- Paraneoplastische limbische Enzephalitis
Einführung
Die Autoimmunenzephalitis (AE) ist ein Überbegriff verschiedener komplexer, heterogener neuropsychiatrischer Syndrome, die sich typischerweise durch einen subakuten Beginn von mnestischen Defiziten, Bewusstseinsstörungen, kognitiven Dysfunktionen, epileptischen Anfällen, zerebellären Symptomen und diversen psychiatrischen Manifestationen auszeichnen. Zugrunde liegt eine autoimmunvermittelte Entzündung zerebraler Strukturen. Das häufigste Syndrom der AE ist die limbische Enzephalitis. Diese wird in paraneoplastische und nicht paraneoplastische Formen unterteilt. Bei Ersteren liegen Tumorleiden und damit assoziierte Autoantikörper zugrunde. Sie erkennen typischerweise intrazelluläre Antigene. Bei den nicht paraneoplastischen limbischen Enzephalitiden hingegen lassen sich häufiger Antikörper gegen neuronale Oberflächenantigene nachweisen (Tab. 1 und Abb. 1).
Diese Unterscheidung ist in Hinblick auf Therapiewahl und -ansprechen entscheidend. Die Pathogenese der Entstehung neuropsychiatrischer Symptome bei Tumorleiden ist bis heute nicht ganz verstanden. Vermutet werden jedoch eine neurozytotoxische Wirkung durch T-Lymphozyten, die Antikörperaufnahme durch Nervenzellen und deren Zelluntergang. Die Erforschung des genauen Pathomechanismus ist für die Entwicklung zielgerichteter Therapien von grosser Bedeutung.
Fallbeispiel
Ein 73-jähriger Patient wurde notfallmässig aufgrund von rezidivierenden Synkopen ins Spital eingewiesen. Nach primär unauffälliger Diagnostik (kardiologisch/CT-Neurocranium) kam es während der EEG-Untersuchung zu einem generalisierten, tonisch-klonischen Krampfanfall. Ein extern erfolgtes EEG zeigte einen Initialfokus links frontotemporal, währenddessen ein fokaler, nicht bewusst erlebter Anfall beobachtet wurde. Trotz Beginn einer antikonvulsiven Therapie mit Levetiracetam kam es zu einem Status epilepticus mit folglicher orotrachealer Intubation. Auf eine MR-tomographische Untersuchung musste aufgrund eines inkompatiblen Herzschrittmachers verzichtet werden. Die vorübergehende Therapie mit Aciclovir i.v. konnte bei Ausschluss einer infektiösen Enzephalitis gestoppt werden. In der Liquordiagnostik liessen sich Anti-GABAB-Rezeptor-Antikörper nachweisen, sodass bei hochgradigem Verdacht auf eine Autoimmunenenzephalitis eine intravenöse Therapie mit Methylprednisolon eingeleitet wurde. Es folgte die Tumorsuche mittels CT- Thorax/Abdomen und PET-CT. Eine transbronchiale Feinnadelpunktion einer infrakarinären Raumforderung bestätigte schliesslich maligne Zellen eines kleinzelligen Karzinoms, a.e. von der Lunge ausgehend (a.e. kleinzelliges Lungenkarzinom). Eine Chemothearpie mit Cisplatin und Etoposid sowie eine Radiotherapie wurden eingeleitet. Nach einer 40-tägigen Hospitalisation konnte der Patient mit Valproinsäure und Prednisolon nach Hause entlassen werden.
Nach initial sehr gutem klinischen Ansprechen auf die Tumortherapie wurde der Patient ca. zwei Jahre nach Erstdiagnose mit einer Hemiparese links und Aphasie erneut notfallmässig hospitalisiert. Passend dazu fand sich computertomographisch eine Hirnmetastasierung rechts frontoparietal. Bei rascher neurologischer Zustandsverschlechterung sowie schlechter Prognose wurde auf eine palliative Komforttherapie umgestellt. Der Patient verstarb kurz darauf.
Die paraneoplastische limbische Enzephalitis
Geschichte
Die limbische Enzephalitis, die sowohl tumor- als auch nicht tumorassoziiert auftritt, wurde erstmals in den 1960er-Jahren durch Brierley und Corsellis beschrieben (1). Sechs ihrer untersuchten Patienten und Patientinnen litten vor ihrem Tod an Störungen des episodischen Gedächtnisses, epileptischen Anfällen und Affektstörungen, welche sie alle in Zusammenhang mit Störungen des limbischen Systems interpretierten. In den Autopsien konnten sie dann einen Nervenzelluntergang in den entsprechenden Regionen bestätigen. Für diesen Zelluntergang machte man Antikörper, die sowohl tumor- als auch nicht tumorassoziiert waren, verantwortlich.
Das Vorhandensein neurologischer Symptome zusammen mit Tumorerkrankungen wurde erstmals 1888 vermutet und als paraneoplastisches neurologisches Syndrom (PNS) beschrieben. Damals wurde eine Assoziation zwischen dem Auftreten von peripheren Neuropathien und Lungenkarzinomen vermutet, wobei man initial von einer tumorbedingten metabolischen Störung als Ursache für die neurologischen Symptome ausging. In den 1960er-Jahren wurden erstmals Antikörper gegen Hirngewebe und Neuronen entdeckt, hier vermutete man einen immunologischen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von neurologischen Symptomen und Tumoren.
In den vergangenen zwei Jahrzehnten gelang es Forschenden immer mehr, solche onkoneuronalen Antikörper nachzuweisen und somit verschiedene PNS genauer einzuordnen (2).
Das Ophelia-Syndrom
Eine Form der limbischen Enzephalitis ist das Ophelia-Syndrom. Es wurde erstmals 1982 durch Ian Carr beschrieben und zeichnet sich durch das Auftreten von neuropsychiatrischen Dysfunktionen, Schlafstörungen und epileptischen Anfällen bei diagnostiziertem Hodgkin-Lymphom aus. Die Namensgebung des Syndroms erfolgte ebenfalls durch Ian Carr, dessen Tochter am Ophelia-Syndrom erkrankt war. Ihr «wahnsinniges» Verhalten erinnerte ihn an den Charakter der Ophelia aus «Hamlet» von Shakespeare (3). In den 2010er-Jahren wurde schliesslich der mit dem Ophelia-Syndrom assoziierte onkoneuronale Autoantikörper mGluR5 nachgewiesen (2).
Epidemiologie
Bis heute gibt es keine genaue epidemiologische Datenlage zur paraneoplastischen limbischen Enzephalitis. Die Inzidenz von Autoimmunenzephalitiden (paraneoplastische und nicht paraneoplastische) ist jedoch in den vergangenen zwei Jahrzehnten aufgrund von neu entdeckten Autoantikörpern stets gestiegen (4). Eine Studie konnte eine vergleichbare Inzidenz und Prävalenz von infektiösen und autoimmunen Enzephalitiden aufzeigen. Zwischen 1995 und 2015 lag die Inzidenz bei den Autoimmunenzephalitiden bei 1.0/100 000 Personenjahren, wobei nur bestimmte Autoantikörper selektioniert wurden (5). Das Erkrankungsalter liegt meist im mittleren und höheren Alter, wobei auch Kinder und sehr alte Menschen betroffen sein können (6).
Klinik
Die paraneoplastische limbische Enzephalitis äussert sich sehr heterogen und stellt gerade deshalb bei der Diagnosestellung eine grosse Herausforderung dar. Sie lässt sich klinisch nicht von der nicht paraneoplastischen Form unterscheiden. Typisch für limbische Enzephalitis sind subakut auftretende, komplexe neurologische und psychiatrische Zustandsbilder, von beispielsweise Einschränkungen von Teilen des Kurzzeitgedächtnisses, epileptische Anfälle (generalisiert, fokal bewusst und nicht bewusst) bis hin zum Status epilepticus, zu Verhaltensauffälligkeiten, Psychosen und Schlafstörungen. Diese Symptome können eine Beteiligung des limbischen Systems suggerieren, werden in der Praxis aber häufig auch als psychiatrische Erkrankungen oder Epilepsie verkannt. Die üblichen Symptome einer beispielsweise infektiösen Enzephalitis wie Bewusstseinsveränderungen, Fieber oder fokal neurologische Defizite können auftreten, sind jedoch häufig nicht vorhanden. Grundsätzlich äussern sich die verschiedenen Subtypen der limbischen Enzephalitis sehr ähnlich, trotzdem können bestimmte Symptome mehr oder weniger mit einem Subtyp und somit einem bestimmten Antikörper assoziiert sein. Beim Vorkommen von Anti-GABAB-Rezeptor-Antikörper sind beispielsweise, wie bei unserem Patienten, fokale bewusst und nicht bewusst erlebte und generalisierte epileptische Anfälle die Leitsymptome. Es können zusätzlich Gedächtnisdefizite und Verhaltensauffälligkeiten auftreten (7). Bei der AMPA-Rezeptor-Enzephalitis zeigen sich anderseits häufig ausgeprägte Gedächtnisstörungen und Konfabulationen. Die Anti-Hu-Autoantikörper-Enzephalitiden führen wiederum zu überlappenden Symptomen, bestehend aus sensiblen Neuropathien, zerebellären Syndromen, Dysautonomien und Hirnstammsyndromen (6, 8).
Pathogenese
Der für die Symptome der limbischen Enzephalitis zuständige Pathomechanismus basiert auf der Bildung von Antikörpern gegen neuronale Antigene, die unter anderem von Neuronen des limbischen Systems exprimiert werden, sprich dem Gyrus cinguli, dem frontobasalen Cortex, dem Hippocampus und den Temporallappen. Es werden zwei Gruppen von antineuronalen Antikörpern unterschieden: Die einen sind gegen Oberflächenantigene gerichtet und haben oft eine nicht paraneoplastische Genese, während die anderen intrazelluläre neuronale Antigene angreifen und charakteristischerweise mit malignen Erkrankungen assoziiert sind (9). Wie es überhaupt zur Antikörperbildung kommt, ist bei den nicht paraneoplastischen Formen, wie bei vielen anderen Autoimmunerkrankungen, noch unklar. Bei den paraneoplastischen Formen geht man davon aus, dass der zugrunde liegende Tumor Antigene exprimiert und die aus der Immunantwort resultierenden Antikörper die Blut-Hirn-Schranke passieren können.
Die Antikörper gegen Oberflächenantigene greifen gezielt Membranproteine und Rezeptoren mittels direkter humoraler Antwort an und können beispielsweise die Hemmung der präsynaptischen Transmitterfreisetzung herunterfahren und somit die Krampfschwelle senken. Je nach Dauer der neuronalen Exposition zu den Antikörpern wird eine Reversibilität beobachtet. Bei den intrazellulär wirkenden Antikörpern geht man hingegen von einer T-Zell-vermittelten (CD8+-Lymphozyten) Immunreaktion mit zytotoxischem Nervenzelluntergang aus. Der genaue Mechanismus konnte bisher allerdings noch nicht in Tiermodellen reproduziert werden. Eine vermehrte Expression von MHC-Klasse-I-Molekülen nach Internalisation von Antikörpern in betroffenen Neuronen und folgend Erkennung dieser durch CD8+-Lymphozyten wird vermutet. Hier ist eine Reversibilität des Nervenzelluntergangs nicht mehr möglich (10).
In Ausnahmenfällen können tumorassoziierte Autoantikörper auch Oberflächenantigene erkennen, wie in unserem Fallbeispiel, wo Anti-GABAB-Antikörper im Liquor nachgewiesen werden konnten. Diese Autoantikörper blockieren den Oberflächenrezeptor GABAB im Hippocampus, Thalamus und Cerebellum und können so die Hemmung der präsynaptischen Transmitterfreisetzung herunterfahren und somit die Krampfschwelle senken. Dieser Autoantikörper ist zu 50 % mit kleinzelligen Lungenkarzinomen assoziiert, so auch in unserem Fallbeispiel.
Diagnostik und Diagnosestellung
Zur Diagnostik gehören zuerst eine gute Anamnese und klinische Untersuchung. Typischerweise berichten Betroffene über einen subakuten Symptombeginn (innerhalb von drei Monaten). Im Verlauf sind Symptome wie Einschränkungen des Kurzzeitgedächtnisses oder des Bewusstseins, epileptische Anfälle oder psychiatrische Symptome rasch progredient (11).
Die MR-tomographische Bildgebung des Neurocraniums gehört bei einem klinischen Verdacht auf eine Enzephalitis zur Standarduntersuchung. Bei der limbischen Enzephalitis zeigen sich hierbei häufig in der T2/Flair-Sequenz uni- oder bilaterale Hyperintensitäten der medialen Temporallappen (Abb. 2) (12). Im Verlauf imponiert meist eine hippocampale Atrophie. Ein unauffälliger cMRT-Befund schliesst das Vorliegen einer Autoimmunenzephalitis nicht aus (13).
In der Liquordiagnostik ist eine Pleozytose und/oder der Nachweis isolierter, oligoklonaler Banden möglich, aber nicht obligat (11). Bei Antikörpern gegen GABAB-Rezeptoren zeigt sich in 50 % der Fälle eine Pleozytose. Bei unserem Patienten fanden sich sowohl eine Pleozytose als auch oligoklonale Banden (14) (Abb. 3). Im EEG können Veränderungen vorkommen, diese sind jedoch häufig unspezifisch, wie beispielsweise fokale Verlangsamungen im Bereich des Temporallappens. Es dient auch zum Aus-schluss anderer Differenzialdiagnosen, wie zum Beispiel subklinischer epileptischer Anfälle oder nicht konvulsiver Status epilepticus. Eine Antikörperdiagnostik ist essenziell, denn sie gibt erste Hinweise auf die Ätiologie. Diese Differenzierung ist insofern wichtig, als die weitere Tumorsuche, damit der Therapieansatz und somit auch die Prognose davon abhängen. Die antineuronalen Antikörper können sowohl im Liquor als auch im Serum nachgewiesen werden, wobei die Sensitivität und Spezifität bei einigen Antikörpern (z. B. bei den NMDA-Rezeptor-Antikörpern) im Liquor höher ist (15).
Zur Diagnosestellung der limbischen Enzephalitis werden die durch Graus et al. 2016 veröffentlichten Diagnosekriterien zu Hilfe genommen (Tab. 2). Sind diese erfüllt, spricht man von einer definitiven limbischen Enzephalitis, ohne dass hierfür zwingend ein Autoantikörpernachweis notwendig ist. Sind die Symptome/Komorbiditäten hingegen atypisch oder nicht pathognomonisch (wie z. B. Diarrhö, fazio-brachiale dystone Anfälle oder Teratome), ist ein Autoantikörpernachweis für die Diagnose einer Autoimmunenzephalitis zwingend (11). Weiter wird bei Verdacht auf eine limbische Enzephalitis eine Tumorsuche, meist mittels CT oder PET-CT, eingeleitet. Ziel dieses diagnostischen Vorgehens ist eine möglichst rasche Diagnosestellung und somit eine für die Prognose entscheidende frühe Therapieeinleitung. Im Jahr 2021 veröffentlichten Graus et al. ein Update zu den diagnostischen Kriterien für PNS. Das Ziel bestand darin, anhand eines Scores (PNS-Care- Score) die Wahrscheinlichkeit eines vorhandenen PNS zu berechnen und dadurch die Betreuung von Patientinnen und Patienten zu optimieren. Kriterien dieses Scores beinhalten Phänotyp, Vorhandensein von Antikörpern im Liquor und Vorhandensein eines Karzinoms (16). Schliesslich spielt der Ausschluss anderer, potenziell reversibler Differenzialdiagnosen, die eine Autoimmunenzephalitis imitieren können, eine wichtige Rolle. Dazu gehören infektiöse, inflammatorische, metabolische, neoplastische oder andere neurologische Ursachen.
Therapie
Die Erstlinientherapie bei hochgradigem Verdacht auf eine Autoimmunenzephalitis besteht aus hoch dosierten Kortikosteroiden allein oder in Kombination mit entweder intravenösen Immunglobulinen oder Plasmapherese und sollte möglichst rasch eingeleitet werden. Voraussetzung für die Einleitung dieser Therapien ist der Ausschluss infektiöser oder neoplastischer Ursachen. Bei fehlendem Ansprechen wird als Zweitlinientherapie Rituximab (bei Nachweis oder V. a. Antikörper gegen Oberflächenantigene, wie z. B. NMDA-Ak) oder Cyclophosphamid (bei Verdacht oder Nachweis einer T-Zell-vermittelten Autoimmunantwort oder eines paraneoplastischen Syndroms) eingesetzt (17, 18). Bei den paraneoplastischen Autoimmunenzephalitiden stehen die Therapie und Überwachung des Tumors im Vordergrund. Neurologische Symptomrezidive werden kurzfristig mit intravenösem Metyhlprednisolon und/oder Cyclophosphamid behandelt. Wird kein Tumor gefunden, sollte je nach Autoantikörper halbjährlich bis jährlich ein Tumorscreening erfolgen (19). Bei seronegativen Autoimmunenzephalitiden werden ebenfalls jährliche Tumorscreenings empfohlen. Die langfristige Therapie besteht hier aus Rituximab, Mycophenolat-Mofetil oder Azathioprin (19). Der Erfolg der Anfallskontrolle ist vordergründig von Immunmodulation und Tumorbehandlung abhängig, begleitend erfolgt die adaptierte anfallssuppressive Therapie. Ein Status epilepticus wird leitliniengerecht behandelt, die Fortführung der anfallssuppressiven Therapie muss individuell entschieden werden (19, 20). Zusätzlich zu den erwähnten medikamentösen Therapien spielen Physiotherapie und neuropsychologische Begleitung eine zentrale Rolle im Rehabilitationsprogramm.
Prognose
Die Langzeitprognose von paraneoplastischen limbischen Enzephalitiden ist neben den individuellen Patientencharakteristika direkt abhängig von der zugrunde liegenden Tumorerkrankung und deren Behandlungsoptionen. Gerade bei intrazellulären Antikörpern sind zudem rasche Diagnosestellung und schneller Therapiebeginn für die Prognose entscheidend, da die Hirnschädigungen meistens irreversibel sind (6). Bei der GABAB-Rezeptor-Autoimmunenzephalitis konnte kürzlich gezeigt werden, dass die Patienten mit einer nicht paraneoplastischen Form ein deutlich besseres Überleben und neurologisches Outcome hatten als die paraneoplastischen Formen. Als Hauptgründe hierfür diskutieren die Autoren, dass die tendenziell jüngeren Patienten mit nicht paraneoplastischen Formen häufiger Zweitlinientherapien bekamen als die onkologischen Patienten, welche diese aufgrund der konkomitierenden Chemotherapie deutlich seltener erhielten (21).
Zusammenfassung und Ausblick
Die Diagnosestellung von limbischen Enzephalitiden stellt aufgrund der vielen Differenzialdiagnosen komplexer und heterogener neuropsychiatrischer Krankheitsbilder auch heute noch eine grosse Herausforderung dar. Neben dem Ausschluss von erregerbedingten Ursachen für das Auftreten typischer Symptome wie Verhaltens- und Gedächtnisstörungen oder epileptischen Anfällen ist die Suche nach einer autoimmunen Genese unerlässlich. Aufgrund des schleichenden Symptombeginns, selbst bei typischer Symptomatik, kommt es immer wieder zu einer verzögerten Diagnosestellung und somit einer Therapieverzögerung. Gerade bei den paraneoplastischen limbischen Enzephalitiden sind die bereits vorhandenen Defekte des limbischen Systems oft nicht mehr reversibel. Fehldiagnosen bei Eintritt können beispielsweise Epilepsie, psychiatrische Erkrankungen oder Demenz sein, die sogar zu falschen Zuweisungen in psychiatrische Kliniken führen. Auch gehören transiente ischämische Attacken zu den Fehldiagnosen. Die Anwendung der Diagnostikkriterien von Graus et al. ist zur frühzeitigen Einordnung oben genann-ter Symptome sehr hilfreich und kann die Zeitspanne bis zur Diagnosestellung und Therapie einer limbischen Enzephalitis verkürzen. Eine zunehmende Sensibilisierung für diese Krankheit findet statt, nicht zuletzt aufgrund vieler neu entdeckter neuronaler und onkoneuronaler Autoantikörper in den vergangenen zwei Jahrzehnten (21). Es bedarf weiterer Studien, insbesondere der Entwicklung von Tiermodellen, in denen der genaue Pathomechanismus zur Antikörperaufnahme durch Neuronen und die Rolle von T-Lymphozyten untersucht werden und somit gezielte therapeutische Ansätze entwickelt werden können (10).
Giulia Spotswood 1, Lukas Dürst 1, Thomas Fehr 1, Lita Rogalla von Bieberstein 2
1 Klinik für Innere Medizin, Kantonsspital Graubünden, Chur
2 Klinik für Neurologie, Kantonsspital Graubünden, Chur
Historie
Manuskript eingegangen: 29.10.2024
Angenommen nach Revision: 24.02.2025
Verdankungen
Besten Dank an Frau Dr. med. Marie-Elisabeth Kajdi Schwab für die Anregung und Supervision zu diesem Praxis-Fall. Besten Dank an Frau Dr. med. Nadine Kawel-Böhm für die Befundung und Bereitstellung der MRT des Neurocraniums.
Departement Innere Medizin
Kantonsspital Graubünden
Loëstrasse 170
7000 Chur
giulia.spotswood@ksgr.ch
Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
• Bei subakutem Auftreten von Einschränkungen des Kurzzeitgedächtnisses, epileptischen Anfällen oder psychiatrischen Symptomen sollte an eine Beteiligung des limbischen Systems und an eine limbische Enzephalitis gedacht und eine entsprechende Abklärung forciert werden.
• Eine Therapieeinleitung mit der Erstlinientherapie (Methylprednisolon i.v.) bei hochgradigem Verdacht auf eine limbische Enzephalitis sollte nicht aufgrund von ausstehenden Antikörpernachweisen verzögert werden, um eine irreversible neuronale Schädigung zu verhindern.
• Bei Verdacht auf eine paraneoplastische limbische Enzephalitis ist die Diagnose des zugrunde liegenden Tumors und dessen Behandlung für die Prognose entscheidend.
• Weitere Neuentdeckungen von onkoneuronalen Antikörpern sind zu erwarten.
• Weitere longitudinale, randomisierte und kontrollierte Studien zur Wirksamkeit von Zweit- und Drittlinientherapien sind notwendig.
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PRAXIS
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