- Wissenschaft und Verantwortung
und damit zweifellos zu Falschinformation und einem diffusen Misstrauen gegenüber der Wissenschaft beigetragen haben. Dieser Image-Schaden ist um so frustrierender, als dass dank dieser Wissenschaft in sehr kurzer Zeit hervorragende Vakzine hervorgebracht werden konnten und viele Wissenschaftler somit eine zentrale Rolle in Bekämpfung dieser Pandemie eingenommen haben.
Angesichts der Bedrohung durch das Unbegreifliche haben sich die Menschen schon immer Lieferanten von einfachen und falschen Erklärungen zugewandt. So haben im 14. Jahrhundert Bürger von einigen angesehenen Städten in der Schweiz angesichts des Schreckens der schwarzen Pest den Verdacht, dass die Juden die Brunnen vergifteten, anstandslos aufgenommen und somit zugelassen, dass ganze Judengemeinden auf brutale Weise ausgelöscht wurden. Heute ist das immer noch so, neu ist die Gewalt der verschiedenen Medien und die fehlende Kontrolle der über Social Media verbreiteten Falschnachrichten. In einer Krise wie der Covid-Pandemie sind deshalb die Zuverlässigkeit der zur Verfügung stehenden Informationen und das Vertrauen in die zuständigen Behörden und deren Experten zentrale Pfeiler der kollektiven Krisen-Resilienz.
Selbstverständlich gibt es in der Schweiz und in der Welt viele kompetente und ehrliche Wissenschaftler, aber gerade weil Wissen sich rollend entwickelt und weil trotz Fortschritten unvermeidlich Lücken in diesem Wissen bestehen, müssen Wissenschaftler und Experten ihre gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und mit Informationen sorgfältig(er) umgehen. Zuviele haben sich plötzlich als Epidemiologen und Virologen geoutet und sich selbstgefällig ihren kleinen Telerealitätsmoment geholt, damit aber auch Ungereimtheiten oder nur marginal glaubwürdige Informationen verteilt. Es wurden nicht nur mangelhaft kontrollierte Daten publiziert, fast täglich wurden auch zum Teil düstere Modellierungen und Katastrophenszenarien als zuverlässig dargestellt, obwohl auch ein gutes Computerprogramm nur so gut ist wie die eingespiesenen Daten (rubbish in, rubbish out). Experten sind nicht diejenigen, die vieles oder alles wissen, sondern diejenigen, die die Grenzen ihres Wissens kennen und zeigen. Experten sollten erst sprechen – und noch viel mehr – erst an die Öffentlichkeit gelangen, wenn sie sicher sind, dass sie etwas Relevantes und Handfestes zu kommunizieren haben. Die Publikation von unsauber kontrollierten Daten oder von pseudowissenschaftlichen Modellprognosen schadet der Glaubwürdigkeit der wissenschaftlichen Gemeinschaft und gibt den Verschwörungstheoretiker und Verbreiter von falschen Nachrichten Aufwind.
Unwissen ist hart, aber falsches Wissen ist verheerend!
Dr. med. Urs Kaufmann
urs.kaufmann@hin.ch
Bolligen
urs.kaufmann@hin.ch