Wie behandle ich diesen Patienten mit Diabetes mellitus ?

Bei einem 33-jährigen Patienten wird bei klassischen Symptomen ein Typ-1-Diabetes diagnostiziert und der Patient wird mit einer Insulinpumpe behandelt. Das HbA1c, das damit erreicht wird, ist mit 6.5-7.0% sehr gut. 7 Jahre später werden neue Untersuchungen durchgeführt und die Insulinpumpentherapie wird durch ein Basis-Bolus-System ersetzt. Die Frage, die sich Ihnen heute stellt, ist: Handelt es sich wirklich um einen Typ-1-Diabetes und was ist die beste Therapie bei diesem jetzt 48-jährigen Patienten?

Wichtiges aus der persönlichen Anamnese

Diagnose Diabetes mellitus vor 15 Jahren und Beginn mit Insulinpumpe.
9 Jahre später Basis-Bolus mit Tresiba und NovoRapid.
Vor 8 Jahren Glukagonstimulationstest und Antikörper-Unter­suchung: Stimuliertes C-Peptid 2800 pmol/l und anti-GAD 0.2 E/l und anti-IA 2 0.0 U/ml (beide negativ).
Vor 4 Jahren wurde Vitamin B-12-Mangel diagnostiziert.

Fragestellungen

  • Um was für einen Diabetestyp handelt es sich hier?
  • Welche Untersuchungen braucht es noch, um die beste Therapie einzuleiten?

Vorgeschlagene Massnahmen und Therapie

Beginn mit CGMS (Freestyle Libre 3): Bessere Beurteilung der Diabeteseinstellung und des Blutzuckerverlaufs.
Therapie mit Xigduo XR 10/1000 1-0-0, evt. später 5/1000 1-0-1 (kardiovaskulärer Schutz).
Vereinfachung der Insulintherapie durch Ryzodeg 20 E zu den beiden Hauptmahlzeiten als Ersatz für Basis-Bolus-Insulinschema (2 statt 4 Injektionen).

Kombination Statin und Ezetimib (Ezetimib Rosuvastatin 10/20 mg 1-0-0, statt 20 mg Atorvastatin).

Schlussfolgerungen

7 Jahre nach Diagnose von Diabetes spricht ein stimuliertes C-Peptid von 2800 pmol/l eindeutig für einen Typ-2-Diabetes (Typ-1-Diabetes hätte < 200 pmol/l).

Wiederholung dieses Glukagonstimulationstests, um die Notwendigkeit einer Insulintherapie zu bestätigen oder zumindest eine Vereinfachung der Insulintherapie zu ermöglichen sowie die besten Medikamente für das Management des Typ-2-Diabetes mellitus einzuführen.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Prof. Dr. med.Roger Lehmann

UniversitätsSpital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zurich

Roger.Lehmann@usz.ch

Der Autor deklariert Teilnahme an Advisory Boards und Referentenhonorare von Novo Nordisk, Sanofi, MSD, Boehringer Ingelheim, Servier und Astra Zeneca.

Reaktive Arthritis

Am 6. Januar fand eine Online-Workshop zu rheumatologischen Themen unter der Leitung von Prof. Dr. med. Oliver Distler, Klinikdirektor der Klinik für Rheumatologie am USZ, statt. Die Themen waren Kryoglobulinämie-Vaskulitis, MR-Neurographie, Abklärung von Creatinkinase-Erhöhungen, «Reaktive» Arthritis und Fasciitis plantaris. Dieser Bericht fasst die Ausführungen von Prof. Ciurea zur reaktiven Arthritis zusammen.

Prof. Dr. med. Oliver Distler

Reaktive Arthritis

Prof. Dr. med. Adrian Ciurea

Die Einteilung der Arthritis ist ein nomenklatorisches Chaos: Infektiöse Arthritis, septische Arthritis, Infekt-assoziierte Arthritis, post-infektiöse Arthritis, para-infektiöse Arthritis, reaktive Arthritis, HLA-B27-assoziierte Arthritis, nicht HLA-B27 assoziierte, reaktive Arthritis, bakterielle Arthritis; virale Arthritis, stellte Prof. Dr. med. Adrian Ciurea, Stv. Chefarzt Klinik für Rheumatologie USZ, eingangs fest.

Der Referent präsentierte zunächst eine historische Einteilung aus dem Jahre 1974, gefolgt von einer vorübergehenden Einteilung und der letzten Definition aus dem Jahre 1999.

Historische Einteilung von Infektion und Arthritis: WHO+Arthritis Rheumatism Research Council 1974

Es werden insgesamt 4 Gruppen definiert:
Gruppe I: Diese Gruppe umfasst septische oder infektiöse Arthritis, bei der der verursachende Organismus in den Gelenken als Folge einer Infektion an anderer Stelle im Körper nachgewiesen wird.
Gruppe II: Diese Gruppe umfasst die postinfektiöse Arthritis, bei der bakterielle Antigene in den Gelenken nachgewiesen werden.
Gruppe III: Zu dieser Gruppe gehört die reaktive Arthritis (ReA), bei der die Infektion aus dem urogenitalen oder gastrointestinalen System stammt und eine entzündliche Gelenkerkrankung im Gelenk nachgewiesen wird
Gruppe IV: Diese umfasst die durch Mikroben ausgelöste entzündliche Arthritis, bei der weder der Organismus noch sein Produkt oder Antigen im Gelenk nachgewiesen wird.

Vorübergehende Definition der reaktiven Arthritis

Sterile, immunvermittelte Gelenkentzündung nach extraartikulärer Infektion mit einem bakteriellen Erreger, welcher nicht aus der Synovia kultiviert werden kann. Die Immunantwort ist entweder durch intra-artikuläre persistierende, sich replizierende Bakterien und/oder immunogene bakterielle Antigene ausgelöst und ist teilweise genetisch determiniert (HLA-B27).

Die letzte Definition der reaktiven Arthritis nach Consensus-Meeting 1999 bezieht sich vielmehr auf die «klassische» HLA-B27-assoziierte Form der ReA

Asymmetrische, nicht infektiöse Oligoarthritis und Systemmanifestation nach klinisch und/oder mikrobiologisch dokumentierter intestinaler oder urogenitaler Infektion. Vorausgehende Infektion ist oft nicht fassbar.

Eine Anekdote

Während der ersten Reise nach Kanada, zelebrierte Papst Johannes Paul II. am 15. September 1984 eine Messe vor Zehntausenden von Gläubigen in Midland, Ontario. Die Sicherheit wurde von 1608 Polizisten gewährleistet. Sie wurden mit einem Sandwich mit Sauce béarnaise verpflegt, welche mit Salmonellen kontaminiert war. 423 Polizisten litten unter einer Gastroenteritis, 27 unter einer reaktiven Arthritis und 18 unter einer chronischen Arthritis (5 Jahre).

Reaktive Arthritis

Epidemiologie: Inzidenz 30-40/100’000 pro Jahr. Typisches Manifestationsalter 20-40 Jahre, Geschlechtsverteilung F:M: postenteritisch 1:1, posturethritisch 1:20. Assoziation mit HLA-B27 60-80%. Verlauf in der Regel mit spontaner Besserung innert Wochen, Monaten, ca. 30% rezidivierend oder chronisch.

Muskuloskelettale Manifestationen: Asymmetrische Mono-/Oligoarthritis grosser Gelenke, vorwiegend an unteren Extremitäten. Befall des Achsenskeletts möglich (radiologisch ähnlich wie PsA: Parasyndesmophyten), Daktylitis/Enthesitis.

Extra-artikuläre Manifestatinen: Konjunktivitis, Keratitis, Uveitis, Balanitis, Sterile Urethritis, Erythema nodosum; Keratoderma blemorrhagicum (Fuss-Sohle); Schleimhautulzerationen (oral, genital)

Bakteriologische Erregerdiagnostik bei Verdacht auf reaktive Arthritis

1. Keine Hinweise auf eine vorangehende Infektion
Borrelienserologie
Chlamydia trachomatis-PCR im Morgenurin
PCR für Borrelien und Chlamydia trachomatis aus Synovia
2. Vorausgehende Infektion
a) Urethritis/Zervizitis
Borrelienserologie
Chlamydia-trachomatis-PCR im Morgenurin
PCR für Borrelien und Chlamydia trachomatis aus Synovia
b) Diarrhoe
Borrelienserologie, allenfalls Enterobakterienserologie
Chlamydia-trachomatis-PCR im Morgenurin
Stuhlkultur bei persistierender Diarrhoe oder serologischer
Hinweis auf Salmonellen Infektion
PCR für Borrelien und Chlamydia trachomatis aus Synovia
c) Respiratorischer Infekt
Borrelienserologie und Chlamydia trachomatis pneumoniae
Serologie
Anti-Streptolysin-Titer bei Racheninfekt
Chlamydia trachomatis PCR im Morgenurin
PCR für Borrelien und Chlamydia trachomatis aus Synovia
d) Zeckenstich/Erythema migrans
Borrelienserologie

Fallpräsentation 1:
30-jähriger Jurist: 1996 Salmonellen-Gastroenteritis; 2 Wochen später Gonarthritis links; im weiteren Verlauf Omarthritis und entzündliche Lumbosakralgien. 2005: 1. Uveitis-Schub, im Verlauf rezidivierend.

Basistherapien: SSZ 3/05-12/09, MTX 8/09-3/10, Infliximab seit 11/09, konnte inzwischen gestoppt werden.

Fallpräsentation 2:
21-jähriger Elektromonteur: 3/2010 akute Knie- und OSG-Schmerzen bds.; 3 Tage stationär (extern), DD viraler Infekt. 10/2010: Wechselhaft Hüft-, Knie- und OSG Schmerzen. Dysurie. 1. Morgenurin: Chlamydien-PCR positiv. Antibiotische Behandlung (inkl. Partnerin)

Coxitis bds. Punktion (Zellzahl 500,700, 2700, 1000/µl. Chlamydien-PCR negativ, Steroidinfiltration, Basistherapie mit Sulfasalazin Komplikation im Verlauf: Beidseitige Hüftnekrose; TP bds.

Kurzzeitige antibiotische Behandlung der extraartikulären Infektion

Chlamydia trachomatis: Azithromycin 1g p.o. Einzeldosis oder Doxycyclin 100mg 2x/Tag für 7 Tage. Gleichzeitige Therapie des Partners/Partnerin.

Gastrointestinale Infektion: In der Regel keine antibiotische Behandlung notwendig. Keine Auswirkung auf eine mögliche spätere Arthritis.

Fallpräsentation 3:
30-jährige kaufm. Angestellte: 11/21: Knieschmerzen re. anlässlich einer 5-stündigen Wanderung vor 2 Wochen und Persistenz seither; bereits seit 2 Jahren intermittierende Knieschmerzen rechts nach Sport, keine sonstigen Manifestationen. Keine vorgängigen Infektionen oder Stiche.

Klinisch: Gonarthritis rechts mit Erguss, aber ohne Rötung und Überwärmung
Labor: BSR 34mm/h, CRP 4.9 (<5), leichte Thrombozytose, RF- und ACPA-neg.
Synovialanalyse: Zellzahl 1’330µl, 63% mononukleäre Zellen, keine Kristalle.
PCR-Untersuchungen im Punktat:

  • Chlamydia trachomatis neg.
  • Tropheryma whipplei neg.
  • Borrelia burgdorferi pos.

Therapie: Doxycyclin 2x100mg für 30-60 Tage
Klinische Kontrolle 28.12.2021: Beschwerdefrei, Knie rechts mit minimalem Erguss (2ml): Zellzahl 477/µl, Borrelien-PCR negativ. Entscheid, die Antibiotikatherapie für weitere 30 Tage fortzuführen.

Fallpräsentation 4:
51-jähriger Gipser (aus Portugal stammend)
Zuweisung bei bekannter Spondyloarthritis mit therapieresistenter Polyarthritis.
ED vor 7 Jahren, ISG-Arthritis beidseits (MRI vor 7 Jahren).
Polyarthirits; rezidivierend erhöhte humorale Aktivität.

Bisherige Therapien: Systemische Steroide seit 7 Jahren, Methotrexat für 5 Jahre (Ineffektivität); Leflunomid für 3 Jahre (Ineffektivität); Etanercept für 4 Monate (Ineffektivität); Infliximab für 4 Monate (Ineffektivität); Golimumab für 2 Jahre (Ineffektivität); zuletzt Sandimmun für 2 Jahre (Ineffektivität). Inzwischen Prednison 20mg, Tramal 2x100mg, Inflamac 2x75mg, Dafalgan 2-3g.

Klinisch: Synovitiden beider Handgelenke, MCP II-V bds. PIP II-V rechts und II-IV links, Kniegelenke beidseits, OSG rechtsbetont.
Labor: BSR 36mm/hm CRP 33mg/l. Synovialanalyse Knie rechts: Zellzahl 350/µl, einzelne CPPD-Kristalle, viele Hydroxyapatitkristalle,

Analyse Knie rechts: PCR Borrelia burgdorferi negativ, PCR Chlamydia trachomatis negativ, PCR Tropheryma whipplet posititv.
Diagnosen: Morbus Whuipple, PCR-Nachweis Synovia und Duodenalbiopsie, Polyarthritis, St.n. ISG-Arthritis. Chronisches lumbovertebrales Syndrom bei erosiver Osteochondrose LS/S1
Therapie: Ceftriaxon i.v. für 2 Wochen, danach Bactrim forte 2×1 für 12 Monate.

Fallpräsentation 5:
48-jähriger Koch. Notfallkonsultation Freitagnachmittag: Seit 7 Tagen Exanthem an den unteren Extremitäten, zudem Schmerzen in Knie, Ellbogen und Schulter bds.; Halsschmerzen, kein Fieber. Bekannte HIV-Infektion (Erstdiagnose vor 6 Jahren).
Klinisch: Synovitis OSG bds. und Knie rechts, palpable Purpura an unteren Extremitäten.
Labor: BSR 74mm/h, CRP53mg/l.

Synovialanalysen: Zellzahl 300/µl, keine Kristalle.
Befund: Oligoarthritis und V.a. leukozytoklastische Vaskulitis
Procedere:
Punktat: PCR auf Chlamydien, Gonokokken, Borrelien, Whipple, Breitband-PCR, Labor inkl. Immunologie, ANCA, HBV/HCV-Serologien, Lues. Dermatologische Vorstellung des Patienten.

Serologie: Treponema pallidum (EIA) positiv, Partikelagglutination 1:2560.

Hautbiopsie: Bild einer leukozytoklastischen Vaskulitis mit Gefässobliterationen, fibrinoider Gefässwandverquellung, Leukozytoklasie und Erythrozytenextravasaten, Treponema Pallidum Färbung: Darstellung von reichlich hautständigen Spirochäten. Histologische Diagnose: Lues mit leukozytoklastischer Kleingefässvaskulitis.

Procedere:
Neurokonsilium und Liquorpunktion: Falls Neurolus, Hospitalisation und Penicillin i.v., ansonsten 3x Penicillin i.m. und ambulante Behandlung.

Liquor: Zellzahl 24µl.
Diagnose einer Neurolues und Start Penicillin 6×4 Mio i.v. über 14 Tage (zwingend i.v.), 30mg Prednison p.o. zur Verhinderung einer Jarisch-Herxheimer-Reaktion.

Fallpräsentation 6
56-jährige Hausfrau (aus Haiti, seit 26 Jahren in CH). Zuweisung 2014 wegen seit 2 Wochen bestehenden Schmerzen und Schwellungen an Händen, Füssen, Knien, OSG links.

Gutes Ansprechen auf 50mg Prednison für 3 Tage (HA). War in Haiti vor 1 Monat. Bei einem früheren Besuch dort habe sie Dengue-Fieber gehabt.

Klinisch: Synovitiden Handgelenke bei MCPII-III bds, Schulter rechts.

Labor: BSR 12mm/h, CRP <5mg/l, ANA 1:80, RF negativ, anti CCP-AK negativ, Blutbild mit leichter Lymphopenie.
Synovia-Analyse Knie links: Zellzahl 1450µl, keine Kristalle. PCR auf Chlamydien und Borrelien negativ. Parvovirus und HIV-/HBV-/HCV-Serologie negativ. Chikungunya-Virus IgG 1:640, Chikungunya-Virus IgM 1:40, Dengue IgG 64.8 (<8.5), Dengue IgM 8.5.

Diagnose: Virale Polyarthritis (Chukungunya), St.n. Dengue-Infekt (DD : Kreuzreaktion) (<8.5).

Kann SARS-CoV-2 eine reaktive Arthritis auslösen?
Der Referent präsentierte 6 Studien mit Patienten beider Geschlechter und variablen Alters (16-73) und verschiedenen Komorbiditäten. Fünf hatten einen positiven Nasal RT-PCR-Test, einer hatte eine Serologie. Die klinische Manifestation einer reaktiven Arthritis erfolgte mit einer Verzögerung von 8 Tagen bis 3 Wochen. Die rheumatologischen Lokalisationen waren Daktylitis rechter Fuss, linker Fuss und rechtes Knie; Gelenkarthritis und Achilles-Enthese rechts; Daktylitis 2, 4, 5 rechter Fuss, Arthritis rechter Ellbogen und Hautpsoriasis; Arthritis rechte Schulter, linkes Kniegelenk.

Quelle: Online-Rheumaworkshop USZ, 06.01.2022

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Sport nach Covid-19-Erkrankung

Nach einer überstandenden COVID-19-Erkrankung wird bei Sportlern, kardiovaskulären Risikopatienten und Patienten mit schweren Krankheitsverläufen eine ärztliche Risikobeurteilung vor Wiederbeginn einer körperlichen oder sportlichen Aktivität empfohlen. Nach einem mindestens 5-tägigen Sportverzicht sollte eine stufenweise Steigerung der körperlichen Aktivität mit individuellen Zielvorgaben zur Wiedererlangung des ursprünglichen Leistungsniveaus erfolgen.

(Aktualisierter Online-Beitrag: Nach der Drucklegung des Artikels «Sport nach Covid-19-Erkrankung» sind die Empfehlungen von Swiss Olympic am 01.05.2022  aktualisiert worden. Statt 10-14 Tage Sportverbot gilt nun bei Beschwerdefreiheit nur noch «mindestens 5 Tage» Sportverbot. Die Print-Version des Artikels weicht daher in diesm Punkt von der Online-Version ab.)

A medical risk assessment regarding returning to sports after COVID-19 should be performed in all athletes, cardiovascular high-risk patients and patients with a severe course of COVID-19. After abstaining from sport for at least 5 days, a gradual increase in physical activity with individual targets to regain the original level of performance is recommended.
Key Words: rehabilitation, SARS-CoV-2, virus, return to sport, return to play, exercise

Körperliche Bewegung und Sport tragen wesentlich zur Erhaltung der kardiovaskulären Gesundheit und dem psychischen Wohlbefinden in unserem Alltag bei. Die COVID-19-Pandemie führte jedoch in den letzten zwei Jahren, einerseits durch staatlich angeordnete Kontaktbeschränkungen und Restriktionen sowie andererseits durch teils gesundheitliche Folgen nach überstandener SARS-CoV-2-Infektion, bei zahlreichen Personen zu erheblichen Einschränkungen ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit.

Zwar ist ein gesunder und sportlicher Lebensstil mit einem tendenziell niedrigeren Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf assoziiert, dennoch sind auch bei jungen und sportlich aktiven Menschen vereinzelt schwere Infektionen möglich (1). Insbesondere kardiale oder pulmonale Organmanifestationen können das Risiko für eine langfristige Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit erheblich erhöhen. Zudem können im Rahmen der sogenannten «Post-COVID-19-Erkrankung» bzw. dem «Long-COVID-Syndrom» anhaltende oder wiederkehrende Beschwerden, typischerweise in Form von schwerer Fatigue, Belastungsintoleranz, Muskelschmerzen oder neurokognitive Einschränkungen über eine Dauer von 12 Wochen hinaus auftreten (2). Ärzte aus verschiedenen Fachdisziplinen werden zunehmend mit der Frage konfrontiert, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Intensität eine körperliche oder sportliche Aktivität nach einer COVID-19-Infektion wieder begonnen werden kann. Während ProfisportlerInnen meist auf ein spezialisiertes Team aus Ärzten und Physiotherapeuten für eine schrittweise Rückkehr zum Wettkampfsport zurückgreifen können, sind Freizeitsportler­Innen in der Regel auf die Empfehlungen ihres Allgemeinmediziners angewiesen. Hierbei sollte einerseits frühzeitig zu einem Bewegungstraining mit positiven Effekten auf die muskuloskelettale und kardiovaskuläre Gesundheit motiviert werden, andererseits müssen auch die potenziellen Risiken nach einer COVID-19-Infektion, insbesondere bei zusätzlich bestehenden kardiovaskulären Grunderkrankungen, berücksichtigt werden.

Diagnostische Massnahmen zur Risikobeurteilung

Bevor nach einer überstandenen COVID-19-Erkrankung mit einer intensiveren körperlichen Belastung begonnen wird, sollte zunächst eine ärztliche Risikobeurteilung erfolgen. Dies betrifft vor allem Wettkampfsportler, kardiovaskuläre Risikopatienten sowie Patienten mit schweren Krankheitsverläufen. Es wird nach Hinweisen für eine Myokard- bzw. Lungenschädigung (z.B. Brustschmerzen, schwere Atemnot, Herzrasen, Herzinsuffizienzzeichen oder Synkopen) oder kardiopulmonalen Vorerkrankungen gefahndet. Aufgrund der breiten Variabilität der Krankheitsausprägung ist hierbei ein symptomorientiertes und abgestuftes Vorgehen zu empfehlen (3, Abb. 1). Speziell für Athleten wurden gemeinsam von Sport & Exercise Medicine Switzerland (SEMS), Swiss Olympic und der Klinik für Kardiologie des Universitätsspitals Zürich mehrere Flowcharts erarbeitet, welche basierend auf der aktuellen Studienlage eine Orientierungshilfe für die Rückkehr in den Trainings- und Wettkampfbetrieb darstellen (4).

Als Basisdiagnostik sollte bei allen Athleten und erwähnten Risikopatienten zunächst eine ausführliche Anamnese und körperliche Untersuchung sowie ein Ruhe-EKG und eine Laboruntersuchung (Hämatogramm, CRP, Elektrolyte/Kreatinin, Transaminasen, NT-proBNP, hsTroponin T/I, Gesamt-CK) erfolgen. Hierbei muss beachtet werden, dass teils auch bei sportlicher Aktivität in den vorangegangen 48 Stunden erhöhte kardiale Biomarker nachweisbar sein können (5). Im Falle von auffälligen Befunden oder bei anhaltend symptomatischen Patienten ist anschliessend eine erweiterte Diagnostik mittels thorakaler Bildgebung (Thorax-Röntgen, ggf. Thorax-CT), Echokardiographie oder einem Herz-MRI, idealerweise nach fachärztlicher kardiologischer oder pneumologischer Konsultation, zu erwägen. Eine Lungenfunktionsdiagnostik oder Spiroergometrie sollte hingegen erst nach vollständigem Abklingen der pulmonalen Infektzeichen bzw. nach abgeheilter Myokarditis durchgeführt werden. Abhängig vom Krankheitsverlauf müssen vor Wiederbeginn einer körperlichen Aktivität allenfalls zusätzliche Funktionseinschränkungen durch muskuloskelettale, neurologische oder psychologische Folgen einer COVID-19-Erkrankung berücksichtigt werden.

Wiederbeginn der körperlichen Aktivität

Bei einem überwiegend asymptomatischen oder milden Infektionsverlauf sollte bis zum vollständigen Abklingen der Symptome und für mindestens 5 Tage nach positivem Testresultat auf eine intensive körperliche Belastung verzichtet werden. Im Falle einer nachgewiesenen Pneumonie verlängert sich die Sportkarenz je nach klinischem Verlauf auf 4 bis 6 Wochen und bei einer Myokarditis, mit Vorhandensein der typischen Myokarditis-Kriterien im Herz-MRI, auf 3 bis 6 Monate (6). In diesen Fällen sollte vor einer anschliessenden Sportfreigabe eine erneute pneumologische bzw. kardiologische Untersuchung erfolgen.

Nach Risikobeurteilung und Ausschluss möglicher Krankheitsfolgen können die Patienten schrittweise wieder mit körperlicher Aktivität oder einem sportlichen Training beginnen. Aufgrund der hohen Krankheitsvariabilität werden auch hierbei abgestufte, individualisierte und auf der Grundlage der subjektiven Verträglichkeit angepasste Trainingsvorgaben empfohlen. Hochintensive körperliche Belastungen sollten zu Beginn vermieden werden. Stattdessen wird in der Regel zunächst die Häufigkeit, dann die Dauer und schliesslich die Intensität der körperlichen Aktivität gesteigert (7). Sportmediziner können auch in diesen Fällen auf ein speziell für Athleten angepasstes «Graduated return to play»-Protokoll zurückgreifen, welches eine stufenweise Steigerung der sportlichen Aktivität bis hin zur vollen Sporttauglichkeit nach einer COVID-19-Infektion beschreibt (8). Bei schweren Krankheitsverläufen, insbesondere mit notwendiger stationärer oder intensivmedizinischer Behandlung, ist meist eine strukturierte und medizinisch überwachte Wiedereingliederung in einer spezialisierten Rehabilitationseinrichtung notwendig.

5-Phasen-Modell

Ein möglicher, nicht nur speziell für Sportler entworfener Stufenplan zur Wiederaufnahme der körperlichen Aktivität nach einer COVID-19-Erkrankung wird im «5-Phasen-Modell» von Salman et al. beschrieben (9, Abb. 2). Als Hilfsmittel zur Einschätzung des subjektiven Belastungsempfindens dient hierbei die «Borg Rating of Perceived Exertion (RPE)»-Skala mit Werten von 6 (überhaupt keine Anstrengung) bis 20 (maximale Anstrengung).

  • In Phase 1 werden zunächst Aktivitäten mit extrem leichter Intensität (RPE-Skala 6-8), u.a. leichtes Gehen sowie Atem-, Dehnungs-, Flexibilitäts- und Gleichgewichtsübungen empfohlen. Das Ziel ist die Bewältigung von Alltagsaktivitäten ohne Anstrengung.
  • In Phase 2 werden die Aktivitäten (z.B. Spazierengehen, leichte Haushalts-/Gartenarbeiten) auf eine leichte Intensität (RPE-Skala 6-11) und längere Dauer ausgebaut. Nach Abschluss dieser Phase sollte ein 30-minütiges Gehen mit leichter Anstrengung möglich sein.
  • Phase 3 umfasst ein moderates aerobes Ausdauer- und Krafttraining (u.a. zügiges Gehen, Treppensteigen, Laufen, Schwimmen oder Radfahren), welches sich zunächst in 5- bis 10-Minuten-Intervallen mit Erholungsphasen abwechselt. Das Ziel ist eine 30-minütige moderate Aktivität, bei der problemlos eine Konversation möglich ist (RPE-Skala 12-14).
  • In Phase 4 wird die Häufigkeit und Dauer dieser Aktivitäten zunehmend gesteigert und mit Koordinations- und Gleichgewichtsübungen ergänzt. Das Ziel sind regelmässige Trainingseinheiten (RPE-Skala 12-14) ohne anhaltendes Erschöpfungsgefühl.
  • In Phase 5 sollte die Person wieder zu ihrem ursprünglichen Leistungsniveau zurückkehren können und höhere Belastungsintensitäten (RPE-Skala > 15) ohne anhaltendes Erschöpfungsgefühl möglich sein.

Die Dauer jeder durchlaufenen Phase sollte mindestens sieben Tage umfassen und ein Aufstieg in die nächsthöhere Phase nur bei Wohlbefinden und Erreichen der Zielvorgaben erfolgen. Eine Überlastung, die zur Zunahme der Beschwerden führt, muss (insbesondere bei einer Post-COVID-19-Erkrankung) in jeder Phase grundsätzlich vermieden werden. Bei Auftreten von übermässiger Erschöpfung, Atemnot oder hohen Herzfrequenzen nach dem Training sollte zu der vorangegangenen Phase zurückgekehrt und allenfalls eine erneute ärztliche Beratung stattfinden.

Schutz durch COVID-19-Impfung

In vielen Fällen ist eine Rückkehr zur ursprünglichen maximalen körperlichen Leistungsfähigkeit nach einer COVID-19-Erkrankung möglich. Um allfällige Überlastungen oder Folgeerkrankungen zu vermeiden, sollte jeder Patient oder Sportler jedoch frühzeitig über die sehr individuelle Dauer bis zur vollständigen Wiedererlangung der Leistungsfähigkeit, welche teils Wochen oder Monate betragen kann, aufgeklärt werden. Es bleibt daher das vorrangige Ziel, eine schwere SARS-CoV-2-Infektion mittels Kontakt- und Hygienemassnahmen sowie einer Schutzimpfung bestmöglich zu verhindern. Bezüglich der vor allem bei Sportlern häufig erwähnten Bedenken hinsichtlich einer mRNA-Impfstoff-assoziierten Myokarditis, sollte über das nach bisherigen Kenntnissen nur sehr seltene Auftreten und über das deutlich höhere Myokarditis-Risiko im Rahmen einer COVID-19-Erkrankung informiert werden (10).

Copyright Aerzteverlag medinfo

Dr. med. Marvin Grossmann, MHBA

Klinik für Kardiologie
Universitäres Herzzentrum der Universität Zürich
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

PD Dr. med. David Niederseer

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert

◆ Vor Beginn einer intensiven körperlichen Aktivität sollte bei allen
Athleten, kardiovaskulären Risikopatienten oder Patienten mit schweren Krankheitsverläufen eine ärztliche Risikobeurteilung erfolgen.
◆ Ein Verzicht auf sportliche Aktivitäten sollte für mindestens 5 Tage nach bestätigter SARS-CoV-2-Infektion eingehalten werden. Im Falle einer pulmonalen oder kardialen Organmanifestation kann ein Sportverbot über Wochen bis Monate notwendig sein.
◆ Nach einer COVID-19-Erkrankung wird eine stufenweise Steigerung der körperlichen Aktivität mit regelmässigem Monitoring und einzelnen
Zielvorgaben zur Wiedererlangung des ursprünglichen Leistungsniveaus empfohlen.
◆ Das Risiko einer mRNA-Impfstoff-assoziierten Myokarditis wird im
Vergleich zum Risiko einer COVID-19-assoziierten Myokarditis als sehr gering eingeschätzt.

1. Niess AM, Bloch W, Friedmann-Bette B, et al. Position stand: return to sport in the current Coronavirus pandemic (SARS-CoV-2 / COVID-19). Dtsch Z Sportmed. 2020; 71: E1-E4.
2. WHO/2019-nCoV/Post_COVID-19_condition/Clinical_case_definition/2021.1.
3. Löllgen H, Bachl N, Papadopoulou T, et al. Recommendations for return to sport during the SARS-CoV-2 pandemic. BMJ Open Sport & Exercise Medicine 2020;6:e000858.
4. Schmied CM, Noack O, Betschart H, et al. Flowcharts: SARS-CoV-2 – Return to training and competition (Stand 01.12.2021, https://sems.ch/publikationen/covid-19flow-charts/)
5. Wilson MG, Hull JH, Rogers J, et al. Cardiorespiratory considerations for return-to-play in elite athletes after COVID-19 infection: a practical guide for sport and exercise medicine physicians. Br J Sports Med 2020;54:1157–1161.
6. Barker-Davies RM, O’Sullivan O, Senaratne KPP, et al. The Stanford Hall
consensus statement for post-COVID-19 rehabilitation Br J Sports Med 2020;54:949–959.
7. Halle M, Bloch W, Niess AM, et al. Exercise and sports after COVID-19-Guidance from a clinical perspective. Transl Sports Med. 2021 May;4(3):310-318.
8. Elliott N, Martin R, Heron N, et al. Infographic. Graduated return to play guidance following COVID-19 infection. Br J Sports Med, 54(19), 1174-1175.
9. Salman D, Vishnubala D, Le Feuvre P, et al. Returning to physical activity after
covid-19. BMJ 2021;372:m4721
10. Haaf P, Kuster GM, Mueller C, et al. The very low risk of myocarditis and pericarditis after mRNA COVID-19 vaccination should not discourage vaccination. Swiss Med Wkly. 2021;151:w30087.

Diabetes und Herz

In den letzten Jahren hat sich zu diesem Thema sehr viel verändert. Diabetes mellitus betrifft gegen 10% der erwachsenen Bevölkerung weltweit, mit einer stetigen Zunahme. Patienten mit einem chronischen Koronarsyndrom (CCS) und einem Diabetes mellitus II (DM) sind als sehr hohes Risiko Kollektiv zu betrachten mit einem 10 Jahres Risiko bezüglich Mortalität von >10%. In vielen neueren Studien wurde die Morbidität und Mortalität dieses Patientenkollektivs durch konsequente Mass-nahmen verbessert. Leider gibt es aber immer noch viele Patienten/Patientinnen, welche von diesen noch nicht profitieren. CCS sind bei Diabetikern in allen Altersgruppen weit verbreitet.

Die bekannten Komplikationen des DM mit früherer Atherosklerose und Atherothrombose, welche schneller voranschreitet und mehr Komplikationen verursacht, sind: die meist diffuse koronare Herzkrankheit, Myokardrevaskularisationen (PCI, ACBP), der nicht tödliche Myokardinfarkt, eine Herzinsuffizienz (HI) mit reduzierter oder erhaltener Pumpfunktion (Risiko 2-3x erhöht), der plötzliche Herztod, Gefäßprobleme (makro- oder mikrovaskulär), eine gestörte zerebrovaskuläre Durchblutung, die sich zu einem ischämischen oder hämorrhagischen Schlaganfall entwickelt, eine periphere arterielle Verschlusskrankheit und die Nephropathie. Obwohl die meisten Nieren-erkrankungen bei Diabetikern mikroangiopathisch sind, können Hauptgefäße, die die Niere versorgen, auch Atherome entwickeln, dies ist als diabetische reno-vaskuläre Erkrankung bekannt. Die Niereninsuffizienz ist ein stärkerer Prädiktor für die Mortalität als ein Status nach Myokard-infarkt. Rund 30% aller Patienten mit einem CCS haben einen Diabetes mellitus Typ II. Dabei steigt die Wahrscheinlichkeit für die Gesamt- und die kardiovaskuläre Mortalität wenn zusätzlich eine HI besteht um 60-80%. Die Prävalenz kardio-vaskulärer Erkrankungen bei Patienten mit DM beträgt in DL 57%. Häufig atypische klinische Präsentationen wie gastroösophageale Refluxkrankheit und stiller Myokardinfarkt erfordern einen hohen Verdachtsindex!

Patienten mit DM haben ein zwei- bis zehnmal höheres Risiko für einen plötzlichen Herztod. Die zugrunde liegende Pathophysiologie ist noch ungeklärt. Eine tödliche Herzrhythmusstörung wird als hauptsächliche Ursache angenommen, wobei die Verlängerung des QT-Intervalls ein quantifizier-bares Maß für das Risiko darstellt. Eine kürzlich publizierte Übersichtsarbeit befasste sich mit dem Management des QTc-Risikos bei Patienten mit Diabetes. Die Berücksichtigung dieses Risikos bei Diabetes, insbesondere bei der Verschreibung von Medikamenten, ist ein wichtiger und bis anhin kaum bekannter kardiovaskulärer Aspekt des Diabetes Managements. In einem Artikel wird in dieser Ausgabe auf diese Problematik eingegangen.

Die medikamentöse Therapie des DM und des metabolischen Syndroms ist multifaktoriell und sollte nach den Leitlinien durchgeführt werden: Behandlung der Insulinresistenz und des Diabetes, BD-Therapie – <130-139/80-85 mmHg, Gewichtsreduktion, Lipidtherapie, Vermeidung einer Hypo-glykämie, kein Nikotin, ausreichend Bewegung und eine Thrombocytenaggregationshemmung. Die Gabe von Aspirin in der Sekundärprävention ist eine IA Indikation. Bei Aspirinunverträglichkeit alternativ Clopidogrel. Eine duale Thrombozytenhemmung kann bei tiefem Blutungsrisiko diskutiert werden. Ebenso eine verlängerte duale antithrombotische Therapie (>12 Monate nach koronarer Intervention). Eine häufigere Verwendung von Ticagrelor und hochdosierten Statinen sowie Ezetimib, Thrombin-Inhibitoren und Icosapentethyl ist in Hochrisiko-Kollektiven erforderlich. Es bedarf einer konsequenten Lipidtherapie mit einem LDL-Ziel <1,4-1,0 mmol/l. Meist bedarf es daher einer Kombinationstherapie eines Statins mit Ezetimib, evt. zusätzliche Gabe eines PCSK9-Hemmers oder kleine interferierende RNA (siRNA) wie Inclisiran. Diese können erforderlich sein, um die LDL-C-Ziele zu erreichen, um Komplikationen bei sehr risikoreichen Patienten zu vermeiden. Besteht doch bei DM ein höheres Risiko für kurz- und langfristige Komplikationen wie schwere kardiale Ereignisse. Eine Blutzucker (Bz) senkende Therapie mit einem HbA1c von <7% ist ebenfalls wichtig. Cave: Hypoglykämien welche Arrhythmien und ACS auslösen können.

Mit oder ohne Metformin haben wir heute mit den SGLT2-Hemmern und den GLP-1-Rezeptor Agonisten ein neues sehr effektives medikamentöses Instrumentarium den Bz zu senken und die oben erwähnten Komplikationen rasch günstig zu beeinflussen. Bei Personen mit einem DM und einer atherosklerotischen kardiovaskulären Erkrankung ist der Gebrauch dieser zwei Medikamente bei bewiesener Organprotektion mit kardiorenaler Outcome Verbesserung eine I A ESC Indikation. Durch die Gabe eines SGLT2-Inhibitors kommt es neben einer Blutzucker Senkung bei Diabetes, zu einer Reduktion von Herzinsuffizienz Ereignissen, einer Verzögerung einer Niereninsuffizienz und einer verminderten Sterblichkeit. Diese Effekte wurden mit Empagliflozin und Dapagliflozin in vielen Studien bei einer guten medikamentösen Therapie (ACEH/Sartane, Statine) nachgewiesen (EMPA REG: MACE-3 Rate sign. vermindert, inkl. kardiovask. Tod -38%; NNT =39).

SGLT2-Inhibitoren werden bei der Behandlung von Typ-2-DM-Patienten mit Herzinsuffizienz mit reduzierter oder erhaltener Ejektionsfraktion des linken Ventrikels (HFrEF, HFmrEF, HFpEF) eingesetzt und sind in der HI-Behandlung auch unabhängig vom Vorhandensein eines DM indiziert.

GLP-1-R Agonisten sind in der primären und sekundären Prävention von kardiovaskulären Vorfällen bei Patienten mit DM indiziert, und ein frühzeitiger Beginn der Behandlung ist unerlässlich. So konnte in einer Metaanalyse bei 60 000 Patienten mit der Gabe von GLP1-Rezeptor Agonisten kardio-vaskuläre Ereignisse (MI, Stroke, kardiovaskulärer Tod), Nierenendpunkte und HI-Hospitalisationen signifikant gesenkt werden. Die gastrointestinale NW der meist vorübergehenden Übelkeit kann in den ersten Wochen mit kleinen Nahrungs-Portionen, wenig Fett und leichter Kost, kein Liegen nach dem Essen deutlich vermindert werden. Hypoglykämien sind nicht gehäuft.

Beide Medikamente vermitteln somit günstige kardio-renale-metabolische Effekte und wirken organ-protektiv. Die Kombination wirkt nach einer aktuellen Arbeit von Wright et al. additiv mit einer Risikoreduktion von 30% gegenüber SGLT2-H alleine von -18%, resp. GLP-1RA alleine von -7%. Metformin ist heute nicht mehr zwingend notwendig. Als weiterer Vorteil der langwirkenden GLP1-R Agonisten, 1x wö s.c., findet man in der STEP 4 Studie einen deutlichen, oft sehr erwünschten, Gewichtsverlust (viscerale Adipositas) von 17% nach 1 Jahr (Semaglutid 2,4mg). Auch kommt es zu einer zusätzlichen leichten systolischen BD-Senkung von 4mmHg.

Weiterhin wichtig ist bei einem CCS und einem Ischämienachweis oder einer pathologischen FFR eine notwendige Revaskularisation. Bei einer Mehrgefässerkrankung und einem hohen Syntaxscore (>22) fällt der Entscheid im Heart Team meist zu Gunsten einer ACBP. Bei einer Herzinsuffizienz mit verminderter EF bedarf es nach der Volumenkorrektur mit Diuretika der vier Medikamente ARNI, Betablocker, MRA und SGLT2-H. innert ca. 4 Wochen gemäss den neuen ESC Guidelines.

In der Ausgabe e-Journal der kardiologischen Praxis Band 22, Nr. 10, 27.4.2022 der ESC hat es einen ausgezeichneten lesenswerten Artikel mit vielen Literaturangaben zum Thema Diabetes und das Herz: Koronare Herzkrankheit.

r. med. Urs Dürst, Forch
u.n.duerst@ggaweb.ch

Dr. med. Urs N. Dürst

Zelglistrasse 17
8127 Forch

u.n.duerst@ggaweb.ch

Bedeutung von zirkadianen Rhythmen in der Pathogenese der chronischen Erkrankungen

Die zirkadiane Rhythmik wird von der modernen Gesellschaft weitgehend ignoriert. Als Folge nehmen die chronischen Erkrankungen weiter zu. Es ist bekannt, dass die Häufigkeit von kardiovaskulären Ereignissen in Abhängigkeit von der Tageszeit variiert und desynchronisierte Nahrungszufuhr und ein unregelmässiger Schlafrhythmus Risikofaktoren für Gewichtszunahme und Typ-2-Diabetes sind. Die Verwendung einer Aufwachhilfe gilt als erster klinischer Indikator für Desynchronisation und entsprechendes Krankheitsrisiko.

Brauchen Sie einen Wecker zum Aufwachen am Morgen? Letzteres ist eine immer noch unterlassene Frage in der Anamnese während einem Check-up-Gespräch oder generell bei der Betreuung von medizinischen Patienten.

Seit Menschengedenken dreht sich die Erde während gut 24h um ihre eigene Achse und führt damit zu einem steten Wechsel von Licht und Dunkelheit. Diese Rhythmik hat während Jahrtausenden das menschliche Dasein bestimmt: Während der Lichtphase war Aktivität, in der Dunkelphase Ruhe angezeigt. Dies sicherte die Überlebenschancen. Dieser natürlicher 24h-Rhythmus spiegelt sich u. a. auch in der metabolischen Aktivität und Flexibilität, in der Genexpression, den Tageschwankungen der Körpertemperatur, des Hormonspiegels oder auch der Plasma-Glukose-Konzentration. Die Mehrheit der physiologischen Regelkreise, Organ- respektive Zellsysteme unterliegt dieser zirkadianen Rhythmik. Im klinischen Alltag hat sich diese im Rahmen der Interpretation von 24h-Blutdruckmessungen schon etabliert und der nächtliche Blutdruckabfall stellt ein zentrales Kriterium in der Beurteilung eines 24h-Blutdruckprofils dar. So ist ein fehlender nächtlicher Abfall des Blutdrucks mit einem höheren kardiovaskulären Risiko verbunden (1, 2).

Der rhythmische Wechsel von Helligkeit und Dunkelheit steuert die gesamte lebende Materie auf Erden, im Besonderen auch Gesundheit und Wohlbefinden des Menschen (3,  4). Das heutige Genom des Menschen entstand während Tausenden von Jahren und war für das Überleben entscheidend. Seit der Erfindung der Glühbirne durch Joseph Swan und deren Perfektionierung durch Thomas Edison wurde die Nacht zum Tag und das uralte Genom des Menschen zum gesundheitlichen Handicap. Die pathophysiologischen Auswirkungen dieser Erfindung auf den Lebensstil kennen wir bestens von unseren Patienten.

Historische «Erinnerungshilfen»

Seit es Menschen gibt, waren diese «ungewollt» der zirkadianen Rhythmik unterworfen. In der heutigen, hektisch-profitorientierten Welt wird diese Rhythmik ignoriert, um nicht zu sagen mit Absicht verdrängt bzw. ein Nichtbeachten derselben dem Menschen aufgezwungen. Aufgrund der heutigen Erkenntnisse kann angenommen werden, dass der Mensch nur dank dieser Rhythmik und seiner Anpassung an diese Rhythmik bis heute so gut überlebt hat (5). Als Erinnerungshilfe sollen ein paar geschichtliche Fakten und Kuriositäten erwähnt werden: dass physiologische Regelkreise durch Licht beeinflusst werden ist seit langem bekannt und wurde in der Medizin seit Jahrtausenden berücksichtigt, wie z.B. in der chinesischen oder auch indischen Medizin. So ist die «Harmonie zwischen Mensch und Natur» ein zentrales Konzept in der traditionellen chinesischen Medizin und das grundlegende «Licht-Dunkelheit» Prinzip spiegelt sich auch seit Jahrtausenden in der graphischen Darstellung vom Yin und Yang (6).

Auch Alexander der Grosse beobachtete, dass sich die Äste des Tamarind-Baumes in der Nacht «entspannen» und sich sozusagen zum nächtlichen Ausruhen und Entspannen nach unten senken (7). Diese Astbewegungen von Bäumen, wie z.B. bei einer bestimmten Palme in Faridpur (Bangladesh) mit einem extremeren zirkadianen Bewegungsmuster der Äste, wurden als Wunder betrachtet und man interpretierte – ohne das heutige Wissen zu haben – , dass die Palme «betet». Diese Palme ist entsprechend als «The Praying Palm of Faridpur» bekannt. Auch Darwin beschrieb diese Bewegungen der Blätter und Äste. Diese Bewegungen können heute mit Lasertechnologie genau erfasst werden und man weiss, dass diese Bewegungsmuster unter anderem von der geographischen Lage (i.e. der Intensität des Lichtes / Lichteinfalls) abhängig sind und in einer vor kurzem publizierten Arbeit wird erwähnt, dass auch Bäume «schlafen» müssen (8,  9). Die Ursache für diese Ast- respektive Blattbewegungen liegt wahrscheinlich in der zirkadianen Variation des Wasserdruckes in der Pflanze und Blättern, wobei der zugrundeliegende Auslöser der Wechsel von Hell-Dunkel darstellt.

Jeder kennt die sprichwörtliche Aussage «Du bist so empfindlich wie eine Mimose». Die Blätter der Mimose reagieren auf diverse exogene Reize (u.a. Erschütterungen). Vor beinahe 300 Jahren beschrieb der französische Physiker und Astronom Jean Jacques d’ Ortous de Mairan (1678-1771) rhythmische Bewegungen der Fiederblätter der Mimose und postulierte damit als einer der Ersten die Existenz von zirkadianen Rhythmen (7). Es verstrichen allerdings fast 100 Jahre bis der Genfer Botaniker und Forscher Augustin-Pyrame de Candolle (1778-1841) feststelle, dass die Mimose eine endogene Tagesrhythmik aufweist und sich die Blätter mit einer approximativen Freilaufzeit von ca. 24 Stunden öffnen und schliessen (7). Weitere Jahre verstrichen bis im Jahre 1972 nachgewiesen wurde, dass bei Tieren mit abladierten Nucleus Suprachiasmaticus eine Desynchronisation verschiedenster Körperfunktionen resultierte. Somit war die Existenz einer zentralen inneren Uhr erwiesen. Im Jahre 1998 konnte der damals in Genf tätige Schweizer Chronobiologe Ueli Schibler erstmalig zeigen, dass auch periphere Zellen einen endogenen zirkadianen Rhythmus aufweisen und sich deren Genexpression zirkadian verändert (10). Mittlerweile sind verschiedene Zeitgeber (wie z.B. Licht, Nahrungszufuhr, körperliche Aktivität u.a.) identifiziert worden, die diese natürlichen endogenen Rhythmen positive oder negativ beeinflussen können. Trotz dem enormen Gesundheitspotential werden diese Rhythmen zunehmend auf gesellschaftlicher und individueller Ebene ignoriert. Menschen (viele sind bereits durch diese Mechanismen zu Patienten mutiert) sind auf Störungen dieser Rhythmik um einiges empfindlicher als Mimosen. Im Folgenden sollen ein paar ausgewählte Aspekte für unseren Praxisalltag näher angesprochen werden.

Die Mechanismen der zirkadianen Rhythmik

Trotz vielseitiger Kenntnis der regulativen Mechanismen der zirkadianen Rhythmik, ist nach wie vor vieles noch im «Dunkeln». Der Wechsel von Helligkeit-Dunkelheit werden durch spezifische nicht visuelle Rezeptoren auf der Retina registriert und gezielt an den Nukleus Suprachiasmaticus (SCN) weitergeleitet (3). Dieser im ventralen Hypothalamus liegender Kern stellt die «Innere Uhr» (Master-Clock) dar, und ist der Hauptzeitgeber für eine Vielzahl von endogenen physiologischen Rhythmen. Es handelt sich dabei um eine relativ kleine Anzahl von Zellen, welche die retinalen «Licht-/Dunkel-Signale» erhalten, verarbeiten und durch eine Signalkaskade via diverse andere Hirnkerne zu den peripheren Zellen und Organsystemen weiterleiten. Eine lokale Läsion des SCN oder die Nicht-Respektierung der exogenen Licht-Dunkel Rhythmik, führt zu einer Desynchronisation verschiedenster Körperfunktionen und zu Krankheit. Die Helligkeit-/Dunkelheit-Signale führen zu einer rhythmischen Aktivierung und Deaktivierung von Transkriptions-Translations-Feedback Schlaufen im SCN und stellen die molekulare Grundlage der Verarbeitung der Lichtimpulse und der daraus resultierenden Signalkaskade dar (11, 12). Für den Nachweis dieser Mechanismen wurde 2017 der Medizin Nobelpreis vergeben (13).

Die Master-Clock ist hierarchisch organisiert und der wichtigste Zeitgeber stellt der natürliche Wechsel von Hell und Dunkel infolge der Erdrotation dar. Die Nahrungszufuhr hat ebenfalls eine kritische Bedeutung als Zeitgeber, wobei im Besonderen die in den peripheren Geweben lokalisierten Uhren im Sinne eines Resettings beeinflusst werden (14). Wenn die zentrale Master-Clock und die peripheren Clocks eine «unterschiedliche Zeit» aufweisen, sind Probleme vorprogrammiert. Chronobiologische Aspekte der Nahrungszufuhr / Substratzusammensetzung bekommen somit eine zunehmende präventivmedizinische und therapeutische Bedeutung.

Blutdruck und zirkadiane Rhythmik

Ein erhöhter Blutdruck und unkontrollierte Hypertonie gehören zu den wichtigsten modifizierbaren Risikofaktoren für Herzkreislauf­erkrankungen. Seit langem ist bekannt, dass die Häufigkeit von kardiovaskulären Ereignissen in Abhängigkeit von der Tageszeit variiert. So treten – wie wir alle aus unserem Alltag wissen – Myokardinfarkte oder auch Schlaganfälle mehrheitlich in den frühen Morgenstunden auf (15). Nebst anderen Faktoren spielt für diese tageszeitliche Häufung die Blutdruck-Variabilität im Verlaufe eines Tages eine nicht zu unterschätzende Rolle: nach dem nächtlichen Absinken des Blutdrucks (sogenanntes Dipping) steigt der systolische und der diastolische Blutdruck in den frühen Morgenstunden vor dem Aufwachen an, dies entspricht dem sogenannten «morning surge». Dieser Anstieg korreliert mit dem erhöhten morgendlichen Risiko für das Auftreten eines Myokardinfarktes. So sind nicht nur klinisch manifeste Ereignisse in den frühen Morgenstunden am häufigsten, sondern auch stumme Infarkte. Ein Grossteil der Hypertonie-Patienten zeigen kein Dipping. Nebst genügend Schlaf mit regelmässigen Schlafzeiten stellt auch die abendliche Gabe eines blutdrucksenkenden Medikaments eine erfolgversprechende Massnahme zur Optimierung des Blutdrucks (mit erneuter Etablierung eines Dippings) dar (16).

Die Blutdruck Tagesrhythmik ist auch während der Schwangerschaft erhalten und verschwindet typischerweise in Abhängigkeit vom Schweregrad einer Präeklampsie. Entsprechend ist die Blutdruck Messung mittels 24h-ABPM gerade auch während der Schwangerschaft, im Besonderen bei Hinweisen auf eine Risikoschwangerschaft, indiziert (17). Die optimale Berücksichtigung des zirkadianen Rhythmus während der Schwangerschaft ist pathophysiologisch von hoher Bedeutung (18), u.a. wird dadurch auch das Risiko einer postpartalen Depression deutlich reduziert (19). Die Nicht-Beachtung der zirkadianen Rhythmik beeinflusst auch das Risiko für die Entwicklung eines Gestationsdiabetes (20). So erhöht sich das Risiko für einen Gestationsdiabetes bei Kurz-Schläferinnen, aber auch bei Schwangeren mit einem späten «Midpoint of Sleep» (unabhängig von der Schlafdauer) (21). Die Desynchronisation während der Schwangerschaft beeinflusst nicht nur die mütterliche Gesundheit, sondern auch das Krankheitsrisiko der Kinder (18,  22).

Diese wenigen Beispiele zeigen, dass wir ein hohes Potential hätten, den Gesundheitszustand der Mutter und ihrer Nachkommen zu beeinflussen. Dies – wohlbemerkt – kostenfrei. Weil es kostenlos ist, werden diese Massnahmen kaum gefördert und unsere Gesellschaft akzeptiert und fördert einmal mehr pathophysiologisch hochrelevante Risikofaktoren.

Herzmuskelzellen und zirkadiane Rhythmik

Eine optimale Funktion der Herzmuskulatur wird als Selbstverständlichkeit betrachtet und eine Ischämie des Muskels stellt ein meist unerwartetes fatales Ereignis dar. Aufgrund der kontinuierlichen Kontraktion des Herzmuskels ist dieser wie kaum ein anderes Organ auf eine kontinuierliche optimale Versorgung mit Energiesubstraten angewiesen. Die Herzmuskelzellen produzieren den grössten Teil ihrer Energie durch die mitochondriale Oxidation von freien Fettsäuren (FFA) (ca. 70% der Energie für die Herzmuskelzellen stammen aus der FFA Oxidation). Auch wenn es noch viele offene Fragen bezüglich des Energiestoffwechsels der Herzmuskelzellen gibt, wissen wir, dass die Verfügbarkeit der Energiesubstrate, deren Metabolite und auch der metabolische Flux / metabolische Flexibilität je nach Tageszeit unterschiedlich sind. Diese Variabilität hängt zum Teil von der Nahrungszufuhr, Schlafmuster und auch Muster der körperlichen Aktivität ab. Wie in anderen Organen zeigt auch die Herzmuskelzelle eine zirkadiane intrinsische Rhythmik des Stoffwechsels, im Besonderen auch des Energiestoffwechsels. Eine Störung oder auch aktive Missachtung dieser zirkadianen Rhythmik (z.B. bei Schichtarbeitern oder auch als Folge von sozialem Jetlag) führen früher oder später zu verschiedensten Störungen des kardialen Energie-Stoffwechsels und Herzerkrankungen (von Rhythmusstörungen bis hin zu den bekannten MACE Endpunkten) (23). Neue tierexperimentelle Daten zeigen, dass die Substratoxidationsraten am Herzen tageszeitlich variieren und der Zeitpunkt der Zufuhr von grösseren Mengen an verzweigtkettigen Aminosäuren (d.h. Leucin, Isoleucin und Valin) je nach Funktionszustand der Herzmuskelzellen u.U. negative Effekte haben können. So zeigte eine Forschungsgruppe von der University Birmingham (USA), dass die abendliche Zufuhr einer proteinreichen Nahrung mit einem hohen Anteil an verzweigtkettigen Aminosäuren (mehrheitlich im Fleisch, Nüsse, Eier oder auch Fisch zu finden) bei herzinsuffizienten Tieren eine dramatische Verminderung der Kontraktilität bewirkte und das Fortschreiten der Herzinsuffizienz förderte (24). Falls sich diese Resultate bestätigen, müsste bei Herzinsuffizienz Patienten die proteinreiche Nahrungszufuhr auf den Morgen verlegt werden. Die morgendliche Zufuhr von Aminosäuren hatte keine negativen Effekte auf das kardiale Remodelling und ist in Einklang mit chronomedizinischen Empfehlungen die Hauptnährstoffzufuhr in der ersten Tageshälfte zu machen. Diese neuen Arbeiten erlauben einen faszinierenden Einblick und Ausblick in die Bedeutung der zirkadianen Rhythmik für die Herzgesundheit. In Einklang mit dieser Beobachtung zeigten Studien mit kurzwirksamen ACE-Hemmern lediglich bei abendlicher Einnahme (im Gegensatz zur morgendlichen) einen günstigen Effekt auf das kardiale Remodelling (dies bei identischer Blutdrucksenkung). Dies würde bedeuten, dass die meisten hochprozessierten Frühstückszerealien und abendliche Proteindrinks (zur Prävention der Sarkopenie) für Patienten mit Herzinsuffizienz mit grosser Wahrscheinlichkeit obsolet sein sollten. Auch die Kohlenhydrate und Fette zeigen bezüglich der kardialen Verstoffwechselung eine ausgeprägte Tagesrhythmik, die aber hier nicht im Detail diskutiert werden soll.

«Eating-Jetlag» vermeiden

Auch der Energieverbrauch, die Substartoxidationsraten und auch der Appetit unterliegen einer zirkadianen Rhythmik. Eine desynchronisierte Nahrungszufuhr («Essen on the Go» oder auch eine riesige Hauptmahlzeit abends oder am späteren Abend /   Nacht) und / oder ein unregelmässiger Schlafrhythmus, gelten als etablierter Risikofaktor für eine Gewichtszunahme und Übergewicht / Adipositas oder auch Diabetes Type 2. Ein sozialer Jetlag und auch ein «Food-Jetlag» (oder «Eating Jetlag») erhöhen das Risiko für Übergewicht oder auch Diabetes mellitus Typ 2 (25). Auch gesunde Menschen sind in der Nacht «insulinresistenter» und entsprechend ist bei langdauerndem (meist lebenslänglichem) Konsum der Hauptmahlzeit abends das Diabetes Risiko unabhängig vom Körpergewicht deutlich erhöht.

Wirksame Prävention und zirkadianer Rhythmus

Wir sprechen in allen Bereichen der modernen Gesellschaft von Nachhaltigkeit, heutzutage gerade auch bezüglich der Klima- und Umweltveränderungen. Nachhaltigkeit sollte aber auch Aspekte der eigenen Gesundheit betreffen. Diese Nachhaltigkeit beginnt in der Beibehaltung der zirkadianen Rhythmik. Die präventiven Ernährungs-Empfehlungen beinhalten nur qualitative und quantitative Aspekte. Von ähnlich hoher Bedeutung wäre aber auch der Zeitpunkt des Essens (siehe oben). Letzteres ist in den letzten Jahren in Zusammenhang mit dem intermittierenden Fasten ins Zentrum des Interesses gerückt. Aufgrund der zirkadianen Komponenten der physiologischen Regelkreise des Essens (sogar des Appetits), Verdauung und Substratmetabolismus sollte immer zu demselben Zeitpunkt des Tages gegessen werden (allerdings mit Minimierung des CHO Anteil abds). Der konstante Zeitpunkt der Nahrungszufuhr gewährleistet eine optimale Funktion der verschiedenen Aspekte der Verdauung und Substratverarbeitung. Dies ist auch von Bedeutung, da die Atherosklerose mehrheitlich ein postprandiales Phänomen darstellt. Dies bedeutet, dass man nicht zu häufig Essen sollte und dass man nur bei Gewährleistung einer optimalen Substratverarbeitung essen solle. Die moderne Gesellschaft isst mehrheitlich «on the go» und entsprechend sind viele Menschen bis zu 80% des Tages postprandial, also in einem proatherogenen metabolischen Zustand. Kein Wunder, dass die atherosklerotischen Herzkreislauferkrankungen immer noch die wichtigste Morbiditäts- und Mortalitätsursache darstellen.

Das propagierte und stark beworbene Snacking ist aus naheliegenden Gründen obsolet. An arbeitsfreien Tagen wird meist noch unregelmässiger gegessen, was einen sogenannten «eating jet lag» am Weekend bewirkt, der dann anfangs Woche metabolische Störungen potenziert. Man spricht auch von einer metabolischen Desynchronisierung. Es ist keine Überraschung, dass durch die zeitliche Diskrepanz der Nahrungszufuhr zwischen Wochentagen und dem Weekend, zusammen mit der Verschiebung von Schlafrhythmus und Schlafhygiene, die Blutzucker Einstellung von Diabetikern anfangs Woche am schlechtesten ist (26). Der erste Schritt zur Kontrolle von metabolischen Störungen und des Gewichts stellt die konsistente Respektierung der zirkadianen Rhythmik dar.

Zweitabdruck aus der informierte arzt 01-2022

Copyright Aerzteverlag medinfo

Prof. Dr. med. Paolo M. Suter

Klinik und Poliklinik für Innere Medizin
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8044 Zürich

paolo.suter@usz.ch

Der Autor hat deklariert, keine Interessenskonflikte mit diesem Artikel zu haben.

◆ Die moderne Gesellschaft ignoriert die zirkadiane Rhythmik, da jegliche Form von Konsum zur Profitgenerierung möglichst weit in die Nacht
ausgedeht werden muss.
◆ «The business must go on», auch wenn dies auf Kosten der Gesundheit geht. Eine weitere Zunahme der Patienten mit den klassischen chronischen Erkrankungen ist somit (leider) «sichergestellt».
◆ Wir diskutieren die Bedeutung der translationalen Forschung und Medizin, damit wir gesünder werden, ignorieren dabei aber Grundkonzepte der
Physiologie und Beschränken unsere Empfehlungen weiterhin auf kostenpflichtige Massnahmen.
◆ So werden die meisten von uns weiterhin in zunehmenden Mass eine
Aufwachhilfe in Form eines Weckers benötigen.
◆ Die Verwendung einer Aufwachhilfe gilt als erster feiner klinischer Hinweis auf Desynchronisation und Misalignement und somit Krankheitsrisiko.
◆ Falls Sie auch einen Wecker benötigen, dann sollten sie sich mit dem
zirkadianen Rhythmus erneut «befreunden».

 

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Moderne Diagnostik der Hypertrophen Kardiomyopathie

Die Hypertrophe (obstruktive) Kardiomyopathie (HCM/HOCM) ist eine genetisch bedingte Anlagestörung des Herzmuskels. Diagnostiziert wird die Krankheit mittels EKG, Echokardiographie, und kardialer Magnetresonanztomographie. Der Nachweis einer pathologischen Mutation lässt die Krankheit gegenüber anderen Krankheiten mit ähnlichem Phänotyp sicher abgrenzen und erlaubt allenfalls eine individualisierte Therapie.

Hypertrophic (obstructive) cardiomyopathy (HCM/HOCM) is a genetic disorder of the heart muscle. The disease is diagnosed by ECG, echocardiography, and cardiac magnetic resonance imaging. The detection of a pathological mutation allows the disease to be reliably distinguished from other diseases with a similar phenotype and, if necessary, permits individualized therapy.
Key Words: Hypertrophic (obstructive) cardiomyopathy, genetic risk, cardiogenetics, cardiomyopathy

Die HCM wird typischerweise verursacht durch Mutationen in Genen, welche für den kontraktilen Apparat kodieren. Dies führt zu einer Hypertrophie des linken Ventrikels mit ungewöhnlicher Anordnung der Myofibrillen. Abhängig von der Lokalität und der Ausprägung der Hypertrophie resultieren unterschiedliche Symptome aus dem Formenkreis der Herzinsuffizienz, der Thoraxschmerzen und der Arrhythmien. Die phänotypische Ausprägung beginnt meist in der Pubertät und ist interindividuell sehr unterschiedlich. Bei den meisten Patienten besteht ein benigner Verlauf (1). Allerdings können, wie unser Fallbeispiel zeigt, immer wieder auch sehr ausgeprägte Veränderungen beobachtet werden.

Fallbeispiel

Der 49-jährige Patient war initial wegen einer Lumbago hospitalisiert. Anlässlich der klinischen Untersuchung liess sich ein auffälliges 3/6 Systolikum auskultieren, und es zeigte sich ein pathologisches Ruhe-EKG (Abb. 1). In der transthorakalen Farbdopplerechokardiographie zeigte sich eine schwere Hypertrophie des linken Ventrikels mit einer ausgeprägten Verdickung insbesondere des interventrikulären Septums bis 25 mm. Diese Hypertrophie führte zu einer systolischen Vorwärtsbewegung des vorderen Mitralsegels (systolic anterior movement, SAM) und als Folge davon zu einer Mitralklappeninsuffizienz, sowie zu einer Obstruktion im linksventrikulären Ausflusstrakt (LVOT). Die Diagnose einer HOCM wurde mit einer kardialen Magnetresonanz Tomographie (MRT) bestätigt, welche die schwere, septal betonte Hypertrophie bestätigte, und eine zusätzliche lokalisierte Hypertrophie inferoapikal objektivierte. Insbesondere in diesen hypertrophierten Arealen zeigte sich bei den «Late Gadolinium Enhancement» Sequenzen eine typische, diffuse intramyokardiale Fibrosierung (Abb. 2). Im 24-Stunden Holter-EKG zeigten sich keine relevanten Arrhythmien. Während ca. 5 Jahren bestand ein relativ stabiler Verlauf, der Patient beklagte jedoch eine zunehmende Anstrengungsdyspnoe und schliesslich auch relativ typische pectanginöse Beschwerden, welche sich durch diverse Medikamente (Betablocker, Ca-Antagonisten, Ranolazin) nicht adäquat behandeln liessen. Eine koronare Herzkrankheit wurde angiographisch ausgeschlossen. Echokardiographisch wurde eine weitere Progredienz der Befunde registriert. Es entwickelten sich schliesslich eine schwere Obstruktion im LVOT mit maximalen Druckgradienten unter Valsalva bis >200 mmHg, sowie durch den SAM auch eine schwere Mitralklappeninsuffizienz. Zur Verminderung des Druckes im LVOT wurde eine transkoronare Ablation der Septumhypertrophie (TASH) durchgeführt, welche jedoch nur kurz zu einer leichten Abnahme des Druckgradienten im LVOT, und zu keiner Besserung der Klinik führte. Aus diesem Grund erfolgte schliesslich eine chirurgische Myektomie und ein Mitralklappenersatz. Da es postoperativ zu einem kompletten AV-Block kam musste auch noch ein Schrittmacher implantiert werden. Seit der abgeschlossenen Rehabilitation zeigt der Patient nun jedoch einen erfreulichen Verlauf und auch die pectanginösen Beschwerden sind vollständig verschwunden.

Genetische Abklärung

Der Patient hat drei Brüder und zwei Schwestern, die, soweit bekannt, keine kardialen Probleme haben. Bei zwei Brüdern fiel die kardiologische Untersuchung unauffällig aus. Der Vater des Patienten verstarb 74-jährig wahrscheinlich an einer terminalen Herzinsuffizienz, die Mutter ist bisher gesund. Bei einem der beiden Söhne besteht im Alter von 19 Jahren ebenfalls bereits eine schwere linksventrikuläre Hypertrophie. Beim anderen Sohn wurde im Alter von 24 Jahren eine leichte linksventrikuläre Hypertrophie festgestellt. Mit dem Patienten und dem sicher betroffenen Sohn wurden die Möglichkeiten und Grenzen einer molekulargenetischen Analyse eingehend besprochen. Mit deren Einverständnis, sowie nach Einholen einer Kostengutsprache bei der Krankenkasse, wurde eine Genanalyse veranlasst. Mittels Hochdurchsatz-Sequenzierung wurden simultan 78 Kardiomyopathie-Gene sequenziert und analysiert. Es zeigten sich sowohl beim Indexpatienten, wie auch bei seinem Sohn eine Sequenzvariante im MYH7-Gen (c.1324C>7 p.Arg442Cys).

Besprechung

Die identifizierte Sequenzvariante wurde bereits mehrmals bei Patienten mit HCM beschrieben, weshalb von einer Klasse 4 Variante (likely pathogenic) gemäss «American College for Medical Genetics and Genomics» ausgegangen werden kann. Allerdings gibt es für diese MYH7-Genvariante keine Genotyp - Phänotyp Korrelation, welche den individuellen Verlauf der HCM voraussagen, und eine noch optimalere kardiologische Betreuung des Patienten erlauben würde. Der Hauptbenefit der Untersuchung besteht somit darin, dass alle Familienangehörigen mit erhöhtem Risiko für eine HCM auf Wunsch die Möglichkeit eines prädiktiven genetischen Tests haben (Kaskadenscreening). Nicht-Mutationsträger können von regelmässigen kardiologischen Untersuchungen befreit werden, währendem sich Mutations-Träger weiterhin regelmässig kardiologisch (EKG und Echokardiographie) untersuchen lassen sollten. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass mit Mavacamten möglicherweise demnächst ein Medikament zur Verfügung stehen wird, mit dem auch der Krankheitsverlauf günstig beeinflusst werden kann (2).

Das MYH7-Gen, welches für die Beta-myosin heavy chain kodiert, ist neben dem MYBPC3-Gen, das für Myosin binding protein C kodiert, eines der beiden Hauptgene der erblich bedingten HCM (3). Diese beiden Gene sind für ca. 40% der familiären HCM verantwortlich. Die Beta-myosin heavy chain Proteine werden in den Myozyten des Herzens und den langsamen Fasern des Skelettmuskels exprimiert. Mehrere hundert «pathogene Varianten» (PV) und «wahrscheinlich pathogene Varianten» (LPV, likely pathogenic variants) wurden in Patienten mit HCM identifiziert. Bei der in unserem Fall beobachteten Mutation handelt es sich um eine «missense mutation». Es gilt zu beachten, dass auch pathogene Varianten in ganz anderen Genen zu einem sehr ähnlichen klinischen Bild führen können, man spricht von sogenannten Phänokopien. Bei der HCM ist dabei insbesondere an den Morbus Fabry, andere lysosomale Speicherkrankheit, oder an ein Noonan Syndrom (Gendefekt im PTPN-11 Gen) zu denken. Insofern liefert die genetische Abklärung wichtige Zusatzinformationen, welche auch relevante Implikationen für die Therapie haben. Andererseits schliesst ein negativer Gentest eine HCM nicht aus.

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Dr. med. Peter Burger

Facharzt für Kardiologie FMH
Schänzlistrasse 33
3013 Bern

peter.burger@hin.ch

Der Autor hat keinen Interessenskonflikt in Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Die HCM / HOCM ist eine genetisch bedingte Herzmuskel­erkrankung. Die linksventrikuläre Hypertrophie kann zu einer systolischen Vorwärtsbewegung des anterioren Mitralsegels (SAM) mit Mitralklappeninsuffizienz, sowie zu einer Obstruk­tion im linksventrikulären Ausflusstrakt, und zu einer diastolischen Dysfunktion führen.
◆ Der Verdacht auf eine HCM ergibt sich aufgrund der Klinik und eines pathologischen Ruhe-EKG. Die Diagnose wird mit der Echokardiographie und vor allem der kardialen MRT gesichert.
◆ Medikamente erster Wahl sind Betablocker und Nicht-Dihydropyridin Ca-Antagonisten (Verapamil Typ). Bei Patienten mit HOCM ist wegen einer möglichen Zunahme der Obstruktion im LVOT Vorsicht geboten bei der Anwendung von Medikamenten mit vasodilatatorischer Wirkung (Nitrate, Dihydropyridin Ca-Antagonisten, ACE-Hemmer, AT-II Rezeptor Blocker), sowie auch bei Diuretika.
◆ Ursächlich wird häufig eine Mutation in einem der Sarkomer Gene gefunden, welche für Komponenten des kontraktilen Apparates kodieren. Die am häufigsten beschriebenen Gene mit pathogenen Mutationen (ca. 40%) sind MYH7 und MBPC3. Differentialdiagnostisch können mit einer genetischen Analyse auch Phänokopien (Morbus Fabry, andere lysosomale Speicherkrankheiten) ausgeschlossen werden.

1. UpToDate; Hypertrophic cardiomyopathy
2. Olivatto et al. Lancet 2020; 396: 759–69
3. Marian AJ. Circulation Research. 2021;128:1533–1553.