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Zugang gestalten – der SGMO Onco-Summit 2025

Der SGMO Onco Summit 2025 vereinte Fachpersonen aus Onkologie, Forschung, Gesundheitspolitik, Krankenversicherungen, Patient/-innenvertretungen, Vertrauensärzteschaft und Industrie. Gemeinsam diskutierten sie die grössten Herausforderungen beim Zugang zu innovativen Krebstherapien in der Schweiz. Thematisiert wurden die zunehmenden Hürden in der Zulassung und Vergütung, die Auswirkungen der KVV/KLV-Revision und der Umgang mit Off-Label-Anwendungen (OLU). Besonders hervorzuheben ist der sektorenübergreifende Konsens, in der Kinderonkologie eine Positivliste zu schaffen, um Einzelfallprüfungen zu vermeiden und Therapien rascher verfügbar zu machen.



Rascher Zugang als gemeinsame Verantwortung

Der Onco Summit 2025 zeigte eindrücklich, wie viele Akteurinnen und Akteure am Zugang zu innovativen Therapien beteiligt sind – und wie wichtig deren Zusammenarbeit ist. Verzögerungen in der Zulassung (Submission Gap) und bei der Vergütung (Reimbursement Gap) behindern zunehmend die zeitgerechte Versorgung. Als systematische Ursachen wurden regulatorische Komplexität, Preisverhandlungen sowie mangelnde Abstimmung zwischen Zulassungsbehörden, Versicherern und Leistungserbringern identifiziert. Internationale Verfahren wie Project Orbis oder das Access Consortium zeigen, dass beschleunigte Zulassungen möglich sind. Gleichzeitig bleibt der Reimbursement Gap eine grosse Hürde: Therapien sind häufig verfügbar, aber nicht vergütet – ein Zustand, der Patientinnen und Patienten belastet und behandelnde Ärztinnen und Ärzte zwingt, administrativ aufwändig Einzelfallvergütungen zu beantragen. Es besteht ein hoher Handlungsbedarf: Ohne entschlossenes Handeln droht akut Gefahr, dass die Schweiz punkto Krebstherapien und anderer innovativer Therapien international ins Hintertreffen gerät.

Einzelfallvergütung: Zwischen Komplexität und Routine

Die Revision von KVV und KLV, in Kraft seit 2024, zielte auf Standardisierung, Effizienzsteigerung und mehr Fairness in der Einzelfallvergütung (Art. 71 KVV). Eine Zwischenbilanz zeigt jedoch: Die Zahl der Einzelfallanträge hat weiter zugenommen – besonders der Anteil von Anträgen zu nicht gelisteten Arzneimitteln (Art. 71a) bleibt hoch. Veränderte Abläufe und höhere Anforderungen an die Nutzenbewertung führen nicht zur erhofften Vereinfachung, sondern zu wachsendem administrativem Aufwand. Die Vertrauensärzteschaft übernimmt eine stärkere Rolle, während viele Entscheidungen de facto von Versicherern abhängen. Statt Gleichbehandlung droht Fragmentierung – abhängig von Kasse, Kanton oder Interpretation. Der in der KVV-Revision 2024 festgehaltene Experteneinbezug ist nach wie vor nicht vollzogen – ein Missstand, der nun rasch behoben werden muss.

OLUtool Onkologie – Nutzenbewertung am ­Wendepunkt

Nach der KVV-Revision wurde von der Vertrauensärzteschaft das OLUtool Version 5.0 erarbeitet. Dieses basiert teilweise auf dem ESMO-MCBS-Score (Magnitude of Benefit Scale), sollte die Nutzenbewertung standardisieren und transparente Entscheidungsgrundlagen schaffen. Mehrere Stakeholder beurteilten die Version 5.0 jedoch als zu komplex, wenig benutzerfreundlich und in der klinischen Praxis nicht anwendbar. Besonders kritisiert wurden die intransparenten Schwellenwerte, der administrative Aufwand und die fehlende Nähe zur klinischen Realität.
Deshalb arbeiten die am Patienten tätigen Fachgesellschaften unter dem Lead der Schweizerischen Gesellschaft für medizinische Onkologie (SGMO) aktuell, unterstützt durch die European Society for Medical Oncology (ESMO), an einem fundierten und praxistauglichen Alternativmodell. Dieses neue Tool soll auf ESMO-MCBS basieren und klar definierte, evidenzbasierte Schwellenwerte für die Kategorien A bis D enthalten. Ziel ist es, die Anwendung zu vereinfachen, die Entscheidungsfindung zu objektivieren und sowohl für Antragsteller als auch für Prüfer eine deutliche Entlastung zu schaffen. Der neue Vorschlag soll bis März 2025 vorliegen und noch im Laufe des Jahres eingeführt werden.

Kinderonkologie: Konsens zur Positivliste

Ein zentrales Ergebnis des Summits war der Konsens, dass in der pädiatrischen Onkologie auf das OLUtool verzichtet werden soll, denn: Von den 300–400 OLU-Fällen in der Kinderonkologie wird am Ende ohnehin jedes Gesuch bewilligt, allerdings dauert dies oft viel zu lange und ist mit hohem administrativem Aufwand und emotionalem Stress für alle verbunden, dazu kommt die schlechtere Prognose bei verspätetem Therapiestart. Am SGMO Onco Summit 2025 wurde beschlossen, eine nationale Liste evidenzbasierter Medikamente zu erarbeiten, die bei Kindern ohne Einzelfallprüfung automatisch vergütet werden. Ziel ist ein transparenter, fairer und schneller Zugang – gerade für diese vulnerable Patientengruppe. Der Startschuss für dieses Vorhaben wurde am Summit gegeben.

Gesellschaftliche Haltung: Therapie statt Bürokratie

Eine präsentierte repräsentative Bevölkerungsbefragung zeigte: Die breite Mehrheit spricht sich für einen fairen Zugang zu wirksamen Krebstherapien aus – unabhängig von Alter, Kosten oder Wohnort. Gleichzeitig lehnen viele Patientinnen und Patienten und Angehörige rein administrative Entscheidungsprozesse ab. Es braucht nachvollziehbare, medizinisch begründete Kriterien und eine stärkere Einbindung behandelnder Ärztinnen und Ärzte in die Entscheidungsfindung.

Fazit

Der SGMO Onco Summit 2025 hat deutlich gemacht: Der Zugang zu innovativen Krebstherapien muss neu gedacht werden – weniger fragmentiert, evidenzbasierter und patientenzentrierter. Eine bessere Abstimmung zwischen Behörden, Versicherungen und Leistungserbringern ist ebenso notwendig wie praxisnahe Bewertungsinstrumente. Die vereinbarte Positivliste in der Kinderonkologie sowie die geplante Revision des OLUtools markieren konkrete Schritte in Richtung einer faireren, transparenteren und effizienteren Versorgung.

Prof. Dr. med. Roger von Moos

Direktor Tumor- und Forschungszentrum
Kantonsspital Graubünden
7000 Chur

tumorzentrum@ksgr.ch

M Sc Dominique Froidevaux

Geschäftsführer Pro Medicus GmbH, Zürich

• Reimbursement Gaps gefährden die Versorgung – Fristen und Prozesse müssen gestrafft werden.
• Ein praxisnahes OLUtool ist Voraussetzung für faire Off-Label-Vergütung.
• Kinder brauchen garantierten Zugang – die Positivliste ist ein Meilenstein.
• Der politische Wille zur Umsetzung muss jetzt folgen.