Politik Forum

Auch die Politik muss den aktuellen Entwicklungen Rechnung tragen

Herausforderung Cancer Survivorship

Der demografische Wandel und die verbesserte Früherkennung führen dazu, dass hierzulande immer mehr Krebsfälle diagnostiziert werden. Gleichzeitig leben immer mehr Menschen dank erfolgreichen Innovationen in Diagnostik und Behandlung deutlich länger mit ihrer Erkrankung. Damit ist Krebs heute vielfach zu einer chronischen Krankheit geworden. Auch die Politik muss dieser Entwicklung Rechnung tragen. Damit in Zukunft eine qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung für alle Krebsbetroffenen zugänglich ist.



Heute ist Krebs nicht mehr zwingend eine tödlich verlaufende Krankheit, die Fortschritte in der Medizin sind riesig. Wegen der Erfolge bei Früherkennung und Therapie wächst die Zahl der Menschen, die mit einer Krebsdiagnose leben, rasant. Heute leben in der Schweiz geschätzt rund 340’000 sogenannte Cancer Survivors, das sind doppelt so viele wie noch vor 20 Jahren. Und bis ins Jahr 2030 werden es laut Hochrechnungen etwa eine halbe Million Menschen sein.
Die Gruppe der Krebsüberlebenden wird grösser und das Bewusstsein für diese wachsende Gruppe nimmt langsam zu. Allerdings sind Cancer Survivors eine äusserst heterogene Gruppe. Dazu zählen Personen, die ihre Therapie erst vor kurzem abgeschlossen haben, genauso wie Betroffene, deren Krebsdiagnose bereits viele Jahre zurückliegt. Dementsprechend unterschiedlich sind ihre Bedürfnisse. Der Oberbegriff «Cancer Survivorship» umfasst zahlreiche Themen wie Rehabilitation oder den Wiedereinstieg ins Berufsleben. Seitens Politik und Medizin fehlt allerdings oft die nötige Sensibilisierung für ihre Anliegen und ihre Probleme.
Menschen, die in ihrem Leben einmal eine Krebsdiagnose erhalten haben, leiden manchmal noch Jahre später an den psychischen oder physischen Spätfolgen der Krankheit oder der Therapien. Nicht selten lösen chronische Gesundheitsprobleme die Krebserkrankung ab. Dass die Beschwerden nach einer Krebserkrankung lange anhalten können, ist bekannt. Ebenso die Tatsache, dass man Symptome nicht immer sofort zuordnen kann. Beispielsweise kann eine Fatigue auftreten – eine chronische Müdigkeit und Erschöpfung, gekoppelt mit mangelnder Energie und erheblichen Leistungseinbussen –, aber auch kognitive Defizite wie Konzentrationsstörungen oder neuropathische Probleme wie Nervenschmerzen können entstehen. Cancer Survivors mit Beschwerden haben Unterstützungsbedürfnisse, fühlen sich aber oft alleine gelassen. In der Fachwelt lassen sich die verschiedenen Unterstützungsbedürfnisse in fünf Bereiche gliedern (siehe Abb. 1):

Die Fachleute der Krebsliga stellen fest, dass im ganzen Versorgungs- und Betreuungssystem die Zuständigkeiten in der Nachsorge nicht klar geregelt sind. Es stellen sich daher folgende Fragen: Wer kümmert sich im Schweizerischen Gesundheitswesen generell um die wachsende Anzahl der Cancer Survivors und ihre Anliegen? Welche Dienste könnten und sollten bei der Beratung und Begleitung involviert sein? Welche Akteure müssen miteinander vernetzt werden und zusammenarbeiten? Hierbei spielen beispielsweise die Pflegenden eine wichtige Rolle. Sie haben einen direkten Draht zu den Betroffenen und sind oft Ansprech- und Vertrauenspersonen. Umso wichtiger ist die Gewährleistung der quantitativ und qualitativ bedarfsgerechten pflegerischen Versorgung der Bevölkerung. Dieses Ziel verfolgt beispielsweise vom Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner lancierte Pflegeinitiative. Ebenso zentral ist eine flächendeckende hausärztliche Grundversorgung. Denn fehlt in der ambulanten oder stationären Versorgung qualifiziertes Personal, so sinken die Qualität und die Patientensicherheit. Gleichzeitig braucht es integrierte Versorgungsmodelle in der ganzen Schweiz und eine optimale interprofessionelle Zusammenarbeit – im Fall der Cancer Survivors insbesondere zwischen onkologischen Fachpersonen und Hausärztinnen und -ärzte.
Um auf die Herausforderungen in der Nachsorge von besser eingehen zu können, wurde im Rahmen der Nationalen Strategie gegen Krebs 2017-2024 das Projekt 4.2 «Nachsorge, Cancer Survivors» geschaffen. Dieses Projekt widmet sich u.a. Themen der sogenannten Transition (Spätfolgen im Erwachsenenalter bei Personen, die als Kind an Krebs erkrankt sind) und der Umsetzung der erarbeiteten Grundlagen der «nationalen Studie zur ambulanten Onkorehabilitation in der Schweiz».
Die Betreuung und Unterstützung von Cancer Survivors ist eine grosse Herausforderung für die Krebsnachsorge. Vor dem Hintergrund dieser schnell wachsenden, heterogenen Gruppe der Cancer Survivors muss die Nachsorge gefördert werden. Zentral sind die Identifikation der Anliegen von Cancer Survivors sowie das Bewusstsein dafür auf allen Ebenen des Gesundheitssystems in der Schweiz. Dies beginnt mit der (interprofessionellen) Aus- und Weiterbildung des medizinischen Fachpersonals bis hin zu verbesserten Angeboten und Rahmenbedingungen im Bereich der ambulanten Onkorehabilitation. Dementsprechend muss nebst dem medizinischen Fachpersonal und den weiteren Akteuren auch die Politik aktiv werden. Die heute bestehenden Erkenntnisse sollten genutzt werden, um den zukünftigen Herausforderungen besser begegnen zu können.

Joëlle Beeler

Kommunikationsbeauftragte Krebsliga Schweiz

Franziska Lenz

Leiterin Politik und Public Affairs Krebsliga Schweiz

1. Burg, M. A., Adorno, G., Lopez, E. D. S., Loerzel, V., Stein, K., Wallace, C., & Sharma, D. K. B. (2015). Current unmet needs of cancer survivors: Analysis of open-ended responses to the American Cancer Society study of cancer survivors II. Cancer, 121(4), 623–630. https://doi.org/10.1002/cncr.28951
2. Denlinger, C. S., Carlson, R. W., Are, M., Baker, K. S., Davis, E., Edge, S. B., … Freedman-Cass, D. (2014). Survivorship: introduction and definition. Clinical practice guidelines in oncology. Journal of the National Comprehensive Cancer Network, 12(1), 34–45. Retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4465253/pdf/nihms697125.pdf
3. Economou, D. (2014). Palliative Care Needs of Cancer Survivors. Seminars in Oncology Nursing, Vol 30, No 4 (November): pp. 262-267.
4. Jacobs, L. A., & Shulman, L. N. (2017). Follow-up care of cancer survivors: challenges and solutions. The Lancet Oncology, 18(1), e19-29. https://doi.org/10.1016/S1470-2045(16)30386-2
5. Jansen, F., van Uden-Kraan, C.F., van Zwieten, V., Witte, B.I, & Verdonck-de Leeuw, I.M. (2015). Cancer survivors’ perceived need for supportive care and their attitude towards self-management and eHealth. Supportive Care Cancer, 23, 1679-1688.

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  • Vol. 9
  • Ausgabe 4
  • August 2019