um 50% [8]. Es wurden bis dato 11 Gene mit LQTS in Verbindung gebracht, die Prävalenz liegt bei 1:2500 [4,7,10]. Die häufigsten Gene sind diejenigen, die LQT1, LQT2 und LQT3 verursachen: KCNQ1, KCNH2 und SCN5A, welche jeweils gen-spezifische Auslöser wie körperliche Anstrengung (LQT1), emotionalen Stress (LQT2) und Schlaf (LQT3) aufweisen. Die genetische Untersuchung identifiziert eine Mutation bei 75% der LQTS-Fälle, wobei die drei Hauptgene für 90% der positiv genotypisierten Fälle verantwortlich sind [9]. LQT1-Patienten entwickeln meist bereits in der Kindheit Symptome und sind überwiegend männlich, während LQT2- und LQT3-Patienten Symptome etwas später, meist in der Pubertät, entwickeln und überwiegend weiblich sind [9].

Fallbericht

Wir präsentieren einen Fallbericht über eine schwangere Patientin mit einem zuvor diagnostiziertem LQT2 und erläutern die angewendeten Behandlungsstrategien für eine sichere Schwangerschaft, Entbindung und postpartale Phase.
Unsere Patientin hatte zwei Schwestern, von denen eine im Jahr 2012 im Alter von 17 Jahren plötzlich in einem Skilager in den Anden im Schlaf verstarb. 3 Monate vor ihrem Tod erlitt die Schwester unserer Patientin eine Synkope. Die Synkope ereignete sich während des Tages beim Aufstehen vom Mittagstisch, die Schwester verlor plötzlich das Bewusstsein. Während dieses Vorfalls knirschte sie mit den Zähnen, atmete nicht und zeigte tonisch-klonische Bewegungen, die insbesondere die oberen Gliedmaßen betrafen. Offenbar hatte sie keinen tastbaren Puls, aber nach 2 externen Beatmungen erlangte sie das Bewusstsein zurück und erholte sich rasch. Sie wurde in einem örtlichen Krankenhaus in der Schweiz untersucht und ein EKG zeigte eine ausgeprägte Verlängerung des QT-Intervalls von über 500 ms und morphologische Abnormalitäten der T-Welle in mehreren Ableitungen. Ein Holter-Monitor zeigte ebenfalls eine Verlängerung des QT-Intervalls und morphologische Abnormalitäten der T-Welle. Es wurde jedoch keine Diagnose gestellt, wenige Monate danach verstarb die Schwester.
Es wurde eine Autopsie durchgeführt, die jedoch unauffällig ausfiel. Eine molekulare Autopsie ergab eine pathogene heterozygote Variante in KCNH2: Trp100X, die Long QT Typ 2 verursacht und den plötzlichen Herzstillstand erklärt. Eine kaskadenartige genetische Untersuchung ergab, dass die Patientin und ihre noch lebende, jüngere Schwester ebenfalls heterozygote Träger der Variante KCNH2: Trp100X sind. Beide wurden mit Nadolol behandelt. Auch die beiden Eltern wurden getestet. Die Mutter war genetisch negativ, während der Vater positiv für Mosaikismus von KCNH2: Trp100X war. Er zeigte jedoch keine phänotypischen Merkmale.

Unsere Patientin wurde zunächst mit 40 mg/Tag Nadolol behandelt, aber die Medikation wurde aufgrund von Müdigkeit abgesetzt. Nach dem Absetzen der Betablocker-Therapie hatte sie einen „epileptiformen“ Synkopen-Anfall, der durch das Klingeln eines Weckers ausgelöst wurde. Daher wurde Nadolol in einer reduzierten Dosis von 20 mg/Tag erneut verordnet. Seitdem war die Patientin beschwerdefrei. Nach der Synkope wurde ein Event-Rekorder implantiert, um potentielle weitere ventrikuläre Rhythmusstörungen aufzeichnen und die Therapie entsprechend anpassen zu können.

Die Patientin wies eine normale QT-Zeit im Ruhezustand auf. Signifikante QT-Zeit Verlängerungen und T-Wellen- Abnormalitäten traten beim Stehen und während der Erholung nach körperlicher Anstrengung auf. Dies deutete auf ein verborgenes Long-QT-Syndrom hin, das durch einfache Manöver manifest wurde. Die T-Wellen-Morphologie war mit einem Long-QT-Typ 2 vereinbar (Abbildung 5).

Verlauf der Schwangerschaft und postnatale Periode

Die Patientin zog im Alter von 29 Jahren in die Schweiz und äusserte einen Kinderwunsch. Es erfolgte ein Beratungsgespräch einige Monate vor der Schwangerschaft, welches die Risiken, die mit LQT2 während der Schwangerschaft verbunden sind, aufzeigte. Die Patientin wurde über die Wichtigkeit der täglichen Medikamenteneinnahme informiert. Nach dem Eintritt der Schwangerschaft wurde die Patientin alle 2-3 Monate mittels EKG und Elektrolytkontrollen in der kardiologischen Praxis kontrolliert. Der Betablocker wurde langsam auf die Zieldosis von Nadolol 1mg/kg (aufgeteilt auf eine Morgen- und Abenddosis) gesteigert, um in der für die Patientin vulnerabelsten Phase, während des Peripartum, die Zieldosis zu erreichen. Aufgrund der erwarteten Gewichtszunahme während der Schwangerschaft wurde die Dosis angepasst. Während der Verlaufskontrollen wurde der Event-Rekorder regelmässig abgefragt und zwischenzeitlich Daten remote übermittelt. Im 3. Trimester verspürte die Patientin Palpitationen, die durch den Event- Rekorder aufgezeichnet wurden. Hier zeigten sich in der Abfrage isolierte ventrikuläre Extrasystolen und eine ventrikuläre Salve über 4 Schläge. Ein gesundes Baby wurde vaginal entbunden, und die postnatale Phase unter Betablocker (Nadolol 1 mg/kg aufgeteilt auf eine Morgen- und Abenddosis) verlief ereignislos. Jedoch kam es 2 Monate nach der Entbindung unter optimaler Betablocker Dosierung zu einer nicht anhaltenden Torsade de Pointes Tachykardie. Die Betablocker Therapie wurde um 10 mg/Tag (von 80 mg auf 90 mg) erhöht und die Möglichkeit einer primärpräventiven ICD-Implantation mit der Patientin diskutiert. Die erhöhte Dosierung des Betablockers wurde erst nach der Aufteilung in 3 Tagesdosen toleriert. Ausserdem wurde die tägliche Einnahme von Magnesium erst nach Wechsel auf eine stärkere Verdünnung eingehalten. In den folgenden Monaten wurden keine Rhythmusstörungen verspürt bzw. vom Event-Rekorder aufgezeichnet. Daher wurde vorerst weiterhin von einer ICD-Implantation abgesehen.

Diskussion

Anhand dieses Falles lässt sich die Wichtigkeit eines Kaskadenscreenings nach diagnostiziertem Index bei Patienten darstellen. Nach der korrekten Diagnosestellung sowie genetischer Untersuchung und Beratung, ist die weitere kardiologische Begleitung in allen Lebenslagen notwendig.

Behandlungsstrategien

Die Grundlage der Behandlung von Patienten mit Long-QT-Syndrom (LQTS) stellt die Betablocker-Therapie dar. Entgegen der gängigen Meinung sind nicht alle Betablocker gleich wirksam. Die beiden effektivsten sind zweifellos Nadolol und Propranolol. Metoprolol und Atenolol sind weniger wirksam und sollten vermieden werden [5,6]. Daher werden ausschliesslich die nicht-selektiven Betablocker Nadolol und Propranolol als die wirksamsten Medikamente empfohlen [6].
Die neuen HRS Leitlinien von 2023 sprechen sich ausserdem klar für eine durchgehende Einnahme einer Betablockade bei schwangeren Patientinnen mit Long-QT-Syndrom aus. Diese sollte auch in der postpartalen Phase einschließlich des Stillens als Zeit mit erhöhtem Risiko für kardiale Ereignisse fortgesetzt werden (Evidenz Grad I, Empfehlungsgrad B) [12]. Propanolol wird dabei deutlich weniger in der Muttermilch ausgeschieden als Nadolol [13]. Jedoch zeigte eine Studie bei 68 Lebendgeburten von 31 Frauen mit LQTS der Cleveland Clinic in 2022, dass die Betablockade, insbesondere mit Nadolol, nicht mit einer höheren Inzidenz von intrauteriner Wachstumsretardierung assoziiert war. Darüber hinaus waren neonatale Bradykardien selten und Hypoglykämien wurde nicht beobachtet [14].
Nadolol hat eine längere Halbwertszeit als Propanolol, was anstatt einer dreimaligen eine zweimalige tägliche Einnahme ermöglicht, normalerweise in einer Dosierung von 1 bis 1,5 mg/kg pro Tag. Propranolol sollte in einer Dosierung von 2 bis 3 mg/kg pro Tag, verabreicht werden [5]. Metoprolol und Atenolol sind weniger wirksam und sollten vermieden werden. Die antiarrhythmische Wirkung der Betablocker bei LQTS beruht darauf, sogenannte frühe Nachdepolarisationen zu verhindern, indem sie den Einstrom von Kalzium-ionen reduzieren. Nadolol ist in der Schweiz nicht erhältlich und muss nach einer Kostengutsprache oder auf eigene Kosten aus dem Ausland importiert werden.

Betablocker Nebenwirkungen und Stillzeit

Bei Schwangerschaften, in denen die Mutter einen Beta-blocker einnimmt, ist es notwendig, ein Monitoring auf eine intrauterine Wachstumsretardierung des Fötus während der Schwangerschaften durchzuführen [12]. Bei Neugeborenen, die in utero mit Betablockern behandelt wurden, besteht potentiell ein Risiko für postnatale Symptome einer Betablockade wie Hypoglykämie und Bradykardien. Die Betablockade hemmt die Glykogenolyse, die durch die Aktivierung des sympathischen Nervensystems verursacht wird. Insbesondere anhaltende Hypoglykämien können bei Neugeborenen schwere Hirnverletzungen verursachen, daher ist es wichtig, auch das Neugeborene im Wochenbett und während der Stillzeit regelmässig zu überwachen [13]. Sollte dies unter Nadolol der Fall sein, müsste ggf. auf Propanolol bei der Mutter gewechselt werden, sollte das Stillen weiter gewünscht sein. Der Schutz der Mutter vor Rhythmusstörungen ist dann etwas geringer [13]. Der Kinderarzt sollte im Voraus informiert werden und Mutter und Kind sollten nach der Entbindung 5 Tage im Krankenhaus zur Überwachung verbleiben [1]. Wenn das Kind jedoch ebenso von einem Long-QT-Syndrom betroffen ist, hat es durch die Einnahme der Mutter von Nadolol ebenso eine Behandlung bis zur Geburt bzw. in der Stillzeit.

Weitere Behandlungsstrategien

Eine weitere, eskalierende Therapieform besteht in der linkskardialen sympathischen Denervation (Entfernung der ersten 3 bis 4 Ganglia thoracica idealerweise durchgeführt via extrapleuralem Zugang, der einen Thorakotomie-Eingriff unnötig macht) des linken herznahen sympathischen Nervensystems (LCSD), was eine Alternative bei Betablocker-resistenten Patienten darstellt. Tatsächlich hat LCSD keinen negative Einfluss auf die kardiovaskuläre Leistung [3]. Der Expertenkonsens der HRS/EHRA/APHRS empfiehlt, LCSD bei Hochrisiko-Patienten mit der Diagnose LQTS durchzuführen, wenn die ICD-Therapie kontraindiziert ist, abgelehnt wird oder trotz maximal tolerierter kombinierter Therapie mit Betablocker nicht wirksam bei der Verhinderung von Synkopen/Arrhythmien ist. LCSD ist besonders wirksam bei LQTS1-Patienten [7].
Eine vaginale Geburt wird als eine sichere Entbindungsstrategie bei Patientinnen mit LQTS angesehen, wobei randomisierte Studien fehlen und die Empfehlungen auf Fallberichten und Expertenmeinungen fussen [2].
Die Schwangerschaft und die ersten 9 Monate nach der Geburt bei Patientinnen mit bekanntem LQTS bergen ein deutlich erhöhtes Risiko für lebensbedrohliche Arrhythmien [3]. Es wird angenommen, dass die Veränderungen in der adrenergen Aktivität in der peripartalen Phase zu einer Zunahme kardialer Ereignisse führen kann. Erklärend könnte die Zunahme der sympathischen Aktivität sein, die mit dem Stress und vor allem veränderten Schlafmuster bei der Betreuung eines Neugeborenen einhergeht. Diese könnte die ventrikulären Arrhythmien bei Patienten mit LQT1- und LQT2-Genotypen triggern [3]. Die Östrogen- und Progesteronspiegel sind während der Schwangerschaft hoch und fallen deutlich unter die normale Werte, wenn die Mutter ihr Kind stillt. Diese Veränderung der Hormonspiegel könnte die adrenergen Reaktionen der mutierten Ionenkanäle bei LQTS beeinflussen [10].
LQTS-Patientinnen bedürfen rund um die Schwangerschaft einer engmaschigen kardiologischen Verlaufskontrolle, um potentiell lebensbedrohliche Rhythmusstörungen durch eine gute Betablocker Einstellung weitestgehend zu verhindern. Eine Schwangerschaft ist jedoch möglich und sollte bei entsprechendem Patientinnen-Wunsch, wenn immer medizinisch vertretbar, befürwortet werden. In diesem Fallbericht wird die Herausforderung der Behandlung der Patientin – auch bei Nebenwirkungen des Betablockers –
beleuchtet. Die Therapie regelmässig an das Gewicht anzupassen ist gerade in der Schwangerschaft und postnatalen Phase essentiell.
Die Entbindung sollte in einem Spital erfolgen und es müssen unmittelbare Wiederbelebungsmassnahmen verfügbar sein, einschließlich eines externen Defibrillators [6,11]. Es wird empfohlen, frühzeitig einen Anästhesisten hinzuzuziehen, um eine sichere Analgesie während der Wehen und der Geburt zu planen. Die Entscheidung über eine Epiduralanästhesie und eine assistierte Entbindung sollte auf der Grundlage einer geburtshilflichen Indikation getroffen werden; diese Eingriffe sind aufgrund eines vorliegenden LQTS nur selten indiziert. Während der Entbindung ist es wichtig, Umstände zu vermeiden, die das Risiko für ventrikuläre Arrhythmien erhöhen könnten wie z. B.: Elektrolytstörungen, starke Blutungen oder QT-Zeit verlängernde Medikamente (siehe diesbezüglich crediblemeds.org). Bei Patientinnen mit LQTS wird empfohlen, in einer ruhigen Umgebung zu entbinden. Das Neugeborene hat, aufgrund der autosomal dominanten Vererbung, ein Risiko von 50%, ebenfalls von einem LQTS betroffen zu sein. Die frühzeitige Diagnose ist bei Kindern wichtig, denn sie hat therapeutische Konsequenzen. Eine genetische Testung des Neugeborenen kann via Blut aus der Nabelschnur durchgeführt werden. Diesbezüglich sollte am besten vor der Schwangerschaft eine genetische Beratung stattfinden.

Schlussfolgerung

Ein Long-QT-Syndrom stellt keine Kontraindikation für eine Schwangerschaft dar, das Risiko von Herzrhythmusstörungen wird durch eine Therapie mit Betablockern drastisch reduziert. Bei Patientinnen mit LQTS ist eine vaginale Entbindung möglich, eine Hausgeburt wird nicht empfohlen [1]. Eine regelmässige kardiologische Mitbetreuung ist unabdingbar, bezüglich des Kontrollintervalls ist eine kardiologische Konsultation alle 4-6 Wochen sinnvoll, eventuell ergänzt durch das Monitoring eines Event-Rekorders.

Abkürzungen

LQTS = Long-QT-Syndrom
LQT1 = Long–QT-Syndrom 1 (Genotyp 1 mit einer Mutation im KCNQ1-Gen)
LQT2 = Long-QT-Syndrom 2 (Genotyp 2 mit einer Mutation im KCNH2-Gen)
LQT3 = Long-QT-Syndrom 3 (Genotyp 3 mit einer Mutation im SCN5A -Gen)
EKG = Elektrokardiogramm
SCD = sudden cardiac death, plötzlicher Herztod
QT = Zeitintervall vom Anfang des QRS-Komplexes bis zum Ende der
T-Welle
QTc = frequenzkorrigierte QT- Zeit (in diesem Artikel nach Bazett- Formel)
ICD = Implantierbarer Kardioverter-Defibrillator
LCSD = linkskardiale sympathische Denervation
HRS = Heart Rhythm Society: Die Heart Rhythm Society
EHRA = European Heart Rhythm Association
APHRS = Asia Pacific Heart Rhythm Society

Dr. med. univ. (A) Greta Hametner

Adlerstrasse 1
8600 Dübendorf

Es bestehen keine Interessenskonflikte.

Historie:
Manuskript eingereicht: 03.11.2023
Nach Revision angenommen: 06.12.2023

  • Eine Schwangerschaft ist auch mit bekanntem Long-QT- Syndrom unter Betablocker-Therapie und engmaschigen kardiologischen Kontrollen möglich.
  • Eine primärpräventive Versorgung mit einem ICD ist nur dann notwendig, wenn kein Betablocker toleriert wird oder unter adäquater Betablockade Rhythmusstörungen auftreten.
  • Nicht selektive Betablocker, vor allem Nadolol wirken bei Long-QT Patienten am effektivsten, alternativ kann auch Propanolol verabreicht werden.

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Panhypopituitarismus mit Diabetes insipidus und Knochen­schmerzen – Steckt eine Systemerkrankung dahinter?

Der 27-jährige Patient stellte sich aufgrund von einseitigen Beinschmerzen vor. In der Vorgeschichte war ein Diabetes insipidus respektive Panhypopituitarismus bekannt. Laboranalytisch bestand eine unzureichende Hormonsubstitution. Im MRI fiel eine grosse Kontrastmittel-aufnehmende Raumforderung in der Hypophyse mit Ausdehnung bis in den Hypothalamus auf. Mittels FDG-PET/CT konnte eine hypermetabole Läsion im Bereich des Femurschaftes links dargestellt werden. Nach Biopsie der Läsion konnte die Diagnose einer multisystemischen Langerhans-Zell-Histiozytose gestellt werden.

Anamnese und Befunde

Der 27-jährige Patient stellte sich aufgrund von Oberschenkelschmerzen linksseitig vor. Die Beschwerden hätten seit einigen Wochen bestanden und an Intensität zugenommen. Die Schmerzen seien in Ruhe von dumpfer Qualität, bei Belastung stechend mit Ausstrahlung in das Knie. Der Patient betreibt regelmässig Kampfsport und fühlte sich durch die Schmerzen eingeschränkt. Die eingenommenen Schmerzmittel (Paracetamol, Ibuprofen) hätten nicht geholfen.
Als Vorerkrankung wurde beim Patienten im Alter von 15 Jahren ein Diabetes insipidus diagnostiziert. Die Abklärungen wurden aufgrund einer zunehmenden Schwäche mit begleitendender Polyurie und Polydipsie veranlasst. Im damals durchgeführten MRI des Neurocraniums wurde ein verdickter Hypophysenstiel mit diffuser Kontrastmittelanreicherung der Hypophyse festgestellt. Das Ganzkörper MRI war unauffällig. Es wurde ein Diabetes insipidus am ehesten im Rahmen einer lymphozytären Hypophysitis festgehalten. Einige Jahre nach Diagnosestellung entwickelte der Patient weitere Hormonausfälle (Hypocortisolismus, Hypothyreose, Hypogonadismus, Wachstumshormonmangel), so dass retrospektiv ein Panhypopituitarismus diagnostiziert wurde. Der Patient hatte allerdings keine regelmässigen endokrinologischen Kontrollen, sodass bislang nur eine Behandlung des Diabetes insipidus mit Desmopressin erfolgte und die übrigen Hormonachsen nicht substituiert wurden.
Systemanamnestisch lagen keine B-Symptome vor. Seit einigen Jahren bestand vermehrte Müdigkeit, keine Visusstörungen und kein regelmässiger Alkohol- oder Nikotinkonsum.
Im Status wies der Patient einen adipösen Habitus (BMI 34 kg/m2) mit fahlem Hautkolorit und spärlicher Körperbehaa­rung auf. Die klinische Untersuchung (inklusive Hirnnerven­status) war unauffällig. Im Bereich der beklagten Schmerzen am linken Bein war keine Hautrötung, keine Druckdolenz oder Überwärmung festzustellen und die Untersuchungen von Hüfte und Knie waren blande. Laboranalytisch fanden sich bis auf den Panhypopituitarismus mit inadäquater Hormonsubstitution keine Auffälligkeiten, insbesondere keine erhöhten Entzündungswerte und keine Blutbildveränderungen.
Zusammenfassend handelt es sich um einen 27-jährigen Patienten mit einseitigen Beinschmerzen und einem langjährig vorbekannten, nicht adäquat substituierten Panhypopituitarismus mit Diabetes insipidus in der Annahme einer durchgemachten lymphozytären Hypophysitis.

Differenzialdiagnostische Überlegungen

Muskuloskelettale Beschwerden sind ein häufiges Problem im klinischen Alltag. (Post)traumatische Ursachen, meist im Bereich von Gelenken, sind bei jungen, respektive aktiven Patienten die häufigste Ursache. Eine solche Anamnese liegt jedoch bei unserem Patienten nicht vor. Bei atypischer Lokalisation und länger anhaltenden unerklärten Knochenschmerzen, muss auch an eine neoplastische Genese gedacht werden. Bei jungen Patienten sind das in erster Linie primäre Knochentumore, bei älteren Patienten sind Metastasen (Prostata-, Mamma-, Bronchialkarzinom) oder Manifestationen eines Multiplen Myeloms zu erwarten.
Im Gegensatz zu den Knochenschmerzen ist ein zentraler Diabetes insipidus, respektive ein Panhypopituitarismus sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen ein sehr seltenes Krankheitsbild. Die häufigste Ursache des zentralen Diabetes insipidus ist idiopathisch. Bekannte Auslöser sind primäre Tumore (meist Kraniopharyngeom) oder sekundäre intrakranielle Neoplasien (Metastasen, Lymphome, Langerhans-Zell-Histiozytose (LCH)), infiltrative oder entzündliche Erkrankungen (Sarkoidose, Granulomatose mit Polyangiitis, autoimmune lymphozytäre Hypophysitis) oder traumatische Ursachen (Fraktur, neurochirurgischer Eingriff) [1] (Tabelle1). Bei allen Formen können magnetresonanztomographisch unspezifische Veränderungen (Verdickung des Hypophysenstiels, gesteigerte Kontrastmittel-Anreicherung) auftreten, so dass die bildmorphologischen Veränderungen bezüglich der Diagnosefindung oft nicht weiterhelfen. Aufgrund der Lokalisation ist die Abklärung mittels Gewebeuntersuchung eingeschränkt und oft nicht vertretbar.

Weitere Abklärungsschritte und Verlauf

Aufgrund des nicht adäquat substituierten Panhypopituitarismus erfolgte zur Standortbestimmung ein MRI des Neurocraniums. Hier konnte eine atrophierte Hypophyse mit fadendünnem Hypophysenstiel und fehlendem Hypophysenhinterlappen-Signal dargestellt werden. Des Weiteren bestand eine deutlich Kontrastmittel-aufnehmende Raumforderung im Bereich des Hypothalamus, des Chiasmas und Tractus opticus beidseits (Abb.1A und B).
Diese Befunde eines jungen Patienten mit Diabetes insipidus mit progredientem Hormonausfall, atrophierter Hypophyse mit fadendünnem Hypophysenstiel und deutlich Kontrastmittel aufnehmender Raumforderung im Hypothalamus und atraumatischen Knochenschmerzen passen zu einer Manifestation einer multisystemischen LCH, weshalb wir im nächsten Schritt ein Ganzkörper 18F-fluorodeoxyglucose (FDG)PET/CT durchführten. Die Untersuchung zeigte eine intensive FDG-Aufnahme in der hypothalamischen Raumforderung. Im Bereich der beklagten Schmerzen (Femurdiaphyse links) fand sich eine intensiv FDG-avide Raumforderung in der Muskulatur rund um die Femurdiaphyse mit lokalen Arrosionen der angrenzenden Kortikalis, ohne gesteigerte Stoffwechselaktivität im Knochenmark (Abb. 1C und D). Diese Läsion am Femur links war gut zugänglich für eine CT-gesteuerte Biopsie.

Diagnose

Mittels CT-gesteuerter Biopsie konnte Gewebe perifemoral gewonnen werden. In der histopathologischen Aufarbeitung zeigte sich ein Eosinophilen-reiches Entzündungsinfiltrat mit proliferierten atypischen Zellen mit „Kaffeebohnen-artigen“ Kernen. Die Immunhistochemie mit dem Nachweis der typischen Marker CD1a, Langerin, S100 und CD68 führte zur Diagnose einer LCH (Abb. 2). Somit wurde die Diagnose einer multisystemischen LCH mit Hirn und Weichteilbeteiligung gestellt.

Kommentar

Die LCH gehört zusammen mit der Erdheim-Chester Erkrankung zu den häufigsten histiozytären Erkrankungen, wobei es sich insgesamt um sehr seltene Krankheitsentitäten handelt. Die Inzidenz wird auf 1 Fall/1.5 Millionen Menschen pro Jahr geschätzt [2]. Sowohl Kinder als auch Erwachsene können betroffen sein, mit höherer Inzidenz bei Kindern.
Historisch wurde die LCH als entzündliches Geschehen betrachtet und war auch bekannt unter dem Namen „Histiozytosis X“ oder „Hand-Schüller Christian“ Krankheit. Mittlerweile konnte jedoch gezeigt werden, dass die LCH durch eine unkontrollierte Proliferation von Antigen präsentierenden Zellen, den Langerhans Zellen, entsteht. Heutzutage ist bekannt, dass >50% der LCH Fälle eine BRAF p.V600E Mutation[3] und >90% der LCH/ECD Fälle eine aktivierende Mutation im Mitogen-activated-protein kinase/extracellular-signal-regulated kinase (MAPK/ERK) Signalweg aufweisen[4]. Nach diesen Erkenntnissen wurden die histiozytären Erkrankungen 2017 den hämatopoietischen Neoplasien gemäss WHO zugeordnet [5].
Klinisch handelt es sich um ein sehr heterogenes Krankheitsbild mit unterschiedlichem Verlauf vom radiologischen Zufallsbefund bis zum Multiorganversagen. Grundsätzlich wird zwischen einer unifokalen und multifokalen/multisystemischen Erkrankung mit Mehrorganbeteiligung unterschieden. Am häufigsten manifestiert sich die Krankheit im Knochen, meistens in Form von Osteolysen und in der Hypophyse mit prädominantem Diabetes insipidus, der den weiteren Manifestationen viele Jahre vorausgehen kann. Die LCH der Lunge im frühen Stadium präsentiert sich meist in Form von peribronchialen, pulmonalen Noduli mit Transformation zu Zysten im Verlauf der Erkrankung[6]. Die pulmonale LCH ist meist mit Nikotinkonsum assoziiert und wird als Spezialentität betrachtet [7]. Letztlich können aber alle Organe betroffen sein. Die Beschwerden sind meist unspezifisch, was zu einer Verzögerung der Diagnose über Jahre führen kann.
Bei unserem Patienten wurde im Kindesalter ein Diabetes insipidus festgestellt. Eine Systemerkrankung wurde zum Diagnosezeitpunkt gesucht, jedoch nicht gefunden. Aufgrund der Lokalisation (Hypophyse) wäre eine Biopsie mit nicht vertretbarer Morbidität verbunden gewesen. Wie bei unserem Patienten kommt es bei einem hypophysären Befall der LCH häufig als erstes zu einem Ausfall der Hormone aus dem Hypophysenhinterlappen, im Verlauf zu einem progredienten Hormonausfall aus dem Hypophysenvorderlappen und Jahre später zur Beteiligung weiterer Organe (in unserem Fall Weichteile). Die ossäre Beteiligung der LCH ist relativ häufig, dabei ist ein Weichteilbefall typischerweise die Folge einer Ausbreitung aus dem benachbarten Knochen/Knochenmark. Eine primäre Weichteilbeteiligung mit sekundärer Arrosion der benachbarten Kortikalis, wie bei unserem Patienten, ist in der Literatur selten beschrieben. Die Diagnose einer LCH stützt sich auf den histopathologischen Nachweis der Langerhans-Zell-Infiltrate. Eine Biopsie der Hypophyse wird in der Regel nicht durchgeführt, so dass bei einer Hypophysen Manifestation und Verdacht auf eine LCH ein Ganzkörper FDG-PET/CT die Standarduntersuchung ist[7]. Da LCH Läsionen häufig sehr stark FDG-avide sind, wird versucht die Läsion mit dem stärksten Hypermetabolismus zu biopsieren. Aufgrund der unterschiedlichen Zellularität und Beimischung von Entzündungszellen sind grosszügige Biopsien für eine korrekte Diagnose erforderlich.
Histopathologisch sind LCH Läsionen durch proliferierte Zytoplasma-reiche Zellen mit Kaffeebohnen-artigem Kern mit häufig länglicher Membranfurchung charakterisiert. Je nach Aktivität der Langerhans-Zell-Histiozytose finden sich beigemischte eosinophile Granulozyten unterschiedlicher Dichte sowie Lymphozyten und Plasmazellen. Die diagnostischen immunohistochemischen Marker für Langerhans-Zellen sind CD1a und Langerin (CD207). Da >50% der LCH eine BRAF pV600E Mutation aufweisen [3], ist auch die BRAF-V600E Immunhistochemie diagnostisch hilfreich. Bei fehlender immunhistochemischer Expression von BRAF, respektive negativer Mutationsanalyse wird meist ein NGS für Gene, welche im MAPK-ERK Signalweg involviert sind, durchgeführt [7].
Bei unserem Patienten konnte weder eine BRAF Mutation noch eine Alteration der Gene MAP2K1, KRAS, NRAS oder PIK3CA nachgewiesen werden.
Die therapeutischen Möglichkeiten unterscheiden sich stark. Eine unifokale LCH ist bei Erwachsenen Patienten häufig kurativ behandelbar, wobei es verschiedene lokale Therapien gibt (z.B. Radiotherapie, chirurgische Resektion, Steroidinfiltration). Im Spezialfall der Single-system pulmonalen LCH sollte zwingend ein Rauchstopp empfohlen werden. Dies alleine kann bereits zu einem vollständigen Rückgang der LCH Läsionen führen [7].
Da die Krankheit sehr selten ist und es nur äusserst wenige prospektive Studien gibt, ist der optimale Behandlungsalgorithmus der multisystemischen Krankheit unklar. Bei Patienten mit asymptomatischer Erkrankung und ohne Beteiligung von kritischen Organen (wie Hirn, Leber und Lunge) oder Vorliegen einer Endorgan-Dysfunktion kann vorerst beobachtet werden. Bei Patienten mit symptomatischer Erkrankung oder Beteiligung von Hirn, Leber und Lunge gibt es verschiedene therapeutische Möglichkeiten von konventionellen Chemotherapeutika, Bisphosphonaten (bei Knochen prädominanter Erkrankung), Immunmodulatoren, Hydroxyurea, Methotrexat, Hochdosistherapie mit ASCT und zielgerichteten Therapien wie BRAF-und MEK-Inhibitoren. Aufgrund des schnellen Ansprechens und der hohen Ansprechrate wird bei Befall von kritischen Organen (Hirn, Leber, Milz) eine zielgerichtete Therapie favorisiert [7].
Unser Patient ist sehr jung und hatte einen „kritischen Organbefall“ (Gehirn), sodass wir eine MEK-Inhibitor Therapie mit Cobimetinib empfohlen haben. Nach wenigen Wochen Behandlung war unser Patient schmerzfrei. Im FDG-PET/CT konnte nach drei Monaten eine vollständige metabolische Remission der LCH Manifestation am Femurschaft und eine deutliche Re-gredienz der Läsion im Hypothalamus und Hypophyse festgestellt werden. Nach Einleitung der Substitutionstherapie mit Levothyroxin, Testosteron und Hydrocortison verbesserte sich die Leistungsfähigkeit des Patienten markant. Trotz des guten Therapieansprechens wird der Patient lebenslang auf eine Hormonsubstitutionstherapie angewiesen sein.

Im Artikel verwendete Abkürzungen
LCH Langerhans-Zell-Histiozytose
MAPK/ERK Mitogen-activated-protein kinase/extracellular-signal-reulated kinsase
MRI Magnetresonanztomographie
NGS Next-generation sequencing
(FDG) PET/CT 18F-fluorodeoxyglucose Positronen Emissions Tomographie/Computer Tomographie

 

Dr. med. Martina Bertschinger

Medizinische Onkologie und Hämatologie
Kantonsspital Winterthur
Brauerstrasse
8401 Winterthur

Martina.bertschinger@ksw.ch

Es bestehen keine Interessenskonflikte.

Historie
Manuskript eingereicht: 30.07.2023
Nach Revision angenommen: 18.10.2023

 

  • Bei einem Diabetes insipidus/Panhypopituitarismus und Osteolysen soll an eine LCH gedacht werden.
  • Die LCH ist eine myeloide Neoplasie und die häufigste histiozytäre Erkrankung.
  • Eine bioptische Untersuchung soll erzwungen werden, zur Diagnosesicherung und Mutationsanalyse.
  • Für die LCH existieren unterschiedliche, teils sehr effektive Therapieformen.

1. Maghnie M, Cosi G, Genovese E, et al. Central diabetes insipidus in children and young adults., N Engl J Med. 2000;343(14):998-1007.
2. Makras P, Stathi D, Yavropoulou M, et al, The annual incidence of Langerhans cell histiocytosis among adults living in Greece. Pediatr Blood Cancer. 2020;67(9):e28422.
3. Badalian-Very G, Vergilio J, Degar B, et al. Recurrent BRAF mutations in Langerhans cell histiocytosis. Blood. 2010;116(11):1919-1923.
4. Diamond EL, Durham B, Haroche J, et al. Diverse and targetable kinase alterations drive histiocytic neoplasms. Cancer Discov. 2016;6(2):154-165.
5. Swerdlow SH, Campo E, Harris NL, et al. WHO Classification of Tumours of Haematopoietic and Lymphoid Tissues: International Agency for Research on Cancer, 2017
6. Brauner MW, Grenier P, Tijani K, Battesti JP, Valeyre D. Pulmonary Langerhans cell histiocytosis: evolution of lesions on CT scans. Radiology. 1997;497-502.
7. Goyal G, Tazi A, Go RS, et al., International expert consensus recommendations for the diagnosis and treatment of Langerhans cell histiocytosis in adults, Blood. 2022;139 (17): 2601–2621.