- Mit Haggen, aber ohne Ă–sen, quer zu Goethes Spuren
Beim kleinen Schulhaus Haggen, das nun allem Widerstand zum Trotz geschlossen wurde, gab es eine stärkende Suppe. Dennoch hatte ich danach zwei mĂ¼de Buben an der Hand, die ich mit Erzählen von Geschichten bis zum Pass hochschwatzte, wo sie sich artig bei mir bedankt hatten mit dem Hinweis, den Abstieg ins Tal wĂ¼rden sie nun selber schaffen. Ich bewunderte die Kinder, die eisern bis Einsiedeln durchhielten und erst dort beim FrĂ¼hstĂ¼ck mehrheitlich den Kopf auf die Tischplatte legten zu einem kurzen Nickerchen, um anschliessend wieder fit zu sein fĂ¼r die Besichtigung des Klosters. Eine weitere unvergessliche Erinnerung ist an eine Vollmondnacht im Winter geknĂ¼pft, in der ich mit Schneeschuhen vom Mostelberg aus nach Schwyz gewandert bin.
Heute wählen wir das Tageslicht und die Luftseilbahn von Sattel auf den Mostelberg, weil dieser Aufstieg wenig bietet. Bei der Bergstation wenden wir uns gegen SĂ¼dosten Richtung Herrenboden. Wir durchwandern ein Feuchtgebiet, in dem im FrĂ¼hjahr ungezählte Orchideen blĂ¼hen. Im Herrenboden lädt das gleichnamige Gasthaus die bereits Durstigen zu einer Stärkung ein. Bis zur Mostelegg im SĂ¼den folgen wir dem Natursträsschen. Auf diesem Ăœbergang öffnet sich der weite Blick auf den Talkessel Schwyz bis hin zum Vierwaldstätter See zwischen dem Rigimassiv und Niederbauen, Oberbauenstock sowie Uri Rotstock (Abb. 1). Hier zweigt gegen Osten auch der Fussweg zur Haggenegg ab, die den SĂ¼dhang des Hochstuckli quert. Neben dem Gasthaus steht noch die frisch renovierte Kapelle am Pilgerweg, zu Beginn des stotzigen Abstiegs nach Schwyz. Wir folgen diesem nur ein kurzes StĂ¼ck, bevor wir in sĂ¼dlicher Richtung zum Stockwald und zur Lichtung von Schwändi auf der Westseite des Kleinen Mythen queren. Das Quellgebiet des Nietenbachs unterhalb des Haggen liegt in einem nie zur Ruhe kommenden Rutschgebiet mit Verwerfungen und sumpfigen TĂ¼mpeln (Abb. 2). Es fällt nicht schwer sich vorzustellen, dass dieser Abstieg dem um sein Gepäck besorgten Goethe kaum gefallen hat, bei Regen sowie ausgerĂ¼stet mit Schuhwerk und Kleidern, die alles andere als wetter- und trittfest waren.
Unser bequemer Weg, den wohl auch Goethe vorgezogen hätte, verlässt die Lichtung von Schwändi an ihrer SĂ¼dwestecke (Abb. 3). Er windet sich, gut mit Bruchsteinmauern befestigt, aber kaum begangen in wenigen Kehren durch den Brändliwald zum Bauernhof von Dietental hinunter. Wir meiden dabei das in der ersten Kehre abgehende Forststrässchen, das in den weiter sĂ¼dlich gelegenen Mythenwald am Fuss des Grossen Mythen hinĂ¼berquert. Ab Waldrand fĂ¼hrt eine asphaltierte Fahrstrasse Ă¼ber das steil am Hang liegende Quartier Loo nach Schwyz hinunter. Bei gemähten Wiesen sind viele kreative AbkĂ¼rzungen möglich, die wir gerne jedem Einzelnen Ă¼berlassen.
Am oberen Dorfrand zwischen dem Hinterdorf und der MangelÂegg wenden wir uns durch das Einfamlienhausquartier Richtung der Kirche St. Martin von Schwyz und gelangen so zu den Herrenhäusern im Feldli unweit der noch herrschaftlicheren Ital Reding Hofstatt. Diese Herrenhäuser sind beredte historische Zeugen des Reisläuferwesens, an dem Schwyzer Offiziere in fremden Diensten gut verdient haben. Sie verdingten die auf den Höfen Ă¼berzähligen Männer an die verschiedensten Herrscherhäuser Europas, sodass es nicht selten vorkam, dass sich auf den zahlreichen Schlachtfeldern Vater und Sohn oder BrĂ¼der gegenĂ¼ber standen. Die zu Wohlstand und lokaler Macht gelangten Schwyzer Offiziere stellten auch, neben den anderen Ständen der alten Eidgenossenschaft die Landvögte im Tessin, die nicht nur Ă¼ber die strategisch wichtigen Passwege zu wachen hatten, sondern sich an dem mausarmen Landstrich zusätzlich bereicherten – ein Thema, das man noch heute im Flecken Schwyz besser nicht anspricht. Erst im Rahmen der napoleonischen Kriege vermochte sich das Tessin vom Joch der fremden Herren von jenseits des Gotthards zu befreien.
Unterhalb der Dorfkirche liegt der leider nicht verkehrsfreie Hauptplatz von Schwyz mit dem schmucken Rathaus, auf dessen Westfassade die Schlacht von Morgarten in kräftiger Bildersprache dargestellt ist. Platz und Kirche werden Ă¼berragt vom mächtigen Klotz des Grossen Mythen, dem Meinrad Inglin in seinem Roman «Die Welt in Ingoldau» den Namen Rothorn gegeben hat. Wer dem Wesen dieses Ortes näher kommen möchte, dem sei dieses Werk bestens zur LektĂ¼re empfohlen. Es hat Inglin seines treffenden Inhalts wegen nicht nur Freunde eingebracht. Westlich des Hauptplatzes liegt der Busbahnhof, wo die Linie 507 nach Sattel abgeht (Abb. 4).
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