- Das Takotsubo-Syndrom – wenn das Herz in Stress gerät
Wie im vorgestellten Fall gehen dem TTS in knapp einem Drittel emotionale Stressereignisse voraus. Häufiger sind jedoch physische Trigger wie Erkrankungen, Verletzungen, Operationen oder bestimmte Medikamente. Zahlreiche weitere Vorstellungen über das TTS wurden in den letzten Jahren revidiert, u.a. betrifft die Erkrankung Männer und jüngere Patienten häufiger als angenommen (3). Früher geläufige Begriffe wie «broken heart syndrome» oder «Stress-Kardiomyopathie» wurden daher durch die aktuelle Bezeichnung abgelöst (1). Der genaue Pathomechanismus bleibt unklar, im Zentrum scheinen deutlich erhöhte Katecholaminspiegel zu stehen. Neben einer akuten mikrovaskulären Dysfunktion werden direkte myokardiale Effekte und inflammatorische Prozesse angenommen, die letztlich zu den charakteristischen Wandbewegungsstörungen führen, welche Dr. Oslayová und Kollegen genauer erläutern (4). Klinisch beschreiben die Patientinnen und Patienten klassische Symptome eines akuten Myokardinfarktes. Im Zentrum der Diagnostik steht daher eine Herzkatheteruntersuchung mit Koronarangiographie und Ventrikulographie. Finden sich keine Koronarstenosen oder -verschlüsse, welche die regionalen Wandbewegungsstörungen erklären, kann die Diagnose des TTS in aller Regel aufgrund von typischen Wandbewegungsstörungen in der Ventrikulographie gestellt werden. Bei entsprechendem Verdacht sollte ergänzend eine Myokarditis mittels Herz-Magnetresonanztomographie ausgeschlossen werden (5).
Die Prävalenz des TTS ist höher als früher angenommen. Die Zahl der TTS-Diagnosen stieg in den letzten Jahren deutlich an, was sehr wahrscheinlich auf ein erhöhtes Bewusstsein zurückzuführen ist. Aktuell geht man davon aus, dass bei etwa 4 % aller Patientinnen und Patienten mit der Arbeitsdiagnose eines akuten Myokardinfarktes ein TTS vorliegt (3). Das TTS ist keine benigne Erkrankung. Zwar erholt sich die Herzfunktion wie im vorgestellten Fall von Dr. Oslayová und Kollegen in aller Regel innerhalb von wenigen Wochen. Jedoch sind Morbidität und Mortalität hoch und vergleichbar mit denen eines akuten Myokardinfarktes (6). Die Behandlung besteht neben einer Rhythmusüberwachung und supportiven Massnahmen in der Verabreichung von Angiotensin Converting Enzyme (ACE)-Hemmern/Angiotensin-Rezeptorblockern, welche bisher als einzige der untersuchten Wirkstoffgruppen einen Benefit auf die Mortalität und Rezidivrate aufwiesen (5). Prospektive Studien zur medikamentösen Therapie fehlen allerdings weiterhin.
Zusammenfassend ist das TTS ein auch heute noch oft unterdiagnostiziertes Krankheitsbild, für welches gerade wegen der häufigen physischen Auslöser ein Bewusstsein auch ausserhalb der kardiologischen Gemeinschaft geschaffen werden muss. Patientinnen und Patienten mit TTS stellen sich auch aufgrund anderer Erkrankungen oder Verletzungen ärztlich vor oder sind bereits hospitalisiert. Umso mehr sind Patientinnen und Patienten für eine optimale Erstversorgung und schnelle Diagnosestellung auf eine entsprechende Erfahrung mit dieser Erkrankung angewiesen.
Klinik für Kardiologie
Universitäres Herzzentrum
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich
michael.wuerdinger@usz.ch
Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
1. Ghadri JR, Wittstein IS, Prasad A, Sharkey S, Dote K, Akashi YJ, et al. International Expert Consensus Document on Takotsubo Syndrome (Part I): Clinical Characteristics, Diagnostic Criteria, and Pathophysiology. Eur Heart J. 2018;39(22):2032-46.
2. Sato HTH UT, Dote K, Ishihara M. Tako-tsubo-like left ventricular dysfunction due to multivessel coronary spasm. In Kodama K, Haze K, Hori M, eds Clinical Aspect of Myocardial Injury: From Ischemia to Heart Failure Tokyo, Japan: Kagakuhyoronsha Publishing Co. 1990:56–64.
3. Cammann VL, Würdinger M, Ghadri JR, Templin C. Takotsubo Syndrome: Uncovering Myths and Misconceptions. Curr Atheroscler Rep. 2021;23(9):53.
4. Lyon AR, Citro R, Schneider B, Morel O, Ghadri JR, Templin C, et al. Pathophysiology of Takotsubo Syndrome: JACC State-of-the-Art Review. J Am Coll Cardiol. 2021;77(7):902-21.
5. Ghadri JR, Wittstein IS, Prasad A, Sharkey S, Dote K, Akashi YJ, et al. International Expert Consensus Document on Takotsubo Syndrome (Part II): Diagnostic Workup, Outcome, and Management. Eur Heart J. 2018;39(22):2047-62.
6. Templin C, Ghadri JR, Diekmann J, Napp LC, Bataiosu DR, Jaguszewski M, et al. Clinical Features and Outcomes of Takotsubo (Stress) Cardiomyopathy. New Engl J Med. 2015;373(10):929-38.
PRAXIS
- Vol. 114
- Ausgabe 4
- April 2025