Wandertipp

Aubrig – Auf den Grossen hinauf und um den Kleinen herum

In der vom Etzel zum Wägitalersee ziehenden Bergkette bildet der Gross Aubrig mit seinen 1695 Metern die höchste Erhebung. Von Norden her betrachtet stellt er zusammen mit seinem kleinen Bruder, dem Chli Aubrig, eine markante Felsenklippe dar. Die Aubrige sind zurückgebliebene Schuppen der helvetischen Deckenbildung während der Auffaltung der Alpen. Sie liegen, wie die Mythen auch, jüngerem Flysch auf. Während sich der Zugang zum Chli Aubrig von Euthal oder der Sattelegg aus einfach und direkt erschliesst, erweist sich die ­Besteigung des Gross Aubrig etwas sperriger, aber nicht weniger reizvoll.

 



Wir starten auf der Sattelegg und wählen am Südende des grossen Parkplatzes das gegen Südosten weisende Fahrsträsschen, das durch Moorgebiet über Schwanten und Steinwändli zur Alp Unter Alten führt. Immer wieder begegnen wir in diesem Gebiet und später an der Südostflanke des Chli Aubrig mächtigen Bergahornen (Abb. 1). Hier befinden wir uns unmittelbar unter den hoch aufschiessenden Flühen des Chli Aubrig. Im Osten verlegt uns, nun schon nahe, der wesentlich behäbigere Klotz des Gross Aubrig den Blick in Richtung des Wäggitals. Dazwischen liegt das tief eingeschnittene Tal des Chratzerlibachs. Nun gilt es in den Sommermonaten zu entscheiden, ob wir der Einkehr wegen den Bach zur Alp Ahoreli hinüber queren oder die Höhe halten und an der Ostflanke des Chli Aubrig entlang Richtung der Alp Ober Alten weiterziehen wollen. Beide Wegvarianten sind etwa gleich lang. Die erste zwingt zu etwas mehr Höhenmetern, ermöglicht dafür eine Stärkung im Bergbeizli von Ahoreli, die zweite umrundet den Talkessel mehr oder weniger eben aus. Nur wer dort hin geht hat auch die freudige Qual der Wahl.

Bei der Lokalität Rothärd gilt es dann in beiden Fällen die Krete zwischen Nüssen und Gross Aubrig zu erklimmen. Spätestens bei Erreichen der Höhenquote 1513 Meter eröffnet sich uns nicht nur ein herrlicher Blick ins Wäggital, sondern, wie bereits erwähnt, auch die Sperrigkeit des Zugangs zum Gross Aubrig. Denn zwischen uns und dem Gipfel tut sich ein tiefer Einschnitt in der Krete auf, den es vorerst einmal zu überwinden gilt. Ein guter Grund kurz innezuhalten und die Aussicht zu geniessen auf den Wäggitalersee mit den umliegenden Gipfeln vom Chöpfenberg über Tierberg, Bockmattli, Schiberg, Brünnelistock, Zindlenspitz und Lachenstock, bis hin zum Mutteristock und Ochsen, die überragt werden vom Glärnisch. So malerisch der See heute im Tal liegt, so umstritten war die Erbauung des Stauwerks unter der ortsansässigen Bevölkerung, zwang diese doch zur Aufgabe eines ganzen Dorfes mit seinen zahlreichen Streusiedlungen und bedeutete die Zerstörung fruchtbaren Bodens. Die Bauernfamilien konnten nur teilweise an den Talhängen neu angesiedelt werden. Die übrigen mussten das Tal verlassen und unten in der Ebene neu beginnen. Beat Hüppin hat mit seinem lesenswerten Roman ‚Talwasser‘ zur Entstehungsgeschichte des Stausees den damals betroffenen Menschen im Tal ein würdiges Gedenken geschaffen (Zytglogge Verlag Basel 2016, ISBN: 978-3-7296-0909-9).

Nach dem Abstieg in den Sattel braucht es ein gutes Auge, um die wenigen ausbleichenden Wegmarkierungen sowie die spärlichen Trittspuren in der Bergwiese ausmachen zu können, die talabwärts zwei gegen Süden herunterziehende Felsrippen umgehen. Es gehen also ein paar weitere Höhenmeter verloren, bevor wir praktisch weglos den von der Alp Bärlaui heraufführenden Pfad erreichen, der nun zu einem zwar stotzigen, aber gut begehbaren Weg wird, über den wir schliesslich die im Süden des Gipfels liegende Hangschulter mit dem von weitem sichtbaren Stall gewinnen. Anschliessend stossen wir, direkt gegen Norden über die Wiese aufsteigend, wieder auf Pfadspuren, die uns den Weg zum Gipfel weisen. Hier öffnet sich nun auch der Blick gegen Norden auf die Seenplatte rund um den Zürichsee. Im Osten ragen der Säntis und die Churfirsten auf, im Süden blitzt die vereiste Kappe des Tödi herüber, im Westen fallen neben vielen anderen Gipfeln Urirotstock, Mythen, Rigi und Pilatus ins Auge (Abb. 2).

Auf dem Hinweg kehren wir bis zum zweiten Sattel mit der Höhenquote 1439 Meter zurück, wo wir uns gegen Süd­westen wenden. Eben aus, am Rande der Weiden der Alp Ober Alten, queren wir den Nordhang des Nüssen hinüber zur Krete, über die wir nach kurzer Zeit die Wildegg erreichen. Nun bleibt nur noch die sanft abfallende Rückkehr durch die Westflanke des Chli Aubrig zur Alp Chrähwäldli und von dort leider wenig gefällig über das Fahrsträsschen zur Sattelegg zurück. Wer sich den grössten Teil des Fahrsträsschens ersparen will, der nimmt eine kleine Gegensteigung bis zum Sattel östlich der Büelhöchi (Geländepunkt 1372 Meter) in Kauf (Abb. 3). Aber vielleicht, wer weiss, hat jemand doch noch nicht genug der herrlichen Rundsicht und steigt noch schnell oder gemütlich zum Chli Aubrig auf, der auch im Winter von Euthal aus Anlass für eine wunderbare Rundwanderung mit den Schneeschuhen bietet.

Leserinnen und Leser, die gerne einmal eine Bergtour mit dem ­Autor der Wandertipps unternehmen möchten, können ihr ­Interesse per E-Mail an christian.besimo@bluewin.ch anmelden und werden darauf über geplante Wanderungen informiert.

In dieser Rubrik werden Berg- und Schneeschuhwanderungen vorgestellt, die in der Regel wenig bekannt sind, zu aussergewöhnlichen Orten führen und die Genugtuung einer besonderen persönlichen Leistung bieten, sei es, dass man sich am Abend nach der Arbeit noch zu einer kleinen körperlichen Anstrengung überwindet, bzw. sich in ein oder zwei Tagen abseits breit getretener Wege unvergessliche Naturerlebnisse erschliesst. Zur besseren Beurteilbarkeit des Schwierigkeitsgrades der Tourenvorschläge wird jeweils eine Einschätzung anhand der SAC-Skala für Berg- (T1–6) und für Schneeschuhwanderungen (WT 1–6) gegeben. Die schwierigste Wegstelle, unabhängig von ihrer Länge, bestimmt jeweils die Gesamtbewertung der Route. Letztendlich bleibt aber jeder selbst für die Beurteilung seiner Fähigkeiten und Eignung für die vorgestellte Wanderung verantwortlich. Die Gehzeiten sind Richtwerte und gelten für normal trainierte Wanderer. Sie müssen nicht zwingend mit den Angaben auf Wegweisern übereinstimmen.

Prof. Dr. med. dent. Christian E. Besimo

Riedstrasse 9
6430 Schwyz

christian.besimo@bluewin.ch

der informierte @rzt

  • Vol. 15
  • Ausgabe 10
  • Oktober 2025