Leiter Tarifwesen SGGG und Vorstandsmitglied des Swiss Laos Hospital Project

Dr. med. Pierre Villars
Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe mit eigener Praxis in Zürich seit 1988
Leiter Tarifwesen SGGG, Vorstandsmitglied SLHP

Lieber Pierre, wer bist du?

Ich wurde in Genf geboren, deshalb auch meine französische Muttersprache. Die Schulausbildung und das Studium habe ich in Zürich absolviert. Seit 1988 führe ich eine eigene Praxis in Zürich mit gynäkologischer und geburtshilflicher Belegarzttätigkeit. Ich bin Vater von zwei Töchtern. Die Ältere hat an der ETH in Health Science über Agonisten und Antagonisten des Appetitzentrums promoviert. Die Jüngere, Master of Cancer Biology, sollte demnächst ihre Dissertation über CAR-T-Zelltherapie bei Glioblastomen abschliessen. Keine wollte in die Fussstapfen des Vaters treten und Medizin studieren, um später meine Praxis zu übernehmen. Viel wichtiger ist jedoch, dass beide mit ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit glücklich sind.

Wie bringst du deine berufliche Tätigkeit mit den standespolitischen Aktivitäten in Einklang?

Ich hatte das Glück, mit Prof. Renzo Brun del Re, Prof. Albert Huch und Dr. Giovanni Bass gute Mentoren gehabt zu haben, die mich für die standespolitische Tätigkeit motivierten. Diese bedeutet für mich einen intellektuellen Ausgleich zur Praxistätigkeit, auch wenn sie oft mit zusätzlicher Arbeit verbunden ist. Ich gönne mir jedoch genügend Ferien, um auszuspannen, und ich nehme mir Zeit für Reisen und mein Hobby, die Fotografie.

Du hast dir in den letzten Jahren national und international einen Ruf als äusserst geschickter Entferner von schwierigen Hormonimplantaten gemacht. So wurde kürzlich im hoch angesehenen amerikanischen «Contraception» eine Originalarbeit publiziert (Contraception 2021;104:577-580), die auf deinen Erfahrungen und Daten basieren. Was war dabei der häufigste Einlegefehler, der eine schwierige Entfernung zur Folge hatte?

Meine Daten wurden von der Kollegin Samia El Hadad ausgewertet. Dabei stellten wir fest, dass knapp 60% der Implanons subfaszial und knapp ein Drittel weit weg von der Insertionsstelle lagen, was mit einer fehlerhaften Insertionstechnik zu erklären ist. Beim alten Implanon war es möglich, den Applikator-Stempel vorzuschieben, anstatt die Kanüle über dem Stempel zurückzuziehen.

Was muss jede Einlegerin und jeder Einleger von Hormonimplantaten berücksichtigen, dass keine schwierige Entfernung nötig wird?

Wichtig ist die korrekte subdermale Lage. Das lässt sich leichter erzielen, wenn die Haut beim Einstechen der Insertionskanüle mit zwei Fingern etwas angehoben wird. Das neue Implanon NXT sollte verhindern, dass das Stäbchen irrtümlich vorgeschoben wird und damit zu tief zu liegen kommt. Zudem gilt es die neu empfohlene Insertionsstelle weiter dorsal am Oberarm zu beachten, um weniger Nervenschädigungen zu riskieren.

Du hast eine volle Praxis und kümmerst dich zudem an
vorderster Front um eine qualitativ hochstehende Frauenheilkunde in der Schweiz mit fairen Tarifen. Dabei kämpfst du seit Jahren für eine Modernisierung des TARMED. Woran liegt es, dass die Reformverhandlungen zwischen den Tarifpartnern so harzig laufen?

Das lag vor allem an der Konstellation der Verhandlungspartner innerhalb von Tarmedsuisse und der Blockade der Kostenträger bei vielen Reformvorschlägen. Man fürchtete, dass dringend nötige Anpassungen des TARMED zu einem Kostenschub führen könnten. Mir kam es oft vor wie das Vetorecht innerhalb des UNO-Sicherheitsrates.

Zusätzlich zum angestrebten Einzeltarifwerk TARDOC wird auch über die Einführung von ambulanten Pauschalen diskutiert. Wo liegen die Vor- und Nachteile dieser beiden Entschädigungsmethoden?

Der Vorteil von Pauschalen liegt bei der vereinfachten Abrechnung und besseren Kontrollmöglichkeit. Damit kann eine missbräuchliche Mengenausweitung verhindert werden. Pauschalen eignen sich jedoch nur für standardisierte Prozesse, wie z.B. einer ambulant durchgeführten Konisation oder einfachen Hysteroskopie mit Curettage. Ein Einzelleistungstarif ist transparenter, dafür durch die Kumulationsmöglichkeiten schwieriger zu kontrollieren.

Du arbeitest auch beim Swiss Laos Hospital Project mit. Was ist das Swiss Laos Hospital Project (SLHP)?

Das SLHP ist ein ZEWO-zertifiziertes humanitäres Hilfsprojekt zur Verbesserung der Gesundheit von Mutter und Kind in Laos, einem der ärmsten Länder der Welt, mit einer der weltweit höchsten Kinder- und Müttersterblichkeit. Es wurde im Jahr 2000 von Dr. med. Urs Lauper gegründet. Dank finanzieller Unterstützung konnten wir die Infrastruktur in diversen Spitälern verbessern (Gebärabteilungen, OP, Neonatologie) und, was ebenso wichtig ist, die laotischen Ärzte und das Pflegepersonal schulen. Bedingt durch die Pandemie, haben wir in letzter Zeit diverse Webinare durchgeführt, die bei den laotischen Ärzten auf grosses Interesse stiessen.

Welche Rolle hast du beim Swiss Laos Hospital Project?

Ich bin im Vorstand des SLHP und u.a. für den Kontakt zu den niedergelassenen Gynäkologinnen und Gynäkologen verantwortlich. Zudem habe ich mich für die Schulung und für die materielle Ausstattung in endoskopischer Gynäkologie eingesetzt. Wir haben z.B. interessierten Oberärzten einen Studienaufenthalt in Vietnam finanziert, um dem Ärztepersonal vor Ort eine endoskopische Ausbildung zu ermöglichen.

Was ist deine Leibspeise?

Ich kann mich nicht auf eine einzige Leibspeise beschränken. Ich liebe die französische und die italienische sowie die asiatische Küche. Einem Eintopf (in der Cocotte) mit Lamm, frischen Teigwaren und feiner Sauce oder einer thailändischen Tom Kha Gai bin ich nie abgeneigt.

Und dein Lieblingsgetränk?

Unter der Woche Assam- oder Grüntee. Bei besonderer Gelegenheit oder am Wochenende gerne ein Glas Bordeaux, vor allem Pauillac und Saint Estèphe als Essensbegleiter. In letzter Zeit habe ich auch die spanischen Weine aus dem Priorat und die Blanc de Blanc Champagner entdeckt.

Herzlichen Dank für das Interview und den Einblick in Deine Aktivitäten bei der SGGG und dem SLHP!

Prof. em. Dr. med. Bruno Imthurn

Senior Consultant Kinderwunschzentrum
360° Zürich

bruno.imthurn@uzh.ch

Klares Ergebnis der LeserInnen in unserer Umfrage

Ginge es nach den LeserInnen von «der informierte arzt», wäre die Diskussion, ob man pro Ausgabe 1 oder 2 Kern-Credits der SGAIM erhält, nicht zu führen – wenn dann eher über 2 oder 3 Fortbildungspunkte … Dennoch hat uns die Fortbildungskommission (Dr. Providoli, Dr. Tronnolone) nun mitgeteilt, «die Anzahl Credits pro Ausgabe ab 2022 definitiv auf 1 Credit pro Ausgabe zu reduzieren, weil die Referenzzeit der eingereichten Beiträge weiterhin nicht der Zeit entspricht, welche für 2 Credits nötig wären.»

Das heisst erneut, die wenigen Testleser der Kommission benötigen für alle Fortbildungstexte inkl. dem Ausfüllen der CME-Fragen für eine Erfolgsquote von mind. 60% weniger als 1 Stunde … Erforderlich für die derzeit 2 Credits sind 90 Minuten. Die grafische Darstellung der Ergebnisse von unserer entsprechenden Umfrage in den vergangenen beiden Ausgaben zeigen hingegen auf einen Blick: Die 42 TeilnehmerInnen (oder anders gesagt deutlich mehr Test-LeserInnen) benötigen überwiegend mehr als 2 Stunden für Lesen der Artikel und Lösen der CME-Fragen, um sich mit «der informierte arzt» qualitätsgesichert fortzubilden – was unseren hierfür notwendigen enormen Aufwand bestätigt und die entsprechende Creditanzahl ergeben sollte. Wir können uns nur wundern!

Doch eigentlich überlegen wir, Aufwand und Kosten für nur einen unverhältnismässigen Credit einzustellen. Wir können nicht nachvollziehen, warum eine solche anhand der richtig beantworteten CME-Fragen messbare Fortbildung nicht ausreichend honoriert wird. Und warum unsere 669 angemeldeten CME-Leser wie auch die Chefredaktorin und unser Hausärzte-Board als allesamt SGAIM-Mitglieder zumindest enttäuscht wenn nicht frustriert werden: Unsere LeserInnen für ihre Teilnahme an der Fortbildung, unser Editorial-Board für seinen Einsatz für die praxisrelevante Themenauswahl und ihre aktuelle, professionelle Umsetzung in «der informierte arzt».

Insbesondere mit Blick darauf, wie sehr auch die Umfrage-TeilnehmerInnen unsere Zeitschrift als Fortbildungsinstrument schätzen und über 90% von ihnen die SGAIM-Credits hiefür wichtig sind, bedauern wir den aktuell erhaltenen Beschluss für 2022 sehr und hoffen, dass die Geringschätzung von «der informierte arzt» resp. der engagierten Fortbildung unserer LeserInnen nochmals überdacht wird.

Eleonore E. Droux
Verlegerin und Geschäftsinhaberin

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen
Wissenschaftlicher Leiter

Eleonore E. Droux

droux@medinfo-verlag.ch

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Die Blockade der «Bilateralen» wirft erste lange Schatten auf unsere Spitzen-Forschung

Die Schweizer Diplomatie geniesst weltweit einen hervorragenden Ruf und betreut seit Jahren internationale heikle Missionen. Leider ist das diplomatische Geschick des Bundesrates gerade weit darunter und schadet dem eigenen Land mit dem einseitigen Verhandlungsabbruch der Bilateralen.

Die Strategie, mit einem Eklat eine Blockade erfolgreich zu lösen, ist fürs Erste nicht aufgegangen. Was sich noch deutlicher abzeichnet ist die Illusion, dass hier zwei gleich starke Partner sich gegenüber­sitzen. Laut unseren stramm rechtsbürgerlichen Politikern müsse die EU gar froh sein, mit einem Partner wie der Schweiz verhandeln zu dürfen: so einmalig und erfolgreich, wie wir Rütli-Nachgeborenen schliesslich seien!?

Die Realität ist anders: Die Schweiz liegt nun mal seit je im Herzen Europas, ein unverzichtbar grosser Teil unserer Arbeitsleistung wird von EU-Bürgern täglich erbracht und unsere Produkte werden vor allem in Europa verkauft und zu einem guten Teil auch produziert. Der freie Waren- und Personenverkehrt ist Teil unserer «nationalen DNA» geworden, die jüngere Bevölkerung kennt es gar nicht anders. Wie nur konnte die Schweiz sich so überschätzen?

Die Folgen dieser unnötig irritierten Situation spüren inzwischen die Maschinen-Industrie in der Produkteanerkennung und insbesondere unsere Spitzenforschung in der ganzen Breite:

1. Der Zugang zum weltweit grössten milliardenschweren Forschungsprogramm «Horizon Europe» bleibt letzteren nun grösstenteils verwehrt.

2. Millionenschwere zugesprochene Grants für Forschende in der Schweiz dürfen nur ausbezahlt werden, wenn diese Arbeit an vom ERC (European Research Council) anerkannten Institutionen erbracht wird. Der EU-Forschungsrat behandelt die Schweiz neu nur noch als «nicht-assoziierten Drittstaat». Die Forschenden haben nun 2 Monate Zeit, sich zu entscheiden!

3. Dass die Eidgenossenschaft diese Gelder nun kompensieren will, ist leider kein gleichwertiger Ersatz für die ehrenvollen international kompetitiv erworbenen Grants. Der Wegfall dieser international anerkannten Netzwerk-Forschung und einer internationalen weit besser abgestützten Karriere sind ein monetär nicht kompensierbarer Attraktivitätsverlust. Dazu lastet auf dem Ganzen die Unsicherheit, wie es mit den Bilateralen weitergeht. Der SNF selber sagt klar, dass er keine Alternative zu «Horizon Europe» bieten kann.

4. Nun werden besonders erfolgreichen Forschenden in unserem Land bereits sehr attraktive Angebote gemacht, die Schweiz zu verlassen und in EU-Institutionen ihre Arbeit fortzusetzen. Wer annimmt, hat wieder Zugang zu den gewonnen Grants, den europäischen Forschungsnetzwerken und wieder die Zukunfts-Per­spektive, die aktuell in der Schweiz fehlt.

5. Durch den Weggang der besten Forschenden wird auch der Innovations-Werkplatz Schweiz für international führende Firmen in der Biomedizinischen Entwicklung in Diagnostik und Therapie, der Robotik, der Informatik und KI, der Physik und Chemie und vielen weiteren Bereichen an Attraktivität verlieren.

Ob sich dies noch aufhalten lässt? Was sich abzeichnen müsste, ist ein klarer politischer Wille der Schweiz, rasch zu handeln und einen glaubwürdig praktikablen bilateralen Weg aufzuzeichnen. Helfen Sie mit in ihrem Umfeld, dass dieses noch wenig beachtete Thema stärker in der Öffentlichkeit wahrgenommen und diskutiert wird! Es hat viele Milliarden Geld und Jahrzehnte gebraucht, die kleine Alpen-Schweiz an der Front der weltweiten Forschungsspitze zu positionieren. Dieser Platz kann schneller verspielt werden als wir uns vorstellen können. Viele Länder sind heute auf einem ähnlichen Niveau wie die Schweiz, aber weniger belastet durch politische Unentschlossenheit und lähmende Tabus. Europa ist nun einmal unser gesetzter Platz auf diesem Planeten, Teil unserer Geschichte, Kultur, Identität und damit unserer Zukunft. Auf keinem anderen Kontinent gibt es vergleichbare Freiheiten und Chancen.

So wollen wir hoffen, dass die Schweiz zurückfindet zu einem realistischen Pragmatismus, zu einem diplomatischen erfolgreichen Verhandeln und zum Mut, den neuen globalen Herausforderungen Rechnung zu tragen.

 

Prof. em. Dr. med. Thomas Cerny
thomas.cerny@kssg.ch

Prof. em. Dr. med.Thomas Cerny

Rosengartenstrasse 1d
9000 St. Gallen

thomas.cerny@kssg.ch

Ausgewählte Studien zu soliden Tumoren

Zusammenhang zwischen Behandlungsmodalität, funktionellen Ergebnissen und Ausgangscharakteristika mit behandlungsbedingter Reue bei Männern mit lokalisiertem Prostatakrebs

Quelle : Wallis CJD et al. Association of Treatment Modality, Functional Outcomes, and Baseline Characteristics With Treatment-Related Regret Among Men With Localized Prostate Cancer. JAMA Oncol. doi:10.1001/jamaoncol.2021.5160 Published online November 18, 2021

Behandlungsbezogenes Bedauern ist ein integratives, patientenzentriertes Mass für Morbidität, onkologische Ergebnisse und Ängste im Zusammenhang mit der Diagnose und der Behandlung von Prostatakrebs. Das Ziel der vorliegenden Studie war die Bewertung des Zusammenhangs zwischen Behandlungsansatz, funktionellen Ergebnissen und Patientenerwartungen und behandlungsbezogenem Bedauern bei Patienten mit lokalisiertem Prostatakrebs.
Diese bevölkerungsbezogene, prospektive Kohortenstudie verwendete fünf beobachtungsbasierte, epidemiologische und Endresultat-basierte Register im Rahmen der Comparative Effectiveness Analysis of Surgery and Radiation Cohort. Die Teilnehmer waren Männer mit klinisch lokalisiertem Prostatakrebs vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2012. Die Daten wurden vom 2. August 2020 bis zum 1. März 2021 ausgewertet. Zu den Prostatakrebsbehandlungen gehörten Operation, Strahlentherapie und aktive Überwachung. Es wurden Patientenberichte über behandlungsbedingtes Bedauern anhand validierter Messgrössen analysiert. Die Regressionsmodelle wurden für demografische und klinisch-pathologische Merkmale, den Behandlungsansatz und die von den Patienten berichteten funktionellen Ergebnisse berichtigt.

Resultate

Unter den 2072 in die Analyse einbezogenen Männern (mittleres Alter 64 [IQR, 59-69] Jahre) wurde behandlungsbedingtes Bedauern 5 Jahre nach der Diagnose bei 183 Patienten (16 %) nach einer Operation 76 (11 %), einer Strahlentherapie und 20 (7 %) einer aktiven Überwachung untersucht. Im Vergleich zur aktiven Überwachung und unter Berücksichtigung der Unterschiede in der Ausgangslage war die aktive Behandlung mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit des Bedauerns bei denjenigen verbunden,
die sich einer Operation (bereinigte Odds Ratio [aOR], 2,40 [95 % KI, 1,44-4,01]), nicht aber einer Strahlentherapie (aOR, 1,53 [95 % KI, 0,88-2.66]) unterzogen. Bei Berücksichtigung der Mediation durch die von den Patienten berichteten funktionellen Ergebnisse, war die Behandlungsmodalität nicht unabhängig mit Bedauern verbunden. Sexuelle Dysfunktion, nicht aber andere von den Patienten angegebene funktionelle Ergebnisse, war signifikant mit Bedauern verbunden (aOR für die Veränderung der sexuellen Funktion gegenüber dem Ausgangswert, 0,65 [95% CI, 0,52-0,81]). Subjektive von den Patienten wahrgenommene Wirksamkeit der Behandlung (aOR, 5,40 [95% CI, 2,15-13,56]) und unerwünschte Wirkungen (aOR, 5,83 [95% CI, 3,97-8,58]), verglichen mit den Erwartungen der Patienten vor der Behandlung, waren mit behandlungsbedingtem Bedauern verbunden. Andere Patientenmerkmale zum Zeitpunkt der Behandlungsentscheidung, einschließlich der Ergebnisse der partizipativen Entscheidungsfindung (aOR, 0,80 [95% CI, 0,69-0,92]), soziale Unterstützung (aOR, 0,78 [95% CI, 0,67-0,90]) und Alter (aOR, 0,78 [95 % KI, 0,62-0,97]), waren signifikant mit Bedauern verbunden. Die Ergebnisse waren vergleichbar, wenn das Bedauern nach 3 Jahren und nicht nach 5 Jahren beurteilt wurde.

Schlussfolgerung

Die Ergebnisse dieser Kohortenstudie legen nahe, dass mehr als einer von zehn Patienten mit lokalisiertem Prostatakrebs die Behandlung bereut. Die Raten des Bedauerns scheinen sich unter den Behandlungsmethoden zu unterscheiden, und zwar in einer Weise, die durch funktionelle Ergebnisse und die Erwartungen der Patienten bedingt ist. Eine Behandlungsvorbereitung, die sich auf Erwartungen und Behandlungstoxizität konzentriert und im Rahmen einer gemeinsamen Entscheidungsfindung sollte Gegenstand künftiger Forschung sein, um zu untersuchen, ob sie das Bedauern verringern kann.

Adjuvantes Capecitabin-enthaltendes Regime verbessert verlängert das Überleben von Patientinnen mit Brustkrebs bescheiden. Resultate der FinXX Studie

Quelle: Joensuu H et al. Adjuvant capectiabine for early breats cancer : 15 year overal survival results from a randomized trial. JCO Published oinline 12 January 2022 DOI :10.1200/JCO.21.02054

Zum Einfluss der adjuvanten Behandlung mit Capecitabin auf das Langzeitüberleben von Patientinnen mit Brustkrebs im Frühstadium liegen nur wenige Daten vor. Die Finland Capecitabin Studie (FinXX) ist eine randomisierte, offene, multizentrische Studie, die die Integration von Capecitabin in eine adjuvante Chemotherapie mit einem Taxan und einem Anthrazyklin zur Behandlung von Brustkrebs im Frühstadium untersuchte (1). Zwischen dem 27. Januar 2004 und dem 29. Mai 2007 wurden 1 500 Patientinnen mit axillärem, knotenpositivem oder hochriskantem, knotennegativem Brustkrebs im Frühstadium in die Studie aufgenommen. Die Patientinnen wurden randomisiert entweder TX-CEX, bestehend aus drei Zyklen Docetaxel (T) plus Capecitabin (X), gefolgt von drei Zyklen Cyclophosphamid, Epirubicin und Capecitabin (CEX, 753 Patienten), oder T-CEF, bestehend aus drei Zyklen Docetaxel, gefolgt von drei Zyklen Cyclophosphamid, Epirubicin und Fluorouracil (CEF, 747 Patienten), zugewiesen. Es wurde eine nach dem Protokoll vorgesehene Analyse des Gesamtüberlebens auf der Grundlage einer etwa 15-jährigen Nachbeobachtung der Patienten durchgeführt.

Resultate

Die Datenerfassung wurde am 31. Dezember 2020 abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt betrug die mediane Nachbeobachtungszeit der noch lebenden Patienten 15,3 Jahre (Interquartilsbereich, 14,5-16,1 Jahre) in der TX-CEX-Gruppe und 15,4 Jahre (Interquartilsbereich, 14,8-16,0 Jahre) in der T-CEF-Gruppe. Die mit TX-CEX behandelten Patienten überlebten länger als die mit T-CEF behandelten (Hazard Ratio 0,81; 95% CI, 0,66 bis 0,99; P = .037). Die 15-Jahres-Überlebensrate betrug in der TX-CEX-Gruppe 77,6 % und in der T-CEF-Gruppe 73,3 %. In explorativen Subgruppenanalysen lebten Patientinnen mit Östrogenrezeptor-negativem Krebs und solche mit dreifach-negativem Krebs, die mit TX-CEX behandelt wurden, tendenziell länger als diejenigen, die mit T-CEF behandelt wurden.

Schlussfolgerungen

Die Zugabe von Capecitabin zu einem Chemotherapieschema, das Docetaxel, Epirubicin und Cyclophosphamid enthielt, verlängerte das Überleben von Patientinnen mit Brustkrebs im Frühstadium.

Gesamtüberleben bei Krebsmedikamenten, die für genomische Indikationen zugelassen sind

Quelle: Haslam A et al. Overall survival for oncology drugs approved for genomic indications. European Journal of Cancer, https://doi.org/10.1016/j.ejca.2021.10.028

Die Zahl der Arzneimittelzulassungen für genombasierte Indikationen hat in den letzten Jahren zugenommen, aber es ist nicht bekannt, wie viele davon eine Verbesserung des Gesamtüberleben (OS) gezeigt haben. In der vorliegenden Studie wurde die Häufigkeit der zugelassenen genominformierten Arzneimittel, die eine Verbesserung des OS und des progressionsfreien Überlebens (PFS) zeigen, und ob sich die Häufigkeit nach Krebsart unterschieden, untersucht.
Es wurden alle Zulassungen der Food and Drug Administration von 2006 bis 2020 analysiert, und für jedes Medikament, das für eine genomische Indikation zugelassen wurde, wurde danach in PubMed nach randomisierten Studien zur Untersuchung von OS oder PFS gesucht.

Resultate

Es wurden 53 Arzneimittel gefunden, die zwischen 2006 und 2020 für 92 verschiedene Indikationen zugelassen wurden. Es zeigte sich, dass für 50 Arzneimittel (55 %), die für eine genomische Indikation zugelassen waren, eine randomisierte Studie zur Bewertung des OS beinhalteten und von diesen zeigten nur 22 eine Verbesserung des OS. Ähnlich verhält es sich bei 52 Medikamenten (57 %), die einen Nutzen für das Überlebenszeitverhalten (PFS) untersuchten. 51 dieser Studien zeigten eine Verbesserung des PFS. Medikamente, die für BRAF-V600-Melanome zugelassen sind, zeigten häufiger eine Verbesserung des OS als Medikamente, die für ALK-mutierten nicht-kleinzelligen Lungenkrebs zugelassen sind. Die mediane Verbesserung des OS betrug 4,7 Monate (Spanne 1,5 Monate bis 49,1 Monate).

Schlussfolgerungen

Obwohl die Begeisterung für diese Wirkstoffklasse weit verbreitet ist und viele beeindruckende Ansprechraten zeigen, sind weitere Studien oder Studien nach der Markteinführung erforderlich um die Auswirkungen auf das Überleben und die Lebensqualität, das Ausmass dieser Vorteile und die Kosteneffizienz dieser Wirkstoffe zu ermitteln.

Prof. Dr. med. Beat Thürlimann

Brustzentrum, Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St.Gallen

Ausgewählte Studien aus der Hämato-Onkologie

Axicabtagene Ciloleucel als Zweitlinientherapie für Patienten mit
grosszelligem B-Zell Lymphom

Quelle: F.L. Locke et al. N Engl J Med. 2021 Dec 11. doi: 10.1056/NEJMoa2116133. PMID: 34891224

Hintergrund

Die Prognose von Patienten mit früh rezidiviertem oder refraktärem grosszelligem B-Zell-Lymphom nach einer Erstlinien-Chemo-immuntherapie ist schlecht.

Methoden

In dieser internationalen Phase-II-Studie (ZUMA-7) wurden Patienten mit einem grosszelligen B-Zell-Lymphom in einem Verhältnis von 1:1 randomisiert. Patienten refraktär gegenüber einer Chemoimmuntherapie oder mit einem Rückfall innerhalb von 12 Monaten nach einer Erstlinien-Chemoimmuntherapie wurden randomisiert und erhielten entweder axicabtagene ciloleucel (Axi-cel) oder eine Standardbehandlung bestehend aus zwei oder drei Zyklen einer vom Prüfarzt ausgewählten, im Protokoll festgelegten Chemoimmuntherapie, gefolgt von einer Hochdosis-Chemotherapie mit autologer Stammzellentransplantation bei Patienten, die auf die Chemoimmuntherapie ansprechen. Der primäre Endpunkt war das ereignisfreie Überleben (EFS), wichtige sekundäre Endpunkte waren Ansprechraten und das Gesamtüberleben.

Ergebnisse

Insgesamt 180 Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip einer Behandlung mit Axi-cel bzw. 179 Patienten einer Standardbehandlung zugeteilt. Die primäre Endpunktanalyse des EFS zeigte, dass die Axi-cel-Therapie der Standardbehandlung überlegen war. Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 24,9 Monaten betrug das mediane EFS 8,3 Monate in der Axi-cel-Gruppe und 2,0 Monate in der Gruppe mit Standardtherapie. Das EFS nach 24 Monaten betrug 41% bzw. 16% (Hazard Ratio für Ereignis oder Tod, 0,40; 95% Konfidenzintervall, 0,31 bis 0,51; P<0,001). 83% der Patienten in der Axi-cel-Gruppe und 50% der Patienten in der Standardbehandlungsgruppe wiesen ein Ansprechen auf, mit einem vollständigen Ansprechen in 65% bzw. 32% aller Patienten.
In einer Zwischenanalyse betrug das geschätzte Gesamtüberleben nach 2 Jahren in der Axi-cel-Gruppe 61% und in der Standardbehandlungsgruppe 52%. Unerwünschte Ereignisse Grad 3 oder höher traten bei 91% der Axi-cel-Patienten und bei 83% der Patienten mit Standardtherapie auf. Bei Patienten, die Axi-cel erhielten, trat in 6% ein Zytokinfreisetzungssyndrom Grad 3 oder höher und bei 21% ein neurologisches Ereignis Grad 3 oder höher auf. Es traten keine Todesfälle in Zusammenhang mit dem Zytokinfreisetzungssyndrom oder neurologischen Ereignissen auf.

Schlussfolgerung

Die Axi-cel-Therapie führt zu einer signifikanten Verbesserung im Vergleich zur Standardbehandlung. Dies in Bezug auf das EFS und das Ansprechen, wobei das Ausmass an hochgradigen toxischen Nebenwirkungen im erwarteten Rahmen blieb.

Die Studie ist registriert unter Clinical Trials.gov-Nummer NCT03391466 und
wurde finanziert von Kite.

An die minimale Resterkrankung angepasste Therapie mit Daratumumab, Carfilzomib, Lenalidomid und Dexamethason bei Patienten neu diagnostiziertem Multiplen Myelom

Quelle : Costa LJ et al., J Clin Oncol. 2021 Dec 13:JCO2101935. doi: 10.1200/JCO.21.01935. PMID: 34898239

Hintergrund

Die MASTER-Studie kombinierte Daratumumab, Carfilzomib, Lenalidomid und Dexamethason (DaraKRd) bei Patienten mit neu diagnostiziertem Multiplem Myelom (NDMM), wobei die mittels Next-Generation Sequenzierung (NGS) bestimmte minimale Resterkrankung (MRD) den Einsatz und die Dauer von Dara-KRd nach einer autologen hämatopoetischen Zelltransplantation (AHCT) und die Beendigung der Behandlung bei Patienten mit zwei aufeinanderfolgenden MRD-negativen Bewertungen bestimmte.

Methoden

In dieser multizentrischen, einarmigen Phase-II-Studie wurden
Patienten mit NDMM mit zu erwartend gehäuften zytogenetischen Hochrisikoanomalien (HRCAs) aufgenommen. Die Patienten erhielten je nach MRD-Status Dara-KRd-Induktion, AHCT und Dara-KRd-Konsolidierung. MRD wurde mittels NGS am Ende der Induktion, nach der AHCT und alle vier Zyklen (maximal acht Zyklen) der Konsolidierung untersucht. Primärer Endpunkt war das Erreichen einer MRD-Negativität (<10-5). Patienten mit zwei aufeinanderfolgenden MRD-negativen Befunden wurden in eine behandlungsfreie MRD-Überwachung überführt.

Ergebnisse

Von den 123 Teilnehmern hatten 43% keine, 37% 1 und 20%
2+ HRCA. Das mittlere Alter betrug 60 Jahre (Spanne 36-79 Jahre), und bei 96% war die Erfassung einer MRD durch NGS möglich. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 25,1 Monate. Insgesamt, 80% der Patienten erreichten MRD-Negativität (78%, 82% und 79% bei Patienten mit 0, 1 bzw. 2+ HRCA), 66% erreichten MRD < 10-6, und 71% erreichten zwei aufeinanderfolgende MRD-negative Befunde während der Therapie und gingen in die behandlungsfreie Nachsorge über. Das zweijährige progressionsfreie Überleben (PFS) betrug 87% (91%, 97% und 58% bei Patienten mit 0, 1 bzw. 2+ HRCA). Die kumulative Inzidenz eines MRD-Wiederauftretens oder einer Progression 12 Monate nach Beendigung der Therapie betrug 4%, 0% bzw. 27% bei Patienten mit 0, 1 bzw. 2+ HRCA. Die häufigsten schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse waren Lungenentzündung (6%) und venöse Thromboembolien (3%).
Schlussfolgerungen Dara-KRd, AHCT und MRD-angepasste Konsolidierung führen zu einer hohen Rate an MRD-Negativität bei NDMM. Für Patienten mit 0 oder 1 HRCA bietet diese Strategie die Möglichkeit einer MRD-Überwachung als Alternative zur unbegrenzten Erhaltungstherapie.
Die Studie ist registriert unter Clinical Trials.gov-Nummer NCT03224507 und wurde finanziell unterstützt durch Amgen und Janssen.

Prof. Dr. med. Christoph Renner

Onkozentrum Hirslanden Zürich und Onkozentrum Zürich
Witellikerstrasse 40
8032 Zürich

Christoph.renner@hirslanden.ch

Real-time interaktive Analyse der Behandlungs-Qualität von Sarkom-Patienten

Sarkome sind bösartige Tumore des Binde- und Stützgewebes, machen lediglich ca. 1% aller Krebsformen aus, und gehören so zu den seltenen Erkrankungen. Molekular werden fast 200 verschiedene biologische Entitäten unterschieden, und die Behandlung erfolgt ausgesprochen transdisziplinär. Die Weiterentwicklung von neuen Therapieformen für Sarkom Patienten gestaltet sich als sehr schwierig, da es einerseits keine prospektiven, longitudinalen Datenerfassungen -und schon gar nicht in Echtzeit und durch den Patienten definierte Parameter- gibt, und weil diese in der Regel auch nicht transdisziplinär erfasst werden. Zudem müssen immer neue Herausforderungen gemeistert werden.

Abstract: Sarcomas are malignant tumors of the connective and supporting tissues, account for only about 1% of all cancers, and thus belong to the rare diseases. Molecularly, nearly 200 different biological entities are distinguished, and treatment is distinctly transdisciplinary. The further development of new forms of therapy for sarcoma patients is very difficult, because on the one hand there is no prospective, longitudinal data collection – and certainly not in real time and patient-defined parameters – and because these are usually not collected in a transdisciplinary manner. In addition, new challenges must always be mastered.
Key Words: Sarcoma, MDT, real-time/real-world data, predictive outcome analysis

Seit Januar 2020 müssen alle Krebsdiagnosen per Gesetz gemeldet werden, wofür aber keine einheitliche digitalisierte Lösung zur Erfassung von strukturierten Daten besteht. Zudem führte die Schweiz im April 2021 ein Gesetz zur Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Medizin ein, obwohl die eigentliche Qualität noch nicht wirklich definiert ist. Darüber hinaus müssen wir uns immer grösseren Herausforderungen in unserem Gesundheitswesen stellen, wo die Kostenexplosion ungebremst zunimmt, und immer neue Sparmassnahmen definiert werden, ohne aber die effektiven Kosten abbilden zu können und dadurch der Spielraum der Akteure an der Front immer weiter eingeengt wird («Silo-Mentalität»).

Swiss Sarcoma Network (SSN)

Das SSN wurde vor 3 Jahren als Verein gegründet. Mitglieder sind die Institutionen, welche sich verpflichten, alle transdisziplinären Patienten prospektiv im wöchentlichen multidisziplinären Sarkom-Tumorboard (MDT-SB) vorzustellen und die Daten im Register zu teilen. Das definierte Ziel beabsichtigt die transparente Erfassung der Qualität der Behandlung von Sarkom Patienten. Grundsätzlich steht das SSN allen Institutionen offen, die zu dieser transparenten Qualitätserfassung bereit sind.
Um dies zu erreichen, werden die Prinzipien der value-based health care (VBHC) verfolgt. Strukturierte, klinisch-metrische Daten werden longitudinal über den gesamten Behandlungsablauf für jeden einzelnen Patienten erfasst.
Zur Beschreibung des Aufbaus sowie der Zielsetzung des SSN können die Qualitätsdimensionen nach Donabedian angewandt werden: Prozessqualität, Strukturqualität und Ergebnisqualität. Prozessqualität erfasst das SSN zum Beispiel dadurch, dass der Zeitpunkt dokumentiert wird, an welchem diagnostische Untersuchungen und therapeutische Schritte durchgeführt werden, um so zeitliche Prozesse abzubilden. Weitere Parameter der Prozessqualität, wie z.B. das Einhalten der Leitlinien während Sarkomboard Entscheiden, werden ebenfalls dokumentiert. Strukturqualität stellt das SSN allein schon durch seinen Aufbau sicher: Das SSN besteht organisatorisch aus drei Hauptpfeilern: nebst dem wöchentlich stattfindenden MDT-SB ist das SwissSarcoma­Registry zu erwähnen, sowie die Forschung und Fort- und Weiterbildung. Letztere wird unter www.sarcoma.academy zusammengefasst. Hierbei werden monatlich internationale Webinars organisiert, in denen abwechslungsweise ein Hauptthema durch einen weltweit anerkannten Sarkomexperten vorgestellt wird, und Fallbesprechungen stattfinden mit einem internationalen Expertenpanel. Mittlerweile loggen sich jeweils Teilnehmer aus allen fünf Kontinenten ein.
Das SSN ist international eingebettet, einerseits durch das International Advisory Board bestehend aus 4 Exponenten, die das Netzwerk im Aufbau direkt beraten und für konkrete Patientenfragen aus dem MDT-SB direkt zur Verfügung stehen. Andererseits ist das SSN Mitglied von SELNET, einem Horizon2020 geförderten internationalen Sarkom-Netzwerk Programm. Dies integriert das SSN in die international vernetzte Grundlagen- und translationale Forschung. Im SwissSarcomaRegistry sind aktuell die Daten von knapp 4000 Patienten erfasst, was mit dem erwähnten Set-up exzellente Möglichkeiten für die Versorgungsforschung erlaubt.
Ergebnisqualität als letzte Kategorie der Donabedian Kriterien wird durch regelmässige systematische Erhebungen von Patienten berichteten Ergebnissen (PROMs) sowie Patienten berichteten Erfahrungen (PREMs) direkt vom Patienten, sowie durch Bestimmung von «harten» Qualitsindikatoren, wie z.B. Rezidivrate oder Überleben, sichergestellt. Da strukturierte Daten erfasst werden, wird es ebenfalls möglich sein, jedem diagnostischen und therapeutischen Schritt ein entsprechendes «Preisschild« zuzuordnen, wodurch die effektiven Kosten einer Sarkombehandlung ermittelt werden können.

Definition von Qualitätsindikatoren (QI) der Sarkombehandlung

Um die Qualität der Sarkom Behandlung überhaupt erfassen zu können, muss diese zuerst definiert werden. Das Internationale Advisory Board des SSN mit vier weltweit anerkannten Sarkom­experten (Jean-Yves Blay, Lyon; Axel LeCesne, Paris; Javier Martin-Broto, Madrid; Alessandro Gronchi, Milan) definierte zu diesem Zweck Qualitätsindikatoren für die Abklärung und Behandlung von Patienten mit Sarkom. Diese können in 6 Kategorien eingeteilt werden (Tab. 1):

Real-time and real-world (RTWD) Datenerfassung

Selbstverständlich kann eine solche Fülle von klinischen Parametern und komplexen Daten nicht mit herkömmlichen Methoden abgebildet und erfasst werden. Zudem stellt die «Datenexplosion» in der Medizin ein zunehmend ernstes Problem dar, dem wir uns stellen müssen. Die Herausforderung kann zusammengefasst werden mit den 5V’s of big data, nämlich: Geschwindigkeit,
Volumen, Variabilität, Korrektheit und Wertigkeit. Die zukünftige Herausforderung besteht darin, Daten nicht nur zu berichten, sondern durch analytische Verfahren neues Wissen zu generieren, welches in Zukunft einen Krankheitsverlauf oder sinnvolle Therapie­entscheidungen für jeden einzelnen Patienten voraussagen kann. Dadurch kann eine deskriptive Analyse in eine prädiktive und präskriptive Analyse weiterentwickelt werden. Die Möglichkeiten der digitalen Transformation werden uns dies ermöglichen. Um in einem ersten Schritt RTWD zu generieren, entschloss sich das SSN, das SwissSarcomaRegistry mit dem MDT-SB zu koppeln. Somit kann der Moment, an dem sich alle Vertreter der Fachdisziplinen einmal wöchentlich austauschen und offene Fragen zur Abklärung und Behandlung der Sarkompatienten diskutieren, im Register festgehalten werden. Weiterhin erfolgt die Eingabe von Daten somit zeitgleich zum klinischen Ablauf und interdisziplinär.

IT Platform und interaktive Frontside-Website

Eine integrierte IT-Plattform zur Erfassung von strukturierten Daten bildet die Grundvoraussetzung, um RTWD unabhängig von der Geografie und gleichzeitig aus mehreren Institutionen abzubilden. Das SSN kooperiert mit Adjumed Services Zurich, ein digitaler Anbieter mit jahrzehntelanger Erfahrung, der die Standards der Datensicherheit erfüllen und verantworten kann. Das AdjumedCollect bildet die Basis, aufgrund derer die Analysen auf einer interaktiven Website (IAW) abgebildet werden können. Unter einer IAW verstehen wir eine Website, auf der der Sarkom Experte eine Auswahl von definierten Parametern betreffend eines spezifischen Kollektivs frei wählen kann und sich die entsprechende Grafik der korrespondierenden Datenanalyse im Form eines Diagrammes sofort darstellt, mit direktem Zugang zu den Rohdaten zur Kontrolle und Überprüfung (Abb. 1).
Um die Korrektheit der Daten zu überprüfen, wurde eine IAW für fehlende Daten konstruiert. Damit können potentiell fehlende Daten sofort identifiziert und komplettiert werden. Das Herzstück bildet die IAW für die oben aufgeführten Qualitätsindikatoren. Hierbei können auf Knopfdruck deskriptive Analysen von Qualitätsindikatoren eines Kollektivs nach Zeitperiode, nach Dignität, Diagnose, anatomische Lokalisation, Erst- und follow-up Vorstellung, geplante versus ungeplante Resektionen sowie nach Institutionen dargestellt werden. Eine weitere IAW wird für die Kostenerfassung erstellt. Hierbei kann für jede Intervention und z.B. MDT-SB Vorstellung ein «Kostenschild» zugeordnet werden, wodurch die effektiven Kosten für die medizinische Leistung für jeden einzelnen Patienten über den gesamten Behandlungszyklus ermittelt werden können. Zudem wurde eine IAW für PROMS/PREMS erstellt, auf der aktuell insgesamt 9 Fragebogen digital erfasst sind und welche die Patienten z.B. vorgängig zu einer Konsultation auf einem iPad ausfüllen können. Mittlerweile verwenden wir diese routinemässig im Alltag und erfassen alle konsekutiven Patienten. Eine weitere IAW wurde aufgebaut, auf der ein Cockpit erlaubt, eine RTWD Darstellung der PROMS z.B. in Form eines Radar charts direkt zu visualisieren. Selbstverständlich sind alle diese Information mit den Daten des SwissSarcoma­Registry verknüpft, sodass eine holistische Analyse mit allen klinischen metrischen Parametern verknüpft erfolgen kann.

Erwartungen

Die konsekutive, transparente Erfassung eines kompletten Kollektivs von Sarkom Patienten in Form von strukturierten Daten von Qualitätsindikatoren longitudinal über den gesamten Behandlungsverlauf in Echtzeit eröffnet bisher unvorstellbare Möglichkeiten. Diese erlauben, die verschiedenen Abklärungs- und Behandlungsarten in absoluter Zahl zu erfassen, wodurch die Wertigkeit einer Therapie bezogen auf den einzelnen Patienten erstmals definiert und zudem finanziell in Relation zur Behandlungsqualität ausgewiesen werden kann. Dies wird nicht-optimale oder unnötige Behandlungen eliminieren und die Qualität der Behandlung zu definierten Kosten verbessern.
Strukturierte Daten der Behandlung von Sarkompatienten bilden die Grundlage für eine prädiktive Analyse. Mit Hilfe von Machine Learning Algorithmen sowie statistischen Methoden erlauben sie im Kollektiv grundsätzlich eine Aussage betreffend Prognose für einen einzelnen Patienten. Darüber hinaus wird es möglich sein, für jeden Einzelfall Analysen einzelner Therapieschritte zu generieren und aufgrund derer den bestmöglichen Therapieweg für den einzelnen Patienten gezielt auszuwählen. Darauf wird schlussendlich die personalisierte Medizin begründet werden können.

Prof. Dr. med. et Dr. sc. nat. Bruno Fuchs

fuchs@sarcoma.surgery

Philip Heesen

Eine RTWD-interaktive Analyse und Monitoring der Qualität der Behandlung von Sarkompatienten ist für alle zugänglich, die bereit sind, Daten zu teilen. Eine solche Datengrundlage bildet die Basis für prognostische und prädiktive Outcome Analysen, welche in naher Zukunft für Sarkompatienten die «precision medicine» Realität werden lässt.

Auf Anfrage beim Verfasser.