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Qualität: ein Schwerpunkt der NSK – 2019 ein Thema im Parlament

Qualität ist ein Schwerpunktthema der Nationalen Strategie gegen Krebs (NSK), das sich in fast allen Projekten spiegelt und explizit in zwei Projekten im Lead der SGMO und der KLS fokussiert wird. «Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit» hiess die Vorlage zum KVG (Art. 58), die in der Sommersession vom Parlament nach einer mehr als zehnjährigen Vorgeschichte entschieden wurde. In diesem Artikel soll zu beidem kurz informiert werden.



Bei der Klärung der Schwerpunkte der NSK für die Phase 2017 – 2020 war es klar, dass das Thema Qualität eine zentrale Rolle spielen muss. Denn es ist ein Thema, das die Fachleute, die Krebspatientinnen und Krebspatienten behandeln und betreuen, tagtäglich betrifft, dies auch aus dem Blickwinkel der Fehlerkultur und Patientensicherheit. Onkologische Organzentren und Krebszentren sowie Spitäler sind bezüglich Qualitätssicherung gefordert und sind bereit, die entsprechenden Kosten zu tragen. Es ist aber auch ein deklariertes politisches Ziel des Bundesrates in «Gesundheit 2020» und zeigt sich in der Qualitätsstrategie des Bundes mit folgender Vision:
«Der Bund will eine hohe Qualität in der ambulanten und stationären Gesundheitsversorgung zu angemessenen und für die ganze Bevölkerung tragbaren Kosten. Der Bund übernimmt in der Qualitätssicherung die führende Rolle und sorgt für eine klare und eindeutige Rollenverteilung, welche die Zuständigkeiten, Verantwortungsbereiche und die Koordination zwischen den Akteuren (Bund – Kantone – Versicherer – Leistungserbringer – Patienten – andere) regelt».
Aus der Vision wurden folgende Ziele abgeleitet:

  • Die Qualität im Schweizerischen Gesundheitswesen wird laufend, nachhaltig und nachweislich verbessert.
  • Die Massnahmen zur Steigerung der Qualität folgen einem institutionalisierten, vom Bund vorgegebenen Prozedere.
  • Der Bund formuliert qualitätspolitische Ziele, die sich auf die explizite Setzung von Schwerpunkten und Prioritäten für eine bestimmte Periode fokussieren.
  • Der Bund sorgt dafür, dass für die nachhaltige Umsetzung der Qualitätsstrategie die erforderlichen Mittel bereitgestellt und Strukturen geschaffen werden.

Diese Grundüberlegungen zur Qualitätsstrategie, die in mehreren Anläufen immer wieder neu ausgerichtet wurden, wurden der «Vorlage Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit» zu Grunde gelegt und bestimmen Artikel 58 KVG, der voraussichtlich am 1.1.2021 in Kraft treten wird.
Dieser Artikel hält fest, dass der Bundesrat nach Anhörung der interessierten Organisationen jeweils für 4 Jahre Qualitätsentwicklungsziele festlegt. Er sieht eine Eidgenössische Qualitätskommission vor, welche aus der Optik der Umsetzung der bundesrätlichen Qualitätsziele tätig wird. Dabei übernimmt die Kommission neben ihrer beratenden Funktion auch die Unterstützung von nationalen und regionalen Projekten und finanziert systematische Studien. Der Betrieb und die Aufgaben der Eidgenössischen Qualitätskommission werden von Bund, Kantonen und Versicherern finanziert. Hier könnte sich gerade für die Onkologie in der Entwicklung von Projekten zur Qualitätssicherung vernetzter Versorgung von Krebspatientinnen und -patienten Chancen ergeben.
Der Artikel 58 KVG bestimmt weiter, dass zwischen Leistungserbringern und Versicherern Qualitätsverträge abgeschlossen und dem Bundesrat zur Genehmigung vorgelegt werden müssen. Qualitätsverträge müssen die Qualitätsmessung, Massnahmen zur Qualitätsentwicklung, deren Veröffentlichung, das Zusammenwirken bei Verbesserungsmassnahmen regeln. Diese Qualitätsverträge sind verbindlich. Können sich Verbände von Leistungserbringern und Versicherern nicht auf einen Qualitätsvertrag einigen, legt der Bundesrat diesen fest. Vertragsverletzungen werden sanktioniert. (https://www.admin.ch/opc/de/federal-gazette/2019/4469.pdf)
Wie sich nun die Fachgesellschaften als Träger der fachlichen Qualitätsdiskussion und Verantwortungsträger für die fachliche Qualitätsentwicklung in diesen Mechanismus einbringen können, muss unbedingt mit dem Berufsverband FMH / SAQM geklärt werden.
Fakt ist, dass es wichtig sein wird, pro Fachgesellschaft eine eigene Qualitätsstrategie zu haben und diese auch zu verbriefen.
Es ist zu betonen, dass wir hier bisher von Qualität im Sinne des KVG aus einer Pflichtleistungsoptik sprechen, die Qualität im Gesundheitssystem wird jedoch noch durch viele andere Faktoren und Gesetze bestimmt. Aus der Optik der Kompetenzen der Fachleute spielt hier das Medizinalberufegesetz, Gesundheitsberufegesetz, Psychologieberufegesetz und das Berufsbildungsgesetz eine Rolle. Fällt die Optik auf die Heilmittel (also Arzneimittel und Medizinprodukte), so gelten die Vorgaben in der Heilmittelgesetzgebung.

Qualität – wie hat die NSK das Thema aufgenommen?

Der primäre Ansatz war Bemühung um Transparenz. Der Bericht «Onkologische Qualitätssicherung in der Schweiz» versucht, eine Übersicht über den Stand der Qualitätssicherung der Onkologie in der Schweiz zu schaffen. Sie finden den von der Krebsliga Schweiz in Auftrag gegebenen Bericht von Hermann Amstad auf der Homepage der NSK (https://www.nsk-krebsstrategie.ch/wp-content/uploads/2019/02/Bericht-Onkologische-Qualit%c3%a4tssicherung.pdf). Weiter gingen die Arbeiten in zwei Richtungen: Eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Hermann Amstad nahm im Auftrag der KLS das Thema «Qualitätssicherung im onkologischen Netzwerk» auf. Die Gruppe fokussierte im Konzept den Ansatz von Minimalstandards zur Qualitätssicherung im onkologischen Netzwerk. Als erstes musste bestimmt werden, was unter einem onkologischen Netzwerk zu verstehen ist. Erst dann konnten Kriterien für die Prozess- und Strukturqualität im Netzwerk formuliert werden. Aktuell ist dieses Konzept samt Minimalstandards in einer fachlichen Vernehmlassung. Die Projektgruppe wird die Rückmeldungen sammeln und das Konzept entsprechend anpassen, das Ende Jahr dem Oncosuisse-Board vorgelegt wird. Das definitive Konzept wird veröffentlicht werden.
In der zweiten Richtung verfolgte man im Auftrag der SGMO das Thema «Qualitätssicherung, Qualitätsentwicklung mit dem Fokus Outcome» und organisierte dazu einen Roundtable. Präsentationen und Unterlagen dazu finden sich auf der Homepage der NSK (https://www.nsk-krebsstrategie.ch/). Ziel der Veranstaltung war es auf die Tatsache einzugehen, dass für die Qualitätsmessung in der Behandlung von Krebs zunehmend Erkenntnisse, Erfahrungen und Beobachtungen der Patienten und Patientinnen unerlässlich sind und zwar als Outcomes, die messbar und vergleichbar sind. Hier drängt sich die Diskussion der Anwendung von PROMs (Patient-Reported-Outcome-Messungen) und allenfalls PREMs auf. Prof. Isabelle Peytremann-Bridevaux führte mit einem wissenschaftlichen Vortrag in das Thema ein. Sie lieferte die Definition von PROs, PROMs und PREMs und deren Anwendungsgebiete und stellte in einer Übersicht die aktuelle empirische Evidenz aus systematischen Reviews vor. Nach den darauffolgenden Einschätzungen von Dr. Tanja Volm zur Ergebnis- und Outcomequalität in Zusammenhang mit PROMs und deren Anwendungsgebieten wurde die Brücke zur internationalen ICHOM-Initiative geschlagen, wie diese am Universitätsspital Basel angewendet wird. Der ärztliche Direktor, Prof. Christoph A. Meier, erläuterte warum er sich auf ICHOM, «International Consortium for Health Outcomes Measurement», stützt. Das Ziel dieser Non-Profit-Organisation besteht darin, Behandlungsergebnisse von Patienten standardisiert zu messen und setzt die Ideen von M. Porter und E.Teissberg zu value-based-care um. ICHOM wird seit 2017 auch von der OECD propagiert und unterstützt. Prof. Meier sieht darin den Weg, mit international anerkannten Standards, die eine Outcomemessung und eine internationale Vergleichbarkeit erlauben, den Behandlungserfolg beim Patienten abzuholen und damit in eine eigentliche Qualitätsentwicklung zu kommen. Die konkrete Anwendung und den Mehrwert dieser Standards wurde vom Chefarzt Brustchirurgie am Universitätsspital Basel, Prof. Walter Weber, vorgestellt. Interessant waren die schriftlichen Rückmeldungen der Teilnehmenden, Vertreter von Krebszentren an Universitätsspitälern, kantonalen und regionalen sowie öffentlichen und privaten Spitälern, als auch Vertreter der KLS, der SAQM/FMH, des BAG und der GDK.
Die grosse Mehrheit der Teilnehmenden beantwortete die Frage, ob für sie die Anwendung von PROMs in der Schweiz ein Muss sei mit einem klaren Ja. Dies bezugnehmend auf die Wichtigkeit der Ganzheitlichkeit von Qualitätsmessung und mit Hinweis auf die Wichtigkeit, den Patienten ins Zentrum zu stellen. Grundsätzlich wurde von der Mehrheit der Teilnehmenden gutgeheissen, dass man sich – mit Blick auf die Vergleichbarkeit – an internationalen Standards orientieren oder diese anwenden sollte. Verschiedentlich wurde festgehalten, dass es notwendig sei, nationale Standards anzuwenden, um die hiesigen Gegebenheiten adäquat aufnehmen zu können. So oder so wurde jedoch auf die Wichtigkeit der Anwendung von validierten und/oder abgestimmten Standards hingewiesen. Praktisch alle Rückmeldungen gingen in die Richtung, dass PROMs in Zukunft andere Qualitätssicherungs- und Qualitätsentwicklungsmassnahmen ergänzen sollten und voraussichtlich auch werden. Ein Ersetzen bestehender Qualitätssicherungsmassnahmen mit einer strikten Fokussierung auf PROMS wurde jedoch als zu wenig umfassend erachtet. Einig war man sich darüber, dass ein koordiniertes Vorantreiben der Implementierung von PROMs wünschbar wäre. Wer hier jedoch den Lead übernehmen sollte, blieb ungeklärt. Im Rahmen der NSK wird das Thema im Frühling 2020 wieder aufgenommen und dabei werden hoffentlich auch die Diskussionen in der Romandie im Cycle COLLOQUES du DESS 2019 Unisanté einfliessen. (https://www.iumsp.ch/fr/node/9711)

Dr. jur. Catherine Gasser

Co-Gesamtprojektleiterin NSK

catherine.gasser@krebsliga.ch

info@onco-suisse

  • Vol. 9
  • Ausgabe 5
  • Oktober 2019