- Mehr Lebensqualität für Epilepsiebetroffene
Epilepsiewarnhunde können sowohl fokale als auch generalisierte epileptische Anfälle im Voraus erkennen und Betroffene rechtzeitig vor einem Ereignis warnen. Epilepsiewarnhunde kommen im Idealfall im Welpenalter zu Epileptikern oder deren Familien und werden von ihnen unter Anleitung von Hundetrainern und Coaches selbst ausgebildet. Epidogs verhelfen Betroffenen zu einer signifikanten Verbesserung ihrer Lebenssituation.
In den USA werden seit 1996 Assistenzhunde für Epileptiker ausgebildet, ab 2004 in Deutschland und seit 2014 durch den Verein «EpiDogs for Kids» in der Schweiz. Verschiedene wissenschaftliche Studien aus den USA, Kanada, England, Italien und Deutschland unterfüttern den Nutzen von Epilepsiewarnhunden für Epilepsie-Betroffene und deren Familien. Allein rund 20 000 Minderjährige sind in der Schweiz von Epilepsie betroffen, so der Luzerner FDP-Ständerat Damian Müller. Er setzte sich mit einer Motion dafür ein, dass die Invalidenversicherung (IV) Epilepsiewarnhunde für Kinder und Erwachsene finanziert. Bundesrat und beide Parlamentskammern haben dem Vorstoss oppositionslos zugestimmt. Die neue Regelung gilt seit 2024.

«EpiDogs for Kids» versteht sich als Anlaufstelle für epilepsiebetroffene Familien, die sich einen Assistenzhund wünschen, erklärt Madlaina Blapp, Gründungsmitglied und Präsidentin des Vereins: «Wir organisieren Vermittlung, Ausbildung und Finanzierung der Epilepsiewarnhunde für Kinder und Jugendliche.» Der gemeinnützige Verein und seine ehrenamtlich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bieten ihr Knowhow auch Erwachsenen an. Er finanziert sich durch Spenden, die gemäss Statuten aber ausschliesslich für Kinder und Jugendliche bestimmt sind. Die Ausbildungskosten von CHF 15 000.– werden vom Verein finanziert.
Für Interessierte findet zweimal jährlich eine Informationsveranstaltung statt, an der das Ausbildungskonzept erläutert wird. Bei Familien, die sich für einen Epidog interessieren, werden die betreuerischen und häuslichen Verhältnisse abgeklärt. Wenn die Voraussetzungen passen, kann sich die Familie am Ausbildungsprogramm beteiligen und die vorbereitenden Kurse absolvieren. Sie erfährt, wie sie mit dem zukünftigen Epidog während seiner dreijährigen Ausbildungszeit umgehen soll – mit engmaschiger Unterstützung durch erfahrene Ausbilder und EpiCoaches des Vereins «EpiDogs for Kids», der seit 2014 37 Epidogs ausgebildet und derzeit acht Hunde in Ausbildung hat.
Als Epilepsiebegleithunde eignen sich insbesondere familien- und arbeitsfreundliche, robuste Hunde wie der Labrador, Golden Retriever oder für Allergiker hypoallergene Hunde wie Cobberdog oder Labradoodle. Sobald die Welpen auf der Welt sind, werden sie noch in der Wurfkiste von der zukünftigen Familie besucht. Es stellt sich meist schnell heraus, welcher Welpe sich zuerst zum epilepsiebetroffenen Kind hingezogen fühlt. Ab diesem Zeitpunkt beginnt der Bindungsaufbau, der bei weiteren Welpenbesuchen vertieft wird, bevor der potenzielle Epidog bei der Familie einzieht. «Der Welpe soll möglichst früh zu einem festen Bestandteil der familiären Gemeinschaft werden», erklärt Madlaina Blapp. Anders als etwa Blindenführhunde, die in einer Schule und Patenfamilien geschult und mit drei Jahren Sehbehinderten fertig ausgebildet abgegeben werden, kommt der zukünftige Epidog schon während seiner Prägezeit zur Familie, im Alter ab 10 Wochen. Die Prägezeit des Hundes beginnt in der Regel ab der dritten und dauert bis zur 16. Lebenswoche. Während dieser Phase sind Welpen besonders lernfähig und können grundlegende Verhaltensweisen besonders schnell erlernen.
«Die Hunde sind von klein auf hervorragende Beobachter. Sie riechen, hören, schmecken, sehen, spüren, fühlen. Sie werden Teil einer neuen Gemeinschaft, wie sie das schon vom Rudel her kennen.» Im Rudel wird für das schwächste Mitglied gut gesorgt. Die Hunde erkennen bald, wenn sich die Mutter immer um ein Kind besonders intensiv kümmert und bringen ihre ausgeprägten Intuitionen und Fähigkeiten freiwillig ein. Mittels Kameras – in Zusammenarbeit mit den Familien installiert –, wird das Verhalten der Hunde aufgezeichnet, damit der Mensch die Verhaltensmuster des Hundes zu lesen versteht.

Mit der Zeit merken die Hunde, dass sich eine drohende Gefahr, ein Epilepsie-Anfall, anbahnt. «Die Epidogs sind eine Art Frühwarnsystem, sie erkennen Veränderungen im Körper, im Tonus und der Atmung des Epilepsiebetroffenen, auch wenn jede Epilepsieform anders ist. Bei epileptischen Anfällen verändert sich offenbar der SpO2-Wert der Patienten, legt eine wissenschaftliche Studie des Deutschen Assistenzhunde-Zentrums aus dem Jahr 2013 nahe. Die Ergebnisse zeigten, dass Hunde warnten, als sie eine reduzierte Sauerstoffsättigung wahrnahmen. In einer sieben Jahre dauernden Verhaltensstudie fanden die Forscher heraus, dass Hunde nicht nur auf epileptische Anfälle, sondern ebenfalls auf Über- oder Unterzuckerungen, Migräneanfälle und lebensgefährliche Asthmaanfälle reagierten. An der Studie nahmen über 1000 Hunde in einem Alter zwischen drei Wochen und sieben Jahren teil. Das Warnen der Hunde manifestierte sich durch Stupsen an Hand, Ohr, Bein und Mund, Lecken an Hand und Mund oder Pfote auflegen und war bei allen Erkrankungen identisch. Laut «EpiDogs for Kids» gibt es auch Hunde, die die wichtigste Bezugsperson, meist die Mutter, vor einem Notfall mit den Augen fixieren, die Situation verbellen oder das Kind vor dem Weitergehen hindern. «Jede Epilepsieform ist anders. Und jeder Hund funktioniert unterschiedlich», so Madlaina Blapp, «darum muss die Ausbildung der Hunde individuell und massgeschneidert sein.» Besonders bei Epilepsiegeplagten, die täglich Anfälle haben, werde dem Hund viel Aufmerksamkeit abverlangt. Für seine Hilfsleistungen müsse er mit Lob, Dank, Emotionen – nicht mit Futter – belohnt werden. Um eine Überbelastung zu vermeiden, brauche er regelmässigen Auszeiten.
Für das Kind ist der Hund der Lebensretter, der beste Freund, der immer da ist. Wenn Anfälle auftreten, sind sie kürzer oder weniger schwer und die Erholungsphase ist kürzer. Es gibt seltener Notfallsituationen mit Inanspruchnahme der Ambulanz, die früher regelmässig anrücken musste und weniger Spitalaufenthalte. Der Familie gibt der Hund Sicherheit, auch gegen aussen: Aufgrund der Krankheit eines Kindes isolieren sich ganze Familien, wagen nicht, das Haus zu verlassen und neue Menschen kennen zu lernen. Der Epidog wirkt wie ein Türöffner, der Kontakte zur Umwelt schafft und verbessert auch auf diese Weise die Lebensqualität der ganzen Familie.
Jörg Weber






