Fortbildung

Wichtige praktische Aspekte zur Abklärung und Therapie, Ausblick

Aktuelle Fragen zum Multiplen Myelom

Bei keiner andern hämatologischen Krankheit wurde in den letzten Jahren eine derart grosse Zahl neuer Medikamente zugelassen wie beim Myelom. Bei der Wahl diagnostischer Methoden und bei der Kombination und Sequenzierung der neuen Therapieoptionen sind aber noch viele Fragen offen. Nachfolgend soll auf einige wichtige praktische Aspekte zur Abklärung und Behandlung des multiplen Myeloms eingegangen und auch ein Blick auf die künftigen Perspektiven gewagt werden.



Il n’ existe pas d’ autre maladie hématologique pour laquelle un nombre aussi important de nouveaux médicaments ont été approuvés ces dernières années que le myélome. Toutefois, de nombreuses questions subsistent en ce qui concerne le choix des méthodes de diagnostic ainsi que la combinaison et le séquençage des nouvelles options thérapeutiques. Dans cet article, quelques aspects pratiques importants pour la clarification et le traitement du myélome multiple seront abordés et un regard sera porté sur les perspectives à venir.

Welche bildgebenden Untersuchungen sind bei Diagnose sinnvoll?

Das konventionelle Röntgen des Stammskeletts und der Extremitäten in zwei Ebenen war über Jahrzehnte Standard bei der initialen Diagnostik des Myeloms. Diese Untersuchungstechnik weist aber vor allem im Stammbereich eine ungenügende Sensitivität auf. Heute haben deshalb neuere Methoden wie das Ganzkörper-low-dose Knochen-CT, das Ganzkörper-MRI und das PET-CT Einzug in die initiale Diagnostik gehalten. Doch welche dieser Methoden ist wann sinnvoll?
Das Knochen-CT hat sich an den meisten Zentren als Standard zur Beurteilung eines ossären Befalls etabliert. Diese Untersuchung dauert lediglich etwa 15 Minuten, braucht kein Kontrastmittel und ist die kostengünstigste der neuen Techniken. Die Strahlenbelastung ist 2- bis 3-mal kleiner als bei einem normalen CT. Mit dem Knochen-CT können allfällige Konchenläsionen gut auf ihre Frakturgefährdung hin analysiert werden, und auch eine begleitende Ostoeporose lässt sich damit gut nachweisen.
Das Ganzkörper-MRI ist die empfindlichste Methode zur Detektion eines frühen Knochenbefalls. Es erlaubt im Gegensatz zum CT auch eine Beurteilung hinsichtlich einer allfälligen Knochemarksinfiltration. Eine Untersuchungsdauer bis zu einer Stunde kann gelegentlich bei Myelompatienten mit schmerzhaftem Wirbelsäulenbefall zum Problem werden.
Das PET-CT hat seine Stärke im Nachweis extramedullärer Läsionen, stellt aber auch ossären Befall gut dar. Die Zahl der ossären Läsionen, der maximale SUV-Wert, sowie ein extramedullärer Befall haben prognostische Relevanz bezüglich Überleben (1). Der Verlauf der SUV-Werte erlaubt zusätzlich eine Beurteilung des Ansprechens auf die Therapie.
Das European Myeloma Network wie auch die ESMO haben das Knochen-CT als Methode der Wahl für das initiale Imaging empfohlen. Bereits 2014 hat die International Myeloma Working Group (IMWG) festgelegt, dass der Nachweis von mehr als einer fokalen Läsion im Knochen-CT, oder PET-CT, bzw. mehr als einer mindestens 5mm grossen Knochenmarksläsion im MRI einem Knochenbefall und damit einem Myelom mit Endorganbefall entsprechen (2). Vergleichende Studien mit MRI und PET-CT haben eine gute Übereinstimmung gezeigt betreffend Knochenläsionen, diffusem Befall und Befall des Knochenmarks (3).
Grundsätzlich kann also für den initialen Workup ein Knochen-CT empfohlen werden. Ist dieses negativ, sollte ein Ganzkörper-MRI oder zumindest ein axiales MRI angeschlossen werden. Wird bei einem «smoldering myeloma» mehr als eine Knochen- oder Knochenmarksläsion gefunden, handelt es sich um ein Myelom, das nach den neueren Kriterien behandelt werden muss. Eine PET-CT wird initial empfohlen bei Verdacht auf extramedullären Befall, bei asekretorischem Myelom mit normaler FLC-Ratio oder innerhalb klinischer Studien mit «minimal residual disease» (MRD) als Endpunkt (4).
Zur Beurteilung des Ansprechens auf Therapie machen Knochen-CT und MRI wegen der protrahierten Abheilung der ossären Läsionen keinen Sinn. Falls das Ansprechen sich nicht mit biochemischen Parametern ausreichend dokumentieren lässt, kann eine Abnahme der metabolischen Aktivität mittels PET-CT untersucht werden. Es ist aber zu berücksichtigen, dass das PET-CT-Ansprechen beim Myelom noch nicht soweit standardisiert ist wie bei den Lymphomen.

Welche osteoprotektiven Medikamente kommen in Frage?

Die grosse Mehrzahl der Myelom-Betroffenen leidet bereits bei Diagnose oder im Verlauf unter einem skelettalen Befall. Dieser verursacht nicht nur erhebliche Beschwerden und eingeschränkte Mobilität, sondern auch zusätzliche Behandlungskosten. Eine optimale Therapie zur Behandlung bestehender und zur Prophylaxe zusätzlicher Knochenläsionen ist deshalb äusserst wichtig.
Bisphosphonate werden von den Osteoklasten adsorbiert und hemmen deren Ausreifung und Aktivität. Zoledronat zeigte in der britischen Myeloma IX-Studie einen Überlebensvorteil gegenüber Clodronat, und zwar auch bei Patienten ohne Knochenbefall (5). Zoledronat scheint also einen direkten Anti-Myelom-Effekt zu haben. Zoledronat sollte deshalb auch für Patienten evaluiert werden, die keinen Knochenbefall haben. Die Therapie sollte monatlich über 2 Jahre fortgeführt werden, danach je nach Knochenbefall allenfalls in grösseren Zeitabständen. Bei Patienten, die nicht mindestens eine gute Partialremission haben, wird eine Weiterführung der Bisphosphonate empfohlen, wobei der optimale Therapieabstand in dieser Situation nicht definiert ist. Es ist zu berücksichtigen, dass mit der Zeitdauer der Bisphosphonat-Therapie auch das Risiko für Kiefernekrosen und für Femurschaft-Frakturen steigt. In der randomisierten Z-MARK-Studie wurde eine dynamische, risikoadaptierte Verabreichung von Zoledronat untersucht. Je nach N-Telopeptide Typ 1 Kollagen im Urin, skelettalen Events und Krankheitsprogression wurde Zoledronat monatlich oder nur alle 3 Monate verabreicht. Mit nur 5,8% skelettalen Events im ersten und 4,9% im zweiten Jahr erwies sich diese Strategie als vielversprechend (6).
Wurden die Bisphosphonate abgesetzt, sollten sie jedenfalls bei einem Rezidiv wieder aufgenommen werden.
Der monoklonale RANKL-Antikörper Denosumab wurde letztes Jahr aufgrund einer randomisierten Studie mit Zoledronat, welche eine Non-Inferiorität zeigte, von der FDA und der EMEA explizit beim Myelom zugelassen (7). Denosumab ist auf der Spezialitätenliste für solide Tumoren zugelassen und kann allenfalls eine Option für Myelom-Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion sein. Bei einer Kreatinin-Clearance von 30-60 ml/min scheint Densoumab sicher zu sein, bei tieferen Werten sind die Daten noch zu wenig robust. Kiefernekrosen treten unter Denosumab etwa gleich häufig auf wie unter Zoledronat. Bei Patienten mit Osteoporose wurde nach Absetzen von Denosumab ein Rebound-Effekt mit rasch sinkender Knochendichte und einem erhöhten Frakturrisiko innerhalb von 18 Monaten nach Absetzen beobachtet. Es wird vermutet, dass dieser Effekt auf eine starke Zunahme der RANKL/OPG-Ratio nach Therapiestopp mit konsekutiver Beschleunigung der Ausreifung inaktiver Osteoklasten zurückzuführen ist (8). Wenn Denosumab bei Myelom-Patienten abgesetzt werden soll, ist deshalb eine andere osteoprotektive Massnahme, z.B. mit Bisphosphonaten in Betracht zu ziehen (9).

Ist die autologe Stammzell-Transplantation in der Erstlinien-Therapie noch nötig?

Bereits 1996 hatte die französische IFM-Gruppe einen Überlebensvorteil einer Chemotherapie, gefolgt von einer autologen Knochenmarktransplantation gegenüber einer alleinigen Chemotherapie gezeigt. Seither gehört dieses Vorgehen zum Standard bei unter 70- bis 75-jährigen Patienten. Durch den Einbezug der Proteasomen-Inhibitoren und der IMIDs in die Initialtherapie ist der Anteil an Patienten, die bereits vor der Hochdosistherapie eine «very good partial remission» oder gar eine CR haben, deutlich gestiegen. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die autologe Stammzell-Transplantation allenfalls erst im Rezidiv oder bei Progression durchgeführt werden soll. Die IFM2009-Studie untersuchte diese Frage (10). Die Patienten wurden randomisiert zwischen 3 x VRD gefolgt von ASCT, gefolgt von 2 x VRD versus 8 x VRD und ASCT erst beim Rezidiv. Die CR-Raten und auch das PFS waren im «early transplant-arm» signifikant besser, während das Gesamtüberleben in beiden Gruppen gleich war. Dies liegt eventuell an der relativ kurzen Beobachtungszeit von 4 Jahren. Mit Sicherheit trägt die frühe ASCT dazu bei, die Tiefe des Ansprechens nach der Erstlinientherapie zu erhöhen. So war der Anteil der Patienten, die MRD-negativ wurden bei früher ASCT um 15% höher. MRD-Negativität führt zu verbessertem PFS und OS, wie in einer Metaanalyse verschiedener klinischer Studien klar gezeigt werden konnte (11). Für eine frühe ASCT spricht auch die Beobachtung, dass gut ein Drittel der Patienten, welche für eine ASCT im Rezidiv randomisiert waren, diese gar nie erhielten. Dies könnte mit neu dazukommender Komorbidität, mit dem Alter oder auch mit aggressiven Myelom-Verläufen zusammenhängen (12). In Europa wird die ASCT in der ersten Therapielinie auch mit den neuen Medikamenten in der Induktionstherapie weiterhin als Standard betrachtet. In den USA entscheiden eher das Risikoprofil und auch Patientenwunsch über den Zeitpunkt der ASCT.
Der Nutzen der Tandem-ASCT wird kontrovers diskutiert, nicht alle Studien konnten einen Überlebensvorteil zeigen. In der EMN02-Studie zeigte sich ein Überlebensvorteil zugunsten der Tandem-ASCT v.a. bei Hochrisiko-Zytogenetik (13). In der Schweiz wird die Tandem-ASCT deshalb v.a. bei hohem zytogenetischem Risikoprofil durchgeführt.

Wohin geht die Reise?

Bart Barlogie geht mit seinen «total therapies» seit vielen Jahren einen besonderen Weg. Unter Einbezug aller beim Myelom wirksamen Medikamente wird die Therapie in hoher Intensität und über einen Zeitraum von etwa 4 Jahren durchgeführt. Nach Induktion mit einer Bortezomib-haltigen Polychemotherapie folgen eine Tandem-ASCT, danach eine Konsolidation und eine Erhaltungstherapie über 3 Jahre. Bei über 300 Patienten resultierte aus diesem Behandlungsmarathon ein beeindruckendes progressionsfreies 10-Jahres-Überleben von ca. 50%. Ein Teil dieser Patienten dürfte definitiv geheilt sein. Natürlich kommen längst nicht alle Myelom-Patienten für eine derart lange und intensive Therapie in Frage. Aber das Konzept deutet darauf hin, dass das Myelom eine potentiell kurativ behandelbare Krankheit ist. In diese Richtung gehen auch in Europa die neuen Therapieansätze. Mit einer Kombination der wirksamsten Medikamente in der Erstlinienbehandlung über einen ausreichend langen Zeitraum soll ein möglichst tiefes Ansprechen mit einer hohen Zahl MRD-negativer Patienten resultieren. Bedenkt man die sehr hohe Wirksamkeit einiger der neuen Medikamente gegen die Plasmazellen, ist die Hoffnung berechtigt, dass wir in Zukunft einen Teil der Myelom-Patienten werden heilen können.
Einige dieser neuen Medikamente, wie beispielsweise der Antikörper Daratumumab, haben ihre Wirksamkeit in der Rezidiv-Therapie bewiesen und werden nun in Kombination mit bisherigen Standardtherapien in der Erstlinie erprobt. So hat die Kombination von Daratumumab mit VMP bei nicht transplantierbaren Patienten das Ansprechen und das PFS2 derart verbessert, dass Dara-VMP für nicht transplantierbare Patienten von Swissmedic bereits zugelassen worden ist.
CAR T-Zellen sind nun auch gegen Myelom-spezifische Targets (z.B. BCMA) verfügbar und diverse Studien laufen. Besonders gespannt darf man auf die Resultate von Studien sein, die CAR T-Zellen nach Autotransplantation untersuchen. Logistisch einfacher dürften bispezifische Antikörper sein, welche über einen Linker die T-Zellen an die Myelomzellen koppeln. Mit Blinatumumab hat sich bereits ein solcher bispezifischer Antikörper bei der ALL etabliert. Studien mit einem bispezifischen Antikörper gegen das Antigen BCMA beim Myelom werden leider nur in den USA etabliert. Der BCL-2-Inhibitor Venetoclax, der bei CLL und AML eine ausgezeichnete Wirksamkeit gezeigt hat, wirkt auch beim Myelom, insbesondere bei der Subgruppe mit der Translokation t (11, 14). Diverse Kombinationsstudien sind am Laufen. Bei vorliegender BRAF-Mutation wird Dabrafenib, bei KRAS- oder NRAS-Mutation Trametinib in Studien erprobt.

Dr. med. Urs Hess

Benslistrasse 6a
9034 Eggersriet

Urs.Hess1@bluewin.ch

Der Autor hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Das Myelom, eine kurativ behandelbare Krankheit? Dies hätte vor 10 Jahren noch kaum jemand für möglich gehalten. Mit der grossen Zahl an hoch wirksamen neuen Medikamenten wird dieses Ziel jedoch für einen Teil der Patienten Realität werden.
  • Es geht nun darum, die neuen Medikamente intelligent zu kombinieren, über einen ausreichenden Zeitraum zu verabreichen und bei möglichst vielen Patienten eine MRD-Negativität zu erreichen.
  • Bei allem Optimismus für diese Fülle von Innovationen schwingt jedoch leider auch die Sorge mit, ob und wie wir diese Medikamente bei so hohen Preisen in Zukunft noch bezahlen können.

Messages à retenir

  • Le myélome, une maladie curativement traitable ? Il y a 10 ans, presque personne n’ aurait pensé que c’ était possible. Avec le grand nombre de nouveaux médicaments très efficaces, cependant, cet objectif deviendra une réalité pour certains patients.
  • Il s’ agit maintenant de combiner intelligemment les nouveaux médicaments, de les administrer sur une période de temps suffisante et d’ obtenir la négativité MRD chez le plus grand nombre de patients possible.
  • Malgré tout l’  optimisme que suscite cette abondance d’ innovations, on se préoccupe malheureusement aussi de savoir si et comment nous serons en mesure de payer ces médicaments à l’ avenir à des prix aussi élevés.

1. Zamagni E, Patriarca F, Nanni C, et al: Prognostic relevance of 18-F FDG-PET-CT in newly diagnosed multiple myeloma patients treated with upfront autologous transplantation. Blood 2011, 118, 23, 5989-95
2. Rajkumar SV, Dimopoulos MA, Palumbo A, et al: International Myeloma Working Group updated criteria for the diagnosis of myultiple myeloma. Lancet Oncol 2014, 15, 12, e538-48
3. Ippolito D, Talei F, Franzesi C, et al: diagnostic value of ultra low dose CT in comparison of spinal MRI in the assessement of disease in multiple myeloma. Br J Haematol 2017, 177, 3, 395-403
4. Zamagni E, Tacchetti P, Cavo M: Imaging in multiple myeloma: how? when? Blood 2019, 133,7, 644-51
5. Morgan GJ, Davies FE, Gregory WM et al: First line study of zoledronic acid as compared with clodronic acid in multiple myeloma; (MRC myeloma IX): a randomised controlled trial. Lancet 2010, 376, 9757, 1989-99
6. Raje N, Vescio R, Montgomery CW et al: bone marker directed dosing of zoledronic acid fort he prevention of skeletal complications in patients with mutliple myeloma: results of the Z-MARK study. Clin Cancer Res 2016, 22, 6, 1378-84
7. Raje N, Terpos E, Willenbacher W: Denosumab versus zoledronic acid in bone disease treatment of newly diagnosed multiple myeloma: an international double-blind, double-dummy, randosmised controlled phase 3 study. Lancet Oncol 2018, 19, 3, 370-81
8. Tsourdi E, Langdahl B, Cohne-Solal M et al: discontinuation of denosumab therapy for osteoporosis: a systematic review and position statement by ECTS. Bone 2017, 105, 11-17
9. Terpos E, Ntanasis-Stathopoulos I, Dimopoulos MA: Myeloma bone disease: from biology findings to treatment approaches. Blood 2019, 133, 14, 1534-39
10. Attal M, Lauwers-Cancas V, Hulin C et al: IFM2009 study. Lenalidomide, bortezomib and dexamethasone with transplantation for myeloma. N Engl J Med 2017, 376, 14, 1311-20
11. Munshi NC, Avet-Loiseau H, Rawstron AC et al: Association of minimal residual disease with superior survival outcome in patients with multiple myeloma: a meta-analysis. JAMA Oncol 2017, 3, 1, 28-35
12. Kumar S, Buadi F, Rajkumar V: Pros and cons of frontline autologous transplant in multiple myeloma: the debate over timing. Blood 2019, 133, 7, 652-59
13. Cavo M, Gay FM, Patriarca F et al: Double autologous stem cell transplantation significantly prolongs progression free survival and ovall survival in comparison with single autotransplantation in newly diagnosed multiple myeloma: an analysis of phase 3 EMN02/Ho95 study (abstract). Blood 2017, 130, s1, abstract 401

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  • Vol. 9
  • Ausgabe 4
  • August 2019