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Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Praxis von Allgemeinmedizinern

Asthma und COPD

An einem weiterer Vortrag am SGAIM Herbstkongress stellte Prof. Dr. med. Daniel Franzen, Uster, an einem Symposium von MSD & Sanofi/Regeneron die neuesten Erkenntnisse zur Differenzierung und Behandlung von Asthma, COPD und Mischformen vor. Der Schwerpunkt lag auf der Versorgung durch Allgemeinmediziner, für die die Unterscheidung zwischen den beiden Erkrankungen oft schwierig ist.



Der Referent betonte eingangs, dass viele Patienten mit unspezifischen Atemwegssymptomen wie Dyspnoe, Husten oder Belastungsintoleranz in der Grundversorgung erscheinen – Beschwerden, die sowohl bei Asthma als auch bei COPD auftreten. Eine korrekte Differenzierung ist jedoch entscheidend, um wirksame Therapien einzuleiten und Fehldiagnosen zu vermeiden.

Unterschiede in Klinik und Diagnose

Asthma tritt häufig bereits im Kindes- oder Jugendalter auf, oft in Verbindung mit Allergien, und zeigt ein meist variables und reversibles Muster der Atemwegsobstruktion. COPD hingegen entwickelt sich schleichend über Jahre und betrifft typischerweise ältere Patienten, fast immer mit signifikanter Tabakexposition in der Vorgeschichte. Der Vortrag zeigte anhand einer Übersichtstabelle klar auf, wie stark sich beide Erkrankungen in typischen Merkmalen wie Anfallscharakter, Symptomdauer, FEV₁-Verlauf, nächtlichen Beschwerden und der Präsenz reversibler Obstruktionen unterscheiden.

Für Allgemeinmediziner besonders hilfreich ist ein diagnostischer Algorithmus, der die Beurteilung von FEV₁-Reversibilität, PEF-Variabilität und der Blut-Eosinophilen berücksichtigt (Abb. 1). Dieser zeigt, dass Asthma auch dann vorliegen kann, wenn keine Obstruktion messbar ist, vorausgesetzt, Variabilität der Lungenfunktion und ein Ansprechen auf eine inhalative Therapie sind gegeben.

Moderne Therapieansätze bei Asthma

Die GINA-Empfehlungen von 2019 haben einen Paradigmenwechsel eingeleitet: Kurz wirksame Bronchodilatatoren sollen nicht mehr als alleinige Bedarfstherapie eingesetzt werden. Bereits bei milden Symptomen wird eine ICS-basierte Behandlung empfohlen. Prof. Franzen betonte, dass Asthma heute als heterogene Erkrankung verstanden wird, bei der die Identifikation von Phänotypen – insbesondere des Typ-2-entzündlichen Asthmas – eine zentrale Rolle spielt.

Biomarker wie FeNO, Blut-Eosinophile und IgE ermöglichen eine genauere Klassifizierung und ein besseres Verständnis des individuellen Entzündungsmusters. Je nach Phänotyp stehen verschiedene zielgerichtete biologische Therapien zur Verfügung. Dazu gehören u. a. Dupilumab, das IL-4/IL-13-Signale blockiert, sowie Tezepelumab, ein TSLP-Inhibitor mit breiter Wirksamkeit auch bei nicht-eosinophilem Asthma. In den höheren GINA-Stufen (4 und 5) bilden diese Medikamente mittlerweile einen festen Bestandteil der Therapie.

Neue Ära mit biologischen Medikamenten

Während sich die COPD-Therapie traditionell auf Spirometrie, Symptombewertung und Exazerbationsrisiko stützt, gewinnt auch hier die Phänotypisierung zunehmend an Bedeutung. Eosinophile haben sich als relevanter Biomarker etabliert, der sowohl das Exazerbationsrisiko als auch das potenzielle Ansprechen auf eine ICS-Therapie vorhersagen kann. Aktuelle Studien zeigen, dass auch COPD-Patienten mit einem Typ-2-entzündlichen Profil von Biologika profitieren können. Besonders hervorzuheben sind neue Daten zu Dupilumab, das bei Patienten mit erhöhter Eosinophilenzahl eine signifikante Reduktion moderater und schwerer Exazerbationen zeigte. Dies markiert den Beginn eines Paradigmenwechsels: weg von einer rein symptom- und risikoorientierten Therapie hin zu einer immunologisch fundierten, personalisierten Behandlung.

Überlappung von Asthma und COPD

Eine zentrale Botschaft des Vortrags war, dass Asthma und COPD nicht immer klar voneinander abgegrenzt werden können. Der Fall einer 69-jährigen Patientin aus dem Spital Uster verdeutlichte diese Herausforderung: Sie wies sowohl COPD-typische Merkmale wie ein ausgeprägtes Emphysem mit Überblähung als auch Asthma-typische Parameter wie eine ausgeprägte Eosinophilie und eine erhöhte Exazerbationsfrequenz auf. Bei ihr erwies sich Dupilumab als vielversprechende Therapieoption, da sowohl die Exazerbationsrate als auch die Lungenfunktion unter der Behandlung deutlich verbessert wurden.

Prof. Franzen erklärte, dass das Konzept des Asthma-COPD-Overlap (ACO) am besten als Kontinuum verstanden wird, das durch genetische Faktoren, Umweltbelastungen, frühe Lebensereignisse und bronchiale Umbauprozesse geprägt ist. Die grafischen Darstellungen im Vortrag zeigten eindrücklich, wie sich Phänotypen entlang dieses Kontinuums bewegen können und warum eine individualisierte Beurteilung unabdingbar ist.

Fazit

Für die hausärztliche Betreuung bleibt eine sorgfältige Anamnese, ergänzt durch Spirometrie und Biomarker, die Basis für eine korrekte Zuordnung der Atemwegserkrankung. Da moderne Therapien zunehmend phänotypbasiert wirken, wird die Identifikation des individuellen Entzündungsmusters immer wichtiger. Die zentrale Botschaft von Prof. Franzen lautet daher: «Der Phänotyp ist entscheidend». Nur wenn die individuellen Merkmale eines Patienten bekannt sind, kann eine zielgerichtete, effektive und langfristig erfolgreiche Behandlung erfolgen. Die Zukunft der Atemwegstherapie liegt in der Präzisionsmedizin – und diese beginnt bereits in der hausärztlichen Praxis.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

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  • Vol. 15
  • Ausgabe 11
  • November 2025