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Kreatininanstieg

Fallstricke bei der Interpretation

Die Bestimmung des Kreatinins gehört zum Routinelabor. Es gilt als Marker der Nierenfunktion. Doch der Marker ist in vielen Situationen unzuverlässig und unterliegt vielen Störfaktoren, d.h. bei der Interpretation muss vieles bedacht werden.



Das Kreatinin selbst st nicht toxisch, es entsteht aus dem Muskelabbau und wird über die Niere eliminiert. Daraus ergibt sich seine Bedeutung bei der Beurteilung der GFR. Ein Anstieg des Kreatinins ist ein häufiges Phänomen. Von einem relevanten Kreatinin-Anstieg spricht man, wenn innerhalb von 48 Stunden der Wert um ≥ 26,4 mmol/l ansteigt. Im ambulanten Bereich sind 4-5%, im stationären Bereich bis zu 60% der Patienten betroffen. Häufigste Ursachen im stationären Bereich sind Sepsis, kardiogener Schock, Hypovolämie, grössere operative Eingriffe und Nephrotoxizität bei Medikamenten.

Kreatinin ist ein schlechter Marker für die Nierenfunktion

«Das Kreatinin ist zwar ein Marker für die Nierenfunktion, aber ein schlechter», so Privatdozentin Patrizia Amico. Der Kreatinin-Wert steigt erst an, wenn die GFR um 50% abgenommen hat. Auch nimmt die GFR altersbedingt physiologischerweise um 7 bis 10 ml/min/1.73 m2 pro Dekade ab, wobei die Arteriosklerose, die Glomerulosklerose, die interstitielle Fibrose und die Tubulusatrophie eine pathophysiologische Rolle spielen. Dazu kommt, dass der Kreatininwert verschiedenen Einflussfaktoren unterliegt: Alter, Geschlecht, Genetik, Muskelmasse und Ethnizität. «Die Nieren altern mit», so Amico.

Der Kreatinin-Wert ist auch keine konstante Grösse, er schwankt wie die Aktienkurse an der Börse. Deshalb ist es wichtig, den Trend zu analysieren und zugleich die Einflüsse zu erfassen, die zu einer anhaltenden Verschlechterung der Nierenfunktion beitragen. «Man sollte aber berücksichtigen, dass das Kreatinin hinten nachhinkt», so Amico. Es braucht eine gewisse Zeit von Stunden bis Tagen, bis die Veränderung der GFR auch im Kreatinin-Wert erkennbar wird.

Prä-, intra-oder postrenale Ursache?

Um die Dringlichkeit des Handelns bei einem Kreatininanstieg abschätzen zu können, müssen die Vorwerte bekannt sein. Nur bei einem raschen anhaltenden Anstieg besteht sofortiger dringender Handlungsbedarf. Vorrangig ist die Ursachenabklärung. In 30-60% ist die Ursache prärenal, in 20-40% renal und in 1-10% postrenal. Prärenale Ursachen sind die Volumendepletion und die Vasokonstriktion. Die renalen Ursachen können glomerulär, vaskulär oder tubulo-interstitiell sein. Als postrenale Ursache kommen Obstruktionen im Bereich der ableitenden Harnwege in Betracht.

Diagnoseweisend kann bei einer Hypovolämie bereits das klinische Bild sein. Unverzichtbar vor allem in Hinblick auf postrenale Ursachen sind auch die Sonographie und die Urinanalyse. In Einzelfällen z.B. bei einem nephritischen Syndrom oder einer grossen Proteinurie kann auch eine Nierenbiopsie indiziert sein. Eine Notfall-Dialyse ist indiziert bei einer Hypervolämie oder einer Hyperkaliämie oder einer schweren metabolischen Azidose oder bei Urämie-Komplikationen.

Dr. med.Peter Stiefelhagen

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  • Vol. 11
  • Ausgabe 6
  • Dezember 2021