Epilepsiewarnhunde können sowohl fokale als auch generalisierte epileptische Anfälle im Voraus erkennen und Betroffene rechtzeitig vor einem Ereignis warnen. Epilepsiewarnhunde kommen im Idealfall im Welpenalter zu Epileptikern oder deren Familien und werden von ihnen unter Anleitung von Hundetrainern und Coaches selbst ausgebildet. Epidogs verhelfen Betroffenen zu einer signifikanten Verbesserung ihrer Lebenssituation.
In den USA werden seit 1996 Assistenzhunde für Epileptiker ausgebildet, ab 2004 in Deutschland und seit 2014 durch den Verein «EpiDogs for Kids» in der Schweiz. Verschiedene wissenschaftliche Studien aus den USA, Kanada, England, Italien und Deutschland unterfüttern den Nutzen von Epilepsiewarnhunden für Epilepsie-Betroffene und deren Familien. Allein rund 20 000 Minderjährige sind in der Schweiz von Epilepsie betroffen, so der Luzerner FDP-Ständerat Damian Müller. Er setzte sich mit einer Motion dafür ein, dass die Invalidenversicherung (IV) Epilepsiewarnhunde für Kinder und Erwachsene finanziert. Bundesrat und beide Parlamentskammern haben dem Vorstoss oppositionslos zugestimmt. Die neue Regelung gilt seit 2024.
«EpiDogs for Kids» versteht sich als Anlaufstelle für epilepsiebetroffene Familien, die sich einen Assistenzhund wünschen, erklärt Madlaina Blapp, Gründungsmitglied und Präsidentin des Vereins: «Wir organisieren Vermittlung, Ausbildung und Finanzierung der Epilepsiewarnhunde für Kinder und Jugendliche.» Der gemeinnützige Verein und seine ehrenamtlich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bieten ihr Knowhow auch Erwachsenen an. Er finanziert sich durch Spenden, die gemäss Statuten aber ausschliesslich für Kinder und Jugendliche bestimmt sind. Die Ausbildungskosten von CHF 15 000.– werden vom Verein finanziert.
Für Interessierte findet zweimal jährlich eine Informationsveranstaltung statt, an der das Ausbildungskonzept erläutert wird. Bei Familien, die sich für einen Epidog interessieren, werden die betreuerischen und häuslichen Verhältnisse abgeklärt. Wenn die Voraussetzungen passen, kann sich die Familie am Ausbildungsprogramm beteiligen und die vorbereitenden Kurse absolvieren. Sie erfährt, wie sie mit dem zukünftigen Epidog während seiner dreijährigen Ausbildungszeit umgehen soll – mit engmaschiger Unterstützung durch erfahrene Ausbilder und EpiCoaches des Vereins «EpiDogs for Kids», der seit 2014 37 Epidogs ausgebildet und derzeit acht Hunde in Ausbildung hat.
Als Epilepsiebegleithunde eignen sich insbesondere familien- und arbeitsfreundliche, robuste Hunde wie der Labrador, Golden Retriever oder für Allergiker hypoallergene Hunde wie Cobberdog oder Labradoodle. Sobald die Welpen auf der Welt sind, werden sie noch in der Wurfkiste von der zukünftigen Familie besucht. Es stellt sich meist schnell heraus, Âwelcher Welpe sich zuerst zum epilepsiebetroffenen Kind hingezogen fühlt. Ab diesem Zeitpunkt beginnt der BindungsÂaufbau, der bei weiteren Welpenbesuchen vertieft wird, bevor der potenzielle Epidog bei der Familie einzieht. «Der Welpe soll möglichst früh zu einem festen Bestandteil der familiären Gemeinschaft werden», erklärt Madlaina Blapp. Anders als etwa Blindenführhunde, die in einer Schule und Patenfamilien geschult und mit drei Jahren Sehbehinderten fertig ausgebildet abgegeben werden, kommt der zukünftige Epidog schon während seiner Prägezeit zur Familie, im Alter ab 10 Wochen. Die Prägezeit des Hundes beginnt in der Regel ab der dritten und dauert bis zur 16. Lebenswoche. Während dieser Phase sind Welpen besonders lernfähig und können grundlegende Verhaltensweisen besonders schnell erlernen.
«Die Hunde sind von klein auf hervorragende Beobachter. Sie riechen, hören, schmecken, sehen, spüren, fühlen. Sie werden Teil einer neuen Gemeinschaft, wie sie das schon vom Rudel her kennen.» Im Rudel wird für das schwächste Mitglied gut gesorgt. Die Hunde erkennen bald, wenn sich die Mutter immer um ein Kind besonders intensiv kümmert und bringen ihre ausgeprägten Intuitionen und Fähigkeiten freiwillig ein. Mittels Kameras – in Zusammenarbeit mit den Familien installiert –, wird das Verhalten der Hunde aufgezeichnet, damit der Mensch die Verhaltensmuster des Hundes zu lesen versteht.
Mit der Zeit merken die Hunde, dass sich eine drohende Gefahr, ein Epilepsie-Anfall, anbahnt. «Die Epidogs sind eine Art Frühwarnsystem, sie erkennen Veränderungen im Körper, im Tonus und der Atmung des Epilepsiebetroffenen, auch wenn jede Epilepsieform anders ist. Bei epileptischen Anfällen verändert sich offenbar der SpO2-Wert der Patienten, legt eine wissenschaftliche Studie des Deutschen Assistenzhunde-Zentrums aus dem Jahr 2013 nahe. Die Ergebnisse zeigten, dass Hunde warnten, als sie eine reduzierte Sauerstoffsättigung wahrnahmen. In einer sieben Jahre dauernden Verhaltensstudie fanden die Forscher heraus, dass Hunde nicht nur auf epileptische Anfälle, sondern ebenfalls auf Über- oder Unterzuckerungen, Migräneanfälle und lebensgefährliche Asthmaanfälle reagierten. An der Studie nahmen über 1000 Hunde in einem Alter zwischen drei Wochen und sieben Jahren teil. Das Warnen der Hunde manifestierte sich durch Stupsen an Hand, Ohr, Bein und Mund, Lecken an Hand und Mund oder Pfote auflegen und war bei allen Erkrankungen identisch. Laut «EpiDogs for Kids» gibt es auch Hunde, die die wichtigste Bezugsperson, meist die Mutter, vor einem Notfall mit den Augen fixieren, die Situation verbellen oder das Kind vor dem Weitergehen hindern. «Jede Epilepsieform ist anders. Und jeder Hund funktioniert unterschiedlich», so Madlaina Blapp, «darum muss die Ausbildung der Hunde individuell und massgeschneidert sein.» Besonders bei Epilepsiegeplagten, die täglich Anfälle haben, werde dem Hund viel Aufmerksamkeit abverlangt. Für seine Hilfsleistungen müsse er mit Lob, Dank, Emotionen – nicht mit Futter – belohnt werden. Um eine Überbelastung zu vermeiden, brauche er regelmässigen Auszeiten.
Für das Kind ist der Hund der Lebensretter, der beste Freund, der immer da ist. Wenn Anfälle auftreten, sind sie kürzer oder weniger schwer und die Erholungsphase ist kürzer. Es gibt seltener Notfallsituationen mit Inanspruchnahme der Ambulanz, die früher regelmässig anrücken musste und weniger Spitalaufenthalte. Der Familie gibt der Hund Sicherheit, auch gegen aussen: Aufgrund der Krankheit eines Kindes isolieren sich ganze Familien, wagen nicht, das Haus zu verlassen und neue Menschen kennen zu lernen. Der Epidog wirkt wie ein Türöffner, der Kontakte zur Umwelt schafft und verbessert auch auf diese Weise die Lebensqualität der ganzen Familie.
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Mit der wachsenden Zahl von Menschen, die eine Krebserkrankung überleben, rückt die Bedeutung einer strukturierten und qualitativ hochwertigen Survivorship Care zunehmend in den Vordergrund. Während die Primärtherapie in der Regel eng begleitet wird, können nach deren Abschluss Versorgungslücken bestehen. Diese betreffen nicht nur die medizinische Nachsorge, sondern auch psychosoziale, ökonomische und spirituelle Dimensionen des Lebens mit und nach Krebs. Zur systematischen Schliessung dieser Versorgungslücken wurden Konsensusempfehlungen erarbeitet, die eine gemeinsame Grundlage der Survivorship Care bilden. Sie dienen beteiligten Fachpersonen als Orientierungsrahmen und schaffen die Basis für eine koordinierte, interprofessionelle und patientenzentrierte Survivorship Care.
*Die vollständige Fassung der Konsensusempfehlung steht am Ende dieses Artikels zum Download bereit.
Konsensusempfehlungen als Leitlinie für Survivorship Care
Die Konsensusempfehlungen für Cancer Survivorship Care basieren auf internationalen Guidelines, Fachliteratur sowie qualitativen Interviews mit Fachpersonen und Betroffenen. In zwei Konsensuskonferenzen wurden sie mit über 50 Vertreter:innen von Fachgesellschaften, Expert:innen und Patient:innen aus allen relevanten Bereichen der Onkologie entwickelt, auf die Schweizer Versorgungsrealität übertragen und verabschiedet.
Ziel der Empfehlungen ist es, ein gemeinsames Fundament für die Versorgung von Cancer Survivors in der Schweiz zu schaffen. Sie dienen Fachpersonen aus Medizin, Pflege, Psychologie, Sozialarbeit und weiteren Disziplinen als Orientierungsrahmen und bilden die Grundlage für eine zukunftsorientierte, patientenzentrierte Survivorship Care.
Cancer Survivorship
Das Stadium Cancer Survivorship lässt sich in mehrere Phasen einteilen (Abb. 1). Diese Phasen sind jeweils mit unterschiedlichen Risiken – für bspw. ein Rezidiv – und Bedürfnissen verbunden, die sich auch lange nach Abschluss der Primärtherapie manifestieren können. Spät- und Langzeitfolgen der Erkrankung oder ihrer Therapie können auch Jahre nach Abschluss der Behandlung auftreten. Dies betrifft nicht nur körperliche Komplikationen, sondern auch psychische Belastungen, soziale Herausforderungen und ökonomische Probleme.
Mit dem Ende der Primärtherapie beginnt eine besonders vulnerable Phase. Viele Betroffene erleben ambivalente Gefühle: Freude und Erleichterung über das Therapieende stehen neben Unsicherheit, Erschöpfung und einem Gefühl des Alleingelassenseins. Die konstante Unterstützung während der Behandlung endet abrupt, während gleichzeitig das Risiko für Rezidive oder erste Spätfolgen zunimmt.
Eine vorausschauend geplante, koordinierte und patientenzentrierte Survivorship Care ist deshalb essenziell. Sie soll Betroffenen ermöglichen, nach der Akuttherapie ein Leben mit möglichst hoher Lebensqualität und Teilhabe zu führen.
Versorgungskontext
Survivorship Care kann in unterschiedlichen Kontexten erfolgen: in der hausärztlichen Grundversorgung, in onkologischen Fachstrukturen, spezialisierten Survivorship-Kliniken, akademischen Zentren, kleineren Spitälern oder in pflegebasierten Angeboten der Krebsligen. Entscheidend ist, dass Angebote strukturiert, verbindlich organisiert und regional vernetzt sind.
Die Versorgung muss konsequent an den individuellen Risiken und Bedürfnissen der Betroffenen ausgerichtet sein. Sie darf sich nicht auf die medizinische Nachsorge beschränken, sondern muss alle relevanten Lebensdimensionen einschliessen (Abb. 3).
Abb. 1: Überblick über die Phasen der Survivorship Care. Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Sperisen, Stoll und Bana (2024) (1)
Interprofessionalität
Die Betreuung von Cancer Survivors erfordert interprofessionelles Vorgehen. Bei Bedarf sind neben Onkolog:innen auch Fachärzt:innen der Allgemeinen Inneren Medizin, Kardiologie, Nephrologie, Endokrinologie und Psychiatrie einzubeziehen. Pflegefachpersonen, Psychoonkolog:innen, Psycholog:innen, Ernährungsberater:innen, Sozialarbeitende sowie Fachpersonen aus Physiotherapie, Ergotherapie, sexueller Gesundheit und Spiritualität tragen wesentlich zur Versorgung bei. Onkologische Patient:innenorganisationen sowie – wo erforderlich – Fachpersonen aus der Rechtsberatung sollen frühzeitig und systematisch in die Betreuung integriert werden.
Im Falle einer gesundheitlichen Belastung oder Erkrankung der Survivor:innen sind gezielte medizinische Interventionen indiziert. Ergänzend dazu umfasst das Versorgungsangebot die Vermittlung psychoedukativer Programme sowie rechtlicher, finanzieller und psychosozialer Beratungsleistungen, spirituelle Begleitung und Massnahmen der onkologischen Rehabilitation.
Alle an der Betreuung von Cancer Survivors beteiligten Fachpersonen sollten für die medizinische Breite und Vielschichtigkeit der damit verbundenen Herausforderungen sensibilisiert und im Umgang entsprechend ausgebildet sein (Abb. 2 und Abb. 3).
Abb. 2: Körperliche Spätfolgen, mit denen Cancer Survivors konfrontiert sein können. Quelle: Darstellung, in Anlehnung an Tinner (2024) (2)
Übergang nach Abschluss der Akuttherapie
Der Übergang von der Akutbehandlung zur Nachsorge kann einen kritischen Moment darstellen. Um diesen strukturiert zu gestalten, wird am Ende der Primärtherapie ein Abschlussgespräch mit dem Cancer Survivor und dessen Angehörigen geführt. Essenziell für dieses Abschlussgespräch ist die Erstellung eines Survivorship-Plans, der die wichtigsten medizinischen Informationen, Risiken und Unterstützungsangebote strukturiert zusammenführt.
Der Survivorship-Plan enthält:
• Diagnose und detaillierte Dokumentation der erhaltenen Therapien (z. B. kumulative Dosierungen, Bestrahlungsfelder, chirurgische Eingriffe)
• Strukturierte Übersicht potenzieller Risiken, die informativ ist, ohne den Cancer Survivor unnötig zu beunruhigen
• Konkrete Nachsorgeziele und -massnahmen
• Hinweise auf Selbstmanagement und Unterstützungsangebote
Der Plan sollte idealerweise digital verfügbar sein und im Verlauf regelmässig aktualisiert werden.
Survivorship-Sprechstunde
Mit der Survivorship-Sprechstunde steht ein strukturiertes Setting zur Verfügung, in dem medizinische, psychosoziale und weitere Bedürfnisse regelmässig erfasst und adressiert werden können.
In der Schweiz ist für alle Cancer Survivors ein flächendeckendes Mindestangebot an Survivorship-Sprechstunden bereitzustellen. Der Zugang soll niederschwellig, individualisiert und an die Bedürfnisse der Betroffenen angepasst erfolgen. Die Inanspruchnahme dieser Leistungen muss auch Jahre nach Abschluss der Primärtherapie gewährleistet sein.
Die Survivorship-Sprechstunde umfasst mindestens:
• Ein standardisiertes Screening gemäss Evidenz oder alle drei bis fünf Jahre
• Zugang zu risikoadaptierter, individualisierter und evidenzbasierter Betreuung
• Systematische Thematisierung typischer Beschwerden
• Führung und Fortschreibung eines Survivorship-Plans
Die koordinative Leitung liegt bei speziell geschulten Fachpersonen, die als Ansprechpersonen für die Survivors fungieren.
Abb.3: Multidimensionale Herausforderungen, denen Cancer Survivors im Verlauf begegnen können
Verantwortlichkeiten und Koordination
Eine effektive Survivorship Care setzt die klare Regelung von Zuständigkeiten voraus. Die zuletzt behandelnde Fachperson trägt die Hauptverantwortung für die Erstellung des initialen Survivorship-Plans und übergibt diesen – im Einvernehmen mit dem Cancer Survivor – koordiniert an die nachsorgenden Strukturen.
Die kontinuierliche Betreuung soll in klar definierten Versorgungspfaden erfolgen, die Übergänge zwischen Fachdisziplinen und Institutionen einschliessen. Regionale Netzwerke mit benannten Zuständigkeiten sind notwendig, um Doppelspurigkeit zu vermeiden und Versorgungslücken zu schliessen.
Empowerment
Ein zentrales Prinzip der Survivorship Care ist die aktive Einbindung von Patient:innen in ihre Nachsorge. Survivorship Care umfasst daher nicht allein die medizinische Betreuung, sondern auch die Förderung von Information, Selbstmanagement und Partizipation. Wesentliche Bestandteile sind eine klare und adressatengerechte Kommunikation von Risiken und Nachsorgezielen, der Aufbau von Gesundheitskompetenz, Unterstützung im Umgang mit psychosozialen und ökonomischen Belastungen sowie die aktive Beteiligung an Entscheidungen zu Nachsorge und Therapie. Ziel ist es, die Autonomie von Cancer Survivors zu stärken und ihre Lebensqualität langfristig zu sichern.
Schlussbemerkung
Die Schweizer Konsensusempfehlungen zur Cancer Survivorship Care schaffen erstmals einen verbindlichen Orientierungsrahmen für die Betreuung von Cancer Survivors. Sie verdeutlichen die Notwendigkeit einer interprofessionellen, strukturierten und patientenzentrierten Versorgung, die medizinische, psychische, soziale und ökonomische Aspekte integriert.
Die vollständige und ausführliche Fassung mit allen praxisnahen Empfehlungen und weiterführenden Informationen finden Sie hier auf Deutsch und hier auf Französisch.
a Mitglieder der Projektgruppe, b Autor:innen der Patientenbeispiele, c Interviewte Fachpersonen, d Teilnehmer:innen der Konsensusmeetings, e Projektleiter
1. Sperisen, N., Stoll, S., Bana, M. (2024). Survivorship. In: Jahn, P., Gaisser, A., Bana, M., Renner, C. (eds) Onkologische Krankenpflege. Springer, Berlin, Heidelberg.
2 Tinner E. M.: Bedeutung der lebenslangen Nachsorge nach Krebserkrankungen. In: InFo Hämatologie + Onkologie, 2024; 27 (11)
Der Jahreskongress 2025 der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie (SGK) fand gemeinsam mit der Schweizerischen Gesellschaft für Herz- und thorakale Gefässchirurgie (SGHC) in Zürich statt. Partnergesellschaften waren Swiss Association for Nursing Science, Swiss Cardiovascular Therapists, Swiss Society of Emergence and Rescue Medicine, Swiss Society for Hypertension, Swiss Society of Pediatric Cardiology, Swiss Society of Perfusion. Im Zentrum standen aktuelle kardiovaskuläre Leitlinien und ihre klinische Umsetzung. Im Folgenden werden die wichtigsten Neuerungen ausgewählter ESC-, EACTS- und STS-Guidelines zu Hypertonie, Vorhofflimmern, chronischem Koronarsyndrom, Aortensyndromen sowie peripheren Gefässerkrankungen vorgestellt.
Erhöhter Blutdruck und Hypertonie
Prof. Dr. John William McEvoy aus Galway
Prof. Dr. John William McEvoy aus Galway, Irland, der Co-Vorsitzende der Guidelines Task Force, stellte zunächst die neuen ESC-Kategorien vor. Vereinfacht lauten sie für die Messung in der Praxis wie folgt:
Eine initiale Monotherapie wird auch für hypertensive Patienten mit moderater bis schwerer Gebrechlichkeit empfohlen.
• Nicht erhöht: < 120/70mmHg.
• Erhöht: 120–139/70–89mmHg.
• Hypertonie: ≥ 140/90mmHg.
Wann sollte eine medikamentöse Behandlung eingeleitet werden?
Eine medikamentöse Therapie wird bei einem Praxis-Blutdruck unter 120/70mmHg nicht empfohlen. Bei Werten zwischen 120 und 139mmHg bzw. 70 und 89mmHg hängt der Therapiebeginn von weiteren Risikofaktoren und der Anamnese ab. Bei Werten ≥ 140/70mmHg soll eine medikamentöse Therapie begonnen werden. In internationalen Erhebungen stieg die Rate erhöhter systolischer Blutdruckwerte (SBP) von 110 bis 115 und von 140mmHg zwischen 1990 und 2015 trotz einiger Unsicherheiten in den Schätzungen erheblich an, und auch die mit erhöhten SBP verbundenen DALYs und Todesfälle nahmen zu. Etwa 30 % der durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachten behinderungsbereinigten Lebensjahre (DALYs) treten bei Personen mit einem systolischen Blutdruck zwischen ca. 120 und 140mmHg auf.
Die Behandlung der resistenten Hypertonie
Die neuen Empfehlungen zur medikamentösen Behandlung sehen bei Patientinnen und Patienten mit erhöhtem Blutdruck und erhöhtem kardiovaskulärem Risiko eine initiale Monotherapie vor, wenn der systolische Blutdruck ≥ 130 mmHg beträgt. Auch bei über 85-jährigen hypertensiven Patientinnen und Patienten mit moderater bis schwerer Gebrechlichkeit oder orthostatischer Hypotonie wird eine initiale Monotherapie empfohlen.
Bei Patientinnen und Patienten mit Hypertonie sollte die Therapie mit einer niedrigen Dosis begonnen werden. Darauf folgt eine Verdopplung der Kombinationstherapie, anschliessend der Einsatz einer niedrig dosierten Tripelkombination und schliesslich eine schrittweise Dosiserhöhung.
Gemäss dem ALARA-Prinzip («As Low As Reasonably Achievable») soll das Blutdruckziel so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar gehalten werden – vorzugsweise < 140 mmHg –, wenn Werte zwischen 120–129 mmHg nicht toleriert werden oder in folgenden Situationen:
• Vorbehandelte Personen mit symptomatischer orthostatischer Hypotonie und/oder einem Alter ≥ 85 Jahre (Empfehlungsklasse IIa)
• Klinisch signifikante, moderate bis schwere Gebrechlichkeit in jedem Alter und/oder begrenzte prognostizierte Lebenserwartung (< 3 Jahre) (Klasse IIb)
Das Ziel für den systolischen Blutdruck liegt bei 120–129mmHg (Klasse I), das Ziel für den diastolischen Blutdruck bei 70–79mmHg (Klasse IIb). Eine ambulante Blutdruckmessung (ABPM) oder eine Selbstmessung zu Hause (HBPM) wird gegenüber der Praxis-Blutdruckmessung bevorzugt.
Liegt der Praxisblutdruck bei ≥ 140/90 mmHg trotz drei oder mehr blutdrucksenkender Medikamente in maximal tolerierter Dosierung – einschliesslich eines Diuretikums –, sollte eine Überweisung an ein Hypertoniezentrum erwogen werden (Klasse IIa). Dabei sollen eine sekundäre oder pseudo-resistente Hypertonie ausgeschlossen sowie die antihypertensive Medikation optimiert werden (idealerweise eine Dreifachkombination).
Bei einer echten behandlungsresistenten Hypertonie wird Spironolacton empfohlen. Falls dieses nicht vertragen wird, kann Eplerenon eingesetzt werden (Klasse IIa). Wenn Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten (MRA) unwirksam oder unverträglich sind, kann die Zugabe eines Betablockers erfolgen (sofern nicht bereits aus zwingender Indikation verschrieben). Bleibt die Hypertonie dennoch unkontrolliert, sollten intensivierte medikamentöse Optionen in Erwägung gezogen werden, wie Alphablocker, zentral wirkende Antihypertensiva sowie kaliumsparende Diuretika.
Ein multidisziplinärer Ansatz im Management von Patientinnen und Patienten mit erhöhtem Blutdruck und Hypertonie wird empfohlen, einschliesslich einer angemessenen und sicheren Aufgabenverlagerung (Empfehlungsklasse I/A). Zudem kann eine renale Denervation in Betracht gezogen werden – unter Einbezug einer gemeinsamen Risiko-Nutzen-Abwägung und idealerweise in einem mittel- bis hochvolumigen Zentrum.
ESC 2024 Guidelines for Atrial Fibrillation
Prof. Dr. Isabelle C. Van Gelder
Über die Schlüsselelemente der ESC Guidelines 2024 für Vorhofflimmern sprach Prof. Dr. Isabelle C. Van Gelder aus Groningen.
Prinzipien des Betreuungsansatzes – das C.A.R.E.-Modell
Die ESC empfiehlt einen strukturierten Ansatz zur Behandlung von Vorhofflimmern, zusammengefasst im C.A.R.E.-Modell:
• C – Comorbidity: Management von Komorbiditäten und Risikofaktoren
• A – Avoid: Vermeidung thromboembolischer Ereignisse
• R – Reduce: Reduktion von Symptomen durch Frequenz- und Rhythmuskontrolle
• E – Evaluate: Kontinuierliche Evaluation und dynamische Neubewertung
Grundsatz: Risikofaktoren zuerst adressieren
Ein breites Spektrum an Komorbiditäten und Risikofaktoren steht im Zusammenhang mit dem Wiederauftreten und Fortschreiten von Vorhofflimmern. Der Umgang mit diesen ist von zentraler Bedeutung für den Erfolg anderer Aspekte der Versorgung von Patienten mit Vorhofflimmern. Die Behandlung dieser Faktoren unterstützt:
• die Linderung von Symptomen durch Frequenz- und Rhythmuskontrolle,
• die Senkung des mit der Antikoagulation verbundenen Blutungsrisikos,
• die Reduktion unerwünschter Wirkungen.
Die Identifizierung und Behandlung dieser Komorbiditäten und Risikofaktoren ist ein zentraler Bestandteil einer wirksamen Behandlung von Vorhofflimmern. Dadurch verbessern sich die Ergebnisse für die Patienten und ein Wiederauftreten von Vorhofflimmern wird verhindert.
Ein integriertes Management von Vorhofflimmern umfasst die Identifikation und aktive Behandlung aller relevanten Komorbiditäten und Risikofaktoren (Empfehlungsklasse I). Zentrale Elemente dieses Ansatzes sind die Festlegung individueller Zielwerte sowie eine gemeinsame Entscheidungsfindung zwischen medizinischem Fachpersonal und Patientin oder Patient. Dabei sollen realistische, erreichbare Ziele – beispielsweise im Hinblick auf Verhaltensänderungen – definiert werden, mit besonderem Fokus auf die wichtigsten beeinflussbaren Einflussfaktoren. Informationen sind dabei klar und strukturiert zu vermitteln, ohne die Betroffenen zu überfordern.
Bei einer Hypertonie wird eine Blutdruckbehandlung mit dem Ziel von 120–129mmHg/70–79mmHg bei den meisten Erwachsenen empfohlen (oder so niedrig wie angemessen erreichbar) (Klasse I).
ESC-Guidelines 2024: Chronisches Koronarsyndrom – Diagnostik, Therapie und neue Konzepte
Prof. Dr. Christian Vrints
Prof. Dr. Christian Vrints aus Antwerpen präsentierte zentrale Neuerungen der ESC-Leitlinien zum chronischen Koronarsyndrom (CCS). Thematisiert wurden ein neues pathophysiologisches Konzept, eine aktualisierte Definition, ein stufenweiser diagnostischer Ansatz, ein überarbeiteter Diagnosealgorithmus sowie revidierte Empfehlungen zur medikamentösen Therapie und koronaren Revaskularisation.
Chronische Koronarsyndrome umfassen ein Spektrum klinischer Erscheinungsformen, die auf strukturelle und/oder funktionelle Veränderungen zurückzuführen sind.
Diese Veränderungen führen zu chronischen Erkrankungen der Herzkranzgefässe und/oder zu Störungen der Mikrozirkulation. Auslöser für Symptome können körperliche Belastung, psychischer Stress oder emotionale Reize sein. Das klinische Bild reicht von asymptomatischen Verläufen mit abnormalen funktionellen oder anatomischen Testergebnissen über Angina pectoris oder Angina-Äquivalente ohne (ANOCA/MINOCA) oder mit obstruktivem Koronarsyndrom bis hin zu stabilisierten Phasen nach akutem Koronarsyndrom (ACS), perkutaner Koronarintervention (PCI) oder koronarer Bypass-Operation (CABG). Auch Patienten mit linksventrikulärer Dysfunktion oder ischämischer Herzinsuffizienz gehören in dieses Spektrum.
Vierstufiger Management-Ansatz bei Verdacht auf CCS
Bei Personen mit Verdacht auf ein chronisches Koronarsyndrom soll die Abklärung in vier Schritten erfolgen.
• Schritt 1: Zunächst erfolgt eine klinische Erstuntersuchung. Wenn keine nicht-kardialen Ursachen der Symptome identifiziert werden, ist die zugrunde liegende Erkrankung gezielt zu behandeln.
• Schritt 2: Bei sehr niedriger klinischer Wahrscheinlichkeit für eine obstruktive KHK (≤ 5 %) kann auf weiterführende Tests zunächst verzichtet werden.
• Schritt 3: Der Fokus liegt auf der Sicherung der Diagnose sowie der besseren Risikoeinschätzung hinsichtlich zukünftiger kardiovaskulärer Ereignisse. Hierbei sind ANOCA/INOCA als mögliche Diagnosen zu berücksichtigen. Die Koronar-CT-Angiographie (CCTA) dient zur Detektion obstruktiver KHK und als Basis für eine gezielte Risikofaktormodifikation. Ergänzend sollen krankheitsmodifizierende medikamentöse Therapien sowie gegebenenfalls eine antithrombotische Behandlung eingeleitet werden.
• Schritt 4: Die therapeutischen Massnahmen zielen auf die Verbesserung der Prognose durch Lebensstiländerung und Kontrolle kardiovaskulärer Risikofaktoren. Dabei stehen eine krankheitsmodifizierende medikamentöse Therapie sowie nicht-medikamentöse Massnahmen im Vordergrund.
Ein neuer diagnostischer Algorithmus wurde ebenfalls vorgestellt. Bei Fehlen einer obstruktiven KHK ist die Behandlung entsprechend dem ANOCA-Konzept auszurichten. Eine differenzierte Beurteilung ist insbesondere bei Patientinnen mit multiplen kardiovaskulären Risikofaktoren, einer Anamnese von Präeklampsie, wiederholten Fehlgeburten oder vorzeitiger Menopause indiziert.
Antianginöse Therapie
Die Auswahl der Antianginosa wird an die Charakteristik des Patienten, Begleiterkrankungen, gleichzeitige Medikamente, Verträglichkeit der Behandlung und die zugrunde liegende Pathophysiologie der Angina angepasst, wobei auch die lokale Verfügbarkeit von Medikamenten und die Kosten berücksichtigt werden (I/C).
Empfehlungen zur antithrombotischen Therapie
Bei Patienten mit chronischem Koronarsyndrom und vorherigem Myokardinfarkt oder remote PCI wird Clopidogrel 75mg täglich als eine sichere und effektive Alternative zu Aspirin-Monotherapie empfohlen (I/A).
Bei Patienten mit chronischem Koronarsyndrom, die sich einem Stenting mit hohem thrombotischem Risiko unterziehen, kann Prasugrel oder Ticagrelor (zusätzlich zu Aspirin) anstatt Clopidogrel während des ersten Monats und bis zu 3–6 Monate in Betracht gezogen werden (IIb/C).
Bei Patienten mit chronischem Koronarsyndrom, oder stabilem akutem Koronarsyndrom, die sich einer PCI unterzogen haben, und initial mit auf Ticagrelor DAPT behandelt wurden, mit hohem ischämischem Risiko, aber ohne hohes Blutungsrisiko, kann Ticagrelor-Monotherapie (90mg b.i.d) als Alternative zur dualen oder andere Einzelantiplättchentherapie in Betracht gezogen werden (IIb/C).
Bei Patienten mit hohem Blutungsrisiko, aber ohne hohes Ischämierisiko, ist die Einstellung der DAPT 1–3 Monate nach PCI und die Fortsetzung mit Einzel-Antiplättchen-Therapie empfohlen (I/A).
Langzeit antithrombotische Therapie bei chronischem Koronarsyndrom und orale Antikoagulation
Bei Patienten mit CCS mit einer Langzeit-Indikation für orale Antikoagulation ist gegen Vorhofflimmern eine therapeutische Dosis von VKA allein oder vorzugsweise eines DOAC allein (ausser, wenn kontraindiziert) lebenslang empfohlen (I/B).
Bei Patienten mit einer Indikation für orale Antikoagulation, die sich einer PCI unterziehen, ist initial niedrigdosiertes Aspirin einmal täglich empfohlen (Ladungsdosis, wenn nicht auf Erhaltungsdosis) zusätzlich zu oraler Antikoagulation und Clopidogrel (I/C).
Bei Patienten, die für eine orale Antikoagulation wählbar sind, ist ein DOAK (ausser, wenn kontraindiziert) einem VKA vorzuziehen (I/A).
Zu wählen, nach sorgfältiger Evaluation, vorzugsweise durch das Herz Team:
– Bis 6 Monate bei Patienten ohne hohes ischämisches Risiko oder bis zu 12 Monate bei Patienten mit hohem ischämischem Risiko, gefolgt von oraler Antikoagulation allein, empfohlen (I/A).
Revaskularisation versus konservative Therapie
Im Hinblick auf die Entscheidung zwischen Revaskularisation und konservativ-medikamentöser Therapie betont die Leitlinie eine differenzierte Nutzen-Risiko-Abwägung. Bei Patient:innen mit chronischem Koronarsyndrom und eingeschränkter linksventrikulärer Funktion besteht ein erhöhtes Risiko für unerwünschte Ereignisse im Rahmen einer obstruktiven KHK. Wesentliche Faktoren für die Therapieentscheidung sind die Ausprägung der LV-Dysfunktion, bestehende Komorbiditäten, die Lebenserwartung, das individuelle Risiko-Nutzen-Verhältnis sowie die Patientenpräferenzen (Klasse I/C).
EACTS/STS-Leitlinien zur Diagnose und Behandlung akuter und chronischer Aortensyndrome
Wie die Aorta zum Organ wurde
Prof. Martin Czerny
Die Aorta als Organ – ihre anatomischen Strukturen, Klassifikationen, Scores und Definitionen, sowie die Diagnostik, Indikationsstellung, das Management und therapeutische Optionen – standen im Zentrum des Vortrags von Prof. Martin Czerny, Freiburg im Breisgau.
«Das Offensichtliche ist unmerklich, bis es wahrgenommen wird – Aorta 24. Organ des menschlichen Körpers» so der Referent. Die Guidelines empfehlen, die Aorta im Kontext eines Organs zu sehen, zu interpretieren und zu behandeln, wobei die Diagnose, Behandlung und Überwachung mit dieser Perspektive angegangen werden sollen (Klasse I/C). Die biologische Definition eines Organs ist «eine Sammlung von Geweben die strukturell eine funktionelle Einheit bilden, die für die Ausübung einer speziellen Funktion spezialisiert ist.»
Zentren, Teams, Wirkungen auf die GesundheitsÂversorgung
In den Guidelines wird eine geteilte Entscheidungsfindung zur optimalen Behandlung von Aorta-Pathologien durch ein multidisziplinäres Team empfohlen (I/C). Bei Patienten mit multisegmentaler Aortaerkrankung ist eine Behandlung in Aortazentren, die offene und endovaskuläre Herz- und Gefässchirurgie vor Ort bieten, angezeigt (I/C). Der Transfer in ein Aortazentrum sollte für Patienten mit komplexen Aortapathologien in Betracht gezogen werden (IIa/B). Für endovaskuläre Aorta-Prozeduren ist ein hybrider Operatiossaal, einschliesslich eines integrierten Bildgebungssystems, empfohlen (I/C).
Chirurgische Empfehlungen für Aortenwurzel und Âaufsteigende Aorta
Die Indikationen zur operativen Versorgung richten sich differenziert nach Aneurysmalokalisation, Klappentyp (TAV oder BAV) und individuellen Risikokonstellationen:
• Bei Aneurysmen der Aortenwurzel oder des Rohrabschnitts bei trikuspidaler (TAV) oder bikuspidaler Aortenklappe (BAV) ist eine Operation ab einem Durchmesser von ≥ 55 mm empfohlen (Klasse I/B).
• Bei BAV-bedingter Aortopathie mit Wurzelphänotyp wird eine Operation bereits ab ≥ 50 mm empfohlen (Klasse I/B).
• Bei TAV-assoziierten Aneurysmen mit Wurzelphänotyp ist die chirurgische Behandlung ab ≥ 50 mm in einem Setting mit niedrigem chirurgischem Risiko zu erwägen (Klasse IIa/B).
• Bei aufsteigendem Phänotyp und niedrigem chirurgischem Risiko – unabhängig von TAV oder BAV – ist eine Operation ab > 52 mm in Betracht zu ziehen (Klasse IIa/C).
Für Patienten mit BAV-assoziierter Aortopathie und aufsteigendem Phänotyp sowie niedrigem chirurgischem Risiko sollte eine chirurgische Versorgung bereits ab 50 mm geprüft werden, wenn zusätzliche Risikofaktoren vorliegen: Alter < 50 Jahre, Körpergrösse < 169 cm, Aortenlänge > 11 cm, Wachstum > 3 mm/Jahr, positive Familienanamnese für Aortensyndrome, Aortakoarktation, refraktäre Hypertonie, gleichzeitige Herzklappenoperation oder auf Wunsch des Patienten im Rahmen einer gemeinsamen Entscheidung.
• Bei TAV-Patienten, die sich einer nicht-aortalen Herzklappenoperation unterziehen, sollte eine Mitbehandlung eines Aortawurzel- oder aufsteigenden Aneurysmas ab einem Durchmesser ≥ 50 mm erwogen werden (Klasse IIa/C).
• Bei Patienten mit aufsteigendem Aortenaneurysma, die sich einer Operation unterziehen, sollte ein gleichzeitiger Wurzelersatz bei ≥ 45 mm erwogen werden (Klasse IIa/C).
• Bei jungen Patienten mit familiärer Disposition für Typ-A-Dissektion oder bekannter hereditärer thorakaler Aortenerkrankung (HTAD), die sich einem aufsteigenden Ersatz unterziehen, kann ein niedrigerer Schwellenwert als 45 mm für den Wurzelersatz individuell erwogen werden (Klasse IIb/C).
Im Weiteren stellte der Referent Empfehlungen zur Kanülierung, zur bildgebenden Diagnostik, zur Indikationsstellung sowie zur Perfusion vor. Dabei sollte insbesondere berücksichtigt werden, die Aortenwurzel von Sinus zu Sinus zu vermessen, wobei der grösste gemessene Durchmesser als Referenzwert für klinische Entscheidungen herangezogen werden sollte.
Neben diesen Aspekten präsentierte er die Leitlinienempfehlungen zur Behandlung akuter Aortendissektionen vom Typ A, zum konzeptionellen Ansatz für das Management akuter Aortendissektionen vom Typ A, sowie zur Therapie von Dissektionen vom Typ B und non-A-non-B-Typen. Darüber hinaus wurden Empfehlungen für Erkrankungen des Aortenbogens, der absteigenden thorakalen Aorta, der infrarenalen Aorta und der ersten viszeralen Hauptäste, ebenso wie zur Überwachung von Aortapathien, thematisiert. Der Referent schloss mit folgenden Kernaussagen.
Kernaussagen der Leitlinien
Die Aorta ist das 24. Organ des menschlichen Körpers.
• Die Aortamedizin ist systemrelevant geworden und erfordert spezifische strukturelle Voraussetzungen im Gesundheitssystem.
• Eine vereinheitlichte Terminologie mit harmonisierten Klassifikationen, Scores und Definitionen ist entscheidend für eine gemeinsame Sprache – darunter TEM, GERAADA, Non-A/Non-B, Ishimaru-Zonen, Wurzelmorphologie, Endolecks und Kommerell.
• Ein internationaler Konsens zur Hypothermie-Klassifikation ermöglicht vergleichende Studien weltweit.
• Der natürliche Verlauf der Erkrankung ist heute deutlich besser verstanden und beeinflusst unter anderem Durchmesserindikationen und die klinische Risikobewertung (Linksverschiebung).
• Auch die Länge der Aorta spielt zunehmend eine Rolle im therapeutischen Entscheidungsprozess.
• Von entscheidender Bedeutung ist der Zugang zum gesamten therapeutischen Spektrum, inklusive aller chirurgischen und interventionellen Optionen, unter einem Dach.
• Gesellschaftsübergreifende Initiativen, insbesondere die Zusammenarbeit von ESC und EACTS, gelten als Schlüssel, um die Aortamedizin auf das nächste Niveau zu heben.
Periphere arterielle Verschlusskrankheit und ÂAortenerkrankungen
Prof. Dr. Lucia Mazzolai
«Aorta und periphere Arterien sind integrale Bestandteile desselben arteriellen Systems. Störungen in einem Gefässbett wirken sich häufig auf andere aus und beruhen auf ähnlichen Risikofaktoren», stellte Prof. Dr. Lucia Mazzolai aus Lausanne fest.
Die Integration verschiedener Leitlinien bietet kohärente und standardisierte Empfehlungen für die Behandlung arterieller Erkrankungen als Ganzes. Dies ermöglicht eine koordinierte Versorgung, reduziert Fragmentierung und verbessert die Behandlungsergebnisse insgesamt.
Behandlungskonzepte und diagnostisches Vorgehen
Für die Therapie der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAD) wird ein umfassender Ansatz empfohlen, der die gesamte arterielle Durchblutung berücksichtigt (Klasse I/B). Patienten mit PAD haben ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse (MACE), zerebrovaskuläre Erkrankungen sowie Major Adverse Limb Events (MALE) der unteren Extremitäten.
Die frühe Diagnose ist entscheidend für bessere Ergebnisse. Bei Patienten ab 65 Jahren mit kardiovaskulären Risikofaktoren sollte ein Screening auf PAD mittels ABI (Ankle-Brachial-Index) oder TBI (Toe-Brachial-Index) erwogen werden (Klasse IIa/C). Auch bei über 65-jährigen ohne Risikofaktoren kann ein Screening in Betracht gezogen werden (Klasse IIa/B).
PAD bei Typ-2-Diabetes, medikamentöse und Âinterventionelle Therapie
Herzinsuffizienz und PAD gehören zu den häufigsten Erstmanifestationen kardiovaskulärer Erkrankungen bei Typ-2-Diabetes. Die unterschiedlichen relativen Risiken innerhalb dieser Patientengruppe beeinflussen die klinische Risikobewertung und das Studiendesign massgeblich.
Die optimale medizinische Therapie bei PAD umfasst eine multimodale Strategie aus Pharmakotherapie, überwachten körperlichen Trainingsprogrammen und Lebensstilmodifikation. Eine Revaskularisation wird bei asymptomatischer PAD nicht empfohlen (Klasse III/C, neue Empfehlung). Bei symptomatischen Patienten sollte sie erst nach einer Phase optimaler medizinischer Therapie und Bewegung erfolgen und in einer multidisziplinären Fallbesprechung erwogen werden.
Antihypertensive Therapie bei PAD
Bei Patienten mit PAD und Hypertonie wird ein systolisches Ziel von 120–129 mmHg angestrebt – sofern verträglich (Klasse I/A). ACE-Hemmer oder AT1-Rezeptorblocker (ARB) sollten als Erstlinientherapie erwogen werden (Klasse IIa/B). Auch unabhängig vom Blutdruck können ACEi oder ARB bei PAD-Patienten in Betracht gezogen werden, wenn keine Kontraindikationen bestehen (Klasse IIb/B).
Lipidsenkende Therapie bei PAD
Eine lipidsenkende Therapie wird bei atherosklerotischer PAD empfohlen (Klasse I/A), mit dem Zielwert LDL-C < 1.4 mmol/l und einer Reduktion um > 50 % gegenüber dem Ausgangswert (Klasse I/A). Statine sind bei allen Patienten mit PAD indiziert (Klasse I/A). Wird das Therapieziel nicht erreicht, ist die Kombination von Statinen mit Ezetimib angezeigt (Klasse I/B). Reicht auch diese Kombination nicht aus, ist der Einsatz eines PCSK9-Hemmers zur Zielerreichung zu empfehlen (Klasse I/A).
Antithrombotische Therapie bei PAD
Zur Reduktion von MACE bei symptomatischer PAD wird die Gabe von Aspirin (75–160 mg/Tag) oder alternativ Clopidogrel (75 mg/Tag) empfohlen (Klasse I/A). Nach Revaskularisation der unteren Extremitäten kann bei Patienten mit niedrigem Blutungsrisiko eine Kombination aus Rivaroxaban (2.5 mg b.i.d.) und Aspirin (100 mg/Tag) in Betracht gezogen werden (Klasse IIa/A).
Zur Primärprävention bei Patienten mit PAD und Diabetes kann Aspirin (75–100 mg/Tag) erwogen werden, sofern keine Kontraindikationen vorliegen (Klasse IIb/A). Eine routinemässige antithrombotische Behandlung asymptomatischer PAD-Patienten ohne klinisch relevante atherosklerotische Erkrankung wird nicht empfohlen (Klasse III/B).
Antidiabetische Therapie bei PAD
Bei Patienten mit PAD wird eine enge glykämische Kontrolle mit einem HbA1c < 7 % zur Vermeidung mikrovaskulärer Komplikationen empfohlen (Klasse I/A). SGLT2-Hemmer mit Ânachgewiesenem kardiovaskulärem Nutzen sollen bei Typ-2-Diabetes und PAD eingesetzt werden – unabhängig von HbA1c-Ausgangswerten oder anderen Glukose-senkenden Medikamenten (Klasse I/A).
Bewegungstherapie nach dem FITT-Prinzip
Walking gilt als bevorzugte Trainingsform. Ist dies nicht möglich, sollten alternative Trainingsmethoden wie Krafttraining, Radfahren oder kombinierte Modalitäten erwogen werden. Das FITT-Prinzip (Frequenz, Intensität – bezogen auf Claudicatio-Schmerz, Trainingszeit, Trainingsform) dient als Grundlage. Empfohlen wird eine Trainingsfrequenz von mindestens dreimal wöchentlich bei einer Dauer von jeweils mindestens 30 Minuten über mindestens 12 Wochen (Klasse IIa/B).
Ein Training bis zu moderaten bis starken Claudicatio-Schmerzen kann die Gehfähigkeit verbessern, Verbesserungen sind aber auch bei geringerer Schmerzbelastung möglich (Klasse IIb/B). Bei guter Toleranz kann die Trainingsintensität im Abstand von 1–2 Wochen stufenweise gesteigert werden.
Die fetale Neurosonographie im zweiten Trimenon ermöglicht eine gezielte Darstellung zentralnervöser Strukturen zur frühÂzeitigen Erkennung von Fehlbildungen. Dieser Artikel vermittelt praxisnah die Grundlagen der standardisierten SchnittÂführung in drei transversalen Ebenen und erläutert ergänzende koronare und sagittale Ebenen bei Verdachtsbefunden. Typische ÂPathologien wie Plexus choroideus-Zysten, Corpus-callosum-Agenesie, Ventrikulomegalie und Anomalien der hinteren SchädelÂgrube werden differenziert dargestellt.
Fetal neurosonography in the second trimester allows systematic imaging of central nervous system structures to detect anomalies early. This article provides a practical overview of standard transverse imaging planes and discusses coronal and sagittal extensions in selected cases. Key CNS pathologies such as choroid plexus cyst, agenesis of the corpus callosum, ventriculomegaly and posterior fossa anomalies are addressed.
Die fetale Neurosonographie ist ein fester Bestandteil der pränatalen Diagnostik (1, 2, 5). Im zweiten Organscreening (SSW 20+0 bis 23+0) liegt der Fokus auf der strukturierten Darstellung zentralnervöser Strukturen zur frühzeitigen Detektion von Auffälligkeiten, denn ZNS-Anomalien zählen, neben Herzfehlern, zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen (7). Grundlage der Untersuchung sind drei definierte transversale Ebenen: transthalamisch, transventrikulär und transzerebellär (1, 2, 7, 12). Bei auffälligen Befunden oder erhöhtem Risiko werden ergänzend sagittale und koronare Schnitte empfohlen (2, 5). Die Untersuchung erfolgt vorzugsweise transabdominal, bei speziellen Fragestellungen auch transvaginal. Entscheidend ist ein systematisiertes Vorgehen unter Berücksichtigung der fetalen Lage und fundierter Kenntnisse der normalen Sonoanatomie.
Standardschnittebenen
Folgende drei Ebenen des Kopfs, nebst Beurteilung der Wirbelsäule im Längs- und Querschnitt, sind Bestandteil des Routine-Screenings jeder risikoarmen Schwangerschaft (1, 2, 6).
Die transthalamische Ebene zeigt eine ovale Schädelform, das Cavum septi pellucidi (CSP), zwei symmetrische Thalami und die zentrale Falx (1, 2, 5, 12). Das Cerebellum darf dabei nicht sichtbar sein. In dieser Ebene werden Biparietal-Durchmesser (BPD), Okzipito-frontaler Durchmesser (OFD) und KopfÂumfang (HC) gemessen (Abb. 1a).
Die transventrikuläre Ebene dient der Beurteilung der SeitenÂventrikel (1, 3, 12). Die Weite des Atriums wird zwischen den inneren Rändern (innen-innen), 90° zum Verlauf des Ventrikels und auf Höhe des Sulcus parieto-occipitalis gemessen. Werte <10 mm gelten als unauffällig. Zusätzlich werden die Hemisphärenbreite und die Lage der Plexus choroidei beurteilt. Dabei ist die orthogonale Ausrichtung zur Mittellinie essenziell (Abb. 1b).
Die transzerebelläre Ebene zeigt das Kleinhirn und die Cisterna magna (1, 5, 12). Wichtig sind die Darstellung des Vermis, der Hemisphären sowie des CSP. Der transzerebelläre Durchmesser (TCD) korreliert mit der Schwangerschaftswoche. Eine Cisterna magna >10 mm gilt als auffällig und erfordert eine weiterführende Abklärung (Abb. 1c).
Erweiterte Untersuchung
Bei auffälligen Befunden oder Risikokonstellationen, wie familiärer Belastung, Infektionen (z. B. Zytomegalie, Toxoplasmose, Zikavirus) oder auffälliger Genetik, sollte eine weiterführende sonographische Beurteilung erfolgen. Ergänzend werden sagittale und koronare Ebenen eingesetzt, die eine differenzierte Darstellung zentraler Hirnstrukturen ermöglichen (2, 5, 9).
Die mittsagittale Ebene erlaubt die direkte Darstellung des Corpus callosum. Der Verlauf der Arteria pericallosa kann mittels Farbdoppler beurteilt werden: Bei normaler Ausprägung verläuft sie bogenförmig oberhalb des Balkens. Ebenfalls beurteilbar sind Position, Grösse und Form des Vermis, Lage des Tentoriums und deren Winkel zum Hirnstamm. Diese sind entscheidend, um die Differenzialdiagnosen Blake-Pouch-Zyste, Vermishypoplasie und Dandy-Walker-Malformation abzugrenzen (5, 9) (Abb. 2a und 2b).
Koronare Ebenen ermöglichen die Beurteilung der kortikalen Reifung (Gyrierung), Symmetrie der Hemisphären sowie der lateralen Ventrikelsysteme. Auffälligkeiten wie Asymmetrien oder Hinweise auf Migrationsstörungen lassen sich so frühzeitig erfassen (Abb. 3).
Typische auffällige ZNS-Befunde
Plexus choroideus-Zysten treten bei 1–2 % der Schwangerschaften auf (3, 5). Sie erscheinen als anechogene Strukturen im Plexus choroideus, meist bilateral. Überwiegend sind es transiente Befunde ohne klinische Relevanz. Entscheidend ist die detaillierte Sonographie inklusive Neurosonographie zum Ausschluss assoziierter Fehlbildungen und einer möglichen Assoziation zu Chromosomenstörungen, vor allem zu einer Trisomie 18. Bei ansonsten unauffälligem Ultraschallbefund und unauffälliger, vollständiger Ersttrimesterdiagnostik ist eine invasive Diagnostik oder NIPT nicht zwingend erforderlich. (1, 3, 5) (Abb. 4a).
Corpus-callosum-Agenesie ist eine der häufigsten pränatal diagnostizierten ZNS-Fehlbildungen (3–7/1000) (3, 5). Neben indirekten Zeichen wie Kolpozephalie, divergierenden Seitenventrikeln und fehlendem CSP in der transversalen Ebene ist die sagittale Darstellung des Fehlens des Corpus callosum entscheidend. Die Farbdoppleruntersuchung kann durch den Nachweis oder das Fehlen des bogenförmigen Verlaufs der Arteria Âpericallosa oberhalb des Corpus callosum zur Diagnose beitragen. Die Prognose der Balkenagenesie hängt im Wesentlichen von intra- und extracerebralen Begleitfehlbildungen und etwaigen genetischen Auffälligkeiten ab; ergänzend wird deswegen die genetische Diagnostik empfohlen sowie im Verlauf auch eine fetale Magnetresonanztomografie (MRT) (3, 5, 9) (Abb. 4b).
Ventrikulomegalie ist mit einer Prävalenz von 3–5/1000 eine der häufigsten ZNS-Anomalien (3, 5). Die Diagnose erfolgt in der transventrikulären Ebene anhand der präzisen Messung der Ventrikelweite: mild (10–12 mm), moderat (12–15 mm), schwer (>15 mm). Differenzialdiagnostisch kommen Infektionen, Migrationsstörungen, genetische Syndrome und Obstruktionen, Blutungen infrage (3, 5, 9). Die Prognose korreliert mit der Ventrikelweite und ist von der Ursache der Ventrikulomegalie abhängig (Abb. 4c).
Anomalien der hinteren Schädelgrube reichen von Normvarianten bis zu komplexen Fehlbildungen (3, 5, 8). Häufige Diagnosen sind die Dandy-Walker-Malformation (Abb. 4d) und die Vermis-Hypoplasie sowie die prognostisch benigneren Befunde wie die Blake-Pouch-Zyste, oder die isolierte Megacisterna magna. Die sonografische Beurteilung erfolgt vorrangig in der transzerebellären und midsagittalen Ebene (9). Tab. 1 fasst die wichtigsten sonografischen Merkmale und Unterschiede zusammen (Ref. 8–11). Ergänzend können 3D-Sonografie oder fetale MRT zur weiteren Diagnostik beitragen (1, 5, 8, 9).
Quellenangabe Abbildungen
Abbildung 1 oben links und Abbildung 3 links stammen aus den ISUOG-Guidelines (Quellen 1 und 2).
Alle weiteren Ultraschallbilder stammen aus der Frauenklinik des Universitätsspitals Basel.
Die Autorinnen haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
Eine strukturierte Darstellung der drei transversalen Ebenen (transthalamisch, transventrikulär und transzerebellär) ist die Grundlage jeder fetalen ZNS-Sonographie.
Bei auffälligen Befunden werden ergänzend sagittale und koronare Ebenen eingesetzt.
Die sagittale Ebene mit ggf. Farbdoppler ist essenziell für die Beurteilung des Corpus callosum und der Differentialdiagnose der Strukturen der hinteren Schädelgrube.
Plexus choroideus-Zysten zeigen sich, wenn isoliert, meist als transiente Befunde ohne klinische Relevanz, die sich im weiteren SchwangerschaftsÂverlauf spontan zurückbilden – wichtig ist der Ausschluss weiterer sonographischer Auffälligkeiten und ggf. eine genetische Diagnostik.
Eine Cisterna magna >10 mm in der transzerebellären Ebene sollte eine fetale Neurosonografie mit Einstellung der mittleren SagittalÂebene zur Beurteilung von Vermis und Tentorium nach sich ziehen.
1. Malinger G et al. ISUOG Practice Guidelines: CNS Part 1. Ultrasound Obstet Gynecol. 2020;56(3):476–484.
2. Malinger G et al. ISUOG Practice Guidelines: CNS Part 2. Ultrasound Obstet Gynecol. 2020;56(3):485–500.
3. Karl K et al. Sonografische Differenzialdiagnose bei ZNS-Anomalien. Ultraschall Med. 2011;32(4):342–361.
4. Manegold-Brauer G. Fetale Neurosonographie im ersten Trimenon. info@gynäkologie 01/2017.
5. Chaoui R, Heling KS. Sonografie des fetalen ZNS. In: Praxishandbuch Pränataldiagnostik. Thieme; 2022.
6. Merz E et al. Aktualisierte Qualitätsanforderungen an die weiterführende differenzierte Ultraschalluntersuchung in der pränatalen Diagnostik (= DEGUM-Stufe II) im Zeitraum von 18+0 bis 21+6 Schwangerschaftswochen. Ultraschall Med. 2012;33:593–596.
7. SGUM/SGGG. Empfehlungen zur Ultraschalluntersuchung in der Schwangerschaft – Grundlagen und Qualitätsanforderungen. Version 2.2, 2021.
8. Radiopaedia, The Fetal Medicine Foundation, ISUOG – Beiträge zu Blake-Pouch-Zyste, Dandy-Walker-Komplex, Vermis-Hypoplasie und Megacisterna magna (2024).
9. Katrin Karl, Annegret Geipel, Fehlbildungen des Gehirns, (Kapitel 21.1, 21.2, 21.3 und 21.5), Kursbuch Ultraschall in der Gynäkologie und Geburtshilfe, Thieme; 2022.
10. D’Addario V, Volpe P, Pinto V, et al. Posterior fossa anomalies: prenatal sonographic diagnosis and classification. Ultrasound Obstet Gynecol. 2001;17(5):360–367.
11. Pooh RK, Kurjak A. Three-dimensional neurosonography of the fetal brain. Donald School J Ultrasound Obstet Gynecol. 2012;6(1):6–15.
12. Annegret Geipel, Kapitel 6 Normale Sonoanatomie im 2. Trimenon, Kursbuch Ultraschall in der Gynäkologie und Geburtshilfe, Thieme; 2022.