- Wie ist der aktuelle Stand?
Nach der negativ verlaufenen Studie SYMPLICITY HTN-3 gab es beim Thema «renale Denervation» zunächst eine mehrjährige Pause, bevor der Stellenwert des Verfahrens schrittweise durch besser designte Studien mit umfassenderen, solideren und strengeren Protokollen neu untersucht wurde mit dem Ziel, das Vertrauen in dieses Verfahren wiederherzustellen.
Trotz guter Medikamente ist die Hälfte aller Hypertoniker unzureichend eingestellt. Da lag es vor zwölf Jahren nahe, einen neuen interventionellen Lösungsansatz für die Hochdrucktherapie zu finden. Bei der renalen Denervierung werden mit einem spiralförmigen Katheter die überaktiven sympathischen Nervenfasern, die in der Adventitia der Nierenarterien und im perivaskulären Fettgewebe verlaufen, gezielt deaktiviert, genauer gesagt verödet, und zwar mittels thermischer (durch Applikation von Radiofrequenz- oder Ultraschallenergie) oder chemischer (durch Mikroinjektion neurotoxischer Substanzen) Applikation.
Die erste Studiengeneration (SYMPLICITY HTN 1 und HTN 2) zeigte dann auch bei therapierefraktären Hochrisiko-Patienten eine signifikante Blutdrucksenkung durch die renale Denervierung von durchschnittlich 22 mm Hg bzw. bzw. 33 mm Hg nach sechs Monaten. Die Ergebnisse der SYMPLICITY HTN 3-Studie, bei der erstmals die renale Denervierung mit einem Scheineingriff verglichen wurde, waren dann aber sehr enttäuschend. Im Vergleich mit einer Scheinbehandlung brachte die renale Denervierung keinen signifikanten Vorteil bei der Blutdrucksenkung.
Redesign bei Studien der zweiten Generation
Die kritische Prüfung dieser Studie führte zu einem Umdenken und Redesign bei Studien der zweiten Generation. Es wurden vor allem Patienten mit kombinierter und nicht mit isolierter systolischer Hypertonie eingeschlossen. Statt der Praxis-Messung wurde die 24-h-Langzeitmessung zur Therapiekontrolle eingeführt. Auch wurde das Prozedere optimiert und zwar durch eine verbesserte Kathetertechnik, mit der auch die distal liegenden peripheren Gefäße erfasst werden können. Ein Problem der ersten Studien war auch die fehlende medikamentöse Therapietreue. «Mittlerweile liegen eine Reihe von randomisierten, schein-kontrollierten Studie vor, die die Wirksamkeit mittels Radiofrequenz- bzw. Ultraschallenergie bei Patienten mit und ohne begleitende antihypertensive Therapie bestätigen», so Prof. Thilo Burkhard, Basel. Die erste Studie, in die diese methodischen Überlegungen Eingang gefunden hatten, war die SPYRAL HTN-OFF MED-Studie, in die 115 Patienten mit einem niedrigen Risiko ohne Begleitmedikation eingeschlossen wurden. Wiederum wurde in dieser Studie randomisiert eine renale Denervierung mit einer Scheinbehandlung verglichen.
Die renale Denervierung funktioniert
Nach drei Monaten zeigte sich ein signifikanter Vorteil für die echte Intervention. Der Blutdruck bei der 24-h-Messung sank nach 3 Monaten um 9,5 mm Hg während im Schein-Arm nur eine Abnahme von 3,5 mm Hg nachgewiesen werden konnte. Daraufhin wurde das Verfahren in der SPYRAL HTN-ON MED-Studie bei 80 Niedrig-Risiko-Patienten mit einem bis drei Begleitmedikamenten ebenfalls in einem randomisierten Design versus einer Scheinbehandlung untersucht. Nach sechs Monaten ergab sich bei der renalen Denervierung eine signifikante Blutdrucksenkung von 12,5 mm Hg, in der Scheingruppe dagegen nur von 1,1 mm Hg. Eine Post-hoc-Analyse ergab auch eine Abnahme der Plasma-Renin-Aktivität und der Aldosteronkonzentration durch die Radiofrequenz-Denervation.
In der scheinbasierten, randomisierten RADIANCE-TRIO-Studie wurde die renale Denervation mittels Ultraschall durchgeführt. Eingeschlossen wurden Patienten, deren Hypertonie durch eine Triple-Fixkombination nicht ausreichend eingestellt werden konnte. Innerhalb von 2 Monaten sank der systolische Blutdruck bei ambulanter Messung um 8 mm Hg im Vergleich zu 3 mm Hg in der Kontrollgruppe Der Unterschied war statistisch signifikant. Bei der ambulanten 24-h-Blutdruckmessung ergab sich ein Unterschied von 4,2 mm Hg zwischen Interventions- und Kontrollgruppe.
In der Regel nicht statt Medikamente
Zwischenzeitlich liegen die Ergebnisse von 1.000 Patienten mit einem Follow-up von zwei und sechs Monaten vor. Fazit: Bei der zweiten Studiengeneration zeigt sich durchweg eine signifikante Blutdrucksenkung, von der zwei Drittel der Patienten profitieren. Dabei erwies sich das Verfahren als sicher und nebenwirkungsarm. Die renale Denervierung gilt deshalb heute als vielversprechende ergänzende Methode bei einer therapierefraktären Hypertonie. Vorher sollte allerdings die medikamentöse Adhärenz geprüft sein, da auch in der SPYRAL HTN-ON MED-Studie trotz umfangreicher Aufklärung 40 % der Teilnehmer ihre Medikation unregelmäßig einnahmen.
Zum jetzigen Zeitpunkt sollte die renale Denervierung nicht als Alternative zur primären antihypertensiven Medikation propagiert werden. Aber im Einzelfall kann sie nach den Ergebnissen der SPYRAL HTN OFF-MED-Studie aber als Ausweichstrategie für Patienten mit mehrfacher Medikamentenunverträglichkeit, vor allem bei hohem Leidensdruck oder erhöhtem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse in Frage kommen.
Die Analyse der SPYRAL HTN OFF-MED-Daten zeigte auch, dass die renale Denervierung die Herzfrequenz senkt und dass Patienten mit einer hohen Herzfrequenz in Ruhe besonders stark von dem Eingriff profitieren. Somit könnte eine hohe Herzfrequenz in Ruhe ein Surrogatparameter für hohe sympathische Aktivität und eine gute Response sein.