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Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider am SGAIM Frühjahreskongress:

«Den Mut haben, ausgetretene Pfade zu verlassen»

Am Frühjahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) unter dem Motto «Outside the box» ging es um frische Perspektiven in einer sich stetig wandelnden medizinischen Landschaft. Gespannt verfolgten am Donnerstag mehrere hundert Kongressteilnehmerinnen und -teilnehmer im Congress Center Basel die Keynote von Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider, Vorsteherin des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI). Es sei nicht nur angebracht, sondern auch nützlich, Scheuklappen abzulegen, wenn es darum gehe, «die hervorragende Qualität des schweizerischen Gesundheitssystems zu erhalten und zu fördern», sagte sie.



«Über den Tellerrand hinausblicken» bedeute unter anderem auch, bereit zu sein, «genau zu untersuchen, was die Akteure im Gesundheitswesen als Problem betrachten». Leistungserbringer, Politik und Medien würden in diesem Zusammenhang immer wieder die «Bürokratisierung» im Gesundheitswesen kritisieren. «Ich nehme diese Anliegen sehr ernst. Zusammen mit dem Bundesamt für Gesundheit sind wir bereit, hier einen Beitrag zu leisten», so Elisabeth Baume-Schneider.

Und weiter: «Ich kann Ihnen garantieren, dass ich bereit bin, unnötige oder nicht effizient ausgeführte administrative Aufwände, welche durch Vorgaben meines Departementes verursacht werden, zu eliminieren oder effizienter zu gestalten.» Sie hoffe, dass die Bereitschaft bei allen beteiligten Akteuren vorhanden sei, in ihrem Verantwortungsbereich dasselbe zu tun. Zur Umsetzung des Anliegens hat das EDI in einem ersten Schritt eine externe Arbeitsgruppe unter der Leitung des Bundesamts für Gesundheit (BAG) ins Leben gerufen. Momentan sei eine Umfrage bei den Leistungserbringern in Vorbereitung, damit der Grad der administrativen Belastung erfasst und verstanden werden könne, sagte die Bundesrätin. «In einem zweiten Schritt wollen wir Massnahmen zur Behebung von unnötigen – oder ineffizienten – administrativen Aufwänden entwickeln und umsetzen.» Prioritär behandelt werde die Gruppe der Hausärztinnen und Hausärzte. «Erste konkrete Resultate der Arbeiten erwarten wir noch in diesem Jahr.»

Ein weiteres Gebiet, auf dem ausgetretene Pfade verlassen werden müssten, sei die Digitalisierung des Gesundheitssystems. «Seien wir ehrlich: Viele Länder sind in dieser Hinsicht deutlich weiter als wir. Das muss sich ändern.» Die EDI-Vorsteherin nannte das «Leuchtturmprojekt» DigiSanté, das seit Anfang 2025 schrittweise umgesetzt wird. Es soll gewährleisten, dass die verschiedenen Systeme kompatibel sind und verhindern, dass administrative und medizinische Daten mehrfach erfasst werden müssen – gemäss dem «Once-only»-Prinzip.
Persönlich ein grosses Anliegen sei ihr die Stärkung der Grundversorgung. «Hier müssen aktiv Lösungen ausserhalb der bereits bekannten Rezepte gesucht werden.» Deshalb habe das EDI im November 2024 die Agenda Grundversorgung lanciert. «Seither haben rund 80 Akteure in Arbeitsgruppen – darunter auch die SGAIM – den Handlungsbedarf priorisiert und erste Lösungsansätze erarbeitet.» Die Arbeitsgruppen seien breit aufgestellt und nahe an den Patientinnen und Patienten dran. Diese Patientenzentrierung sei grundlegend für eine qualitativ gute Gesundheitsversorgung. Einen Bericht mit Massnahmenvorschlägen erwarte sie bis Ende 2025. «Danach wird der Bundesrat über die Umsetzung entscheiden.»

Die Gesundheitsministerin sprach auch über das neue, gesamtheitliche Tarifsystem im ambulanten Bereich, das aus TARDOC und Pauschalen besteht. Es ersetzt ab dem 1. Januar 2026 den bisherigen Arzttarif TARMED. Sie sei sich bewusst, dass die Umsetzung des neuen Systems eine Herausforderung für die Ärzteschaft darstelle. «Ich lade Sie ein, diesen Wandel mit Geduld und einer konstruktiv-kritischen Haltung zu begleiten. Jede Tarifänderung bringt Unsicherheiten und gewisse nicht vorhersehbare Auswirkungen mit sich», sagte die Bundesrätin.
Im Anschluss an ihre Keynote beantwortete die Bundesrätin auch Fragen aus dem Publikum. Dr. Christoph Knoblauch, Co-Präsident der SGAIM, bedankte sich zum Schluss für ihren Besuch am SGAIM-Kongress: «Wir freuen uns sehr, dass wir die Gelegenheit hatten, an diesem Austausch und Dialog teilzunehmen. Die Diskussion zeugte von bemerkenswerter Kompetenz und fundierter Sachkenntnis. Diese Dynamik muss unbedingt fortgesetzt werden, um einige wesentliche Punkte weiter zu verbessern.»

Dr. med. Lars Clarfeld

Generalsekretär und Leiter der Geschäftsstelle
Monbijoustrasse 43
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lars.clarfeld@sgaim.ch

der informierte @rzt

  • Vol. 15
  • Ausgabe 6
  • Juni 2025