- Welche Herzgeräusche geben Anlass zur Besorgnis?
In einer alternden, medizinisch gut versorgten Bevölkerung findet man einen linearen Anstieg von Herzklappenerkrankungen. Diese werden immer noch zu selten diagnostiziert und behandelt. Seit 210 Jahren haben wir das Stethoskop zur Diagnose und Differenzierung von Herzgeräuschen. Ende letztes Jahrhundert wurde der Auskultation neben der Inspektion, Palpation und Perkussion noch grosse Bedeutung beigemessen und unzählige Publikationen und Fachbücher veröffentlicht. Mit der zunehmenden Verbreitung der Echokardiographie fehlt heute leider bei vielen Medizinern das Interesse an und die Expertise für diese wichtige klinische Untersuchungsmethode. Daher ist diese grosse Bevölkerungsstudie besonders interessant.
Die Herzauskultation (hier elektronisch verstärkte Aufzeichnungen an vier Lokalisationen) durch drei Allgemeinmediziner und einen Kardiologen ergab in einer norwegischen Bevölkerungsstudie von 2015-2016 mit 2131 Probanden ≥40 Jahre (durchschnittlich 64 Jahre, 54% Frauen) bei fast einem Viertel aller Personen (23%) ein Herzgeräusch. Zusätzlich lag bei allen eine Echokardiographie vor (1). Etwa eine von fünf Personen (19%) hatte im Echo eine oder mehrere relevante Herzklappen-erkrankung(en) (HKE: milde bis schwere AS 45x, moderate bis schwere MI 286x, AI 148x, MS 3x; 79x >1Klappe). Die Auskultation wies bei einem deutlichen Systolikum eine hohe Spezifität, aber eine begrenzte Sensitivität (35,5%) für die Diagnose einer HKE auf. Die einzige Klappenerkrankung, bei der die Auskultation eines Systolikums eine hohe Sensitivität von 100% aufwies, war die Aortenklappen-stenose. Eine limitierte Sensitivität fand man bei einer AI (43%) und bei einer MI (29%). Ein Diastolikum wurde nur in neun Fällen einer AI registriert – dann besteht eine sehr hohe Spezifität. In vielen Fällen sind Herzgeräusche aber benigne (akzidentell/funktionell) und nicht mit einer HKE assoziiert.
Männliches Geschlecht, höheres Alter (≥70 Jahre), und ein früherer Myokardinfarkt erhöhten deutlich die Wahrscheinlichkeit (OR: 3,3; 2,0; 2,3) einer HKE bei Personen mit einem Herzgeräusch – PPV 67%. Bei einer Frau <70 Jahre ohne Myokardinfarkt in der Anamnese besteht ein PPV (positiver prädiktiver Wert) von lediglich 10% für eine HKE. Frauen hatten in dieser Studie mehr Herzgeräusche als Männer.
Die Herz-Auskultation kann laut der Erstautorin ein wertvoller und auch kosteneffektiver erster Schritt sein, speziell bei einer AS, diese sollte jedoch bei Personen mit hohem Risiko für eine HKE durch eine Echokardiographie ergänzt werden.
So können auch das Interesse an und die Expertise für die körperliche Untersuchung verbessert werden. Sekundär ist die multimodale Bildgebung heute unverzichtbar für die Diagnose und Behandlung von Herzklappenerkrankungen, insbesondere für die Beurteilung der Pathophysiologie und des Schweregrads (2-5).
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1. Davidsen AH, et al. Heart 2025;0:1–8. doi:10.1136/heartjnl-2024-325499
2. Narula J et al., Time to Add a Fifth Pillar to Bedside Physical Examination: Inspection, Palpation, Percussion, Auscultation, and Insonation. JAMA Cardiol 2018;3:346–350 doi:10.1001/jamacardio.2018.000
3. MSD-Manual, https://www.msdmanuals.com/de/profi/herz-kreislauf-krankheiten/untersuchung-des-herzpatienten/auskultation-des-herzens
4. Franke P, Allgemeine und spezielle Auskultation des Herzens, J.F. Bergmann Verlag München 1984
5. Praz F et al., 2025 ESC/EACTS Guidelines for the management of valvular heart disease, European Heart Journal (2025) 46, 4635–4736 https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehaf194
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- Vol. 15
- Ausgabe 5
- Dezember 2025






