Journal Watch

Ausgewählte Studien aus der Hämato-Onkologie



Polatuzumab Vedotin bei Patienten mit zuvor unbehandeltem diffus-grosszelligen B-Zell-Lymphom

Quelle: H. Tilly et al. N Engl J Med 2022;386:351-63. DOI: 10.1056

Hintergrund

Das diffuse grosszellige B-Zell-Lymphom (DLBCL) wird üblicherweise mit Rituximab, Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednison (R-CHOP) behandelt. Dadurch können ca. 60 % der Patienten geheilt werden. Polatuzumab Vedotin ist ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat, das am ubiquitär auf bösartigen B-Zellen vorhandenen Zielantigen CD79b bindet.

Methoden

Die vorliegende doppelblinde, placebokontrollierte, internationale Phase-3-Studie benutzte ein modifiziertes R-CHOP-Schema (pola-R-CHP), bei dem Vincristin durch Polatuzumab vedotin ersetzt wurde, im Vergleich zum Standard-R-CHOP Regime bei zuvor unbehandeltem DLBCL Patienten mit mittlerem oder hohem Krankheitsrisiko. Die Patienten im Alter von 18 bis 80 Jahren wurden nach dem Zufallsprinzip in einem Verhältnis von 1:1 entweder sechs Zyklen Pola-R-CHP oder R-CHOP plus zwei Zyklen Rituximab allein zugeteilt. Der primäre Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS). Zu den sekundären Endpunkten gehörten das Gesamtüberleben (OS) und die Sicherheit der Therapie.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 879 Patienten randomisiert: 440 wurden der pola-R-CHP-Gruppe und 439 der R-CHOP-Gruppe zugewiesen. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 28,2 Monaten war der Prozentsatz der Patienten, die ohne Fortschreiten der Erkrankung überlebten (PFS), in der pola-R-CHP-Gruppe signifikant höher (P=0,02) als in der R-CHOP-Gruppe (76,7 % gegenüber 70,2 % nach 2 Jahren; stratifizierte Hazard Ratio 0,73 für ein Fortschreiten, Rückfall oder Tod). Das Gesamtüberleben nach 2 Jahren unterschied sich nicht signifikant (P=0,75) zwischen den Gruppen: 88,7 % in der pola-R-CHP-Gruppe und 88,6 % in der R-CHOP-Gruppe; Hazard Ratio für Tod, 0,94). Das Sicherheitsprofil war in beiden Gruppen ähnlich.

Schlussfolgerung

Bei Patienten mit zuvor unbehandeltem DLBCL mit mittlerem oder hohem Risiko war das Risiko eines Fortschreitens der Erkrankung, eines Rückfalls oder des Todes bei denjenigen, die Pola-R-CHP erhielten, geringer als bei denjenigen, die R-CHOP erhielten.

Finanziert von F. Hoffmann-La Roche/Genentech; POLARIX ClinicalTrials.gov-Nummer: NCT03274492

Ivosidenib und Azacytidin bei IDH1-mutierter
Akuter Myeloischer Leukämie (AML)

Quelle: P. Montesinos et al. N Engl J Med 2022;386:1519-31. DOI: 10.1056

Hintergrund

Die Kombination von Ivosidenib – einem Inhibitor der mutierten Isocitrat-Dehydrogenase 1 (IDH1) – und Azacytidin zeigte in einer Phase-1b-Studie bei Patienten mit neu diagnostizierter IDH1-mutierter akuter myeloischer Leukämie (AML) eine ermutigende klinische Aktivität.

Methoden

In dieser Phase 3 Studie wurden Patienten mit neu diagnostizierter IDH1-mutierter AML, die für eine intensive Induktionstherapie nicht in Frage kamen, nach dem Zufallsprinzip entweder mit oralem Ivosidenib (500 mg einmal täglich) und subkutanem oder intravenösem Azacytidin (75 mg pro Quadratmeter Körperoberfläche über 7 Tage in 28-tägigen Zyklen) oder mit einem Placebo und Azacytidin behandelt. Der primäre Endpunkt war das ereignisfreie Überleben, definiert als die Zeit von der Randomisierung bis zum Versagen der Behandlung (d. h. der Patient hatte bis Woche 24 keine vollständige Remission), dem Rückfall aus der Remission oder dem Tod aus beliebiger Ursache, je nachdem, was zuerst eintrat.

Ergebnisse

Die Intention-to-Treat Population umfasste 146 Patienten: 72 in der Ivosidenib-und-Azacytidin-Gruppe und 74 in der Placebo-und-Azacytidin-Gruppe. Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 12,4 Monaten war das ereignisfreie Überleben in der Ivosidenib-und-Azacytidin-Gruppe signifikant länger als in der Placebo-und-Azacytidin-Gruppe (Hazard Ratio 0,33 für Therapieversagen, Rückfall aus der Remission oder Tod; P=0,002). Die geschätzte Wahrscheinlichkeit, dass ein Patient nach 12 Monaten ereignisfrei blieb, betrug 37 % in der Ivosidenib-und-Azacytidin-Gruppe und 12 % in der Placebo-und-Azacytidin-Gruppe. Die mediane Gesamtüberlebenszeit betrug 24,0 Monate in der Ivosidenib- und Azacytidin-Gruppe und 7,9 Monate in der Placebo- und Azacytidin-Gruppe (Hazard Ratio 0,44 für Tod; P=0,001). Zu den häufigen unerwünschten Ereignissen Grad 3 oder höher gehörten febrile Neutropenie (28 %bei Ivosidenib und Azacytidin und 34 % bei Placebo und Azacytidin) und Neutropenie (27 % bzw. 16 %); die Inzidenz von Blutungen jeglichen Grades betrug 41 % bzw. 29 %. Die Inzidenz von Infektionen jeglichen Grades betrug 28 % bei Ivosidenib und Azacytidin und 49 % bei Placebo und Azacytidin. Ein Differenzierungssyndrom beliebigen Grades trat bei 14 % der mit Ivosidenib und Azacytidin behandelten Patienten und bei 8 % der mit Placebo und Azacytidin behandelten Patienten auf.

Schlussfolgerung

Ivosidenib und Azacytidin zeigten einen signifikanten klinischen Nutzen im Vergleich zu Placebo und Azacytidin in dieser schwierig zu behandelnden Patientengruppe. Febrile Neutropenie und Infektionen traten in der Gruppe mit Ivosidenib und Azacytidin seltener auf, als in der Gruppe mit Placebo und Azacytidin, während Neutropenie und Blutungen in der Gruppe mit Ivosidenib und Azacytidin häufiger auftraten.

Finanziert von Agios Pharmaceuticals und Servier Pharmaceuticals; AGILE ClinicalTrials.gov-Nummer: NCT03173248

Prof. Dr. med. Christoph Renner

Onkozentrum Hirslanden Zürich und Onkozentrum Zürich
Witellikerstrasse 40
8032 Zürich

Christoph.renner@hirslanden.ch

info@onco-suisse

  • Vol. 12
  • Ausgabe 3
  • Mai 2022