- Erstlinienbehandlung des follikulären Lymphoms: Chemofreie Optionen
Die Standarderstlinientherapie eines behandlungsbedürftigen follikulären Lymphoms (FL) besteht aus Rituximab kombiniert mit einer Chemotherapie. Was passiert jedoch, wenn die Chemotherapie weggelassen oder durch einen Immunmodulator wie Lenalidomid ersetzt wird? Prof. Dr. med. Emanuele Zucca, Bellinzona, präsentierte die Resultate entsprechender Studien.
Die Prognose von Patienten mit einem follikulären Lymphom hat sich in den letzten zwanzig bis dreissig Jahren deutlich verbessert», eröffnete Prof. Dr. med. Emanuele Zucca, Bellinzona, sein Referat. «Heute erwarten wir bei den meisten Patienten ein Langzeitüberleben von etwa 20 Jahren.» Der aktuelle Therapiestandard stellt eine Rituximab (R) -haltige Chemotherapie dar, gefolgt von einer Rituximab-Erhaltungstherapie. Die PRIMA-Studie hatte gezeigt, dass mit einer R-Erhaltungstherapie für zwei Jahre gegenüber reiner Beobachtung ein signifikant besseres progressionsfreies Überleben (PFS) erreicht werden kann (1). Trotz allem weisen etwa 20% der FL-Patienten einen schlechten Verlauf auf (2). «Wie wir wissen, sind diese Patienten durch eine Krankheitsprogression innerhalb von 24 Monaten nach Diagnose definiert», so Prof. Zucca.
Auf der Suche nach einer patientenfreundlicheren Therapie
Wie Prof. Zucca erläuterte, sei die ursprüngliche Idee der Kombination der Chemotherapie mit R vor dem Hintergrund entstanden, auf diese Weise die Wirksamkeit der Behandlung zu erhöhen (Tab. 1). Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK) und die Nordic Lymphoma Group (NLG) würden jedoch noch einen alternativen Ansatz verfolgen: Die Behandlung durch den Einsatz von R anstelle einer Chemotherapie patientenfreundlicher zu gestalten. «Zurückblickend kann dieser Entscheid als die Geburtsstunde der chemofreien Behandlung angesehen werden», meinte er. Eine britische Gruppe untersuchte, inwiefern Patienten mit einem fortgeschrittenen, asymptomatischen FL mit tiefer Tumorlast von einer R-Induktionstherapie (mit bzw. ohne R-Erhaltungstherapie) im Vergleich zu Watch-and-Wait profitieren konnten (3). Dabei zeigte sich, dass eine R-Induktionstherapie mit und ohne Erhaltungstherapie die Zeit bis zur nächsten Therapie signifikant verlängerte. Zudem wiesen die beiden behandelten Patientengruppen ein signifikant besseres PFS auf als die Gruppe mit Watch-and-Wait. «Natürlich könnte man nun fragen, was das Ganze denn soll, da doch diese asymptomatischen Patienten mit tiefer Tumorlast eigentlich gar keine Behandlung brauchen», hielt Prof. Zucca fest. Andere Gruppen haben diesen Ansatz daher auch bei therapiebedürftigen FL-Patienten untersucht. So zeigte die SAKK35/98-Studie, dass die Gabe von 4 Zyklen R-Erhaltungstherapie nach einer R-Induktion im Vergleich zur alleinigen Beobachtung das ereignisfreie Überleben (EFS) annähernd verdoppelte (43). «Die Studie zeigte zudem, dass 45% der Patienten nach 8 Jahren weiterhin in ihrer ersten Remission waren, also ohne je eine Chemotherapie erhalten zu haben», ergänzte der Redner. In der Studie SAKK35/03 erhielten die Patienten nach einer R-Induktionstherapie entweder für 6 Monate oder 5 Jahre eine R-Erhaltungstherapie (5). Nach einem medianen Follow-up von 10 Jahren zeigte sich für die beiden Strategien kein Unterschied bezüglich PFS, EFS oder OS. «Dank dieser Studie wissen wir zudem, dass das 10-Jahresüberleben von mit Rituximab allein behandelten Patienten bei 78% liegt», kommentierte Dr. Zucca.
R2 als mögliche neue Option
Eine weitere Möglichkeit einer chemofreien Therapie stellt die Kombination von R mit Lenalidomid dar (R2). Fowler et al. ermittelten anhand einer Phase-II-Studie, dass diese Kombination bei bisher unbehandelten Patienten mit einem FL gut verträglich war und eine hohe Aktivität zeigte (n = 46; ORR 98% mit 87% kompletten Remissionen) (6). Aufgrund dieser Resultate lancierte die SAKK zusammen mit der NLG die Studie 35/10 (7). Sie verglich bei therapiebedürftigen FL-Patienten R und R2 als Erstlinientherapie. Lenalidomid wurde dabei in einer Dosierung von 15 mg/Tag für 18 Wochen eingesetzt. Der primäre Endpunkt war die Rate eines kompletten Ansprechens (CR/CRu) nach 6 Monaten. «Das Sicherheitsprofil erwies sich als akzeptabel. Wie erwartet wurde unter R2 eine höhere Rate an Neutropenien vom Grad 3 oder 4 registriert», führte Prof. Zucca aus. Nach 6 Monaten betrug die ORR 78% unter R2, mit einer CR/Cru-Rate von 61% (Independent Response Review). Im Vergleichsarm lag die ORR bei 57% und die CR/CRu-Rate betrug 36%. «Im Vergleich zu den Ergebnissen von Fowler et al. sind das eher enttäuschende Ansprechraten. Grund dafür könnte sein, dass unsere Therapiedauer kürzer war», kommentierte der Redner. «Im Vergleich zu Studien mit R-Chemo, wie z.B. Prima oder Gallium, konnten wir jedoch ähnliche Ansprechraten erreichen.» Nach einem medianen Follow-up von 4 Jahren erreichte R2 ein signifikant besseres PFS und eine signifikant bessere Zeit bis zur nächsten Therapie. Das OS lag in beiden Therapiegruppen > 90%.
In der Phase-III-Studie RELEVANCE wurde bei bisher unbehandelten FL-Patienten R2 mit R-Chemo (CHOP, CVP, Bendamustin), jeweils gefolgt von einer R-Erhaltungstherapie, verglichen (8). Die Studie ergab in Bezug auf die Wirksamkeit vergleichbare Resultate. Prof. Zucca wies auch hier darauf hin, dass die Ansprechraten in RELEVANCE für die mit R2 behandelten Patienten höher ausfielen als in der SAKK35/10-Studie. Auch hier war die Behandlungsdauer jedoch unterschiedlich (18 vs. 6 Monate). Das Nebenwirkungsprofil der beiden Behandlungsregimes fiel ebenfalls unterschiedlich aus. So konnte im R2-Arm eine höhere Rate an Grad-3- oder -4-Hauttoxizitäten und im R-Chemo-Arm eine höhere Rate an Neutropenien und febrilen Neutropenien vom Grad 3 oder 4 beobachtet werden. Ein am ICML-Kongress in Lugano präsentiertes Update der Studie zeigte, dass eine molekulare Eradikation der Erkrankung mit R2 ebenso gut erreicht werden kann wie mit R-Chemo (9). Aktuell werden weitere mögliche R-haltige Kombinationen, so z.B. R-Nivolumab, R-Ixazomib, R-Ibrutinib sowie auch die Kombination aus Obinutuzumab plus Venetoclax, in Studien untersucht.
Prof. Zucca fasste schliesslich zusammen: «R2 stellt eine potenzielle neue Option für die Erstlinienbehandlung von Patienten mit einem follikulären Lymphom dar. Weitere chemofreie Strategien sollten untersucht werden, wobei Rituximab wohl nach wie vor die Bezugsgrösse darstellt.»
Fazit:
- Eine Erstlinienbehandlung des follikulären Lymphoms mit Rituximab allein anstelle von Rituximab plus Chemotherapie beeinflusst das Langzeitüberleben nicht negativ.
- Rituximab plus Lenalidomid (R2) stellt eine mögliche neue Erstlinienoption dar. Die Wirksamkeit ist mit Rituximab plus Chemotherapie vergleichbar, das Nebenwirkungsprofil jedoch unterschiedlich.
- In Studien werden weitere chemofreie Kombinationen untersucht, darunter Rituximab-Nivolumab, Rituximab-Ixazomib und auch Obinutuzumab-Venetoclax.