Radiotherapie und Erhaltungstherapie mit Durvalumab im Anschluss an eine Behandlung mit Chemotherapie und Durvalumab bei Patienten mit fortgeschrittenem Kleinzelligem Lungenkrebs

Die Prognose von Patienten mit fortgeschrittenem kleinzelligen Lungenkrebs ist schlecht. Trotz Chemotherapie und Immuntherapie beträgt das mittlere Überleben nur 12 Monate. In der Studie SAKK 15/19 wird untersucht, ob eine thorakale Radiotherapie und die Gabe von Durvalumab die Progression der Krankheit verlangsamen kann.

Bei Patienten mit einem kleinzelligen Lungenkarzinom im fortgeschrittenen Stadium besteht die Standardtherapie in der Gabe von 4-6 Zyklen einer platinbasierten Chemotherapie plus Etoposid mit oder ohne Atezolizumab. Dennoch beträgt das mediane Gesamtüberleben dieser Patienten nur 10-12 Monate, weil sich in der Regel rasch eine Resistenz auf die Therapie  entwickelt.

Radiotherapie und Erhaltungstherapie mit Durvalumab zur Aktivierung des Immunsystems

Das Risiko für ein intrathorakales Fortschreiten des kleinzelligen Lungenkarzinoms lässt sich durch eine zusätzliche thorakale Radiotherapie senken. Es wird angenommen, dass die Bestrahlung nicht nur direkt zytotoxisch auf die Tumorzellen wirkt, sondern auch eine antitumorale Immunantwort anregt.

In der Studie SAKK 15/19 wird untersucht, ob die Kombination des monoklonalen Anti-PD-L1-Antikörpers Durvalumab mit
thorakaler Radiotherapie bei Patienten mit fortgeschrittenem kleinzelligem Lungenkarzinom eine noch stärkere Aktivierung des Immunsystems mit einer verbesserten antitumoralen Immunantwort bewirken kann. Die Studientherapie (thorakale Radio­therapie + Durvalumab) erfolgt nach einer Chemo-Immuntherapie mit Carboplatin, Etoposid und Durvalumab. Primärer Endpunkt der Studie ist die progressionsfreie Rate nach zwölf Monaten, zu den sekundären Endpunkten gehören unter anderem das progressionsfreie Überleben, das mediane Gesamtüberleben und die objektive Ansprechrate.

Welche Patienten können teilnehmen?

An der Studie können Patienten mit einem fortgeschrittenen
kleinzelligen Lungenkarzinom teilnehmen, bei denen entweder Metastasen vorliegen (Stadium IV) oder bei denen das Tumor­volumen in der Lunge so gross ist, dass eine Bestrahlung in kurativer Absicht als erste Therapie nicht möglich ist (Stadium III-IV). Nicht teilnehmen können Patienten, die wegen des kleinzelligen Lungenkarzinoms schon einmal eine systemische Therapie oder eine thorakale Radiotherapie erhalten haben.

Ablauf der Studie

Eine Studienteilnahme läuft für die Patienten in drei Phasen ab:

  • Induktionstherapie: Die Patienten erhalten vier Zyklen Chemo-Immuntherapie mit Carboplatin, Etoposid und Durvalumab. Ein Zyklus dauert 21 Tage. Bei denjenigen Patienten, bei denen nach Abschluss der Induktionstherapie ein Ansprechen oder eine stabile Krankheitssituation vorliegt, folgt die Erhaltungstherapie. Bei den Patienten, bei denen die Krankheit unter der Induktionstherapie weiter fortgeschritten ist, erfolgt keine Erhaltungstherapie.
  • Erhaltungstherapie: Thorakale Radiotherapie während 2,5-3 Wochen (13 Fraktionen mit je 3 Gray) und Gabe von Durvalumab alle 28 Tage während maximal zwei Jahren.
  • Follow-up während zwei Jahren.

Studienname: Thoracic radiotherapy plus maintenance Durvalumab after first line Carboplatin and Etoposide plus Durvalumab in extensive-stage disease small cell lung cancer (ED-SCLC). A multicenter single arm open label phase II trial.
Teilnehmende Zentren: Universitätsspital Basel; EOC – Istituto Oncologico della Svizzera Italiana; Kantonsspital Graubünden; Hôpitaux Universitaires de Genève; Kantonsspital St.Gallen; Kantonsspital Winterthur; Onkozentrum Hirslanden Zürich.
Coordinating Investigator: Dr. med. Alfredo Addeo, Hôpitaux Universitaire de Genève HUG, alfredo.addeo@hcuge.ch
Supporting Coordinating Investigator: PDr. med Cristina Picardi, Klinik Hirslanden Zürich, cristina.picardi@hirslanden.ch
Clinical Project Manager: Daniela Bärtschi, daniela.baertschi@sakk.ch, SAKK Koordinationszentrum Bern.
Teilnehmende Zentren: Kantonsspital Baden, Universitätsspital Basel, Bern/Inselspital, Kantonsspital Graubünden, Fribourg/Hôpital Fribourgeois – Hôpital Cantonal, Hôpitaux Universitaires de Genève, Kantonsspital St.Gallen, Onkozentrum, Hirslanden Zürich, Universitätsspital Zürich

Prof. Dr. med. Miklos Pless

Winterthur
SAKK Präsident

miklos.pless@ksw.ch

Hans Rudolf Keller ist neuer CEO der SAKK

Der Vorstand der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK) hat Hans Rudolf Keller zum neuen CEO gewählt. Der 57-jährige Berner tritt die Nachfolge von Martin Reist an, der die SAKK verlassen wird.

Nach dreijähriger Tätigkeit als CEO hat sich PD Dr. Dr. Martin Reist entschieden die SAKK zu verlassen. Er hat dank einer erfolgreich abgeschlossenen Sanierung die Existenz der SAKK nachhaltig gesichert und deren Leistungsauftrag sichergestellt. Zusammen mit dem Vorstand und seinem Mitarbeiterteam am Koordinationszentrum hat er die SAKK erfolgreich neu strukturiert und weiterentwickelt. Der Vorstand dankt ihm für seinen grossen Einsatz.

Der Vorstand hat seine Nachfolge bestimmt. Er hat Dr. Hans Rudolf Keller zum neuen CEO der SAKK gewählt. Der promovierte Pharmazeut arbeitete in diversen Führungsfunktionen unter anderem bei Novartis, bei den Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) Basel und bei Tox Info Suisse. Hans Rudolf Keller kennt die Verbandsarbeit von seiner Tätigkeit als CEO bei pharmaSuisse und als CEO a.i. beim Schweizerischen Samariterverbund und ist mit den für die SAKK wichtigen strategischen und politischen Themen vertraut. Aktuell ist Hans Rudolf Keller Geschäftsführer und Inhaber der Ventivo Consulting GmbH, wo er bio-pharmazeutische Unternehmen zu Strategie, Marketing und Geschäftsentwicklung berät.

Der 57-jährige Berner hat sein Studium der Pharmazie an der Universität in Bern abgeschlossen und an der Vrije Universität in Brüssel promoviert und dazu erfolgreich ein MBA INSEAD sowie neulich ein VRCAS an der Universität St. Gallen abgeschlossen. Hans Rudolf Keller ist Vater zweier erwachsener Kinder und lebt mit seiner Ehepartnerin in Bolligen. Der Vorstand der SAKK ist überzeugt, mit Dr. Hans Rudolf Keller eine hervorragende Besetzung für die CEO-Funktion gefunden zu haben und wünscht ihm viel Erfolg bei seiner neuen Tätigkeit.

Wann kommt der nationale Plan zur Bekämpfung von Krebs?

Interpellation von Ständerätin Marina Carobbio Guscetti, eingereicht am 15.12.2021

«Im Oktober 2021 haben das Bundesamt für Statistik, die Nationale Krebsregistrierungsstelle (NKRS) und das Kinderkrebsregister den dritten nationalen Krebsbericht veröffentlicht; daraus geht hervor, dass bei der Zahl der an Krebs erkrankten Personen aufgrund der Bevölkerungsalterung ein steigender Trend feststellbar ist. Gemäss der NKRS wird für das Jahr 2021 mit über 48 000 neuen Krebsdiagnosen gerechnet. Gleichzeitig steigen die Überlebenschancen. Dies spiegelt sich im Umstand wieder, dass immer mehr Menschen mit einer Krebserkrankung leben. Prognosen zufolge werden dies bis im Jahr 2030 mehr als eine halbe Million Menschen sein. Eine Entwicklung, die grosse Herausforderungen mit sich bringt: Menschen, die von Krebs geheilt sind, benötigen andere Behandlungen als
Patientinnen und Patienten mit akuten Erkrankungen. Krebs hat auch sozioökonomische Auswirkungen: Eine von fünf Personen, die zum Zeitpunkt der Diagnose berufstätig waren, ist fünf Jahre später nicht mehr im Berufsleben tätig.
Die Schweiz verfügt derzeit über keine Krebsstrategie, da die Nationale Strategie gegen Krebs (NSK) 2014-2020 im Jahr 2020 geendet hat. Die Krebsorganisationen setzen ihre Bemühungen zur Koordinierung der NSK im Rahmen des «Oncosuisse-Forums» fort, jedoch ohne Beteiligung von Bund und Kantonen.
Die WHO empfiehlt ihren Mitgliedsstaaten, einen nationalen Krebsplan zu erarbeiten. Die EU treibt ab diesem Jahr “Europas Plan gegen Krebs” voran. Ohne entschlossenes Einschreiten besteht leider das Risiko, dass die krebsbedingten Todesfälle massiv zunehmen und Krebs so bis im Jahr 2035 die häufigste Todesursache in Europa sein wird. Auch in der Schweiz müssen die komplexen Herausforderungen durch die Koordination aller Beteiligten wirksam angegangen werden. In diesem Zusammenhang ist das nationale Krebsregister eine gute Grundlage für die Entscheidungsfindung, um Massnahmen im Bereich der Krebsprävention sowie der Früherkennung und der Behandlung von Krebs zu erarbeiten.

Ich bitte den Bundesrat, dazu folgende Fragen zu beantworten:
1. Ist der Bundesrat der Meinung, dass angesichts der grossen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung von Krebs ein koordiniertes strategisches Vorgehen von Bund und Kantonen zusammen mit den Beteiligten notwendig ist? Wie will er dieses Vorgehen ausgestalten?
2. Die steigende Zahl von Neuerkrankungen und die wachsende Zahl von Krebsüberlebenden, die eine angemessene Behandlung brauchen, stellt uns vor grosse Herausforderungen. Wie gedenkt der Bundesrat der beunruhigenden Entwicklung dieser Herausforderungen zu begegnen?»

Das in der Interpellation erwähnte «Oncosuisse Forum» ist das Nachfolgeprojekt der Oncosuisse, welches die Ideen & Inhalte der Nationalen Strategie gegen Krebs 2014-2020 weiter verfolgt. Ziel ist es, die Akteure im Krebsbereich noch enger zu vernetzen und zusammen inhaltlich auf einen Schweizer Krebsplan hinzuarbeiten. Oncosuisse organisiert hierzu Netzwerkanlässe, um die Expertise und Meinungen der Akteure in den einzelnen Handlungsfeldern entlang des Krebs-Patientenpfads (Prävention-Früherkennung-Behandlung-Nachsorge-Registrierung/Forschung) abzuholen und gemeinsam Handlungsempfehlungen zu formulieren. Mehr Informationen finden Sie unter www.oncosuisse.ch, für Fragen wenden Sie sich gerne an info@oncosuisse.ch. Die Antwort des Bundesrats auf diese Interpellation wird bis zur nächsten Session erwartet, diese beginnt am 28.2.2022.

Aktuelle Krebspolitik

Gesundheitspolitischer Schwerpunkt in der Wintersession 2021 der eidgenössischen Räte waren einmal mehr die Änderung des Covid-19-Gesetzes sowie die Diskussionen um die kostendämpfenden Massnahmen im Gesundheitswesens. Im Folgenden werden krebspolitisch relevante Entscheide aus Wintersession 2021 vorgestellt:

Voranschlag 2022 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2023-2025 (21.041)
Geschäftstyp: Geschäft des Bundesrates
Stand der Beratung: angenommen (Antrag Erhöhung Kohäsionsbeitrag abgelehnt)
Nächster Schritt: erledigt

Das Scheitern des Rahmenabkommens mit der EU hat für den Forschungsplatz Schweiz gravierende Folgen. Deshalb hat die Aussenpolitische Kommission (APK-N) ihrem Rat beantragt, den Schweizer Kohäsionsbeitrag um eine weitere Milliarde zu erhöhen. Die Erhöhung wollte die Kommission an die Bedingung knüpfen, dass die Assoziierungsvereinbarungen zwischen der Schweiz und der EU zur Teilnahme an den laufenden EU-Programmen Horizon Europe, Digital Europe, ITER, Euratom und Erasmus+ bis zum 30. Juni 2022 unterzeichnet werden können. Eine Minderheit beantragt im Nationalrat am 1. Dezember 2021 dies zu streichen – und setzte sich mit 93 zu 84 Stimmen durch. Bundesrat Ueli Maurer erklärte, dass es nicht einfach mit einer Zahlung getan sei, die Erwartung in Brüssel seien völlig anderer Natur und einen Zugang zu Horizon würde man mit so einer Zahlung auch nicht bekommen.

Die Oncosuisse begrüsst, dass die zeitnahe Assoziierung der Schweiz an Horizon Europe und damit verbundenen Programmen und Initiativen weiterhin das erklärte Ziel des Bundesrates ist. Die europäische Forschungszusammenarbeit ist zentral, damit die Schweiz ihren Spitzenplatz in der Krebsforschung halten. Ansonsten wird der Forschungs- und Innovationsplatz Schweiz im europäischen Netzwerk benachteiligt. Ausserdem büsst die Schweiz für talentierte Nachwuchs- und Spitzenforscher und -forscherinnen deutlich an Attraktivität ein.

Ergänzung von Artikel 64a des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung betreffend Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht der Versicherten (16.312)
Geschäftstyp: Standesinitiative Kanton Thurgau
Stand der Beratung: Differenzbereinigung
Nächster Schritt: Kommission Erstrat (SGK-S)

Die SGK-S hat die Standesinitiative zum Anlass genommen, die Probleme, die sich durch die Folgen der Nichtbezahlung der Prämien und Kostenbeteiligung ergeben, integral anzugehen und das Verfahren umfassend zu verbessern. Folgende Punkte hat der Kommission nach der Vernehmlassung in der Vorlage belassen: Junge Erwachsene sollen nicht für Prämienausstände belangt werden können, die in der Zeit ihrer Minderjährigkeit entstanden sind. Die Zahl der Betreibungen soll begrenzt werden. Aufgrund der Rückmeldungen in der Vernehmlassung senkt die Kommission die Limite jedoch von vier auf zwei Betreibungen pro Jahr. Säumige Versicherte sollen in einem Modell mit eingeschränkter Wahlfreiheit des Leistungserbringers versichert werden. Die Kantone sollen, wenn sie dies wünschen, die Verlustscheine übernehmen und selbst bewirtschaften können. Dafür sollen sie den Versicherern 90 Prozent der ausstehenden Forderungen vergüten. Umstritten war insbesondere, ob Listen mit säumigen Zahler/-innen weiterhin geführt werden können (sogenannte schwarze Listen).
Wer seine Krankenkassenprämien oder Kostenbeteiligungen trotz Betreibung nicht bezahlt, landet heute in den Kantonen Luzern, Thurgau, Aargau, St. Gallen, Tessin und Zug auf einer schwarzen Liste. Die Kantone Graubünden, Solothurn, Schaffhausen und St. Gallen haben diese wieder abgeschafft, da sie nicht die gewünschten Ergebnisse brachten. Thurgau und Zug sprechen hingegen von guten Erfahrungen, weil sie die schwarzen Listen mit Hilfsangeboten und einem Fallmanagement kombinieren. Die Vernehmlassung der SGK-S ergab ein klares Resultat: Nebst den Leistungserbringern und Krankenversicherern sprachen sich 19 Kantone und die GDK für die Abschaffung von schwarzen Listen aus. Trotzdem schlägt die Kommission nach der Auswertung vor, den Kantonen im Rahmen des föderalistischen Vollzugs weiterhin die Möglichkeit der Führung solcher Listen zu geben. Da der Begriff der Notfallbehandlung zu Auslegungsschwierigkeiten geführt hat, soll er jedoch folgendermassen definiert werden:

Eine Notfallbehandlung liegt vor, wenn die Behandlung nicht aufgeschoben werden kann. Dies ist der Fall, wenn die versicherte Person ohne sofortige Behandlung gesundheitliche Schäden oder den Tod befürchten muss oder die Gesundheit anderer Personen gefährden kann.

Der Ständerat stimmte dem Antrag der SGK-S mit 22 zu 22 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten zu, und will damit den Kantonen weiterhin die Möglichkeit geben, schwarze Listen zu führen. Nach dem Ständerat im Sommer, befasste sich der Nationalrat in der Wintersession als Zweitrat mit der Vorlage. Wie im Ständerat war auch die Abstimmung im Nationalrat knapp: Die grosse Kammer stimmte mit 98 zu 92 Stimmen bei 2 Enthaltungen gegen die Abschaffung der Listen säumiger Prämienzahlender. Zudem schuf sie einige Differenzen zum Ständerat: Prämien sollen vom Lohn abgezogen und an den Versicherer überwiesen werden können, es soll keinen erzwungenen Kategorien- oder Versicherungsmodellwechsel geben und Prämien können vom Betreibungsamt gezahlt werden können, wenn der Lohngepfändet ist. Nun befasst sich die SGK-S mit den Differenzen am 20./21. Januar 2022 mit den Differenzen.

Die Oncosuisse begrüsst, dass das Vorgehens bei Nichtbezahlen der Prämien umfassend verbessert werden soll. Denn immer mehr Versicherte können ihre Krankenkassenprämien nicht mehr bezahlen. Und auch in der Schweiz bedeutet eine Krebserkrankung ein zusätzliches Armutsrisiko. Ein Teil der Krebsbetroffenen hat zunehmend Schwierigkeiten, Krankenkassenprämien, Franchisen und Selbstbehalte zu bezahlen.
Landen Krebsbetroffenen auf einer schwarzen Liste, droht ihnen heute ein Leistungsstopp, was lebensbedrohliche Folgen haben kann. Deshalb spricht sich die Oncosuisse wie der Bundesrat und die GDK für die Abschaffung der schwarzen Liste aus. Der Zugang zu Behandlungen von lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Krebs muss jederzeit sichergestellt sein Ebenso dürfen für (Krebs-)Betroffene keine Versicherungslücken entstehen. Festzuhalten bliebt, dass mit deren Abschaffung das eigentliche Problem der Krankenkassen-Prämienlast für Menschen mit knappen finanziellen Mitteln nicht vollständig gelöst sind.

Änderung der gesetzlichen Grundlagen, sodass Swissmedic Dosierungen und Packungen von Arzneimitteln auch dann auf die
Spezialitätenliste setzen kann, wenn das Gesuch nicht vom Hersteller stammt (19.508)
Geschäftstyp: Parlamentarische Initiative
Urheber/-in: Crottaz Brigitte (SP/VD)
Stand der Beratung: Folge gegeben (Phase 1)
Nächster Schritt: Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs, Vernehmlassung

Die gesetzlichen Grundlagen sollen so geändert werden, dass ohne ausdrückliches Gesuch der Pharmaindustrie spezielle, günstigere Dosierungen von bereits in anderen Dosierungen zugelassenen Arzneimitteln in die Spezialitätenliste aufgenommen werden können. Inhaltlich ist der Vorstosstext nicht korrekt, er vermischt die beiden Prozesse der Zulassung bei Swissmedic und die Aufnahme auf der Spezialitätenliste des Bundesamtes für Gesundheit. Der Grundsatz wird aber von beiden Kommissionen unterstützt: Die SGK-N gab dem Anliegen im Januar 2021 Folge. Die SGK-S folgte am 10./11. November 2021. Somit hat nun die SGK-N den Auftrag, einen entsprechenden Entwurf ausarbeiten und diesen in die Vernehmlassung zu schicken.

Im Rahmen der Oncosuisse-Initiative ein erweitertes Antragsrecht für die Zulassung sowie die SL-Aufnahme für patentabgelaufene Arzneimittel als möglicher Lösungsansatz zur Reduktion der Kostengutsprachen im Rahmen der Einzelfallvergütung gemäss Art. 71a-71d KVV identifiziert. Dies betrifft allerdings nicht nur Dosierungsänderungen sondern auch Indikationen: Im Fall von routinemässigen Behandlungen oder basierend auf internationalen Behandlungsrichtlinien oder ausreichend publizierter Evidenz sollen interessierte Organisationen, wie medizinische Fachgesellschaften, Patientenorganisationen oder Krankenversicherer, im Interesse der Patientinnen und Patienten oder der Versicherten, die Zulassung für neue oder erweiterte Indikationen von Wirkstoffen bei Swissmedic und ebenso die Aufnahme auf die Spezialitätenliste beim Bundesamt für Gesundheit beantragen können.

Für eine nachhaltige Finanzierung von Public Health-Projekten des nationalen Konzepts seltene Krankheiten (21.3978)
Geschäftstyp: Kommissionsmotion
Urheber/-in: SGK-S
Stand der Beratung: Behandlung Erstrat (Ständerat)
Nächster Schritt: Behandlung Kommission Zweitrat (SGK-N)

Der Bundesrat soll beauftragt werden, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, um die Umsetzung der Massnahmen des nationalen Konzepts seltene Krankheiten durch die beteiligten Organisationen des Gesundheitswesens nachhaltig zu sichern. Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motion. Der Ständerat folgte seiner Kommission und dem Bundesrat in der Wintersession 2021 stillschweigend. Nun wird die SGK-N den Vorstoss beraten. Ein Termin ist noch nicht bekannt.
Oncosuisse begrüsst, dass ein solche gesetzliche Grundlage geschaffen wird. Die Massnahmen des nationalen Konzepts seltene Krankheiten betreffen auch die Versorgung und Beratung von Menschen mit seltenen Krebserkrankungen. Zudem wird die Umsetzung der Motion interessant sein im Hinblick auf die mögliche Finanzierunggrundlage der Massnahmen des Oncosuisseforums.Der Bundesrat soll beauftragt werden, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, um die Umsetzung der Massnahmen des nationalen Konzepts seltene Krankheiten durch die beteiligten Organisationen des Gesundheitswesens nachhaltig zu sichern. Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motion. Der Ständerat folgte seiner Kommission und dem Bundesrat in der Wintersession 2021 stillschweigend. Nun wird die SGK-N den Vorstoss beraten. Ein Termin ist noch nicht bekannt.

Oncosuisse begrüsst, dass ein solche gesetzliche Grundlage geschaffen wird. Die Massnahmen des nationalen Konzepts seltene Krankheiten betreffen auch die Versorgung und Beratung von Menschen mit seltenen Krebserkrankungen. Zudem wird die Umsetzung der Motion interessant sein im Hinblick auf die mögliche Finanzierunggrundlage der Massnahmen des Oncosuisseforums.

Franziska Lenz

Leiterin Politik und Public Affairs Krebsliga Schweiz

Integrative Onkologie – wie integriert sich die Pflege?

Am diesjährigen Onkologiepflege-Kongress standen die Komplementärmedizin und integrative Konzepte im Mittelpunkt. Viele komplementärmedizinische Methoden haben sich in der Onkologie etabliert. Denn einerseits besteht inzwischen für manche Methoden gute Evidenz, andererseits wird der Wunsch von Patientinnen und Patienten, selbst etwas zur Genesung beizutragen, heute ernster genommen als früher. Pflegende spielen nicht nur bei Beratung zur Komplementärmedizin eine wichtige Rolle – sie können gewisse Verfahren auch selbst anbieten.

Dr. med. Marc Schlaeppi, Leiter des Zentrums für Integrative Medizin, Kantonsspital St. Gallen, stellte an den Beginn seines Referats zwei wichtige Definitionen:

  • Komplementärmedizin wird ergänzend zur Schulmedizin
    eingesetzt.
  • Alternativmedizin wird anstelle der Schulmedizin eingesetzt.

In der Onkologie spielt die Komplementärmedizin eine wichtige Rolle – mehr als die Hälfte der Patientinnen und Patienten interessieren sich dafür, vor allem weil sie selbst etwas zu ihrem Wohlbefinden beitragen möchten. Von Verfahren der komplementären Medizin erhoffen sie sich in erster Linie ein besseres Symptommanagement, psychologischen Support und eine verbesserte individuelle «Self Care». Das sind auch die Ziele der integrativen Onkologie. «Es ist wichtig, dass komplementärmedizinische Verfahren schon zu Beginn der Krebstherapie angeboten werden», sagte Dr. Schlaeppi. «Die Betroffenen sollten aber auch erfahren, dass diese Methoden nicht tumorbekämpfend, sondern unterstützend wirken.»

Was ist integrative Onkologie?

Integrative Onkologie ist ein patientenzentriertes, evidenzinformiertes Gebiet der Krebstherapie, das Mind-Body-Verfahren, natürliche Produkte und/oder Lebensstil-Änderungen aus unterschiedlichen Traditionen begleitend zur konventionellen Krebstherapie einsetzt. Die integrative Onkologie versucht, Gesundheit, Lebensqualität und klinische Outcomes über den Behandlungsverlauf hinweg zu optimieren. Menschen sollen befähigt werden, Krebs vorzubeugen und aktiv Teilnehmende vor und während der Krebsbehandlung sowie über diese hinaus zu werden.

Akupunktur gegen Fatigue, Selen gegen Diarrhoe

Es existieren verschiedene Guidelines zur Komplementärmedizin in der Onkologie. Die aktuellste ist die «S3-Leitlinie Komplementärmedizin in der Behandlung onkologischer Patientinnen und Patienten» (1). Grundsätzlich wird mit integrativen Massnahmen versucht, die Ressourcen der betroffenen Person und deren Selbst­wirksamkeit zu stärken. Drei Punkte werden immer besprochen: Bewegung, Rhythmus (z.B. Schlaf) und innere Ruhe (z.B. Entspannungsmethoden oder Achtsamkeitsübungen). Dr. Schlaeppi stellte einige wichtige Studien zu unterschiedlichen Methoden vor:

  • Bewegung: Wie wichtig genügend Bewegung ist, zeigt eine Studie bei Patientinnen mit Brustkrebs im Stadium I-III: Bei den Patientinnen, die mehr als neun Stunden Bewegung pro Woche hatten, nahmen im Vergleich zu Patientinnen, die sich nur wenig bewegten, die Rezidive und die Mortalität um 26-40% ab (2).
  • Yoga: Das regelmässige Ausüben von Yoga verbessert bei
    Cancer Survivors die Schlafqualität und reduziert den Gebrauch von Schlafmitteln.
  • Akupunktur: Akupunktur vermindert bei Frauen mit Brustkrebs und endokriner Therapie die Hitzewallungen, reduziert die Fatigue nach Chemotherapie, lindert Dyspnoe bei PatientInnen mit fortgeschrittenem Lungenkrebs und hilft gegen Schmerzen. In einer aktuellen Studie des Kantonsspitals St. Gallen und des Universitätsspitals Zürich wird untersucht, ob Akupunktur auch Geschmacksstörungen verbessern kann.
  • Homöopathie: In einer im letzten Jahr erschienenen Studie konnte gezeigt werden, dass sich durch eine zusätzliche homöopathische Behandlung bei Personen mit fortgeschrittenem Lungenkrebs nicht nur die Lebensqualität verbesserte, sondern auch die Überlebenszeit verlängerte (3).
  • Selen: Die Einnahme von Selen bewirkte bei Patientinnen, die sich wegen eines gynäkologischen Tumors einer Bestrahlung unterziehen mussten, weniger Diarrhoen als Nebenwirkung.
  • Mistelextrakt: Die Gabe von Mistelextrakt kann bei Personen mit soliden Tumoren zur Lebensqualität beitragen. In einer aktuellen Studie aus Schweden (MISTRAL) bei Personen mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom zeigte sich, dass sie mit zusätzlicher Mistelbehandlung die Chemotherapie besser vertrugen (weniger Dosisreduktionen, weniger hämatologische Toxizitäten) und seltener hospitalisiert werden mussten (4).
  • Eurythmie: In Bern wird im Rahmen einer Studie untersucht, ob Eurhythmie bei Frauen mit metastasiertem Brustkrebs die Fatigue verbessern kann.
  • Äussere Anwendungen wie Wickel oder rhythmische Einreibungen: Zu diesen Methoden gibt es keine Evidenz, aber eine Arbeitsgruppe in Deutschland beschäftigt sich mit diesen Methoden.

Homöopathie-Behandlung verlängert Überlebenszeit

Bei Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenem nicht-kleinzelligen Lungenkrebs (NSCLC Stadium IV) wurde in einer Studie untersucht, ob additive Homöopathie die Lebensqualität und das Überleben beeinflussen kann (3). An der prospektiven, randomisierten, placebokontrollierten, multizentrischen Phase-III-Studie nahmen 150 Personen teil: 98 erhielten doppelblind entweder individualisierte homöopathische Mittel
(n = 51) oder Placebo (n = 47); 52 Kontrollpersonen ohne jegliche homöopathische resp. Placebo-Behandlung wurden hinsichtlich des Überlebens beobachtet. Die Inhaltsstoffe der verschiedenen homöopathischen Mittel waren pflanzlichen, mineralischen oder tierischen Ursprungs. Die Lebensqualität sowie die Funktions- und Symptomskalen zeigten in der Homöopathie-Gruppe (im Vergleich zur Placebo-Gruppe) nach 9 und 18 Wochen homöopathischer Behandlung eine signifikante Verbesserung. Die mediane Überlebenszeit war in der Homöopathie-Gruppe signifikant länger (435 Tage) als in der Placebo-Gruppe (257 Tage) sowie in der Kontrollgruppe (228 Tage). Die Autoren denken, dass die bessere Lebensqualität zu dem verlängerten Überleben beigetragen haben könnte.

Mind-Body-Therapien

Ein grosses Gebiet der Integrativen Onkologie ist die Mind-Body-Medizin, ein integratives, didaktisches Konzept, das auf den fünf Säulen Bewegung, Entspannung, Atmung, Ernährung und Selbst­hilfe beruht. Mind-Body-Verfahren sind ressourcenorientiert und bieten Hilfe zur Selbsthilfe. Durch multimodale Therapiekonzepte sollen Symptome reduziert und die Selbstwirksamkeit gestärkt werden. Studien zeigen, dass sich durch die Anwendung von Mind-Body-Therapien nicht nur die Lebensqualität verbessern lässt, sondern dass z.B. auch Entzündungsreaktionen abnehmen. Das Institut für komplementäre und integrative Medizin des Universitätsspitals Zürich bietet für Patientinnen und Patienten der Onkologie ein Programm in Mind-Body-Medizin an zehn Nachmittagen an (insgesamt 10 Wochen). Im Rahmen des Programms lernen die Teilnehmenden unter anderem unterschiedliche Bewegungs- und Entspannungsmethoden (Qi Gong, Achtsamkeit etc.) sowie Selbsthilfestrategien kennen. «Es genügt nicht, interessierte Betroffene nur zu integrativen Medizin zu beraten», betonte der Referent. «Es braucht auch ein entsprechendes Angebot.» Sein Fazit:

  • Integrative Onkologie ist eine ergänzende Perspektive mit therapeutischer Konsequenz.
  • Der Ansatz ist supportiv, hat aber Tiefenwirkung.
  • Die Selbstwirksamkeit wird gestärkt und Hilfe zur Selbsthilfe geleistet.
  • Die Kreativität, auch im Umgang mit dem eigenen Leben, wird angeregt.

Pflegende wissen zu wenig über Komplementärmedizin

Welche Haltung haben Pflegende gegenüber der Komplementär- und Alternativmedizin (KAM)? Einen Überblick lieferte Sara Kohler, MscN, MAS, RN, Studiengangsleiterin in onkologischer Pflege, Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften, Winterthur. Zur KAM zählen manuelle Methoden, Mind-Body-Praktiken (Mindfullness, Yoga, Meditation, Musik und Tanz etc.), Stimulationen mit Licht oder Magneten, Akupunktur, pflanzliche Medikamente, Nahrungsmittelergänzungen, Probiotika sowie Ernährungstechniken. Weltweit nutzen rund 40% aller Personen mit Krebs KAM, in Europa sind es 34%. In der Schweiz wenden rund 30% der Bevölkerung KAM an, und dieser Anteil hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen, unter anderem wegen der Aufnahme bestimmter Methoden in die Grundversicherung.
Unter Pflegenden haben rund 60% eine grundsätzlich positive Haltung gegenüber KAM in der Onkologie, sie sehen KAM aber als eine Ergänzung zur konventionellen Therapie. Wenn Pflegende sich für KAM einsetzen, ist das kein Versuch, die konventionelle Therapie zu schwächen, sondern sie wollen damit die Qualität der Patientenversorgung erhöhen. Die Evidenz in Bezug auf die Sicherheit ist für Pflegende wichtiger als Evidenz bezüglich Wirksamkeit. Ärztinnen, Ärzte und Pflegende haben jedoch auch Bedenken gegenüber KAM, besonders wegen Sicherheit, Nebenwirkungen, fehlender Evidenz, wenig Regulation des KAM-Angebots und möglichen Interaktionen zwischen den Therapien. Zudem haben Ärztinnen, Ärzte und Pflegende oft nur ein ungenügendes Wissen über KAM. Diese Tatsache ist – nebst Faktoren wie Ressourcendruck, wenig Zeit und strukturellen Barrieren – auch ein häufiger Grund, warum KAM nicht in die Pflege implementiert wird. «KAM ist aber nicht nur kosten- und zeitaufwändig, sie bietet auch grosse Chancen», meinte die Referentin. Pflegende sollten in der Lage sein, Fragen von Patientinnen und Patienten zu KAM zu beantworten und diese bezüglich KAM zu beraten. Das Fazit von Sara Kohler:

  • Gemessen an der Popularität von KAM ist es sehr wahrscheinlich, dass Pflegende Betroffenen begegnen, die diese einsetzen.
  • Pflegende benötigen mehr Informationen zu KAM und Möglichkeiten zu Fort- und Weiterbildung.
  • Pflegende sollten besser über die Häufigkeit von KAM sowie deren Implikationen für die Praxis informiert sein.

Integrative Onkologie in der Romandie

«Die integrative Onkologie ist in der Romandie relativ neu», sagte Dr. med. Pierre-Yves Rodondi, Direktor des Instituts für Hausarztmedizin, Universität Freiburg, in seinem Vortrag. «Es gibt kaum strukturierte Angebote und nur wenig Unterstützung durch öffentliche Gelder, aber zahlreiche Initiativen.» In einer Studie konnte er zeigen, dass die Situation bezüglich integrativer Onkologie am Universitätsspital Lausanne (CHUV) früher unübersichtlich war: Ausser für Personen in Isolation gab es kein strukturiertes Angebot, die komplementären Massnahmen wurden nicht in den Pflegedokumentationen erfasst und nicht ärztlich verordnet. Dies änderte sich mit der Gründung des Zentrums für integrative und komplementäre Medizin (CEMIC) (Tab. 1). Eine andere Institution ist das «Centre OTIUM» in Genf: Es bietet ein Programm für onkologische Rehabilitation an, das von der Krebsliga Schweiz validiert wurde. Unterhalten wird das Zentrum von einer Stiftung. Im Angebot sind individuelle Therapien, Gruppenkurse und Workshops zu verschiedenen Methoden, z.B. Hypnose, Shiatsu, Kunsttherapie, Homöopathie, Fussreflexzonenmassage, Osteopathie etc. «Es ist aber momentan in der Romandie nicht sichergestellt, dass alle Personen, die dies möchten, Zugang zu nützlichen komplementären Angeboten erhalten», bedauerte der Referent. «In der Schweiz sollte aber jede an Krebs erkrankte Person Zugang zur integrativen Onkologie haben.»

Entwicklung eines Komplementär-Angebots im Spital

Dr. med. Gisèle Montavon und Olivia Messerli, MScSI, Pflegefachfrau, Zentrum für integrative und komplementäre Medizin (CEMIC) am CHUV, stellten das CEMIC vor. Dieses wurde 2015 gegründet. Momentan sind am CEMIC sechs Pflegefachpersonen (darunter Fachpersonen für Hypnosetherapie, Kunsttherapie und Massage, die am CHUV angestellt sind), vier Ärztinnen (plus eine OP-Hypnose-Anästhesistin) und mehr als zehn Forschungsmitarbeitende beschäftigt. Im stationären Setting bietet das CEMIC Hypnose, Kunsttherapie, Massage und Akupressur an. Ambulant werden Arzttermine in integrativer Onkologie und Komplementärmedizin (Hypnose, Akupunktur) sowie Gruppensitzungen in Kunsttherapie angeboten. Innerhalb des letzten Jahres wurden mehr als 1400 Termine mit 615 Patienten und Patientinnen absolviert. Fast 500 Termine beinhalteten medizinische Massage, rund 400 Termine waren Beratungen gewidmet. Die überwiegende Mehrheit der beratenen Personen waren mit der vorgeschlagenen Therapie sehr zufrieden. Die Komplementär-Therapien müssen an die individuellen Situationen der behandelten Personen angepasst werden. Einige Beispiele am CEMIC sind ein Akupunkturarmband, das zur antiemetischen Behandlung angeboten wird, oder ein Kunsttherapie-Stationswagen, der eine Kunsttherapie auf der Station ermöglicht.
Am ganzen CHUV verwenden Ärztinnen, Ärzte und Pflegende stationsübergreifend dasselbe Formular für die Verordnung und Dokumentation der komplementären Therapien. «Dies ermöglicht einen umfassenden Follow-up und eine Entwicklung der Angebote», sagte Olivia Messerli.
Bei der integrativen Onkologie ist Interprofessionalität besonders wichtig. Es gilt, die Patienten gemeinsam zu besprechen und die Interventionen zu koordinieren. Durch das CEMIC ergeben sich für Pflegende und Ärzte, Ärztinnen auch neue Berufsperspektiven. Allerdings ist das Weiterbildungsangebot in der Schweiz noch mager. In der Romandie steht ein optionales Modul (10 Tage) in der Ausbildung zur Pflegefachperson zur Verfügung. In Grossbritannien und in den USA hingegen werden bereits fundierte Weiterbildungen angeboten (National Center for Integrative Medicine, Bristol; Center for Integrative Medicine, University of Arizona).
Bei der Implementierung des CEMIC ergaben sich verschiedene besondere Herausforderungen, zum Beispiel dadurch, dass es sich um ein neues Fachgebiet handelte, über das die behandelnden Teams und die betroffenen Personen nicht viel wussten (Tab. 2).

Mit betroffenen Personen über Komplementärmedizin sprechen

«Wenn man drei Personen nach ihrer Meinung zur Komplementärmedizin fragt, bekommt man drei ganz unterschiedliche Antworten», betonte Prof. Dr. med. Claudia Witt, Direktorin Institut für komplementäre und integrative Medizin, Universitätsspital Zürich in einem Workshop. In diesem Gebiet ist es besonders wichtig, evidenzbasiert zu arbeiten und seriöse von unseriösen Anbietern zu unterscheiden (Tab. 3). In der aktuellen S3-Leitlinie «Komplementärmedizin in der Behandlung onkologischer Patientinnen und Patienten», an der Prof. Witt mitgearbeitet hat, geht es bei fast allen Empfehlungen um nicht-pharmakologische Interventionen, die supportiv angewendet werden. Bei Therapievorschlägen können und sollten die Vorerfahrungen, Präferenzen und Überzeugungen der Patientinnen und Patienten berücksichtigt werden.
Für Health Professionals ist es aber gar nicht so einfach, mit betroffenen Personen Gespräche über Integrative Medizin zu führen. Die Referentin entwickelte ein Trainingsprogramm für Onkologinnen und Onkologen, um sie in der Gesprächsführung zu Komplementärmedizin zu schulen (KOKON-KTO) (5). In neun 45-minütigen E-Learning-Kursen erfahren die Teilnehmenden Grundsätzliches zur Komplementär-integrativen Medizin bei Krebs sowie zu einzelnen Therapieverfahren und erlernen eine adäquate Informations- und Beratungstechnik. In einem zweitägigen Workshop wird das Gelernte praktisch angewendet (Gespräche mit Simulationspatientinnen). Die Evaluation ergab, dass die Teilnehmenden mit dem Kurs sehr zufrieden waren und das Gelernte gut umsetzen konnten. Weitere Informationen zum KOKON-KTO-Trainingskonzept findet man auf der Website des USZ: www.usz.ch/fachbereich/komplementaere-und-integrative-medizin/forschung/kokon-kto.

Resilienz fördern in Zeiten von COVID-19

Ergänzend zu den 15 angebotenen Workshops zum Kongressthema erläuterte Barbara Schmidt, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Entrepreneurship, Institut für Technologiemanagement, Universität St. Gallen, welche Auswirkungen die COVID-19-Pandemie auf Mitarbeitende im Gesundheitswesen und auf deren psychologisches Kapital hatte. Während der Pandemie erlebten viele Pflegende umfassende Veränderungen im Arbeitsleben:

  • Übernahme von Tätigkeiten, die nicht in den Aufgabenbereich gehören
  • Umstrukturierungen im Spital mit massiven Auswirkungen auf den Arbeitsalltag
  • Weniger direkten Patientenkontakt, mehr Büroarbeit und Homeoffice
  • Mehr Aufgaben an einzelne Personen delegiert
  • Personalengpässe wegen Kündigungen, Krankheiten und Schwangerschaften
  • Zusätzliche Projekte

«Diese Umwälzungen stellten hohe Anforderungen an das psychologische Kapital», sagte die Referentin. Zum psychologischen Kapital zählen Selbstwirksamkeit, Optimismus, Hoffnung und Resilienz, also die Fähigkeit, mit belastenden Lebensumständen erfolgreich umzugehen und sinnvolle Bewältigungskompetenzen zu entwi-
ckeln (Widerstandsfähigkeit). Zur Resilienz einer Person tragen ganz verschiedene Faktoren bei: bestimmte Haltungen (Optimismus), Interessen und Hobbys, ein stabiles soziales Umfeld, angemessene Ziele etc. (Tab. 4).
Um in stressigen Zeiten die Zuversicht nicht zu verlieren, hilft eine persönliche Reflexion:

  • Was kostet Kraft? Welche Personen oder Tätigkeiten ärgern / deprimieren / langweilen / belasten mich? Wie kann ich diese «Kräftefresser» beeinflussen? Was will ich nicht mehr? Was kann ich ändern und wer kann mir dabei helfen?
  • Was bringt Kraft? Welche Menschen / Umstände / Tätigkeiten führen dazu, dass ich ruhiger werde, mich freier fühle, ermutigt werde, lachen muss, mich einfach wohl fühle, wieder Kraft schöpfe? Wie lange ist es her, dass ich solche positiven Erlebnisse erfahren habe? Welche positiven Erlebnisse sind heute möglich? Diese Woche? In absehbarer Zeit?

«Resilienzfaktoren können auch trainiert werden», betonte Barbara Schmidt. Dazu gehört, eine Krise zu akzeptieren und sich trotzdem in Optimismus und Achtsamkeit zu üben. Wichtig ist, die Opferrolle zu verlassen, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen und neue Netzwerke aufzubauen (planen und gestalten der Zukunft). Unterstützung beim Training des «mentalen Immunsystems» bietet die App Resilyou (www.resilyou.ch).

Dr. med. Eva Ebnöther

Quelle: 23. Schweizer Onkologiepflege Kongress, 15.09.21, Bern

Erstveröffentlichung des Artikels in der Zeitschrift Onkologiepflege 4/21

  1. S3-Leitlinie Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen. www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/komplementaermedizin.
  2. Holmes MD, et al.: Physical activity and survival after breast cancer diagnosis. JAMA 2005; 293(20): 2479-2486.
  3. Frass M, et al.: Homeopathic Treatment as an Add‐On Therapy May Improve Quality of Life and Prolong Survival in Patients with Non‐Small Cell Lung Cancer. Oncologist 2020; 25: e1930-1955.
  4. Wode K, et al.: Efficacy of mistletoe extract as a complement to standard treatment in advanced pancreatic cancer: study protocol for a multicentre, parallel group, double-blind, randomised, placebo-controlled clinical trial (MISTRAL). Trials 2020; 21(1): 783.
  5. Witt C, et al.: Training oncology physicians to advise their patients on complementary and integrative medicine: An implementation study for a manual-guided consultation. Cancer 2020; 126(13): 3031-3041.

Kongress-Sonderausgabe der info@onkologie

Hier finden Sie das PDF der Kongresszeitung

Immunogenität von SARS-CoV-2 Messenger RNA Vakzinen bei Patienten mit Krebs

Als die COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 ausbrach, stellten sich viele Fragen. Dabei standen die folgenden Probleme im Vordergrund, die Dr. med.  Alfredo Addeo, Genf, in drei Kernfragen zusammenfasste:

1. Haben Krebspatienten ein erhöhtes Risiko, eine Infektion
mit dem SARS-CoV-2 Virus zu erleiden?
2. Sind Krebspatienten anfälliger für COVID19?
3. Beeinflusst die Anti-Krebs-Therapie die
COVID-19-Ergebnisse?

Die Prävalenz von Krebs bei Patienten mit COVID-19 wurde in einer landesweiten Studie in China erhoben. Patienten mit Krebs haben vererbte Risikomerkmale. Ein Vergleich von Krebspatienten und solchen ohne Krebs ergab signifikante Unterschiede im Alter (63,1 vs. 48.7 Jahre), in der Raucheranamnese (22.2% vs. 8.8%), in einem abnormen CT-Scan (94.4% vs. 70.8%) und in der Polypnoe (47.1% vs. 33.5%). In einer retrospektiven Fallstudie in 3 Spitälern in Wuhan hatten 28/1276 Patienten eine Vorgeschichte von Krebs, 8 (28.6%) hatten eine im Krankenhaus erworbene Übertragung. Es gab 8 Tote (28.6%) und 15.6 (53.6%) schwere COVID-Ereignisse. In einem Krankenhaus der tertiären Versorgung in Wuhan in einer Querschnittstudie bei 1524 Krebspatienten hatten 12/1524 (0.79) COVID-19 im Vergleich zu 41 152/11 081 000 Einwohnern während des gleichen Zeitfensters (0.3%): Odds Ratio 2.31 (95% CI 1.89-3.02). Von einem Total von 32 Studien mit 46’499 Patienten (1776 Patienten mit Krebs) geht hervor, dass Krebspatienten ein erhöhtes Mortalitätsrisiko haben. ESMO-Stellungnahmen zur Impfung gegen COVID-19 bei Patienten mit Krebs: Patienten mit Krebs haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf (d.h. Patienten mit hämatologischen Malignomen, die eine Chemotherapie benötigen oder einen aktiven soliden Tumor weniger als vor 5 Jahren hatten), sollten unabhängig von jeglichen Indikationen (d.h. Alter) mit hoher Priorität gegen SARS-CoV-2 geimpft werden. Patienten, die eine B-Zelldepletion während der vergangenen 6 Monate hatten, können einen geringeren Schutz erhalten.

Wirksamkeit der BNT162b2mRNA Covid-19 Vakzine Mittlerweile ist der Beweis erbracht: COVID-Impfstoffe schützen Krebskranke Patienten, wie am ESMO-Kongress 2021 in einer Studie an 44 047 Patienten, wovon 3813 eine Vorgeschichte von Malignität hatten, gezeigt wurde.
Anhand einer prospektiven Kohorte hat der Referent mit Mitarbeitern die Serokonversionsraten und den Anti-SARS-CoV-2-SpikeProtein-Antikörper-Titer nach der ersten und zweiten Dosis der Impfstoffe BNT162b2 und mRNA-1273 SARS-CoV-2 bei Krebspatienten in den USA und Europa von Januar bis April 2021 untersucht. Von den 131 Patienten erreichten die meisten (94%) eine Serokonversion nach Erhalt von zwei Impfstoffdosen.
Die Serokonversionsraten und Antikörpertiter bei Patienten mit hämatologischen Malignomen waren deutlich niedriger als bei Patienten mit soliden Tumoren. Keiner der Patienten mit einer Vorgeschichte von Anti-CD-20-Antikörpern in den sechs Monaten vor der Impfung entwickelte eine Antikörperreaktion. Die Antikörpertiter waren in den Gruppen mit klinischer Überwachung oder endokriner Therapie am höchsten und in den Gruppen mit zytotoxischer Chemotherapie oder monoklonalen Antikörpern am niedrigsten.

Die dritte Auffrischungsdosis kann die Immunreaktion bei Krebspatienten verbessern, die nach der zweiten Dosis nicht ausreichend geschützt sind. Zahlreiche Forschungsergebnisse belegen übereinstimmend die Sicherheit von Impfstoffen in dieser Bevölkerungsgruppe.

Fazit
Vakzinen sind bei Krebspatienten und während der Behandlung sicher.
Vakzinen sind wirksam und induzieren eine humorale und zelluläre Immunantwort.
Die Antwort kann durch das Alter und die Behandlung beeinflusst werden.
Dritte Dosis? Ja nach 28 Tagen bei «Immunkompromitierten», nach 6 Monaten bei allen anderen.