- Entscheidungshilfen verbessern die Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern
Frage
Verbessert der Einsatz von Entscheidungshilfen (Decision Aids) die gemeinsame Entscheidungsfindung (Shared Decision Making) in der Schlaganfallprävention bei nicht valvulärem Vorhofflimmern?
Hintergrund
Shared Decision Making ist ein wesentlicher Bestandteil der modernen Medizin. Besonders bei der Antikoagulationstherapie zur Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern stehen die Betroffenen und ihre betreuenden Ärztinnen und Ärzte vor komplexen Entscheidungen. Entscheidungshilfen können dabei unterstützen, diese Entscheidungen evidenzbasiert und zugleich patientenzentriert zu treffen. Ziel der Studie war es, die Effektivität verschiedener Entscheidungshilfen im klinischen Alltag zu untersuchen.
Studiendesign und Methodik
Randomisierte, kontrollierte Studie an sechs akademischen Zentren in den USA.
Teilnehmende
Teilnahmeberechtigt waren ≥ 18-jährige Patientinnen und Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern und erhöhtem Schlaganfallrisiko (CHA₂DS₂-VASc-Score ≥ 1 für Männer, ≥ 2 für Frauen), die eine ärztliche Konsultation zur Schlaganfallprävention geplant hatten. Es wurden zwei Patientengruppen unterschieden: solche, die eine Antikoagulationstherapie neu beginnen sollten (Initiation-Kohorte), und solche, die bereits unter Therapie standen, aber eine Neubewertung ihrer Behandlung benötigten (Monitoring-Kohorte).
Interventionen
Untersucht wurden zwei Entscheidungshilfen: Die Patient Decision Aid (PDA) wurde als Vorbereitung vor der ärztlichen Konsultation genutzt und bot Patientinnen und Patienten Informationen zu Vorhofflimmern, Schlaganfallrisiko (CHA₂DS₂-VASc) und Blutungsrisiko (HAS-BLED). Sie erhielt auch Vergleiche zwischen verschiedenen Antikoagulationsoptionen. Die Encounter Decision Aid (EDA) wurde während der Konsultation verwendet und unterstützte die gemeinsame Entscheidungsfindung durch strukturierte Nutzen-Risiko-Abwägungen.
Die Randomisierung erfolgte stratifiziert nach CHA₂DS₂-VASc-Score und nach der jeweiligen Patientengruppe (Initiation oder Monitoring). Es gab vier Studienarme:
• Patientinnen und Patienten wurden entweder der PDA oder der Kontrollgruppe mit Standardberatung zugeteilt.
• Ärztinnen und Ärzte wurden entweder der EDA oder der Kontrollgruppe mit Standardberatung zugeteilt.
Daraus resultierten vier Studienarme: Patientinnen und Patienten nur mit PDA, nur mit EDA, sowohl mit EDA als auch mit PDA sowie Patientinnen und Patienten nur mit einer Standardberatung.
Outcome
Primärer Outcome:
• Qualität des Shared Decision Making (gemessen mit der OPTION12-Skala, einem beobachterbasierten Score zwischen 0 und 100, wobei höhere Werte eine höhere Qualität des Shared Decision Making darstellen)
• Wissen der Betroffenen über Vorhofflimmern (gemessen mit einem Richtig/Falsch-Wissenstest)
• Entscheidungskonflikte (gemessen mit der Decisional Conflict Scale mit einem Score zwischen 0 und 100, wobei niedrigere Werte geringere Entscheidungskonflikte darstellen)
Weitere Outcomes:
• Neben anderen sekundären Outcomes wurden u. a. die Konsultationsdauer und die Therapiewahl bestimmt.
Resultate
• 1117 Patientinnen und Patienten wurden in die Studie eingeschlossen. Das mittlere Alter betrug 69 Jahre. Die Mehrheit identifizierte sich als männlich, weiss, Non-Hispanic und hatte mindestens einen College-Abschluss.
• Gruppe EDA und PDA: Die Qualität des Shared Decision Making war signifikant verbessert (+12.1 Punkte von 31.6 auf 43.7 auf der OPTION12-Skala; p < 0.001). Das Wissen über Vorhofflimmern nahm deutlich zu (Odds Ratio 1.68, Verhältnis der richtigen Antworten im Wissenstest; p < 0.001), und der Entscheidungskonflikt reduzierte sich signifikant (–6.3 Punkte von 25.8 auf 19.5 auf der Decisional Conflict-Skala; p < 0.001).
• Gruppe PDA allein: Die Qualität des Shared Decision Making verbesserte sich moderat (+3.8 Punkte auf der OPTION12-Skala; p < 0.001). Das Wissen über Vorhofflimmern stieg signifikant an, jedoch wurde keine signifikante Reduktion des Entscheidungskonflikts beobachtet.
• Gruppe EDA allein: Die Qualität des Shared Decision Making war signifikant verbessert (+12.9 Punkte auf der OPTION12-Skala; p < 0.001). Zudem nahm das Wissen über Vorhofflimmern signifikant zu, und der Entscheidungskonflikt reduzierte sich ebenfalls signifikant.
• Therapiewahl und Beratungsdauer: keine signifikanten Unterschiede
Quelle
Ozanne EM, Barnes GD, Brito JP et al. Effectiveness of shared decision making strategies for stroke prevention among patients with atrial fibrillation: cluster randomized controlled trial. BMJ. 2025;388:e079976.
Institut für Hausarztmedizin
Universitätsspital Zürich
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Die Autorschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
Diese Studie zeigt eindrücklich, dass der Einsatz von Entscheidungshilfen – insbesondere in Kombination von PDA und EDA – die Qualität des Shared Decision Making in der Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern verbessert. Besonders relevant ist die Reduktion des Entscheidungskonflikts, was langfristig zu einer besseren Adhärenz führen könnte. Für eine Implementierung in der Praxis spricht auch, dass kein Unterschied in der Beratungsdauer festgestellt wurde.