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Bei hartnäckigem Juckreiz daran denken

Skabies, welche Behandlungen sind dem Grundversorger zugänglich?



Die Skabies ist eine mit quälendem Juckreiz einhergehende Hauterkrankung des Menschen, die durch eine Infestation mit dem humanpathogenen Parasit Sarcoptes scabiei variatio hominis (Krätzmilbe) ausgelöst wird. Der Begriff Infestation beschreibt hierbei, dass die Sarcoptesmilbe als Ektoparasit die Epidermis nicht durchdringt (1). Die Lebensdauer ausserhalb der menschlichen Haut beträgt gerade einmal 1-3 Tage. Die Skabiesmilbe gehört zu den Spinnentieren (Arachnida) und hat im Nymphen- und Adultstadium vier Beinpaare. Weibliche Skabiesmilben erreichen eine Grösse von 0,3-0,5 mm, Männchen sind mit 0,2-0,3 mm etwas kleiner. Nach der Paarung der Milben an der Hautoberfläche stirbt das Männchen ab und das Weibchen beginnt, sich in das Stratum corneum einzugraben. Die Weibchen legen dort täglich 2 bis 3 Eier ab, aus denen nach 2 bis 3 Tagen die Larven schlüpfen (2). Der Weg führt die Larven an die Hautoberfläche, wo sie sich zu Nymphen und schliesslich zu adulten Milben entwickeln. Mit blossem Auge ist eine adulte weibliche Skabiesmilbe gerade eben noch zu erkennen. Dermatoskopisch können Gangstrukturen und bräunliche Dreiecke, die dem Vorderleib der Milben entsprechen, sowie Kotballen erkannt werden.

Klinik

Die ansteckende Erkrankung wird gekennzeichnet durch Milbengänge, einen morphologisch heterogenen Hautausschlag und quälenden Juckreiz («scabere», lat. Kratzen). Die ersten Symptome erscheinen bei der Erstinfestation nach zwei bis fünf Wochen, bei einer Reinfestation aufgrund einer bereits bestehenden Sensibilisierung auf Milbenprodukte geschieht dies bereits innerhalb der ersten ein bis vier Tage. Prädilektionsstellen sind die Interdigitalfalten der Hände und Füsse, Ellenbogenstreckseiten, vordere Axillarfalten, Brustwarzenhof, Nabelregion, Gürtellinie, Gesäss, Analfalte, Perianalregion, Leisten, Knöchelregion, die medialen Fussränder und beim Mann insbesondere der Penisschaft (längliche Papeln in dieser Lokalisation sind nahezu beweisend für eine Skabies) (1). Die Primäreffloreszenzen sind kommaartige, oft unregelmässig gewundene, wenige Millimeter bis ein Zentimeter lange Milbengänge, an deren Ende sich manchmal ein kleines Bläschen ausbildet (3). Im Sinne einer zellvermittelten Immunantwort vom verzögerten Typ gegen den Kot der Milben kommt es zu einer Ekzemreaktion mit disseminierten erythematösen und teilweise krustösen Papeln, Bläschen und Papulovesikeln (Abb. 1) (4, 5). Charakteristisch ist eine Zunahme des Pruritus in der Nacht, wahrscheinlich aufgrund einer Senkung der Juckreizschwelle. Das klinische Bild im Säuglings- und Kleinkindalter umfasst häufig Bläschen, Blasen und Pusteln. Betroffene Kinder fallen ausserdem durch Appetitlosigkeit bis hin zu Gedeihstörungen auf (6, 7).

Typischerweise leben lediglich 5 bis 15 adulte weibliche Milben auf einem Patienten mit einer klassischen Skabies. Diese Zahl kann bei der Borkenkrätze (Skabies crustosa) Hunderte oder sogar Millionen Milben betragen (8). Die Skabies crustosa tritt überwiegend bei immunsupprimierten Patienten auf, bei denen sich die Milben ungehemmt vermehren können (9). Daher ist diese Form der Skabies hoch ansteckend.
Zur Diagnosestellung einer Skabies eignet sich neben dem nativen lichtmikroskopischen Nachweis von Milben, Eiern und Skybala (Milbenkot) aus Hautgeschabsel («skin scraping») insbesondere auch die Dermatoskopie, mit der sich eine Sensitivität von bis zu 91% bei einer Spezifität von 86% erreichen lässt (Abb. 2) (10). Insbesondere bei typischer Anamnese mit mehreren betroffenen engen Kontaktpersonen und bei typischer Klinik mit gewundenen Gangstrukturen an den Prädilektionsstellen in Kombination mit Juckreiz lässt sich die Diagnose auch ohne direkten Milbennachweis stellen (11).

Therapie

In der Schweiz ist Permethrin (Scabi-med® Creme 5%) das einzige zugelassene Antiscabiosum, welches in den Apotheken verfügbar ist. Crotamiton (Eurax®, eingestellt 2012) und Benzylbenzoat sind beide nicht mehr im Handel und nicht registriert, und können allenfalls noch mittels Magistralrezeptur bei entsprechend motivierten Apotheken hergestellt werden lassen. Als systemisches Reservemedikament ist Ivermectin (z.B. Stromectol®, Scabioral®) in einigen Kantonsapotheken verfügbar. Der Einsatz sollte reserviert bleiben für Fälle, die resistent auf eine topische Behandlung sind, da Ivermectin auch für viele andere parasitäre Infestationen (u.a. Helminthen, Fadenwürmer, Läuse) ein wichtiges Medikament darstellt.
Permethrin (Scabi-med® 5%) ist das Medikament der ersten Wahl für die Skabies in der Schweiz. Es ist zugelassen bei Kindern ab dem 3. Lebensmonat, die Sicherheit und Wirksamkeit von Scabi-med 5% Creme bei Kindern unter 2 Monaten ist bisher nicht geprüft worden. Säuglinge < 3 Monaten empfehlen wir in den entsprechenden Kinderkliniken stationär zu behandeln, gegebenenfalls auch Säuglinge < 1 Jahr bei schwieriger Compliance oder familiärer Situation. Säuglingen sollten in der Folge der Anwendung Baumwollhandschuhe angezogen werden, damit Permethrin nicht abgeleckt und peroral aufgenommen wird. Die Autoren der S1-Leitlinie der AWMF halten eine off label Therapie in den ersten beiden Lebensmonaten für möglich (1).
Einige Studien legen nahe, dass eine einmalige Anwendung von Permethrin bei unkomplizierter Skabies zumeist ausreicht, da der Wirkstoff scabizid und ovozid ist (12-14). Aufgrund möglicher Anwendungsfehler und zur sicheren Abtötung frisch geschlüpfter Larven aus verbliebenen Eiern empfehlen wir typischerweise eine zweite Anwendung nach 7-10 Tagen (15, 16). Die Lokaltherapie erfolgt auf den ganzen Körper lückenlos vom Unterkiefer abwärts einschliesslich der Retroaurikularfalten sowie inklusive Handflächen, Fusssohlen, unter Finger- und Zehennägeln, äusseres Genitale und Gesäss (Tab. 1).

Das Kürzen der Fingernägel ist wichtig, da es die subunguale Verfügbarkeit von Permethrin erhöht und die Rezidivfrequenz mindert. Bei Personen über 60 Jahren und Kindern unter 3 Jahren wird zusätzlich auch die Gesichts- und Kopfhaut mitbehandelt, da in diesen Altersgruppen gehäuft ein Befall in diesen Regionen beobachtet wird. Bei klinischem Verdacht sollten diese Hautstellen auch bei Erwachsenen mitbehandelt werden. Nach 8-12 Stunden soll Permethrin gründlich mit Wasser und Seife abgespült werden.
Studiendaten weisen darauf hin, dass die lokale Therapie mit Permethrin auch in der Schwangerschaft und Stillzeit als sicher und effizient betrachtet werden kann (17). Dennoch lautet die Empfehlung der Fachinformation, eine Behandlung während des 1. Trimenons aus Vorsichtsgründen zu vermeiden, es sei denn, der klinische Zustand der Frau erfordere eine Behandlung. Da sich Permethrin in der Muttermilch nachweisen lässt, lautet die Empfehlung ausserdem, nach der Anwendung von Permethrin eine Stillpause von 5 Tagen einzuhalten.
Wir empfehlen unseren Patienten nach der Behandlung jeweils frische Unterwäsche, Kleider, Schuhe, usw. anzuziehen, und zuvor getragene Kleider sowie Bettwäsche und Handtücher bei mindestens 60°C zu waschen. Nicht waschbare Gegenstände sollen für mindestens 7 Tage in geschlossenen Plastiksäcken aufbewahrt werden. Alternativ können Gegenstände etc. für mindestens 24 Stunden ins Gefrierfach gelegt, und Schuhe für 7 Tage ausgelüftet werden. Handschuhe und Socken sollten während mindestens 24 Stunden weggelassen werden.
Die Nachbehandlung des Juckreizes erfolgt durch eine Polidocanol-enthaltende Lotion/Creme 1x täglich für 4 Wochen, eventuell sind topische Steroide 1x täglich für 1-2 Wochen sinnvoll, um ein postskabiöses Ekzem abzufangen. Generell sollten die Patienten darauf hingewiesen werden, dass nach der akariziden Behandlung die Tiere noch bis zu 4 Wochen (tot) in der Haut verbleiben können, bis die normale Abschilferung die Epidermis vollständig ersetzt hat. Erst dann ist der immunologisch-entzündliche Trigger vollständig eliminiert. Falls im Verlauf die Beschwerden des Patienten nicht besser sind, ist nach eingehender Überprüfung der Diagnose und Evaluation anderweitiger Differentialdiagnosen die ganze Therapie gegebenenfalls noch einmal zu wiederholen. Multiple Runden von antiskabiöser Behandlung ohne Skabiesnachweis sind wegen der psychosozialen Belastung für die Patienten und wegen der generierten Kosten nicht zu rechtfertigen.
Ivermectin (Scabioral®, Stromectol®): Orales Ivermectin ist in der Schweiz bisher nicht registriert und muss deshalb im Bedarfsfall importiert oder bei einer spezialisierten Apotheke bezogen werden. An grösseren Spitälern mit einer eigenen Dermatologie ist der Wirkstoff in der Regel für dort behandelte Patienten erhältlich. Ivermectin führt über eine Bindung an Chlorkanäle zur Lähmung und zum Tod der Skabiesmilben; die Tabletten sollen nüchtern als Einzeldosis eingenommen werden (höhere Resorption mit potenziellen Nebenwirkungen bei Einnahme mit fettreicher Kost, zwei Stunden vor und nach Einnahme Nahrungskarenz). Bei rein akarizider, nicht ovozider Wirkung ist eine Therapiewiederholung nach 7 Tagen notwendig. Die Effektivität ist etwa vergleichbar mit topischem Permethrin (12, 18). Die Dosis beträgt 0,2 mg/kg Körpergewicht, die Tabletten sind als 3 mg Tabletten erhältlich, bis zur Maximaldosis von 12 mg pro Einnahmetag. Die Anwendungssicherheit ist bei Patienten < 15 kg nicht belegt (eine Altersbegrenzung wird nicht angegeben in der europäischen Zulassung), wobei aber neue Studien zeigen, dass die orale Gabe von Ivermectin bei Patienten zwischen 4-14.5 kg, bei denen in 90% eine zweite Gabe verabreicht wurde, nur bei insgesamt 4% zu unerwünschten Nebenwirkungen führte. Mehrere Studien belegen die Unbedenklichkeit einer oralen Ivermectin-Gabe bei Patienten unter 15 kg Körpergewicht, aber die Behandlung erfolgt off label (19, 20). Die zweite Ivermectingabe sollte innert 7-15 Tagen erfolgen, da längere Intervalle mit höherer Rezidivrate assoziiert sind.
Für eine Massenbehandlung bei einer nachgewiesenen Skabiesepidemie in einem Heim/Spital empfiehlt sich die Kontaktaufnahme mit einem Dermatologiezentrum/Spitalhygiene, um das Vorgehen zu planen. Die publizierten Daten deuten darauf hin, dass die Ivermectingabe hier die besten Resultate zeigt und gerade in dieser Altersgruppe nicht nur die lästige Skabies hocheffizient kurieren kann, sondern auch postskabiöse Komplikationen wie Ekzeme, Abszesse oder Poststreptokokken-Glomerulonephritis deutlich reduzieren kann.
Bei Therapieresistenz (echter oder Complianceproblematik oder Reinfektion) empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit einer Klinik für Dermatologie, unter Einsatz von Magistralrezepturen von Crotamiton, Benzylbenzoat in Kombination mit Ivermectin. Allerdings existieren inzwischen Berichte über Resistenzen gegen Permethrin, Benzylbenzoat, Crotamiton, Lindan und Ivermectin.

Dr. med. Nikolaus Wagner

Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St. Gallen

nikolausbenjamin.wagner@kssg.ch

Prof. Dr. med. Dr. sc. nat. Antonio Cozzio

Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
Haus 20
9007 St. Gallen

antonio.cozzio@kssg.ch

Die Autoren haben in Zusammenhang mit diesem Beitrag keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Die Skabies ist eine stark juckende Parasitose und bedarf einer
    konsequenten Therapie
  • Medikament der ersten Wahl ist Permethrin 5% Creme, zweimalig anzuwenden
  • Bei Versagen der Erstlinientherapie oder bei immunsupprimierten
    Patienten oder bei Skabies crustosa wird eine systemische Behandlung mit Ivermectin empfohlen
  • Eine zusätzliche Therapie des immunvermittelten Ekzems mit topischen Glukokortikosteroiden und juckreizlindernden Externa sollte erfolgen
  • Der Patient sollte informiert werden, dass der Juckreiz und das Ekzem auch nach erfolgreicher Behandlung noch einige Wochen anhalten können.

1. Sunderkotter C, Feldmeier H, Folster-Holst R, et al. S1-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Skabies – Kurzfassung. J Dtsch Dermatol Ges. 2016;14(11):1160-1171.
2. Walton SF, Holt DC, Currie BJ, Kemp DJ. Scabies: new future for a neglected disease. Adv Parasitol. 2004;57:309-376.
3. Ishii N. Guideline for the diagnosis and treatment of scabies in Japan (second edition). J Dermatol. 2008;35(6):378-393.
4. Vorou R, Remoudaki HD, Maltezou HC. Nosocomial scabies. J Hosp Infect. 2007;65(1):9-14.
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6. Folster-Holst R, Sunderkotter C. [Scabies in childhood and adolescence]. Hautarzt. 2016;67(12):1007-1020.
7. Boralevi F, Diallo A, Miquel J, et al. Clinical phenotype of scabies by age. Pediatrics. 2014;133(4):e910-916.
8. Chosidow O. Clinical practices. Scabies. N Engl J Med. 2006;354(16):1718-1727.
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11. Leung V, Miller M. Detection of scabies: A systematic review of diagnostic methods. Can J Infect Dis Med Microbiol. 2011;22(4):143-146.
12. Bachewar NP, Thawani VR, Mali SN, Gharpure KJ, Shingade VP, Dakhale GN. Comparison of safety, efficacy, and cost effectiveness of benzyl benzoate, permethrin, and ivermectin in patients of scabies. Indian J Pharmacol. 2009;41(1):9-14.
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