Das Vier-Säulen-Prinzip der modernen Herzinsuffizienztherapie

Die medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz mit eingeschränkter systolischer Funktion (heart failure with reduced ejection fraction, HFrEF) hat sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. Neu wird bei allen HFrEF-Patientinnen und Patienten eine möglichst rasche Etablierung einer sogenannten Vier-Säulen-Basistherapie, bestehend aus einem angiotensin converting enzyme inhibitor (ACE-I), einem Betablocker, einem Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonist (MRA) und einem sodium glucose co-transporter-2 inhibitor (SGLT2-I) angestrebt. Erst in einem zweiten Schritt erfolgen die Auftitrierung dieser Therapie-Säulen und ein Wechsel vom ACE-I zum Angiotensin Rezeptor Neprilysin Inhibitor (ARNI). Je nach Wirkung dieser Medikationsschritte sind im weiteren Verlauf zusätzliche medikamentöse und nicht-medikamentöse Optionen zu evaluieren. Im folgenden Artikel wird insbesondere auf wichtige praktische Aspekte der Umsetzung der neuen Therapie-Leitlinien eingegangen.

Drug therapy options for patients with heart failure with reduced ejection fraction (HFrEF) have increased substantially over the past years. The latest proposed therapy concept consists of a basic quadruple therapy including low doses of an angiotensin converting enzyme inhibitor (ACE-I), a betablocker, a mineralocorticoid receptor antagonist (MRA) and a sodium glucose co-transporter-2 inhibitor (SGLT2-I). Only after establishing all four therapy pillars, the drugs are up-titrated, and the ACE-I is changed to an angiotensin receptor neprilysin inhibitor (ARNI). Depending on the response to the quadruple therapy additional therapeutic options need to be considered. This article discusses practical aspects of implementing the new therapeutic guidelines.

Key Words: heart failure with reduced ejection fraction (HFrEF), quadruple therapy

Fallvignette

Ein 48-jähriger Mann ohne Vorerkrankungen und ohne Vormedi­kation stellt sich auf Grund seit einigen Wochen progredienter Anstrengungsdyspnoe in der hausärztlichen Praxis vor. Ausserdem hat er beidseitige Knöchelödeme und ein Gewichtsanstieg von 3 Kilogramm innerhalb 2 Wochen bemerkt. Der Blutdruck wird aktuell in der Praxis mit 152/86 mmHg gemessen, die Herzfrequenz liegt bei 97/min. In der klinischen Untersuchung werden Knöchelödeme beidseits bestätigt, und es zeigt sich ein positiver hepatojugulärer Reflux. Pulmonal bestehen Rasselgeräusche basal beidseits. Die Herzauskultation ist unauffällig. Das EKG zeigt einen Sinusrhythmus mit diskreten Repolarisationsstörungen V4-V6. Laborchemisch besteht eine normale Nierenfunktion mit einem Kreatinin von 96 µmol/l und ein normales Kalium von 4.1mmol/l. Das NT-proBNP ist mit 1075ng/l erhöht.

Bei hochgradigem Verdacht auf eine Herzinsuffizienz mit Zeichen der Hypervolämie wird mit einer oralen diuretischen Therapie begonnen und der Patient wird zur kardiologischen Abklärung mittels Echokardiographie zugewiesen. Dabei zeigt sich eine schwer eingeschränkte linksventrikuläre Auswurffraktion (left ventricular ejection fraction, LVEF 28%) bei diffuser Hypokinesie und dilatiertem linkem Ventrikel. Relevante Klappenvitien bestehen nicht. Im weiteren Verlauf werden spezifische Ursachen der Herzinsuffizienz laborchemisch und mittels Herz-MRI sowie Koro-CT ausgeschlossen. Noxen werden vom Patienten verneint, die Familienanamnese ist bezüglich Kardiomyopathien bland. Die Diagnose einer dilatativen Kardiomyopathie unklarer Ätiologie wird gestellt und eine Therapie soll nun eingeleitet werden.

Einleitung

Die medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz hängt entscheidend von der LVEF ab, auch wenn diese kein perfektes Mass für die systolische linksventrikuläre Funktion ist.

In den neuen ESC-Herzinsuffizienz-Leitlinien 2021 (1) sind kleinere Definitionsänderungen der drei bisherigen Herzinsuffizienz-Phänotypen vorgenommen worden (Abb. 1). Dabei ist zu beachten, dass zur Diagnosestellung einer Herzinsuffizienz immer auch Symptome +/- klinische Zeichen nötig sind. Neu sind die drei Phänotypen wie folgt definiert:
1. Herzinsuffizienz mit reduzierter LVEF ≤40% (heart failure with reduced ejection fraction, HFrEF).
2. Herzinsuffizienz mit leicht eingeschränkter LVEF von 41% bis 49% (feart failure with mildly reduced ejection fraction, HFmrEF).
3. Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion von ≥50% und zusätzlichen Zeichen einer strukturellen Kardiopathie und/oder Zeichen eines erhöhten Füllungsdruckes respektive einer höhergradigen diastolischen Dysfunktion (heart failure with preserved ejection fraction, HFpEF).

Eine Echokardiografie ist somit für die Diagnose einer Herzinsuffizienz grundsätzlich immer erforderlich.

Für den HFrEF-Phänotyp gibt es zahlreiche Prognose-verbessernde Medikamente, wobei eine sogenannte Vier-Säulen-Therapie neu die Basis bildet. Auf diese wird in diesem Artikel eingegangen. Post hoc-Analysen von «HFpEF-Studien» (die typischerweise nicht nur Patienten mit einer LVEF ≥50%, sondern Patienten mit einer LVEF bis zu 40% eingeschlossen haben) weisen darauf hin, dass die bei HFrEF wirksamen Medikamente auch bei HFmrEF-Patienten effektiv sind.
Für die HFpEF wurde kürzlich die erste positive Studie überhaupt publiziert (2), welche einen prognostischen Nutzen einer Therapie mit Empagliflozin (SGLT2-Inhibitor) versus Placebo zeigen konnte, wobei der Benefit bei «tieferer» LVEF grösser war. Da diese Studie jedoch zeitgleich mit den neuen Guidelines publiziert wurde, ist sie darin noch nicht berücksichtigt worden.

Prinzip der Therapie bei HFrEF

Neben der Initialisierung einer medikamentösen Herzinsuffizienz-Therapie müssen, wie in der einleitenden Fallvignette dargestellt, spezifische Ursachen der Herzinsuffizienz gesucht und wenn möglich behandelt werden (z. B. Koronare Herzkrankheit, Tachykardie, Klappenerkrankung, Hämochromatose, Hypothyreose, Alkoholüberkonsum). Des Weiteren ist eine optimale Edukation der Patientinnen und Patienten bezüglich Krankheits- und Medikationsverständnis sowie bezüglich Verhaltensänderungen essentiell, um die Compliance und die Prognose zu optimieren.

Bis anhin wurde die medikamentöse Therapie bei HFrEF anhand eines Stufenschemas etabliert (3). Dabei wurde mit der Therapie mittels eines angiotensin converting enzyme inihibtors (ACE-I) (oder einem Angiotensin-Rezeptor-Blocker (ARB) bei ACE-I-Unverträglichkeit) und einem Betablocker begonnen und diese möglichst bis zur Zieldosis auftitriert. Nur bei weiterhin bestehender LVEF ≤35% und persistierender Dyspnoe NYHA ≥II erfolgte als nächster Schritt die zusätzliche Therapie mittels Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonist (MRA), welcher dann ebenfalls wieder auftitriert werden musste.

Neu wird anstelle dieses klaren Stufenschemas schon initial und unabhängig von der Antwort auf den ACE-I und/oder Betablocker eine sogenannte Vier-Säulen-Basistherapie empfohlen, welche neben den genannten Substanzen (ACE-I, Betablocker, MRA) neu auch einen sodium glucose co-transporter-2 inhibitor (SGLT2-I) als vierte Säule beinhaltet (1). In grossangelegten Placebo-kontrollierten Studien zeigten die beiden SGLT2-I Dapagliflozin (4) und Empagliflozin (5) gegenüber Placebo einen deutlichen signifikanten Benefit bezüglich des kombinierten Endpunktes Tod und Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz, wobei dies v.a. durch eine Reduktion der Hospitalisationen getrieben war. Ein signifikanter Mortalitäts-Benefit konnte streng genommen nur für Dapagliflozin gezeigt werden (4).

Diese vier Therapiesäulen – alle mit einer Empfehlungs-Klasse I – sollen nun bei allen HFrEF-Patienten möglichst früh parallel in niedriger Dosierung etabliert werden. Erst danach werden die einzelnen Säulen auftitriert, und der ACE-I wird möglichst durch den Angiotensin Rezeptor Neprilysin Inhibitor (ARNI) ersetzt (Abb. 2). Es wird oft kontrovers diskutiert, ob nicht auch direkt mit dem ARNI begonnen werden kann. Der Einsatz des ARNI nach vorgängiger Etablierung eines ACE-I entspricht dem Vorgehen der PARADIGM-HF-Studie (6), welche den Benefit des ARNI gegenüber dem ACE-I gezeigt hat. Ein direkter Beginn mit einer ARNI-Therapie kann bei hospitalisierten Patienten erwogen werden: Es konnte gezeigt werden, dass dies zu einer stärkeren Reduktion des NT-proBNPs als durch den ACE-I führt und sicher ist (7). Die Studie (PIONEER-HF) war aber zu klein für aussagekräftige Outcome-Daten. Die Einstufung dieses Vorgehens als Klasse IIb-Empfehlung («may be considered») ist angesichts der Daten folgerichtig. Trotzdem wird im Gegensatz zu den europäischen Leitlinien in den amerikanischen Herzinsuffizienz-Leitlinien der ARNI als primäre Therapie empfohlen (8). In der Schweiz ist zusätzlich zu beachten, dass bezüglich Rückerstattung durch die Grundversicherung mindestens bis im Herbst 2022 eine Limitatio für die Kombination des ARNI und einem SGLT2-I bei nicht Diabetes-Patienten besteht, weshalb sich die Versicherungen weigern können, diese Kombination zurückzuerstatten. Medizinisch gesehen ist diese Haltung nicht nachvollziehbar, da es keinerlei Hinweise gibt, dass SGLT-2-Hemmer bei ARNI-Background-Therapie weniger wirksam sind.

Grundlage für die neue vier Säulen Strategie ist die Annahme, dass eine möglichst frühe Hemmung aller vier pathophysiologischen Pathways wichtig ist, auch wenn allenfalls nicht für alle Substanzen Maximaldosierungen erreicht werden können (9, 10). Wichtig zu realisieren ist, dass die vier Säulen nicht nur eine symptomatische, sondern auch eine stark Prognose-verbessernde Therapie darstellen. Da die Herzinsuffizienz auch heute noch eine schlechte Prognose (teilweise sogar schlechter als viele Tumorerkrankungen) aufweist, ist die vollständige Etablierung der Herzinsuffizienz-
Therapie essentiell (11).

Sollte nach Etablierung und optimaler Dosierung der Basis-Therapie die LVEF bei ≤35% mit einer Symptomatik NYHA ≥II persistieren, kommen weitere Therapieschritte zum Zug. Dazu gehören die Device-Therapien (insbesondere die Resynchronisationstherapie (CRT) sowie die Defibrillatoren (ICD)) und weitere medikamentöse Optionen zur Behandlung der Herzinsuffizienz bis hin zu linksventrikulären Assist Devices und einer Herztransplantation bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz (Abb. 2). Falls sich jedoch unter der Vier-Säulen Basistherapie die LVEF >35% verbessert und der Patient keine Symptome mehr hat, gibt es keine Indikation für einen weiteren Therapieausbau. Allerdings darf die etablierte Medikation (ausser bei entsprechenden Nebenwirkungen) auch nicht reduziert oder sogar gestoppt werden. Dies würde in einem relevanten Anteil der Patienten zu einer erneuten Verschlechterung der Herzinsuffizienz führen (12).

Etablierung der Vier-Säulen-Basistherapie im praktischen Alltag

Wie die Vier-Säulen-Therapie im praktischen Alltag genau etabliert werden soll, wird in den Leitlinien nicht konkret ausgeführt. Expertinnen und Experten empfehlen, einen Therapiebeginn mit allen vier Säulen inklusiv deren Auftitrierung innerhalb von
6 Wochen vorzunehmen (13). Dies ist allerdings in der Praxis häufig so schnell nicht zu erreichen. Wir empfehlen, die vier Substanzen in einem ambulanten Setting innerhalb von maximal 3-4 Wochen in niedriger Dosierung zu beginnen und danach aufzudosieren. Im stationären Setting sollten alle vier Säulen zumindest in niedriger Dosierung bei Austritt etabliert sein (Abb. 2).
Die genaue Sequenz der Initiierung wird in den Guidelines ebenso offengelassen. Diese muss nach patienten-spezifischen Faktoren erfolgen. Nachfolgend sind einige Beispiel-Szenarien und die entsprechenden Überlegungen betreffend Therapieetablierung aufgeführt:

1. Initial normaler/hoher Blutdruck, normale Nierenfunktion und Kalium: Dies begünstigt einen Therapiebeginn mit bereits relativ hoher Dosis eines ACE-I in Kombination mit einem MRA. Danach folgt ein niedrigdosierter Betablocker. Der SGLT2-I kann jederzeit dazu kombiniert werden.
2. Initial tiefer Blutdruck und stark eingeschränkte LVEF: Hier kann ein Therapiebeginn mit einem sehr tiefdosierten ACE-I und einem SGLT2-I evaluiert werden, bevor dann im Verlauf der sehr tiefdosierte Betablocker und der MRA eingeführt werden.
3. Initial deutlich eingeschränkte Nierenfunktion und mässig eingeschränkte LVEF: Dies begünstigt den Therapiebeginn mit einem SGLT2-I (sofern eGFR >20ml/min/1.73m2) und einem tiefdosierten Betablocker, gefolgt je nach Verlauf der Nierenfunktion und des Kaliums, von einem tiefdosierten ACE-I und schliesslich, wenn möglich, von einem MRA.

Der Patient aus der Fallvignette passt mit den beschriebenen Charakteristika und Befunden am besten zum dargestellten Beispiel­szenario eins. Entsprechend wurde bei ihm relativ zeitgleich mit einem ACE-I und einem MRA begonnen und die Therapie innerhalb 10-14 Tage mit einem tiefdosierten Betablocker sowie einem SGLT2-I problemlos kombiniert.

Auftitration der Vier-Säulen-Basistherapie und Wechsel ACE-I auf ARNI im praktischen Alltag

Nach Etablierung der vier Therapiesäulen müssen drei davon (ACE-I, Betablocker, MRA) bis zu den jeweiligen Zieldosen oder zur maximal tolerierten Dosis auftitriert werden (ABB. 3). Lediglich der SGLT2-I wird bei beiden hierfür zugelassenen Medikamenten (Empagliflozin und Dapagliflozin; in der Schweiz bisher jedoch nur Dapagliflozin auf der Spezialitätenliste in dieser Indikation ohne zusätzlichen Diabetes mellitus) direkt mit der fixen Dosis von 10mg/d begonnen und muss entsprechend nicht titriert werden (4, 5). Das Ziel ist es, die ACE-I und die MRA-Dosierung unter entsprechenden klinischen und laborchemischen Kontrollen (Kreatinin und Kalium) jeweils alle 14 Tage zu verdoppeln (14). In einem stationären Setting mit entsprechend besseren Überwachungsmöglichkeiten soll dies schneller erfolgen. Die Auftitrierung dieser beiden Therapiesäulen ist nicht selten nur in limitiertem Ausmass möglich. Dabei spielen folgende Faktoren eine wichtige Rolle (14):

1. Hypotonie: Diese tritt vor allem bei Patienten ohne vorbestehende Hypertonie auf und darf nicht a priori zu einer Reduktion der Herzinsuffizienz-Therapie führen. Asymptomatische hypotensive Blutdruckwerte können ohne Medikationsänderungen (ausser allfälliger Reduktion der Diuretika-Dosierung) toleriert werden. Bei symptomatischer Hypotonie müssen primär Antihypertensiva, welche keinen Benefit auf die Herzinsuffizienz zeigen (z.B. Amlodipin, Nitrate, Alphablocker), gestoppt werden, und eine allfällige diuretische Therapie soll auf die zur Erhaltung einer Euvolämie minimal nötige Dosierung reduziert werden. Erst bei persistierender symptomatischer Hypotonie folgte eine zumindest vorübergehende Reduktion des ACE-I/MRA. Bei Patienten mit CRT-Indikation soll ein solcher frühzeitig implantiert werden, da dieser via Verbesserung des Schlagvolumens zu einem Anstieg des Blutdrucks führen und somit einen weiteren Therapieausbau im Verlauf erlauben kann.

2. Niereninsuffizienz: Grundsätzlich gilt, dass ein Anstieg des Kreatinins bei einer klinischen Verbesserung nicht zu einer Reduktion der Therapie führen soll. Die Richtlinien empfehlen, dass ein Anstieg des Kreatinins um 50% über die Baseline oder bis 266 µmol/l (oder eGFR 25ml/min/1.73 m2) toleriert wird, bevor die Dosis des ACE-I, ARB oder ARNI verändert wird (1). Falls das Kreatinin über 100% der Baseline oder über 310 µmol/l (oder eGFR <20 ml/min/1.73 m2) ansteigt, soll die Therapie mit ACE-I, ARB bzw. ARNI gestoppt werden (1). Dies sind allerdings nur Richtwerte und das genaue Vorgehen ist abhängig vom jeweiligen Setting. Auf jeden Fall muss der Volumenstatus geklärt (sowohl eine Hypovolämie wie auch eine Hypervolämie können zur Verschlechterung der Nierenfunktion führen) und allfällige nephrotoxische Medikamente (z.B. NSAR) müssen durch andere Schmerzmittel ersetzt werden.

3. Hyperkaliämie: Insbesondere der MRA kann (v.a. bei zusätzlicher Niereninsuffizienz) zu einer relevanten Hyperkaliämie führen. Ein Anstieg des Kaliums bis 5.5 mmol/l kann hierbei unter entsprechendem Monitoring toleriert werden. Bei Kaliumwerten von 5.5-6 mmol/l muss eine Dosisreduktion des MRA erfolgen, bei einem Kalium >6 mmol/l muss dieser gestoppt werden. Daneben sollen aber auch anderweitige Strategien zur Kaliumreduktion evaluiert werden. Diese beinhalten einen frühzeitigen Wechsel des ACE-I auf ARNI (dieser führt zu einem etwas geringeren Kaliumanstieg (15)), eine fixe Dosierung eines Schleifendiuretikums (wobei Hypovolämien vermieden werden müssen) oder (unter Berücksichtigung der Limitatio) den Einsatz neuer Kaliumbinder wie Patiromer (16) um das Serumkalium zu senken und so eine maximale ACE-I/MRA-Therapie zu ermöglichen.

Die Aufdosierung des Betablockers ist insbesondere bei Patienten mit schwer eingeschränkter linksventrikulärer systolischer Funktion langsam vorzunehmen, um insbesondere den potentiell negativ inotropen Effekt zu minimieren. Eine Dosisverdopplung sollte hierbei nicht schneller als minimal alle 2 Wochen erfolgen. Generell ist es jedoch auch beim Betablocker essentiell eine möglichst hohe Dosierung anzustreben. Der prognostische Effekt bei HFrEF ist dabei proportional zur Reduktion der Herzfrequenz bzw. umgekehrt proportional zur erreichten Herzfrequenz unter Therapie, wobei die Ziel-Herzfrequenz in Ruhe bei <70/min liegt. Es gibt jedoch auch einen Herzfrequenz-unabhängigen Effekt. Nur wenn unter Betablocker-Therapie eine symptomatische Bradykardie mit Herzfrequenz <50/min (oder ein höhergradiger AV-Block) auftritt muss die Dosis reduziert werden.

Nach der Auftitrierung der obengenannten Säulen erfolgt, sofern noch mindestens eine NYHA II Symptomatik besteht, der frühzeitige und möglichst standardmässige Wechsel vom ACE-I auf ARNI. Bei der Umstellung von einem ACE-I auf ARNI muss auf Grund des Risikos eines Angioödems eine Therapiepause von 36 Stunden eingehalten werden. Bei der Umstellung von einem ARB auf ARNI entfällt diese Therapiepause. Bei vorgängig toleriertem ACE-I in zumindest der halben Zieldosis kann mit Sacubitril/Val­sartan 2x100mg/d begonnen und nach 2 Wochen auf 2x200mg gesteigert werden. Ansonsten liegt die Startdosis bei 2x50mg/d. Die Blutdruckreduktion unter Sacubitril/Valsartan kann stärker ausfallen als unter ACE-I (6). Allerdings sollten auch Patienten mit relativ tiefem Blutdruck wenn möglich umgestellt werden, da die absolute Risikoreduktion bezgl. kardiovaskulärem Tod oder Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz gerade in dieser Patientengruppe besonders hoch ist, wenn der ARNI erfolgreich eingesetzt werden kann (17). Jedoch muss hier die Initiierung sehr tiefdosiert und langsam erfolgen.

Beim Patienten aus der initialen Fallvignette konnte die gesamte Vier-Säulen-Therapie bis zur Zieldosis etabliert und der ACE-I erfolgreich durch den ARNI ersetzt werden. Die LVEF verbesserte sich darunter substantiell und wurde 6 Monate nach Erreichen der Zieldosen echokardiographisch mit 40% gemessen. Der Patient ist darunter kardial beschwerdefrei. Die Weiterführung der Therapie ohne Reduktion der Dosen ist nun essentiell.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Marc Buser

Klinik für Kardiologie
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacherstrasse 95
9007 St. Gallen

marc.buser@kssg.ch

Prof. Dr. med. Micha T. Maeder

Klinik für Kardiologie
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacherstrasse 95
9007 St. Gallen

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Die moderne medikamentöse Therapie bei Herzinsuffizienz mit
eingeschränkter systolischer Funktion (HFrEF) besteht aus einer prognostisch und symptomatisch wirksamen Vier-Säulen-Basistherapie, welche einen ACE-I, Betablocker, MRA und einen SGLT2-I beinhaltet.
◆ Die vier Therapiesäulen sollen zunächst in niedriger Dosis parallel
etabliert und erst dann auf die jeweilige Zieldosis auftitriert werden. Danach erfolgt zusätzlich der Wechsel des ACE-I auf den ARNI.
◆ Bei unter etablierter Basistherapie weiterhin bestehender LVEF ≤35% mit einer Dyspnoe NYHA ≥II, sind weitere Optionen zu prüfen
(Device-Therapien, weitere medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapiemöglichkeiten).

1. McDonagh TA, Metra M, Adamo M, Gardner RS, Baumbach A, Bohm M, et al. 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J. 2021;42(36):3599-726.
2. Anker SD, Butler J, Filippatos G, Ferreira JP, Bocchi E, Böhm M, Brunner-La Rocca H-P, et al. Empagliflozin in Heart Failure with a Preserved Ejection Fraction. N Engl J Med. 2021;385(16):1451-1461.
3. Ponikowski P, Voors AA, Anker SD, Bueno H, Cleland JGF, Coats AJS, et al. 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: The Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC)Developed with the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. Eur Heart J. 2016;37(27):2129-200.
4. McMurray JJV, Solomon SD, Inzucchi SE, Kober L, Kosiborod MN, Martinez FA, et al. Dapagliflozin in Patients with Heart Failure and Reduced Ejection Fraction. N Engl J Med. 2019;381(21):1995-2008.
5. Packer M, Anker SD, Butler J, Filippatos G, Pocock SJ, Carson P, et al. Cardiovascular and Renal Outcomes with Empagliflozin in Heart Failure. N Engl J Med. 2020;383(15):1413-24.
6. McMurray JJ, Packer M, Desai AS, Gong J, Lefkowitz MP, Rizkala AR, et al. Angiotensin-neprilysin inhibition versus enalapril in heart failure. N Engl J Med. 2014;371(11):993-1004.
7. Velazquez EJ, Morrow DA, DeVore AD, Duffy CI, Ambrosy AP, McCague K, et al. Angiotensin-Neprilysin Inhibition in Acute Decompensated Heart Failure. N Engl J Med. 2019;380(6):539-48.
8. Maddox TM, Januzzi JL et al. 2021 Update to the 2017 ACC Expert Consensus Decision Pathway for Optimization of Heart Failure Treatment: Answers to 10
Pivotal Issues About Heart Failure With Reduced Ejection Fraction. JACC 2021:77; 772-810.
9. Lam CSP, Butler J. Victims of Success in Failure. Circulation. 2020;
142(12):1129-31.
10. Vaduganathan M, Claggett BL, Jhund PS, Cunningham JW, Pedro Ferreira J, Zannad F, et al. Estimating lifetime benefits of comprehensive disease-modifying pharmacological therapies in patients with heart failure with reduced ejection fraction: a comparative analysis of three randomised controlled trials. Lancet. 2020;396(10244):121-8.
11. Mamas MA, Sperrin M, Watson MC, Coutts A, Wilde K, Burton C, et al. Do patients have worse outcomes in heart failure than in cancer? A primary care-based cohort study with 10-year follow-up in Scotland. Eur J Heart Fail. 2017;19(9):1095-104.
12. Halliday BP, Wassall R, Lota AS, Khalique Z, Gregson J, Newsome S, et al. Withdrawal of pharmacological treatment for heart failure in patients with recovered dilated cardiomyopathy (TRED-HF): an open-label, pilot, randomised trial. Lancet. 2019;393(10166):61-73.
13. Greene SJ, Butler J, Fonarow GC. Simultaneous or Rapid Sequence Initiation of Quadruple Medical Therapy for Heart Failure-Optimizing Therapy With the Need for Speed. JAMA Cardiol. 2021;6(7):743-4.
14. McDonagh TA, Metra M, Adamo M, Gardner RS, Baumbach A, Bohm M, et al. 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: supplementary data. Eur Heart J. 2021;00:1-42
15. Desai AS, Vardeny O, Claggett B, McMurray JJ, Packer M, Swedberg K, et al. Reduced Risk of Hyperkalemia During Treatment of Heart Failure With Mineralocorticoid Receptor Antagonists by Use of Sacubitril/Valsartan Compared With Enalapril: A Secondary Analysis of the PARADIGM-HF Trial. JAMA Cardiol. 2017;2(1):79-85.
16. Meyer P, Lu H, Hullin R. Patiromer and medication optimisation in heart failure with reduced ejection fraction: a Swiss perspective. Swiss Med Wkly. 2020;150:w20362
17. Bohm M, Young R, Jhund PS, Solomon SD, Gong J, Lefkowitz MP, et al. Systolic blood pressure, cardiovascular outcomes and efficacy and safety of sacubitril/valsartan (LCZ696) in patients with chronic heart failure and reduced ejection fraction: results from PARADIGM-HF. Eur Heart J. 2017;38(15):1132-43.

Georgia O‘Keeffe

Von O’KEEFFEs frühesten Abstraktionen bis hin zu ihren ikonischen Darstellungen – von Blumen und Landschaften aus dem Südwesten der USA. Die grosse Retrospektive zu Georgia O‘Keeffe zeigt eine der bedeutendsten Malerinnen und ein herausragende Persönlichkeit der modernen amerikanischen Kunst.

«Man nimmt sich selten Zeit, eine Blume wirklichzu sehen. Ich habe sie gross genug gemalt, damit andere sehen, was ich sehe» – dies eine Aussage von Georgia O’Keeffe, die ihre Bilder mal nahezu abstrakt, einmal naturnah umsetzte.

Die Fondation Beyeler widmet die Frühjahrsausstellung der ameri­kanischen Malerin Georgia O’Keeffe (1887-1986) einer Ikone der modernen Amerikanischen Kunst.

Im Zentrum von O’KEEFFE’s Schaffen steht die Auseinandersetzung mit der Natur und den Landschaften des ländlichen Amerika. Mit 85 Werke aus verschiedenen Schaffensphasen, erwartet Sie eine wunderschöne Ausstellung mit einem umfassenden Überblick über sechs Jahrzehnte umspannenden Karriere und das facettenreiche OEuvre der Künstlerin.

Bericht und Fotos Eleonore E. Droux

Etwas mehr Fantasie und Innovation!

Unter der zunehmenden Prämienlast ächzen Schweize­rinnen und Schweizer seit der Einführung des damals vermeintlich kostendämpfenden Krankenversicherungsgesetzes in den 90er Jahren. Der Druck wird immer grösser, endlich mal etwas Radikales zu machen. Politiker versprechen mit immer kühneren Rezepten landauf und landab, die Prämienbelastung senken und gleichzeitig noch die medizinische Qualität verbessern zu können.

Wenn man genauer hinsieht, erkennt man, dass die Rezepte in Tat und Wahrheit nicht so kühn sind. Sie orientieren sich nicht sehr originell an den üblichen Arzneien von HSG-Abgängerinnen und -Abgängern: Auf Teufel komm raus die Kosten senken!

Das hat weder zu Prämiensenkungen noch zu einer Verbesserung der Behandlungsqualität geführt. Zwar wurden und werden viele Spitäler in komfortable hotelartige Herbergen mit Einerzimmern selbst für Grundversicherte umgewandelt. Die Politiker sonnen sich dann bei den Eröffnungsfeiern in «ihren» Erfolgen. Gespart wird dafür beim grössten Kostenblock, bei den «Human Resources». Betroffen sind da in erster Linie Ärztinnen und Pflegende. Unter Vorwänden wie Kostentransparenz, Qualitätskontrolle, Compliance, Prozess-Optimierung oder gesetzliche Auflagen werden in den nicht produktiven Backoffice-Bereichen massenhaft neue Stellen geschaffen – finanziert von den Dienstleistenden an der Patientenfront. Dafür wird auf diese ein immer grösser werdender Budgetdruck ausgeübt. Zusammen mit den vergangenen Corona-Belastungen führt das dazu, dass sich immer mehr fähige Gesundheitsfachleute von ihrem Spitaljob abwenden.

Dabei gäbe es auch andere Ansätze, zum Beispiel eine echte Digitalisierung, die die medizinisch tätigen Fachpersonen wirklich von administrativen Arbeiten entlastet und nicht einfach den Bleistift bei gleichem oder sogar noch grösserem zeitlichem Aufwand durch den Laptop ersetzt. Was in der Wirtschaft schon längst Alltag ist, nämlich eine eigenständige Anmeldung für Termine, ist in der ambulanten Spitallandschaft der Schweiz – wenn überhaupt – nur mit der Lupe zu finden. Ausreden und Ausflüchte, warum man das gerade in den Spitälern nicht machen kann, gibt es so viele wie Sandkörner am Meer. In diesem Zusammenhang lässt auch die unglaublich harzige Einführung des schweizweiten elektronischen Patientendossiers grüssen.

Eine andere Möglichkeit wäre der flächendeckende Einsatz von Robotern, vorerst für einfache Hoteldienstleistungen wie ein Glas Wasser ans Bett bringen, mit jedoch unendlichen Möglichkeiten zur Weiterentwicklung. Ich höre dann immer den Einwand, dass ein Roboter die menschliche Zuwendung und ein die Seele wärmendes Lächeln, gerade im Gesundheitswesen sehr wichtig, nicht adäquat ersetzen kann. Das trifft zu. Allerdings ist mir das heute noch etwas hölzern wirkende Roboterlächeln immer noch lieber als das verständlicherweise grimmige Zwanzignachacht-Gesicht einer übernächtigten Ärztin oder eines ausgelaugten Pflegenden im Dauereinsatz.

Prof. em. Dr. med. Bruno Imthurn
Bruno.Imthurn@uzh.ch

Prof. em. Dr. med. Bruno Imthurn

Senior Consultant Kinderwunschzentrum
360° Zürich

bruno.imthurn@uzh.ch

Sectionarbenschwangerschaften – Diagnostik und Management

Der Kaiserschnitt ist der weltweit am häufigsten durchgeführte chirurgische Eingriff. In der Schweiz entbinden heute über 30% der Schwangeren per Kaiserschnitt. Eine seltene, gefährliche Spätkomplikation sind Kaiserschnittnarbenschwangerschaften (CSPs). Die echte Inzidenz von CSPs ist unbekannt, Schätzungen gehen von 1: 1800 bis 1: 2500 Schwangerschaften nach einem Kaiserschnitt aus. Bei der CSP implantiert sich der Fruchtsack in der Narbe, die durch den Kaiserschnitt entstanden ist. CSPs sind eine ernste und potenziell lebensgefährliche klinische Entität mit einer Komplikationsrate von ca. 40%, hauptsächlich als Folge von verpassten Diagnosen oder möglicherweise unangemessenen Behandlungen, die schwere Blutungen verursachen (1). Bis heute gibt es noch kein vereinbartes Managementprotokoll für CSP und Kliniker handhaben die CSP sehr unterschiedlich. Dieser Artikel soll einen kurzen Überblick über die Diagnose der Sectionarbenschwangerschaft und mögliche Strategien für das Management aufzeigen.

Caesarean sections (CS) are the most common surgical procedure performed worldwide. In Switzerland, more than 30% of pregnant women give birth by CS. A rare and dangerous late complication after CS is caesarean scar pregnancy (CSP). The true incidence of CSP is unknown, with estimates ranging from 1:1800 to 1:2500 pregnancies after CS. In CSP, the new embryo is implanted in the scar which was caused by the CS. CSP is a serious and potentially life-threatening clinical entity with a complication rate of approximately 40%, mainly as a result of missed diagnoses or possibly inappropriate treatments causing severe hemorrhage. To date, there is no agreed management protocol for CSP and clinicians treat CSP very differently.This article aims to provide an overview of the diagnosis of CSP and discuss possible strategies for management.
Key Words: Ultrasound, early pregnancy, caesarean section, caesarean section scar pregnancy, placental disorders, placenta accreta spectrum, cesarean section.

In der Schweiz gebären 1/3 der Schwangeren mittels Kaiserschnitt, das waren im Jahr 2017 knapp 28000 Kaiserschnitte. Eine seltene, gefährliche Spätkomplikation sind Kaiserschnittnarbenschwangerschaften (CSP). Die echte Inzidenz von CSP ist unbekannt, Schätzungen gehen von 1:1800 bis 1:2500 Schwangerschaften nach Kaiserschnitt aus. Im klinischen Alltag bemerken wir eine Zunahme an CSPs und Plazentationsstörungen (PAS), einer häufigen Folge der CSP. Bei der CSP implantiert sich der Fruchtsack in der Narbe, die durch den Kaiserschnitt entstanden ist (Abb. 1). CSPs sind eine ernste und potenziell lebensgefährliche klinische Entität mit einer Komplikationsrate von ca. 40%, hauptsächlich als Folge von verpassten Diagnosen oder möglicherweise unangemessenen Behandlungen, die schwere Blutungen verursachen (1). Bis heute gibt es noch kein standardisiertes Managementprotokoll für CSP.

Diagnosestellung

Die transvaginale Sonographie in der Frühschwangerschaft ist Mittel der Wahl zur Diagnose der CSP. Sie kann bereits in der 5.-7. SSW anhand der folgenden sonographischen Merkmale gestellt werden (Abb.1) (2, 3):

  • Leeres Cavum uteri
  • Leerer Zervikalkanal
  • Plazenta oder Gestationssack in der ehemaligen Uterotomie
  • Dünnes Myometrium zwischen Blase und Gestationssack (1-3 mm)
  • Starke Vaskularisation im Bereich der Narbe/Plazenta

Nicht immer sind alle diese Zeichen einfach darstellbar und die Diagnose kann eine Herausforderung sein. In einigen Fällen «wandert» der Gestationssack ins Cavum uteri, die Plazenta haftet jedoch weiter in der Narbe. Damit handelt es sich weiter um eine CSP mit allen assoziierten Risiken und nicht um eine normale intrauterine Schwangerschaft.
Als wichtigste Differentialdiagnosen sind eine zervikale Schwangerschaft und ein Abortus incipiens/incompletus (keine Hypervaskularisation, verschieblich/beweglich) zu berücksichtigen (Abb. 2A und 2B).

Klassifikation der CSP

Die CSP kann anhand ihrer Lokalisation verschiedenen Typen zugeordnet werden, von denen man annimmt, dass sie mit dem klinischen Outcome und dem Auftreten von Komplikationen korrelieren. Bei der CSP Typ 1 liegt die Schwangerschaft «auf» der gut geheilten Sectionarbe und mehr als 50% des Gestationssackes ist innerhalb des Endometriums, während bei der CSP Typ 2 die Schwangerschaft «in» der dehiszenten Narbe eingebettet ist und somit mehr als 50% des Gestationssackes ausserhalb des Endometriums in der Wand der Gebärmutter liegt. Aus Schwangerschaften, die man exspektativ gemanaged hat, ist bekannt, dass Schwangerschaften in der Nische (CSP Typ 2) deutlich häufiger zu PAS und Sectiohysterektomien führen als diejenigen, die auf der Narbe liegen (CSP Typ 1) (Abb. 3) (3, 4).

Komplikationen der CSP

Wird eine vitale CSP fortgeführt, besteht ein hohes Risiko für Komplikationen im weiteren Verlauf der Schwangerschaft. In einer aktuellen Metaanalyse wurde versucht, die Risiken anhand von 50 publizierten CSP-Fällen zu quantifizieren (5). Komplikationen im ersten und zweiten Trimenon sind Aborte (ca. 30%), Uterusrupturen (ca. 10%), Hysterektomien (15%). Wenn die Schwangerschaft das dritte Trimenon erreicht, werden die Kinder lebend geboren. Es liegt in 75% der Fälle eine PAS vor. Das Risiko einer schweren maternalen Blutung liegt bei 40%, und 60% der Frauen erhalten eine Hysterektomie.

Management

Für das Management der CSP gibt es unzählige beschriebene Behandlungsansätze. Bisher gibt es keine generell akzeptierten Leitlinien. Aufgrund der hohen maternalen Morbidität wird der frühe Abbruch der Schwangerschaft von vielen Autoren (noch) als Standardempfehlung betrachtet. Es gibt jedoch wachsende Evidenz, dass CSPs unter bestimmten Voraussetzungen und unter Kenntnisse der assoziierten Risiken fortgeführt werden können. In jedem Fall ist eine Behandlung in einem Zentrum mit Erfahrung und mit Optionen für Notfalloperationen, interventionelle Radiologie, Bluttransfusionen und Betreuung rund um die Uhr empfohlen.

  • Wenn die Schwangerschaft avital ist, kann ein abwartendes Verhalten gewählt, der natürliche Verlauf abgewartet, und das Beta HCG bis Null verfolgt werden. In manchen Fällen, z.B. bei Symptomatik (Blutung, Schmerzen) ist, abhängig vom sonographischen Bild, zusätzlich Methotrexat oder eine vorsichtige Absaugung unter sonographischer Kontrolle sinnvoll (cave Hämorrhagie). Selten treten arterio-venöse (AV)-Malformationen als Komplikation auf. Eine Reevaluation der Narbe im Verlauf nach 3-6- Monaten ist in jedem Fall indiziert.
  • Wenn die Schwangerschaft vital ist, sollte nach ausführlicher Beratung zeitnah entschieden werden, ob ein Abbruch der Schwangerschaft durchgeführt wird oder ob die Schwangerschaft fortgeführt wird. Die Beratung sollte individuell auf Basis der Ultraschallbefunde, der persönlichen Anamnese, vorausgegangenen Schwangerschaften und den Optionen in der medizinischen Versorgung diskutiert werden. Auf die obengenannten Komplikationen sollte ausführlich eingegangen werden. Je weiter die Schwangerschaft fortgeschritten ist, desto höher ist die Vaskularisation und desto höher scheint auch das Risiko für eine Komplikation zu sein.
  • Wenn die Patientin sich für einen Abbruch entscheidet, muss die Behandlungsmethode gewählt werden. Diese ist abhängig vom sonographischen Befund und der vorhandenen Expertise und Erfahrung am jeweiligen Zentrum. Abbildung 4 zeigt prinzipiell die verschiedenen Optionen der Therapie. Komplikationen der Therapie sind Blutungen, Hämoperitoneum, hämorrhagischer Schock und die Notwendigkeit einer zweiten Behandlung. Systemisches Methotrexat, Kürettagen und die Embolisation der A. uterina als einzelne primäre Therapie können Komplikations­­raten in bis 40-60% der Fälle nach sich ziehen. Demgegenüber sind die Risiken bei Hysteroskopie, lokal appliziertem Methotrexat oder intrauteriner Balloneinlage geringer (1).

Ausblick

Aufgrund der begrenzten Datenlage bei der Behandlung der Sectionarbenschwangerschaft besteht bisher kein internationaler Konsens. Die Evidenz stammt heute aus Fallsammlungen grösserer einzelner Zentren und Metaanalysen, es existieren aber keine vergleichenden Studien. Aus diesem Grund haben wir das weltweite Register für Sectionarbenschwangerschaften initiiert (www.csp-registry.com), mit dem wir in einem internationalen Netzwerk relevante offene Fragen zur Diagnose und zum Management der CSP beantworten möchten (6).

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Prof. Dr. med.Gwendolin Manegold-Brauer

Gyn. Sonographie und Pränataldiagnostik – Frauenklinik
Universitätsspital Basel
Spitalstrasse 21
4001 Basel

gwendolin.manegold-brauer@usb.ch

Dr. med. Andrea Kaelin Agten

Subspecialist Consultant in Maternal Fetal Medicine and
Placenta Accreta Spectrum Service Lead
Liverpool Women´s Hospital NHS Foundation Trust NHS
Crown street, Liverpool, L8 7SS, UK

andrea.kaelin@lwh.nhs.uk

Die Autorinnen haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel.

◆ CSPs sind eine gefährliche, iatrogene Folge der Sectio caesarea
◆ CSPs können früh in der Schwangerschaft (ab 5. SSW) mittels
transvaginaler Sonographie am besten diagnostiziert werden.
◆ CSPs sollten an erfahrenen Zentren behandelt werden.
◆ Bei vitaler CSP und Entscheid zum Abbruch der Schwangerschaft sollte ohne Zeitverzögerung ein Management in die Wege geleitet werden.
◆ Bei Wunsch nach Fortführung der Schwangerschaft muss die hohe Komplikationsrate (Spätabort, Uterusruptur, PAS, Hämorrhagie,
Sectiohysterektomie) ausführlich diskutiert werden.
◆ Das weltweite Register für Sectionarbenschwangerschaften
www.csp-registry.com wurde initiiert um relevante, offene Fragen zur Diagnostik und zum Management der CSP zu beantworten.

 

1. Timor-Tritsch IE, Monteagudo A. Unforeseen consequences of the increasing rate of cesarean deliveries: early placenta accreta and cesarean scar pregnancy. A review. Am J Obstet Gynecol. 2012 Jul 1;207(1):14–29.
2. Vial Y, Petignat P, Hohlfeld P. Pregnancy in a cesarean scar. Ultrasound Obstet Gynecol. 2000;16(6).
3. Jordans IPM, Verberkt C, Leeuw RA, Bilardo CM, Bosch T, Bourne T, et al. Definition and sonographic reporting system for Cesarean scar pregnancy in early pregnancy: modified Delphi method. Ultrasound Obstet Gynecol. 2021 Nov 14;
4. Kaelin Agten A, Cali G, Monteagudo A, Oviedo J, Ramos J, Timor-Tritsch I. The clinical outcome of cesarean scar pregnancies implanted “on the scar” versus “in the niche.” Am J Obstet Gynecol. 2017;216(5):510.e1-510.e6.
5. Calì G, Timor-Tritsch IE, Palacios-Jaraquemada J, Monteaugudo A, Buca D, Forlani F, et al. Outcome of Cesarean scar pregnancy managed expectantly: systematic review and meta-analysis. Ultrasound Obstet Gynecol. 2018;51(2):169–75.
6. Agten AK, Monteagudo A, Timor-Tritsch IE, Thilaganathan B. Cesarean Scar Pregnancy Registry: an international research platform. Ultrasound Obstet Gynecol Off J Int Soc Ultrasound Obstet Gynecol. 2020 Apr;55(4):438–40.

Behandlung der Harnwegsinfekte heute

Am 10.-11. Februar fand am Universitätsspital Zürich der 9. Internationale Kongress für Gynäkologie, organisiert durch die Klinik für Gynäkologie unter der Leitung von Prof. Dr. med. Gabriel Schär, statt. Nationale und internationale Experten präsentierten in 4 Symposien aktuelle Daten in den Gebieten Allgemeine Gynäkologie, Gynäkologische Onkologie, Senologie und Urogynäkologie. Im Folgenden wird über ein Referat aus der Urogynäkologie berichtet.

PD Dr. med. Daniele Perucchini

Bei Praxisbeginn habe er wenig von Harnwegsinfektionen verstanden, doch damals war punkto Therapie des Harnwegsinfekts alles klar:
«Antibiotika, was sonst!», berichtete PD Dr. med. Daniele Perucchini, Zürich, eingangs seines Referates. Damals war alles noch in Ordnung. Normaler Urin war steril. Man konnte damit im Militär sogar Wunden reinigen. Heute sind wir wegen der Entwicklung von Antibiotikaresistenzen viel kritischer, was die Behandlungen mit Antibiotika anbelangt. Ein wesentlicher Grund ist die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen. 2015 warnte der Ökonom Jim O’Neill, der im Auftrag der britischen Regierung einen Bericht erstellte, dass bis 2050 jährlich mit 10 Millionen Todesopfern zu rechnen ist, also mehr Personen, als derzeit an den Folgen von Krebs sterben.

Am 14. September 2021 beschloss das eidgenössische Parlament, aufgrund einer Motion von Maya Graf, den Kampf gegen Antibiotikaresistenzen zu verstärken. Mittlerweile hatte sich auch ein Paradigmenwechsel ereignet: Urin ist nicht steril. In der gesunden Blase einer asymptomatischen Frau finden sich (fast) immer Bakterien («Kernmikrobiom»). Es gibt «gute» Bakterien, die wahrscheinlich «schlechte» Bakterien unter Kontrolle halten. Es stellen sich daher folgende Fragen: Welche Bakterien sind «Feinde» und welche «Freunde»? Ist es sinnvoll, «krankmachende» Bakterien zu bekämpfen und gleichzeitig auch «gute» Bakterien zu vernichten oder sollen «freundliche» Bakterien vermehrt werden?

Der Referent zeigte eine Studie an Patientinnen mit Restharn, die eine Blasenentzündung hatten. Die Inokulation mit E. coli 83972 schützt vor Harnwegsinfekten durch uropathogene E. coli. Umgekehrt kann eine intraurethrale Inokulation von Gardnerella-Bakterien einen Harnwegsinfekt mit E. coli triggern, wie eine Studie an Mäusen gezeigt hat. Die Kritik gegen Antibiotika fusst also auf 3 Prinzipien: 1. Antibiotikaresistenzen, 2. Paradigmenwechsel Mikrobiom, 3. Antibiotika machen «Kollateralschäden».

Was ist ein Harnwegsinfekt?

Symptome bei jungen Frauen sind Dysurie, Algurie, Pollaki­s­urie, evtl. Makrohämaturie. Mit zunehmendem Alter ändern sich die Symptome. Postmenopausal sind es Brennen nach Miktion, Nykturie, Drangbeschwerden, Inkontinenz (Relatives Risiko ca. 6), Unwohlsein, Unterbauch-/Rückenschmerzen, Frösteln und Nausea. Fakt ist: es gibt keinen Zusammenhang zwischen Symptomausprägung und Bakteriurie. Das ist wichtig zu wissen, so der Referent. Negative Urinkulturen gibt es auch bei symptomatischen Patientinnen, Bakterienwachstum auch bei asymptomatischen Patientinnen («asymptomatische Bakteriurie»). Bei Patientinnen mit rezidivierenden Harnwegsinfekten kann eine persistierende, asymptomatische Bakteriurie vor Rezidiven schützen, wenn keine Antibiotika gegeben werden, wie in einer wegweisenden Studie an 673 Frauen mit asymptomatischer Bakteriurie gezeigt wurde. Nach einem Jahr hatten 47% der Patientinnen, die mit Antibiotika behandelt wurden, einen symptomatischen Harnwegsinfekt und nur 13 % der Patienteninnen ohne Behandlung. Die asymptomatische Bakteriurie sollte nicht gesucht werden und auch nicht behandelt werden, hielt der Referent fest.

Häufigkeit der Harnwegsinfektionen

50% aller Frauen haben einen Harnwegsinfekt im Leben, 20 % davon haben einen weiteren Harnwegsinfekt, 80 % davon haben immer wieder Harnwegsinfekte, das sind 2.4 % aller Frauen. Eine spontane Heilung tritt in 25-50 % ein.

Unterer vs. oberer Harnwegsinfekt, unkomplizierter Harnwegsinfekt: Mehr als 97 % der Infektionen bleiben auf die unteren Harnwege beschränkt. Die Symptome sind akut auftretend, Dysurie, Algurie, Pollakisurie, Schmerzen im Unterleib. Für die Behandlung einer unkomplizierten unteren Harnwegsinfektion sind Antibiotika nicht zwingend notwendig.

Die Symptome beim oberen Harnwegsinfekt sind (klopf-)dolente Nierenlogen, stark reduzierter Allgemeinzustand, Fieber, Schüttelfrost, Kreislaufprobleme. Antibiotika (evtl. intravenös und teilweise Hospitalisation) sind indiziert. In weniger als 3 % der Fälle tritt eine Pyelonephritis auf.

Pathophysiologie von Harnwegsinfekten

Man muss unterscheiden zwischen Prä- und Postmenopause. Die Scheide vor der Menopause weist eine geringe Biodiversität auf, Sie wird besiedelt durch Laktobazillen, die die Vagina ansäuern und antibakteriell wirkendes H2O2 und Bacteriocine (toxische Peptide/Proteine) produzieren. Laktobazillen heften sich and die Vaginalwände und schützen vor Invasion.
Die Scheide nach der Menopause zeigt eine Zunahme der Biodiversität. Laktobazillen fehlen, wodurch die Scheide basisch wird (pH7). Dies begünstigt Blaseninfekte. Es existiert kein Schutzschild an den Vaginalwänden.

Noch immer werden Antibiotika für eine unkomplizierte Harnwegsinfektion verschrieben – warum?
Viele Frauen glauben, ohne Antibiotika gehe es nicht (dies sei gefährlich), es herrscht Angst vor einer Nierenbeckenentzündung.

Therapieoptionen bei Harnwegsinfekten

  • Komplizierte Infekte: Antibiotika
  • Unkomplizierte Infekte: NSAR (z.B. Ibuprofen), D-Mannose, Bärentraubenblätter, Senföle, pflanzliche Dreierkombination.
  • Prophylaxe: Verhaltensmassnahmen, D-Mannose, Cranberry/Preiselbeersaft? Senföle, Östrogene (vaginal), Immunisierung.

Die deutsche Leitlinie HWI 2017 empfiehlt: Die Diagnose einer Harnwegsinfektion und die Indikation zu einer Antibiotikatherapie sollten kritisch gestellt werden, um unnötige Therapien zu vermeiden und Resistenzentwicklungen zu reduzieren (Empfehlungsgrad B).
Sie erlässt folgendes Statement: Bei der Therapie der unkomplizierten Zystitis geht es im Wesentlichen darum, die klinischen Symptome rascher zum Abklingen zu bringen (Evidenzgrad V).

Sie empfiehlt bei der akuten unkomplizierten Zystitis eine antibiotische Therapie. Bei Patientinnen mit leichten/mittelgradigen Beschwerden kann die alleinige symptomatische Therapie als Alternative zur antibiotischen Behandlung erwogen werden. Eine partizipative Entscheidungsfindung mit den Patientinnen ist notwendig (Empfehlungsgrad B, Evidenzgrad Ib).

Antibiotika-sparende Therapie: SSI-Leitlinie

Untere Harnwegsinfektionen: Bis zur Hälfte der Harnwegsinfektionen heilen spontan ab. Antibiotika beschleunigen den Heilungsprozess um 1-2 Tage. Eine unbehandelte Zystitis scheint das Risiko einer Progression zur Pyelonephritis nicht signifikant zu erhöhen.
Für ausgewählte Patientinnen können zuerst Antibiotika-sparende Ansätze versucht werden: Keine Vorgeschichte einer Pyelonephritis, Symptomdauer ≤5 Tage.

37% der Frauen mit unkompliziertem Harnwegsinfekt waren in einer Arbeit vom Jahre 2013 bereit, initial auf ein Antibiotikum zu verzichten. Es existiert ein hoher Bedarf an therapeutischen Alternativen.

  • Belidorn 2014: Alleinige Therapie mit NSAR: Eine Pilotstudie mit Ciprofloxacin (3 Tage) vs. Ibuprofen (3×400 mg ergab die folgenden Resultate: 65 % der Ibuprofen-Gruppe hatte eine Heilung ohne Antibiotika, 33 % mit Antibiotika innert einer Woche. Am Tag 4 Ibuprofen mit weniger Beschwerden, keine Pyelonephritis.
  • 2015 Gàgyor: Ibuprofen 3x400mg vs. Fosfomycin. Ibuprofen: 67% ohne Antibiotika, aber mehr und länger Beschwerden. Symptomfrei nach einer Woche: Ibuprofen 70% vs. Fosfomycin 82%. Weniger Nebenwirkungen mit Nausea oder Diarrhoe, aber 1x gastrointestinale Blutung. Pyelonephritis in 5 Fällen (2%) vs. 0.4% mit Fosfomycin. Eine Nachbefragung nach 6 Monaten ergab: Verzicht auf Antibiotika hatte keinen negativen Einfluss auf HWI-Rezidivrate (5.8% Ibuprofen vs. 11.1% AB).
  • 2017 Kronenberg: Diclofenac 2×75 mg vs. Norflaxin 2×400 mg; Diclofenac: 38% ohne Antibiotika, aber mehr und länger Beschwerden. Beschwerdefreiheit, Median: 2 Tage Norflaxin vs.
    4 Tage Diclofenac. Pyelonephritis in 6 Fällen (5 %) mit Diclofenac vs. 0 Fälle mit Norfloxacin.
  • 2018 Vik: Ibuprofen (3×600 mg) vs. Pivmecillinam. Ibuprofen: 53% ohne Antibiotika, aber mehr und länger Beschwerden.
    Pyelonephritis in 7 Fällen (4 % vs. 0 mit Antibiotikum).

Diskussion: Antibiotische Therapie ist die beste Behandlung, wir können Behandlung mit Ibuprofen allein nicht empfehlen.
Eine Metaanalyse über 5 Studien ergab, dass bei erwachsenen Frauen mit Harnwegsinfektionen Antibiotika nachweislich wirksamer sind als NSAR, was das Abklingen der Symptome und Komplikationen betrifft.

D-Mannose: E.-Coli-Bakterien suchen Kontakt zu zuckerhaltigen Andockstellen am Urothel. D-Mannose gaukelt den Bakterien Andockstellen vor, was zur Ausscheidung der Bakterien mit dem Urin führt. Die Leitlinie der DGU, AWMF von 2017 empfiehlt bei häufig rezidivierender Zystitis der Frau D-Mannose. Alternativ können verschiedene Phytopharmaka (z.B. Präparate aus Bärentraubenblättern (max. 1 Monat) Kapuzinerkressekraut, Meerrettichwurzel erwogen werden (Empfehlungsgrad C, Evidenzgrad Ib). In einer Studie zur Prophylaxe bei rezidivierendem Harnwegsinfekt wurde D-Mannose mit Nitrofurantoin und mit keiner Therapie verglichen. 80 % der Patientinnen unter D-Mannose oder unter Nitrofurantoin hatten keinen Harnwegsinfekt vs. 40 % der Patientinnen ohne Therapie. Die wesentlichen Resultate von 8 systematischen Reviews und 3 Studien in einer Metaanalyse zu D-Mannose ergaben, dass D-Manose protektiv für wieder­kehrende Harnwegsinfektionen gegenüber Placebo ist, mit einer ähnlichen Wirksamkeit wie präventive Antibiotika. D-Mannose scheint gut verträglich mit minimalen ungünstigen Nebenwirkungen zu sein.

Therapiestrategien

Verzögerter Antibiotikabeginn mit der Absicht, den Antibiotikaverbrauch zu minimieren oder reduzieren:
1. Antibiotikaverschreibung in Reserve («Standby Treatment»).
2. Verzögerte empirische Antibiotikaverschreibung
(«Delayed Prescription»)

Ganz auf Antibiotika kann nicht immer verzichtet werden. Die Patientin ist in den Therapieplan miteinzubeziehen (Partizipative Entscheidungsfindung).
Der Referent erwähnt ferner, dass Patientinnen mit Harnwegssymptomen einen negativen Uricult aufweisen können.

Alternative Phytotherapien: Die Therapieoptionen bei komplizierten Harnwegsinfekten (Antibiotika), bei unkomplizierten Infekten (Antibiotika, NSAR, D-Mannose, Bärentraubenblätter, Senföle, pflanzliche Dreierkombination) und zur Prophylaxe (Verhaltensmassnahmen, D-Mannose, Cranberry/Preiselbeersaft (?), Senföle, Östrogene vaginal, Immunisierung) wurden bereits erwähnt.

Bärentraubenblätter: In der REGATTA-Studie wurde untersucht, ob die Erstbehandlung mit Bärentraubenblättern eine sichere und wirksame alternative Behandlungsstrategie für Frauen mit Harnwegsinfektionen darstellt und ob die derzeitige Behandlungsstrategie in der Allgemeinpraxis geändert werden könnte, indem sie eine verzögerte Verschreibung von Antibiotika und eine Verringerung des Antibiotikaeinsatzes in der Primärversorgung fördert. Die Studie zeigte, dass bei Frauen mit unkomplizierten Harnwegsinfektionen die Erstbehandlung mit Bärentraubenblättern zu einem geringeren Antibiotikaverbrauch führt, aber zu einer höheren Symptombelastung und mehr Sicherheitsbedenken als mit Fosfomycin.

Senföle: Die Therapie mit dem pflanzlichen Arzneimittel Angocin® in den Indikationen akute Sinusitis, akute Bronchitis und akute Harnwegsinfektion ist hinsichtlich ihrer Wirksamkeit vergleichbar mit der Standardantibiotika-Behandlung. Die Anwendung von unterstützenden Massnahmen und die Verabreichung von Begleitmedikamenten waren in der mit dem pflanzlichen Arzneimittel behandelten Gruppe weniger ausgeprägt. Bei den oben genannten Indikationen zeigte die mit dem pflanzlichen Arzneimittel behandelte Gruppe ein deutlich vorteilhafteres Sicherheitsprofil als die mit Standardantibiotika behandelte Gruppe.

Pflanzliche Dreierkombination: Eine weitere Therapieoption ist das Gemisch aus mehreren Pflanzeninhaltsstoffen (Kombination aus Rosmarinblättern, Tausengüldenkraut und Liebstöckel­wurzel), ein traditionelles Arzneimittel, das in der Schweiz seit 2021 auf dem Markt ist. Es wirkt antiphlogistisch, analgetisch, antinozizeptiv und spasmolytisch. Eine multizentrische Studie mit 659 Patientinnen ergab, dass 83,5 % Patientinnen in der Canephron-Gruppe und 89,8 %
Patienten in der Fosfomycin-Gruppe keine zusätzlichen Antibiotika benötigten. Bei einer Nichtunterlegenheitsspanne von 15% war Canephron der Fosfomycingruppe bei der Behandlung von Harnwegsinfektionen nicht unterlegen. Die Raten unerwünschter Ereignisse waren bei beiden Gruppen ähnlich, mit höheren Raten an gastrointestinalen Störungen in der Fosfomycin-Gruppe und Pyelonephritis in der Canephron-Gruppe.

Canephron® kann dazu beitragen, die ambulante Verordnung von Antibiotika bei unkompliziertem Harnwegsinfekt zu reduzieren. Ein Vergleich der Symptombewertung mit dem Acute Cystitis Symptom Score (ACSS) ergab eine vergleichbare Linderung der typischen Symptome einer unkomplizierten Harnwegsinfektion beim Vergleich von Canephron mit Monouril.

Intravesikale Instillationen: Intravesikale Instillationen mit Hya­luronsäure und Chondroitinsulfat bauen die Glykosaminglykan (GAG) Schicht der Blase auf und können als prophalyktische Behandlung der rezidivierenden Harnwegsinfektion eingesetzt werden. Hyaluronsäure schützt die Blasenschleimhaut und Chondroitinsulfat bindet sich an das Urothel und stellt so die Undurchlässigleit wieder her. Die Behandlung mit ialuril®Prefill wurde im SGGG-Expertenbrief «Akute und rezidivierende Harnwegsinfekte» mit dem Evidenzlevel Ia ausgezeichnet. Die Intravesikalen Instilla­tionen mit ialuril®Prefill erfolgen wie folgt: Während des ersten Monats eine Instillation pro Woche, während des zweiten Monats eine Instillation alle zwei Wochen. Ab dem dritten Monat eine Instillation pro Monat bis zur dauerhaften Beschwerdefreiheit. Eine Metaanalyse von 8 kontrollierten klinischen Studien hat ergeben, dass ialuril®Prefill die Anzahl Harnwegsinfektionen um durchschnittlich 2.56 /Jahr reduziert. In einer weiteren Studie konnte gezeigt werden, dass unter iauril® signifikant weniger Patientinnen Harnwegsinfektionen aufwiesen als unter Fosfomycin (p < 0.01).

Prävention: Verhalten

Präventive Massnahmen sind ausreichende Flüssigkeitszufuhr, postkoitale Miktion innerhalb einer Stude, Vermeiden von Spermiziden (Kondome) zur Antikonzeption, korrekte Analtoilette, keine Desinfektionsmittel und intravaginale Spülungen, Vermeiden von Unterkühlung (kalte Füsse etc.).

Das orale Immunstimulans OM-89 (Uro-Vaxom®) enthält abgetötete fraktionierte Bakterienextrakte aus 18 verschiedenen uropathogenen Stämmen des Darmbakteriums E. coli, das für über 75 % aller Harnwegsinfekte verantwortlich ist. Eine Metaanalyse über 5 doppelblinde plazebokontrollierte Studien ergab, dass OM-89 (Uro-Vaxom) unter den Bedingungen der täglichen Praxis wirksam war.

Fazit

  • Aufgrund zunehmender Antibiotikaresistenz gewinnen antibiotikafreie Therapien an Bedeutung.
  • Intravasale Instillationen, Hyalronsäure und Chondroitinsulfat bauen die Glykosaminglykan-Schicht der Blase auf und können als prophylaktische Behandlung der rezidivierenden Harnwegsinfekte eingesetzt werden.
  • Die Behandlung mit ialuril ®Prefil wurde im SGGG-Expertenbrief «Akute und rezidivierende Harnwegsinfekte» mit dem Evidenzlevel Ia ausgezeichnet.
  • Probiotika ergeben dagegen keinen Rückgang von Harnwegsinfekten, wie eine Cochrane Datenanalyse zeigte.

Quelle: 9. Internationaler Kongress Gynäkologie Update 2022, Universitätsspital Zürich, 10.-11. Februar 2022

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Ausgewählte Studien zu soliden Tumoren

Randomisierte kontrollierte Phase II Evaluation der Sexuallust von weiblichen Krebsüberlebenden bei Behandlung mit Bupropion in zwei Dosierungen gegenüber Placebo

Quelle : Barton DL et al. Randomized controlled phase II evaluation of two dose levels of bupropion versus placebo für sexual desire in female cancer survivors : NRG-CC004. J Clin Oncol 40:324-334. © 2021

Krebsüberlebende haben häufig sexuelle Funktionsstörungen über mehrere Krebsarten und Krankheitsstadien hinweg. Die Beeinträchtigung der sexuellen Funktion bleibt oft während und nach Krebstherapien und beeinträchtigt die Lebensqualität. Mehrere Studien haben die Vielfalt der Möglichkeiten aufgezeigt, wie Krebsbehandlungsmodalitäten zu sexuellen Funktionsstörungen führen können. Trotz einer Vielzahl von Literatur, die diese weit verbreiteten Behandlungstoxizität thematisiert, sind Massnahmen und Interventionen, welche das Thema wirksam angehen, begrenzt und werden selten verwendet.

Aufgrund der negativen Auswirkungen einer Krebsbehandlung auf die weibliche Sexualfunktion sind wirksame Behandlungen gerechtfertigt. Ziel einer kürzlich publizierten Multistudie war es, die Fähigkeit mit zwei Dosisstufen von Bupropion, einem dopaminergen Wirkstoff mit verlängerter Wirkstofffreisetzung, das sexuelle Verlangen nach neun Wochen stärker zu verbessern als mit Placebo. Anhand der Unterskala des «Female Sexual Function Index (FSFI)», wurde das Resultat und die damit verbundenen Toxizitäten bewertet.

Postmenopausale Frauen, bei denen Brust- oder ein gynäkologischer Krebs diagnostiziert wurde und die einen niedrigen Ausgangswert für das sexuelle Verlangen im FSFI (<3,3) aufwiesen und eine Krebstherapie abgeschlossen hatten, waren teilnahmeberechtigt. Den Frauen wurde nach dem Zufallsprinzip Bupropion mit verlängerter Wirkstofffreisetzung in einer Dosierung von 150mg oder 300mg einmal täglich oder ein entsprechenden Placebo zugewiesen. t-Tests wurden für die FSFI-Subskala «Verlangen» durchgeführt, um festzustellen, ob es eine signifikant größere Veränderung zwischen Placebo und jedem Bupropion-Arm als primärem Endpunkt von der Ausgangssituation bis zu 9 Wochen gab. Zweiundsechzig Patientinnen pro Arm ergaben eine Aussagekraft von 80 % bei Verwendung eines einseitigen t-Tests.

Ergebnisse

Zweihundertdreissig Frauen aus 72 Institutionen wurden nach dem Zufallsprinzip über das NRG Oncology NCORP-Netzwerk zugewiesen. Nach 9 Wochen gab es keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen in Bezug auf die Veränderung der Lust-Subskala; die Teilnehmerinnen in allen drei Gruppen berichteten über Verbesserungen. Die mittleren Veränderungen für jede Gruppe waren Placebo 0,62 (Standardabweichung [SD] = 1,18), 150mg Bupropion einmal täglich 0,64 (SD = 0,95) und 300mg Bupropion einmal täglich 0,60 (SD 5 0,89). Die Gesamt- und Unterskalenwerte des FSFI waren während der gesamten Studie niedrig, was auf eine Funktionsstörung in allen Gruppen hinweist.

Schlussfolgerung

Bupropion war nicht wirksamer als Placebo in Bezug auf die Verbesserung der Lust-Subskala des FSFI. Die Subskalen- und Gesamtwerte des FSFI zeigten während der gesamten neunwöchigen Studie eine Funktionsstörung an. Weitere Forschung ist erforderlich, um die sexuelle Funktion bei weiblichen Krebsüberlebenden zu unterstützen.

Zusammenhang zwischen selbstberichteter COVID-19-Infektion und SARS-CoV-2-Serologietestergebnissen mit anhaltenden körperlichen Symptomen bei französischen Erwachsenen während der COVID-19-Pandemie.

Quelle: Matta J et al. Association of Self-reported COVID-19 Infection and SARS-CoV-2 Serology Test Results With Persistent Physical Symptoms Among French Adults During the COVID-19 Pandemic. JAMA Intern Med. 2022;182(1):19-25. doi:10.1001/jamainternmed.2021.6454

Nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 weisen viele Patienten anhaltende körperliche Symptome auf, die ihre Lebensqualität beeinträchtigen können. Überzeugungen über die Ursachen dieser Symptome können ihre Wahrnehmung beeinflussen und maladaptives Gesundheitsverhalten fördern.

Das Ziel der vorliegenden Studie war die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen selbstberichteter COVID-19-Infektion und SARS-CoV-2-Serologietestergebnissen mit anhaltenden körperlichen Symptomen (z.B. Müdigkeit, Atemnot oder Aufmerksamkeitsstörungen) in der Allgemeinbevölkerung während der COVID-19-Pandemie. Teilnehmer der Querschnittsanalyse waren 26 823 Personen aus der französischen bevölkerungsbasierten CONSTANCES-Kohorte, die zwischen 2012 und 2019 an den verschachtelten SAPRIS- und SAPRIS-SERO-Erhebungen teilnahmen. Zwischen Mai und November 2020 wurde ein Enzymimmunoassay zum Nachweis von Anti-SARS-CoV-2-Antikörpern verwendet. Zwischen Dezember 2020 und Januar 2021 gaben die Teilnehmer an, ob sie glaubten, eine COVID-19-Infektion durchgemacht zu haben, und ob sie in den vorangegangenen vier Wochen körperliche Symptome hatten, die mindestens acht Wochen lang angehalten hatten. Teilnehmer, die erst nach Abschluss des serologischen Tests angaben, eine erste COVID-19-Infektion gehabt zu haben, wurden ausgeschlossen. Logistische Regressionen für jedes anhaltende Symptom als Ergebnis wurden in Modellen berechnet, die sowohl die selbst angegebene COVID-19-Infektion als auch die serologischen Testergebnisse berücksichtigten und für Alter, Geschlecht, Einkommen und Bildungsniveau bereinigt wurden.

Ergebnisse

Von 35 852 Freiwilligen, die zur Teilnahme an der Studie eingeladen worden waren, wurden 26 823 (74,8%) mit vollständigen Daten in die vorliegende Studie aufgenommen (mittleres [SD] Alter, 49,4 [12,9] Jahre; 13 731 Frauen [51,2 %]). Die selbst angegebene Infektion war positiv mit anhaltenden körperlichen Symptomen assoziiert, wobei die Odds Ratio von 1,39 (95% CI, 1,03-1,86) bis 16,37 (95% CI, 10,21-26,24) reichte. Ausnahmen waren Hörstörungen (Odds Ratio, 1,45; 95% CI, 0,82-2,55) und Schlafstörungen (Odds Ratio, 1,14; 95% CI, 0,89-1,46), die nicht signifikant assoziiert waren. Ein positives serologisches Testergebnis für SARS-COV-2 war nur mit anhaltender Anosmie assoziiert (Odds Ratio, 2,72; 95% CI, 1,66-4,46), selbst wenn man die Analysen auf Teilnehmer beschränkte, die ihre Symptome auf eine COVID-19-Infektion zurückführten. Weitere Anpassungen für den selbst eingeschätzten Gesundheitszustand oder depressive Symptome führten zu ähnlichen Ergebnissen. Es gab keine signifikante Wechselwirkung zwischen der Überzeugung und den serologischen Testergebnissen.

Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse dieser Querschnittsanalyse einer großen bevölkerungsbasierten französischen Kohorte deuten darauf hin, dass anhaltende körperliche Symptome nach einer COVID-19-Infektion eher mit der Überzeugung, mit SARS-CoV-2 infiziert worden zu sein, als dass sie mit einer im Labor bestätigten COVID-19-Infektion in Verbindung gebracht werden können.
Weitere Forschungen in diesem Bereich sollten die zugrunde liegenden Mechanismen berücksichtigen, die möglicherweise nicht spezifisch für das SARS-CoV-2-Virus sind. Eine ärztliche Untersuchung dieser Patienten könnte erforderlich sein, um zu verhindern, dass Symptome, die auf eine andere Krankheit zurückzuführen sind, fälschlicherweise dem «Long COVID» zugeschrieben werden.

Prof. Dr. med. Beat Thürlimann

Brustzentrum, Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St.Gallen